Nachhaltiges Personalmanagement
Aktuelle Konzepte, Innovationen und Unternehmensentwicklung
0612
2017
978-3-8385-8669-4
978-3-8252-8669-9
UTB
Uta Kirschten
Mitarbeiter sind für Unternehmen eine wichtige Ressource, denn ihre Leistungen tragen wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg bei. Aus diesem Grund setzen viele Unternehmen verstärkt auf nachhaltiges Personalmanagement.
Die Autorin geht auf die Gestaltung eines nachhaltigen und innovationsorientierten Personalmanagements ein und zeigt auch aktuelle Herausforderungen auf.
Das Buch umfasst eine Vielzahl von Themenbereichen: Bedeutung der Unternehmen und des Personalmanagements für eine nachhaltige Entwicklung; Nachhaltige Entwicklung als gesellschaftliche Herausforderung; Entwicklung des Leitbildes "Nachhaltigkeit"; Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung; Integrativer Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements; Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen als Anstoß für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung; Verankerung der Nachhaltigkeit in der Unternehmensvision, den Unternehmensstrategien und in der Unternehmenskultur; Kompetenzbereiche eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements; zeitliche Perspektiven des nachhaltigen Personalmanagements; Personalplanung; Personalbeschaffung; Personaleinsatz; Personalentwicklung; Personalfreisetzung; Personalservice; Personalführung; Personalmarketing; Nachhaltiges Personalcontrolling; Wissensmanagement sowie Kommunikation. Zahlreiche Praxisbeispiele runden das Buch ab.
<?page no="1"?> für Ralf, Felix und Valerie <?page no="2"?> Uta Kirschten Nachhaltiges Personalmanagement Aktuelle Konzepte, Innovationen und Unternehmensentwicklung UVK Verlagsgesellschaft mbH • Konstanz mit UVK/ Lucius • München <?page no="3"?> Dr. Uta Kirschten ist seit 2013 Professorin für Personalmanagement an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Von 2007 bis 2013 war Frau Kirschten Professorin für Human Resources Management an der privaten AKAD Hochschule Leipzig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen nachhaltiges Personalmanagement, Work-Life-Balance, Frauen in Führungspositionen, Innovation und Arbeit sowie Wissensmanagement. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utbshop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © Rawpixel Ltd., Stockphoto Druck und Bindung: CPI Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 • 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 • Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 8669 ISBN 978-3-8252-8669-9 <?page no="4"?> Vorwort Die Idee zur Weiterentwicklung des Personalmanagements zu einem nachhaltigen Personalmanagement hatte ich schon lange, habe mir aber nie die Zeit dafür genommen. Die wenigen Veröffentlichungen, die es bislang zum Thema „nachhaltiges Personalmanagement“ gibt, interpretieren „Nachhaltigkeit“ meist als strategische Zukunftsfähigkeit und Dauerhaftigkeit des Personalmanagements (vgl. z.B. Zaugg 1999; Weißenrieder/ Kosel 2005; 2010; DGFP 2011; Blumenstock 2013) oder verfolgen eine ressourcenorientierte Perspektive (vgl. z.B. Müller-Christ/ Ehnert 2006; Ehnert 2008). Zwar wird das Leitbild der „Nachhaltigen Entwicklung“ thematisiert, allerdings fehlt meist eine differenzierte Weiterentwicklung des Personalmanagements zur Unterstützung der nachhaltigen Unternehmenstätigkeit unter Berücksichtigung expliziter ökologischer, ökonomischer und sozialer Anliegen und Handlungsbereiche. Dies bestärkte mich in dem Vorhaben, selbst ein nachhaltigkeitsorientiertes Personalmanagement weiter zu entwickeln und in diesem Buch aufzuschreiben. Meine langjährige wissenschaftliche und oft auch interdisziplinäre sowie transdisziplinäre Tätigkeit in ganz unterschiedlichen Fachgebieten, wie z.B. dem Umweltmanagement, der nachhaltigen Entwicklung, dem Innovations- und dem Wissensmanagement, aber natürlich auch im Personalmanagement kam mir hierbei zugute. So konnten u.a. verschiedene wissenschaftliche Ansätze und Vorschläge zur Gestaltung eines umweltverträglichen Personalmanagements aus dem Umweltmanagement und der Umweltbildung seit den 1980er-Jahren in die Weiterentwicklung des nachhaltigen Personalmanagements integriert werden. Natürlich wurden auch viele aktuelle Ansätze und Vorschläge zur ökologischen, ökonomischen und sozialen Weiterentwicklung des Personalmanagements mit aufgenommen und verarbeitet. Die meisten hier vorgestellten Weiterentwicklungen innerhalb des nachhaltigen Personalmanagements, aber auch die Verknüpfungen zwischen dem nachhaltigen Personalmanagement, dem Innovationsmanagement, dem Wissensmanagement und dem Change Management basieren jedoch auf eigenen Analysen, Überlegungen und Ansätzen. Die grundlegende Orientierung bot hierbei der im Jahr 2008 entwickelte Integrative Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements der Autorin (vgl. Kirschten 2008). Die besondere Herausforderung der Weiterentwicklung eines nachhaltigen Personalmanagements hin zu einem ökologisch verantwortlichen, sozial gerechten und wirtschaftlich leistungsfähigen Personalmanagement besteht in der Vielfalt der hierbei relevanten und verknüpften Themengebiete. Den Mittelpunkt der Auseinandersetzung bilden dabei die Menschen als Mitarbeiter in den Unternehmen bzw. Organisationen. Ihr Wissen, aber auch ihre Entscheidungen und ihr Handeln beeinflussen maßgeblich das ökologische, ökonomische und soziale Unternehmenshandeln. Damit sind die Mitarbeiter zentrale Akteure einer nachhaltigen Unternehmenstätigkeit. Andererseits sind die Mitarbeiter auch die Betroffenen, wenn es um die Gestaltung von mehr oder weniger ökologisch verträglichen und sozial gerechten Arbeitsbedingungen und Anreizsystemen geht. Deutlich wird dies insbesondere bei den oft noch wenig menschenwürdigen internationalen Arbeitsbedingungen vieler Unternehmen. Daher war es mir wichtig, hier auch die internationalen Arbeitsbedingungen ausführlich zu diskutieren und Vorschläge für ihre nachhaltige Veränderung mit aufzunehmen. <?page no="5"?> 6 Hinweise zum Buch Insgesamt ist diese Weiterentwicklung hin zu einem nachhaltigen Personalmanagement, das Unternehmen und Organisationen bei ihrer ökologisch verträglichen, sozial gerechten und wirtschaftlich leistungsfähigen Unternehmenstätigkeit kompetent als Businesspartner begleitet und unterstützt, natürlich noch ausbaufähig. Daher freue ich mich über Anregungen und Hinweise für weitere Inhalte zur Weiterentwicklung des nachhaltigen Personalmanagements, aber natürlich auch über konstruktive Kritik an der bestehenden Ausarbeitung. Hinweise zum Buch Dieses Buch richtet sich sowohl an Studierende, Dozenten, Wissenschaftler, Praktiker und Unternehmensvertreter. Für Studierende und Dozenten aller Ausbildungsformen und Fachrichtungen bietet das Buch einen umfassenden Einstieg in die wesentlichen Themenbereiche eines nachhaltigen Personalmanagements, die sowohl in ihren Grundzügen als auch mit ihren Besonderheiten im Hinblick auf ein nachhaltiges Personalmanagement behandelt werden. Daher kann das Buch sowohl im Grundstudium für eine grundlegende Orientierung als auch in höheren Semestern zur Vertiefung personalbezogener und nachhaltiger Themenbereiche eingesetzt werden. Wissenschaftlern bietet das Buch einen vertieften Überblick und Einstieg in die Weiterentwicklung eines internationalen nachhaltigen Personalmanagements. Darüber hinaus bieten die aufgezeigten vielfältigen Verknüpfungen sowie die inter- und transdisziplinären Bezüge zwischen dem Personalmanagement, der nachhaltigen Entwicklung, der Innovationsfähigkeit, dem Wissensmanagement, aber auch dem Change Management vielleicht Anregungen für eigene weitere Arbeiten und einen wissenschaftlichen Diskurs, der mir gerade im nachhaltigen Personalmanagement noch sehr wichtig erscheint. Praktiker und Unternehmensvertreter finden in diesem Buch nicht nur die wesentlichen Inhalte eines nachhaltigen Personalmanagements, sondern auch vielfältige Praxisbeispiele von Institutionen und Unternehmen zur Umsetzung eines nachhaltigen Personalmanagements. Ein wichtiges Ziel des Buches wäre erreicht, wenn dies auch zum eigenen Handeln und zur praktischen Entwicklung eines nachhaltigen und zukunftsorientierten Personalmanagements in weiteren Unternehmen und Organisationen beitragen würde. Die Inhalte des nachhaltigen Personalmanagements gliedern sich in 21 Kapitel, deren strukturellen Aufbau die folgende Übersicht zeigt. Grundsätzlich eigenen sich die Kapitel thematisch als Vorlagen für Vorlesungen oder Seminarthemen. Die ersten vier Kapitel beschäftigen sich mit dem Leitbild der „Nachhaltigen Entwicklung“. Den Ausgangspunkt bildet die Vorstellung der Bedeutung der Unternehmen und des Personalmanagements für eine nachhaltige Entwicklung im ersten Kapitel. Dass die nachhaltige Entwicklung eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung unseres Jahrhunderts ist, begründet das zweite Kapitel. Der Entwicklungsprozess des Leitbildes der „Nachhaltigen Entwicklung“ wird im dritten Kapitel nachgezeichnet. Wesentliche Inhalte des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung sind Gegenstand des vierten Kapitels. <?page no="6"?> Hinweise zum Buch 7 Überblick über den strukturellen Aufbau Die folgenden Kapitel (Kapitel 5-21) beschäftigen sich mit der Integration des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung in das Personalmanagement und in angrenzende Themengebiete. Im fünften Kapitel wird der von der Autorin entwickelte Integrative Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements vorgestellt. Er bildet die Grundlage für die weiteren Ausführungen. Wesentliche aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen als Anstoß für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung werden im sechsten Kapitel vorgestellt. Wie die Nachhaltigkeit in der Unternehmensvision, den Unternehmensstrategien und der Unternehmenskultur verankert werden können, erläutert das siebente Kapitel. Die vier Kompetenzbereiche eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements werden ausführlich im achten Kapitel beschrieben. Das neunte Kapitel thematisiert die verschiedenen zeitlichen Perspektiven des nachhaltigen Personalmanagements. In den folgenden Kapiteln 10 bis 18 werden die verschiedenen Teilbereiche des Personalmanagements mit ihren nachhaltigkeitsorientierten Aufgaben und Inhalten ausführlich vorgestellt. Die Personalplanung, das Personalmarketing und das Personalcontrolling bilden hierbei Querschnittsbereiche, da ihre Aufgaben alle Teilfunktionsbereiche des Personalmanagements betreffen. Die Personalführung hat ebenfalls eine Sonderstellung, da sie sich grundsätzlich mit der Führung der Mitarbeiter in nachhaltigen Unternehmen beschäftigt. In den Kapiteln 19 bis 21 werden weitere Managementbereiche behandelt, die vielfältige Verknüpfungen zum nachhaltigen Personalmanagement aufweisen. Dazu gehört das im Kapitel 19 behandelte Wissensmanagement, das gerade für ein nachhaltigkeitsorientiertes Personalmanagement außerordentlich wichtig ist. Auf die Bedeutung der Kommunikation für ein nachhaltiges Personalmanagement wird im 20. Kapitel eher überblicksartig eingegangen, da eine ausführliche Auseinandersetzung den Rahmen des Buches sprengen würde. Wichtig war mir noch die Auseinandersetzung mit dem Change Management im 21. Kapitel, da die Entwicklung hin zu einem nachhaltigen Unternehmen einen längerfristigen Change Management Prozess darstellt. Zusätzlich <?page no="7"?> 8 Hinweise zum Buch sollte gerade das nachhaltige Personalmanagement vielfältige und wichtige Aufgaben und Rollen in dem nachhaltigkeitsorientierten Wandelprozess der Unternehmen und Organisationen übernehmen. Die Inhalte werden durch zahlreiche Praxisbeispiele ergänzt. Definitionen und Besonderheiten werden teilweise grafisch hervorgehoben. Am Ende eines jeden Kapitels finden sich Fragen zur Selbstkontrolle. Bei der Sprachgestaltung bin ich noch zwiespältig. Meist sind die Ausführungen in der typisch männlichen Sprachform gehalten, teilweise habe ich diese jedoch auch mit weiblichen Sprachformen gemischt. Selbstverständlich bitte ich alle Leser und Leserinnen, sich gleichberechtigt vom Text angesprochen zu fühlen. Sehr herzlich möchte ich mich bei Herrn Jürgen Schechler von der UVK Verlagsgesellschaft mbH für die Annahme meiner Buchidee und seine stets freundliche und unkomplizierte Unterstützung, Begleitung und vor allem für seine große Geduld bedanken. Da meine Familie immer am meisten unter meinen Buchprojekten leidet, bleibt mir an sie nur ein herzlichstes Dankeschön für ihr Verständnis für zu kurz gekommene Familienzeiten, ihre notgedrungene Selbstständigkeit und natürlich für ihre Aufmunterungen und Durchhalteparolen. Daher widme ich ihnen dieses Buch. Den LeserInnen wünsche ich eine interessante und erkenntnisreiche Auseinandersetzung mit dem nachhaltigen Personalmanagement. Uta Kirschten Halle, April 2017 <?page no="8"?> Inhalt Vorwort ................................................................................................................................5 1 Bedeutung der Unternehmen und des Personalmanagements für eine nachhaltige Entwicklung.............................................................17 1.1 Bedeutung der Unternehmen für eine nachhaltige Entwicklung ............. 17 1.2 Bedeutung des Personalmanagements für eine nachhaltige Entwicklung ...................................................................................................... 18 2 Nachhaltige Entwicklung als gesellschaftliche Herausforderung... 20 2.1 Gesellschaftliche Entwicklungen................................................................... 20 2.2 Ökonomische Entwicklung ............................................................................ 22 2.3 Ökologische Entwicklungen .......................................................................... 22 3 Entwicklung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ .................................... 23 3.1 Ursprung der Nachhaltigkeit .......................................................................... 23 3.2 Meilensteine der Leitbildentwicklung seit den 1970er Jahren ................. 28 3.2.1 Erste Veröffentlichungen zur Umweltbelastung ........................................ 28 3.2.2 Erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen „only one earth“........ 30 3.2.3 Der Brundtlandbericht .................................................................................... 31 3.2.4 Zweite Umweltkonferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung „Rio Gipfel“ .............................................................................. 31 3.2.5 Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung: „Rio + 5“.................................. 33 3.2.6 Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 ............... 33 3.2.7 Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung (Rio + 20) in Rio de Janeiro ... 34 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung................... 35 4.1 Begriff der Nachhaltigkeit............................................................................... 35 4.2 Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung ........................................... 38 4.2.1 Ökologische Dimension der Nachhaltigkeit ............................................... 38 4.2.2 Ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit............................................. 39 4.2.3 Soziale Dimension der Nachhaltigkeit ......................................................... 40 4.3 Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung .................................................. 42 4.3.1 Drei-Säulen-Modell.......................................................................................... 42 4.3.2 Schnittmengenmodell der Nachhaltigkeit .................................................... 44 <?page no="9"?> 10 Inhalt 4.3.3 Das Nachhaltigkeitsdreieck .............................................................................45 4.4 Ausprägungen der Nachhaltigkeit ..................................................................46 4.4.1 Schwache Nachhaltigkeit .................................................................................46 4.4.2 Starke Nachhaltigkeit........................................................................................47 4.4.3 Kritische ökologische Nachhaltigkeit ............................................................47 4.5 Managementregeln der Nachhaltigkeit..........................................................48 4.6 Nachhaltigkeitsstrategien .................................................................................50 4.6.1 Effizienzstrategie...............................................................................................50 4.6.2 Suffizienzstrategie .............................................................................................51 4.6.3 Konsistenzstrategie ...........................................................................................52 4.7 Nachhaltigkeit als Leitbild ...............................................................................52 4.8 Akteure einer nachhaltigen Entwicklung ......................................................53 4.8.1 Staat und Politik ................................................................................................54 4.8.2 Unternehmen und Wirtschaft .........................................................................55 4.8.3 Wissenschaft ......................................................................................................57 4.8.4 Gesellschaft........................................................................................................57 5 Integrativer Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements.................................................58 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen als Anstoß für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung......................................................................................................61 6.1 Unternehmensexterne Rahmenbedingungen ...............................................62 6.1.1 Der demografische Wandel.............................................................................62 6.1.2 Entwicklung des Arbeitsmarktes....................................................................66 6.1.3 Steigende Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft und des Wettbewerbs .......................................................................................70 6.1.4 Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft ..........................71 6.1.5 Steigender Wettbewerb um gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte ...73 6.1.6 Gesellschaftliche Legitimationspflicht der Unternehmen..........................73 6.2 Unternehmensinterne Rahmenbedingungen................................................75 6.2.1 Steigende inhaltliche und zeitliche Arbeitsbelastung ..................................75 6.2.2 Alternde Belegschaften ....................................................................................75 6.2.3 Wandel der Arbeitswerte .................................................................................75 6.2.4 Work-Life-Balance............................................................................................80 <?page no="10"?> Inhalt 11 7 Verankerung der Nachhaltigkeit in der Unternehmensvision, den Unternehmensstrategien und in der Unternehmenskultur ..... 85 7.1 Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmensvision .............................. 85 7.2 Entwicklung strategischer Ziele und Unternehmensstrategien ................ 88 7.3 Entwicklung einer nachhaltigkeitsorientierten Unternehmenskultur...... 88 8 Kompetenzbereiche eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements................................................................................. 90 8.1 Ökologische Verantwortung und Kompetenz............................................ 92 8.2 Ökonomische Verantwortung und Kompetenz ......................................... 93 8.3 Soziale Verantwortung und Kompetenz ...................................................... 94 8.4 Innovationskompetenz ................................................................................... 95 9 Zeitliche Perspektiven des nachhaltigen Personalmanagements .... 96 9.1 Die strategische Perspektive........................................................................... 96 9.2 Die taktische Perspektive ................................................................................ 99 9.3 Die operative Perspektive ............................................................................. 100 10 Nachhaltige Personalplanung..................................................................100 10.1 Personalbedarfsplanung ................................................................................ 103 10.2 Methoden zur Ermittlung des Personalbedarfs ........................................ 105 10.2.1 Quantitative Methoden ................................................................................. 106 10.2.2 Qualitative Methoden .................................................................................... 107 10.3 Personalbestandsplanung.............................................................................. 108 10.4 Weitere Personalplanungsbereiche.............................................................. 109 11 Nachhaltige Personalbeschaffung..........................................................109 11.1 Personalwerbung ............................................................................................ 111 11.1.1 Ergebnisse empirischer Befragungen zu den Kriterien der Arbeitgeberwahl von Berufseinsteigern................................................................. 112 11.1.2 Funktionen der Personalwerbung ............................................................... 116 11.1.3 Externe Personalwerbung............................................................................. 117 11.1.4 Interne Personalwerbung.............................................................................. 121 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung ........................................................ 122 11.2.1 Instrumente der internen Personalbeschaffung ........................................ 124 11.2.2 Instrumente der externen Personalbeschaffung ....................................... 127 11.3 Personalauswahl ............................................................................................. 136 <?page no="11"?> 12 Inhalt 11.3.1 Festlegung der Auswahlkriterien ................................................................. 138 11.3.2 Vorauswahl...................................................................................................... 147 11.3.3 Detailbeurteilung............................................................................................ 150 11.3.4 Gesamtentscheidung ..................................................................................... 164 12 Nachhaltiger Personaleinsatz ..................................................................166 12.1 Einführung und Einarbeitung...................................................................... 166 12.1.1 Einführung des neuen Mitarbeiters am ersten Arbeitstag: ..................... 166 12.1.2 Systematische Einarbeitung.......................................................................... 168 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen......................... 169 12.2.1 Sozial verträgliche Gestaltung nationaler Arbeitsbedingungen.............. 170 12.2.2 Sozial verträgliche Gestaltung internationaler Arbeitsbedingungen...... 187 12.3 Ökologisch verträgliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen................ 202 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte ...................................................................... 205 12.4.1 Arbeitsteilung und Stellenspezialisierung................................................... 205 12.4.2 Individuumsorientierte Arbeitsgestaltung.................................................. 207 12.4.3 Gruppenorientierte Aufgabengestaltung.................................................... 210 12.4.4 Förderung von Kreativität und Innovationen durch Arbeitsinhalte ..... 215 12.5 Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsortes................................ 218 12.5.1 Maßnahmen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes innerhalb des Unternehmens........................................................................................................... 218 12.5.2 Maßnahmen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes außerhalb des Unternehmens........................................................................................................... 221 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit ............................................................................ 224 12.6.1 Gestaltungsparameter der Arbeitszeit ........................................................ 225 12.6.2 Traditionelle Gestaltungsformen der Arbeitszeit ..................................... 228 12.6.3 Flexible Gestaltungsformen der Arbeitszeit.............................................. 230 12.7 Motivation und Gestaltung der Anreizsysteme ........................................ 240 12.7.1 Motivklassifikationen .................................................................................... 242 12.7.2 Motivationstheorien ...................................................................................... 242 12.7.3 Anreizsysteme................................................................................................. 247 13 Nachhaltige Personalentwicklung ........................................................ 253 13.1 Grundlagen der Personalentwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen.................................................................................................. 253 13.1.1 Inhalte der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung ................. 253 <?page no="12"?> Inhalt 13 13.1.2 Ziele und Aufgaben einer nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung ..................................................................................................... 254 13.1.3 Vermittlung von Qualifikationen und Kompetenzen.............................. 256 13.1.4 Akteure der Personalentwicklung................................................................ 260 13.1.5 Zielgruppen und Zielgruppenbildung der Personalentwicklung............ 261 13.2 Prozess der Personalentwicklung ................................................................ 263 13.2.1 Ermittlung des Personalentwicklungsbedarfs ........................................... 264 13.2.2 Lern- und Entwicklungsziele der Personalentwicklung........................... 266 13.2.3 Gestaltung und Durchführung konkreter Personalentwicklungsmaßnahmen..................................................................................................... 268 13.2.4 Erfolgskontrolle und Transfersicherung .................................................... 272 13.3 Potenzialanalyse und Potenzialentwicklung............................................... 272 13.3.1 Potenzialanalyse.............................................................................................. 272 13.3.2 Potenzialentwicklung ..................................................................................... 274 13.4 Berufliche Bildung.......................................................................................... 275 13.4.1 Internationale Aktivitäten zur Förderung einer Bildung für nachhaltige Entwicklung ....................................................................................... 276 13.4.2 Entwicklung nachhaltiger Berufsfelder ...................................................... 279 13.4.3 Berufsvorbereitende Bildung ....................................................................... 281 13.4.4 Berufserweiternde und berufsaktualisierende Bildung............................. 294 13.4.5 Berufsverändernde Bildung .......................................................................... 295 13.4.6 Studienangebote im Bereich Nachhaltigkeit.............................................. 295 13.4.7 Methoden der Bildung................................................................................... 297 13.5 Berufliche Förderung..................................................................................... 298 13.5.1 Weiterbildung.................................................................................................. 299 13.5.2 Karrieremanagement ..................................................................................... 299 13.5.3 Nachfolgemanagement.................................................................................. 304 13.5.4 Methoden der Förderung.............................................................................. 305 13.6 Methoden der Personalentwicklung............................................................ 308 13.6.1 Weiterentwickelte Personalentwicklungsmethoden für nachhaltige Unternehmen .................................................................................................. 310 13.6.2 Neu entwickelte Methoden zur Personalentwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen .................................................................... 313 13.6.3 Exemplarische grundlegende Personalentwicklungsmethoden.............. 314 14 Nachhaltige Personalfreisetzung ................................................. 316 14.1 Maßnahmen zur Vermeidung von Personalfreisetzung .......................... 316 <?page no="13"?> 14 Inhalt 14.2 Interne Maßnahmen der Personalfreisetzung ........................................... 317 14.3 Externe Maßnahmen der Personalfreisetzung .......................................... 318 14.4 Outplacement ................................................................................................. 318 15 Personalservice in nachhaltigen Unternehmen..................................319 16 Personalführung in nachhaltigen Unternehmen................................319 16.1 Grundlagen der Personalführung................................................................ 320 16.2 Bedeutung von Menschenbildern ............................................................... 322 16.3 Führungsstile................................................................................................... 324 16.4 Führungsmodelle ........................................................................................... 325 16.4.1 Transaktionaler Führungsansatz.................................................................. 326 16.4.2 Transformationaler Führungsansatz........................................................... 327 16.4.3 Implizite Führungstheorie ............................................................................ 329 16.4.4 Super Leadership Theorie............................................................................. 330 16.4.5 Mitunternehmertum ...................................................................................... 330 16.4.6 Komplexes Führungsmodell ........................................................................ 331 17 Nachhaltiges Personalmarketing........................................................... 332 17.1 Grundzüge des nachhaltigen Personalmarketings.................................... 332 17.2 Funktionen des Personalmarketings ........................................................... 333 17.3 Strategisches und operatives Personalmarketing ...................................... 334 17.4 Prozess des Personalmarketings .................................................................. 335 17.4.1 Situationsanalyse ............................................................................................ 335 17.4.2 Strategien des Personalmarketings .............................................................. 337 17.4.3 Personalmarketing-Mix ................................................................................. 339 17.4.4 Controlling des Personalmarketing ............................................................. 342 18 Nachhaltiges Personalcontrolling ......................................................... 342 18.1 Begriff des nachhaltigen Personalcontrollings .......................................... 343 18.2 Ziele des nachhaltigen Personalcontrollings ............................................. 343 18.3 Aufgaben des nachhaltigen Personalcontrollings ..................................... 344 18.4 Funktionen des nachhaltigen Personalcontrollings.................................. 346 18.5 Ausrichtung des nachhaltigen Personalcontrollings ................................ 347 18.6 Ebenen des nachhaltigen Personalcontrollings ........................................ 348 18.7 Instrumente des nachhaltigen Personalcontrollings................................. 349 <?page no="14"?> Inhalt 15 18.8 Balanced Scorecard für das nachhaltige Personalmanagement .............. 351 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen...................... 356 19.1 Grundlagen des Wissensmanagements....................................................... 356 19.1.1 Wissensmanagement...................................................................................... 356 19.1.2 Wissen .............................................................................................................. 357 19.1.3 Ansätze zum Wissensmanagement / Modell der Bausteine des Wissensmanagements .................................................................................... 359 19.2 Wissensbasiertes nachhaltiges Personalmanagement............................... 362 20 Kommunikation in nachhaltigen Unternehmen ............................... 370 21 Change Management in nachhaltigen Unternehmen ......................371 21.1 Organisationsentwicklung............................................................................. 371 21.2 Inhalte des Change Management ................................................................ 372 21.3 Prozess des Change Managements.............................................................. 373 21.4 Zusammenarbeit zwischen Personalmanagement und Change Management in nachhaltigen Entwicklungsprozessen des Unternehmens........................................................................................................... 374 21.4.1 Ziele des Personalmanagements im nachhaltigen Change Management-Prozess................................................................................................... 375 21.4.2 Aufgaben des nachhaltigen Personalmanagements .................................. 376 21.4.3 Rollen des Personalmanagements im nachhaltigen Change Management.................................................................................................... 377 Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 383 Index ................................................................................................................................... 411 <?page no="16"?> 1 Bedeutung der Unternehmen und des Personalmanagements für eine nachhaltige Entwicklung 1.1 Bedeutung der Unternehmen für eine nachhaltige Entwicklung Für die Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung in der Wirtschaft sind die Unternehmen zentrale Akteure. Die große Bedeutung der Unternehmen resultiert aus folgenden Aspekten: Die Unternehmen beeinflussen maßgeblich die Inhaltsstoffe, den Gebrauchsnutzen, die Lebensdauer und Recyclingfähigkeit sowie die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen der von ihnen hergestellten Produkte und Dienstleistungen durch die Produktbzw. Leistungsgestaltung, die Auswahl der Inhaltsstoffe und den Leistungsumfang der Produkte. Durch die Wahl ihrer Produktionsverfahren bzw. Leistungserstellungsverfahren entscheiden die Unternehmen über die ökologische, ökonomische und soziale Verträglichkeit ihres Ressourceneinsatzes und ihrer Ressourcennutzung (Stoffe und Energien) sowie über die Arbeitsbedingungen, Umweltbelastungen und Emissionen der Produktionsverfahren. Über die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette beeinflussen und gestalten die Unternehmen ihre Wirtschaftsprozesse, die Form ihrer Zusammenarbeit, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien der Leistungserstellung und Leistungsverwertung sowie die nationalen und internationalen Arbeitsbedingungen. In den Unternehmen wiederum sind es immer die Menschen, die in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen (von der Geschäftsleitung bis zum Produktionsmitarbeiter) Strategien entwickeln, Entscheidungen treffen und für die Umsetzung der Entscheidungen verantwortlich sind. Damit sind die Mitarbeiter die zentralen, handelnden Akteure im Unternehmen. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter wesentlich das ökologische, ökonomische und soziale Handeln und Verhalten eines Unternehmens bestimmen. Ein Unternehmen, das sich eine nachhaltige Unternehmensentwicklung bzw. nachhaltige Unternehmenstätigkeit zum Ziel gesetzt hat und seine Leistungserstellung ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig gestalten möchte, benötigt dazu entsprechend qualifizierte, innovative und motivierte Mitarbeiter. Das heißt, dass die Mitarbeiter nicht nur über sehr gute fachliche und aufgabenbezogene Qualifikationen und Kompetenzen, sondern zusätzlich auch über ökologisches, ökonomisches, soziales und innovationsbezogenes Fach- und Querschnittwissen in ihren jeweiligen Aufgabengebieten verfügen müssen. Nur mit diesen umfangreichen Qualifikationen können die Mitarbeiter die nachhaltigen Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch die Auswirkungen ihres aufgabenbezogenen Handelns ausschöpfen, abschätzen und in ihrem Handeln berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, als die Mitarbeiter in unserer zunehmend wissensorientierten Wirtschaft und Gesell- <?page no="17"?> 18 1 Bedeutung für eine schaft zur wichtigsten Ressource einer langfristig erfolgreichen Unternehmenstätigkeit geworden sind. Ihr Wissen, ihre Entscheidungen und Handlungen bestimmen maßgeblich die Leistungserstellung sowie den Unternehmenserfolg. Damit sind die Mitarbeiter auch die zentralen Akteure für die nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung eines Unternehmens. 1.2 Bedeutung des Personalmanagements für eine nachhaltige Entwicklung Welche Bedeutung hat nun das Personalmanagement für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung und ein nachhaltiges Unternehmenshandeln? Das Personalmanagement umfasst alle operativen und strategischen Aufgaben, die die Mitarbeiter betreffen. Es überführt die Unternehmensziele in personalorientierte Ziele, Strategien und Aufgaben. Es gestaltet und lenkt die Personalmanagementsysteme, um langfristig den Erfolg des Unternehmens zu sichern. Die Aufgabenbereiche des Personalmanagements erstrecken sich auf die Beschaffung geeigneten Personals, auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und des Personaleinsatzes, auf die Weiterentwicklung des Personals, die Unterstützung der Führungskräfte bei ihren Leitungsaufgaben und letztlich auch im Bedarfsfalle auf die Personalfreisetzung. Darüber hinaus unterstützt das Personalmanagement die Kommunikation im Unternehmen, fördert das Wissensmanagement und begleitet das Unternehmen bei seiner organisationalen und inhaltlichen Entwicklung. Daher hat das Personalmanagement eine außerordentlich hohe Bedeutung für die Entwicklung und Gestaltung einer nachhaltigen Unternehmenstätigkeit. Natürlich muss die Unternehmensleitung die Richtungsstrategien hin zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung als strategische Zielsetzung vorgeben und im Unternehmen auch strukturell und personell verankern. Bislang wird diese große Bedeutung des Personalmanagements für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen in Theorie und Praxis immer noch unterschätzt. Daher gibt es auch bisher wenige Arbeiten, die sich mit den Beiträgen und der Rolle des Personalmanagements in nachhaltigen Unternehmen beschäftigen und dabei tatsächlich alle drei Dimensionen des Nachhaltigkeitskonzeptes, nämlich eine ökologisch verträgliche, sozial gerechte und wirtschaftlich leistungsfähige Unternehmensentwicklung und Unternehmenstätigkeit berücksichtigen. Bei der Durchsicht bestehender Ansätze zum nachhaltigen Personalmanagement sind die unterschiedlichen Nachhaltigkeitsverständnisse auffällig, die den Ansätzen zugrunde liegen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden im Folgenden einige wesentliche Nachhaltigkeitsverständnisse im Hinblick auf das Personalmanagement voneinander abgegrenzt. Einige Konzepte interpretieren „Nachhaltigkeit“ im Sinne von dauerhaft und zukunftsfähig und gestalten ein nachhaltiges Personalmanagement als langfristig erfolgreiches, an den Zielen und Strategien des Unternehmens ausgerichtetes Personalmanagement, dessen Erfolg wesentlich auf engagierten, qualifizierten und an Entscheidungsprozessen beteiligten Mitarbeitern basiert (vgl. z.B. Weißenrieder/ Kosel 2005, S. 12; Zaugg 2009; DGFP 2011; Hentze/ Thies 2012, Blumenstock 2013). Zugrunde liegt hier maßgeblich ein effizienzorientiertes, teils innovationsorientiertes und im Hinblick auf die Bedeutung der Mitarbeiter auch ein sozialorientiertes Verständnis von Nachhaltigkeit. <?page no="18"?> 1.2 Bedeutung des Personalmanagements für eine nachhaltige Entwicklung 19 Andere Konzepte gehen von einem substanzerhaltungsorientierten Verständnis von Nachhaltigkeit aus. Hier wird Personal als Humanressource interpretiert, das „nachhaltig“ im Sinne von dauerhaft den Unternehmenserfolg sicherstellt und dafür erhalten und gepflegt werden muss (vgl. z.B. Ehnert 2008; 2010; Müller-Christ/ Ehnert 2006; Müller-Christ 2014, S. 315 ff.). Berücksichtigt werden hierbei insbesondere die Erhaltung und Reproduktion der Humanressourcen, verschiedene Ressourcenaustauschbeziehungen sowie die Kontrolle von Neben- und Rückwirkungen der Arbeitsbedingungen (vgl. Ehnert 2008, S. 189). Zum Erhalt und zur Pflege anderer natürlicher Ressourcen ist kein konkreter Bezug offensichtlich. Eher selten finden sich Konzepte zum nachhaltigen Personalmanagement, die explizit auch die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit oder gar alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit gemeinsam im Sinne des integrierten Nachhaltigkeitsansatzes berücksichtigen (vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen 2002; Jörissen et.al. 1999). Die fehlende Berücksichtigung ökologischer Anforderungen an ein nachhaltiges Personalmanagement ist insofern verwunderlich, als hier auf eine über zwanzig jährige differenziert ausgearbeitete Expertise zum Themenfeld umweltorientiertes Personalmanagement zurückgegriffen werden könnte (vgl. z.B. Antes 1996, 2002, 2003; Breidenbach 2002, S. 247 ff.; Remer/ Sandholzer 1991; Stitzel/ Kirschten 1997; Kirschten 2008; Jackson et al. 2011). Angesichts aktueller ökologischer Herausforderungen, wie der Klimawandel, der Verbrauch endlicher Ressourcen (z.B. fossile Brennstoffe, seltene Metalle, Holz) oder gravierend zunehmende Umweltverschmutzung zeigen, deren Auswirkungen unserer Gesellschaft und Wirtschaft immer deutlicher spüren (z.B. in Form von Naturkatastrophen, Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energie) erscheint eine Auseinandersetzung auch mit der ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit zumindest lohnend, wenn nicht gar dringlich. Insofern ist die sich in jüngerer Zeit langsam entwickelnde Diskussion um ein nachhaltiges Personalmanagement auch ein wichtiger Entwicklungsschritt für das Personalmanagement selbst. Einen Beitrag zu diesem wissenschaftlichen Diskurs eines nachhaltigen Personalmanagements im Sinne des Konzeptes einer nachhaltigen Entwicklung mit seinen drei Dimensionen der Ökologie, der Ökonomie und des Sozialen möchte dieses Buch leisten. Das hier zugrundeliegende Verständnis eines nachhaltigen Personalmanagements basiert wesentlich auf dem im dritten Kapitel vorgestellten integrativen Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements, der auf dem konzeptionellen Ansatz eines integrativen Gestaltungsansatzes für ein nachhaltiges Human Ressource Management der Autorin aus dem Jahre 2008 aufbaut und diesen weiterentwickelt (vgl. Kirschten 2008, S. 257ff). Fragen zur Selbstkontrolle 1. Wodurch beeinflussen die Unternehmen die ökologische Verträglichkeit ihrer Produkte? 2. Warum sind die Mitarbeiter die wichtigste Ressource eines Unternehmens? 3. Warum hat das Personalmanagement für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung eine große Bedeutung? <?page no="19"?> 20 2 Nachhaltige Entwicklung als gesellschaftliche Herausforderung 2 Nachhaltige Entwicklung als gesellschaftliche Herausforderung Eine ökologisch verträgliche, sozial gerechte und wirtschaftlich leistungsfähige Entwicklung unserer Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme ist die weltweit zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Dies ist zurückzuführen auf die bisherigen weltweiten gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Entwicklungen, die hier nur sehr grob und überblicksartig skizziert werden. 2.1 Gesellschaftliche Entwicklungen Im Jahr 2015 lebten auf der Welt 7,3 Milliarden Menschen. Im Jahr 2050 werden es voraussichtlich 9,7 Milliarden Menschen sein und bis zum Jahr 2100 rechnen die Vereinten Nationen mit 11,2 Milliarden Menschen auf der Welt, unter der Annahme einer weiter sinkenden Kinderzahl pro Frau (vgl. Abb. 1) (vgl. VN 2015). Aktuell wächst die weltweite Bevölkerung jährlich um 83 Millionen Menschen (Stiftung Weltbevölkerung 2015). Bliebe die Kinderzahl pro Frau unverändert, so würden im Jahr 2100 rund 26 Milliarden Menschen leben (vgl. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung 2015). Abbildung 1: Weltbevölkerungsprojektionen bis 2100 (Deutsche Stiftung Weltbevölkerung 2015) Alleine die Anzahl der Menschen, die heute auf der Erde leben, verursacht eine Vielzahl an sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Problemen. Diese ergeben sich vor allem aus der Notwendigkeit der Nahrungsmittelversorgung, der Sicherstellung ausreichenden Trinkwassers, der notwendigen Unterkünfte, der zunehmenden Verstädterung, aber auch aus dem steigenden Abfallaufkommen und Ressourcenund- Energieverbrauch. Mit unseren derzeitigen ressourcen- und energieintensiven Wirtschafts- und Lebensformen ist die Versorgung all dieser Menschen kaum zu ermöglichen. Dies wiederum fördert Armut und Krankheit bei einem steigenden Anteil der <?page no="20"?> 2.1 Gesellschaftliche Entwicklungen 21 Bevölkerung und insgesamt eine größer werdende Kluft zwischen vielen armen und wenigen reichen Gesellschaften auf der Welt, die zu weiteren sozialen und ressourcenbasierten Konflikten führen werden. Nehmen wir als Beispiel die steigende Anzahl an sog. Megastädten, in denen mehr als 10 Millionen Menschen leben. Schon heute gibt es 28 Megastädte. Dazu zählen Tokio (37 Mio), Neu-Dehli (25 Mio), Shanghai (23 Mio), Mexiko-Stadt (21 Mio), Mumbai (21 Mio) und Sao Paulo (21 Mio). Bis zum Jahr 2030 rechnet die UN mit der Entwicklung von 41 Megastädten (vgl. United Nations 2014). Abbildung 2: Aktuelle und künftige Megastädte von 2015 bis 2030 Diese Megastädte stehen vor vielen Problemen: Es ist schwierig, für so viele Stadtbewohner eine ausreichende Infrastruktur (Versorgung, Entsorgung, Verkehrswege, Wohnraum) bereit zu stellen. Der intensive Verkehr in den Städten führt häufig zu massiven Luftbelastungen und Smog. Weitere Umweltprobleme, wie z.B. Abfallbeseitigung, ergeben sich aus der Vielzahl der Menschen. Soziale Problembereiche betreffen die größer werdende Kluft zwischen armen und reichen Menschen sowie die Zunahme von Slums, in denen die Menschen oft unter unwürdigen Bedingungen leben. Auch international nimmt die Kluft zwischen armen und reichen Bevölkerungsschichten und Gesellschaften zu. Das führt zu einer steigenden Ungleichverteilung von Ressourcen und Einkommen zwischen den verschiedenen Ländern und Gesellschaften auf der Erde. Die große Armut in vielen Ländern dieser Welt fördert aber auch u.a. den schonungslosen Umgang und Abbau von Ressourcen und mit den Ökosystemen. <?page no="21"?> 22 2 Nachhaltige Entwicklung als gesellschaftliche Herausforderung 2.2 Ökonomische Entwicklung Das weltweit immer noch vorherrschende Wirtschaftsmodell vieler Länder orientiert sich am quantitativen Wachstum. Damit verbunden sind kontinuierlich steigende Verbräuche an Ressourcen und Energie. Diese überlasten auf Dauer die Tragfähigkeit der Ökosysteme und verursachen dadurch nicht nur weitere gravierende ökologischen Probleme, sondern auch vielfältige soziale Ungleichheiten und Konflikte sowie ökonomische Schwierigkeiten. (vgl. Rogall 2012). Zusätzlich ist die weltweite ökonomische Entwicklung geprägt von einer steigenden Globalisierung der Wirtschaft und der Unternehmen. Immer mehr Unternehmen arbeiten international und zunehmend auch global, um neue Märkte zu erschließen und Wettbewerbsvorteile auszuschöpfen. So werden arbeitsintensive Produktionsprozesse aus ökonomischen Gründen oft in diejenigen Länder verlagert, die geringe Arbeitskosten haben. Leider sind damit meist auch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen verbunden. Hier werden soziale Ungleichheiten für wirtschaftliche Vorteile ausgenutzt und verstärkt. Auch die Ressourcenversorgung der Wirtschaft ist ein wesentlicher Grund für die steigende Internationalisierung und Globalisierung. So benötigt die mittlerweile hoch technisierte Wirtschaft der Industrieländer eine Vielzahl an Ressourcen, von denen ein steigender Anteil nicht regenerierbar ist (z.B. Öl, seltene Metalle und Erden) und die oft rücksichtlos ausgebeutet werden. Aber auch die grundsätzlich regenerierbaren Ressourcen werden zu einem erheblichen Anteil übernutzt, d.h. weit über ihre Regenerationsfähigkeit hin verbraucht (z.B. Rodung der Wälder, Überfischung, Belastung der Ökosysteme mit Emissionen und Abfällen). Dies führt zu langfristigen Veränderungen der Ökosysteme. (vgl. Länderdaten o.J.). 2.3 Ökologische Entwicklungen Die ökologischen Entwicklungen sind geprägt von einem massiven Abbau der natürlichen regenerierbaren, aber auch der nicht regenerierbaren Ressourcen durch uns Menschen. Zusätzlich verändern die Emissionen und Abfälle unserer Wirtschaft und Gesellschaft die Ökosysteme drastisch. Die ökologischen Folgen unserer Wirtschafts- und Lebensweisen sind mittlerweile bei uns angekommen. So ist der Klimawandel schon heute deutlich spürbar (z.B. steigende Anzahl an Wirbelstürmen, veränderte Niederschläge, zunehmende Trockenperioden), die schädigenden Wirkungen des sich ausdehnenden Ozonlochs verursachen zunehmend Krankheiten, die begrenzte Aufnahmekapazität der Ökosysteme für Abfälle und Emissionen führt beispielsweise zur Beeinträchtigung und teils sogar zur Vergiftung von Gewässern, Böden, Luft, Pflanzen und Tieren, die den Menschen eigentlich als Nahrungsgrundlage dienen. Insgesamt verändern wir mit unserer Art des Wirtschaftens und des gesellschaftlichen Lebens die Ökosysteme mittelbis langfristig derart, dass sie uns Menschen als Lebensgrundlage kaum noch zur Verfügung stehen werden. Diese Erkenntnis bietet Anlass genug, sich mit dem Leitbild und dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung auseinander zusetzten. (vgl. Ökosystem-erde.de; Länderdaten o.J.) <?page no="22"?> 3.1 Ursprung der Nachhaltigkeit 23 Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Auswirkungen hat die Bevölkerungszunahme für die Gesellschaft und die Erde? 2. Warum verursacht die steigende Internationalisierung und Globalisierung soziale und ökologische Probleme? 3. Wie wirkt sich das quantitative Wachstum auf die Ökosysteme und die Ressourcenversorgung aus? 3 Entwicklung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ 3.1 Ursprung der Nachhaltigkeit Die Idee der Nachhaltigkeit ist nicht neu. Im Gegenteil, als vorausschauende Ressourcenbewirtschaftung hat sich die Idee der Nachhaltigkeit bereits vor Jahrhunderten über einen langen Prozess hin entwickelt (vgl. Hamberger 2013, S. 15). Die Nachhaltigkeit ist ein ressourcenökonomisches Prinzip zur Bewirtschaftung natürlicher regenerierbarer Ressourcen derart, dass eine Ressource dauerhaft Ertrag bringend genutzt werden kann, ohne ihre wesentlichen Eigenschaften zu verlieren. (vgl. Antes 2014, S. 63f., Pufé 2012, S. 28). Zum Begriff der Nachhaltigkeit Die Silben „nach“ und „halt“ haben folgende etymologische Bedeutungen: „Nach“ bedeutet Beständigkeit, Weiterleben, Dauer und „halt“ hat etymologisch die Bedeutung von schützen, hüten und bewahren (vgl. Kehr 1993, S. 595f.). Das deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1889 definiert nachhaltig als „auf längere zeit anhaltend und wirkend: nachhaltiger ertrag des bodens wird nur erzielt, wenn der boden in gutem stand erhalten wird“ (Grimm/ Grimm 1889, 1999, S. 69). Der angloamerikanische Begriff „sustain“ geht zurück auf das französische Verb „soutenir“, das von dem lateinischen Verb „sustinere“ abgeleitet ist und „emporhalten, aufrecht halten, halten“, „aushalten, ertragen, auf sich nehmen, … standhalten“, „unterhalten, ernähren, … bewahren“, „zurückhalten, aufhalten anhalten, hemmen, …. Verzögern, verschieben“ (Langenscheidt 1992, S. 738 f., mit zeitgenössischer Interpretation Siebenhüner 2001, S. 292) bedeutet. Franziskus von Assissi lobt im Sonnengesang aus dem Jahre 1279 Gott dafür, „dass er dem Menschen die Existenzgrundlagen („sustentamento“) gewährt und Mutter Erde als diejenige, die den Menschen trägt („sustenta“) und regiert (vgl. Grober 2010: 43-47).“ (Antes 2014, S. 63). <?page no="23"?> 24 3 Entwicklung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ In früheren Jahrhunderten war Holz die wichtigste Ressource für die Menschen, die als Brennstoff (z.B. zum Heizen, Kochen), als Baustoff (z.B. für Häuser, Schiffe, Möbel, Stollensicherung) und als Grundstoff für Holzkohle genutzt wurde. Die extensive Nutzung der Ressource Holz führte schon in früheren Jahrhunderten zu Übernutzungen, die Holzkrisen, Waldverwüstungen und Waldvernichtung zur Folge hatten. Um die Versorgung mit der damals wichtigsten Ressource Holz sicherzustellen, entwickelte sich seit dem 16. Jahrhundert eine systematische Betrachtung der Waldbewirtschaftung, die zur Entwicklung eines betriebswirtschaftlichen Prinzips der Waldbewirtschaftung führte. Der Ursprung des Begriffes Nachhaltigkeit geht zurück auf die Forstwirtschaft und die Entwicklung einer regenerativen Waldbewirtschaftung seit dem 8. Jahrhundert (vgl. Hamberger 2013, S. 15). Die Begriffsschöpfung wird Hannß Carl von Carlowitz, Oberbergehauptmann und Leiter des sächsischen Oberbergeamtes in Freiberg, zugeschrieben (vgl. Antes 2014, S. 64). Er veröffentlichte 1713 die von ihm geschriebene „Sylvicultura oeconomica oder Anweisung zur wilden Baum-Zucht“, die als erste forstwirtschaftliche Abhandlung eingeordnet wird, in die der Begriff der Nachhaltigkeit eingeht, wie das folgende Zitat belegt: „Wird derhalben die größte Kunst / Wissenschafft / Fleiß / und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane [solche, R.A.] Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weil es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse [Existenz; R.A.] nicht bleiben mag.“ (Carlowitz 2000 / 1713: 105f.; Antes 2014, S. 64) Kursachsen finanzierte sich maßgeblich durch die Silbererzbergwerke und Schmelzhütten Freibergs, die wiederum Holz als zentrale Ressource brauchten, was zu einer drohenden Übernutzung des Holzes führte und damit die Einnahmen durch die Silbererzbergwerke und Schmelzhütten gefährdete. Carlowitz befürchtete, dass die Versorgung der Silbererzbergwerke und Schmelzhütten mit Holz auf Dauer nicht sichergestellt sein könnte, und forderte daher „eine beständige und nachhaltende Nutzung des Waldes, d.h. eine Wirtschaftsweise, „die ihre natürliche Ressourcengrundlage planvoll nutzt, nicht übernutzt“ (Antes 2014, S. 65). Die Sylvicultura oeconomicae ist durch zwei Leitgedanken geprägt: „Der Nachlässigkeit als Grundsorge und der Nachhaltigkeit als Grundanliegen.“ (Hamberger 2013, S. 17). Carlowitz kritisierte die planlose und willkürliche Verschwendung der Ressourcen, die ausgeplünderten Wälder und den großen Holzmangel. Das Grundanliegen der Nachhaltigkeit wird deutlich in der Forderung einer aktiven Gestaltung und Aufforstung der Wälder sowie ihrer nachhaltenden, planvollen und sparsamen Nutzung. „Die gehöltze pfleglich brauchen“ … also zu handhaben, daß solch eine beständige revenüe auf lange jahre geben … über den ertrag der höltzer nicht gegriffen, sondern eine immerwährende beständige holtz=nutzung dem Herrn und eine beharrliche feuerung, auch andere holtz-nothdurfft, dem lande, von jahren zu jahren, bey ihrer zeit, und künfftig den nachkommen bleiben.“ (Carlowitz 1732 zitiert nach Grober 2010, S. 115). <?page no="24"?> 3.1 Ursprung der Nachhaltigkeit 25 Der besondere Verdienst von Carlowitz besteht darin, dass er „die Erfahrungen von Jahrhunderten sprachlich genial in einen Ausdruck gegossen [hat] …, der nachhaltenden Nutzung [Carlowitz 1713, S. 105, 106]. Damit wird das komplexe Prinzip intergenerativer Daseinsvorsorge prägnant beschrieben.“ (Hamberger 2013, S. 17). Bemerkenswert ist, dass Carlowitz bei seinen Überlegungen bereits wesentliche Inhalte des heutigen Nachhaltigkeitsdiskurses berücksichtigte. So umfasst sein Konzept nicht nur die ökonomische Sicherung der Ressourcenversorgung, sondern auch die ökologische Notwendigkeit zur Erhaltung des Waldbestandes sowie die Berücksichtigung sozialer Bedürfnisse und der Wohlfahrt des Gemeinwesens: „liebe Posteriotät“ sowie die „armen Unterthanen“ mit ihrem Anspruch „auf sattsam Nahrung und Unterhalt“ (Carlowitz 1713: Widmung sowie die Kommentierung durch Grober 1999, 4. Spalte, Grober 2002a S. 121) (vgl. Antes 2014, S. 65). Auch berücksichtigte Carlowitz schon explizit die „Nachkommen, d.h. nachfolgende Generationen in seinem Konzept (vgl. Antes, 2014, S. 64). Wesentliche Meilensteine der Entwicklung hin zu einer systematischen und ressourcenökonomischen Waldbewirtschaftung sind im folgenden Kasten zusammengestellt. Meilensteine in der Entwicklung eines systematischen, betriebswirtschaftlichen Prinzips der Waldbewirtschaftung als Ressourcennutzung Archäologische Nachweise bis in die Bronzezeit (Troja-Kreta 3000 - 1200 v. Chr.) und zu den Etruskern (700 v. Chr.). Früheste sinngemäße Dokumentationen in China (ca. 1000 v. Chr.), Waldordnungen Mitteleuropas (1144 Kloster Mauersmünster / Elsaß), Bannwälder in der Schweiz (ab 1339). Franz von Assissi hat sich in seinem „Sonnengesang“ mit der Idee der Nachhaltigkeit beschäftigt. Auseinandersetzung mit der Idee der Nachhaltigkeit durch die griechischen Philosophen und die Philosophen der Aufklärung. Anna Amalia, Mutter des Herzogs Carl August veranlasste die erste Forstreform der Welt, um „Holz, dauerhaft und mit stetem Ertrag bereit(zu)stellen.“ Jon Manwood 1592: Manwood’s treatise of the forest law, ed. by William Nelson, 4 th ed. (1 st ed. 1592), London 1717. John Evelyn 1662: Sylva - Or a discourse on forest-trees and the propagation of timber in His Majesties Dominions, ed. by the Royal Society of Britain, (1st ed. 1662), 3rd ed., London 1679 „… our Forests are undoubtedly the greatest Magazines of the Wealth, and Glory of this Nation“ (234); „ ...we had better be without Gold, than without Timber“ (197). Grande Ordonnance, nach achtjährigen Studien 1669 durch Colbert, Minister des Sonnenkönigs, zur Reorganisation des französischen Forstwesens durchgesetzt. <?page no="25"?> 26 3 Entwicklung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ Hannß Carl von Carlowitz 1713: Sylvicultura oeconomica oder haußwirtschaftliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht, Leipzig 1713. Großer Einfluss durch Hartig, ab 1811 Leiter der Preußischen Staatsforstverwaltung. Er machte die Nachhaltigkeit zur Grundlage allen forstlichen Handelns und zum Grundprinzip der Forstwirtschaft. Bis in das 18. Jahrhundert war die Gesellschaft geprägt durch die kollektiven Systeme des Mittelalters: das Lehensystem, den Zunftzwang und die Markgenossenschaft. Dies beschränkte die Verfügbarkeit über das Eigentum aber auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit stark (vgl. Hamberger 2013, S. 19). Ab 1800 entwickelte sich in Deutschland langsam der Liberalismus. Im Zuge des zunehmenden liberalistischen Denkens wurde Gemeinschaftseigentum privatisiert. Auch Staatswälder wurden verkauft in der Annahme, dass die Bewirtschaftung durch einzelne Eigentümer effizienter erfolgen würde, als durch den Staat bzw. die Gemeinschaft (vgl. Hamberger 2013, S. 19 f.). Damit wurde jedoch das Ziel der „optimalen Versorgung eines Gemeinwesens mit Gütern“ (Hamberger 2013, S. 20) verdrängt durch das sich neu entwickelnde Ziel einer „maximalen monetären Nutzung für den Eigentümer einer Sache“ (Hamberger, 2013, S. 20), was sich auch in der Landbewirtschaftung und Forstwirtschaft niederschlug: „Gab es zu Anfang des Jahrhunderts vor allem noch örtliche Brennholzwirtschaft, die überwiegend für den Selbstgebrauch produzierte, entwickelt sich zum Ende des Jahrhunderts ein überörtlicher nationaler und internationaler Nutzholzmarkt“ (Hamberger 213, S. 20; vgl. Mantel/ Parcher 1976). Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt auch die industrielle Revolution. Ihr Ziel ist es, mit neuen Methoden kostengünstiger Produkte bzw. Erzeugnisse herzustellen, die einen höheren Gebrauchswert haben (vgl. Hamberger 2013, S. 20). Dabei rückt die Gewinnorientierung der Hersteller mehr und mehr in den Vordergrund. Auch die Forstwirtschaft bleibt von der Idee der Industrialisierung nicht verschont. Orientiert an der österreichischen Grenznutzenschule um Menger entwickelte sich die Reinertragslehre, deren Ziel in einer höchstmöglichen Verzinsung des im Wald investierten Kapitals bestand (vgl. Menger 1871/ 1990). So begründet Max Preßler ab 1858 mit seiner Schrift „Der Rationelle Waldwirth und sein Waldbau des höchsten Ertrags“ (Preßler 1859) die Bodenreinertragslehre als neue forstwirtschaftliche Lehre. Mit ihr soll mit der Waldfläche ein möglichst hoher wirtschaftlicher Ertrag erzielt werden. Mit Hilfe dynamischer Investitionsrechnungen, nämlich der Faustmannschen Bodenertragswertformel sollten die Holzarten und Umtriebszeiten so optimiert werden, dass ein möglichst hoher Kapitalzins erreicht wird, wobei eine Rendite von 3% angestrebt wurde. Hier wurden erstmals dynamische Investitionsrechnungen in der Forstwirtschaft angewendet. Auch erfolgte eine gedankliche Trennung des Waldbodens vom Holzvorrat als zwei getrennte Kapitalarten (vgl. Hamberger 2013, S. 20). Nach der Bodenreinertragslehre ist die wirtschaftlichste Form des Waldbaus das Modell eines „Normalwaldes“, der streng regelmäßige Altersklassenverhältnisse, reine Bestände, kurze Umtriebszeiten und Kahlschlagsysteme hat. Da Nadelholzarten schnell wachsen, wurden sie, insbesondere Kiefern und Fichten als besonders wirtschaftliche Holzarten angesehen und in den folgenden Jahrzehnten weiträumig angebaut. Noch heute sind in Deutschland ausgedehnte Kiefern- und Fichtenmonokulturen verbreitet. Die Bodenreinertragslehre spiegelt die sich verändernden Lebensverhältnisse im 19. Jahrhundert. „Sie ist ein erster Versuch, den Kapitalismus in <?page no="26"?> 3.1 Ursprung der Nachhaltigkeit 27 die entschleunigte Welt der Forstwirtschaft zu übertragen, Reifeprozesse nicht auszuschöpfen, Risiken nicht einzukalkulieren, Zeit in Geld zu bewerten und den Ertrag als alleinigen Maßstab anzuwenden.“ (Hamberger 2013, S. 20). So richteten Sachsen ab 1867 und Österreich ab 1873 ihre Forstbewirtschaftung an der Bodenreinertragslehre aus. Damit rückte die Gewinnmaximierung, das Erwirtschaften hoher direkter Gelderträge und das Gesetz von Angebot und Nachfrage in den Mittelpunkt des Interesses. Vernachlässigt wurden demgegenüber die Gesetzmäßigkeiten und die Produktivität der Natur, hohe dauerhafte Holzerträge und ein gemäßigter Holzeinschlag. „Die Zyklen der Natur traten zurück gegenüber der Dynamik des Kapitalismus, der Gebrauchswert hinter den Tauschwert“ (Grober 2010, S. 177). Das Handlungsprinzip der Nachhaltigkeit war nicht mehr wichtig und wurde nicht weiter berücksichtigt. Allerdings übersah die Bodenreinertragslehre die Risiken und Nachteile dieser Monokulturen sowie die außerwirtschaftliche Funktion des Waldes (vgl. Endres 1911, S. 85 ff.). So ließen die Kritiker der rein kapitalorientierten Bodenertragslehre auch nicht lange auf sich warten. Der Wald werde in seiner „inneren Verfassung und seiner ganzen Wesenheit“ (Gayer 1886, S. 2) verändert, schrieb Karl Gayer im Jahr 1886. Das Laubholz galt als unproduktiv, stattdessen sollte überall „das Nadelholz treten, und unter diesem nur die Fichte oder die Kiefer, denn auch die Tanne und die Lärche finden an vielen Orten wenig Gnade mehr.“ (Gayer 1886, S. 2). Als Reaktion auf die Bodenreinertragslehre entwickelte Karl Gayer die Waldreinertragslehre, deren Ziel darin bestand, einen Ausgleich zu finden zwischen dem maximalen Wert des Holzbestandes, einer soliden Waldrente aber auch einer Bestandssicherung des Waldes. So sollte ein möglichst hoher jährlicher Reinertrag für den Forstbetrieb erwirtschaftet werden. Hier wurden Boden und Bestand wieder als gemeinsames Grundkapital angesehen und ein insgesamt organisches und systemisches Prinzip verfolgt. Gayer fordert ausdrücklich einen gemischten Wald, weil nur er eine ausreichende Elastizität hat, um die verschiedenen und wechselnden Anforderungen über die Zeit auszuhalten und sowohl biologische als auch wirtschaftliche Risiken abwehren kann (vgl. Gayer 1886, S. 6). Beide Waldbewirtschaftungssysteme standen lange Zeit im Wettbewerb miteinander. Allerdings wurde die Bodenertragslehre bis in das 20. Jahrhundert hinein angewendet. Erst 1920 kehrte Sachsen nach Ausplünderungen seiner Wälder offiziell ab von der Bodenertragslehre. Die Erfolge der Waldreinertragslehre führten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Ausbreitung des Konzeptes, nicht nur in der deutschen Forstwirtschaft, sondern auch in den Forstverwaltungen anderer Länder (z.B. USA, Indien). Das Prinzip einer nachhaltigen Bewirtschaftung nachwachsender Ressourcen und des Waldes wurde auch auf nicht-regenerierbare Ressourcen übertragen, wie beispielsweise auf die Kohleversorgung in England durch den Nationalökonomen Jevons (1865 „The Coal Question“). Ein weiteres Anwendungsfeld bestand in der Entwicklung des Maximum Sustainable Yield Managements als generelles Bewirtschaftungsprinzip regenerierbarer Ressourcen, das beispielsweise auch in der Fischerei angewendet wurde, allerdings meist rein quantitativ orientiert war (vgl. Antes 2014). <?page no="27"?> 28 3 Entwicklung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ Bemerkenswert ist, dass die Idee der Nachhaltigkeit meist aus Krisen (extensive Waldrodungen, Waldverwüstungen) entstand. Damit hat sich auch ein neues Bewusstsein entwickelt, dass die Bedeutung der natürlichen Ressourcen für das Überleben der Menschen sowie für den Erhalt und die Bewahrung der Erde, auf der wir leben, wichtig ist (vgl. Pufé 2012, S. 30). Nach dieser Entwicklung der Idee der Nachhaltigkeit bis zum 19. Jahrhundert dauerte es über hundert Jahre, bis in den 1970er Jahren die Ökologie und die Nachhaltigkeit wieder als wissenschaftliche Ausrichtungen und grundlegende Prinzipien stärker aufgegriffen wurden. 3.2 Meilensteine der Leitbildentwicklung seit den 1970er Jahren Das Bewusstsein, dass wir Menschen durch unsere Lebensweise und unsere Art zu Wirtschaften unsere Umwelt und unseren Planeten massiv belasten, und uns dadurch mittelfristig auch unsere eigene Lebensgrundlage zerstören, begann sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts wieder verstärkt zu entwickeln. Einige wichtige Meilensteine dieser Entwicklung werden im Folgenden vorgestellt. 3.2.1 Erste Veröffentlichungen zur Umweltbelastung In den 1960er und 1970er Jahren erschienen einige erste Veröffentlichungen, die sich mit den Umweltbelastungen durch die Wirtschaftssysteme auseinandersetzten und in Politik und Gesellschaft große Aufmerksamkeit erfuhren. Sie markieren den Beginn einer verstärkten Auseinandersetzung mit den gesellschaftlich bedingten Umweltbelastungen und ihren Auswirkungen auf die Erde seit den 1960er bzw. 1970er Jahren, vor allem in Deutschland und in den USA. Silent Spring Im Jahre 1962 erschien das Buch „Silent Spring“ bzw. der Stumme Frühling“ von Rachel Carson, das als eines der ersten und viel beachteten umweltorientierten Veröffentlichungen gilt (vgl. Carson 1962). Die Biologin Rachel Carson machte mit ihrem Buch auf die Auswirkungen des umfangreichen Einsatzes von Pestiziden und anderen Chemikalien in der Landwirtschaft auf die Ökosysteme aufmerksam, die u.a. zum Verstummen der Vögel und Insekten im Frühling führten. In den USA löste diese Veröffentlichung eine intensive politische Diskussion über den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft aus, die später im Verbot des Einsatzes von DDT gipfelte. Die Grenzen des Wachstums Im Auftrag des Club of Rome erarbeitete das Wissenschaftlerehepaar Meadows (Donella und Dennis Meadows) und ihr Team aus 17 Wissenschaftlern am Jay Wright Forresters Institut für Systemdynamik am Massachussetts Institut of Technology (MIT) eine Studie zur Entwicklung der Weltwirtschaft. Das Ziel der Studie war das Aufzeigen der globalen Auswirkungen des individuellen Handelns. Die Forschungsergebnisse für den Club of Rome wurden im Jahr 1972 in dem Forschungsbericht „Limits of Growth“ auf deutsch „Die Grenzen des Wachstums“ (Meadows 1972) veröffentlicht, der weltweit sehr große Beachtung fand. <?page no="28"?> 3.2 Meilensteine der Leitbildentwicklung seit den 1970er Jahren 29 Meadows und ihr Team entwickelten ein bewusst stark vereinfachtes Weltmodell, das auf der Dynamik komplexer Systeme einer homogenen Welt basierte und die globalen Wechselwirkungen zwischen u.a. der Industrialisierung und Bevölkerungsentwicklung, den Nahrungsmittelressourcen und Rohstoffreserven, dem Kapital und Energieverbrauch sowie der Landnutzung und Umweltzerstörung untersuchte. Mit Hilfe von Computersimulationen wurden mehrere Szenarien mit unterschiedlichen Annahmen hinsichtlich Bevölkerungswachstum, Industrialisierung, Höhe der Rohstoffreserven, Effizienz der landwirtschaftlichen Produktion, Ausmaß der Umweltverschmutzung und des Umweltschutzes sowie weiteren Faktoren errechnet. Alle Szenarien wiesen jedoch ähnliche Ergebnisse auf, die zu der folgenden zentralen Schlussfolgerung der Wissenschaftler führte: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ (Meadows et al 1972, S. 17). Dies hätte zur Folge, dass die Rohstoffe weitgehend aufgebraucht und die Umwelt unwiederbringlich zerstört wäre und dadurch auch die Bevölkerungsanzahl als auch die industrielle Kapazität recht schnell absinken würden. D.h. das unsere Erde und unsere Lebensgrundlagen kollabieren würden. Zurückgeführt wurde dieser Kollaps auf die Problematik, dass unsere Entwicklung und unser Wachstum nicht linear erfolgt, sondern eine exponentielle Dynamik aufweist. Anschaulich wird das exponentielle Wachstum an der Entwicklung der Weltbevölkerung: 1650 betrug die Verdopplungszeit der Weltbevölkerung ca. 250 Jahre, 1970 hatte sich die Verdopplungszeit der Weltbevölkerung schon auf 33 Jahre reduziert und ist seitdem relativ konstant. Dieses Wachstum wird von Meadows auch „superexponentiell“ genannt. Heute, im Jahr 2016 leben 7,4 Milliarden Menschen auf der Welt, das sind ca. eine Milliarde Menschen mehr, als im Standardlauf des Weltmodells berücksichtigt wurden. Meadows mahnte in seinem Bericht, dass eine Veränderung der Wachstumsbedingungen hin zu einem ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewicht notwendig wäre, um den prognostizierten Kollaps der Erde zu vermeiden. Ein Planet wird geplündert Im Jahr 1975 veröffentlichte Herbert Gruhl sein Buch „Ein Planet wird geplündert“, in dem er nach den Ursachen der Plünderung der ökologischen Lebensgrundlagen der Menschen suchte. Wesentliche Ursachen sah Herr Gruhl in der Wachstumsideologie und der Konsumorientierung der Wirtschaftssysteme sowie in dem Bevölkerungswachstum. Gruhl plädierte für eine „planetarische Wende“, bei der die Menschen „von den Grenzen der Erde ausgehend denken und handeln“ müssten (vgl. Gruhl 1975, Text auf Rückseite des Einbandes). Technischer Umweltschutz und umweltpolitische Maßnahmen alleine könnten die Vernichtung der Lebensgrundlagen nicht aufhalten. Gruhl war CDU-Politiker und beschäftigte sich seit 1970 mit dem damals neuen Politikfeld der Umweltpolitik. Die bereits erschienen „Grenzen des Wachstums“ von Meadows inspirierten Gruhl zu einem eigenen Buch über den Zustand der Erde und die Auswirkungen des Wirtschaftswachstums. Sein Buch erlangte in der Politik und der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit und war vielfach ein wichtiger Auslöser für eine intensivere Auseinandersetzung mit den Umweltbelastungen und der Notwendigkeit eines Umweltschutzes. Gruhl selbst engagierte sich noch 1975 in der Leitung des BUND, verließ 1978 die CDU und arbeitete an der Gründung von Umweltparteien und der späteren „Die Grünen“ als erste Umweltpartei in Deutschland mit. <?page no="29"?> 30 3 Entwicklung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ Grenzen des Wachstums - das 30-Jahre-Update Im Jahr 2006 wurden die Modellrechnungen mit aktuellen Daten wiederholt und in dem Bericht „Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update“ von Meadows und seinem Team veröffentlicht (Meadows/ Randers/ Meadows 2008). Als Schlussfolgerung schreibt er: „Die globale Herausforderung kann man einfach zusammenfassen: Um eine Entwicklung tragfähig zu gestalten, muss die Menschheit das Konsumniveau der Armen dieser Welt anheben, gleichzeitig aber den ökologischen Fußabdruck der Menschheit insgesamt senken. Dazu braucht es technologischen Fortschritt, personelle Veränderungen und längere Planungshorizonte.“ (Meadows/ Randers/ Meadows 2008, S. 264). Graham Turner von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) veröffentlichte 2008 eine Studie, in der er die historischen Daten aus den Jahren 1970 und 2000 mit den von Meadows (Meadows/ Randers/ Meadows, 2008) errechneten Szenarien verglich. Sein Ergebnis war, dass viele der Vorhersagen von Meadows mit den Daten übereinstimmten und ein globaler Kollaps der Erde Mitte des 21. Jahrhunderts zu erwarten sein. (vgl. Turner 2008). 3.2.2 Erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen „only one earth“ Im Jahr 1972 (5. - 16.6. 1972) fand die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm statt. Dies war auch die erste UNO-Weltkonferenz, die sich mit dem Thema Umwelt beschäftigte. Sie gilt daher als Beginn der internationalen Umweltpolitik, der 5. Juni als internationaler Tag der Umwelt erinnert daran. 1200 Vertreter aus 112 Staaten nahmen an der UN-Konferenz teil. Das Motto „only one earth“ wird auf die Bilder zurückgeführt, die die US-Raumkapsel Apollo bei ihrer Mondumkreisung aufgenommen hat und die die Erde als „blauen Planeten“ und ganzheitliches aber auch schutzbedürftiges Ökosystem zeigen. Die Ergebnisse der ersten Umweltkonferenz waren begrenzt, da die Vertreter der Entwicklungsländer die umweltschutzorientierten Bestrebungen der Industrieländer als eine Beschränkung ihrer eigenen insbesondere wirtschaftlichen Entwicklung interpretierten. Dennoch konnten sich die teilnehmenden Länder in der Deklaration von Stockholm als Abschlussdokument auf folgende Vereinbarungen einigen (vgl. https: / / www.nachhaltigkeit.info/ artikel/ uno_konferenz_stockholm_1972_688.ht m? sid=i3ltklehbiaeufslcf9uhog3v4): Bekenntnis zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Umweltschutz Die Staaten haben nicht nur das Recht auf Ausbeutung der eigenen Ressourcen, sondern auch die Pflicht dafür zu sorgen, dass durch eigene Tätigkeiten anderen Staaten kein Schaden zugefügt wird Festschreibung von 26 Prinzipien für Umwelt und Entwicklung Formulierung von 109 Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Prinzipien und Beschluss eines Aktionsplans Initiierung eines globalen Erdbeobachtungssystems (Earthwatch) Gründung der UNEP (UN-Umweltprogramm) mit Sitz in Nairobi, Kenia <?page no="30"?> 3.2 Meilensteine der Leitbildentwicklung seit den 1970er Jahren 31 3.2.3 Der Brundtlandbericht Die Vereinten Nationen gründeten im Jahr 1983 eine unabhängige Sachverständigenkommission, die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Develepment, WCED) mit Sitz in Genf, deren Vorsitzende die damalige norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland war. Die Sachverständigenkommission wurde mit der Erarbeitung eines Perspektivenberichtes für eine langfristig tragfähigere und umweltschonendere Entwicklung im Weltmaßstab bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus betraut. Der Abschlussbericht der Sachverständigenkommission „Our Common Future“ (WCED 1987) oder auch Brundtlandbericht (nach der Vorsitzenden der Kommission) genannt, enthielt Handlungsempfehlungen für eine dauerhafte Entwicklung und gilt als wichtigster Meilenstein für die Begriffsbildung und Begriffsverbreitung von „Sustainable Development“ (vgl. Kanning, 2013, S. 23). Bei den Handlungsempfehlungen sollte eine dauerhafte Erfüllung der Grundbedürfnisse aller Menschen berücksichtigt werden, gleichzeitig aber auch die Tragekapazität der natürlichen Umwelt und die Konflikte zwischen Umwelt und Naturschutz sowie zwischen Armut und Wirtschaftswachstum. Der große Verdienst des Abschlussberichtes besteht in der Prägung des Begriffs „nachhaltige Entwicklung“ bzw. sustainable developement“ als globales Leitbild. Nachhaltigkeit bezieht sich dabei sowohl auf den Schutz der Umwelt als auch auf die Notwendigkeit einer verträglichen Entwicklung, wie Frau Pufé sehr prägnant beschreibt: „…globale Umweltprobleme sind hauptsächlich das Resultat der nichtnachhaltigen Konsum- und Produktionsmuster im Norden und der großen Armut im Süden. Diese Problemwahrnehmung verlangte sowohl nach einer gerechtigkeitsorientierten Definition von Nachhaltigkeit als auch nach einem entsprechenden Lösungsansatz. Dies erforderte in der Konsequenz eine Strategie, die Entwicklung und Umwelt zusammenbrachte.“ (Pufé, 2012, S. 36). So rückte auch erstmals die Notwendigkeit eines dauerhaften Gleichgewichtszustandes in das politische Bewusstsein. 3.2.4 Zweite Umweltkonferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung „Rio-Gipfel“ Genau 20 Jahre nach der ersten Umweltkonferenz der Vereinten Nationen fand die zweite Umweltkonferenz der Vereinten Nationen vom 3. bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro, Brasilien statt. An ihr nahmen 178 Staaten und 2400 Vertreter von Nicht- Regierungs-Organisationen (NGOs) teil, darüber hinaus beteiligten sich 17.000 Menschen am parallel stattfindenden NGO-Forum (vgl. www.un.org/ jsummit/ html/ basic_info/ unced.html; Pufé 2012, S. 42). Die Vorbereitung dieser Konferenz dauerte mehrere Jahre und wurde durch ein speziell hierfür gegründetes Sekretariat in London vorbereitet. Das Ziel der Konferenz bestand darin, eine weltweite nachhaltige Entwicklung zu befördern, wobei sowohl Interessen und Ziele des Umweltschutzes als auch der Entwicklung berücksichtigt und letztlich in einem verbindlichen Abkommen festgeschrieben werden sollten. Gegenstand der Verhandlungen waren sowohl umweltpolitische als auch globale Entwicklungsprobleme sowie die globale umweltpolitische Zusammenarbeit. Insbesondere galt es das Bewusstsein zu schärfen für „die Abhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt“ aber auch „für die Rückkopplungen weltweiter Umweltveränderungen auf sein Verhalten bzw. seine Handlungsmöglichkeiten“ (Pufé 2012, S. 43). <?page no="31"?> 32 3 Entwicklung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ Aufgrund vieler Interessensgegensätze waren die Verhandlungen schwierig. Letztlich einigten sich die beteiligten Regierungen jedoch auf die Unterzeichnung von sechs Abkommen, die die politische Verankerung des Themas Nachhaltigkeit maßgeblich förderten. Tabelle 1: Wichtige Abkommen des Rio-Gipfels 1992 (vgl. Pufé 2012, S. 43 f.) Deklaration von Rio über Umwelt und Entwicklung Enthält 27 Grundsätze, die erstmals global das Recht auf nachhaltige Entwicklung festschreiben. Vorsorge- und Verursacherprinzip wurden als Leitprinzipien anerkannt. Als zwingende Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung wurden anerkannt: Bekämpfung der Armut, angemessene Bevölkerungspolitik, Verringerung und Abbau nicht nachhaltiger Konsum- und Produktionsweisen, umfassende Einbeziehung der Bevölkerung in politische Entscheidungen Klimaschutz-Konvention Rahmenkonvention der UN über Klimaveränderungen Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen soll auf einem Niveau stabilisiert werden, das eine gefährliche Störung des Weltklimas verhindert Der Ausstoß von CO 2 muss bis 2050 weltweit um mindestens 60% reduziert werden, um den Klimawandel in „ungefährlichen“ Grenzen zu halten (Einschätzung des IPCC) Biodiversitätskonvention Abkommen zum Erhalt, Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt. Die biologische Vielfalt soll erhalten und langfristig nicht weiter gefährdet werden. Die Länder dürfen über ihre biologischen Ressourcen verfügen, müssen aber die biologische Vielfalt erhalten und sollen biologische Ressourcen nachhaltig nutzen. Walddeklaration Enthält Leitsätze für die ökologische Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltige Entwicklung der Wälder. Eher unverbindliche Absichtserklärung aufgrund des Widerstands der Entwicklungsländer. Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung Initiierung eines regierungsübergreifenden Verhandlungskomitees zur Vorbereitung und Erarbeitung einer Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung in von Dürre und Wüstenbildung stark betroffenen Ländern. Die Konvention wurde nach fünf vorbereitenden Sitzungen am 17.06.1994 in Paris beschlossen. Agenda 21 Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. Sehr wichtiges Abkommen. Selbstverpflichtung der unterzeichnenden Staaten, die Umsetzung des Nachhaltigkeitsleitbildes auf nationaler Ebene durch nationale Umweltpläne und Umweltaktionspläne zu fördern. Agenda 21 umfasst 40 Kapitel, in denen wesentliche Ziele und Maßnahmen für wichtige Politik- und Handlungsbereiche festgehalten sind. <?page no="32"?> 3.2 Meilensteine der Leitbildentwicklung seit den 1970er Jahren 33 Um die Umsetzung der Konferenzergebnisse des Rio-Gipfels zu überwachen, wurde nach der Rio-Konferenz die Kommission für Nachhaltige Entwicklung (Commission on Sustainable Development, CSD) gegründet. 3.2.5 Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung: „Rio + 5“ Im Jahr 1997 fand in New York die erste Nachfolgekonferenz „Rio + 5“ des Rio- Gipfels statt. An ihr nahmen 53 Staaten- und Regierungschefs sowie 65 Minister für Umwelt oder andere Ressorts teil. Gegenstand der Konferenz waren die Veränderungen im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, die in den letzten fünf Jahren international aber auch national erreicht wurden. Aber auch die Identifizierung dessen, was nicht erreicht wurde und warum war ein wichtiger Inhalt. Weiter sollten bisher zu wenig betrachtete umweltpolitische und entwicklungspolitische Problembereiche identifiziert und zukünftige Prioritäten einer nachhaltigen Entwicklung festgelegt werden. Insgesamt bestand das Ziel der Konferenz darin, die Selbstverpflichtungen der Staaten für eine nachhaltige Entwicklung wiederzubeleben und zu stärken. Die Ergebnisse der Konferenz waren jedoch ziemlich ernüchternd. So wurden bis 1997 nur kleine Fortschritte in den zentralen umwelt- und entwicklungspolitischen Problembereichen (z.B. Waldverluste, Klimaveränderungen, knappe Süßwasserreserven) erreicht. Demgegenüber musste festgestellt werden, dass die Emissionen von Treibhausgasen, die Freisetzung toxischer Stoffe und fester Abfälle in den letzten fünf Jahren weiter angestiegen waren und es der Erde insgesamt deutlich schlechter ging. Das von den Delegierten aus 165 Ländern verabschiedete Schlussdokument „Programm für die weitere Umsetzung der Agenda 21“ enthielt nur wenige konkrete Verpflichtungen für zu ergreifende Maßnahmen. Ein wichtiger Grund für die geringen Ergebnisse waren ausgeprägte Differenzen zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern insbesondere über die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung. (vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit: Stichwort Weltgipfel Rio + 5). 3.2.6 Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 Im Jahr 2002 fand der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg statt. Mit 20.000 Teilnehmern von Ländern, Kommunen, Wirtschaft und NGOs war es die umfangreichste Nachfolgekonferenz von Rio. Die zentrale Frage der Konferenz war, wie das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung, auf das sich die Regierungsvertreter in Rio verständigt hatten, in Zeiten der Globalisierung und des rasanten technologischen Fortschritts in die Praxis umgesetzt werden kann. Daraus leitete sich auch das Ziel der Konferenz ab, das in der Forcierung der Umsetzung bestehender internationaler Vereinbarungen bestand sowie in der Berücksichtigung seit Rio neu entstandener Herausforderungen. Nach langen Verhandlungen über Konsensformulierungen konnte die „Johannesburg Declaration on Sustainable Development“ als politische Erklärung der Staats- und Regierungschefs sowie ein 65seitiger Johannesburg-Aktionsplan (Plan of Implementation) verabschiedet werden. Als Hauptergebnis wurden für die künftige Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung neue Prioritäten, erstmals auch quantitative Ziele (insb. Millenniumsziele) und konkretere Umsetzungsprogramme vereinbart. Wichtige Ziele, auf die sich die Konferenzteilnehmer einigen konnten waren (vgl. VN 2002): Bis 2010: Reduzierung des Rückgangs der Biodiversität und der Artenvielfalt, u.a. durch Schutz von 10% der Ozeane bis 2012 <?page no="33"?> 34 3 Entwicklung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ Bis 2015: o Reduzierung der Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben (d.h., die weniger als 1€ pro Tag zur Verfügung haben) um 500 Millionen Menschen o Eine Grundschulausbildung für alle Kinder weltweit o Halbierung des Anteils der Menschen, die keinen Zugang zu sanitärer Grundversorgung haben Bis 2020: Minimierung der gesundheits- und umweltschädlichen Auswirkungen bei der Produktion und dem Gebrauch von Chemikalien Problematisch für die Umsetzung der Millenniumsziele war deren Finanzierung. So entstand die Idee einer „Global Marshall Plan Initiative“ als Einnahmequelle, mit der eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft entwickelt werden sollte. Unterstützt wurde diese Initiative von ca. 5000 Personen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die sich in einem Netzwerk organisierten und das Bewusstsein für die Einflussfaktoren der Globalisierung durch Allianzen, Informationen und gesellschaftlichen Druck fördern wollten. Die zentralen Forderungen der Initiative für eine gerechtere Globalisierung umfassten folgende Anliegen: „globale Etablierung ökologischer und sozialer Standards für eine nachhaltige Entwicklung. Überwindung der entwürdigenden Armut der Hälfte der Weltbevölkerung; Verwirklichung der Menschenrechte und Menschenwürde für alle. Beförderung weltweiten Friedens, globaler Sicherheit und Befriedung von Terrorismus. Gestaltung eines neuen Wirtschaftswunders durch Nutzung brachliegender Human-Potenziale von drei Milliarden Menschen weltweit.“ (Pufé 2012, S. 46) In den folgenden Jahren fanden weitere UN Konferenzen zur nachhaltigen Entwicklung statt. U.a. im Jahr 2007 die UN-Klimakonferenz in Bali, im Jahr 2009 die UN- Klimakonferenz in Kopenhagen, auf der die EU ein „Positionspapier Kopenhagen“ verabschiedete, im Jahr 2010 die UN-Artenschutzkonferenz in Nagoya, Japan als Folgekonferenz zur UN-Artenschutz-Konvention, im Jahr 2011 die UN-Klimakonferenz in Durban mit dem Ziel, ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll zu erreichen und 2012 der Weltgipfel Rio + 20 in Rio de Janeiro als Folgekonferenz zum Weltgipfel in Rio im Jahr 1992. 3.2.7 Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung (Rio + 20) in Rio de Janeiro Zwanzig Jahre nach der ersten Rio-Konferenz wurde vom 20. bis 22. Juni 2012 ein weiterer Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung wieder in Rio de Janeiro abgehalten, an dem Vertreter aus 191 Ländern teilnahmen (vgl. http: / / www.bmub.bund.de). Die Konferenz sollte der weltweiten nachhaltigen Entwicklung neue Schubkraft geben. Das Abschlussdokument „The Future we want“, auf das sich die Regierungsvertreter einigen konnten, wurde bereits auf Vorbereitungstreffen ausgehandelt, wobei die Ergebnisse bzw. Inhalte dieser Erklärung teils heftig kritisiert wurden, insbesondere von der EU und von Deutschland. Wesentliche Inhalte der Abschlusserklärung bezogen sich auf folgende Themenbereiche: <?page no="34"?> 4.1 Begriff der Nachhaltigkeit 35 Kampf gegen Armut Anerkennung und Bestätigung der Rio Richtlinien und bereits bestehender Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategien Entwicklung einer Wirtschaft basierend auf einer nachhaltigen Entwicklung und der Armutsbekämpfung (Green Economy) Entwicklung eines institutionellen Rahmens der nachhaltigen Entwicklung, d.h. die Einbindung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung in die politischen Systeme der UN Mitgliedsstaaten und auf internationaler Ebene Erhebung des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu einer vollwertigen UN- Agentur Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Bedeutung hat Hanns Carl von Carlowitz für die Entwicklung der Nachhaltigkeit? 2. Wie ermittelte Meadows in seiner ersten Veröffentlichung die „Grenzen des Wachstums“? Und warum erregten die Ergebnisse von Meadows so große Aufmerksamkeit? 3. Was ist das Besondere an der ersten Umweltkonferenz der Vereinten Nationen. 4. Betrachten Sie noch einmal die Ergebnisse der bisherigen Weltkonferenzen für eine nachhaltige Entwicklung: Was haben wir bisher erreicht? 5. Welche Bedeutung hat der Brundtlandbericht für das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung? 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung 4.1 Begriff der Nachhaltigkeit Die World Commission on Environment and Development (WCED) der Vereinten Nationen hat Ende der 1980er Jahre das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung entwickelt und in ihrem Abschlussbericht „Our Common Future“ seine Definition maßgeblich geprägt: Definition des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung „Sustainable Development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ (WCED 1987, S. 43). <?page no="35"?> 36 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung Gemeint ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende Generationen. Dabei gelten die Prinzipien der intragenerativen und intergenerativen Gerechtigkeit. Dieses normative Leitbild fordert eine gemeinsame Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Kapitalbestände und der menschlichen Bedürfnisse: Die natürlichen Ressourcen (Naturkapital) sollen auch für die nachkommenden Generationen bewahrt werden bzw. geeignete alternative Ressourcen zur Verfügung gestellt und gerecht verteilt werden. Das soziale Kapital, das die gesellschaftlichen (kulturellen, institutionellen) Ressourcen und Errungenschaften umfasst, soll ebenfalls erhalten werden und eine soziale Gerechtigkeit innerhalb einer Generation (intragenerativ) aber auch zwischen verschiedenen Generationen (intergenerativ) angestrebt werden. Zusätzlich gilt es, auch das produzierte Sachkapital und die ökonomischen Möglichkeiten des Wirtschaftens (z.B. Wachstum, gute Lebensqualität, hohe Beschäftigung) sicherzustellen. Sustainable Development meint damit den dynamischen Prozess einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung, bei dem die Kapitalbestände und menschlichen Bedürfnisse aller drei Bereiche - Ökologie, Gesellschaft und Ökonomie - gemeinsam gestaltet und befriedigt werden mit dem Ziel, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Ressourcen innerhalb einer Generation sowie für künftige Generationen zu bewahren bzw. geeignete, gleichwertige Alternativen zu entwickeln. Die etablierte Übersetzung von „sustainable“ mit dem Adjektiv „nachhaltig“ bezieht sich dabei meist auf die Ressourcenbewirtschaftung (z.B. nachhaltige Landwirtschaft, nachhaltige Wasserwirtschaft) und die Übersetzung mit dem Adjektiv „zukunftsfähig“ auf die Entwicklung der Gesellschaftssysteme sowie der politischen und der ökonomischen Strategien (vgl. Jüdes 1997). Seit dieser Definition sind in den letzten knapp 30 Jahren sehr vielfältige und kontrovers diskutierte Konzepte und Interpretationen einer nachhaltigen Entwicklung entstanden, deren Vielfalt hier nicht aufgearbeitet werden kann, bei Antes aber umfangreich dokumentiert ist (vgl. Antes 2014, S. 41ff.). Abbildung 3: Vielfalt der Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs <?page no="36"?> 4.1 Begriff der Nachhaltigkeit 37 Über die Entwicklung ernsthafter nachhaltiger Konzepte hinaus hat sich in den letzten ca. 10-15 Jahren auch eine inflationäre und sehr beliebige Verwendung der Begriffe „nachhaltige Entwicklung und „Nachhaltigkeit“ entwickelt, was zu einer „nachhaltigen Sprachverwirrung“ (vgl. Jüdes 1997) sowie teilweise zur Beliebigkeit und damit Inhaltsleere des Begriffs geführt hat (vgl. Abbildung 3). Verantwortlich hierfür ist nicht nur das uneinheitliche Verständnis, was „sustainable“ bzw. „nachhaltig“ tatsächlich bedeuten soll, sondern auch die Vielfalt an Anliegen, Bedürfnissen und Konzepten einer „guten“ bzw. „verträglichen Gesellschaft und Wirtschaftsweise“, die sich entwickelt haben. Hinzu kommt die Begriffsverwendung durch ganz verschiedene Akteure (z.B. Politik, Unternehmen, Umweltschutzorganisationen, Wissenschaft, Unternehmensberater etc.) sowie die ganz unterschiedlichen inhaltlichen Kontexte der Begriffsverwendung (z.B. im Bereich der Energie, der Bevölkerungsentwicklung, der Ernährung und Mobilität, des Klimaschutzes, der Ökologie, der Gebäudesanierung). So werden heute oft völlig unabhängig vom eigentlichen Konzept der Nachhaltigkeit ganz verschiedene Inhalte mit dem Adjektiv „nachhaltig“ versehen: so gibt es mittlerweile beispielsweise auch nachhaltige Finanzkonzepte, nachhaltige Politikgestaltung, nachhaltige Beratungskonzepte usw. Mit dieser willkürlichen Begriffsverwendung droht sich die Nachhaltigkeit in eine Leerformel zu verwandeln, anstatt als Leitbild für den verantwortungsvollen, verträglichen und zukunftsfähigen Umgang mit Ressourcen zu wirken. Auch im Personalmanagement ist der Begriff „nachhaltig“ angekommen. Bisher gibt es jedoch nur einige wenige Beiträge und Konzepte, die die Nachhaltigkeit mit dem Personalmanagement verknüpfen oder eigene Konzepte eines „nachhaltigen Personalmanagements“ entwickeln (vgl. insb. Ehnert 2008; Kirschten 2008, Müller- Christ/ Ehnert 2006, Weißenrieder/ Kosel 2005, 2010, Zaugg 2009). Obwohl die Konzeptentwicklungen meist auf das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Brundtland-Kommission Bezug nehmen, werden doch ganz unterschiedliche Interpretationen, Konzepte und Zugänge eines nachhaltigen Personalmanagements entwickelt (vgl. Kap. 1.2). So ist - zumindest bislang - auch das Personalmanagement von einer sehr vielfältigen und uneinheitlichen Verwendung des Begriffs „nachhaltig“ geprägt. Dieser Publikation und den weiteren Ausführungen liegt das Begriffsverständnis der World Commission on Environment und Development (WCED) der Vereinten Nationen zugrunde, die in den 1980er Jahren das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung entwickelt und mit seiner Definition bis heute maßgeblich geprägt hat. Diese lautet: Definition Nachhaltige Entwicklung „Sustainable Development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ (WCED 1987, S. 43). Das heißt, dass eine Entwicklung dann als nachhaltig bezeichnet wird, wenn sie „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ (Hauff 1987). Mit dieser Definition sind vier zentrale Erkenntnisse verbunden (vgl. Kanning 2013, S. 26): <?page no="37"?> 38 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung [1] Bedürfnisorientierung: Bei der Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse müssen die menschlichen Bedürfnisse berücksichtigt werden. [2] Intergenerative Gerechtigkeit: Dabei dürfen nicht nur die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen berücksichtigt werden, sondern auch die Bedürfnisse zukünftiger Generationen. [3] Intragenerative Gerechtigkeit: Bei der Bedürfnisbefriedigung der gegenwärtigen Generationen muss die ethische Forderung eines Ausgleichs zwischen den Bedürfnissen der reichen Industrieländer sowie der Schwellenländer und der armen Entwicklungsländer berücksichtigt werden. [4] Integration verschiedener Dimensionen: Eine nachhaltige Entwicklung kann nur gelingen, wenn dabei sowohl ökologische, soziale und ökonomische Entwicklungen bzw. Veränderungen als Ganzes betrachtet und berücksichtigt werden. Die Umsetzung dieses Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung ist sehr anspruchsvoll. So sind die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen heute nur schwer abschätzbar. Zusätzlich bergen die drei Dimensionen ökologischer, sozialer und ökonomischer Interessen häufig Zielkonflikte, die eine gemeinsame Erreichung bzw. Durchsetzung erschweren. 4.2 Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung Das oben vorgestellte Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung fordert die gemeinsame Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Interessen, die auch als Dimensionen des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung bezeichnet werden. Doch welche Inhalte umfassen die drei Dimensionen? Dazu nun mehr. 4.2.1 Ökologische Dimension der Nachhaltigkeit Die natürlichen Ökosysteme unsere Erde bilden die Lebensgrundlage für uns Menschen, aus der sich alle anderen Entwicklungsprozesse, so auch die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ableiten. Wir Menschen haben im Laufe unserer Entwicklung die natürlichen Ressourcen und Ökosysteme immer für uns genutzt, die natürlichen Ressourcen als Quelle unseres Lebens und unserer Entwicklung, aber auch als Senke für unsere Emissionen (z.B. Abluft, Abwasser) und Abfälle, die wieder an die Ökosysteme abgegeben werden. Dabei ist die Kreislauffunktion der Natur zu beachten, wobei die Reproduktionsfunktion der Natur untrennbar verbunden ist mit ihrer Produktionsfunktion, d.h. den verfügbaren Ressourcen als Quellen aber auch mit dem Abbau anthropogener Abfallprodukte und Emissionen bzw. deren Anreicherung in den Ökosystemen (Senkenfunktion) (vgl. Immler/ Hofmeister 1998; Biesecker/ Hofmeister 2010). Im Zuge der Bevölkerungszunahme und steigenden Industrialisierung haben wir Menschen die Ökosysteme massiv beeinflusst: Durch extensiven Rohstoffabbau (Holz, Kohle, Erdöl, Metalle, seltene Erden etc.), durch die Umlenkung von Stoff- und Energieströmen, durch die Veränderung und Umwandlung der Landschaft (z.B. Ackerbau, Städtebau, Straßenbau, Kanalbau, Staudämme), die Belastung von Schutzgütern (z.B. die Atmosphäre) sowie durch die Bodenversie- <?page no="38"?> 4.2 Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung 39 gelung (vgl. Hauff 2014, S. 33). Dabei haben wir die Ökosysteme oft auch übernutzt, z.B. durch die Überfischung der Meere, den Ausstoß von Gasen, die die Ozonschicht zerstören oder den Ausstoß von Emissionen (z.B. CO 2 ), die maßgeblich mit für die Klimaerwärmung verantwortlich sind und u.a. zum Abschmelzen der Polkappen sowie zu drastischen Klimaveränderungen auf der Erde führen. Insgesamt haben wir Menschen die Erde in den letzten einhundert Jahren stärker beeinflusst und verändert als in den letzten zehntausend Jahren. Die ökologische Nachhaltigkeit fordert nun, die Ökosysteme so zu nutzen, dass diese dauerhaft in ihren wesentlichen Eigenschaften erhalten bleiben und in ihrem Fortbestand gesichert werden (vgl. Pufé 2012, S. 97). Das bedeutet die Erhaltung der natürlichen Systeme, die die Lebensgrundlage aller Lebewesen auf der Erde bilden und daher die zentrale Voraussetzung für die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit sind. Um besser erfassen zu können, was alles zu den natürlichen Ökosystemen gehört und um den natürlichen Ökosystemen auch genauer einen „menschlichen“ Wert zuzuschreiben, wird in der Literatur auch der Begriff des ökologischen Kapitals verwendet. Zu den ökologischen Kapitalbeständen zählen insbesondere nicht-regenerierbare und regenerierbare (z.B. Holz) Ressourcen, Land, Wasser, Luft, das Klimasystem, Nahrungskreisläufe, die solare Einstrahlung, aber auch ökologische Gleichgewichte und Tragkapazitäten des Naturkapitals. (vgl. Pufé 2012, S. 89 ff.). Hierbei müssen jedoch auch die Veränderungen, Umwandlungen und Nutzungen des Naturkapitals sowie der natürlichen Ökosysteme durch den Menschen berücksichtigt werden. Beispiele für Umwandlungen und Nutzungen sind die Holznutzung zum Haus-, Schiffs- oder Möbelbau, die Überfischung der Meere, die Störung bzw. Veränderung natürlicher Gleichgewichte wie z.B. der Klimaveränderungen und Wüstenbildung. 4.2.2 Ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit Die klassische ökonomische Wachstumstheorie besagt, dass das Pro-Kopf-Einkommen langfristig nur durch technischen Fortschritt und effizientere Produktionsmethoden gesteigert werden kann (Hampicke, 1992, S. 15 ff.). Dies führt jedoch langfristig auch zu einer stärken Belastung der natürlichen Ökosysteme mit dem Risiko der Überlastung und Übernutzung. Das Ziel der ökonomischen Nachhaltigkeit besteht darin, den ökonomischen Kapitalstock zu erhalten. Aus der Perspektive eines Individuums bildet sein Einkommen die Summe dessen, was maximal konsumiert werden kann, ohne den zukünftigen tatsächlichen Konsum zu vermindern. Auf die Gesellschaft übertragen bedeutet dies, dass eine Gesellschaft nur so viel konsumieren kann, wie sie erwirtschaftet, ohne ihre Vermögensposition zu beeinträchtigen (vgl. Schulz et al. 2001, S. 375 f.). Um also den ökonomischen Kapitalstock zu erhalten, bedarf es eines Paradigmenwechsels: vom materiellen und mengenorientierten Wohlstand zum nachhaltigen Wohlstand (from wealth to sustainability). „Demnach entspräche das Einkommen genau der Summe, die maximal konsumiert werden kann, ohne den künftigen realen Konsum zu schmälern.“ (Pufé 2012, S. 98). Zur Umsetzung dieses Paradigmas wäre die Entkopplung des Wachstums von der Ressourcennutzung sowie weniger quantitatives als vielmehr qualitatives Wachstum nötig. Geeignete Strategien hierfür könnten die Effizienz-, die Suffizienz- und die Konsistenzstrategie sein sowie die Nutzung umwelttechnischer, institutioneller und sozialer <?page no="39"?> 40 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung Innovationen. Ein ökonomisch nachhaltiges Wirtschaften würde sich dadurch auszeichnen, dass es sowohl umweltals auch sozialverträglich ist und der Wohlstand nicht nur durch quantitatives Wachstum und Besitzmehrung erreicht wird, sondern vielmehr durch die Steigerung der Lebensqualität und qualitatives Wachstum. Insgesamt beschreibt die ökonomische Nachhaltigkeit die (betriebs-) wirtschaftliche Nutzung eines Systems (i.S. einer Organisation oder eines Unternehmens) derart, „dass dieses in seinen wesentlichen Eigenschaften dauerhaft erhalten bleibt und sein wirtschaftlicher Fortbestand gesichert ist.“ (Pufé 2012, S. 98). D.h., dass der ökonomische Kapitalstock auf Dauer erhalten bleibt. Zu dem ökonomischen Kapital werden alle Produktionsfaktoren gezählt, die zur Herstellung von Produkten und Dienstleistungen erforderlich sind. Dazu gehören Sachkapital, Betriebsmittel, Werkstoffe, aber auch Wissen, Patente, Innovationen und die Mitarbeiter als Humankapital. Im Zuge der Erreichung einer ökonomischen Nachhaltigkeit geht es einerseits um den Erhalt des ökonomischen Kapitals, aber andererseits auch um die Auswirkungen des ökonomischen Kapitals auf das ökologische und soziale Kapital, z.B. durch Ressourcenverbräuche, Abfallbelastungen, Veränderungen der Natur (z.B. Bodenversiegelungen) oder Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter. 4.2.3 Soziale Dimension der Nachhaltigkeit Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit umfasst individuelle Ressourcen, Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten einzelner Gesellschaftsmitglieder sowie die Konstruktion, Inhalte und Beziehungen innerhalb und zwischen Gesellschaftssystemen und Kulturen. Zu den sozialen Ressourcen werden u.a. Solidarität, Integrationsfähigkeit, Toleranz, Gemeinwohlorientierung, Inklusion, Partizipation, Rechtssysteme sowie Gerechtigkeitssinn gezählt (vgl. Pufé 2012, S. 99). Ziel der sozialen Nachhaltigkeit ist die Erhaltung des sozialen Kapitals. Das soziale Kapital umfasst die gesellschaftlichen Ressourcen und Errungenschaften. Dazu gehören die jeweiligen Kulturen und entwickelten Gesellschaftssysteme, die gesellschaftlichen Institutionen, soziale Normen und Beziehungen innerhalb der Gesellschaften, aber auch der soziale Friede und das Vertrauen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern. Aber auch die individuellen Entwicklungs- und Partizipationsmöglichkeiten der Gesellschaftsmitglieder sowie das Humankapital gehören zum sozialen Kapital (vgl. z.B. Deutscher Bundestag 1998, S. 49 ff.). Unsere Welt ist geprägt von vielen sozialen Konfliktbereichen innerhalb und zwischen Gesellschaftssystemen. Wesentliche Konfliktbereiche bestehen u.a. in der Kluft zwischen den armen Entwicklungsländern und den reichen Industrieländern mit ihren jeweils ganz unterschiedlichen individuellen und gesellschaftlichen Entwicklungsbedingungen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen haben seit Ende des Zweiten Weltkrieges dramatisch zugenommen und insbesondere in jüngerer Zeit zu massiven Flüchtlingswellen geführt. Gesellschaftliche Revolutionen, steigender Terrorismus, Zwangsmigration, die Diskriminierung von Gesellschaftsmitgliedern aber auch die Arbeitsbedingungen von Menschen sind Ausdruck weit verbreiteter sozialer Nicht-Nachhaltigkeit. Um eine soziale Nachhaltigkeit zu erreichen, müsste „die auf Menschen ausgerichtete Nutzung eines Systems oder einer Organisation“ so gestaltet sein, „dass dieses in <?page no="40"?> 4.2 Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung 41 seinen wesentlichen Eigenschaften dauerhaft erhalten bleibt und sein personalbezogener sowie gesellschaftlicher Fortbestand so gesichert ist.“ (Pufé 2012, S. 98). Um dies zu erreichen, müssten vor allem Verteilungsprobleme zwischen Gesellschaftsmitgliedern verschiedener sozialer Schichten, Altersgruppen und Geschlechter, aber auch zwischen verschiedenen Ländern und Regionen reduziert, die Lebens- und Entwicklungsbedingungen benachteiligter Menschen und Gesellschaften sowie die „kulturelle Integration von Zugehörigkeiten und Identitäten“ (Pufé 2012, S. 99) verbessert werden. Bislang wurde die soziale Nachhaltigkeit in der Nachhaltigkeitsdiskussion eher vernachlässigt und unterbewertet, nicht zuletzt, weil sie schwer fassbar ist. In jüngerer Zeit gewinnt sie aber mehr Aufmerksamkeit, verstärkt durch soziale Problembereiche und Krisen, aber auch durch soziale Innovationen und soziale Netzwerke (z.B. social media), Kooperationen und die gestiegene Wertschätzung des Humankapitals. Theoretische Bezugspunkte für die soziale Nachhaltigkeit sind z.B. die Klassentheorie von Pierre Bourdieu (vgl. Bourdieu 1985; 1993; 2005) oder die Rational Choice Theory von James S. Colemann (vgl. Coleman 1986; 1988; 1993) und Robert Putnam (vgl. Putnam 1993; 2000; 2001). Ein weiterer konzeptioneller Bezugspunkt könnte die Glücksforschung sein, die sich mit dem individuellen Glück und der Zufriedenheit von Menschen beschäftigt. Sie untersucht das soziale Wohlbefinden von Menschen, ihre Beziehungen zu Familie, Freunden und Nachbarn, ihre Integration in soziale Gemeinschaften, aber auch den Stellenwert der natürlichen Umgebung (vgl. Grimm 2006; Ruckriegel 2007; Ruckriegel et al. 2015). Damit stellt die Glücksforschung bewusst einen Gegensatz zu materiellen und ökonomischen Werten dar. Beispielsweise misst der World Happiness Index (HPI) bzw. der World Database of Happiness den Grad des individuellen Glücks und der Zufriedenheit (vgl. Zeibig 2016) Der König von Bhutan, Jigme Singye Wangchuck, hat 1979 den Wert des „Bruttonationalglücks“ geschaffen, indem eine Staatskommission für das Bruttonationalglück gegründet und das Bruttonationalglück in der Verfassung (Artikel 9.2) festgeschrieben wurde. Dort heißt es: „Der Staat soll sich darum bemühen, diejenigen Bedingungen zu fördern, die das Streben nach Gross National Happiness ermöglichen“. (www.grossnationalhappiness.com; http: / / www.worlddatabaseofhappiness.eur.nl; vgl. Jensen 2011). Damit verdeutlicht der König von Bhutan seine Verpflichtung gegenüber einer Wirtschaftsentwicklung, die den buddhistischen Werten und der einzigartigen Kultur Bhutans gerecht wird. „Die Konzentration auf den Geist anstelle der materiellen Welt ist der Kerngedanke der buddhistischen Philosophie. Sie widerspricht der ökonomischen Auffassung der Nutzenmaximierung durch den Konsum materieller Güter. Damit kommt die buddhistische Weltanschauung dem Gedanken der Ressourcenschonung entgegen. Auch der Glaube an Wiedergeburt legt nachhaltiges Denken und Handeln nahe.“ (Pfaff 2009, S. 6; Pfaff 2011). In der folgenden Tabelle sind noch einmal die wichtigsten Ziele und Regeln der Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen zusammengefasst (vgl. Tabelle 2). <?page no="41"?> 42 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung Tabelle 2: Wichtige Ziele und Regeln von Nachhaltigkeit (Quelle: Kopfmüller et. al. 2001, S. 172 aus Pufé 2012, S. 101) Wichtige Ziele und Regeln von Nachhaltigkeit ökonomisch ökologisch sozial Sicherung der menschlichen Existenz Erhaltung des gesellschaftlichen Produktivpotenzials Bewahrung der Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten Schutz der menschlichen Gesundheit nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen Chancengleichheit im Hinblick auf Bildung, Beruf, Information Gewährleistung der Grundversorgung nachhaltige Nutzung nichterneuerbarer Ressourcen Partizipation an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen selbständige Existenzsicherung nachhaltige Nutzung der Umwelt als Senke Erhaltung des kulturellen Erbes und der kulturellen Vielfalt gerechte Verteilung der Umweltnutzungsmöglichkeiten Vermeidung unvertretbarer technischer Risiken Erhaltung der kulturellen Funktion der Natur Ausgleich extremer Einkommens- und Vermögensunterschiede nachhaltige Entwicklung als Sach-, Human- und Wissenskapital Erhaltung der sozialen Ressourcen 4.3 Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung Wie kann die Idee einer nachhaltigen Entwicklung unter Berücksichtigung der drei Dimensionen konzeptionell gestaltet und umgesetzt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich dieses Kapitel. In den letzten Jahrzehnten haben sich ganz verschiedene Konzepte entwickelt, um die Idee einer nachhaltigen Entwicklung mit ihren drei Dimensionen konzeptionell zu gestalten und umzusetzen. Im Zentrum dieser Konzepte stehen immer die drei Dimensionen: Die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Allerdings unterscheiden sich die Konzepte hinsichtlich der Gewichtung und Ausgestaltung der drei Dimensionen und der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung. Die wichtigsten Konzepte werden nun vorgestellt. 4.3.1 Drei-Säulen-Modell Eine nachhaltige Entwicklung kann bei dem Drei-Säulen Modell nur durch die gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele erfolgen. Daher wird dieses Modell auch als „Gebäude der Nachhaltigkeit“ dargestellt, das von den drei Säulen der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension der Nachhaltigkeit getragen wird. Die drei Dimensionen werden hier als gleichberechtigt und sich gegenseitig bedingend angesehen. (vgl. Ott/ Döring 2008, S. 37 ff.). <?page no="42"?> 4.3 Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung 43 Abbildung 4: Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit Das Modell erlangte durch den im Jahre 1998 vorgelegten Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages große Aufmerksamkeit (vgl. Deutscher Bundestag 1998). Allerdings erfährt das Drei-Säulen-Modell auch erhebliche Kritik: So wird ihm vorgeworfen, schwer operationalisierbar und praktisch umsetzbar zu sein. Vor allem die Gleichrangigkeit der drei Nachhaltigkeitsdimensionen wird kritisiert, da der Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen und damit die ökologische Dimension die Voraussetzung für die Realisierung der anderen beiden Dimensionen sei (vgl. Vogt 2009, S. 143). So bezeichnete der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Gutachten 2002 das Drei-Säulen-Modell auch als „dreispaltigen Wunschzettel für alle Akteure“ (vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen 2002). Stahlmann entwickelt ein gewichtetes Säulenmodell, wobei er die existenzielle Bedeutung der ökologischen Dimension und natürlichen Grundlagen für alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten hervorhebt: „Die Ökologie bildet das Fundament, auf dem soziale, kulturelle und ökonomische Säulen aufbauen. Darauf stützt sich das Dach der nachhaltigen Entwicklung.“ (Stahlmann 2008, S. 61). Abbildung 5: Gewichtetes Säulenmodell der nachhaltigen Entwicklung (Stahlmann 2008, S. 61) <?page no="43"?> 44 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung Die Weiterentwicklung des Drei-Säulen-Modells zum gewichteten Säulenmodell verbessert das Verständnis der Nachhaltigkeit. Deutlich wird, dass die Nachhaltige Entwicklung auf dem Fundament der Natur und der Ökosysteme steht und dass sie getragen wird von der ökonomischen, der kulturellen und der sozialen Entwicklung als Säulen. 4.3.2 Schnittmengenmodell der Nachhaltigkeit Im Drei-Säulen-Modell und auch im gewichteten Säulenmodell stehen die drei Nachhaltigkeitsdimensionen nebeneinander. Sie sind zwar gleichberechtigt, scheinen aber keine Verbindungen zueinander aufzuweisen. Um den integrativen Zusammenhang und die Wechselwirkungen zwischen den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit anschaulicher hervorzuheben, werden im Schnittmengenmodell die drei Nachhaltigkeitsdimensionen als Kreise mit mehreren Schnittmengen dargestellt. Dadurch werden die Verbindungen zwischen und Kernwerte der jeweils zwei Nachhaltigkeitsdimensionen deutlicher: Die Kernwerte lauten: „erträglich“ als Schnittmenge aus Ökonomie und Ökologie, „überlebensfähig“ als Schnittmenge aus Ökonomie und Sozialem und „gerecht“ als Schnittmenge zwischen Ökologie und Sozialem. Gleichzeitig wird anschaulich gezeigt, dass erst in der Schnittmenge aller drei Nachhaltigkeitsdimensionen eine tatsächlich nachhaltige Entwicklung erreicht werden kann. Das Schnittmengenmodell kann für ganz verschiedene Anwendungsbereiche (Prozesse, Produkte, Dienstleistungen, Projekte) genutzt werden. Als konkrete Beispiele realisierter Schnittmengen seien die folgenden genannt: Umweltbildungsprojekte als Schnittmenge aus Ökologie und Sozialem, Mikrokredite als Schnittmenge zwischen Ökonomie und Sozialem und Umweltmanagement als Schnittmenge zwischen Ökonomie und Ökologie. (vgl. Belz/ Bilharz 2007, S. 25 f.). Abbildung 6: Schnittmengenmodell der Nachhaltigkeit <?page no="44"?> 4.3 Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung 45 4.3.3 Das Nachhaltigkeitsdreieck Aus den Säulen-Modellen und dem Schnittmengenmodell entwickelte sich das Konzept des Nachhaltigkeitsdreiecks. Es vereint alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen in einem Dreieck und verdeutlicht damit die Verbundenheit und Integration der drei Dimensionen als ein Ganzes (vgl. Deutscher Bundestag, 1994, S. 54). Maßgeblich an der Entwicklung dieses Modell beteiligt waren das Forschungszentrum Karlsruhe (vgl. Jörissen et al. 1999) sowie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) (vgl. Pufé, 2012, S. 112f.). Abbildung 7: Nachhaltigkeitsdreieck Abbildung 8: Integrierendes Nachhaltigkeitsdreieck mit Beispielen (vgl. Kleine 2009) <?page no="45"?> 46 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung Die gleichrangige Bedeutung der drei Dimensionen wird durch die gleichlangen Schenkel des Dreiecks symbolisiert. Das Besondere an dem Dreieck ist, dass die Ausprägungen der jeweiligen Dimensionen im Dreieck differenziert zugeordnet und dargestellt werden können. So kann z.B. die Ökoeffizienz als gleichrangiges ökonomisches (50%) und ökologisches (50%) Konzept dargestellt werden. Oder die Biodiversität als primär ökologisches Konzept (100%) (vgl. Kleine 2009). „Diese integrierende Darstellungsweise ermöglicht eine differenziertere Analyse, eine zielgenauere Einbindung anderer Konzepte (z.B: Ökoeffizienz) und zugleich eine synoptische Zusammenstellung, in dem die Innenfläche ausgenutzt wird.“ (Pufé 2012, S. 114 f.). 4.4 Ausprägungen der Nachhaltigkeit In der Literatur werden drei Ausprägungen der Nachhaltigkeit diskutiert, die auch wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Nachhaltigkeitskonzepte haben. Diese Ausprägungen sind die schwache, die starke und die kritische Nachhaltigkeit. Sie werden nun genauer vorgestellt. 4.4.1 Schwache Nachhaltigkeit Der schwachen Nachhaltigkeit liegt die Sichtweise der neoklassischen Ökonomie zugrunde, die auf einem anthropozentrischen Weltbild basiert, das den Menschen und seine Bedürfnisbefriedigung in den Mittelpunkt stellt. Ziel der neoklassischen Ökonomie ist ein kontinuierliches wirtschaftliches Wachstum, das auf einer ökonomischen Wertschöpfung basiert (vgl. Hampicke 1992). Das der neoklassischen Ökonomie zugrundeliegende Menschenbild ist der homo oeconomicus (lat. homo = Mensch, oeconomicus = wirtschaftlich, d.h. haushaltender wirtschaftender Mensch), der rational handelt und unter den verfügbaren Alternativen immer diejenige auswählt, die seinen eigenen Nutzen am besten maximiert. Dabei wird angenommen, dass der homo oeconomicus über vollständige Informationen verfügt, d.h. dass er alle Kosten und Preise der Alternativen kennt und diejenige Alternative auswählt, die für ihn am kostengünstigsten ist (vgl. Hampicke 1992, S. 20 ff.). Dabei werden jedoch nur die Kosten berücksichtigt, die der homo oeconomicus zu zahlen hätte. Externe Effekte, wie z.B. CO 2 -Emissionen oder Auswirkungen abgeholzter Regenwälder, die nicht vom homo oeconomicus zu zahlen wären, weil sie nicht als Kosten in das Produkt bzw. in die Alternative eingerechnet werden, bleiben dabei unberücksichtigt. In dieser Sichtweise der neoklassischen Umwelt- und Ressourcenökonomie reicht es aus, eine schwache Nachhaltigkeit anzustreben, die sich auf folgende Argumentation stützt: Wir wissen heute nicht, welche Bedürfnisse und Wünsche zukünftige Generationen haben werden. Daher reicht es aus, das Gesamtkapital an zukünftige Generationen weiter zu geben. Dabei ist es egal, ob das Gesamtkapital natürlich oder menschengemacht bzw. künstlich ist, wichtig ist nur, dass der aggregierte Geldwert gleichbleibt. In dieser Sichtweise könnten beispielsweise fossile Energieträger unvermindert weiter verbraucht werden, weil zukünftige Generationen ihren Energiebedarf z.B. aus Solarenergie decken könnten, unabhängig davon, ob heute schon die technischen Voraussetzungen hierfür gegeben sind (vgl. Nutzinger/ Radke 1995). <?page no="46"?> 4.4 Ausprägungen der Nachhaltigkeit 47 4.4.2 Starke Nachhaltigkeit Die starke Nachhaltigkeit basiert auf dem Ökozentrismus, der den Menschen als ein Lebewesen unter vielen betrachtet, die alle innerhalb der ökologischen Systeme leben und deren Bedürfnisse sich einordnen müssen in die ökologischen Systeme (vgl. z.B. Eckersley 1992). Das heisst, dass die ökologischen Systeme unbedingt erhalten und geschützt werden müssen, um die Bedürfnisse aller Lebewesen zu befriedigen. So fordert die starke Nachhaltigkeit auch, dass das Gesamtkapital ohne Abnahme des aggregierten Geldwertes weitergegeben werden soll, allerdings darf hierbei keine Substitution von natürlichem durch künstliches Kapital erfolgen. Das würde bedeuten, dass nicht regenerative Ressourcen nicht genutzt und regenerierbare Ressourcen nur im Rahmen ihrer Assimilationskapazität bzw. Regenerationsfähigkeit genutzt werden sollten. (vgl. Nutzinger/ Radke 1995). 4.4.3 Kritische ökologische Nachhaltigkeit Eine mittlere Position zwischen der schwachen und der starken Nachhaltigkeit bildet die kritische ökologische Nachhaltigkeit, die von der ökologischen Ökonomie vertreten wird (vgl. u.a. Costanza et al. 1991; Costanza et al 2001; Lerch/ Nutzinger 1998). In dieser Sichtweise muss ebenfalls das Gesamtkapital ohne Abnahme des aggregierten Geldwertes an zukünftige Generationen weitergegeben werden. Allerdings wird hier eine kurzbis mittelfristige Substitution von natürlichem durch künstliches Kapital zugelassen, wobei der kritische natürliche Ressourcenbestand jedoch nicht unterschritten werden darf. Um kritische Ressourcenbestände beurteilen zu können, bedarf es einer genauen und differenzierten Betrachtung des natürlichen Kapitals. Dazu gehört die Unterscheidung in regenerierbare und nicht regenerierbare Ressourcen, aber auch die Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der Umweltmedien für Abfall- und Schadstoffe. (vgl. Nutzinger/ Radke 1995). Abbildung 9: Ausprägungen der Nachhaltigkeit <?page no="47"?> 48 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung Diese mittlere oder auch vermittelnde Position der kritischen ökologischen Nachhaltigkeit findet in der Nachhaltigkeitsdiskussion viel Zustimmung. Ihre Inhalte spiegeln sich auch in den sog. Managementregeln der Nachhaltigkeit, die Sie nun kennenlernen. 4.5 Managementregeln der Nachhaltigkeit Aus dem Konzept der Nachhaltigkeit wurden die folgenden drei grundlegenden „Managementregeln der Nachhaltigkeit“ abgeleitet: Grundlegende Managementregeln der Nachhaltigkeit 1. „Regeneration: Erneuerbare Naturgüter (z.B. Holz oder Fischbestände) dürfen auf Dauer nur im Rahmen ihrer Regenerationsfähigkeit genutzt werden, anderenfalls gingen sie zukünftigen Generationen verloren. 2. Substitution: Nicht-erneuerbare Naturgüter (z.B. Mineralien und fossile Energieträger) dürfen nur in dem Maße genutzt werden, wie ihre Funktionen durch andere Materialien oder durch andere Energieträger ersetzt werden können. 3. Anpassungsfähigkeit: Die Freisetzung von Stoffen oder Energie darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme - z.B. des Klimas, der Wälder und der Ozeane.“ (BMU 2007) In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie werden insgesamt zehn Managementregeln der Nachhaltigkeit formuliert, die als Konkretisierung der nachhaltigen Entwicklung für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Handeln dienen sollen (vgl. BR 2002) Zehn Managementregeln zur Konkretisierung des Leitbildes der Nachhaltigkeit Grundregel 1. Jede Generation muss ihre Aufgaben selbst lösen und darf sie nicht den kommenden Generationen aufbürden. Zugleich muss sie Vorsorge für absehbare zukünftige Belastungen treffen. Regeln der Nachhaltigkeit für einzelne Handlungsbereiche 2. Erneuerbare Naturgüter (wie z. B. Wald oder Fischbestände) dürfen auf Dauer nur im Rahmen ihrer Fähigkeit zur Regeneration genutzt werden. Nicht erneuerbare Naturgüter (wie z. B. mineralische Rohstoffe oder fossile Energieträger) dürfen auf Dauer nur in dem Umfang genutzt werden, wie ihre Funktionen durch andere Materialien oder durch andere Energieträger ersetzt werden können. 3. Die Freisetzung von Stoffen darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfähigkeit der natürlichen Systeme - z. B. des Klimas, der Wälder und der Ozeane. <?page no="48"?> 4.5 Managementregeln der Nachhaltigkeit 49 4. Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit sind zu vermeiden. 5. Der durch technische Entwicklungen und den internationalen Wettbewerb ausgelöste Strukturwandel soll wirtschaftlich erfolgreich sowie ökologisch und sozial verträglich gestaltet werden. Zu diesem Zweck sind die Politikfelder so zu integrieren, dass wirtschaftliches Wachstum, hohe Beschäftigung, sozialer Zusammenhalt und Umweltschutz Hand in Hand gehen. 6. Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Verkehrsleistung müssen vom Wirtschaftswachstum entkoppelt werden. Zugleich ist anzustreben, dass der wachstumsbedingte Anstieg der Nachfrage nach Energie, Ressourcen und Verkehrsleistungen durch Effizienzgewinne mehr als kompensiert wird. Dabei spielt die Schaffung von Wissen durch Forschung und Entwicklung sowie die Weitergabe des Wissens durch spezifische Bildungsmaßnahmen eine entscheidende Rolle. 7. Die öffentlichen Haushalte sind der Generationengerechtigkeit verpflichtet. Dies verlangt die Aufstellung ausgeglichener Haushalte durch Bund, Länder und Kommunen. In einem weiteren Schritt ist der Schuldenstand kontinuierlich abzubauen. 8. Eine nachhaltige Landwirtschaft muss nicht nur produktiv und wettbewerbsfähig, sondern gleichzeitig umweltverträglich sein sowie die Anforderungen an eine artgemäße Nutztierhaltung und den vorsorgenden, insbesondere gesundheitlichen Verbraucherschutz beachten. 9. Um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, sollen - Armut und sozialer Ausgrenzung soweit wie möglich vorgebeugt, allen Bevölkerungsschichten Chancen eröffnet werden, sich an der wirtschaftlichen Entwicklung zu beteiligen, notwendige Anpassungen an den demografischen Wandel frühzeitig in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erfolgen, alle am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben. 10. Die internationalen Rahmenbedingungen sind gemeinsam so zu gestalten, dass die Menschen in allen Ländern ein menschenwürdiges Leben nach ihren eigenen Vorstellungen und im Einklang mit ihrer regionalen Umwelt führen und an den wirtschaftlichen Entwicklungen teilhaben können. Umwelt und Entwicklung bilden eine Einheit. Nachhaltiges globales Handeln orientiert sich an den Millenniumsentwicklungszielen der Vereinten Nationen. In einem integrierten Ansatz ist die Bekämpfung von Armut und Hunger mit der Achtung der Menschenrechte, wirtschaftlicher Entwicklung, dem Schutz der Umwelt sowie verantwortungsvollem Regierungshandeln zu verknüpfen. (vgl. Nationale Nachhaltigkeitsstrategie - Fortschrittsbericht 2012) <?page no="49"?> 50 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung Die o.g. Managementregeln dienen als grundlegende Orientierung, sind jedoch zu allgemein, um daraus konkrete Handlungsanweisungen für bestimmte Akteure oder konkrete Regionen abzuleiten. Zusätzlich problematisch ist das „rein materielle Verständnis von Gesellschaft als stoffliches und energetisches Input-Output-System, in das sich immaterielle Faktoren wie die Kommunikation als wesentlicher Bestandteil gesellschaftlichen Lebens nur schwerlich integrieren lassen (s. Fischer-Kowalski 1997). Beispielsweise sind die in der Agenda 21 formulierten Handlungsbereiche wesentlich detaillierter (vgl. Kanning 2013, S. 34). 4.6 Nachhaltigkeitsstrategien Zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung können drei maßgebliche Strategien verfolgt werden: die Effizienz-, die Suffizienz- und die Konsistenzstrategie. Sie werden nun vorgestellt. 4.6.1 Effizienzstrategie Mit der Effizienzstrategie soll die Ressourcenproduktivität gesteigert werden. Das bedeutet, dass auf allen Stufen der Wertschöpfungskette die Leistungen mit dem möglichst geringsten Einsatz an Energie und Stoffen erbracht werden sollen. Mit weniger Input soll eine höhere Wertschöpfung realisiert werden. Ziel ist dabei, die übermäßigen Stoff- und Energieverbräuche aber auch die mit den Leistungserstellungsprozessen verbundenen Umweltbelastungen zu reduzieren und die Wirtschaftsaktivitäten tendenziell zu dematerialisieren (vgl. Schmidt-Bleek 1994). Ökoeffiziente Strategien sind beispielsweise Nutzungskonzepte statt Leistungen zu kaufen (z.B. Car-Sharing), Wärme statt Heizung zu beziehen (Energie contracting) oder der Verkauf von Nutzen oder Know-how (z.B. Energieberatung). Die Effizienzstrategie wird insbesondere von der Wirtschaft, den Ökonomen und der derzeitigen Energiepolitik verfolgt. Die Steigerung der Ressourcenproduktivität ist wichtig für eine nachhaltige Entwicklung, kann jedoch alleine die Probleme des Bevölkerungswachstums sowie zunehmender Produktionssteigerungen, Konsumverbräuche und daraus wachsender Ressourcenverbräuche und Umweltbelastungen nicht bewältigen. Auch mögliche Rebound-Effekte der Effizienzstrategie sind bedenklich. Unter Rebound-Effekten wird der prozentuale Unterschied zwischen möglichen Ressourceneinsparungen aufgrund von Effizienzsteigerungen durch neue Technologien oder ressourcensparende Produkte und den tatsächlich realisierten Ressourceneinsparungen verstanden (vgl. Binswanger 2001; Umweltbundesamt 2014; 2015; 2016). Der Rebound-Effekt führt dazu, dass mögliche Einsparpotenziale nur teilweise oder gar nicht ausgeschöpft werden. Unterschieden werden direkte und indirekte Rebound-Effekte. Direkte Rebound-Effekte entstehen durch ein verändertes Kauf- oder Nutzungsverhalten der Konsumenten aufgrund der Verfügbarkeit effizienterer Technologien oder ressourcensparender Produkte. So werden z.B. Autos, die weniger Benzin bzw. Diesel verbrauchen, stärker nachgefragt. Gleichzeitig steigt aber oft auch die Fahrleistung der energiesparenden Autos, so dass die Energieeffizienzgewinne durch den geringeren Kraftstoffverbrauch nicht vollständig ausgeschöpft werden. Direkte Rebound-Effekte entstehen also durch einen erhöhten Konsum oder eine gestiegene <?page no="50"?> 4.6 Nachhaltigkeitsstrategien 51 Nutzung energiesparenderer Produkte bzw. Leistungen. (vgl. Umweltbundesamt 2016) Indirekte Rebound-Effekte entstehen dadurch, dass die Energie oder das Geld, dass durch Effizienzsteigerungen eingespart werden kann, für andere energieintensive Produkte oder Dienstleistungen ausgegeben wird. Kauft jemand beispielsweise ein energiesparendes Auto mit einem geringen Benzinverbrauch, so kann das hierdurch eingesparte Geld z.B. für eine Flugreise verwendet werden, die jedoch wieder energieintensiv ist. Indirekte Rebound-Effekte entstehen also aus einem gestiegenen Energieverbrauch für bestimmte Produkte oder Leistungen aufgrund sachlich anderer Effizienzsteigerungen (Kauf eines energiesparenden Autos). (vgl. Umweltbundesamt 2016). Als makroökonomische Rebound-Effekte werden diejenigen Rebound-Effekte bezeichnet, die sich gesamtwirtschaftlich ergeben. So kann beispielsweise die durch effizientere Technologien eingesparte Energie auf dem Weltmarkt zu einem geringeren Energiepreis führen. Dies wiederum kann die Nachfrage nach Energie steigern und so den gesamten Energieverbrauch erhöhen bzw. die durch Effizienzgewinne erreichten Energieeinsparungen reduzieren. Allerdings lassen sich gesamtwirtschaftliche Rebound-Effekte recht schwer messen. (vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit: Stichwort: Rebound-Effekt). Das heute im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit als Rebound-Effekt bezeichnete Phänomen ist in der Ökonomie als Jevon´s Paradox bekannt. Bereits 1865 bemerkte William Stanley Jevons in seinem Buch „The Coal Question“ (vgl. Jevons 1865), dass technische Verbesserungen mit Effizienzsteigerungen dazu führten, dass nicht weniger, sondern mehr Energie verbraucht wurde. Jeyons machte seine Beobachtungen bei den Effizienzsteigerungen durch die Einführung der kohlebetriebenen Dampfmaschine von James Watts, die insgesamt zu einem steigenden Kohleverbrauch in England führte. (vgl. Jevon 1865). Diese Erkenntnis gilt auch heute noch. Insgesamt zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass neue und effizientere Technologien letztlich meist nicht weniger, sondern mehr Ressourcen oder Energie in noch kürzerer Zeit beanspruchten und dadurch die eigentlich möglichen Einspareffekte nur teilweise erreicht werden konnten und einige Einspareffekte sogar überkompensiert wurden. Beispielsweise lässt sich zeigen, dass bei sparsameren Kraftstoffverbräuchen von Autos die Fahrleistung der Autonutzung steigt. Auch belegen empirische Studien einen Anteil direkter Rebound-Effekte bis zu 40 % (Sorrell 2007). Die Rebound-Effekte sind auch dafür verantwortlich, dass nachhaltige Innovationen ihre Wirkungsgrade nur teilweise entfalten können. (vgl. Umweltbundesamt 2014; Lexikon der Nachhaltigkeit: Stichwort Rebound-Effekt). 4.6.2 Suffizienzstrategie Die Suffizienzstrategie ergänzt die Effizienzstrategie, da sich die Konsum- und Lebensstile der Industrieländer aufgrund der Wachstumsgrenzen nicht auf die gesamte Welt übertragen lassen. Die Suffizienzstrategie fordert Genügsamkeit und insbesondere von den Industrieländern eine Änderung der Lebensstile. Nach dem Motto „weniger ist mehr“ soll der Fokus mehr auf die Qualität und Langlebigkeit der hergestellten Produkte und Leistungen gelenkt werden anstatt auf ein quantitatives Wachstum. Dies widerspricht jedoch vielen gegenwärtigen Wirtschaftsinteressen, die ein <?page no="51"?> 52 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung materielles und quantitatives Wachstum verfolgen. Auch die Bevölkerung insbesondere der Industrieländer streben mehrheitlich nach materiellem Wohlstand. Allerdings zeichnet sich eine steigende gesellschaftliche Diskussion darüber ab, was einen gesellschaftlichen Fortschritt ausmacht, was gute Lebensqualität eigentlich bedeutet und welche Auswirkungen die Lebensqualität auf das individuelle Glück hat. Gesellschaftliche Strömungen, die diesen Bewusstseinswandel thematisieren, finden sich z.B. in den LOHAS, der Glücksforschung und den Studien „Zukunftsfähiges Deutschland“ (vgl. BUND/ Misereor 1996; BUND et al. 2008) 4.6.3 Konsistenzstrategie Die Konsistenzstrategie verfolgt nicht nur die quantitative Reduzierung an Stoff- und Energieströmen, wie die Effizienz- und die Suffizienzstrategie, sondern betrachtet auch die qualitativen Auswirkungen der verwendeten Ressourcen. Ein wichtiges Ziel ist es hierbei, die verwendeten Ressourcen wieder so umzuwandeln, dass sie gefahrlos in die natürlichen Stoff- und Energiekreisläufe zurückgeführt werden können. Beispielsweise ist nach dem derzeitigen Wissensstand die Solarwasserstoff-Technologie zwar materialintensiv, birgt aber relativ wenige Umweltprobleme (vgl. Kanning 2013, S. 35). Zur Umsetzung der Konsistenzstrategie bedarf es vielfältiger Innovationen im Bereich der Technik, der Produktentwicklung sowie der Nutzung (vgl. Huber 1996). Abbildung 10: Nutzung aller Nachhaltigkeitsstrategien Die drei vorgestellten Strategien, Effizienz, Suffizienz und Konsistenz, dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr kann eine nachhaltige Entwicklung erst durch die Anwendung aller dreier Strategien vorangebracht werden (vgl. BUND et al. 2008; Gleich et al. 1999). Bislang dominiert jedoch die Umsetzung von effizienzbasierten Strategien und Innovationen (vgl. Petschow 2007). 4.7 Nachhaltigkeit als Leitbild Das Konzept der Nachhaltigkeit hat sich zu einem weltweiten Leitbild entwickelt, das einen Orientierungsrahmen bietet, in dem sich gesellschaftliche Such-, Lern- und Entwicklungsprozesse im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung vollziehen. <?page no="52"?> 4.8 Akteure einer nachhaltigen Entwicklung 53 Leitbilder bündeln das Erfahrungswissen der Menschen darüber, was ihnen wünschenswert, aber auch machbar erscheint (vgl. Dierkes/ Marz 1992, Abstract). Sie dienen als „Orientierungsmuster, das gesellschaftliche Entwicklungs- und Suchprozesse leitet, ohne operationalisierbare Handlungsziele vorzugeben“ (Schneidewind u.a. 1997, S. 183). „Leitbilder sind keine konkreten Zielvorstellungen, sondern sind generalisierte, vereinfachende Formeln, Etiketten oder Metaphern. Sie setzen Normen und sind Instrumente der organisatorischen und gesellschaftlichen Einflussnahme und Kontrolle. Sie erlauben es, gleichermaßen als rational und legitim empfundene Programme zu entwerfen und durchzusetzen.“ (Strümpel/ Longolius 1990, S. 75). Das Konzept der Nachhaltigkeit als Leitbild soll zur Auseinandersetzung anregen und Raum für neue Ideen und Vorstellungen geben, was eine nachhaltige Entwicklung sein kann und wie sie in den verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen aber auch räumlich (lokal, regional, national, global) für die heutigen Generationen und auch für zukünftige Generationen umgesetzt werden kann. Nötig sind hierfür Lernprozesse hinsichtlich der Komplexität und Wechselwirkungen innerhalb und zwischen verschiedenen Ökosystemen, aber auch hinsichtlich der Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die Ökosysteme. Berücksichtigt werden müssen dabei die ökonomischen, ökologischen und sozialen Möglichkeiten, Auswirkungen, Wünsche und Wechselwirkungen unseres Handelns. Aber auch das Hinterfragen und Verändern bestehender Wertehaltungen, der Entwurf neuer Wohlstandsmodelle, die die Nachhaltigkeitsstrategien der Effizienz, der Suffizienz und der Konsistenz nutzen, sind wichtig. Dafür gilt es, die ganz unterschiedlichen Lebensbedingungen verschiedener heutiger Gesellschaften wahrzunehmen und auch eine Verantwortung für die Lebensbedingungen zukünftiger Gesellschaften und Generationen zu übernehmen. Wichtig sind hier gesellschaftliche Diskurse, die die regulative Idee der nachhaltigen Entwicklung weiter als Leitbild konkretisieren und füllen. Sie sollten viele Freiheitsgrade lassen, aber nicht beliebig und völlig unbestimmt bleiben, um als Leitbild Orientierung zu bieten. Zur Konkretisierung des Leitbildes wurden seit den 1990er Jahren zahlreiche Vorschläge entwickelt. Unter anderem hat sich die Enquête-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt des Deutschen Bundestages in ihren Berichten 1994 und 1998 intensiv mit der Entwicklung von Leitbildern u.a. für eine Stoffpolitik sowie für eine nachhaltige Entwicklung insgesamt beschäftigt (vgl. Deutscher Bundestag 1994; 1998). Weitere Konzepte zur Leitbildentwicklung bestehen u.a. in den Forderungen der ökonomischen Umwelttheorie nach möglichst konkreten Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen (vgl. Kopfmüller et al 2001), dem Ansatz des ecological footprint (Rees/ Wackernagel 1992) dem Konzept des Umweltraums (Friends of the Earth Netherland 1994) oder dem MIPS-Konzept (MIPS = Material Input per Unit of Service) (Schmidt-Bleek, 1994). Die einzelnen Ansätze werden hier nicht weiter vertieft. 4.8 Akteure einer nachhaltigen Entwicklung Um aus dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung konkretere nachhaltige Entwicklungsstrategien zu erarbeiten und umzusetzen, bedarf es der Initiative und Zusammenarbeit aller gesellschaftlicher Akteure. Wesentliche gesellschaftliche Akteure für eine nachhaltige Entwicklung sind u.a. der Staat und seine Politik, die Unternehmen und die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Zivilgesellschaft. <?page no="53"?> 54 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung 4.8.1 Staat und Politik Aufgabe der Politik ist es, für die regulative Idee einer nachhaltigen Entwicklung die Rahmenbedingungen und Gestaltungsbereiche festzulegen, in denen sich gesellschaftliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Ideen, Ansätze und Prozesse einer nachhaltigen Entwicklung entfalten können. Als Politikebenen lassen sich hierbei die nationale, europäische, internationale und globale Politik unterscheiden. Tabelle 3: Politikebenen einer nachhaltigen Entwicklung (vgl. Kanning, 2013, S. 39 mit eigenen Erweiterungen) Leitbild nachhaltige Entwicklung Politikebene Umweltziele (Umweltqualitätsziele, Umwelthandlungsziele) Indikatoren Monitoring Berichterstattung Maßnahmen Erfolgskontrollen globale Nachhaltigkeitspolitik internationale Nachhaltigkeitspolitik europäische Nachhaltigkeitspolitik nationale Nachhaltigkeitspolitik Beispiel: deutsche Nachhaltigkeitspolitik Bund Länder Regionen Städte, Gemeinden Die nationale Politikebene übernimmt die Gestaltung der deutschen Nachhaltigkeitspolitik, die insbesondere folgende Aufgaben für eine nachhaltige Entwicklung beinhaltet: das Setzen von Nachhaltigkeits- und Umweltzielen die Entwicklung geeigneter Indikatoren zur Messbarmachung der nachhaltigen Entwicklungsfortschritte die Entwicklung geeigneter Verfahren zum Monitoring und zur Evaluierung von Fortschritten im Bereich der Nachhaltigkeit Empfehlung geeigneter Maßnahmen und Erfolgskontrollen zur Beurteilung der nachhaltigen Entwicklung. Die Aufgaben der Politik werden nun etwas ausführlicher erläutert. Die Politik hat die Aufgabe, wesentliche Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu formulieren und in die politischen Entscheidungsinstitutionen zu integrieren. In Deutschland haben die Enquéte-Kommissionen des 12. und 13. Bundestages wesentliche Beiträge zur Diskussion nachhaltiger Entwicklungsziele erarbeitet (vgl. Deutscher Bundestag 1994; 1998). Dabei dominieren umweltorientierte Ziele, die sich unterscheiden lassen in Ziele der Umweltpolitik, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende wirkungsbzw. schutzbezogene Umweltqualitätsziele sowie Umwelthandlungsziele, die sich an verschiedene Akteure richten bzw. bestimmte Belastungsgrenzen vorgeben (vgl. Kanning, 2013, S. 38). <?page no="54"?> 4.8 Akteure einer nachhaltigen Entwicklung 55 Als weitere Aufgabe sollte die Politik nachhaltigkeitsorientierte Indikatoren entwickeln, die die Fortschritte einer nachhaltigen Entwicklung messbar machen. Dazu bedarf es aber auch der Erhebung und Bereitstellung aussagekräftiger Daten, die nachhaltigkeitsorientierte Veränderungen messen und abbilden. Wichtig hierbei ist die Einbindung aller Politikebenen: Von der globalen und internationalen über die nationale bis hin zur regionalen und lokalen Politikebene, wie sie beispielsweise in der Agenda 21, Kapitel 40 (vgl. BMU o.J.: Agenda 21) gefordert wird. So hat die Kommission der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung auf der internationalen Politikebene eine Indikatorenliste erstellt. Auch auf den nationalen Politikebenen (Bund, Länder, Städte/ Gemeinden) wurden verschiedene konkrete Indikatorenlisten erarbeitet. Problematisch ist jedoch, dass diese Indikatorenkataloge bislang meist kaum miteinander verbunden sind (vgl. Kanning 2013, S. 39). Auch die Entwicklung von Monitorings und Evaluierungen zur Messung der Zielerreichung einer nachhaltigen Entwicklung ist eine wichtige Politikaufgabe. In Deutschland werden die hierfür benötigten Daten durch das Statistische Bundesamt und das Umweltbundesamt erhoben und bereitgestellt. Für erhobene Schlüsselindikatoren wird der Zielerreichungsgrad der nachhaltigen Entwicklungsziele so messbar. Weitere Aufgaben der Politik sind die Ableitung geeigneter Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung sowie deren Erfolgskontrolle. Die vorher beschriebenen Evaluierungen sind wichtig, um mit geeigneten Maßnahmen steuernd in den Zielerreichungsprozess einer nachhaltigen Entwicklung eingreifen zu können. Auch die Erfolgskontrolle der Zielerreichung nachhaltiger Entwicklungsziele ist hiervon abhängig. Die vorgestellten Aufgaben der Politik für die Festlegung der Rahmenbedingungen nachhaltiger Entwicklungsprozesse gelten für alle Politikebenen, auf denen jeweils für die relevanten Problembereiche konkrete und spezifische Zielsetzungen und Maßnahmen entwickelt werden müssen. Bislang existieren vor allem auf der kommunalen Ebene, teils auch auf der Ebene der Bundesländer (z.B. Baden-Württemberg, vgl. MUV o.J) umfangreiche Lokale-Agenda 21 Initiativen und Prozesse (vgl. http: / / www.agenda21.de). Eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie mit entsprechenden Zielen und Indikatoren wurde erst in jüngerer Zeit entwickelt (vgl. BR 2002). Allerdings gibt es bislang kaum Bestrebungen, die verschiedenen Politikebenen zu verbinden und auch Politikebenen-übergreifend politisch gestaltend zu wirken (vgl. Kaning 2013, S. 40). 4.8.2 Unternehmen und Wirtschaft Für die Entwicklung und Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung haben die Wirtschaft und die Unternehmen als konkrete Akteure eine Schlüsselrolle. Die Unternehmen entscheiden über die wirtschaftliche sowie die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der von ihnen eingesetzten Rohstoffe und Ressourcen, ihrer genutzten Technologien und Verfahren zur Leistungserstellung, der Gestaltung und Verkaufsstrategien ihrer Produkte bzw. angebotenen Leistungen, der Gestaltung der Arbeitsbedingungen sowie der ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Unternehmenstätigkeit insgesamt. Zusätzlich sind es die Unternehmen, die ökonomische, ökologische und soziale Innovationen entwickeln und in ihrer Unternehmenstätigkeit umsetzen und damit wichtige Problemlösungen für eine nachhaltigere Wirtschaftsweise generieren können. Damit haben die Unternehmen ein großes Gestaltungspotenzial hinsichtlich der Nachhaltigkeit ihrer erstellten Leistungen und ih- <?page no="55"?> 56 4 Inhalte des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung rer Unternehmenstätigkeit insgesamt. Zusätzlich beeinflussen die Unternehmen mit ihren Entscheidungen und ihrem Verhalten maßgeblich den Markt und andere Wirtschaftsakteure. So können die Unternehmen über das Setzen von ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen und Standards auch das Verhalten und das Leistungsangebot ihrer Zulieferer erheblich beeinflussen. Beispiele hierfür sind die mittlerweile teils verbreiteten internationalen Mindeststandards für eine menschenwürdige Beschäftigung und umweltverträgliche Produktion, deren Einhaltung Unternehmen von ihren Lieferanten fordern. Andererseits beeinflussen die Unternehmen über das Angebot ihrer Produkte und Leistungen auch das Käuferverhalten. Zusätzlich beeinflussen die Unternehmen über ihre Verbands- und Lobbytätigkeiten die nationale und internationale Politik und deren Entscheidungen. Insgesamt verfügt die Wirtschaft mit ihren Marktteilnehmern über vielseitige Netzwerke und wechselseitige Austauschbeziehungen, in denen vielfältige Einflussmöglichkeiten auf die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaftsprozesse bestehen. So kommt der Wirtschaft und den Unternehmen eine ganz besonders große Bedeutung, aber auch eine herausragende Verantwortung für die Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten zu. Damit einher geht auch eine große gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen. Bislang werden die Ideen und nachhaltigen Lösungsansätze der Unternehmen noch viel zu wenig in die gesellschaftlichen, umweltpolitischen und auch regionalen Entwicklungsprozesse eingebunden (vgl. Kanning 2008). Hier besteht noch erhebliches Gestaltungspotenzial. Empfehlungen und Beispiele für eine stärkere Verknüpfung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten bieten u.a. folgende Initiativen und Leitfäden (vgl. Kanning 2013, S. 41): Leitfaden des Umweltbundesamtes von 2003 (vgl. Umweltbundesamt 2003) Leitfaden „Zukunftsfähiges Wirtschaften“ (vgl. Frings et al. o.J.) Nachhaltige Regionalentwicklung (vgl. z.B. Spehl 2005) Biosphärenreservate als Modellräume einer nachhaltigen Entwicklung (Übersicht z.B. bei UNESCO 2007) Die Initiativen des Landkreises und der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz und der Neumarkter Lammsbräu (eine Brauerei, die seit 30 Jahren ein ausgezeichneter Ökopionier ist) sind ein Beispiel für eine gute Kooperation zwischen Kommune und Unternehmen. Die Stadt Neumarkt hat ihren Lokalen Agenda 21-Prozess als partizipativen Planungsprozess gestaltet und mit ihrer Stadtentwicklungsplanung verbunden. Bis 2004 wurden sechs mittelfristige Leitbilder für den Zeitraum bis 2025 und unterschiedliche Leitprojekte unter Beteiligung der Bürger erarbeitet. Die Neumarkter Lammsbräu ist eine Brauerei, die seit 30 Jahren immer wieder für ihre umwelt- und sozialverträgliche Unternehmenstätigkeit ausgezeichnet wurde. Das Unternehmen unterstützt die kommunalen Aktivitäten der Lokalen Agenda 21 in vielfältiger Weise: Durch aktive Mitarbeit in verschiedenen Projekten, z.B. durch die Mitarbeit im Verein zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe in der Region Neumarkt, durch Sponsoring im Landschaftspflegebereich und durch die Beteiligung an der Pflege von Streuobstwiesen. So gelingt hier eine aktive und umfangreiche Zusammenarbeit zwischen Kommune und ansässigem Unternehmen. (vgl. Neumarkter Lammsbräu 2016). <?page no="56"?> 4.8 Akteure einer nachhaltigen Entwicklung 57 4.8.3 Wissenschaft Auch die Wissenschaft ist ein wichtiger Akteur für eine nachhaltige Entwicklung. Ihre Aufgabe ist es, nicht nur disziplinär und werturteilsfrei zu arbeiten, sondern durch interdisziplinäre und transdisziplinäre Forschung verschiedene Problemfelder zu verbinden und dadurch neue Lösungsansätze für eine nachhaltige Entwicklung zu erarbeiten. So hat sich in den letzten Jahrzehnten beispielsweise eine sozial-ökologische Forschung entwickelt, die interdisziplinär arbeitet und gesellschaftsorientierte Problemlösungen unter Einbeziehung verschiedener Akteursgruppen (Unternehmen, Gesellschaft, Staat) entwickelt (vgl. http: / / www.sozial-oekologische-forschung.org). Erst eine interdisziplinäre und transdisziplinäre Forschung ermöglicht es, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales) bei der Erarbeitung von Problemlösungen für eine nachhaltige Entwicklung zu verbinden und die jeweiligen Erkenntnisse der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen in neuen Lösungsansätzen zu verknüpfen. 4.8.4 Gesellschaft Die Gesellschaft und die einzelnen Bürger haben natürlich auch einen großen Einfluss auf die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft. Dabei sind zwei wesentliche Handlungsfelder hervorzuheben. Erstens die Beteiligung der Bürger an den gesellschaftlichen Diskursen, z.B. an lokalen Agenda 21 Prozessen oder das Engagement in Verbänden, die ökonomische, ökologische und/ oder soziale Ziele im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung verfolgen. Je mehr Individuen sich an den gesellschaftlichen Diskursen beteiligen, desto mehr Ideen aber auch Unterstützung kann eine nachhaltige Entwicklung erfahren. Zweitens beeinflussen die Bürger die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft durch ihr tägliches Handeln und ihre persönliche Lebensführung. So entscheidet sich jede Person täglich für den Kauf bestimmter Produkte, Dienstleistungen, die Wahl von Verkehrsmitteln oder die Nutzung von Infrastruktur, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Hierbei hat jedes Individuum (zumindest in den Industrieländern) mittlerweile die Wahl zwischen ökologisch und sozial verträglich hergestellten Produkten und Dienstleistungen oder konventionell hergestellten Angeboten. Allerdings sind die Aussagekraft und Verlässlichkeit der Informationen über Herstellungsverfahren, Inhaltsstoffe und Arbeitsbedingungen für die Konsumenten auch heute oft noch nicht sehr transparent. Trotzdem gibt es in vielen Ländern mittlerweile ein breites Angebot an ökologisch und sozial hergestellten Produkten und Dienstleistungen. Darüber hinaus gilt es auch die Art der Bedürfnisbefriedigung zu hinterfragen, wobei die Strategien der Effizienz, der Suffizienz und der Konsistenz Hilfestellungen bieten. Die große Bedeutung der Zivilgesellschaft für eine nachhaltige Entwicklung wird auch an folgenden Erkenntnissen deutlich: Erstens lassen sich die Konsum- und Lebensstile der Industrieländer nicht unbegrenzt auf alle Länder übertragen, da der damit verbundene Ressourcenverbrauch und die entstehenden Umweltbelastungen für die Erde zu groß sind. Das heißt, dass auch bzw. gerade die Industrieländer verträglichere Lebens- und Wirtschaftsmodelle entwickeln müssen. Zweitens hat die Milieuforschung zu der Erkenntnis geführt, dass gerade diejenigen Lebensstilgemeinschaften, die über die beste Bildung, die höchsten Einkommen und ein starkes Umweltbewusstsein verfügen, auch die höchsten Ressourcenverbräuche aufweisen (vgl. Degenhardt 2007; Liedtke et al. 2007; BUND et al 2008, Bogun 2012). Drittens be- <?page no="57"?> 58 5 Integrativer Gestaltungsansatz darf die Forderung nach einer intragenerativen Gerechtigkeit auch die Erarbeitung von Lösungsansätzen für eine bedürfnisorientierte, aber dennoch sozial und ökologisch verträgliche Entwicklung der Menschen in den bislang noch weniger entwickelten Ländern dieser Welt (vgl. Kanning 2013, S. 41). Fragen zur Selbstkontrolle 1. Was wird unter dem Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ verstanden? 2. Welche zentralen Erkenntnisse sind mit der Definition der nachhaltigen Entwicklung verbunden? 3. Beschreiben Sie die Inhalte der drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung. 4. Warum wird das „Drei-Säulen-Modell“ kritisiert? 5. Welche Vorteile hat das integrierende Nachhaltigkeitsdreieck? 6. Grenzen Sie die schwache von der starken und der kritisch ökologischen Nachhaltigkeit ab. 7. Erläutern Sie die drei zentralen Managementregeln der Nachhaltigkeit. 8. Wodurch unterscheiden sich die Effizienzstrategie, die Suffizienzstrategie und die Konsistenzstrategie? 9. Erläutern Sie das Leitbild der Nachhaltigkeit. 10. Warum haben die Wirtschaft und die Unternehmen als Akteure einer nachhaltigen Entwicklung eine herausragende Schlüsselfunktion? 5 Integrativer Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements Der integrative Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements basiert auf dem im zweiten Kapitel vorgestellten Verständnis des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung. Zusätzlich wird angenommen, dass ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Personalmanagement in denjenigen Unternehmen gewünscht bzw. gefordert wird, die selbst das Ziel einer nachhaltigen Unternehmenstätigkeit verfolgen und dabei sowohl ökologische, ökonomische und soziale Aspekte ihres Handelns berücksichtigen. Darauf aufbauend versteht die Autorin unter einem nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagement ein operativ und strategisch ausgerichtetes Personalmanagement, das nicht nur dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens verpflichtet ist, sondern darüber hinaus auch die ökologische und soziale Verantwortung des Unternehmens und seiner Unternehmenstätigkeit unterstützt. Ziel eines nachhaltigen Personalmanagements ist es daher, zukunftsorientierte, ökologisch, ökonomisch und sozial engagierte, innovative und verantwortungsbewusst handelnde Mitarbeiter zu gewinnen, ihre Leistungsfähigkeit durch soziale, ökologische, ökonomische und inspirierend gestaltete Arbeitsbedingungen zu <?page no="58"?> 59 erhalten und zu fördern, sie in ihren aufgabenbezogenen und nachhaltigkeitsorientierten Arbeitsbereichen weiter zu entwickeln und bei einer Personalüberdeckung auch wieder sozial verträglich abzubauen. Dabei umfasst ein nachhaltiges, zukunftsorientiertes und innovationsförderndes Personalmanagement nicht nur alle unternehmensrelevanten Teilfunktionen des Personalmanagements, sondern integriert auch diejenigen Managementbereiche, die inhaltlich und funktional eng mit dem Personalmanagement verbunden sind, wie z.B. das Wissensmanagement, die Kommunikation, das Change Management und die Förderung der Innovationsfähigkeit. Das integrierte Konzept eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements ist in der Abbildung 11 dargestellt. Die einzelnen Bestandteile und Inhalte werden hier kurz vorgestellt, bevor sie in den folgenden Kapiteln ausführlich erläutert werden. Unternehmen stehen heute vielfältigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen, aber auch veränderten unternehmensexternen und -internen Rahmenbedingungen der Arbeitswelt gegenüber. Diese Herausforderungen, aber auch veränderte Ansprüche unterschiedlicher Stakeholder des Unternehmens fordern und fördern die Auseinandersetzung der Unternehmen mit einer nachhaltigen Entwicklung und ihren ökologischen, ökonomischen und sozialen Handlungsmöglichkeiten. Unternehmen, die bei ihrer Leistungserstellung und ihrem Handeln sowohl ökonomische, aber auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen, werden hier als nachhaltige bzw. nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen bezeichnet. Als zukunftsfähige Unternehmen werden solche Unternehmen bezeichnet, die zusätzlich eine ausgeprägte Innovationsorientierung aufweisen. Für eine nachhaltige Unternehmenstätigkeit gibt es keine Patentrezepte. Jedes Unternehmen muss individuell und leistungsspezifisch an der ökologischen, ökonomischen und sozialen Verträglichkeit der eigenen Leistungserstellung und des eigenen Unternehmenshandelns arbeiten und diese weiterentwickeln. Dies erfordert in besonderem Maße auch eine Innovationsfähigkeit und -tätigkeit der Unternehmen. Insofern unterliegen nachhaltige Unternehmen nicht nur der Anforderung, ökologisch, ökonomisch und sozial verträglich zu arbeiten, sondern dabei auch noch innovativ zu sein. Daher ist auch in dem integrativen Konzept eines nachhaltigen Personalmanagements die Innovationsorientierung integriert. Ein nachhaltig handelndes Unternehmen muss seine nachhaltigen Ziele in der Unternehmensvision, der Unternehmenspolitik und den Unternehmensleitlinien sowie in der Unternehmenskultur verankern. Daraus sind unternehmensspezifische und längerfristige ökologische, ökonomische und soziale Unternehmensstrategien abzuleiten, die die unternehmerische Nachhaltigkeitsorientierung prägen. Diese bilden wiederum die ökonomischen, ökologischen und sozialen Vorgaben für die taktische und operative Umsetzung der Strategien in alle Unternehmensbereiche, so auch im Personalmanagement. <?page no="59"?> 60 Abbildung 11: Integratives Konzept eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements (eigene Darstellung, die bildliche Gestaltung des Personalmanagements lehnt sich an Zaugg 2009 an, ist aber inhaltlich teils anders strukturiert) <?page no="60"?> 61 Der innere Kasten der Abbildung 11 bildet das Personalmanagement mit seinen Teilbereichen und verschiedenen Funktionen ab. Abgeleitet aus den übergeordneten nachhaltigen Unternehmenszielen muss das Personalmanagement konkrete strategische Zielsetzungen für seine nachhaltige Entwicklung und Aufgabenbereiche in den verschiedenen Teilbereichen spezifizieren. Die Teilbereiche des Personalmanagements untergliedern sich in klassische Teilfunktionsbereiche des Personalmanagements, in Querschnittsfunktionsbereiche des Personalmanagements und übergeordnete Bereiche mit vielfältigen Wechselwirkungen zum Personalmanagement. Als klassische Teilfunktionsbereiche werden die Personalbeschaffung, der Personaleinsatz, die Personalentwicklung und die Personalfreisetzung unterschieden. Die Bereiche Personalplanung, Personalcontrolling und Personalmarketing bilden Querschnittsfunktionsbereiche, da ihre Aufgaben und Leistungen für alle Teilfunktionsbereiche wichtig sind. Die drei übergeordneten Bereiche des Wissensmanagements, der Kommunikation und des Change Managements weisen inhaltlich vielfältige Verbindungen und Wechselwirkungen zum Personalmanagement auf, sind jedoch je nach individueller Unternehmensorganisation nicht unbedingt im Personalmanagement verankert (vgl. Kirschten 2008). Fragen zur Selbstkontrolle 1. Was wird im integrativen Gestaltungsansatz unter einem nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagement verstanden? 2. Welche Ziele verfolgt ein nachhaltiges Personalmanagement? 3. Warum werden die Bereiche des Wissensmanagements, der Kommunikation und des Change Managements im integrativen Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagement berücksichtigt? 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen als Anstoß für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung In den letzten ca. zwanzig Jahren hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Zurückzuführen sind diese Veränderungen auf verschiedene gesellschaftliche, wirtschaftliche, technologische und ökologische Entwicklungen. Diese betreffen einerseits unsere Gesellschaft als Ganzes, wie z.B. der demografische Wandel, die Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft und die zunehmenden ökologischen Veränderungen unserer Erde, andererseits haben z.B. die steigende Internationalisierung sowie die zunehmende Dynamik und Komplexität der Wirtschaft konkret die Arbeitswelt und die Arbeitsbedingungen verändert. Zusätzlich lassen sich individuelle Veränderungen beobachten, die auf die Arbeitswelt wirken, wie z.B. der Wandel individueller und arbeitsorientierter Werte der Menschen oder die Ansprüche jüngerer Generationen an ihre Arbeitgeber. Diese Entwicklungen verändern die unternehmensexternen und internen Rahmenbedingungen der Unternehmen gravierend. Gleichzeitig beeinflussen sie auch die Auseinandersetzung der Unternehmen mit einer nachhaltigen Entwicklung und ihren ökologischen, ökonomischen und sozialen Handlungsmöglichkeiten. <?page no="61"?> 62 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Um die Auswirkungen dieser vielfältigen Veränderungen auf das Personalmanagement der Unternehmen besser zu verstehen, werden im Folgenden einige wesentliche Wandelprozesse der unternehmensexternen und -internen Rahmenbedingungen genauer betrachtet. 6.1 Unternehmensexterne Rahmenbedingungen Zu den gravierendsten externen Herausforderungen, denen Unternehmen heute gegenüberstehen, gehören der demografische Wandel, die Entwicklung des Arbeitsmarktes, die steigende Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft, die Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft, der zunehmende Wettbewerb um gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte sowie die steigende gesellschaftliche Legitimationsbedürftigkeit der Unternehmen. 6.1.1 Der demografische Wandel Der demografische Wandel beschreibt die Veränderungen der Bevölkerungszusammensetzung hinsichtlich ihrer Anzahl und Struktur, wozu u.a. das Geschlecht, das Alter, der Familienstand, die Kinderzahl und die regionale Verteilung gehören. Beeinflusst wird die Entwicklung der Bevölkerung vor allem durch die Geburtenhäufigkeit (Fertilität), die Sterblichkeit (Mortalität) und durch Wanderungsbewegungen (Zuzüge in und Fortzüge aus einem Land, Migration) (vgl. BIBB 2004, S. 7f.). Deutschland ist heute schon deutlich vom demografischen Wandel geprägt. Dies zeigt die Abbildung 12, in der der Altersaufbau der deutschen Gesellschaft im Jahr der deutschen Wiedervereinigung 1990 und im Jahr 2013 dargestellt ist. Innerhalb dieser zwei Jahrzehnte hat die Anzahl der Geborenen kontinuierlich abgenommen, die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre sind im höheren Erwerbsalter angekommen und die Anzahl der über 70-Jährigen ist von 8.1 Millionen auf 13,1 Millionen Menschen angestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt, 2015, S. 11). Das Medianalter, das die Bevölkerung in eine jüngere und eine ältere Hälfte aufteilt, ist von 37 Jahren auf 45 Jahre angestiegen (vgl. ebenda). Bis zum Jahr 2060 wird die deutsche Bevölkerung nach den Berechnungen der 13. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes deutlich schrumpfen. Je nachdem, wie sich die tatsächliche Nettozuwanderung entwickeln wird, nimmt die deutsche Bevölkerung von 80,8 Millionen Menschen im Jahr 2013 auf ca. 73,1 Millionen Menschen (bei kontinuierlich stärkerer Zuwanderung) bis auf 67,6 Millionen Menschen (bei kontinuierlich schwächerer Zuwanderung) ab, wie Abbildung 13 zeigt (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 15). <?page no="62"?> 6.1 Unternehmensexterne Rahmenbedingungen 63 Abbildung 12: Altersaufbau der Bevölkerung 2013 im Vergleich zu 1990 (Statistisches Bundesamt 2015) Abbildung 13: Bevölkerungszahl von 1950 bis 2060. Ab 2014 Ergebnisse der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung. 2015-15-0379 (Statistisches Bundesamt 2015) <?page no="63"?> 64 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Diese Entwicklung ist darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der Gestorbenen stärker steigt als die Anzahl der Geborenen. Auch die Nettozuwanderung (als Saldo der Zuzüge nach und der Fortzüge aus Deutschland) kann diese Entwicklung nicht ausgleichen (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 15). Seit 1964 ist die deutsche Geburtenrate gesunken, aktuell liegt sie bei 1,4 Geburten pro Frau in Deutschland und wird auch zukünftig als konstant angenommen (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 15). Dadurch wird jeder neue Geburtsjahrgang kleiner, so dass die Anzahl an Geburten insgesamt sinkt. Für eine gleichbleibende Bevölkerungsentwicklung wäre eine Geburtenrate von 2.1 pro Frau nötig (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 15). Abbildung 14: Natürliche Bevölkerungsbewegung und Wanderungssaldo (Statistisches Bundesamt 2015, S. 16) Demgegenüber wird die Anzahl der Sterbefälle steigen, da die geburtenstarken Jahrgänge älter werden. Die natürliche Bevölkerungsbilanz errechnet sich aus der Anzahl der Gestorbenen abzüglich der Anzahl der Geborenen. Seit den 1970er Jahren ist diese Bevölkerungsbilanz negativ und wird daher als Geburtendefizit bezeichnet (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 16). Wie die Abbildung 14 zeigt, wird sich bis zum Jahr 2060 das Geburtendefizit auf rund 500.000 erhöhen, d.h., dass rund 500.000 Menschen pro Jahr mehr sterben werden als Kinder pro Jahr geboren werden (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 16). Auch die Anteile der Altersgruppen innerhalb der Bevölkerung werden sich bis zum Jahr 2060 deutlich verschieben (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 19). So wird die jüngere Bevölkerung im Alter von 0 bis 19 Jahren von derzeit 15 Millionen auf ca. 12 Millionen Menschen im Jahr 2060 zurückgehen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung schrumpft damit von 18% auf 16%. Erhebliche Veränderungen werden auch für die deutsche Erwerbsbevölkerung prognostiziert. So sinkt der Anteil der 20bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung von 61% im Jahr 2013 (49 Millionen Menschen) auf ca. 51% im Jahre 2060 (34 Millionen Menschen). Auch die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre wird diese Entwicklung nur bedingt beeinflussen und nur zu einem Anstieg der Erwerbstätigen um ca. 4 Mio Menschen führen (Renteneintrittsalter 65 Jahre: 36 Mio. Erwerbstätige, Renteneintrittsalter 67 Jahre: 40 Mio. Erwerbstätige). Gleichzeitig altert unsere Gesellschaft stärker aufgrund der <?page no="64"?> 6.1 Unternehmensexterne Rahmenbedingungen 65 guten medizinischen Versorgung und einer gesünderen Lebensweise. In den nächsten 20 Jahren wird die Altersgruppe der über 65-Jährigen besonders stark wachsen, da die geburtenstarken Jahrgänge (1950-1960er Jahre) in diese Altersgruppen hineinwachsen. So wird der Anteil der über 65-Jährigen von 21% im Jahr 2013 (ca. 4 Millionen) auf 32% im Jahr 2060 (ca. 22 Millionen) ansteigen, d.h., jeder Dritte wird älter als 65 Jahre sein. Auch der Anteil der über 80-Jährigen erhöht sich deutlich von 4,4 Millionen Menschen im Jahr 2013 (5%) auf ca. 9 Millionen im Jahr 2060 (13%) (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 19). Die Abbildung 15 und Abbildung 16 visualisieren nochmal die Veränderungen der Altersgruppen. Abbildung 15: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen (Kreise) (Statistisches Bundesamt 2015, S. 18) Abbildung 16: Bevölkerungsentwicklung insgesamt und nach Altersgruppen (FAQ Fachkräftemangel 3. Welle, S. 12) <?page no="65"?> 66 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die prognostizierten Bevölkerungsveränderungen zwei wesentliche Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben werden: Wir altern und wir schrumpfen. Diese Veränderungen wirken auf unsere Gesellschaft insgesamt, auf die in ihr lebenden Menschen und insbesondere auf die Erwerbstätigen und die Unternehmen. 6.1.2 Entwicklung des Arbeitsmarktes Abbildung 17: Arbeitsmarktentwicklung bis zum Jahr 2030 (Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes 2014) Betrachten wir die Entwicklung des Arbeitsmarktes bis zum Jahr 2030, so wird deutlich, dass sowohl die Anzahl der Erwerbspersonen als auch die Anzahl der tatsächlich Erwerbstätigen bis zum Jahr 2030 deutlich zurückgehen wird. Schon heute verweisen immer mehr Arbeitgeber darauf, dass es ihnen schwerer fällt, offene Stellen mit geeigneten Personen zu besetzen. Abbildung 18: Probleme bei der Rekrutierung von Fachkräften (Unternehmen mit großen oder mittleren Rekrutierungsschwierigkeiten bei Fachkräften, die Fachkräfte gesucht oder eingestellt haben, 2009, in % aller Unternehmen) (Werner et al. 2010; IAB 2014) <?page no="66"?> 6.1 Unternehmensexterne Rahmenbedingungen 67 Die Abbildung 18 zeigt, dass nicht nur große Unternehmen (ab 250 Mitarbeiter) sondern auch kleinere (1 bis 49 Mitarbeiter) und mittlere Unternehmen (50 bis 249 Mitarbeiter) zunehmend Schwierigkeiten haben, Fachkräfte zu rekrutieren. Die kleinen Unternehmen haben vor allem Probleme, Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und zum Teil auch Fachkräfte mit einem Fortbildungsabschluss für sich zu gewinnen. Mittelgroße Unternehmen haben insbesondere Rekrutierungsschwierigkeiten bei Fachkräften mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, Fachkräften mit Fortbildungsabschluss (z.B. Meister- oder Technikerabschlüsse) und bei Experten mit einem Hochschulabschluss. Demgegenüber fällt es großen Unternehmen vor allem schwer, Experten mit Hochschulabschluss für sich zu gewinnen. Abbildung 19: Erwerbspersonen und Erwerbstätige nach Qualifikationsniveau (BIBB- IAB 2014, S. 9) Betrachten wir die Prognosen für die Entwicklung möglicher qualifikationsbezogener Fachkräfteengpässe bis zum Jahr 2030, so zeigt die Abbildung 19 folgende Veränderungen: Für Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung werden sowohl die Nachfrage als auch das Angebot an Arbeitskräften bis zum Jahr 2030 sinken. Allerdings geht die Arbeitskräftenachfrage stärker zurück (- 0,8 Mio. Personen) als das Arbeitskräfteangebot (- 0,5 Mio Personen), so dass hier eine zukünftige Unterbeschäftigung in Höhe von 1,2 Millionen Personen vermutet wird (vgl. BIBB-IAB 2014, S. 9). D.h., dass es für Tätigkeiten, für die kein formaler Berufsabschluss nötig ist, auch zukünftige keine Engpässe geben wird. Anders werden sich das Angebot und die Nachfrage nach Arbeitskräften mit mittlerem Qualifikationsniveau entwickeln. In den nächsten Jahren wird der Bedarf an Arbeitskräften mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung noch zunehmen, um dann bis zum Jahr 2030 aufgrund der demografischen Entwicklung wieder abzunehmen. <?page no="67"?> 68 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Demgegenüber scheiden aber in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge der Baby-Boomer-Generation altersbedingt aus dem Arbeitsleben aus, was zu einem deutlich sinkenden Arbeitskräfteangebot von Personen mit einem mittleren Qualifikationsniveau (d.h. mit abgeschlossener Berufsausbildung) führen wird. Dadurch wird ca. ab dem Jahr 2020 der Bedarf an Arbeitskräften mit abgeschlossener Berufsausbildung nicht mehr gedeckt werden können, d.h. hier wird sich vermutlich ein Fachkräfteengpass entwickeln (vgl. BIBB-IAB 2014, S. 9). Im Qualifikationsbereich der Meister, Techniker und Hochschulabsolventen wird das Arbeitskräfteangebot im prognostizierten Zeitraum bis zum Jahr 2030 zunehmen. Dies liegt auch daran, dass immer mehr Schulabgänger studieren. Demgegenüber wird die Nachfrage nach Hochschulabsolventen bis zum Jahr 2030 zurückgehen, so dass hier eher von einem Arbeitskräfteüberangebot (+ 1,6 Mio. Personen) auszugehen ist. Im Bereich der Meister und Techniker werden in den nächsten Jahren vermehrt Arbeitskräfte altersbedingt aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Allerdings wird auch die Nachfrage nach Meistern und Technikern etwas sinken. Insgesamt werden hier jedoch vorübergehende Engpässe prognostiziert (vgl. BIBB-IAB 2014, S. 9). Wie wird sich das Neuangebot an Erwerbspersonen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu denjenigen, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden, entwickeln? Abbildung 20 zeigt die prognostizierten Veränderungen. Hier wird deutlich, dass mehr Personen ohne und mit abgeschlossener Berufsausbildung bis zum Jahr 2030 in den Ruhestand gehen, als neue Erwerbstätige auf den Arbeitsmarkt kommen. Entgegengesetzt ist die Entwicklung bei Erwerbspersonen mit einem akademischen Abschluss: Hier gehen weniger Akademiker in den Ruhestand als bis 2030 auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sein werden. Die vorgestellten Prognosen basieren auf hochaggregierten Daten, die zwar grobe Tendenzaussagen zulassen, Einzelfälle gar nicht und regionale Besonderheiten nur bedingt berücksichtigen können. Dennoch bieten sie hilfreiche und wichtige Informationen über mögliche zukünftige Entwicklungen. Abbildung 20: Entwicklung des Neuangebotes an Erwerbspersonen im Vergleich zu aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Erwerbspersonen in Millionen Personen, 2012-2030. <?page no="68"?> 6.1 Unternehmensexterne Rahmenbedingungen 69 Zusammenfassend lassen sich folgende wesentliche Veränderungen des Arbeitsmarktes für Deutschland und seiner Rahmenbedingungen festhalten: Die zukünftig am Arbeitsmarkt nachgefragten Qualifikationen werden sich deutlich verändern. So werden höher qualifizierte Erwerbspersonen zukünftig stärker nachgefragt werden, wohingegen die Nachfrage nach gering Qualifizierten aufgrund sich verändernder Aufgabenbereiche bis 2030 sinken wird (vgl. Heidemann 2012, S. 3ff). Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf die weiter an Bedeutung gewinnende Dienstleistungsökonomie, in der für Unternehmens- und Beratungsdienste ein zusätzlicher Arbeitskräftebedarf in Höhe von 750.000 Arbeitsplätzen prognostiziert wird (vgl. Vogler- Ludwig u.a. 2015, S. 8). Ebenfalls zunehmen werden wissensorientierte Aufgabenbereiche, für die insbesondere hoch qualifizierte Erwerbstätige nachgefragt werden, insbesondere in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (vgl. Ullah/ Witt, 2015, S. 13). Unsere älter werdende Gesellschaft braucht zukünftig mehr Arbeitskräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen, hier werden wohl bis 2030 Fachkräfteengpässe zunehmen. Die sich entwickelnde Industrie 4.0 basiert auf einer zunehmenden elektronischen Vernetzung industrieller Produktionsprozesse. Für produktionsnahe Aufgabenbereiche braucht die Industrie somit zukünftig mehr gut ausgebildete Fachkräfte und Spezialisten, aber weniger gering qualifizierte Mitarbeiter, so dass die Nachfrage nach gering Qualifizierten zurückgehen wird. Hier muss zukünftig verstärkt in Weiterqualifizierungen und Umschulungen investiert werden, um gering oder nicht qualifizierten Erwerbstätigen andere Tätigkeitsfelder zu eröffnen und gleichzeitig qualifikationsbedingte Engpässe bzw. Ungleichgewichte zu vermindern. Abbildung 21: Angebot und Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften (vgl. BA Prognose bis 2025). (http: / / wp-unit4-de.s3.amazonaws.com/ wp-content/ uploads/ sites/ 2/ 2014/ 05/ Fachkr%C3%A4ftemangel-Grafik-1.png) Die Abbildung 21 verdeutlicht nochmal die größer werdende Lücke zwischen dem insgesamt deutlich geringer werdenden Angebot an qualifizierten Arbeitskräften und der zwar auch abnehmenden, aber immer noch höheren Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. <?page no="69"?> 70 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen 6.1.3 Steigende Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft und des Wettbewerbs In den letzten Jahrzehnten haben viele Unternehmen ihre internationale Geschäftstätigkeit stark erweitert. So wurden Exporte in verschiedene Länder gesteigert, internationale Lieferbeziehungen ausgebaut, internationale Projektzusammenarbeiten oder Forschungskooperation verabredet, Joint Ventures gegründet oder gar eigene Tochterunternehmen in anderen Ländern aufgebaut (vgl. Schmeisser/ Krimphove 2010, S. 1). Wesentliche Gründe der steigenden internationalen und teils globalen Unternehmenstätigkeit bestehen in der Akquisition neuer Kunden und Geschäftsfelder, dem Folgen wichtiger Akteure der eigenen Lieferkette (z.B. dem fokalen Unternehmen, Kunden oder wichtigen Lieferanten), aber auch in der Ausschöpfung von Wettbewerbsvorteilen, der Sicherung wichtiger Rohstoffe oder der Einsparung von Kosten, z.B. durch die Verlagerung arbeitsintensiver Produktionsprozesse in Länder mit geringen Arbeitskosten. Unterstützt durch eine weltweite Vernetzung über elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien (insbesondere durch das Word Wide Web), vielfältige, auch schnelle Transport- und Reisemöglichkeiten, aber auch durch den Wunsch bzw. die wettbewerbsorientierte Notwendigkeit zur Erschließung neuer Märkte entwickelt sich eine globale Wirtschaft, in der Unternehmen in weltweite Leistungs- und Handelsprozesse eingebunden sind. Mit der Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit ist auch eine steigende Unübersichtlichkeit der Unternehmenssteuerung verbunden. Sie resultiert einerseits aus dem deutlich umfangreicheren internationalen Regelungsrahmen, den die Unternehmen berücksichtigten müssen. Andererseits ist der Steuerungsaufwand eines international agierenden Unternehmens deutlich komplexer. Um international oder gar global erfolgreich tätig sein zu können, benötigen Unternehmen Mitarbeiter, die neben dem aufgabenbezogenen Fachwissen auch über internationale Kompetenzen verfügen. Dazu gehören u.a. interkulturelle Kenntnisse, d.h. Wissen über und Verständnis für andere Kulturen, Sprachkenntnisse aber auch Kompetenzen zur internationalen Zusammenarbeit und Verhandlung. Darüber hinaus erfordert eine internationale Unternehmenstätigkeit mobile und flexible Mitarbeiter, die bereit sind, z.B. als Expatriates für eine gewisse Zeit in einem ausländischen Tochterunternehmen zu arbeiten. Auch die internationale Zusammenarbeit über Kontinente und damit Zeitgrenzen hinweg erfordert eine neue arbeitszeitliche Flexibilität der Mitarbeiter. Weitere Herausforderungen betreffen z.B. die Führung internationaler Teams und die Entwicklung internationaler Unternehmensstrukturen. Aber auch die Suche nach neuen Mitarbeitern ist mittlerweile international aufgestellt. Das weltweit verfügbare Internet und die vielfältigen elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen und vereinfachen es für Unternehmen, sich auch global als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren, freie Stellen weltweit auszuschreiben (z.B. über elektronische Stellenbörsen oder die eigene Unternehmenshomepage) und auch Personalauswahlprozesse international zu gestalten (vgl. Kumar/ Wagner 1998; Ullah/ Witt 2015). Die steigende Internationalisierung und Globalisierung der Unternehmen ist mit vielfältigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen auf die Unternehmen und ihre internationalen Standorte, aber auch auf die Wirtschaft und Gesell- <?page no="70"?> 6.1 Unternehmensexterne Rahmenbedingungen 71 schaft der jeweiligen Länder verbunden. Das kann positive, aber auch negative Wachstumseffekte für die jeweiligen Marktwirtschaften und Arbeitsmärkte bedeuten, oft allerdings unter Ausnutzung der wenig menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und geringeren Gehälter. Zusätzlich steigt der Ressourcenbedarf und -verbrauch, was zu erheblichen Umweltbelastungen der jeweiligen Länder führen kann. Aber auch weltweit steigende Transporte sind ein Merkmal der Internationalisierung. 6.1.4 Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft Seit den 1980er und 1990er Jahren vollzieht sich ein Wandel hin zur Informations- und Wissensgesellschaft, wie Abbildung 22 zeigt. Viele Innovationen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien haben unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft stark geprägt und verändert. Vor allem durch die Entwicklung elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien (z.B. Internet, Handys, Smartphone, Tablet-PC) entstand ein umfangreicher Informations- und Kommunikationssektor, auf dem Informationen bereitgestellt und gehandelt werden (vgl. Lehner 2008, S. 5). Abbildung 22: Strukturwandel in Deutschland Die weltweite Vernetzung der Menschen durch das Internet fördert auch die Transparenz der weltweiten Unternehmenstätigkeiten (vgl. Armutat/ Mördinger 2011, S. 14). Bis vor ca. 20 - 30 Jahren gelangten Informationen über Ressourcenabbau, Arbeitsbedingungen, Unfälle etc. durch die Unternehmenstätigkeit nur vereinzelt und meist mit zeitlicher Verzögerung an die internationale Öffentlichkeit. In Zeiten des World Wide Web verbreiten sich Informationen über Arbeitsweisen, Unfälle, Umweltbelastungen oder soziale Missstände rasend schnell über das Internet und die Social Communitys. Gerade Nichtregierungsorganisationen (NGO‘s) nutzen das Internet, um über die ökologischen und sozialen Auswirkungen der internationalen Unternehmenstätigkeit schnell und umfassend zu berichten. Unternehmen haben auf diese externe Berichterstattung und die Verbreitung der Informationen kaum mehr einen Einfluss (vgl. Armutat/ Mördinger, 2011, S. 14). <?page no="71"?> 72 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Abbildung 23: Schlüsselinnovationen (Metz 2010, http: / / www.europa.clio-online.de/ essay/ id/ artikel-3571) Darüber hinaus haben sich in den letzten dreißig Jahren stark wissensbasierte Technologien entwickelt, wie beispielsweise die Mikro-, Nano- und Lasertechnik, die Gentechnologie sowie die Biotechnologie. Sie alle basieren maßgeblich auf Innovationen und Wissen und haben vielfältige ökonomische, ökologische und soziale Veränderungen ausgelöst. So ist nicht verwunderlich, dass sich das Wissen neben Rohstoffen, Arbeit und Kapital als weiterer zentraler Produktionsfaktor etablierte und für die Unternehmen mittlerweile eine große Bedeutung hat. Denn im Zuge der Entwicklung der Informations- und Wissensgesellschaft ist auch die Bedeutung des Wissens für unsere Wirtschaft und Gesellschaft immer wichtiger geworden. Der Anteil der Unternehmen, die wissensintensive Produkte und Dienstleistungen herstellen und anbieten, steigt deutlich. Entsprechend arbeiten auch immer mehr Menschen in wissensintensiven Aufgabenbereichen, wie beispielsweise in der Entwicklung von elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Soft- und Hardware, der Bereitstellung und Verarbeitung von Daten und Informationen sowie in wissensintensiven Dienstleistungsbereichen. Andererseits ist auch das Wissen über die ökologischen und sozialen Auswirkungen bisheriger Wirtschaftstätigkeit auch im internationalen Kontext stark gestiegen. Die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten und ihre Auswirkungen auf die natürlichen Ökosysteme können immer detaillierter erforscht und in Modellen simuliert werden. So wissen wir heute für viele Bereiche ziemlich genau, wo die natürlichen Belastungsgrenzen der Ökosysteme liegen und inwieweit diese durch menschliches Handeln bereits erreicht wurden oder in naher Zukunft erreichen werden (z.B. beim Klimawandel, bei der Überfischung der Meere, bei Luftbelastungen oder giftigen Abfällen). Gleichzeitig wurden aber auch viele neue Technologien entwickelt und neue Erkenntnisse gewonnen, die ein ökologisch und sozial verträglicheres Wirtschaften ermöglichen. Beispielhaft sei hier auf die Erforschung der regenerativen Energiegewinnung (insb. Solartechnologien, Wasserkraft, Windkraft) verwiesen. Wissen als Ressource ist aber immer an Personen, einen bestimmten inhaltlichen Zusammenhang sowie an konkrete Handlungen gebunden (vgl. Kirschten 2010, <?page no="72"?> 6.1 Unternehmensexterne Rahmenbedingungen 73 S. 252). In den Unternehmen sind die Mitarbeiter die Träger des erfolgsrelevanten unternehmerischen Wissens. Zwar kann ein Teil der Wissensbestände in organisationales Wissen umgewandelt werden und dem Unternehmen als Ganzes unabhängig von einzelnen Wissensträgern zur Verfügung stehen, dennoch bleibt die Mehrheit des unternehmensspezifischen Wissens an die Mitarbeiter gebunden. Aufgrund des demografischen Wandels werden in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Damit verbunden ist auch die Gefahr, dass ein erheblicher Anteil des unternehmensspezifischen Wissens mit in den Ruhestand gehen wird. Mit der Entwicklung der Wissensgesellschaft und den vielfältigen Innovationen insbesondere im Bereich der elektronischen Information und Kommunikation, verändern sich auch die Arbeitsbedingungen, Arbeitsinhalte und Arbeitsprozesse in den Unternehmen deutlich. Neue Berufe entstehen, neue Technologien benötigen veränderte Qualifikationen der Beschäftigten (z.B. Industrie 4.0) und die schnelle Veralterung bestimmter Wissensbestände erfordert regelmäßige Lernprozesse und Weiterbildungsmaßnahmen der Mitarbeiter. 6.1.5 Steigender Wettbewerb um gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte. Auch wenn der „War of Talents“ schon seit mindestens 20 Jahren angemahnt wird, so verschärft sich der Wettbewerb um gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte im Zuge des demografischen Wandels zukünftig noch mehr. Die Entwicklung einer attraktiven Arbeitgebermarke kann den Unternehmen helfen, sich auf dem Arbeitsmarkt als einzigartiger und besonders interessanter Arbeitgeber zu positionieren und dadurch die gut qualifizierten Fach- und Führungskräfte auf sich aufmerksam zu machen. Vor allem die Positionierung als sozial und ökologisch engagierter Arbeitgeber kann die Wettbewerbsposition auf dem Arbeitsmarkt stärken, da ein steigender Anteil an Arbeitssuchenden, vor allem jüngere Generationen, viel Wert auf eine sinnstiftende sowie auch ökologisch und sozial verantwortungsvolle Tätigkeit legen (vgl. Kapitel 9.1 und http: / / www.marktmeinungsmensch.de/ media/ uploads/ 2016/ 11/ 11/ nachhaltigkeit-und-innovationen-in-der-deutschen-industrie-2016-infografik.png). 6.1.6 Gesellschaftliche Legitimationspflicht der Unternehmen Unternehmen sehen sich aber auch verstärkt einer gesellschaftlichen Legitimationspflicht ganz unterschiedlicher Stakeholder gegenüber, die einerseits ihr soziales und ethisches Verhalten (z.B. im Umgang mit Mitarbeitern, Lieferanten, angebotenen Leistungen) andererseits auch ihr ökologisches bzw. umweltorientiertes Verhalten (z.B. hinsichtlich der Umweltverträglichkeit der eingesetzten Ressourcen, der Produktionstechnologien, Schadstoffbelastungen von Produkten, Langlebigkeit etc.) hinterfragen. Indizien hierfür sind eine steigende Auseinandersetzung von Unternehmen mit Umweltmanagement, der Einführung von Umweltmanagementsystemen, Corporate Social Responsibility, einer zunehmenden Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie verschiedener Ansätze zur Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmensführung. Unternehmen, die unethisch, verantwortungslos oder stark umweltbzw. sozialunverträglich handeln, riskieren den Verlust ihrer gesellschaftlichen Legitimität. Dies <?page no="73"?> 74 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen kann dazu führen, dass Kunden sich von dem Unternehmen abwenden und die Produkte bzw. Leistungen dieses Unternehmens nicht mehr kaufen. Aber auch rechtliche Strafverfolgung und Klagen von Stakeholdern können zu einer gravierenden Bedrohung für das Unternehmen werden. Beispiele hierfür sind aktuell die internationalen Vorwürfe und auch das zumindest teilweise Eingeständnis von VW, Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen bewusst manipuliert zu haben, woraus eine Flut an Klagen und Schadensersatzansprüchen in Milliardenhöhe an VW resultierten (vgl. Die Zeit 09.02.2017). Ein anderes eindrückliches Beispiel ist die im Jahr 1995 geplante Versenkung der Ölplattform Brent Spar des Unternehmens Shell, die aufgrund massiver Proteste und Boykotts verschiedener Stakeholder letztlich verhindert werden konnte und für Shell zu einem erheblichen Imageverlust führt (vgl. z.B. Greenpeace 2015). Zusätzlich wird die Kaufentscheidung der Konsumenten nicht mehr nur durch den Preis, die Qualität oder das Design des Produktes bestimmt. Ein steigender Anteil der Konsumenten (z.B. die LOHAS) hinterfragt auch die ökologischen und sozialen Bedingungen und Auswirkungen der Herstellung, die Inhaltsstoffe und die Umweltverträglichkeit der Produkte. Damit werden ökologisch und sozial verträgliche Produkte auch zu einem an Bedeutung gewinnenden Wettbewerbsfaktor auf den Märkten, was an steigenden Marktanteilen nachhaltiger Produkte deutlich wird. LOHAS - Lifestyle of Health and Sustainability Die LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) sind Menschen, die ihren Lebensstil auf Gesundheitsbewusstsein und Nachhaltigkeit ausrichten. Als Konsumenten legen sie viel Wert auf Bio-Produkte und fair gehandelte Waren. Ihr Ziel ist es, Bioprodukte und fair gehandelte Waren auf dem Weltmarkt zu stärken und auch ein ökologisch und sozial verträglicheres Handeln der Unternehmen weltweit zu fördern. Ihre Ansprüche sind vor allem sinnlich-ästhetisch und weniger politisch-ideologisch ausgerichtet. In Deutschland gehören ungefähr 12.5 Millionen Menschen diesem Lebensstil an (Lexikon der Nachhaltigkeit: Stichwort LOHAS). Aufmerksam gemacht auf den Lebensstil der LOHAS hat der amerikanische Soziologe Paul Ray im Jahr 2000 mit seinem Buch „The Cultural Creatives: How 50 Million are changing the World“ (vgl. Ray/ Anderson 2000). Der Lebensstil der LOHAS wird jedoch auch kritisiert. So beschreibt die LOHAS-Studie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) von 2008 die LOHAS als „konservativ, markenbewusst, naturromantisch, unpolitisch, ästhetisch, anspruchsvoll, näheorientiert und ichbezogen“. Danach sind LOHAS Durchschnittskonsumenten, die zwar ökologische Produkte bevorzugen, sich jedoch nicht in Verzicht üben und sich auch politisch nicht engagieren. Zusätzlich kritisiert werden die hohen Kosten dieses Lebensstils, womit sich nur eine Minderheit gutverdienender Konsumenten diesen Lebensstil leisten können. (vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit: Stichwort LOHAS; Häusler/ Kerns 2008) <?page no="74"?> 6.2 Unternehmensinterne Rahmenbedingungen 75 6.2 Unternehmensinterne Rahmenbedingungen Auch die unternehmensinternen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten ca. 20 Jahren deutlich verändert. Dabei stellen vor allem die steigende inhaltliche und zeitliche Arbeitsbelastung, die alternden Belegschaften, aber auch der Wandel der Arbeitswerte und mittlerweile deutliche Forderungen nach einer besseren Vereinbarkeit der Arbeitswelt mit den privaten Lebenswelten (Work-Life-Balance) für die Unternehmen gravierende Herausforderungen dar. 6.2.1 Steigende inhaltliche und zeitliche Arbeitsbelastung Vor allem die Arbeitsbedingungen, aber auch die Arbeitsanforderungen haben sich für viele Beschäftigte deutlich verändert. Indizien hierfür sind z.B. eine deutlich gestiegene inhaltliche und zeitliche Arbeitsbelastung, die steigende Vielfalt der zu erfüllenden Aufgaben, aber auch steigende Anforderungen an die Flexibilität und Mobilität der Beschäftigten. Die Auswirkungen dieser gestiegenen Belastungen zeigen sich u.a. in einer Zunahme der krankheitsbedingten Fehlzeiten von Mitarbeitern. Bedenklich ist hierbei vor allem der große Anstieg der psychischen Erkrankungen, der meist zu längerfristigen Fehlzeiten der betroffenen Mitarbeiter führt (vgl. Kirschten 2010a, S. 107 ff.). 6.2.2 Alternde Belegschaften Umfassende Auswirkungen hat der demografische Wandel, der insbesondere in deutschen Unternehmen zu insgesamt älter werdenden Belegschaften und einem geringeren Anteil jüngerer Nachwuchskräfte führt (vgl. Kapitel 6.1.1). Hier sind die Unternehmen gefordert, altersgerechte Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze zu schaffen, um die Mitarbeiter bis zum Rentenalter gesund und leistungsfähig im Unternehmen beschäftigen zu können. Wichtig ist aber auch eine altersgerechte Unternehmenskultur, die die Leistungen und Erfahrungen der älteren Mitarbeiter wertschätzt. Sowohl der gestiegene Krankenstand als auch die insgesamt alternden Belegschaften haben in vielen Unternehmen u.a. dazu geführt, sich mit einem betrieblichen Gesundheitsmanagement auseinander zu setzen und es im Unternehmen einzuführen. 6.2.3 Wandel der Arbeitswerte In den letzten 60 Jahren haben sich die gesellschaftlichen und auch die arbeitsorientierten Werte der Menschen deutlich verändert. Werte sind kognitive Präferenzstrukturen, die Entscheidungen beeinflussen und das Verhalten steuern (vgl. Scholz 2000, S. 18). Für den einzelnen oder auch eine Gruppe sind Werte etwas Wünschenswertes. Werte werden durch die Gesellschaft geprägt, in der wir aufwachsen und leben, sie beeinflussen unsere Wahrnehmung und steuern unser Handeln, sie bilden den Orientierungsrahmen unseres Verhaltens und damit auch den Kern unserer Kultur. Die individuellen Wertvorstellungen prägen unsere Bedürfnisse, Motive und Ziele, sie beeinflussen unsere Einstellungen und Interessen und bestimmen unsere Identität (vgl. Klages 19912, S. 53 ff.; Klages 1991). <?page no="75"?> 76 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Auch das Leistungsverhalten in der Arbeitswelt wird durch die individuellen Werte beeinflusst. Diejenigen Werte, die die Wünsche an das Arbeitsleben und die Arbeitsbedingungen beinhalten, werden als Arbeitswerte oder arbeitsbezogene Werthaltungen bezeichnet. Für Unternehmen ist es sehr wichtig, diese arbeitsbezogenen Werte ihrer Mitarbeiter aber auch von potenziellen Mitarbeitern zu kennen und die Arbeitsbedingungen im Unternehmen so zu gestalten, dass sie den Werten der Beschäftigten möglichst entgegenkommen (z.B. Sinnhaftigkeit der Arbeit, Selbstverwirklichung durch die Arbeit, Gestaltungsspielräume). Insbesondere für die Ansprache potenzieller Mitarbeiter ist es wichtig, die Arbeitswerte der jüngeren Generationen (insbesondere der Generation Y und Generation Z) zu kennen und die Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte auf diese Wünsche auszurichten, um die eigene Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber zu steigern. Die jüngere Generationenforschung untersucht die Veränderungen der gesellschaftlichen und auch arbeitsorientierten Werte verschiedener Generationen seit dem Zweiten Weltkrieg. Als Generation werden die Personen bezeichnet, die in einem bestimmten Zeitraum geboren und aufgewachsen sind. In der deutschen Generationenforschung werden bislang folgende Generationen voneinander abgegrenzt: die Nachkriegsgeneration, die Wirtschaftswundergeneration, die Baby-Boomer-Generation, die Generation X, die Generation Y und die derzeit jüngste Generation Z. Die altersmäßige Verteilung dieser Generationen auf die Erwerbstätigen in Deutschland zeigt die folgende Abbildung 24. Abbildung 24: Generationszugehörigkeit der Erwerbstätigen in Deutschland Aufgrund der spezifischen gesellschaftlichen Prägung entwickelt jede Generation eigene Charakteristika und Arbeitswerte. In der Abbildung 25 sind die spezifischen Charakteristika der verschiedenen Generationen und damit auch die Veränderungen der Werte im Zeit- und Generationsverlauf gut erkennbar. Die gesellschaftlichen oder arbeitsorientierten Werte der Generationen, die noch im Berufsleben sind, werden nun genauer betrachtet. <?page no="76"?> 6.2 Unternehmensinterne Rahmenbedingungen 77 Abbildung 25: Charakteristika und Arbeitswerte verschiedener Generationen <?page no="77"?> 78 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Die Baby-Boomer-Generation (1956 - 1965) ist die geburtenstärkste Generation der letzten 80 Jahre und zählt heute zu den älteren Erwerbstätigen. Sie hat langjähriges Erfahrungswissen und ist überwiegend beruflich etabliert. Gesellschaftlich wurde diese Generation geprägt von den Öl- und Wirtschaftskrisen (Ende der 1970er Jahre und Anfang der 1980er Jahre) und beginnender Massenarbeitslosigkeit, aber auch durch den RAF-Terrorismus und die Emanzipation der Frauen in den 1970er Jahren. In den 1980er Jahren war diese Generation wesentlich an der Friedens- und Umweltbewegung beteiligt, die mit der Gründung der „Grünen“ als politische Partei die deutsche Politik stark veränderte. Insgesamt lernte die Generation, dass ihr eigenes Leben durchaus von Unsicherheiten betroffen sein kann. Die Arbeitswelt der Baby- Boomer-Generation zeichnete sich durch eine wachsende Mitbestimmung, stärker werdende Gewerkschaften sowie einer mitarbeiterorientierten Unternehmensführung aus. Die Lohnentwicklung war positiv und die Wochenarbeitszeit reduzierte sich Mitte der 1980er Jahre auf 35 Stunden (vgl. WSI-Tarifvertrag 2008). Als geburtenstärkste Generation mussten die Baby Boomer sowohl in der Familie, der Schule und im Beruf lernen, mit Konkurrenzsituationen umzugehen (vgl. Dychtwald 2003, S. 8). Dies förderte ihre Kooperations- und Teamfähigkeit sowie ihre Sozialkompetenz (vgl. Kirschten 2014, S. 63 f.). Die Generation X (Geburtsjahrgänge 1966 - 1980) ist in einer Zeit aufgewachsen, die durch wirtschaftlichen Wohlstand mit Lohnsteigerungen und Arbeitszeitverkürzungen, aber auch durch eine zunehmende Arbeitslosigkeit gekennzeichnet war. Politisch und gesellschaftlich prägend war für sie auch die deutsche Wiedervereinigung. Technologisch begannen sich die elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien zu entwickeln sowie die ersten Personalcomputer. Die Mitglieder der Generation X streben stärker nach materiellen Werten, wie Karriere, Wohlstand und Sicherheit. Dies resultiert aus der unsicheren Arbeitsmarktlage, der Krise des Wohlfahrtsstaates, steigender Globalisierung und der sinkenden Bedeutung formaler Bildungsabschlüsse. Die Arbeitswelt dieser Generation ist geprägt durch Dezentralisierung und Abnahme an Hierarchien, um die Organisations- und Ablaufstrukturen flexibler und effizienter zu gestalten und so der steigenden Marktdynamik besser gerecht werden zu können, aber auch mögliche Krisen besser zu bewältigen. Neue Organisationsformen, wie z.B. die Projektarbeit und teilautonome Arbeitsgruppen werden neben klassischen Organisationsformen zunehmend in den Unternehmen eingesetzt. Die physischen Arbeitsbelastungen sinken aufgrund des technologischen Wandels, dafür steigen die psychischen und wissensbasierten Anforderungen an die Mitarbeiter. Die schnelle Entwicklung vieler arbeitsbezogener Wissensbestände erfordert zunehmende Lernprozesse der Mitarbeiter in immer kürzeren zeitlichen Abständen. Hinzu kommen die vielfältigen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien, die seit den 1980er Jahren die Arbeitswelt (aber auch die Privatwelt) drastisch verändert haben. Der Einsatz von Computern in vielen Arbeitsbereichen aber auch die Auseinandersetzung mit immer neuen Technologien wurde selbstverständlich. Die Generation X ist heute zwischen 35 Jahren und 50 Jahren alt und steht mitten im Berufsleben. Vielen ist ihre berufliche Entwicklung und Karriere wichtig, wofür sie viel Zeit und Engagement investieren. Insgesamt ist die Generation X geprägt durch Selbstständigkeit, Ehrgeiz, Gleichberechtigung, Rationalität, Pragmatismus, Individualismus und Zuverlässigkeit (vgl. Kirschten 2014, S. 64 f.). <?page no="78"?> 6.2 Unternehmensinterne Rahmenbedingungen 79 Die Generation Y (Geburtsjahrgänge 1981 - 1994) Die Generation Y hat viele Namen: Sie werden Netzkinder (weil sie mit dem Internet aufgewachsen sind), Nexters oder Generation Y als Abgrenzung zur Generation X, Generation Why (weil sie immer alles in Frage stellen), Millennials (weil die Jahrtausendwende für sie den Einstieg in den Ernst des Lebens, wie z.B. Schule, Ausbildung oder Studium markiert), Trophy Kids (weil sie für alle möglichen Leistungen Urkunden, Pokale oder sonstige Trophäen gesammelt haben), Generation Praktikum (weil ihr Weg in die Festanstellung oftmals von einer Serie verschiedener Praktika gepflastert ist, Generation Biedermeier (weil sie zum Teil überraschend bürgerliche Vorstellungen von ihrem Leben haben) oder auch Internetgeneration genannt (vgl. Oertel 2007; Klaffke/ Parment 2011, S. 5). Der Begriff Internetgeneration ist sehr treffend, da hierdurch die starke Prägung dieser Generation durch die vielfältigen technischen und kommunikationsbezogenen Möglichkeiten des Internets deutlich wird. Die Generation Y steht mittlerweile überwiegend im Arbeitsleben und hat die ersten Berufserfahrungen hinter sich. Die Generation Y ist mit der zunehmenden Globalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft aufgewachsen. Die sich daraus ergebenden Vorteile, wie beispielsweise weltweite Konsumangebote (z.B. Produkte, Informationen, Reisen) sowie internationale Beschäftigungsmöglichkeiten werden häufig als selbstverständlich in Anspruch genommen. Allerdings erfährt sie auch den steigenden weltweiten Verdrängungswettbewerb. Gleichzeitig ist diese Generation in einer weltweit zur Verfügung stehenden informations- und kommunikationsbasierten Technik- und Medienvielfalt sozialisiert. Der Umgang mit unterschiedlichsten I+K-Technologien und I+K-Geräten (z.B. Smartphone, Tablet, I-Pod, social media etc.) und die Informationsbeschaffung und Kommunikation über das Internet ist selbstverständlich (vgl. Klaffke/ Parment 2011, S. 9; 56). Gesellschaftlich ist die Internetgeneration geprägt von einem zunehmenden Individualismus, ständiger Kommunikation, hoher Transparenz und vielen beruflichen und privaten Wahlmöglichkeiten. Auch weist die Generation Y eine ausgeprägte Konsumkultur auf. Allerdings ist sie auch sozial und ökologisch engagiert (vgl. Ferri- Reed 2010, S. 32; Parment 2009, S. 39; 55f.; Wilton 2008, S. 81; Klaffke/ Parment 2011, S. 9). Politisch wurde auch die Generation Y in ihrer Jugend von der deutschen Wiedervereinigung geprägt, mit all ihren positiven, aber auch negativen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Zusätzlich verdeutlichten die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die vielen internationalen gewalttätigen Auseinandersetzungen, dass die westeuropäischen Werte von anderen Ländern durchaus in Frage gestellt werden sowie Frieden und Stabilität nicht selbstverständlich sind. Trotzdem sind wesentliche Werte dieser Generation Kontaktfreudigkeit, Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Optimismus, soziales und ökologisches Engagement, technische Aufgeschlossenheit und hohe Leistungsfähigkeit. Allerdings zeichnet sie sich auch aus durch Ungeduld, Egoismus und Skepsis (vgl. Oertel 2007). Die Arbeitswelt der Internetgeneration ist geprägt von vielen beruflichen Möglichkeiten und Unsicherheiten mit wechselnden, eher kurzfristigen und teils auch schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen. Das Schlagwort der „Generation Praktikum“ ist hierauf zurückzuführen. Insgesamt ist die Arbeitssituation und berufliche <?page no="79"?> 80 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Entwicklung für diese Generation wesentlich schlechter planbar und mit hoher Unsicherheit behaftet. Zusätzlich steigen die Anforderungen an die Mobilität, Flexibilität und Kreativität der Beschäftigten, die sie in jedem neuen Beschäftigungsverhältnis wieder unter Beweis stellen müssen. Darüber hinaus ist die Arbeitswelt aber auch das private Leben stark geprägt von der Vielfalt der Informations- und Kommunikationstechnologien (Internet, E-Mail, soziale Online-Netzwerke). Für sie ist eine ständige orts- und zeitunabhängige berufliche und private Kommunikation selbstverständlich, wobei sich die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben zunehmend auflösen. Auch hat diese Generation gelernt, viele unterschiedliche Aufgaben und technische Anwendungen gleichzeitig zu bearbeiten, weshalb sie als „multi-tasking“ fähig bezeichnet werden (vgl. Gursoy/ Maier/ Chi 2008). Auch die häufig international vernetzten und zunehmend dezentralisierten Organisationsstrukturen sind für die Internetgeneration normal und gehören häufig zum Berufsalltag. Physisch und psychisch ist die Internetgeneration hoch leistungs- und belastungsfähig. Sie können sich schnell in neue Aufgaben einarbeiten, verfügen häufig über eine sehr gute Ausbildung und hohe kognitive Fähigkeiten sowie eine ausgeprägte Lernbereitschaft (vgl. Kirschten 2014, S. 65 ff.). Generation Z (Geburtsjahrgänge seit 1995): Sie ist die zurzeit jüngste Generation, die wissenschaftlich untersucht wird und ist zum Teil noch in der Schule oder in der Ausbildung, einige von ihnen betreten gerade das Berufsleben. Gesellschaftlich geprägt ist die Generation Z von der Globalisierung, von Wirtschaftskrisen, dem Arabischen Frühling, kriegerischen Auseinandersetzungen, den Flüchtlingsströmen und den Auswirkungen des Klimawandels. Die Vielfalt der Ereignisse mit ihren ganz unterschiedlichen Auswirkungen stärken den Wunsch nach Sicherheit und Stabilität. Sie sind aber auch global orientiert und übernehmen ökologische und soziale Verantwortung. Technologisch sind mobile Information, Kommunikation und Cloud Computing für die Generation Z selbstverständlich und allgegenwärtig. Ein Leben ohne Internet und Smartphone ist kaum vorstellbar. So sind sie auch über soziale Medien und Netzwerke im Internet intensiv vernetzt. Sie sind meist gut gebildet und intellektuell anspruchsvoll. Sie legen Wert auf Individualität, Selbststeuerung und große Flexibilität. Ihre Arbeitswerte sind bislang kaum erforscht, da viele ihrer Mitglieder noch in der Schule und Ausbildung sind. Wichtig scheint der Generation Z jedoch die Integration von Leben und Arbeit zu sein. Die potenziellen Arbeitgeber beobachten die Generation Z aber schon aufmerksam, weil sie ihre zukünftigen Nachwuchskräfte sein werden (vgl. Klaffke 2014). Der Wandel der Arbeitswerte hat insbesondere bei den jüngeren Generationen dazu geführt, dass sie von den Unternehmen zunehmend sinnstiftende Arbeitsinhalte flexiblere Arbeitsbedingungen, neue Anreize (Arbeit soll auch Spaß machen), Angebote zur besseren Vereinbarkeit des Berufslebens mit dem Privatleben sowie auch die Übernahme gesellschaftlicher und ökologischer Verantwortung einfordern. Damit entsprechen nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen gut den veränderten Erwartungen der jüngeren Erwerbsgenerationen. 6.2.4 Work-Life-Balance Vielen Menschen fällt es heute deutlich schwerer als vor ca. 20 Jahren, ihre Berufstätigkeit mit ihren privaten Lebensbereichen zeitlich und inhaltlich so aufeinander abzustimmen, dass sie für die Anforderungen der verschiedenen Lebensbereiche je- <?page no="80"?> 6.2 Unternehmensinterne Rahmenbedingungen 81 weils genug Zeit haben und insgesamt zufrieden sind. Besonders schlecht vereinbaren können häufig Familien ihre verschiedenen Lebenswelten, vor allem aufgrund unterschiedlicher zeitlicher und örtlicher Anforderungen der Lebenswelten. Dies wirkt sich auf die Anzahl an Familien mit Kindern aus, die in Deutschland seit Jahrzehnten unterhalb der Regenerationsrate liegt und sich bei ca. 1,5 Kindern bewegt (vgl. Kapitel 6.1.1). Auch fühlen sich viele Arbeitnehmer dauerhaft überlastet, wie die Berechnungen der Technikerkrankenkasse zeigen, was unterschiedliche Beschwerden verursacht (vgl. Abbildung 26). Abbildung 26: Stressbelastung und Beschwerden von Beschäftigten (vgl. Techniker Krankenkasse 2013) Dies führt u.a. auch zu stärkeren psychischen Erkrankungen. Bedenklich ist, dass die psychischen Erkrankungen mittlerweile die dritthäufigste Erkrankung sind nach Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und der Atmungsorgane (vgl. Abbildung 27). Abbildung 27: Anteil der zehn wichtigsten Krankheitsarten an den Arbeitsausfall-Tagen (vgl. DAK 2015) <?page no="81"?> 82 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Auffällig ist auch der kontinuierliche Anstieg psychischer Erkrankungen an den Arbeitsunfähigkeitstagen und -fällen seit 1997 (vgl. Abbildung 28). Abbildung 28: Arbeitsunfähigkeitstage und -fälle pro 100 Versichertenjahre aufgrund psychischer Erkrankungen (vgl. DAK 2015) Abbildung 29: Befragung von 467 Studierenden zu wichtigen Kriterien der Arbeitgeberwahl <?page no="82"?> 6.2 Unternehmensinterne Rahmenbedingungen 83 Zurückzuführen sind diese Entwicklungen auf den Wandel der Arbeitswelt mit ihren neuen Herausforderungen und Anforderungen an die Mitarbeiter. Doch auch Veränderungen der gesellschaftlichen Rollenbilder von Frau und Mann, die steigende Qualifikation und Berufstätigkeit der Frauen, die Zunahme von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, aber auch die insgesamt gestiegene Komplexität und Dynamik unseres Lebens sind für die Veränderungen verantwortlich. Zunehmende Arbeitsbelastungen sowie die unzureichende Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten haben dazu geführt, dass sich vor allem die jüngeren Generationen von ihren Arbeitgebern mehr unterstützende Maßnahmen für eine verbesserte Vereinbarkeit des Berufslebens mit den privaten Lebenswelten wünschen. Deutlich wird dies beispielsweise in der Befragung von 467 Studierenden im Jahr 2014 durch die Hochschule Karlsruhe, in der Arbeitgeberangebote zur Verbesserung der Work-Life-Balance das zweitwichtigste Kriterium der Arbeitgeberwahl waren. Auch in der Befragung von Randstad bei 7100 Arbeitnehmern zwischen 18 Jahren und 65 Jahren wird ein ausgewogenes Berufs- und Privatleben von 53% der Befragten als Schlüsselfaktor bei der Arbeitgeberwahl angegeben und zählt damit zu den vier wichtigsten Kriterien der Arbeitgeberwahl (vgl. Abbildung 30). Abbildung 30: Kriterien für die Arbeitgeberwahl (randstad-award 2016) So steht das Thema „Work-Life-Balance“ mittlerweile auch bei vielen Unternehmen auf der betrieblichen Agenda, wenn es um die Verbesserung der unternehmensinternen Arbeitsbedingungen und die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität geht. Doch was bedeutet eigentlich „Work-Life-Balance“? In den letzten ca. 10 Jahren hat sich unter dem Begriff „Work-Life-Balance“ eine wissenschaftliche und praxisorientierte Diskussion sowie mittlerweile vielfältige Konzepte zur Vereinbarkeit des Berufslebens mit den privaten Lebenswelten, und vor allem mit dem Familienleben entwickelt. Ziel der Work-Life-Balance Konzepte ist es, eine höhere individuelle Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche zu erreichen. Inhaltlich wird hier unter „Work-Life-Balance“ folgendes verstanden: <?page no="83"?> 84 6 Aktuelle Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen Definition Work-Life-Balance „Work-Life-Balance bedeutet, Menschen dabei zu unterstützen, ihre individuellen und lebensphasenspezifischen Interessen und Verpflichtungen aus unterschiedlichen Rollen und Funktionen in verschiedenen Lebensbereichen so erfüllen und ausleben zu können, dass sie dauerhaft leistungsfähig, leistungsbereit sowie physisch und psychisch gesund bleiben und sich wohl fühlen, um so insgesamt ein zufriedenes, sinnerfülltes und ausgeglichenes Leben zu erreichen. Dabei wird die individuelle lebensphasenabhängige Balance von vielfältigen Faktoren beeinflusst.“ (Kirschten 2014, S, 28) Nun stellt sich die Frage, welche Strategien und Maßnahmen nachhaltige Unternehmen entwickeln und umsetzen können, um die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten ihrer Mitarbeiter zu fördern. Die Abbildung 31 bietet einen Eindruck von der Vielfalt möglicher Work-Life-Balance Maßnahmen, mit denen die spezifischen Bedürfnisse einer besseren Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten für unterschiedliche Mitarbeiterzielgruppen befriedigt werden können. Abbildung 31: Work-Life-Balance-Maßnahmen für verschiedene Mitarbeiterzielgruppen (Kirschten 2014, S. 172) Für nachhaltige Unternehmen bieten Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben die Möglichkeit, ihre soziale Verantwortung ihren Mitarbeitern gegenüber zu verbessern und umzusetzen und sich gleichzeitig als attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt von anderen Arbeitgebern positiv abzuheben. Für die Mitarbeiter führt eine verbesserte Vereinbarkeit ihrer verschiedenen Lebenswelten zu geringeren Stressbelastungen, einer höheren Arbeitszufriedenheit und damit zu einer größeren Arbeitsmotivation. <?page no="84"?> 7.1 Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmensvision 85 Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Auswirkungen hat der demografische Wandel auf die Anzahl und Struktur der erwerbstätigen Bevölkerung? 2. Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt bis 2030 für die gut qualifizierten Erwerbstätigen und Nachwuchskräfte? 3. Welche Auswirkungen hat die gestiegene Internationalisierung und Globalisierung der Unternehmen auf die weltweite Wirtschaft und Gesellschaft? 4. Wie haben das Internet und die elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien das Arbeitsleben verändert? 5. Woraus ergibt sich der steigende Wettbewerb um gut qualifizierte Nachwuchskräfte? 6. Welche Auswirkungen haben die gestiegenen inhaltlichen und zeitlichen Arbeitsbelastungen auf die Mitarbeiter? 7. Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen mit insgesamt alternden Belegschaften ihre Leistungsfähigkeit aufrechterhalten? 8. Welche Arbeitswerte hat die Generation Y? 9. Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter verbessern? 7 Verankerung der Nachhaltigkeit in der Unternehmensvision, den Unternehmensstrategien und in der Unternehmenskultur Die nachhaltige und zukunftsfähige Unternehmensorientierung muss in der Unternehmensvision, den Unternehmensstrategien, aber auch in der Unternehmenskultur verankert werden. 7.1 Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmensvision Die Unternehmensvision ist eine Leitidee, wie und wohin sich ein Unternehmen zukünftig entwickeln möchte (vgl. Steinmann/ Schreyögg 2005, S. 171). Sie dient als Orientierung und Zielsetzung für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens. In der Unternehmensvision werden auch die grundlegenden Werte, die Identität und Einzigartigkeit des Unternehmens geprägt. Für die Mitarbeiter dient die Unternehmensvision als Werte- und Handlungsorientierung, die sie in ihrem Arbeitsalltag begleitet, Sinn stiftet und ihre Handlungen auf die Erreichung des Zukunftsbildes ausrichtet. Wichtig ist, dass eine Unternehmensvision von allen Mitarbeitern mitgetragen und im Arbeitsalltag auch gelebt wird. Die Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmensvision muss von der Geschäftsleitung initiiert werden. Die Ausgangssituation des Unternehmens und die konkreten unternehmensexternen und -internen Rahmenbedingungen sollten strategisch analy- <?page no="85"?> 86 7 Verankerung der Nachhaltigkeit siert werden. Dabei gilt es, die derzeitigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Gegebenheiten und Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit zu ermitteln und die Ansprüche relevanter Stakeholder im Hinblick auf eine nachhaltige Unternehmenstätigkeit zu identifizieren. Die Durchführung dieser strategischen Analyse sollte von einem Team erarbeitet werden, das sich aus der Geschäftsleitung und Vertretern aller wesentlichen Geschäftsbereiche und Teilfunktionsbereiche zusammensetzt. Je nach Situation kann es sinnvoll sein, auch externe Stakeholder (z.B. Kunden, Lieferanten, Anwohner) mit in das Team zu integrieren. Dadurch können verschiedene Sichtweisen auf und Anforderungen an das Unternehmen mit in den Prozess integriert werden. Auch die Mitarbeiter sollten aktiv in die strategische Analyse der Unternehmenssituation einbezogen werden, z.B. über eine Mitarbeiterbefragung (vgl. Wehrlin 2012). Praxisbeispiel 1: Leitbild der Memo AG (Memo AG 2015: Nachhaltigkeitsbericht 2015/ 16, S. 9) <?page no="86"?> 7.1 Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmensvision 87 Im Anschluss an die strategische Analyse ist es wichtig, einen unternehmensinternen Diskurs über das nachhaltige Wunschbild des Unternehmens zu initiieren, an dem sich ebenfalls alle relevanten Teilbereiche des Unternehmens und möglichst viele Mitarbeiter (z.B. über eine Mitarbeiterbefragung, themenspezifische Arbeitsgruppen oder Workshops) beteiligen können. Ziel ist es dabei, möglichst konkrete Ideen und Wünsche für die ökologische, ökonomische und soziale Ausrichtung des Unternehmens und die gewünschten nachhaltigen Werte und Handlungsleitlinien für das Unternehmenshandeln zu entwickeln. Die aktive Einbeziehung der Mitarbeiter in diesen Diskurs ist sehr wichtig, um die Vielfalt und Relevanz ökologischer, ökonomischer und sozialer Themen und Werte in allen Teilbereichen des Unternehmens mit zu erfassen. Andererseits fördert die Partizipation der Mitarbeiter bei der Entwicklung nachhaltiger Werte die spätere Akzeptanz und Handlungsbereitschaft der Mitarbeiter, diese Werte auch tatsächlich im Arbeitsalltag anzuerkennen und umzusetzen. Die im Diskurs erarbeiteten nachhaltigen Zielsetzungen, Werte und Handlungsprinzipien der nachhaltigen Unternehmensvision bilden die Grundlage für die nachhaltige Ausrichtung und Entwicklung des Unternehmens, schaffen Identität und Vertrauen und sind handlungsleitend für alle Mitarbeiter. Festgeschrieben werden sollte die Unternehmensvision in einem nachhaltigen Leitbild, das die Vision für alle Beteiligten konkretisiert und als Kommunikationsgrundlage für das Unternehmen dient. Das Praxisbeispiel 1 zeigt das Leitbild und die Vision der memo AG. Das Nachhaltigkeitsverständnis der Daimler AG ist im Praxisbeispiel 2 abgebildet. Praxisbeispiel 2: Nachhaltigkeitsverständnis der Daimler AG (vgl. Daimler AG 2016) <?page no="87"?> 88 7 Verankerung der Nachhaltigkeit 7.2 Entwicklung strategischer Ziele und Unternehmensstrategien Im nächsten Schritt müssen aus der nachhaltigen Unternehmensvision und den Unternehmensleitlinien strategische Ziele für das ökologische, ökonomische und soziale Handeln und die Entwicklung des Unternehmens formuliert werden. Sie konkretisieren die zu erreichenden zukünftigen gewünschten Zustände und dienen gleichzeitig als Messlatte für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens. Um die strategischen Ziele zu erreichen, bedarf es der Entwicklung und Festlegung konkreter ökologischer, ökonomischer und sozialer Unternehmensstrategien, mit denen die strategischen Ziele der nachhaltigen Unternehmensentwicklung erreicht werden sollen. Nur so können später aus diesen Strategien auch auf der taktischen und operativen Ebene konkrete Teilstrategien und Maßnahmen für die verschiedenen Unternehmensbereiche entwickelt werden, unter anderem auch für das Personalmanagement. 7.3 Entwicklung einer nachhaltigkeitsorientierten Unternehmenskultur Die Unternehmenskultur umfasst die Gesamtheit aller Werte, Normen und Einstellungen, die die Mitglieder eines Unternehmens teilen (vgl. Steinmann/ Schreyögg 2005, S. 709 ff.). Die Unternehmenskultur beeinflusst die Entscheidungen und das Verhalten der Mitglieder. Jedes Unternehmen entwickelt eine eigene, spezifische Kultur, die die Identität des Unternehmens bildet. Die Unternehmenskultur besteht aus mehreren Ebenen. Abbildung 32: Modell der Unternehmenskultur von Schein (in Anlehnung an Schein 1984, S. 4) Die unterste Ebene bilden die Grundannahmen. Sie sind grundlegende Orientierungs- und Verhaltensmuster, die erlernt wurden, unbewusst wirken und nicht infrage gestellt werden. Sie beziehen sich auf das menschliche Handeln, auf zwischenmenschliche Beziehungen, die Umwelt und das Verständnis von Wahrheit und Zeit. Die mittlere Ebene umfasst die Werte und Normen. Werte sind die von den Mitgliedern <?page no="88"?> 7.3 Entwicklung einer nachhaltigkeitsorientierten Unternehmenskultur 89 geteilten Überzeugungen über das Wünschenswerte. Sie sind meist unsichtbar und schwer beinflussbar. Zu den Werten zählen z. B. ein gegenseitiger respektvoller Umgang, eine gegenseitige Wertschätzung oder Loyalität dem Unternehmen gegenüber. Normen sind Erwartungen an gewünschte Verhaltensweisen der Unternehmensmitglieder. Damit sind sie auch nicht sichtbar, aber erfahrbar. So wird die Einhaltung der Normen belohnt, die Nichteinhaltung jedoch bestraft (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 327). Die bilden Verhaltensstandards, die durch Verhaltensrichtlinien, Gebote und Verbote zum Ausdruck kommen und von allen Unternehmensmitgliedern geteilt und akzeptiert werden. Diese Verhaltensstandards werden von den Unternehmensmitgliedern bewusst oder unbewusst gelebt. Die oberste Ebene bilden Artefakte und Verhaltensmuster, die das sichtbare Symbolsystem der Kultur darstellen. Sie umfassen Symbole und Zeichen, die die Unternehmenskultur und die Werte und Normen sichtbar und erfahrbar machen. Artefakte sind beispielsweise Rituale, Kleiderordnung, Sprache oder die Architektur des Unternehmens (vgl. Steinmann/ Schreyögg 2005, S. 712 ff). Das Eisbergmodell von Hall verdeutlicht die sichtbaren und nicht sichtbaren Einflussfaktoren der Unternehmenskultur (vgl. Hall 1980). Sichtbar sind die Ziele, die Regeln, die Sprache und die Rituale der Organisation, die auch als Sachebene bezeichnet werden. Sie machen nur ca. 10% der Einflussfaktoren der Unternehmenskultur aus. Der überwiegende Anteil der Einflussfaktoren (ca. 90%) liegt unter der Wasseroberfläche des Eisberges und ist unsichtbar. Dazu gehören die Werte, Motive, Emotionen, aber auch die Bedürfnisse und Beziehungen der Mitglieder, ihre Wahrnehmungen, Einstellungen, ihre Ängste und ihr Vertrauen sowie die zugrundeliegenden Annahmen. Sie alle bilden die Beziehungsebene, die die Sachebene unsichtbar beeinflusst. Abbildung 33: Eisbergmodell von Hall (vgl. Hall 1980) <?page no="89"?> 90 8 Kompetenzbereiche eines nachhaltigen zukunftsfähigen Personalmanagements Die Verankerung der Nachhaltigkeitsorientierung des Unternehmens in der Unternehmenskultur braucht Zeit und ist ein längerfristiger Entwicklungsprozess. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Was ist eine Unternehmensvision und warum ist sie für die Unternehmensentwicklung wichtig? 2. Wie sollte eine Unternehmensvision entwickelt werden? 3. Warum müssen Unternehmensstrategien entwickelt werden? 4. Was ist eine Unternehmenskultur und aus welchen grundlegenden Ebenen besteht sie? 8 Kompetenzbereiche eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements Im Verständnis des integrativen Gestaltungsansatzes eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements sind für eine nachhaltige Unternehmenstätigkeit vier grundlegende Kompetenzbereiche wichtig, die die inhaltlichen Dimensionen der nachhaltigen Gestaltung und Entwicklung des Unternehmens bestimmen: Die ökologische, die ökonomische und die soziale Verantwortung und Kompetenz sowie die Innovationskompetenz. Diese vier Kompetenzbereiche wirken in zweifacher Weise auf das Personalmanagement ein. Erstens ist das Personalmanagement selbst gefordert, neben ökonomischen Kompetenzen auch ökologische, soziale und innovationsbezogene Verantwortung und Kompetenzen zu entwickeln. Zweitens ist es die Aufgabe des Personalmanagements, die Mitarbeiter bei ihrer Entwicklung und Anwendung ökologischer, ökonomischer und sozialer Verantwortung und Kompetenzen zu unterstützen sowie die Innovationsorientierung und vor allem die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern. Daher sind die vier Kompetenzbereiche bildlich als Dreiecke auf das Personalmanagement gerichtet. Sie bilden jeweils die inhaltlichen Dimensionen der Verantwortung und Kompetenzen bei der Gestaltung und Entwicklung des nachhaltigen Personalmanagements ab, die sich wesentlich an den Managementregeln der Nachhaltigkeit orientieren. <?page no="90"?> 91 Abbildung 34: Kompetenzbereiche des nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements Die folgenden Kapitel erläutern die Inhalte der einzelnen Kompetenzbereiche genauer. <?page no="91"?> 92 8 Kompetenzbereiche eines nachhaltigen und zukunftsfähigen Personalmanagements 8.1 Ökologische Verantwortung und Kompetenz Unternehmen übernehmen eine ökologische Verantwortung im Sinne der Nachhaltigkeit, wenn sie ihre Unternehmenstätigkeit und Leistungserstellung so gestalten, dass die natürlichen Lebensgrundlagen in ihren wesentlichen Eigenschaften erhalten bleiben und in ihrem Fortbestand gesichert werden. Das heißt, dass ihre Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt oder zerstört wird. Nachhaltige Unternehmen müssen hierfür entsprechende Kompetenzen entwickeln, um ein ökologisch nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln in der Unternehmenspraxis umzusetzen. Hierfür ist es auch wichtig, Bündnisse und Netzwerke mit anderen Unternehmen und auch über die Lieferkette hinweg aufzubauen, um gemeinsam ökologisch nachhaltige Unternehmenstätigkeiten in der Praxis umzusetzen. Inhaltlich umfasst die ökologische Verantwortung der Unternehmen die folgenden Anforderungen und Aufgabenbereiche für das unternehmerische Handeln: Schutz, Erhalt und Sicherung der Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme und der natürlichen Umwelt. Nutzung bzw. Einsatz von regenerierbaren Ressourcen (Naturgüter), wie z.B. Pflanzen, Tiere, Wasser nur soweit, wie ihre Regenerationsfähigkeit erhalten bleibt. Nicht erneuerbare Ressourcen (z.B. mineralische Rohstoffe, fossile Energieträger) sollten nur dann als Rohstoffe oder Betriebsmittel genutzt werden, sofern ihre Funktion nicht (umweltverträglicher) durch andere Materialien oder Energieträger ersetzt werden kann. Umweltbelastungen sollten so weit wie möglich vermieden werden. Nicht vermeidbare Umweltbelastungen (z.B. durch die Freisetzung von Stoffen oder Energien) dürfen auf Dauer nicht die Anpassungsfähigkeit der natürlichen Systeme (z.B. des Klimas, der Ozeane und der Wälder) gefährden. Gefahren und unvertretbare bzw. schlecht beherrschbare Risiken für die menschliche Gesundheit sollten vermieden werden. Die eingesetzten Produktionstechnologien und Verfahren zur Leistungserstellung sollten ressourcensparend sein und Umweltbelastungen möglichst vermeiden, um die Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme nicht zu gefährden. Die hergestellten Produkte bzw. Dienstleistungen sollten ressourcenschonend, langlebig, mit einem hohen Gebrauchsnutzen und recyclingfähig gestaltet werden. Ein umweltverträgliches, d.h. ressourcenschonendes und Umweltbelastungen vermeidendes Arbeitsverhalten sollte gefördert werden. Der Arbeitsort und die Arbeitsumgebung sollten möglichst umweltverträglich und gesundheitsgerecht gestaltet werden. Die ökologische Verantwortung sollte nicht nur das Handeln des einzelnen Unternehmens bestimmen, sondern auch von allen Akteuren der jeweiligen Wertschöpfungskette bzw. Lieferkette eingefordert werden. Vermittlung des ökologisch relevanten Wissens für die jeweiligen betrieblichen Aufgabenbereiche und Befähigung zum ökologisch verträglichen Handeln. Um den Anforderungen der unternehmerischen ökologischen Verantwortung gerecht werden zu können, bedarf es der unternehmensweiten Entwicklung ökologisch orientierter Kompetenzen, die sich auf die individuelle, die gruppenbezogene aber <?page no="92"?> 8.2 Ökonomische Verantwortung und Kompetenz 93 auch auf die organisationale Ebene erstrecken. Für die Vermittlung der entsprechenden ökologischen Qualifikationen und Kompetenzen sowie ihre Anwendung im Arbeitsalltag bietet das Personalmanagement geeignete Strategien und Instrumente. 8.2 Ökonomische Verantwortung und Kompetenz Unternehmen übernehmen eine ökonomische Verantwortung im Sinne der Nachhaltigkeit, wenn sie ihre Unternehmenstätigkeit und Leistungserstellung so gestalten, dass ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Existenz dauerhaft gesichert ist. Dabei ist der Ausgleich zwischen Ressourceneinsatz und Ressourcenerhalt als wichtiger wirtschaftlicher Faktor zu berücksichtigen, da er für die Unternehmenstätigkeit ertragreicher ist als die benötigten Ressourcen auszubeuten (Armutat/ Mödinger 2011, S. 14). Auch für ein ökonomisch verantwortungsvolles Handeln müssen die Unternehmen geeignete und spezifische Kompetenzen entwickeln und in ihrer Unternehmenspraxis umsetzen. Inhaltlich erstreckt sich die ökonomische Verantwortung der Unternehmen auf die folgenden Anforderungen und Aufgabenbereiche für das unternehmerische Handeln: Sicherung der Lebens- und Produktionsbedingungen für die Unternehmen. Nur wenn die Umwelt dauerhaft erhalten bleibt, können auch die gesellschaftlichen Systeme und die Wirtschaftssysteme dauerhaft bestehen. Die dauerhafte Sicherung der natürlichen Umwelt ist die Voraussetzung für den Bestand der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme. Sicherung der Ressourcenbasis für die Unternehmen. Dazu ist es notwendig, einen Ausgleich zwischen dem Ressourceneinsatz und dem Ressourcenerhalt zu schaffen. Werden die für die Unternehmenstätigkeit benötigten Ressourcen rücksichtslos ausgebeutet, so ist mittelbis langfristig die Sicherung der unternehmerischen Ressourcenbasis gefährdet. Dies gilt für den Einsatz natürlicher, stofflicher, energetischer, aber auch gesellschaftlicher und menschlicher Ressourcen. Sicherung der eigenen „licence to operate“: Unternehmen, die ökologisch oder sozial unverantwortlich handeln, verlieren auf Dauer ihre gesellschaftliche Anerkennung und Akzeptanz. Dies kann dazu führen, dass sich z.B. die gesetzlichen Regelungen für die Unternehmen verschärfen oder die Produkte dieser Unternehmen von den Kunden nicht mehr nachgefragt werden, was die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens gefährden kann. Wettbewerbsvorteile durch das Angebot ökologischer und sozial verträglicher Produkte sowie durch eine ökologisch und sozial verträgliche Leistungserstellung und Unternehmenstätigkeit. Unternehmen, die ökologisch und sozial verträgliche Produkte herstellen und auch ihre Leistungserstellung und Unternehmenstätigkeit ökologisch und sozial ausrichten, haben auf ihren Absatzmärkten Wettbewerbsvorteile, da ein steigender Anteil der Kunden die ökologische und soziale Produktgestaltung und Produktherstellung bei ihren Kaufentscheidungen berücksichtigt. Durch eine ökologisch und sozial verträgliche Unternehmenstätigkeit kann eine höhere Wertschöpfung erreicht werden. Nachhaltige Innovationen generieren Wettbewerbsvorteile auf dem Markt. Kurzfristig kostet die Entwicklung und Einführung von nachhaltigen Innovationen Geld, mittelbis langfristig bedeuten sie aber eine Investition in die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und stärken die Wettbewerbsposition am Markt. <?page no="93"?> 94 8 Kompetenzbereiche eines nachhaltigen und zukunfts Sicherstellung der Liquidität und wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Sicherung des Zugangs zu Finanzmärkten und zu Absatzmärkten durch Einhalten nachhaltiger Standards. Sicherung der rechtlichen Legitimität der Unternehmenstätigkeit durch die Einhaltung gesetzlicher umweltbezogener und sozialer Vorgaben. Zusätzlich werden dadurch auch Kosten vermieden, die durch mögliche Strafzahlungen oder andere Sanktionen bei Nichteinhaltung der rechtlichen Vorgaben entstehen können. Ein Unternehmen ohne ökonomische Kompetenzen ist wohl kaum existenzfähig. Für die Umsetzung der ökonomischen Verantwortung im Sinne der Nachhaltigkeit ist es jedoch wichtig, sie mit den ökologischen und sozialen Anforderungen der Nachhaltigkeit zu vereinbaren. Nur so kann eine dauerhafte Existenzsicherung des Unternehmens erreicht werden. Für diese Vereinbarkeit aller drei Anforderungsbereiche müssen die bestehenden ökonomischen Kompetenzen auf individueller, gruppenbezogener und organisationaler Ebene weiterentwickelt werden. Auch hierfür kann das Personalmanagement wertvolle Beiträge leisten. 8.3 Soziale Verantwortung und Kompetenz Ihre soziale Verantwortung übernehmen nachhaltige Unternehmen, wenn sie ihre Unternehmenstätigkeit und Leistungserstellung so gestalten, dass die Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten aller Gesellschaften und ihrer Mitglieder dauerhaft gesichert sind. Dazu gehört die Verminderung der Verteilungsungleichheiten zwischen Gesellschaftsmitgliedern verschiedener Länder, aber auch unterschiedlicher sozialer Schichten, Geschlechter und Altersgruppen sowie die kulturelle Integration von Identitäten und die Verbesserung der Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten benachteiligter Gesellschaften und Individuen. Um dies zu erreichen, bedarf es der Entwicklung spezifischer sozialer Kompetenzen und ihre Umsetzung in das praktische unternehmerische Handeln. Inhaltlich erstreckt sich die soziale Verantwortung auf die folgenden Anforderungen und Aufgabenbereiche für das unternehmerische Handeln: Sicherstellung sozialer Mindeststandards für Beschäftigte des Unternehmens und Beschäftigte innerhalb der nationalen und internationalen Wertschöpfungsbzw. Lieferkette. Sicherstellung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen in der gesamten auch internationalen Wertschöpfungsbzw. Lieferkette. Vorbeugung und Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Angebot von Entwicklungsmöglichkeiten für alle Beschäftigten. Chancengleichheit für alle Mitarbeiter hinsichtlich Geschlecht, Alter, Religion, ethnische Herkunft und Sexualität im Hinblick auf Beschäftigungsmöglichkeiten, Einkommenshöhe und Entwicklungsmöglichkeiten. Einführung eines Diversitymanagements zur Anerkennung und zur Nutzung der menschlichen Vielfalt zum Wohle des Unternehmens. Steigerung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (Work-Life-Balance). Um den Anforderungen der unternehmerischen sozialen Verantwortung gerecht werden zu können, bedarf es der Weiterentwicklung der im Unternehmen bereits vorhandenen sozialen Kompetenzen im Hinblick auf die Sicherstellung nationaler und vor allem internationaler Mindeststandards, Chancengleichheit und Entwicklungs- <?page no="94"?> 8.4 Innovationskompetenz 95 möglichkeiten für die Beschäftigten. Dabei müssen die Unternehmen auch Verantwortung für die Arbeitsbedingungen und sozialen Standards innerhalb ihrer meist internationalen Lieferkette übernehmen. Für die Vermittlung der entsprechenden sozialen Qualifikationen und Kompetenzen sowie ihre Anwendung im Arbeitsalltag bietet das Personalmanagement ein breites Spektrum an Maßnahmen und Hilfestellungen. 8.4 Innovationskompetenz Um ökologisch und sozial verträglichere Produkte, Produktionsverfahren oder Arbeitsbedingungen in der Unternehmenstätigkeit umzusetzen, bedarf es oft zunächst der Entwicklung oder Erprobung neuer Einsatzstoffe und Produktkonzepte, der Entwicklung neuer verträglicher Produktionsverfahren, der Veränderung von Arbeitsbedingungen oder einer Umstrukturierung der eigenen Wertschöpfungs- und Lieferkette. All diese Veränderungen und Weiterentwicklungen basieren auf Innovationen und Verbesserungen. Insofern ist eine hohe Innovationskompetenz erfolgsentscheidend für nachhaltige Unternehmen. Die Innovationskompetenz eines Unternehmens basiert wesentlich auf der Innovationsfähigkeit, unternehmensinternen innovationsfördernden Rahmenbedingungen und einer ausgeprägten Innovationswilligkeit der Mitarbeiter. Inhaltlich erstreckt sich die Entwicklung der unternehmerischen Innovationskompetenz auf die folgenden Anforderungen und Aufgabenbereiche für das unternehmerische Handeln: Berücksichtigung der Kreativitäts- und Innovationspotenziale von potenziellen Mitarbeitern bei der Personalauswahl. Schaffung kreativitäts- und innovationsfördernder Arbeitsbedingungen. Gestaltung eines innovationsorientierten Anreizsystems. Integration der Innovationsorientierung in das Zielsystem des Unternehmens und in die Zielvereinbarungen der Mitarbeiter. Gezielte Entwicklung der Kreativitäts- und Innovationspotenziale der Mitarbeiter. Besondere Förderung und Entwicklung ökologischer und sozialer Innovationen. Dem Personalmanagement kommt nun die Aufgabe zu, die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter zu identifizieren (z.B. bei der Personalbeschaffung) und die Innovationspotenziale der Mitarbeiter gezielt zu fördern und weiter zu entwickeln. Gleichzeitig bedarf es geeigneter Anreize und Arbeitsbedingungen, um die Innovationswilligkeit der Mitarbeiter sowie auch die unternehmensinternen Rahmenbedingungen innovationsunterstützend zu gestalten. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Anforderungen werden an ein ökologisch verträgliches Unternehmenshandeln gestellt? 2. Welche Anforderungen und Aufgabenbereiche umfasst die ökonomische Verantwortung eines Unternehmens? 3. Wie kann ein Unternehmen seiner sozialen Verantwortung gerecht werden? 4. Welche Anforderungen und Aufgabenbereiche umfasst die Entwicklung der unternehmerischen Innovationskompetenz? <?page no="95"?> 96 9 Zeitliche Perspektiven des nachhaltigen Personalmanagements 9 Zeitliche Perspektiven des nachhaltigen Personalmanagements Hinsichtlich der zeitlichen Ausrichtung und Aufgabengestaltung kann das Personalmanagement in drei Perspektiven unterteilt werden: in die strategische, die taktische und die operative Perspektive (vgl. Stock-Homburg, 2013, S. 9). Abbildung 35: Zeitliche Perspektiven des Personalmanagements 9.1 Die strategische Perspektive Die strategische Perspektive des Personalmanagements zielt auf die die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolges. Die Strategien des Personalmanagements leiten sich aus den langfristigen Unternehmenszielen und aus den grundlegenden Unternehmensstrategien ab. Dies gilt grundsätzlich für alle Unternehmen und damit auch für nachhaltige Unternehmen. Meist entwickelt die Unternehmensleitung im Rahmen ihrer unternehmensweiten Strategieplanung auch spezifische Personalstrategien. Diese bilden wiederum die Grundlage für die Strategieentwicklung des Personalmanagements. Inwieweit das Personalmanagement selbst die übergeordnete Strategieentwicklung des Unternehmens beeinflusst, wird in der Literatur unterschiedlich betrachtet (vgl. Berthel / Becker 2013, S 717 ff.). Hier wird davon ausgegangen, dass das Personalmanagement durchaus auch wichtige Unterstützungsbeiträge und teils auch Initiativfunktionen für die unternehmensweite Strategieentwicklung übernehmen sollte, da die Mitarbeiter die zentralen Ressourcen des Unternehmens sind und daher auch einen zentralen Erfolgsfaktor für die Leistungsfähigkeit des Unternehmens darstellen. In besonderem Maße gilt das für nachhaltige Unternehmen, da hier die Mitarbeiter zusätzlich zu ihren fachbezogenen Qualifikationen über spezifische fach- und aufgabenbezogene nachhaltige Qualifikationen und Kompetenzen verfügen müssen. Somit hat das Personalmanagement insgesamt eine wesentliche strategische Bedeutung für die Unternehmensentwicklung. <?page no="96"?> 9.1 Die strategische Perspektive 97 Ressourcenorientierte Strategieansätze betrachten die unternehmensinternen Ressourcen als erfolgsentscheidend für die unternehmerische Leistungsfähigkeit. Daher muss bei der unternehmensweiten Strategieentwicklung dem Aufbau, Erhalt und der Weiterentwicklung der internen Ressourcen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden (vgl. Penrose 1959; Knyphausen-Aufseß 1997 Bea/ Haas 2013; Ridder/ Conrad/ Schirmer/ Bruns 2001). Mit zunehmender Entwicklung unserer Wirtschaft hin zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft steigt auch die Bedeutung der Mitarbeiter als zentrale Ressource des Unternehmens. Dies wiederum erfordert die grundsätzliche Berücksichtigung der personalpolitischen Situation bereits bei der unternehmensweiten Strategieentwicklung. Hierbei muss ein Unternehmen zwingend mitberücksichtigen, inwieweit die personellen Ressourcen ausreichen, um zukünftige Strategien auch umzusetzen bzw. welche strategischen personalpolitischen Entwicklungen und Entscheidungen für eine erfolgreiche Strategieumsetzung erforderlich sind. Hierfür ist die Fachkompetenz des Personalmanagements unabdingbar, so dass es auch schon in die grundlegenden und unternehmensweiten Strategieplanungen mit einbezogen werden sollte. Dies belegt auch eine Befragung von 400 Personalverantwortlichen aus 40 europäischen Ländern aus dem Jahre 2008, nach der knapp 40% der Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Geschäftsstrategie auch Input vom Personalmanagement erhalten (vgl. IBM Global Business Services 2008, S. 57; Stock- Homburg 2013, S 10). Die wechselseitige Bedeutung und Beeinflussung zwischen den Unternehmensstrategien und den Strategien des Personalmanagements zeigt die Abbildung 36 am Beispiel nachhaltigkeitsorientierter Unternehmen. Abbildung 36: Wechselseitige Einflüsse zwischen Unternehmensstrategien, Personalmanagementstrategien und Personalmanagement (Idee von Stock-Homburg 2013, S. 10, konkrete Abbildung mit Inhalten und Spezifikation für nachhaltige Unternehmen sind neu entwickelt). <?page no="97"?> 98 9 Zeitliche Perspektiven des nachhaltigen Personalmanagements Praxisbeispiel 3: Auszüge aus der Personalstrategie der Daimler AG (Daimler AG 2016, S. 74). <?page no="98"?> 9.2 Die taktische Perspektive 99 Wesentliche strategische Fragen und Themenstellungen für nachhaltige Unternehmen lassen sich aus der Abbildung 36 ablesen. Dazu gehören beispielsweise die folgenden strategischen Orientierungen des Personalmanagements in nachhaltigen Unternehmen: Ausdehnung der Unternehmenspräsenz in den sozialen Medien mit gezielter Ansprache jüngerer Generationen, die sich für soziale und ökologische Themenfelder interessieren. Schärfung des Profils als ökologisch und sozial orientierter, aber auch innovativer und internationaler Arbeitgeber mit vielfältigen Karriereperspektiven. Ausrichtung des Anreizsystems auf eine stärkere Verantwortungsbereitschaft, Ergebnisorientierung und Innovationsorientierung in ökologischen und sozialen Themenfeldern. Je größer und internationaler Unternehmen aufgestellt sind, desto wichtiger wird das strategische Personalmanagement und seine Berücksichtigung bei der unternehmensweiten Strategieentwicklung. Das gilt umso mehr für nachhaltige Unternehmen, um auch international die ökologische und soziale Unternehmenstätigkeit unternehmensweit sowie über die gesamte Lieferkette hinweg sicher zu stellen. Die strategische Ausrichtung zeigt das Praxisbeispiel 3. 9.2 Die taktische Perspektive Die taktische Perspektive des Personalmanagements ist mittelfristig ausgerichtet (ein bis mehrere Jahre). Die Aufgaben des taktischen Personalmanagements konzentrieren sich auf die Umsetzung der strategisch entwickelten Personalstrategien in der operativen Ebene. Dazu gehören z.B. die Konkretisierung der strategischen Ziele in operationale Ziele des Personalmanagements, die Steigerung der mitarbeiterbezogenen Leistungspotenziale sowie die Umsetzung der Personalstrategien in operative Aufgaben. Weitere mittelfristige Aufgaben des taktischen Personalmanagements beziehen sich u.a. auf mitarbeiterbezogene Fragen bei der Änderung von Produktionstechnologien und Änderungen des Leistungsprogramms, auf organisatorischen Veränderungen (z.B. personelle Umstrukturierungen), auf die Integration gesetzlicher Änderungen in die Arbeitssicherheitsvorschriften sowie auf die Entwicklung der Leistungspotenziale und Qualifikationen der Mitarbeiter, um nur einige Beispiele zu nennen. Damit nimmt das taktische Personalmanagement eine Vermittlungsposition bzw. Transferfunktion zwischen dem strategischen und dem operativen Personalmanagement ein mit dem Ziel, die strategischen Ziele und Vorgaben in das operative Personalmanagement umzusetzen. Für das taktische Personalmanagement nachhaltiger Unternehmen können sich aus den oben genannten strategischen Aufgaben beispielsweise folgende taktische Aufgabenbereiche ergeben: Ausbau bzw. Aufbau der Internetpräsenz in den folgenden sozialen Medien: Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, Snapchat, Xing und LinkedIn mit gezielter Profilierung in sozialen und ökologischen Themenfeldern. Konkretisierung des Arbeitgeberprofils als verantwortungsbewusstes, umweltverträgliches, sozial engagiertes, innovatives und international orientiertes Unternehmen. <?page no="99"?> 100 10 Nachhaltige Personalplanung Ausrichtung des Anreizsystems auf die Förderung der Ergebnisorientierung statt auf Zeitaufwand; Belohnung ökologischer und sozialer Verbesserungsvorschläge und Innovationen, Belohnung für Wissensaustausch und Teamarbeit. 9.3 Die operative Perspektive Die operative Perspektive des Personalmanagements konzentriert sich auf eher kurzfristige Zeiträume, ca. bis zu einem Jahr. Ziel des operativen Personalmanagements ist es, die strategischen Ziele und Vorgaben, vermittelt durch das taktische Personalmanagement in der täglichen Unternehmenstätigkeit umzusetzen und auszuführen. Dabei werden vor allem die kurzfristigen personalbezogenen Anforderungen und Veränderungen in den konkreten Teilbereichen und Aufgabengebieten des Personalmanagements berücksichtigt. Dazu gehören beispielsweise die Personaleinsatzplanung für die nächste Woche oder den nächsten Monat, die kontinuierliche Arbeit des Personalservicebereichs (z.B. Gehaltsabrechnungen, Urlaubsplanungen, Bereitstellung von Serviceleistungen), aber auch die konkrete Umsetzung und Durchführung von z.B. Personalentwicklungsmaßnahmen. Insgesamt bildet die operative Perspektive das Tagesgeschäft des Personalmanagements ab. Für das operative Personalmanagement nachhaltiger Unternehmen können sich aus den oben genannten taktischen Aufgabenbereichen beispielsweise folgende operative Aufgaben ergeben: Beauftragung konkreter Mitarbeiter zum neuen Aufbau der Internetpräsenz in den sozialen Medien Instagram, YouTube und Snapchat mit sozialer und ökologischer Profilierung. Beauftragung konkreter Mitarbeiter zur Überarbeitung des Arbeitgeberprofils und zur Erarbeitung von Vorschlägen, wie das Unternehmen als verantwortungsbewusst, umweltverträglich, sozial engagiert, innovativ und international auf dem nationalen und internationalen Arbeitsmarkt positioniert werden kann. Überarbeitung des bestehenden Anreizsystems, ggf. Streichung von Anreizen, die nicht mehr zur aktuellen Personalstrategie passen und Integration neuer Anreize, z.B. Prämien für die Erreichung bzw. Übererfüllung vereinbarter Leistungsziele oder für besondere ökologische oder soziale Verbesserungen. 10 Nachhaltige Personalplanung Die Personalplanung ist die gedankliche Vorwegnahme aller zukünftigen personellen Entscheidungen und Maßnahmen zur Erreichung der Unternehmensziele. Sie umfasst alle Ziele und Aufgaben, die dazu dienen, kurz-, mittel- und langfristig den quantitativen, qualitativen, zeitlichen und örtlichen Personalbedarf eines Unternehmens zu decken (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 46). Die Personalplanung muss mit allen anderen betrieblichen Planungssystemen abgestimmt werden, d.h. sie ist ein integraler Bestandteil der Unternehmensplanung. Mit der Personalplanung sollen Fehlentwicklungen vermieden, Unsicherheiten verringert, die Kontinuität der Entscheidungen gewährleistet und dadurch insgesamt die Zielerreichung des Unternehmens sichergestellt werden (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 46). <?page no="100"?> 101 Die besondere Bedeutung der Personalplanung für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen besteht darin, dass mit der Personalplanung die Umsetzung aller wesentlichen personalpolitischen Entscheidungen und Strategien durch geeignete Maßnahmen festgelegt wird. Das bedeutet, dass bereits in der Personalplanung nicht nur über die mengenmäßige Personalbeschaffung, sondern vor allem über die qualitative Personalbeschaffung entschieden wird. In diesem Zusammenhang wird auch über die Schaffung von Stellen, die Stellenbeschreibungen sowie die Anforderungsprofile der Stelleninhaber entschieden. Damit bildet die Personalplanung den Ausgangspunkt für die Gestaltung von Stellen mit ökologischen und sozialen Aufgabenbereichen sowie die Integration von ökologischen, sozialen, ökonomischen und innovationsbezogenen Anforderungen an die zukünftigen Stelleninhaber. Hier bietet sich die Möglichkeit, bestehende Stellen um ökologische, soziale oder innovationsorientierte Inhalte zu erweitern bzw. auch neue Stellen für spezifische soziale, ökologische oder innovationsorientierte Aufgabenbereiche zu schaffen und durch entsprechende Anforderungsprofile die benötigten Qualifikationen und Kompetenzen festzulegen. Aufgrund der hohen Bedeutung der Personalplanung für nachhaltige Unternehmen wird die Personalplanung im Folgenden etwas genauer betrachtet. Die personalpolitischen Entscheidungen und entwickelten personalbezogenen Strategien des nachhaltigen Unternehmens werden mit der Personalplanung gedanklich strukturiert und geeignete Maßnahmen zur Umsetzung der personalpolitischen Entscheidungen festgelegt. Die Personalplanung setzt sich aus den Teilplanungen der Personalbestandsplanung, der Personalbedarfsplanung, der Personaleinsatzplanung, der Personalbeschaffungsplanung, der Personalentwicklungsplanung, der Personalfreisetzungsplanung und der Personalkostenplanung zusammen. Jeder Teilplanungsbereich umfasst eine quantitative und eine qualitative Planung. Die quantitative Personalplanung bestimmt den mengenmäßigen Personalbedarf des nachhaltigen Unternehmens. Die erforderlichen Qualifikationen der zukünftig im nachhaltigen Unternehmen benötigten Mitarbeiter werden durch die qualitative Personalplanung festgelegt. Abbildung 37: Teilbereiche und Teilplanungen der Personalplanung (Olfert 2008, S. 69) <?page no="101"?> 102 10 Nachhaltige Personalplanung Die wesentlichen Aufgaben der Personalplanung leiten sich aus den Teilplanungen ab und umfassen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 46 f.): Die Ermittlung des quantitativen und qualitativen Personalbedarfs Die quantitative und qualitative Planung des optimalen Personaleinsatzes Die Planung der quantitativen und qualitativen Personalbeschaffung, Personalentwicklung und Personalfreisetzung Den wirtschaftlichen Einsatz des Personals im Unternehmen Die Planung der Personalkosten Um ihre Aufgaben zu erfüllen, nutzt die Personalplanung die Daten des Personalinformationssystems, aber auch die Erkenntnisse und Informationen der betrieblichen Personalforschung. Die Personalforschung erhebt systematische Informationen über z.B. Mitarbeiter und Bewerber, über die Arbeitsmärkte und verfügbare Qualifikationen, über Arbeitsbedingungen und Arbeitsbeziehungen sowie über den Personalbedarf und die Qualität der Personalarbeit, um die personalbezogene Entscheidungsfindung zu unterstützen“ (Berthel/ Becker 2013, S. 231). Tabelle 4: Bereiche und Objekte der betrieblichen Personalforschung (vgl. Becker 2002, S. 423) Bereiche und Objekte der betrieblichen Personalforschung Bereiche der Personalforschung Arbeitsmarktforschung Arbeitsforschung Qualifikations- und Eignungsforschung Personalbedarfsentwicklung Evaluierungsforschung Erforschung der Arbeitsbeziehungen betriebliche und gesamtgesellschaftliche (Teil-)Arbeitsmärkte Arbeitsplätze Arbeitssituation Arbeitsgruppen Anforderungen Arbeitswerte aktuelle wie potenzielle Qualifikationen bzw. Leistungen der Mitarbeiter und Bewerber Brutto-Personalbedarf in Quantität, Zeit und Örtlichkeit; Personalbestand, Nettopersonalbestand Personalarbeit insgesamt, Einsatz personalwirtschaftlicher Instrumente, Auswirkungen auf Personalarbeit Gesetze und Arbeitsgerichtbarkeit, Tarifveränderungen, Mitbestimmung, unternehmerische Mitbestimmung Die Ziele der betrieblichen Personalforschung bestehen dabei vor allem in der Erarbeitung einer problemadäquaten Informationsbasis für die Entscheidungsfindung, in der Ermittlung wesentlicher Chancen und Risiken, aber auch in der Prognose und Bewertung personalbezogener Maßnahmen (vgl. Berthel/ Becker 2013, S. 230). Objekte <?page no="102"?> 10.1 Personalbedarfsplanung 103 10.1 Personalbedarfsplanung Die Personalbedarfsplanung ist für nachhaltige Unternehmen besonders wichtig, weil sie die Grundlage für alle anderen Personalteilplanungen bildet. Die Aufgabe der Personalbedarfsplanung ist es, die Verfügbarkeit des benötigten Personal zu einem festgelegten Zeitpunkt (z.B. nächstes Quartal, nächstes Geschäftsjahr) in erforderlicher Anzahl und mit den notwendigen Qualifikationen für bestimmte Einsatzorte zu planen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 52). Nachhaltige Unternehmen müssen bei der Personalbedarfsplanung berücksichtigen, wie sich ihr Unternehmen z.B. im nächsten Geschäftsjahr entwickeln soll und welcher quantitative und qualitative Personalbedarf sich daraus zukünftig ergeben wird. Der Ablauf der Personalbedarfsplanung umfasst drei Schritte: Erstens die Ermittlung des Bruttopersonalbedarfs für einen bestimmten Zeitpunkt (z.B. für das nächste Geschäftsjahr zum 1.1.2018) Zweitens die Bestimmung des tatsächlichen Personal-Istbestandes zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. Personalbestand im jetzigen Geschäftsjahr am 1.1.2017) und Drittens die Ermittlung des Nettopersonalbedarfs, der sich aus dem Abgleich des Bruttopersonalbedarfs mit dem Personal-Istbestand ergibt. Ist der Bruttopersonalbedarf niedriger als der Personal-Istbestand, beispielsweise weil das Unternehmen einen stark umweltbelastenden Produktionsprozess zugunsten eines ökologisch verträglichen Produktionsprozesses austauscht und dadurch eine geringere Anzahl an Produktionsmitarbeitern erforderlich ist, so ergibt sich ein negativer Nettopersonalbedarf. Dies bedeutet für unser Beispiel, dass im nächsten Geschäftsjahr mehr Mitarbeiter in der Produktion im Unternehmen beschäftigt sind, als für den neuen Produktionsprozess erforderlich sind. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Personalfreisetzung, die durch interne oder externe Personalfreisetzungsmaßnahmen umgesetzt werden kann. Ist der Bruttopersonalbedarf höher als der Personal-Istbestand, z.B., weil das nachhaltige Unternehmen in einen neuen Geschäftsbereich investiert und hierfür zusätzliche Mitarbeiter benötigt, so ergibt sich ein positiver Nettopersonalbedarf, d.h., dass zusätzliches Personal durch interne oder externe Maßnahmen beschafft werden muss. Den Ablauf der Personalbedarfsplanung zeigt die Abbildung 38. Um den Bruttopersonalbedarf bestimmen zu können, müssen die wesentlichen quantitativen und qualitativen Einflussfaktoren auf den zukünftigen Personalbedarf berücksichtigt werden. Dazu gehören u.a. die Wirtschafts- und Wettbewerbslage des nachhaltigen Unternehmens, die Größe und geplante (internationale) Entwicklung des Unternehmens, seine Leistungserstellungsprozesse, die Arbeitsorganisation sowie die Unternehmensstrukturen, aber auch die Stellenprofile und Anforderungsprofile sowie der Qualifikationsgrad der Mitarbeiter. Berthel und Becker (2013, S. 300) unterscheiden die folgenden Haupteinflussgrößen auf den Personalbedarf (vgl. Tabelle 5). <?page no="103"?> 104 10 Nachhaltige Personalplanung Abbildung 38: Ablauf der Personalbedarfsplanung Tabelle 5: Haupteinflussgrößen auf den Personalbedarf (Quelle: Berthel/ Becker 2013, S. 300 mit eigenen Ergänzungen) Haupteinflussgrößen des Personalbedarfs Personalbedarfskomponente Einflussfaktoren auf den Personalbedarf, wirken in der Hauptsache auf Planungsgegenstand Planungsgegenstand quantitativ Wirtschaftslage, Konjunktur, Wettbewerbssituation, geplante Produktion und Absatz Arbeitsdauer Produktionstechnologien, Leistungserstellungsverfahren, Technisierungsgrad, Arbeitsproduktivität Fluktuation Betriebsorganisation nationale / internationale Unternehmenstätigkeit Arbeitsvolumen Arbeitsinhalte Arbeitsteilung Ersatzhäufigkeit z.B. Führungskräftebedarf Arbeitsvolumen, Arbeitsinhalte <?page no="104"?> 10.2 Methoden zur Ermittlung des Personalbedarfs 105 qualitativ Leistungserstellungsverfahren, Produktionsverfahren Rationalisierungsvorhaben Anforderungsprofile, Stellenbeschreibungen (Arbeitsplätze) Qualifikationsprofile (Mitarbeiter) Qualifikationslücken Personalentwicklungsprogramme Aufgabeninhalte Aufgabenwandel Soll-Bestands- Qualifikation Ist-Bestands- Qualifikation Trainingsinhalte Änderung der Ist- Bestands-Qualifikationen zeitlich Altersstruktur im Unternehmen Versetzungen Nachfolger Karrierewege, -schritte Plant ein nachhaltiges Unternehmen beispielsweise den Aufbau einer neuen Stabsstelle „Nachhaltigkeitsmanagement“, so muss der hierfür notwendige quantitative und qualitative Personalbedarf bei der Personalbedarfsplanung berücksichtigt werden. Dafür gilt es zunächst zu klären, wie viele Mitarbeiter in der Abteilung arbeiten werden und welche Aufgabenbereiche die Mitarbeiter übernehmen sollen. Für die zu bearbeitenden Aufgabenbereiche müssen Stellen und dazugehörige Stellenbeschreibungen definiert werden. Welche Anforderungen die Stelleninhaber erfüllen müssen, wird in den jeweils zu definierenden Anforderungsprofilen festgelegt. Ergibt die Personalbedarfsplanung Änderungen der Produktion bzw. Leistungserstellung, z.B. durch die Einführung einer energiesparenderen und digital vernetzten Produktionsanlage, sind vielleicht Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Qualifikationen der Produktionsmitarbeiter erforderlich, die ebenfalls in der Personalbedarfsplanung berücksichtigt werden müssen. Vielleicht ist aber auch die Entwicklung neuer ökologisch verträglicher Produkte geplant, wofür in der F&E-Abteilung zwei neue Stellen eingerichtet und besetzt werden müssen. Diese Beispiele zeigen, dass die Personalbedarfsplanung alle personalbezogenen Veränderungen und Entwicklungen des nachhaltigen Unternehmens bei ihrer Planung berücksichtigen muss. Mit den Methoden zur Ermittlung des Personalbedarfs beschäftigt sich das folgende Kapitel. 10.2 Methoden zur Ermittlung des Personalbedarfs Zur Ermittlung des quantitativen und qualitativen Personalbedarfs existieren verschiedene Methoden. Wesentliche Methoden der Personalbedarfsermittlung sind in der Tabelle 6 zusammengefasst. <?page no="105"?> 106 10 Nachhaltige Personalplanung Tabelle 6: Quantitative und qualitative Methoden der Personalbedarfsermittlung (Stopp/ Kirschten 2012, S. 53) Quantitative und qualitative Methoden der Personalbedarfsermittlung quantitative Personalbedarfsermittlung qualitative Personalbedarfsermittlung organisatorische Methoden Stellenplan Stellenbeschreibungen Stellenbesetzungsplan Anforderungsprofile Stellenbedarfsplan Szenario-Technik Prognosemethoden Schätzmethode Delphi-Methode globale Bedarfsprognose Kennzahlenmethode Personalbemessungsmethode sonstige Methoden Direktionsmethode monetäre Methode Die quantitativen Methoden der Personalbedarfsermittlung werden im Folgenden nur überblicksartig vorgestellt. Bei den qualitativen Methoden werden exemplarisch nur die Stellenbeschreibung und das Anforderungsprofil detaillierter vorgestellt. Die anderen Methoden werden hier nicht näher behandelt. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit allen Methoden der Personalbedarfsermittlung findest sich beispielsweise bei Stopp/ Kirschten (2012, S. 53 ff.), Berthel/ Becker 2013 S. 257 ff. oder bei Stock-Homburg 2013, S. 102 ff.) 10.2.1 Quantitative Methoden Zur Ermittlung des quantitativen Personalbedarfs stehen organisatorische Methoden, Prognosemethoden und sonstige Methoden zur Verfügung. Die organisatorischen Methoden bestimmen den Personalbedarf anhand des Organisationsplans. Der Organisationsplan dokumentiert den Bestand an Planstellen (Stellenplan), der mit den aktuell besetzten Stellen (Stellenbesetzungsplan) abgeglichen wird. Ein Personalbedarf ergibt sich, wenn die Anzahl der Planstellen höher ist als die Anzahl der aktuell besetzten Stellen. Zu den organisatorischen Methoden gehören die Stellenpläne, die Stellenbesetzungspläne, die Stellenbedarfspläne und die Karriere- und Nachfolgepläne (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 54 f.) Der Stellenplan enthält alle Arbeitsplätze einer Abteilung, eines Bereichs oder des ganzen Unternehmens mit ihrer Anzahl, Bezeichnung, ggf. Abkürzung und i.d.R. mit der Gehaltszuordnung (z.B. Tarifgruppe). Der Stellenbesetzungsplan dokumentiert, welche Stellen im Unternehmen tatsächlich besetzt sind und mit welchen konkreten Mitarbeitern. Der Stellenbedarfsplan dokumentiert den zukünftigen Bedarf an Stellen und bildet den Bruttopersonalbedarf ab. <?page no="106"?> 10.2 Methoden zur Ermittlung des Personalbedarfs 107 Der Personalbedarf kann auch mit Prognosemethoden abgeschätzt werden. Zu den Prognosemethoden gehören u.a. die Schätzmethode, die globale Bedarfsprognose, die Kennzahlenmethode und die Personalbemessungsmethode. Die Schätzmethode basiert auf Einschätzungen des zukünftigen Personalbedarfs durch Fachverantwortliche oder Experten aufgrund vergangener Erfahrungswerte. Auch die globale Bedarfsprognose verwendet vergangenheitsorientierte Daten (z.B. Statistiken) und leitet mittels mathematischer und statistischer Verfahren (z.B. Trendextrapolationen) den zukünftigen Personalbedarf ab. Die Kennzahlenmethode ermittelt Zusammenhänge zwischen verschiedenen arbeitsbezogenen Daten (z.B. zwischen Arbeitsproduktivität und Auftragslage). So kann der zukünftige Personalbedarf beispielsweisefür eine angenommene oder bereits bekannte Auftragslage ermittelt werden. Die Personalbemessungsmethode bestimmt den zukünftigen Personalbedarf anhand der Arbeitserfordernisse, der verfügbaren Arbeitszeiten und der Anzahl konkreter Arbeitsvorgänge und damit auch den Kapazitätsbedarf sowie den Personalbedarf. Zu den sonstigen Methoden, mit denen der Personalbedarf ermittelt werden kann, gehören u.a. die Direktionsmethode und monetäre Methoden. Als Direktionsmethode wird die Verhandlung zwischen den Abteilungs- und Bereichsleitern mit der Geschäftsleitung über den zukünftigen Personalbedarf in den jeweiligen Abteilungen oder Bereichen verstanden. Können sich die Beteiligten nicht einigen, entscheidet die Geschäftsleitung über den jeweiligen Personalbedarf. Monetäre Methoden orientieren sich bei der Personalbedarfsermittlung an der Wirtschaftlichkeit und an verfügbaren finanziellen Mitteln des Unternehmens, wobei leistungserstellungsbezogene bzw. nicht-monetäre Einflussfaktoren meist vernachlässigt werden. 10.2.2 Qualitative Methoden Allein die Ermittlung des quantitativen Leistungsumfangs reicht noch nicht aus, um den zukünftigen Personalbedarf eines nachhaltigen Unternehmens zu bestimmen. Auch die zukünftigen qualitativen Arbeitsanforderungen und zu erfüllenden Arbeitsaufgaben der Mitarbeiter müssen bei der Personalplanung berücksichtigt werden. Mögliche zukünftige qualitative Anforderungen können beispielsweise in der Einführung digital vernetzter und dadurch effizienterer Produktionstechnologien, in organisatorischen Umstrukturierungen oder in notwendigen Entwicklungsmaßnahmen für die Mitarbeiter hinsichtlich ihrer ökologischen, ökonomischen oder sozialen fachbezogenen Qualifikationen und Kompetenzen bestehen. Hier setzten die qualitativen Methoden der Personalbedarfsermittlung an. Sie berücksichtigen die inhaltlichen Veränderungen der Arbeitsanforderungen und Aufgabenbereiche des Personalbedarfs. Zu ihren wesentlichen Methoden gehören die Stellenbeschreibung, das Anforderungsprofil, die Szenario-Technik sowie die Delphi-Methode. In einer Stellenbeschreibung werden die Merkmale, Aufgaben und die hierarchische Verankerung einer Stelle dokumentiert. Die Stellenbeschreibung enthält die Einordnung der Stelle in der Unternehmenshierarchie, die Beziehungen zu anderen Stellen, die <?page no="107"?> 108 10 Nachhaltige Personalplanung Ziele der Stelle, ihre Aufgaben, Kompetenzen, die Verantwortlichkeiten und Befugnisse sowie die Anforderungen, die die Stelle an den Stelleninhaber stellt (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 59). Idealerweise sollte jede Stelle im Unternehmen eine inhaltliche Stellenbeschreibung haben. Die Stellenbeschreibungen bilden die wesentliche Grundlage für die Ermittlung des qualitativen Personalbedarfs. Darüber hinaus sind Stellenbeschreibungen auch wichtig für die Personalbeschaffung und die Personalentwicklung, da aus ihr die wesentlichen Anforderungen an den zukünftigen Stelleninhaber abgeleitet werden können. Die Stellenbeschreibung wird ausführlich im Kapitel 11 behandelt. Aus der Stellenbeschreibung kann nun das Anforderungsprofil für den zukünftigen Stelleninhaber abgeleitet werden. Ein Anforderungsprofil bildet die für die Besetzung einer bestimmten Stelle notwendigen Qualifikationen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten tabellarisch oder grafisch ab. Die erforderlichen Anforderungen sind in der Stellenbeschreibung dokumentiert. Mit Hilfe des Anforderungsprofils kann die Personalbedarfsplanung festlegen, welche qualitativen Anforderungen Mitarbeiter auf konkreten Stellen erfüllen müssen. D.h. hier wird auch festgelegt, welche inhaltlichen (z.B. ökologische, umwelttechnische, soziale oder innovationsbezogene), methodischen (z.B. Kompetenzen in der Anwendung von Kreativitätstechniken) und sozialen (z.B. Eigeninitiative, Verantwortungsübernahme, soziales Engagement) Qualifikationen und Kompetenzen Mitarbeiter auf konkreten Stellen im nachhaltigen Unternehmen haben bzw. mitbringen müssen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass vor allem die Personalbedarfsplanung den Ausgangspunkt für die Integration von Stellen mit ökologischen, ökonomischen, sozialen und innovationsorientierten Aufgabenbereichen in die Teilbereiche des Unternehmens bildet. Basierend auf den Stellenbeschreibungen werden in der Personalbedarfsplanung zukünftig benötigte Stellen ermittelt. Hier bietet sich die Möglichkeit, bestehende Stellen um ökologische, soziale oder innovationsorientierte Inhalte zu erweitern bzw. auch neue Stellen für spezifische soziale, ökologische oder innovationsorientierte Aufgabenbereiche zu schaffen und durch entsprechende Anforderungsprofile die benötigten nachhaltigen Qualifikationen und Kompetenzen für die nachhaltige Unternehmenstätigkeit festzulegen. 10.3 Personalbestandsplanung Die Personalbestandsplanung ermittelt den aktuellen quantitativen und qualitativen Personalbestand. Der quantitative Personalbestand wird durch die Anzahl der Mitarbeiter in festzulegenden Mitarbeitergruppen bzw. Abteilungen bestimmt. Die Berechnung der Mitarbeiter erfolgt üblicherweise nach dem Umfang ihrer zeitlichen Beschäftigung (Vollzeitmitarbeiter = 1,0 Mitarbeiter, Teilzeitmitarbeiter anteilig an Vollzeitstelle, z.B. 50% Arbeitszeit = 0,5 Mitarbeiter). Mit einzubeziehen sind hier auch Zeitarbeitnehmer, Langfristurlauber, Mitarbeiter in Erziehungszeiten etc). Werden absehbare bzw. schon bekannte zukünftige Zugänge (z.B. bereits vereinbarte Personaleinstellungen, Übernahme von Auszubildenden) und Abgänge (bekannte Kündigungen, Ruhestand von Mitarbeitern) von Personal mit einbezogen, kann auch der zukünftige Personalbestand ermittelt werden (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 50 f.). Neben der quantitativen Personalbestandsplanung bedarf es auch der qualitativen Personalbestandsplanung. Sie bestimmt die qualitativen Bestandveränderungen in einem nachhaltigen Unternehmen, z.B. durch den Abschluss von Ausbildungen, absolvier- <?page no="108"?> 10.4 Weitere Personalplanungsbereiche 109 ten Weiterbildungen, bekannten Versetzungen, notwendigen Weiterbildungen und Qualifizierungen. Ein wichtiges Instrument ist hier das Fähigkeitsprofil von Mitarbeitern, in dem die Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen eines Mitarbeiters bewertet werden. Das Fähigkeitsprofil wird mit dem Anforderungsprofil einer konkreten Stelle abgeglichen, woraus Rückschlüsse über die aktuelle Anforderungseignung bzw. möglicher Qualifizierungsbedarfe von Mitarbeitern möglich werden (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 52). Wurde der Personalbestand ermittelt, so kann nun der Personalbedarf des nachhaltigen Unternehmens z.B. für das nächste Geschäftsjahr dem ermittelten Personalbestand im nächsten Geschäftsjahr gegenübergestellt werden. Daraus ergibt sich der Nettopersonalbedarf für das nächste Geschäftsjahr. 10.4 Weitere Personalplanungsbereiche Weitere wesentliche Personalplanungsbereiche des nachhaltigen Unternehmens sind die Personaleinsatzplanung, die den quantitativen und qualitativen Personaleinsatz im Unternehmen bestimmt, die Personalbeschaffungsplanung, die Personalentwicklungsplanung sowie die Personalfreisetzungsplanung. Diese Planungsbereiche werden hier nicht weiter vertieft, können jedoch z.B. bei Stopp/ Kirschten (2012, S. 62 ff.) nachgelesen werden. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Aufgabe hat die Personalbedarfsplanung in nachhaltigen Unternehmen? 2. Wie wird der Netto-Personalbedarf bestimmt? 3. Welche Informationen enthält der Stellenbesetzungsplan? 4. Welche Prognosemethoden haben Sie kennengelernt, um den quantitativen Personalbedarf zu bestimmen? 5. Warum ist die qualitative Personalbedarfsplanung wichtig? 6. Welche Informationen enthält eine Stellenbeschreibung? 7. Welche Aufgaben hat die Stellenbestandsplanung? 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Hat die Personalbedarfsplanung eine personelle Unterdeckung identifiziert, so muss die Personalbeschaffung die fehlenden Mitarbeiter für das nachhaltige Unternehmen gewinnen. Die Personalbeschaffung hat also die Aufgabe, das im Rahmen der Personalbedarfsplanung ermittelte notwendige Personal in geforderter Anzahl und Qualifikation, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort für einen bestehenden Personalbedarf zu marktgerechtem und leistungsorientiertem Einkommen zu beschaffen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 73). Es geht bei der Personalbeschaffung also darum, wo und wie ein Unternehmen die „richtigen“ Mitarbeiter findet. <?page no="109"?> 110 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Die Personalbeschaffung eines innovativen und nachhaltig orientierten Unternehmens möchte vor allem solche Mitarbeiter für das Unternehmen gewinnen, die nicht nur über sehr gute fachliche Qualifikationen und Kompetenzen, sondern auch über gute und vom Unternehmen benötigte ökologische und soziale Qualifikationen und Kompetenzen verfügen und die Werthaltungen des Unternehmens teilen. Zusätzlich sollten die Mitarbeiter innovationsorientiert und kreativ sein, um die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens durch eigene neue Ideen und Problemlösungen zu unterstützen. Diese bedarfsgerechte Mitarbeitergewinnung lässt sich in die drei Aufgabenbereiche der Personalwerbung, der Personalauswahl und der Einstellung unterscheiden. Alle drei Aufgabenbereiche leisten wichtige Beiträge für das nachhaltige Unternehmen: Tabelle 7: Aufgabenbereiche der Personalbeschaffung eines nachhaltigen Unternehmens Aufgabenbereich zentrale Frage Aufgaben Beitrag zum nachhaltigen Unternehmenshandeln Personalwerbung Wo und wie beschafft ein Unternehmen die benötigten Mitarbeiter Employer Branding Interne / externe Personalwerbung Auswahl geeigneter Instrumente der Personalwerbung Ansprache gewünschter Zielgruppen Präsentation als ökonomisch leistungsfähiger, sozial gerechter und ökologisch verantwortlicher sowie innovativer Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt und bei den gewünschten Zielgruppen Personal auswahl Welcher Bewerber ist für die zu besetzende Stelle am besten geeignet? Analyse und Bewertung der Bewerbungsunterlagen Einsatz konkreter Instrumente zur Beurteilung der Eignung konkreter Bewerber Gesamtbewertung der Bewerber und Entscheidung Entwicklung geeigneter Auswahlkriterien, Indikatoren und Auswahlverfahren zur Berücksichtigung auch ökonomischer, ökologischer, sozialer + innovative Qualifikationen und Kompetenzen bei der Personalauswahl Personaleinstellung Welche Formalitäten der Personaleinstellung müssen berücksichtigt werden? Ausarbeitung und Abschluss des Arbeitsvertrages Integration von fachlichen, ökonomischen sozialen, ökologischen und innovationsbezogenen Aufgaben in die Stellenbeschreibung und in den Arbeitsvertrag <?page no="110"?> 11.1 Personalwerbung 111 11.1 Personalwerbung Die Personalwerbung gestaltet den Einsatz verschiedener Kommunikationsmittel, um geeignete Bewerber dazu zu motivieren, sich entweder für eine ausgeschriebene Stelle im Unternehmen zu bewerben oder sich im Zuge einer Initiativbewerbung von sich aus bei dem Unternehmen für einen bestimmten Aufgabenbereich zu bewerben. Dabei erstreckt sich die Personalwerbung auf die unternehmensinterne und -externe Personalbeschaffung. Inhaltlich wird die Personalwerbung meist dem Personalmarketing zugeordnet (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 73). Für nachhaltige Unternehmen hat die Personalwerbung eine große Bedeutung. Das hat mehrere Gründe: Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Altersstrukturen der Erwerbstätigen führt dazu, dass die Belegschaften insgesamt älter werden und es für die Unternehmen schwieriger wird, jüngere Fach- und Führungskräfte für sich zu gewinnen. In bestimmten Berufen bestehen schon heute Fachkräfteengpässe (z.B. in technischen, naturwissenschaftlichen und sozialen Berufen). So nimmt der Wettbewerb um die gut qualifizierten Nachwuchskräfte auf dem Arbeitsmarkt und damit auch die Notwendigkeit der Personalwerbung für die Unternehmen deutlich zu. Um auf dem Arbeitsmarkt von den gut qualifizierten Arbeitssuchenden als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, entwickeln immer mehr Unternehmen eine attraktive und einzigartige Arbeitgebermarke (Employer Brand). Mit einer einzigartigen Arbeitgebermarke möchte das Unternehmen seine eigene Attraktivität als Arbeitgeber steigern, sich als Wunscharbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt positionieren und dadurch gezielt geeignete potenzielle Bewerber ansprechen (Später mehr dazu). Nachhaltige Unternehmen können sich mit der gezielten Entwicklung einer ökonomisch, ökologisch und sozial orientierten sowie innovativen Arbeitgebermarke auf dem Arbeitsmarkt als nachhaltiger und zukunftsorientierter Arbeitgeber mit spezifischen Unternehmenswerten positionieren. Die Werthaltungen vor allem der jüngeren Generationen haben sich verändert. Neben einer steigenden Work-Life-Balance-Orientierung und dem Wunsch nach größerer Flexibilität der Arbeitsmodelle bevorzugen die jüngeren Generationen auch stärker sinnstiftende Aufgabenbereiche und Arbeitgeber, die sich sozial und ökologisch engagieren. So spricht die Positionierung als ökologisch und sozial engagierter Arbeitgeber gezielt Erwerbssuchende mit ähnlichen Werthaltungen und idealerweise gewünschten Qualifikationen an. Potenzielle Bewerber sind kritischer geworden und hinterfragen nicht nur die konkreten Arbeitsbedingungen, sondern zunehmend auch die Branche sowie die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der Unternehmenstätigkeit möglicher zukünftiger Arbeitgeber. Unternehmen, die sich ihrer Corporate Social Responsibility bewusst sind, sich gesellschaftlich engagieren und die ihre Unternehmenstätigkeit sowie ihre Produkte umwelt- und gesundheitsverträglich gestalten, werden eher als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen und haben damit einen Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung von Mitarbeitern. Dies belegen aktuelle Umfragen unter Studierenden und jüngeren Arbeitnehmern, die im Kapitel 11.1.1 vorgestellt werden. Hinzu kommt, dass das ökologisch, sozial und innovativ ausgeprägte Image eines Unternehmens auch als Prestige für die Mitarbeiter dient. In einem ökologisch verträglichen und sozial engagierten Unternehmen zu arbeiten, macht Mitarbeiter stolz, <?page no="111"?> 112 11 Nachhaltige Personalbeschaffung stiftet einen besonderen Sinn und erzeugt ein werteorientiertes Zugehörigkeitsgefühl (vgl. Schlue 2011, S. 50). 11.1.1 Ergebnisse empirischer Befragungen zu den Kriterien der Arbeitgeberwahl von Berufseinsteigern Welche Kriterien sind für Berufseinsteiger und potenzielle Mitarbeiter bei der Arbeitgeberwahl am wichtigsten? Betrachten wir dazu die Ergebnisse einiger empirischer Befragungen, die die bedeutendsten Kriterien bei der Arbeitgeberwahl von Berufseinsteigern untersucht haben. Abbildung 39: Kriterien der Arbeitgeberattraktivität Abbildung 40: Befragung zu wichtigen Kriterien bei der Arbeitgeberwahl von Kienbaum <?page no="112"?> 11.1 Personalwerbung 113 Abbildung 41: Kriterien der Arbeitgeberwahl von statista 2016 Alle drei Befragungen zu wichtigen Kriterien bei der Wahl des Arbeitgebers kommen zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. Bei der Wahl ihres Arbeitgebers ist den Befragten ein kooperatives Arbeitsklima am wichtigsten. Daran schließen sich auf Platz 2 Angebote zur Work-Life-Balance, d.h. zur Vereinbarkeit des Berufslebens mit dem Privatleben an, auf Platz drei sind den Befragten Karrieremöglichkeiten bzw. auch die Arbeitsplatzsicherheit wichtig. Interessant an den Befragungsergebnissen ist, dass das Gehalt erst auf Platz 5 bzw. Platz 6 der Auswahlkriterien rangiert und den Nachwuchskräften also gar nicht mehr so wichtig ist. Demgegenüber werden die Innovationsfähigkeit und das kreative Umfeld in den Unternehmen als Bewertungskriterium für Nachwuchskräfte wichtiger. Auch die Übernahme von Verantwortung sowie ein soziales Engagement von Unternehmen und ethische Prinzipien der Unternehmen sind als Auswahlkriterien vorhanden, auch wenn sie von den Berufseinsteigern noch als weniger wichtig angesehen werden. Wie sieht es nun mit dem ökologischen und sozialen Engagement von Unternehmen als Kriterium zu Arbeitgeberwahl bei den Berufseinsteigern aus? Hierzu betrachten wir weitere Untersuchungsergebnisse. Das Engagement von Unternehmen in den Bereichen Umwelt- und Ressourcenschutz, soziales Engagement oder grundsätzlich in der Nachhaltigkeit zählt bei Nachwuchskräften und Berufseinsteigern bislang meist noch nicht zu den wichtigsten Kri- <?page no="113"?> 114 11 Nachhaltige Personalbeschaffung terien für die Wahl eines Arbeitgebers. Allerdings scheint die nachhaltige Orientierung von Unternehmen für Berufseinsteiger deutlich an Bedeutung zu gewinnen, wie die folgenden Befragungsergebnisse zeigen. Im Auftrag des Spezialchemiekonzerns ALTANA führte das Marktforschungsinstitut Forsa im Frühjahr 2016 eine Telefonbefragung bei Geschäftsführern, Vorstandsmitgliedern und Bereichsleitern von Industrieunternehmen ab 250 Mitarbeitern zum Industrie-Innovationsindex 2016 durch. Gleichzeitig erfolgte eine Befragung bei Berufseinsteigern aus Industrieunternehmen im Alter von 18 bis 35 Jahren mit einer Berufserfahrung von ein bis fünf Jahren zur Bedeutung des Engagements von Unternehmen in den Bereichen Umwelt- und Ressourcenschutz sowie das gesellschaftliche Engagement als Kriterien für die Arbeitgeberwahl (vgl. Presseinformation ALTANA vom 21.10.2016). Nach dieser Befragung ist für 18% der Berufseinsteiger das Engagement eines Unternehmens im Umwelt- und Ressourcenschutz ein sehr wichtiges Kriterium bei der Arbeitgeberwahl. Immerhin 59% der Befragten finden das Engagement im Umwelt- und Ressourcenschutz noch als ein eher wichtiges Auswahlkriterium für ihren Arbeitgeber. Eine ähnliche Verteilung zeigt sich bei der Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen. Für 15% der befragten Berufseinsteiger ist das gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens ein sehr wichtiges Kriterium und für 56% der Befragten ein eher wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber. Addiert man die Befragungsergebnisse für die Kategorien „sehr wichtig“ und „eher wichtig“, so liegt der Anteil der Berufseinsteiger, für die das Engagement eines Unternehmens im Bereich Umwelt- und Ressourcenschutz ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Arbeitgeberwahl ist bei 77%. 71% der Befragten legen Wert auf das gesellschaftliche Engagement ihres zukünftigen Arbeitgebers (vgl. Presseinformation ALTANA vom 21.10.2016). Abbildung 42: Nachhaltigkeit als Kriterium für die Arbeitgeberwahl <?page no="114"?> 11.1 Personalwerbung 115 Ein Blick auf die Bedeutung von Nachhaltigkeit und sozialen Projekten als Kriterien der Arbeitgeberwahl in der Modeindustrie zeigt eine etwas geringere Wichtigkeit bei den Nachwuchskräften. Eine gemeinsame Studie der 2hm Strategieberatung und des Lehrstuhls für Marketing an der Universität in Mainz im Jahr 2012 befragte Nachwuchskräfte aus der Modeindustrie, welche Kriterien ihnen bei der Wahl des Arbeitgebers in der Modeindustrie besonders wichtig sind (vgl. Pressemitteilung 2hm vom 28. Juli 2012). Die Ergebnisse der Befragung sind in Abbildung 43 dargestellt. Danach sind Angebote zur Work-Life-Balance für 35% der Nachwuchskräfte das wichtigste Kriterium der Arbeitgeberwahl. Zweitwichtigstes Kriterium ist das Einstiegsgehalt mit 24%, gefolgt vom Unternehmensprestige mit 19%. Aber auch soziale Projekte sind für 13% der Befragten wichtig und ein Engagement in der Nachhaltigkeit sind immerhin noch 9% der befragten Nachwuchskräfte wichtig (vgl. Pressemitteilung 2hm vom 28. Juli 2012). Abbildung 43: Bedeutung der Nachhaltigkeit als Kriterium für die Arbeitgeberwahl bei Nachwuchskräften in der Modeindustrie Zusammenfassend können wir folgendes festhalten: Nachhaltigkeit bzw. das ökologische und soziale Engagement eines Unternehmens ist für die meisten Nachwuchskräfte noch kein vorrangiges Auswahlkriterium bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber. Aber das nachhaltige Engagement eines Unternehmens wird wichtiger und es wird auch von den Berufseinsteigern wahrgenommen. <?page no="115"?> 116 11 Nachhaltige Personalbeschaffung 11.1.2 Funktionen der Personalwerbung Die Personalwerbung erfüllt drei Funktionen: die Informationsfunktion, die Aktionsfunktion und die Selektionsfunktion (vgl. Holtbrügge 2007, S. 95) Abbildung 44: Funktionen der Personalwerbung Informationsfunktion: Die Personalwerbung soll in ihrer Informationsfunktion potenzielle Bewerber über das Unternehmen und die zu besetzende Stellen informieren. Nachhaltige Unternehmen können hier über ihr besonderes ökologisches und soziales Engagement informieren. Kommuniziert werden sollten insbesondere diejenigen Vorzüge des Unternehmens, die von außen kaum beobachtbar sind. Dazu gehören z.B. die auf nachhaltige Werte und Verhaltensweisen ausgerichtete Unternehmenskultur, die vielleicht auch internationalen Karriereperspektiven im Unternehmen, die Attraktivität der Stelle und des Aufgabenbereichs sowie arbeitsbezogene Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Die Informationsfunktion ist vor allem für diejenigen Unternehmen wichtig, die wenig oder nur regional bekannt sind, wie z.B. mittelständische Unternehmen, deren Produkte als Zulieferprodukte in andere Produkte eingehen. Aktionsfunktion: Mit der Aktionsfunktion der Personalwerbung sollen potenzielle Bewerber zu einer tatsächlichen Bewerbung für die zu besetzende Stelle motiviert werden. Je umfangreicher und glaubwürdiger die Informationen des Unternehmens sind und je gezielter potenzielle Bewerber im Hinblick auf ihr eigenes ökologisches und soziales Engagement angesprochen werden, desto eher gelingt es, die Interessenten auch zu einer tatsächlichen Bewerbung bei dem Unternehmen zu motivieren. Selektionsfunktion: Mit der Selektionsfunktion sollen vor allem diejenigen Bewerber erreicht werden, die für die ausgeschriebene Stelle sehr gute Qualifikationen und eine hohe Motivation haben. Unternehmen mit einem großen Bekanntheitsgrad und hoher Arbeitgeberattraktivität erhalten oft eine Vielzahl an Bewerbungen. Hier dient die Selektionsfunktion auch dazu, die Bewerbungsvielfalt einzugrenzen, indem gezielt diejenigen angesprochen werden, die über die benötigten Qualifikationen und Kompetenzen verfügen. Idealerweise bewerben sich so nur diejenigen Personen, die die gewünschten auch umweltorientierten und sozialen Qualifikationen aufweisen, die innovativ und offen für Neues sind und durch die Nachhaltigkeit des Unternehmens stark motiviert werden. <?page no="116"?> 11.1 Personalwerbung 117 Mit der Personalwerbung sollten nicht nur externe potentielle Bewerber angesprochen werden, sondern auch potentielle unternehmensinterne Bewerber, das heißt bereits im Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter. Entsprechend lässt sich die Personalwerbung nochmals in eine externe und eine interne Personalwerbung unterscheiden. In der Abbildung 45 sind die beiden Bereiche sowie mögliche Ansatzpunkte für die externe und interne Personalwerbung aufgelistet. Abbildung 45: Ansatzpunkte und Inhalte der externen und internen Personalwerbung (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 74, mit Ergänzungen) 11.1.3 Externe Personalwerbung Zentrale Aufgabe der externen Personalwerbung ist es, die Öffentlichkeit und potenzielle Bewerber über Beschäftigungsangebote, Aufstiegsmöglichkeiten, finanzielle und soziale Leistungen, Arbeitsbedingungen, die Unternehmenskultur, das Leistungsspektrum und weitere Besonderheiten des Unternehmens, z.B. die ökologische und soziale Ausrichtung des Unternehmens, zu informieren und Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Unternehmen anzubieten (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 74). Die Information und Kommunikation der externen Personalwerbung kann über verschiedene Ansatzpunkte erfolgen (vgl. Ullah/ Witt 2015, S. 85 ff.): Employer Branding: Employer Branding meint den Aufbau einer attraktiven und einzigartigen Arbeitgebermarke (Employer Brand) auf dem Arbeitsmarkt mit dem Ziel, sich als Wunscharbeitgeber (Employer of Choice) zu positionieren (vgl. Kirschten 2010a, S. 112 ff.). Damit soll die eigene Attraktivität als Arbeitgeber gestärkt und potenzielle gut geeignete Bewerber auf das Unternehmen aufmerksam gemacht und angesprochen werden. Gleichzeitig richtet sich die Arbeitgebermarke auch an die bereits im Unternehmen Beschäftigten, um sie stärker an das Unternehmen zu binden. Die Kommunikation der Arbeitgebermarke kann mit allen Instrumenten bzw. Ansatzpunkten der externen Personalwerbung erfolgen: z.B. Informationsveranstaltungen, Tag der offenen Tür, Präsentationen, Erfahrungsberichten von Mitarbeitern, Zusammenarbeit mit Schulen und Hochschulen, Berichten etc. Vor allem über das Internet können viele Informationen verbreitet werden. Hierbei spielt die Homepage des Unternehmens mit detaillierten Informationen über die Geschäftsbereiche und die Karriereperspektiven des nachhaltigen Unternehmens eine große Rolle. Aber auch die Nutzung der sozialen Medien im Internet (Facebook, Twitter, LinkedIn etc.) ist mittlerweile ein sehr wichtiger Kommunikationsbereich (vgl. Arnold 2015). <?page no="117"?> 118 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Unternehmenspräsentation in verschiedenen Medien: Unternehmen haben vielfältige Möglichkeiten, sich und ihre nachhaltige Unternehmenstätigkeit zu präsentieren. Schriftliche Berichte und Publikationen bieten die Möglichkeit, ausführlich über die eigene Unternehmenstätigkeit, die zugrundeliegenden Visionen, Leitbilder und Werte, aber auch über die Zusammenarbeit innerhalb der Wertschöpfungskette sowie das ökologische und soziale Engagement und die nachhaltigen Leistungen des Unternehmens zu berichten. Zu den schriftlichen Berichten gehören u.a. der Geschäftsbericht, der Nachhaltigkeitsbericht, die Unternehmenszeitschrift und weitere Unternehmenspublikationen. Ungefähr seit den 1980er Jahren veröffentlichen Unternehmen zunehmend Umweltberichte, die den Umgang und die Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit insbesondere auf die natürliche Umwelt dokumentierten. Diese haben sich im neuen Jahrtausend weiterentwickelt zu Nachhaltigkeitsberichten, die neben den ökologischen Auswirkungen auch die sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit und der hergestellten Leistungen dokumentieren. Wesentliche Inhalte der Nachhaltigkeitsberichte sind Kennzahlen der ökologischen und sozialen Unternehmenstätigkeit, die Vorstellung des berichtenden Unternehmens, die Erläuterung der Unternehmensvision, des Leitbildes und der nachhaltigkeitsorientierten Strategien, der implementierten Managementsysteme, die Vorstellung der Unternehmensleistungen aber auch der Beiträge der Mitarbeiter (vgl. Pufé 2012, S. 189; Herzig/ Pianowski 2013, S. 335 ff.). Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und der future e.V. bewerten nach eigener Aussage seit dem Jahr 1994 die gesellschaftliche Berichterstattung von Unternehmen, d.h. früher die Umweltberichte und mittlerweile die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen (vgl. http: / / www.ranking-nachhaltigkeitsberichte.de/ ). In regelmäßigen Abständen erarbeiten das IÖW und future e.V. ein Ranking der Nachhaltigkeitsberichte, das aktuellste Ranking wurde 2015 erstellt (vgl. http: / / www.ranking-nachhaltigkeitsberichte.de/ data/ ranking/ user_upload/ 2015/ Ranking_Nachhaltigkeitsberichte_2015_Ergebnisbericht. pdf). Dem Ranking der Nachhaltigkeitsberichte liegen folgende Kriterien zugrunde: Abbildung 46: Kriterienset des Rankings der Nachhaltigkeitsberichte (IÖW/ future 2016, S. 8) <?page no="118"?> 11.1 Personalwerbung 119 Am besten bewertet wurden im Ranking 2015 die Nachhaltigkeitsberichte von Lebensbaum, Vaude und Rinn bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) und von BMW, Miele und der FkW Bankengruppen in der Kategorie der Großunternehmen. Abbildung 47: Die besten Nachhaltigkeitsberichte deutscher Unternehmen aus dem Ranking 2015 (http: / / www.ranking-nachhaltigkeitsberichte.de/ ) Um die Unternehmen bei der Erarbeitung eines Nachhaltigkeitsberichtes zu unterstützen, gibt es u.a. den folgenden Leitfaden vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW): „Der Nachhaltigkeitsbericht. Ein Leitfaden zur Praxis glaubwürdiger Kommunikation für zukunftsfähige Unternehmen.“ (IÖW 2001). Nachhaltigkeitsberichte haben sich mittlerweile zu einem wichtigen Informationsinstrument im Rahmen der Nachhaltigkeitsorientierung von Unternehmen entwickelt. Sie sollen nicht nur die wesentlichen Stakeholder informieren, sondern auch zum Dialog mit dem Unternehmen anregen. Neben dem Einsatz schriftlicher Berichte können Unternehmen auch z.B. das Radio für Berichte, Hintergrundinformationen und zum Dialog mit Stakeholdern nutzen. Mittlerweile sehr weit verbreitet ist die Nutzung des Internets zur Information und Kommunikation. Vielfältige Informationen und Kommunikationsangebote werden auf den Homepages der Unternehmen angeboten. Meist gibt es einen eigenen Bereich Nachhaltigkeit, in dem die Unternehmen ihre Vision, Leitlinien, Strategien, die ökologische Relevanz ihrer Produkte und Produktion, ihre Verantwortung in der Lieferkette und ihr gesellschaftliches Engagement vorstellen. Häufig bestehen auch Diskussionsforen (z.B. Blogs) und Weblogs (Berichte von Mitarbeitern). Darüber hinaus werden auch die schriftlichen Informationen oft als Download sowie Videos zur Berichterstattung auf der Homepage angeboten. Zusätzlich sind viele Unternehmen in den sozialen Medien im Internet aktiv (z.B. Facebook, Twitter, LinkedIn). Hier präsentieren sich die Unternehmen, berichten über ihr ökologisches und gesellschaftliches Engagement und sind für Dialoge offen (vgl. z.B. Arnold 2015; Ullah/ Witt 2015). Auch regelmäßige Kontakte zu Institutionen, wie z.B. zu den Arbeitsagenturen, den regionalen Jobcentern und insbesondere den Ausbildungsstätten ermöglichen die Vorstellung des eigenen Unternehmens mit seinen nachhaltigen Zielsetzungen, Strategien, Werten, Leistungsbereichen und Arbeitsangeboten. Gleichzeitig können Stellenangebote präsentiert werden und die Perspektiven der Aufgabenbereiche für interessierte Arbeitssuchende vorgestellt werden. <?page no="119"?> 120 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Persönliche Informationsveranstaltungen bilden einen weiteren Ansatzpunkt für die externe Personalwerbung. Mittlerweile weit verbreitet sind z.B. der Tag der offenen Tür, an dem die Unternehmen ihre Pforten öffnen und Einblicke auf ihr Firmengelände und in die Unternehmensgebäude, in die Produktion und die verschiedenen Unternehmensbereiche erlauben. Hier können sich Stakeholder, Interessierte und auch potenzielle Bewerber vor Ort von z.B. umweltverträglichen oder innovativen Produktionstechnologien überzeugen, die ökologisch verträgliche Gestaltung des Firmengeländes, der Gebäude und Arbeitsplätze betrachten und mit Unternehmensvertretern direkt über ihre Anliegen diskutieren. Auch der „Girl´s day“ bzw. der „Boy´s day“ sind mittlerweile weit verbreitete Informationsveranstaltungen, die meist einmal jährlich stattfinden. Beim Girl´s day sollen Schülerinnen und Studentinnen als typisch männlich geltende Berufe und Berufsfelder kennenlernen, die oft als MINT-Berufe (MINT: Medizin, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) bezeichnet werden. Die „Boy´s days“ richten sich an Schüler und Studenten, um ihnen als typisch geltende Frauenberufe näherzubringen. So sollen klassische berufsbezogene Rollenstereotype aufgebrochen werden und das Interesse der Geschlechter für nicht geschlechtstypische Berufe geweckt werden. Mit „College Recruiting“ werden alle Aktivitäten von Unternehmen bezeichnet, die sich auf die Information und Ansprache von Studierenden an Hochschulen, Universitäten und Berufsakademien (und weiteren Bildungseinrichtungen) richten. Ziel ist es hierbei, frühzeitig Kontakt zu Nachwuchskräften aufzubauen. So beteiligen sich Unternehmen z.B. an Hochschulmessen, Karrieremessen, halten praxisorieniterte Vorträge in den Hochschulen oder gehen teilweise sogar schon in die Schulen, um die Kinder z.B. für Technik, Naturwissenschaften, Informatik oder Nachhaltigkeit zu interessieren und darüber zu informieren. Dieser persönliche Kontakt erlaubt die Besprechung individueller Themen, z.B. im Hinblick auf eine Bewerbung, ein Praktikum, berufliche Aufgabenbereiche und Perspektiven oder die konkrete Umsetzung ökologisch und sozial verträglicher Unternehmenstätigkeit. Andererseits ist hier das persönliche Kennenlernen zwischen Unternehmensvertretern und potenziellen Nachwuchskräften als Vorteil zu werten. Insgesamt bieten persönliche Informationsveranstaltungen den Unternehmen vielfältige Gelegenheiten, ihre nachhaltige Ausrichtung vorzustellen und auch konkret zu erläutern. Das College Recruiting und die inhaltliche Zusammenarbeit mit Institutionen, insbesondere mit Hochschulen und Universitäten, aber auch mit Ausbildungsstätten ist ein sehr guter Ansatzpunkt, um persönliche Kontakte zu potenziellen Nachwuchskräften aufzubauen und sie gleichzeitig in realen Arbeitsprozessen kennenzulernen. Inhaltlich kann sich die Zusammenarbeit z.B. auf das Angebot von Praktika (z.B. Schülerpraktika, Pflichtpraktika i.R. von Studiengängen, freiwillige Praktika) im Unternehmen, auf die Vergabe von Themen für Abschlussarbeiten oder auch auf gemeinsame Forschungsprojekte beziehen. Diese Zusammenarbeit bietet Vorteile für beide Seiten: Die Schüler bzw. Studierenden erhalten einen realen Einblick in die Tätigkeiten, Aufgabenbereiche und die Umsetzung der Nachhaltigkeit des Unternehmens durch z.B. Praktika. Andererseits lernen die Unternehmen potentielle Nachwuchskräfte auch persönlich kennen hinsichtlich ihrer Arbeitseinstellungen, ihres Arbeitsverhaltens, ihrer Neigungen und Kreativität sowie ihres ggf. ökologischen und sozialen Engagements. Durch diese persönlichen Erfahrungen können beide Seiten (Unternehmen und Praktikant, Absolvent) besser und realistischer einschätzen, wie gut be- <?page no="120"?> 11.1 Personalwerbung 121 stimmte Aufgabenbereiche als spätere Berufswahl geeignet sind, bzw. auch das Unternehmen kann die Leistungsfähigkeit und Motivation potenzieller Nachwuchskräfte dadurch besser kennenlernen. Mit der Vergabe von Themen für Abschlussarbeiten können Unternehmen aktuelle nachhaltigkeitsorientierte Themen von Studierenden wissenschaftlich bearbeiten lassen, für die sie im Unternehmensalltag keine Ressourcen hätten. Dies bietet sich insbesondere für die Analyse von klar abgegrenzten Themenstellungen z.B. hinsichtlich konkreter ökologischer Auswirkungen der Produktion oder Produkte an, oder auch für die Umsetzung der sozialen und ökologischen Verantwortung in der Lieferkette des Unternehmens. So können gleichzeitig inhaltliche Problemfelder wissenschaftlich bearbeitet werden und dabei auch das ökologische und soziale Engagement und Wissen der Nachwuchskräfte für unternehmensspezifische Fragestellungen gestärkt werden. 11.1.4 Interne Personalwerbung Die interne Personalwerbung gewinnt zunehmend an Bedeutung, da aufgrund des demografischen Wandels die Verfügbarkeit an gut qualifizierten Nachwuchskräften auf dem externen Arbeitsmarkt zurückgeht. Mit der internen Personalwerbung werden die bereits im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter über freie Stellen, Karriereperspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten informiert (vgl. Stopp/ Kirschen 2012, S. 76). Das erhöht nicht nur die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, sondern fördert auch die Ausschöpfung der unternehmensinternen Mitarbeiterpotenziale. Gleichzeitig kann so auch der Austausch und die Anwendung ökologischer und sozialer Wissensbestände innerhalb des Unternehmens intensiviert werden. Auch sind die internen Mitarbeiter mit den Besonderheiten des Unternehmens, seinen Prozessen, Strategien und Abläufen schon vertraut und können auf bisherige Erfahrungen zurückgreifen. Geeignete Ansatzpunkte und Instrumente der internen Personalwerbung werden im folgenden kurz vorgestellt: Regelmäßige Informationen über offene Stellen und interne Beschäftigungsmöglichkeiten können beispielsweise über Aushänge am Schwarzen Brett, Newsletter (schriftlich oder elektronisch über das Intranet), das Intranet oder durch schriftliche bzw. persönliche Informationen des Vorgesetzten an die Mitarbeiter weitergeleitet werden. Eine attraktive Entgeltgestaltung (z.B. leistungsorientierte Vergütung, Prämien für Verbesserungsvorschläge) steigert die Motivation der Mitarbeiter und kann ihre Bindung an das Unternehmen verstärken. Gleichzeitig kann so auch die Übernahme anderer attraktiv vergüteter Aufgabenbereiche im Unternehmen gefördert werden. Mit der Gestaltung der materiellen und immateriellen Anreizsysteme im Unternehmen kann einerseits ein ökologisch und sozial verträgliches Verhalten der Mitarbeiter gefördert werden, andererseits können so gezielt Anreize für die Übernahme verantwortungsvollerer bzw. auch anderer Aufgaben gesetzt werden. Angebote zur Personalentwicklung und Karriereperspektiven fördern die Entwicklung und Einsatzmöglichkeiten der Mitarbeiter im Unternehmen, steigern die Bindung der Mitarbeiter und ermöglichen den Ausbau der Wissens- und Leistungspotenziale auch für ökologisch und sozial anspruchsvolle Aufgaben. Eine nachhaltigkeitsorientierte Unternehmenskultur, die den Mitarbeitern auch Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeiten bei der ökologischen und sozialen Entwicklung des Unternehmens ermöglicht und die Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigt, <?page no="121"?> 122 11 Nachhaltige Personalbeschaffung verstärkt die Bereitschaft der Mitarbeiter, unternehmensintern auch andere Aufgabenbereiche zu übernehmen. Mit welchen Instrumenten Unternehmen um (potenzielle) Mitarbeiter werben können, wird im folgenden Kapitel behandelt. Dabei stehen die Besonderheiten nachhaltiger Unternehmen und die Beiträge der Personalbeschaffung zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung im Vordergrund. 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung Die Personalbeschaffung dient dazu, offene Stellen im Unternehmen mit geeigneten und gut qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen. Hierfür stehen verschiedene Instrumente im Personalmanagement zur Verfügung, die in Instrumente der internen und der externen Personalbeschaffung untergliedert werden können. Tabelle 8: Instrument der Personalbeschaffung im Überblick Instrumente der Personalbeschaffung Instrumente der internen Personalbeschaffung Instrumente der externen Personalbeschaffung ohne Personalbewegung mit Personalbewegung passiv aktiv Überstunden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit Urlaubsverschiebung innerbetriebliche Stellenausschreibung Stellenclearing Versetzung Personalentwicklung Initiativbewerbung Bewerberpool Arbeits vermittlung Stellenanzeige College Recruiting Personalberater Anwerbung durch Mitarbeiter Personal-Leasing Werkvertrag Electronic Recruiting 11.2.1 Instrumente der internen Personalbeschaffung Bei der internen Personalbeschaffung werden offene Stellen im Unternehmen durch bereits im Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter besetzt oder ein bestehender Personalbedarf durch interne Mitarbeiter gedeckt. Verbleiben die Mitarbeiter bei der Personalbedarfsdeckung auf ihren bisherigen Stellen, so wird dies als Personalbedarfsdeckung ohne Personalbewegung bezeichnet. Besetzt ein Mitarbeiter eine andere Stelle, so wird die als Personalbedarfsdeckung mit Personalbewegung bezeichnet. Der Personalbedarfsdeckung mit und ohne Personalbewegung werden jeweils andere Instrumente zugeordnet (vgl. Jung 2008, S. 136). <?page no="122"?> 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung 123 Instrumente der internen Personalbeschaffung zur Bedarfsdeckung ohne Personalbewegung: Besteht nur ein zeitlich begrenzter und eher kurzfristiger zusätzlicher Personalbedarf, so erfolgt i.d.R. eine Bedarfsdeckung ohne Personalbewegung (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 77 ff.). Das heißt, dass die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz nicht wechseln. Hierfür eigenen sich die folgenden Instrumente: Beispielsweise kann der zusätzliche Personalbedarf durch bezahlte Überstunden der Mitarbeiter oder durch eine zeitlich begrenzte Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit erfolgen. Aber auch eine Urlaubssperre bzw. die Verschiebung von Urlaubszeiten können als Instrumente eingesetzt werden. Ein zeitlich begrenzter zusätzlicher Personalbedarf kann z.B. aus einer nicht im Voraus absehbaren hohen Auftragslage entstehen, die abgearbeitet werden muss. So könnte beispielsweise das Angebot eines neuen Elektroautos mit höherer Reichweite und einem angemessenen Preis eine ungeplant hohe Nachfrage der Kunden auslösen, die nur durch Überstunden und Mehrarbeit bewältigt werden kann. Aber auch Unternehmen, die im Saisongeschäft arbeiten (z.B. Landwirtschaft, Schokoladenhersteller mit Oster- und Weihnachtsgeschäft) benötigen regelmäßig einen zeitlich begrenzten zusätzlichen Personalbedarf. Auch unvorhergesehene Ereignisse, Krisen oder Unfälle können zu einem spontanen Personalmehrbedarf führen. Die zusätzlichen Arbeitsleistungen der Mitarbeiter sollten jedoch nicht zu einem Dauerzustand führen, da dies zu einer Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter und damit längerfristig zu gesundheitlichen und sozialen Beeinträchtigungen der Mitarbeiter führen könnte. Instrumente der internen Personalbeschaffung zur Bedarfsdeckung mit Personalbewegung Zu den Maßnahmen der Bedarfsdeckung mit Personalbewegung gehören die Versetzung, das Stellenclearing, die interne Stellenausschreibung und die Personalentwicklung. Bei einer Versetzung wird ein Mitarbeiter auf eine andere Stelle im Unternehmen versetzt. Dies kann durch eine Weisung seines Vorgesetzten geschehen, sofern der Arbeitsvertrag eine Versetzung zulässt, der neue Aufgabenbereich noch in dem vertraglich vereinbarten Tätigkeitsfeld bzw. Berufsbild des Mitarbeiters liegt und die neue Tätigkeit nicht geringer vergütet wird (vgl. Nicolai 2014, S. 76 f.). Typisch für eine Versetzung ist beispielsweise ein Ortswechsel der Leistungserstellung. So könnte ein nachhaltiges Unternehmen beschließen, seine Produktion in Deutschland auf einen weiteren Standort auszudehnen, wofür Mitarbeiter des bestehenden Betriebsstandortes an den neuen zusätzlichen Betriebsstandort versetzt werden. Bietet der Arbeitsvertrag keine Möglichkeit der Weisung, so kann ein Mitarbeiter durch eine Änderungskündigung versetzt werden. Hierbei kündigt der Arbeitgeber das bestehende Arbeitsverhältnis einseitig, bietet dem Mitarbeiter jedoch gleichzeitig einen neuen Arbeitsvertrag mit einem veränderten Aufgabenbereich und ggf. veränderten Arbeitsbedingungen an (§ 2 KschG). Die Versetzung und die Änderungskündigung sind wichtige und weit verbreitetes Instrumente zur relativ kurzfristigen unternehmensinternen Besetzung offener Stellen mit im Unternehmen bereits beschäftigten Mitarbeitern. Stellenclearing bedeutet, dass zwischen den Führungskräften und der Personalabteilung ein systematischer Informationsaustausch stattfindet, um offene Stellen unternehmensintern zu besetzen (vgl. Jung 2008, S. 139). Anhand bisheriger unternehmens- <?page no="123"?> 124 11 Nachhaltige Personalbeschaffung interner Beurteilungen der Mitarbeiter aber auch durch die Zusammenarbeit in einer Abteilung können die Führungskräfte die Qualifikationen und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter detailliert einschätzen. Ermittelt die Personalabteilung z.B. einen Stellenbesetzungsbedarf im Vertrieb, so können geeignete und entsprechend qualifizierte Mitarbeiter durch das Stellenclearing intern schnell angesprochen werden und die offene Stelle umgehend wiederbesetzt werden. Nachteilig am Stellenclearing ist jedoch die mangelnde Transparenz dieses Verfahrens und die Gefahr, dass die Entscheidungen auch von sachfremden Überlegungen (z.B. Abteilungsegoismen) beeinflusst werden können (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 79). Die innerbetriebliche Stellenausschreibung ist das am weitesten verbreitete Instrument zur internen Stellenbesetzung. Mitarbeiter werden durch Rundschreiben, Newsletter, über Aushänge oder Ausschreibungen in der Mitarbeiterzeitschrift entweder schriftlich oder über das Intranet über freie Stellen im Unternehmen informiert. Die Abbildung 48 zeigt ein Beispiel einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung. Außer bei leitenden Angestellten müssen alle freien Stellen i.d.R. zunächst unternehmensintern ausgeschrieben werden, um den Mitarbeitern die Möglichkeit zur beruflichen Veränderung oder Weiterentwicklung zu gewähren (§93 BetrVG). Die endgültige Entscheidung über die (interne oder externe) Stellenbesetzung trifft jedoch der Arbeitgeber. Abbildung 48: Beispiel einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung Die Übernahme von Auszubildenden nach dem Ausbildungsabschluss in freie unternehmensinterne Stellen ist eine weitere Möglichkeit der internen Personalbeschaffung. Hier besteht der Vorteil, dass die ehemals Auszubildenden das Unternehmen mit seinen Strukturen, Abläufen, Besonderheiten und seiner nachhaltigen Orientierung bereits kennen, über aktuelles Fachwissen verfügen und durch die Übernahme auf eine unternehmensinterne Stelle meist hoch motiviert sind. Gleichzeitig kann das Unternehmen mögliche oder drohende Fachkräfteengpässe vermeiden und seinen Bedarf an Nachwuchskräften sichern. <?page no="124"?> 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung 125 Auch eine systematische Personalentwicklung kann die Deckung des Personalbedarfs unterstützen. Der Personalentwicklung steht ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung, um die Mitarbeiter beruflich zu bilden und zu fördern (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 299 ff.). Dazu gehören u.a. das Angebot von Ausbildungen (z.B. duale Ausbildung, duales Studium), um drohenden Fachkräfteengpässen in wichtigen Berufsfeldern vorzubeugen, Weiterbildungen für Mitarbeiter, die ihr Fachwissen aktualisieren oder sich beruflich weiter entwickeln möchten, um anspruchsvollere Aufgaben zu übernehmen, Umschulungen für diejenigen Mitarbeiter, die ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können (z.B. aufgrund von Allergien, Krankheiten, Alter), aber auch ein systematisches Karriere- und Nachfolgemanagement, das die längerfristige Entwicklung von Mitarbeitern sowie die Nachbesetzung freiwerdender Stellen begleitet. Führungs(nachwuchs-)kräfte können durch spezielle Trainings zur Führungskräfteentwicklung, durch Coaching oder Mentoring, aber auch durch fachliche Qualifikationsmaßnahmen auf ihren Aufgabenbereich oder zur Übernahme anspruchsvollerer Aufgaben entwickelt werden. Mit der Personalentwicklung kann aufgabenspezifisches fachliches, ökonomisches, ökologisches und soziales Zusatzwissen sowie methodische (z.B. Erlernen von Kreativitätstechniken) und soziale Qualifikationen und Kompetenzen vermittelt werden, die für nachhaltige Unternehmen besonders wichtig sind. Damit kann das Unternehmen den besonderen Bildungs- und Entwicklungsbedarf seiner Mitarbeiter gezielt decken. Zusätzlich können Mitarbeiter gezielt auf die Übernahme anderer Stellen vorbereitet und ggf. eingearbeitet werden. Die Mitarbeiter sichern sich durch eine kontinuierliche Personalentwicklung wiederum aktuelle Kenntnisse und Qualifikationen, die ihre Beschäftigungsfähigkeit stärkt. 11.2.2 Instrumente der externen Personalbeschaffung Wenn die innerbetrieblichen Möglichkeiten zur Deckung des bestehenden Personalbedarfs ausgeschöpft sind, dann wird sich das Personalmanagement der externen Personalbeschaffung zuwenden, um auf dem unternehmensexternen Arbeitsmarkt geeignete Mitarbeiter zu suchen. Für die externe Personalbeschaffung eigenen sich verschiedene Instrumente, die in der Tabelle 9 zusammengefasst sind. Tabelle 9: Instrumente der externen Personalbeschaffung (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 82) Instrumente der externen Personalbeschaffung eher passive Personalbeschaffung eher aktive Personalbeschaffung Initiativbewerbung Bewerberpool Arbeitsvermittlung Stellenanzeige Electronic Recruiting Personalberater College Recruiting Anwerbung durch Betriebsangehörige Arbeitnehmerüberlassung Werkvertrag <?page no="125"?> 126 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Je nachdem, wie ausgeprägt die Eigeninitiative des Unternehmens bei der Suche nach geeigneten Arbeitskräften ist, wird im Personalmanagement unterschieden zwischen einer eher passiven und einer eher aktiven Personalbeschaffung. Bei einer eher passiven Personalbeschaffung unternimmt das Unternehmen von sich aus kaum Anstrengungen zur Personalwerbung. Besteht Personalbedarf, so wird auf Initiativbewerbungen, den innerbetrieblichen Bewerberpool oder auf die Angebote der Agentur für Arbeit oder der privaten Arbeitsvermittler zurückgegriffen, um geeignete Bewerber für Stellenvakanzen zu suchen. Demgegenüber wird eine aktive Personalbeschaffung notwendig, wenn das Angebot an gesuchten Qualifikationen auf dem externen Arbeitsmarkt eher gering ist, der Wettbewerb um gut qualifizierte Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt hoch ist oder das Unternehmen seinen Personalbedarf zügig decken möchte. Nun stellt sich die Frage, mit welchen konkreten Instrumenten ein ökologisch und sozial engagiertes Unternehmen seinen Bedarf an geeigneten Mitarbeitern für die verschiedenen Aufgabenbereiche decken kann. Dazu werden die verschiedenen Instrumente genauer betrachtet. Initiativbewerbung Stellensuchende, denen umweltorientierte und soziale Werthaltungen und ein entsprechendes Engagement auch wichtig sind und die auf das nachhaltige Unternehmen als Arbeitgeber aufmerksam geworden sind, können sich auch von sich aus bei einem Unternehmen bewerben, ohne dass eine konkrete Stelle von dem Unternehmen ausgeschrieben wurde. Dies wird als Initiativbewerbung bezeichnet. Der Arbeitssuchende bewirbt sich mit einem Anschreiben und den üblichen Bewerbungsunterlagen schriftlich oder online bei einem Arbeitgeber. Er präsentiert sich mit seiner Motivation zur Initiativbewerbung, mit seinen Qualifikationen, Fähigkeiten und Berufserfahrungen und grenzt seinen gewünschten Aufgabenbereich fachlich ein. Unternehmen, die sehr bekannt sind und über eine attraktive Arbeitgebermarke (Employer Brand) verfügen, erhalten oft viele Initiativbewerbungen. Auch nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen, die sich als ökologisch und sozial engagierter Arbeitgeber positionieren, sind für Arbeitssuchende mit ökologischem oder sozialem Engagement und Qualifikationen interessante Arbeitgeber, bei denen man sich auch gerne initiativ bewirbt. Zunehmend fordern Unternehmen potentielle Bewerber über ihre Karrierewebsite auch direkt auf, sich initiativ bei ihnen zu bewerben, wie das Praxisbeispiel 4 zeigt. Der Bewerber erhofft sich von einer Initiativbewerbung einen ersten Kontakt zum Unternehmen, vielleicht eine Einladung zu einem ersten Kennenlerngespräch, die Aufnahme in den unternehmensinternen Bewerberpool und vielleicht auch ein konkretes Stellenangebot, sofern das Unternehmen an den Qualifikationen und Berufserfahrungen des Bewerbers interessiert ist. Die Unternehmen wiederum lernen über Initiativbewerbungen am Unternehmen interessierte potenzielle Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationen und einer positiven Einstellung zum nachhaltigen Unternehmen kennen. Diese können bei guter Eignung und verfügbaren Stellen entweder kurzfristig eingestellt oder aber in den unternehmensinternen Bewerberpool aufgenommen und später bei Bedarf wieder angesprochen werden (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 82 f.). <?page no="126"?> 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung 127 Praxisbeispiel 4: Aufforderung zur Initiativbewerbung bei Bosch Automotiv Steering (https: / / www.bosch-career.de/ bewerben/ jobsearch/ - / cui/ job/ ZRB_UNREG_SEARCH/ de/ 567D863A01021EE782C725B6713E0695) <?page no="127"?> 128 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Bewerberpool In einem Bewerberpool speichern Unternehmen die Bewerbungsdaten von früheren Bewerbern, die für das Unternehmen interessante Qualifikationen haben. Die Bewerber müssen mit der Datenspeicherung im Bewerberpool einverstanden sein. Meist handelt es sich um Bewerber, die bei früheren Stellenausschreibungen nicht berücksichtigt werden konnten oder die sich initiativ beworben haben. In diesen Bewerberpool können auch Mitarbeiter aufgenommen werden, die vorübergehend nicht im Unternehmen tätig sind, z. B. weil sie im Erziehungsurlaub sind, Angehörige pflegen oder eine längere Weiterbildung absolvieren, später jedoch dem Unternehmen wieder als Mitarbeiter zur Verfügung stehen möchten. Werden nun Stellen vakant, so können aus dem Bewerberpool für diese Stelle geeignete Bewerber identifiziert und angesprochen werden. Allerdings muss der Bewerberpool regelmäßig aktualisiert werden, um nur diejenigen Interessenten im Bewerberpool zu behalten, die noch Interesse an einer möglichen Beschäftigung im Unternehmen haben und nicht schon anderweitig ein Beschäftigungsverhältnis aufgenommen haben (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 83). Für die Unternehmen ist ein Bewerberpool eine wertvolle Datensammlung mit ganz unterschiedlichen Qualifikationen, Erfahrungen und Fähigkeiten, aus der bei Bedarf geeignete Personen angesprochen werden können. Für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen ist ein Bewerberpool insofern wichtig, weil hier alle früheren Bewerber gespeichert werden können, die in ihren Aufgabenbereichen bereits ökonomische, ökologische, soziale oder innovationsbezogene Qualifikationen oder Berufserfahrungen aufweisen und damit für nachhaltigkeitsbezogene fachliche Aufgabenstellungen im Unternehmen besonders gut geeignet sind. Mit Hilfe des Bewerberpools kann das Personalmanagement schnell auf geeignete Kandidaten zurückgreifen, ggf. ohne eine neue Stellenausschreibung mit entsprechendem Auswahlprozess zu initiieren. Arbeitsvermittlung Möchte ein nachhaltiges Unternehmen konkrete offene Stellen besetzen, so bietet sich auch die Arbeitsvermittlung zur Suche nach geeigneten Fach- und Führungskräften an. Die Bundesagentur für Arbeit bietet mit ihren vielen Arbeitsagenturen und Jobcentern die Veröffentlichung von Stellenangeboten und Stellengesuchen, eine qualifikations- und fachorientierte Vermittlung von Ausbildungs- und Arbeitskräften sowie eine Arbeitsmarktberatung an. Für bestimmte Berufsgruppen werden eigene Vermittlungsdienste angeboten, so gibt es z.B. Fachvermittlungsdienste für Hochschulabsolventen, Vermittlungsbörsen für IT-Fachkräfte und Ingenieure, Vermittlungsbörsen für Nebenbeschäftigungen, für junge Berufstätige und für Stellen im Ausland (www.arbeitsagentur.de). Das Praxisbeispiel 5 zeigt einen Ausschnitt des Internetauftritts der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit. Die Jobsuche auf der Webseite der Arbeitsagentur für den Suchbegriff „Umweltmanagement“ ergab immerhin 138 Stellen (am 10.11.2016), wie das Praxisbeispiel 6 zeigt. Hierzu zählen u.a. auch die Stellenausschreibungen für Umweltschutzbeauftragte. Die Erfahrungen mit dem Erfolg der Stellenvermittlung durch die Agentur für Arbeit bzw. die Jobcenter sind bei den Unternehmen jedoch unterschiedlich. Wesentlich ist hier eine gute und intensive Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und den verschiedenen Einrichtungen der Agentur für Arbeit. <?page no="128"?> 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung 129 Praxisbeispiel 5: Auftritt der Jobbörse der Agentur für Arbeit Neben der Agentur für Arbeit gibt es seit 1994 noch eine Vielzahl privater Arbeitsvermittler, die sich meist auf bestimmte Berufsrichtungen spezialisiert haben. Für ihre Vermittlungsleistungen verlangen sie in der Regel eine Vermittlungsgebühr, es sei denn die vermittelte Person weist einen Vermittlungsgutschein der Agentur für Arbeit vor. Stellenanzeige Stellenanzeigen sind das typische und am meisten verbreitete Instrument zur externen Personalbeschaffung. Als Stellengesuch können Stellenanzeigen von einem Arbeitssuchenden aufgegeben werden, der eine neue berufliche Tätigkeit sucht und als Stellenangebot können Arbeitgeber offene Stellen anbieten. Das Ziel eines Stellenangebotes ist es, durch eine informative und Aufmerksamkeit erzeugende Ausschreibung bestimmte Zielgruppen mit konkreten Qualifikationen als potenzielle Mitarbeiter für einen bestimmten Aufgabenbereich anzusprechen und zu einer Bewerbung zu motivieren (vgl. Stopp/ Kirschten, 2012. S. 84). Möchte ein nachhaltiges Unternehmen ein Stellenangebot veröffentlichen, stellt sich die Frage, welche Kommunikationskanäle und Anzeigenträger hierfür am besten geeignet sind. Grundsätzlich lassen sich persönliche, schriftliche und elektronische Kommunikationskanäle unterscheiden. Mit persönlichen Kommunikationskanälen werden Interessenten bzw. geeignete Personen direkt und persönlich angesprochen, z.B. durch Unternehmensvertreter oder durch Personalvermittler. Die Ansprache der Interessenten kann beispielsweise auf Karrieremessen, durch die Zusammenarbeit mit Ausbildungsinstitutionen oder unternehmensspezifische Öffentlichkeitsveranstaltungen (z.B. Girl´s day, Boy´s day, Tag der offenen Tür, Personalwerbungsveranstaltungen) erfolgen. <?page no="129"?> 130 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Praxisbeispiel 6: Suchergebnisse bei der Jobbörse der Agentur für Arbeit unter dem Stichwort „Umweltmanagement“ <?page no="130"?> 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung 131 Schriftliche Kommunikationskanäle nutzen z.B. Zeitungen, Zeitschriften, Fachzeitschriften oder Plakate als Anzeigenträger, also alle Printmedien, in denen eine Stellenausschreibung veröffentlicht wird. Ungefähr bis zur Jahrtausendwende wurden die meisten Stellenanzeigen in Printmedien veröffentlicht. In den letzten Jahren ist jedoch die Bedeutung elektronischer Kommunikationskanäle für die Verbreitung von Stellenanzeigen stark gestiegen. Als Kommunikationsmedien werden dabei z.B. Online-Jobbörsen, die Unternehmenshomepage aber auch elektronische soziale Medien (z.B. Facebook, LinkedIn, XING, Twitter) genutzt. Die aktuellen Anteile bei der Veröffentlichung von Stellenanzeigen in unterschiedlichen Medien zeigt die folgende Abbildung. Abbildung 49: Stellenanzeigen von Unternehmen in unterschiedlichen Medien Online-Jobbörsen werden von verschiedenen Anbietern betrieben, u.a. von speziellen Internet-Anbietern, der Agentur für Arbeit oder auch von Tagesbzw. Wochenzeitschriften als Ergänzung ihrer schriftlich veröffentlichen Stellenanzeigen. Auf diesen Online-Jobbörsen können Unternehmen ihre Stellenangebote i.d.R. gegen Gebühren einstellen, die meist deutlich geringer sind als die Kosten für Stellenanzeigen in Printmedien. Demgegenüber sind Veröffentlichungen von Stellengesuchen in online-Jobbörsen meist kostenfrei. Allerdings veröffentlichen viele Arbeitgeber ihre Stellenangebote sowohl in Online-Jobbörsen als auch in schriftlichen Medien, so dass die Gesamtkosten für die Stellenanzeigen in verschiedenen Kommunikationsmedien deutlich höher sein können. Eine weitere viel genutzte Möglichkeit zur Präsentation aktueller Stellenangebote ist die Homepage der Unternehmen. Meist findet sich auf der Unternehmenswebsite ein link „Karriere“, in dem die Unternehmen ihre Ausbildungs- und Beschäftigungsangebote für verschiedene Zielgruppen, aktuelle Stellenangebote, Bewerbungsregularien sowie Karrieremöglichkeiten präsentieren. <?page no="131"?> 132 11 Nachhaltige Personalbeschaffung So können Interessierte direkt auf der Unternehmenshomepage nach aktuellen Stellenangeboten suchen. Als dritte Möglichkeit präsentieren sich Unternehmen mit ihrem Arbeitgeberprofil und Beschäftigungsangeboten zunehmend in den sozialen Medien, wie z.B. auf Facebook, Twitter, LinkedIn oder XING (vgl. Arnold 2015). Über die Präsenz in den sozialen Medien möchten die potenziellen Arbeitgeber sich selbst als besonderer Arbeitgeber vorstellen, mit Interessierten in Kontakt kommen und gleichzeitig ihre Stellenangebote verbreiten. Da sowohl das Internet aber auch die sozialen Medien von den vielen, insbesondere jüngeren Menschen intensiv genutzt werden, sind die elektronischen Kommunikationskanäle und -medien sehr gut geeignet, um zielgruppengerecht potenzielle Bewerber anzusprechen. Gleichzeitig kann sich das Unternehmen so auch umfassend mit seinen Werten, Besonderheiten und Beschäftigungsangeboten als nachhaltiges Unternehmen präsentieren. Ein weiterer Vorteil der Nutzung elektronischer Kommunikationsmedien ist die weltweite und zeitunabhängige Verfügbarkeit bei gleichzeitig hoher Aktualität der Stellenangebote. Auch können Interessenten sehr schnell auf ausgeschriebene Stellen reagieren. Meist wird das Ausfüllen eines online-Bewerbungsformulars erbeten und weitere Bewerbungsunterlagen können als elektronischer Anhang an das Unternehmen gesendet werden. Die Standardisierung durch ein online-Bewerbungsformular erleichtert die weitere unternehmensinterne Verarbeitung und Bewertung der Onlinebewerbung. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass durch diese Standardisierung individuelle Besonderheiten von Bewerbern kaum noch berücksichtigt werden. Einen Überblick über die genutzten Suchwege und Erfolgsquoten von Unternehmen zur Gewinnung neuer Mitarbeiter zeigt die folgende Abbildung. Abbildung 50: Erfolgsquoten von Stellenausschreibungen in verschiedenen Medien im Jahr 2013 Grundstruktur eine Stellenanzeige Die Wirkung und der Erfolg einer Stellenanzeige hängen wesentlich ab von ihrem Inhalt sowie dem Aufbau und der visuellen Gestaltung der Aussagen. Damit eine Stellenanzeige tatsächlich diejenigen anspricht, die die gewünschten Qualifikationen <?page no="132"?> 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung 133 und Anforderungen der Stellenausschreibung erfüllen und andere, weniger gut geeignete Interessenten sich von vornherein gar nicht erst bewerben, sollten Stellenanzeigen eindeutige Informationen über das Unternehmen, die ausgeschriebene Stelle, die gewünschten Qualifikationen und Anforderungen, die angebotenen Leistungen des Unternehmens und Hinweise zur Bewerbung beinhalten. Das Grundschema für den Aufbau einer Stellenanzeige zeigt die folgende Abbildung. Abbildung 51: Grundschema zum Aufbau eine Stellenanzeige Unter Berücksichtigung der wesentlichen Informationen werden Stellenanzeigen mittlerweile teils sehr individuell gestaltet, um sich von anderen Stellenangeboten abzuheben, wie das Praxisbeispiel 7 zeigt. Personalberater Sucht ein nachhaltiges Unternehmen Spezialisten, Fachkräfte mit besonderen ökologischen oder sozialen Qualifikationen, Querschnittqualifikationen oder hierarchisch höher gestellte Fach- und Führungskräfte mit nachhaltigen Qualifikationen und Erfahrungen, so bieten sich die Dienstleistungen von Personalberatern zur Beschaffung geeigneter Mitarbeiter an. Personalberater sind meist unabhängige Dienstleister, die je nach Wunsch des Auftraggebers gegen Entgelt verschiedene Personalberatungsdienstleistungen übernehmen. Diese können sich auf folgende Dienstleistungen erstrecken (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 92): Erarbeitung von Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofilen Gestaltung und Schaltung von Stellenangeboten Gezielte Suche und Ansprache von hochqualifizierten Fach- und Führungskräften Auswertung von Bewerbungsunterlagen Unterstützung beim Personalauswahlprozess Ausarbeitung von Vertragsmodalitäten <?page no="133"?> 134 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Praxisbeispiel 7: Stellenausschreibung für eine Fachkraft Gesundheit & Umwelt (m/ w) bei der Simon Firmengruppe Je nach Umfang der in Anspruch genommenen Personaldienstleistungen können die Dienste eines Personalberaters recht teuer werden. Dafür unterstützen und entlasten Personalberater Unternehmen auch bei der Personalbeschaffung von besonders wichtigen Mitarbeitern. Verfügt ein Unternehmen intern nicht über umfangreiche Kapazitäten oder Kompetenzen zur intensiven Personalsuche, so können bestimmte Teilschritte der Personalbeschaffung an externe Personalberater vergeben werden. Häufig sind Personalberater auf bestimmte Branchen oder Berufsgruppen spezialisiert und verfügen über viele Kontakte zu anderen Unternehmen innerhalb der Branchen. Dadurch wissen Personalberater i.d.R., welche Personen für die Übernahme gesuchter Aufgabenbereiche geeignet sind und auch Interesse an einem Stellenwechsel haben könnten. Dieses „Insiderwissen“ ist für das beauftragende Unternehmen wichtig, um das Risiko einer Fehlbesetzung zu minimieren, das gerade in höheren Positionen und bei besonderen Fach- und Führungskräften mit hohen Kosten verbunden sein kann. Auch bleibt das Unternehmen auf Wunsch anonym, wenn ein Personalberater die Stellen ausschreibt (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 92). College Recruiting Mit College Recruiting wird die Werbung um potentielle Mitarbeiter an Schulen, Hochschulen und Universitäten bezeichnet. Ziel ist es, durch unterschiedliche Akti- <?page no="134"?> 11.2 Instrumente der Personalbeschaffung 135 vitäten und eine Zusammenarbeit mit den Institutionen frühzeitig geeignete Studierende bzw. Absolventen zu identifizieren, sie näher kennenzulernen und bei guter Eignung als zukünftige Mitarbeiter für das eigene Unternehmen zu gewinnen (vgl. Cook/ Rushton 2009). Zu den Aktivitäten des College Recruiting zählen: Vorstellung des eigenen Unternehmens auf Hochschul- und Karrieremessen, in Hochschulpublikationen o.ä. Präsentation des Unternehmens über Fachvorträge an Bildungsinstitutionen Angebot von Praktika, Werkstudententätigkeiten, Themenstellungen für Abschlussarbeiten Vergabe von Förderpreisen oder Stipendien (z.B. Deutschlandstipendium) Zusammenarbeit in gemeinsamen Forschungsprojekten Anwerbung durch Betriebsangehörige Die Anwerbung neuer Mitarbeiter durch Betriebsangehörige ist in den USA weit verbreitet, erlangt aber auch in Deutschland zunehmende Verbreitung. Mit Aktionen wie z.B. „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ animieren Unternehmen ihre Beschäftigten, über ihren Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis weitere gut qualifizierte Personen als Mitarbeiter für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Gerade in Zeiten des demografischen Wandels und zunehmender Fach- und Führungskräfteengpässe ist die Anwerbung von Mitarbeitern durch Betriebsangehörige eine weitere interessante Strategie zur Personalgewinnung. Der Vorteil dieser Strategie auch für nachhaltige Unternehmen besteht darin, dass Mitarbeiter nur solche Personen als potenzielle Mitarbeiter ansprechen bzw. empfehlen werden, von deren guter Qualifikation, hohem Engagement und ihrer Passung zum Unternehmen (z.B. hinsichtlich der Unternehmensziele und -werte) die Mitarbeiter überzeugt sind. Anderenfalls würde eine schlechte Arbeitsleistung, ungenügende Qualifikation oder Konflikte zwischen den Unternehmenswerten und persönlichen Werten des empfohlenen Mitarbeiters auf denjenigen Mitarbeiter zurückfallen, der den neuen Mitarbeiter empfohlen hat. Dadurch erfolgt quasi eine personelle Vorauswahl durch die Mitarbeiter im Hinblick auf die Eignung und Integration des neuen Mitarbeiters in das Unternehmen. Mit dieser Strategie können gerade nachhaltige Unternehmen neue Mitarbeiter gewinnen, denen Nachhaltigkeit auch wichtig ist, die über die erforderlichen ökologischen, ökonomischen und sozialen Qualifikationen verfügen und vielleicht auch schon einschlägige Berufserfahrung in nachhaltigen Aufgabenbereichen haben. Arbeitnehmerüberlassung Die Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung hat sich in vielen Unternehmen längst als eine wichtige Strategie der externen Personalbeschaffung etabliert. Bei der Arbeitnehmerüberlassung entleiht ein Unternehmen mit Personalbedarf (Entleiher) Personen mit gewünschten Qualifikationen für eine bestimmte und begrenzte Zeit von einem Zeitarbeitsunternehmen (Verleiher). Für diese Arbeitnehmerüberlassung zahlt das entleihende Unternehmen eine sog. Vermittlungsgebühr an das verleihende Zeitarbeitsunternehmen. Für das entleihende Unternehmen ist die Arbeitnehmerüberlassung eine schnelle und flexible Personalbeschaffungsalternative. Zwar ist die Vermittlungsgebühr i.d.R. höher als die entsprechenden Gehaltsstundensätze, da das Zeitarbeitsunternehmen neben den <?page no="135"?> 136 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Gehältern für die vermittelten Mitarbeiter noch weitere Verwaltungskosten und eigene Gewinnmargen einrechnet. Die entleihenden Unternehmen können für die höheren Personalkosten jedoch kurzfristig ihren Personalbedarf decken und bei Personalüberdeckungen die Zeitmitarbeiter auch wieder schnell an das Zeitarbeitsunternehmen zurückgeben (vgl. z.B. Nicolai 2014, S. 84 ff.). Für nachhaltige Unternehmen könnte die Personalbeschaffung über die Arbeitnehmerüberlassung dann geeignet sein, wenn kurzfristig ein zusätzlicher Personalbedarf entsteht, z.B. durch eine unvorhergesehene hohe Auftragslage, besondere Projekte oder vorübergehend Mitarbeiter mit besonderen Qualifikationen im Unternehmen benötigt werden. Als grundlegende oder langfristige Strategie ist die Arbeitnehmerüberlassung aus sozialen Gründen weniger empfehlenswert und sollte im Bedarfsfalle sorgfältig überdacht werden. Werkvertrag Über einen Werkvertrag können eindeutig definierte Aufgabenstellungen als „Werk“ an Dritte als Auftrag vergeben werden (vgl. §§631 ff. BGB). Ein Werkvertrag eignet sich für Aufgaben oder Projekte, die eher selten anfallen, und die eine besondere fachliche Qualifikation erfordern, die vielleicht nicht im nachhaltigen Unternehmen vorhanden ist. Beispielsweise könnten nachhaltige Audits (z.B. EMAS) oder die Durchführung konkreter ökologischer oder sozialer Projekte als Werkvertrag von nachhaltigen Unternehmen vergeben werden. 11.3 Personalauswahl Das Ziel der Personalauswahl besteht darin, denjenigen Bewerber zu identifizieren, der am besten für die zu besetzende Stelle im nachhaltigen Unternehmen geeignet ist (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 94). Bei einer Vielzahl an Bewerbungen ist das nicht einfach und erfordert einen sorgfältigen Auswahlprozess, um Fehlentscheidungen möglichst zu vermeiden. Die Vermeidung bzw. Verringerung von Fehlentscheidungen bei der Personalauswahl ist wichtig, weil eine Fehlentscheidung zu erheblichen Kosten führen kann. Mögliche Kosten einer Fehlentscheidung erstrecken sich nicht nur auf den Zeit- und Kostenbedarf einer möglicherweisen Neuausschreibung der zu besetzenden Stelle und des erneuten Auswahlprozesses für die Stellenbesetzung, wenn entweder der neue Mitarbeiter oder der Arbeitgeber aufgrund von fachlichen Fehl- oder Minderleistungen oder unerfüllter Erwartungen den Arbeitsvertrag nach kurzer Zeit wieder kündigen. Hinzu kommen ggf. weitere Kosten für eine Abfindung und die Abwicklung der Kündigung. Weitere Kosten ergeben sich aus der notwendigen systematischen Einarbeitung des neuen Mitarbeiters sowie möglicher Personalentwicklungsmaßnahmen, wenn der tatsächliche Qualifikationsstand des neuen Mitarbeiters nicht vollständig den Anforderungen der Stelle entspricht. Insgesamt summieren sich die möglichen Kosten einer Fehlentscheidung zu beträchtlichen Beträgen (vgl. Nicolai, 2014, S. 107). Das Vorgehen bei der Personalauswahl sollte sich an den folgenden methodischen und inhaltlichen Kriterien orientieren (vgl. Holtbrügge 2007, S 103 f.; Stopp/ Kirschten 2012, S. 94 ff.; Nicolai 2014, S. 108 f.): <?page no="136"?> 11.3 Personalauswahl 137 Objektivität des Auswahlverfahrens und der Beurteilung: Die Objektivität gewährleistet, dass mit den eingesetzten Verfahren vom Beurteiler unabhängig gleiche bzw. ähnliche Beurteilungen erzielt werden. Gültigkeit (Validität) der Bewerberauswahl: Die eingesetzten Auswahlverfahren müssen möglichst genau diejenigen Kriterien messen, die die zukünftige Leistung und die Leistungsfähigkeit eines Bewerbers abbilden. Zuverlässigkeit (Reliabilität) der Bewerberauswahl: Die Auswahlverfahren müssen auch bei unterschiedlichen Bewerbern und über einen längeren Zeitraum zuverlässige Ergebnisse liefern. Einfache Anwendung, geringe Kosten und wenig Zeitaufwand: Die Auswahlverfahren sollten leicht anwendbar sein, möglichst geringe Kosten verursachen und nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen. Soziale Qualität und Angemessenheit der Auswahlverfahren: Die Bewerber müssen die eingesetzten Auswahlverfahren als angemessen und sinnvoll akzeptieren, um sie ernsthaft zu durchlaufen. Legalität der Auswahlverfahren: Grundvoraussetzung ist die rechtliche Zulässigkeit der Auswahlverfahren. Dabei dürfen die Rechte der Bewerber nicht verletzt werden und ihre Chancengleichheit im Auswahlprozess muss gewahrt sein. Zu beachten sind hierbei z.B. die Beteiligung des Betriebsrates an Auswahlrichtlinien (§95 BetrVG) und die Einhaltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), das eine Diskriminierung hinsichtlich der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität untersagt (§1 AGG). Die entsprechenden Vorschriften sind sowohl bei der Stellenausschreibung als auch bei der Gestaltung und Durchführung der Personalauswahlverfahren zu berücksichtigen. Der Prozess der Personalauswahl beginnt nach dem Eingang der Bewerbungen (online oder schriftlich) und gliedert sich in die Prozessschritte „Festlegung der Auswahlkriterien“, „Vorauswahl“, „Detailbeurteilung“ und „Gesamtbewertung“ und ist in der Abbildung 52 dargestellt. Abbildung 52: Prozess der Personalauswahl Die einzelnen Prozessphasen werden nun genauer erläutert. <?page no="137"?> 138 11 Nachhaltige Personalbeschaffung 11.3.1 Festlegung der Auswahlkriterien Zu Beginn des Auswahlprozesses müssen zunächst die Anforderungen der zu besetzenden Stelle an die Bewerber sowie konkrete Kriterien zur Beurteilung der Bewerber festgelegt werden. Die konkreten Anforderungen einer Stelle leiten sich aus der jeweiligen Stellenbeschreibung ab. 11.3.1.1 Stellenbeschreibung Nicht nur die qualitative Personalbedarfsplanung orientiert sich an Stellenbeschreibungen, auch für die Personalsuche und Personalauswahl ist eine Stellenbeschreibung wichtig, da aus ihr die wesentlichen Anforderungen an den zukünftigen Stelleninhaber abgeleitet werden. Wie bereits im Kapitel 10.2.2 erläutert werden in einer Stellenbeschreibung die wesentlichen Merkmale, Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten einer Stelle an den Stelleninhaber dokumentiert. Die grundlegenden Inhalte einer Stellenbeschreibung zeigt die folgende Tabelle. Tabelle 10: Inhalte einer Stellenbeschreibung (vgl. Olfert 2008, S. 83) Inhalte einer Stellenbeschreibung Stellenbezeichnung Stellenname, Stellennummer Stelleneinordnung hierarchische Position der Stelle, übergeordnete und nachgeordnete Stellen, Abteilungs- und Bereichszugehörigkeit, Stellenart Entgeltgruppe / Tarif Zuordnung der Stelle zu konkreter Entgeltgruppe / Tarifgruppe Stellvertretung Benennung einer konkreten Stellvertretung für diese Stelle Stellenziele quantitative und qualitative Ziele der Stelle Stellenaufgaben konkrete Aufgaben, die die Stelle zu erfüllen hat Stellenbefugnisse Kompetenzen und Befugnisse der Stelle (z.B. Unterschriftenbefugnis, Vertretungsbefugnisse, Vertragsbefugnisse etc) Stellenverantwortung Stellenverantwortung, abgeleitet aus den Aufgaben und Befugnissen der Stelle Zusammenarbeit mit anderen Stellen inhaltliche Schnittstellen zu anderen Stellen; Zusammenarbeit bzw. Austausch von Informationen / Arbeitsergebnissen mit anderen Stellen Stellenanforderungen konkrete Erwartungen an den Stelleninhaber hinsichtlich: Ausbildung, Qualifikationen, Erfahrungen, methodischen, sozialen und persönlichen Fähigkeiten und Kompetenzen Arbeits-, Hilfsmittel konkrete Arbeitsmittel (z.B. Software) Unterschrift wichtig, um Ansprechpartner für Stellenbeschreibung zu kennen <?page no="138"?> 11.3 Personalauswahl 139 Das folgende Beispiel verdeutlicht den Aufbau und die Inhalte einer Stellenbeschreibung: Tabelle 11: Beispiel einer Stellenbeschreibung für die Stelle eines Umweltschutzbeauftragten (m/ w) Stellenbeschreibung Umweltmanagementbeauftragte/ r Stellenbezeichnung: Umweltbeauftragte/ r Stelle z.Z. besetzt mit: Herrn Jacob Müller Stellennummer: U34 Filename: SB_UMB_V1_301016.doc Hierarchische Einordnung: Stelleninhaber ist dem Geschäftsführer direkt unterstellt Entgeltgruppe/ Tarif Gehalt nach Vereinbarung Vertretungsregelung Stelleninhaber wird bei Abwesenheit durch den Geschäftsführer vertreten Ziel der Stelle Der Stelleninhaber leistet einen wesentlichen Beitrag zum Umweltmanagement und zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und handelt im Sinne der Unternehmenszielsetzungen und der Geschäftspolitik Aufgaben Umsetzung der Umweltleitlinien Gesamtverantwortung für die Sicherstellung der in den relevanten Normen (z.B. EMAS-VO, ISO14001) festgelegten Verpflichtungen (Gesetze, Zielsetzungen, kontinuierlicher Verbesserungsprozess) Konzeption, Koordination und Durchführung interner Umweltaudits Vorbereitung der externen EMAS-Begutachtung Unterstützung beim Auf- und Ausbau von Umweltmanagementsystemen im Unternehmen Mehrjährige Zielfestlegung und Planung von Umweltschutzmaßnahmen Planung und Umsetzung des jährlichen Umweltprogramms Erarbeitung eines internen Umweltinformationssystems Erarbeitung eines Umwelt-Benchmarkings auf Funktionsbereichsebene und Geschäftsbereichsebene Evaluierung von Umweltmanagementprojekten mit Kennzahlen Erstellung des jährlichen Abfallwirtschaftskonzepts Beobachtung / Überwachung gesetzlicher Entwicklungen und neuer Regelungen im Umweltschutz- und Umweltmanagement-bereich, die das Unternehmen betreffen Regelmäßige Information der Geschäftsleitung, der Führungskräfte und der Verantwortlichen im Umweltbereich über gesetzliche Veränderungen, die das Unternehmen betreffen <?page no="139"?> 140 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Regelmäßiger Informationsaustausch innerhalb des Unternehmens zum Stand des Umweltmanagements und über aktuelle umweltrelevante Themen Jährliche Schulungsplanung (gemeinsam mit Personalabteilung) über umweltschutzrelevante Themen und einzuhaltende gesetzliche Vorgaben Konzeption von ökologischen Beschaffungskriterien in Zusammenarbeit mit den zuständigen Fachabteilungen und dem Einkauf Information der Geschäftsleitung, der Führungskräfte und Verantwortliche im Umweltbereich über aktuelle gesetzliche Entwicklungen, die das Unternehmen betreffen Jährliche Erstellung eines Umweltberichtes zur Kenntnisnahme durch die Geschäftsleitung Befugnisse Informationszugang zu allen umweltrelevanten Daten im Unternehmen Informationsrecht gegenüber Mitarbeitern und Geschäftsführung Teilnahme an fachspezifischen Schulungen Vorschlagsrecht hinsichtlich Beschaffung umweltrelevanter Materialien, Produkte und Anlagen Freigabe von Dokumenten des Umweltmanagementsystems und der umweltrelevanten Berichterstattung Vorschlagsrecht hinsichtlich Bearbeitung umweltrelevanter Themenbereiche Einrichtung umweltrelevanter Projektteams in Absprache mit Geschäftsleitung Anforderungen Fachliche Qualifikation und Kompetenzen über: Prinzipien des vorsorgenden Umweltschutzes Wechselwirkungen Gesellschaft- Umwelt - Wirtschaft Ökobilanzierung Kenntnisse über Umweltmanagementsysteme (EMAS, ISO14000er Serie) Umweltrecht Grundlagen Stoffströme, Energie-und Wassermanagement, Abfallmanagement, Emissionen Umwelttechnik ökologische Beschaffung umweltorientierte Kennzahlen sehr gute Englischkenntnisse Methodische Qualifikationen und Kompetenzen über: strukturierte Problemlösung Projektmanagement interne Kommunikation Datenerhebung routinierter Umgang mit MS Office-Anwendungen <?page no="140"?> 11.3 Personalauswahl 141 Soziale Qualifikation und Kompetenzen: kommunikativ Konfliktfähigkeit Durchsetzungsfähigkeit empatisch Belastbarkeit Entscheidungsfähigkeit Teamfähigkeit Verantwortlich Datum Unterschrift Aus der Stellenbeschreibung kann nun das Anforderungsprofil für den (zukünftigen) Stelleninhaber abgeleitet werden. 11.3.1.2 Anforderungsprofil Wie ebenfalls bereits im Kapitel 10.2.2 vorgestellt, umfasst ein Anforderungsprofil die für die Besetzung einer bestimmten Stelle notwendigen Qualifikationen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Bewerbers. Die Darstellung des Anforderungsprofils kann tabellarisch oder grafisch erfolgen. Die erforderlichen Anforderungen sind in der Stellenbeschreibung dokumentiert. Die Abbildung 53 zeigt ein tabellarisches Anforderungsprofil für die Stelle eines Umweltschutzbeauftragten, in das für jede Anforderung die jeweilige Ausprägung eingetragen wird. Abbildung 53: Beispiel eines tabellarischen Anforderungsprofils für einen Umweltschutzbeauftragten (m/ w) <?page no="141"?> 142 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Die entsprechende grafische Abbildung des gleichen Anforderungsprofils zeigt die folgende Abbildung. Abbildung 54: Grafisches Anforderungsprofil für die Stelle eines Umweltmanagementbeauftragten (m/ w) Das erstellte Anforderungsprofil bildet nun die Grundlage für die Festlegung der Beurteilungskriterien, mit denen die Bewerber hinsichtlich ihrer Eignung für die zu besetzende Stelle bewertet werden. Entweder kann das gesamte Anforderungsprofil der Eignungsprüfung zugrunde gelegt werden, oder es werden aus dem Anforderungsprofil die wichtigsten Beurteilungskriterien zur Bewertung der Bewerber herausgefiltert. 11.3.1.3 Beurteilungskriterien Gerade nachhaltige Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die nicht nur über die notwendigen fachlichen Qualifikationen verfügen, sondern auch berufsbezogene methodische, soziale, persönliche und innovationsbezogene Qualifikationen aufweisen, die ihnen helfen, die meist komplexen, vielschichtigen und mit diversen Wechselwirkungen verbundenen Aufgabenbereiche zu bewältigen. Daher sollten nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen bei der Beurteilung ihrer Bewerber grundsätzlich die im folgenden vorgestellten Beurteilungskriterien berücksichtigen (vgl. Abbildung 55). <?page no="142"?> 11.3 Personalauswahl 143 Abbildung 55: Beurteilungskriterien für Stelleninhaber nachhaltiger Aufgabenbereiche <?page no="143"?> 144 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Fachliche Beurteilungskriterien Die fachlichen Beurteilungskriterien umfassen das stellenbezogene fachspezifische Wissen, Querschnittswissen sowie inter- und transdisziplinäres Wissen, das ein Bewerber mitbringen muss. Je nach konkretem zukünftigen Aufgabengebiet sollte ein Bewerber auch über umweltbezogenes, naturwissenschaftliches, wirtschaftswissenschaftliches aber auch technisches und gesellschaftsbezogenes Wissen bzw. entsprechende Grundkenntnisse verfügen. Diese Wissensbreite ist für zukünftige Mitarbeiter nachhaltiger Unternehmen insofern wichtig, weil sie dadurch ihr eigenes Handeln und die Erfüllung ihrer stellenbezogenen Arbeitsaufgaben besser in den ökologischen, ökonomischen und sozialen Kontext des Unternehmenshandeln einordnen können und die Auswirkungen und mögliche Wechselwirkungen ihres Handelns auch auf andere Nachhaltigkeitsbereiche besser abschätzen können. Zusätzlich sollten die Bewerber Querschnittswissen sowie inter- und transdisziplinäres Wissen bzw. entsprechende Qualifikationen aufweisen. Querschnittswissen bezeichnet fachübergreifendes Wissen über bestimmte gesellschaftliche, technische, naturwissenschaftliche oder ökologische Problemstellungen bzw. Themenbereiche. Ein Beispiel hierfür ist das Querschnittwissen über die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Ursachen des Klimawandels sowie die aus dem Klimawandel resultierenden ökologischen, ökonomischen und soziale Veränderungen. Interdisziplinäres Wissen entsteht aus der Zusammenarbeit verschiedener fachlicher Disziplinen, die ihre jeweiligen Theorien, Methoden, Erkenntnisse und Herangehensweisen in die gemeinsame Bearbeitung und Lösung einer konkreten Problemstellung einbringen (vgl. Jungert et al. 2010; Laudel 1999; Frodeman et al. 2010). Dadurch erfolgt ein Wissens- und Methodentransfer zwischen verschiedenen Disziplinen, der zu einem besseren Verständnis komplexer Sachverhalte und Problemstellungen beiträgt. Durch die Zusammenarbeit und die Nutzung der Methoden und Erkenntnisse mehrere Fachgebiete können komplexere Themenstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln und unter Berücksichtigung unterschiedlicher fachlicher Fragestellungen detaillierter und facettenreicher bearbeitet, entsprechende Problemlösungen entwickelt und so ein interdisziplinäres Wissen entwickelt werden. Wichtig und auch verbreitet ist eine interdisziplinäre Herangehensweise und Wissensentwicklung beispielsweise für Fragestellungen des Städtebaus, im Bereich der Genderforschung und in der Auseinandersetzung mit Problembereichen einer nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen oder Ländern. Insofern ist gerade für nachhaltige Unternehmen eine interdisziplinäre Herangehensweise an Problemstellungen sowie die Entwicklung von interdisziplinärem Wissen eine wichtige Voraussetzung für die Generierung von Problemlösungen. Beispielsweise ist interdisziplinäres Wissen notwendig, um die Gestaltung und die Auswirkungen einer neuen umweltverträglicheren Produktionstechnologie abzuschätzen. Sollen beispielsweise die Auswirkungen einer neuen Technologie zur Aufbereitung und Wiederverwertung seltener Rohstoffe aus Abfällen ermittelt werden, so gilt es dabei die Auswirkungen der neuen Technologie auf die natürliche Umwelt, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter, die wirtschaftlichen und vielleicht auch gesellschaftlichen Folgen sowie die Veränderungen in der Wertschöpfungskette des Unternehmens zu identifizieren. Dies verdeutlicht die große Bedeutung interdisziplinären Wissens für nachhaltigkeitsorientierte Aufgabenbereiche. <?page no="144"?> 11.3 Personalauswahl 145 Transdisziplinäres Wissen entsteht dadurch, dass Themen- oder Problemstellungen fachübergreifend bzw. losgelöst von einzelnen Fachgebieten bearbeitet und gelöst werden (vgl. Mittelstraß 2003; Balsiger 2005). Mit dem Wissen um die eigene fachliche Verortung (z.B. Betriebswirtschaft) wird versucht, bewusst inhaltlich und methodisch über die Grenzen des eigenen Fachs hinauszugehen und so Problemlösungen für disziplinübergreifende und komplexe Fragestellungen zu entwickeln. Für die Entwicklung transdisziplinären Wissens lassen sich zwei Herangehensweisen unterscheiden (vgl. Mittelstraß 2003): Erstens das problemorientierte Arbeiten und Forschen, das sich an „außerwissenschaftlichen“, d.h. lebensweltlichen und gesellschaftlich relevanten Problemstellungen orientiert. Hier werden Problemlösungen entwickelt, die jenseits der Lösungspotenziale einzelner Fachdisziplinen liegen und damit fachlich übergreifend bzw. auch fachlich unabhängig sind. Die Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung ist hierfür ein gutes Beispiel, da sie sowohl die ökologischen, als auch die ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des menschlichen und wirtschaftlichen Handelns untersucht. Dies erfordert zwangsläufig disziplinübergreifende Herangehensweisen. Die zweite Herangehensweise besteht in dem bewussten Verlassen einzelner Fachgebiete, um Probleme jenseits individueller fachlicher Fragestellungen aus neuen Betrachtungswinkeln und in neuen bzw. anderen Zusammenhängen zu untersuchen. Dadurch lassen sich neue disziplinunabhängige Problemlösungen entwickeln, die ebenfalls der Komplexität und Vielschichtigkeit gerade ökologischer und gesellschaftlicher Problemstellungen besser gerecht werden als eine nur fachbezogene Auseinandersetzung. Die Ausführungen machen deutlich, dass gerade eine transdisziplinäre Herangehensweise an Problemstellungen und die Entwicklung transdisziplinären Wissens für nachhaltige Unternehmen zur Berücksichtigung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Aus- und Wechselwirkungen bei der Unternehmenstätigkeit besonders wichtig sind (vgl. Brand 2000). Insofern sollten Bewerber auch über transdisziplinäres Wissen verfügen bzw. mit der transdisziplinären Bearbeitung von Problemstellungen vertraut sein. Methodische Beurteilungskriterien Methodische Beurteilungskriterien beziehen sich auf Arbeitstechniken, die dabei helfen, die Arbeitsaufgaben zu strukturieren und zu bewältigen. Dazu gehören beispielsweise Analysetechniken zur Aufbereitung von Sachverhalten und Problemstellungen (z.B. SWOT-Analyse, Portfoliotechniken), Planungstechniken (z.B. Zeit- und Ablaufpläne, Szenariotechniken), die Konzeptentwicklung oder das Projektmanagement zur Bearbeitung konkreter Projekte, aber auch Präsentationstechniken und Moderationstechniken. Neben diesen grundsätzlichen methodischen Qualifikationen benötigen Mitarbeiter zur Bearbeitung nachhaltiger Aufgaben aber auch Qualifikationen zum vernetzten Denken und Handeln in Kreisläufen (z.B. Stoff- oder Energiekreisläufen, Industriesymbiosen) und in Wirkungszusammenhängen (z.B. zur Berücksichtigung der ökologischen Auswirkungen einer neuen Technologie oder der kundenorientierten Auswirkungen einer ressourcenschonenden neuen Produktgestaltung). Da nachhaltiges Unternehmenshandeln oft verbunden ist mit der Suche und Entwicklung neuer, ressourcensparender Produktionstechnologien, verträglicher Produktkonzeptionen oder neuer Roh- und Werkstoffe, benötigen nachhaltige Unternehmen auch innovative Mitarbeiter, die Kreativitätstechniken kennen und anwenden können und über methodische Qualifikationen im Bereich der Innovationsentwicklung (z.B. Innovationstechniken) verfügen. <?page no="145"?> 146 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Soziale Beurteilungskriterien Soziale Qualifikationen und Kompetenzen sind wichtig, um mit anderen Personen und in unterschiedlichen sozialen Strukturen zusammen arbeiten zu können und auch mit unterschiedlichen persönlichen, gesellschaftlichen oder auch fachlichen Interessenlagen umgehen zu können. Die Zusammenarbeit in Teams und Projekten ist in Unternehmen heute weit verbreitet, da sich viele Aufgaben und Problemstellungen erfolgreicher durch die Zusammenarbeit verschiedener Experten lösen lassen. Daher ist die Teamfähigkeit eine sehr wichtige soziale Qualifikation, die Bewerber mitbringen müssen. Aber auch die Fähigkeit zur Kommunikation (d.h. zum Informationsaustausch und zur Abstimmung) sowie zur Kooperation (d.h. zur Zusammenarbeit) mit Arbeitskollegen sind wichtige und grundlegende soziale Qualifikationen für alle Aufgabenbereiche. Ebenso müssen zukünftige Mitarbeiter konfliktfähig sein, das heißt sie müssen in der Lage sein, mit fachlichen, sozialen oder auch persönlichen Konflikten (z.B. Interessensgegensätze, Machtausspielung, Antipathien, Zielkonflikten) in ihrem Aufgabengebiet umgehen und sie lösen zu können. Aber auch die Fähigkeit zur Empathie, d.h. des Einfühlens in die Befindlichkeiten von anderen Personen, mit denen jemand zusammenarbeitet (z.B. Arbeitskollegen, Kunden, Lieferanten) sowie Mitgefühl für andere sind wichtige soziale Fähigkeiten, die ein zukünftiger Mitarbeiter mitbringen sollte. Gerade für die Mitarbeit in nachhaltigen Unternehmen sind der Respekt gegenüber der Gesellschaft und der Natur sowie das Verständnis und die Anerkennung der gesellschaftlichen und natürlichen Vielfalt zentrale Werte aber auch Fähigkeiten, um die Vielfalt der ökologischen, sozialen und ökonomischen Wechselwirkungen bei der Gestaltung nachhaltiger Produkte und Produktionsprozesse zu erfassen und zu berücksichtigen. Persönliche und innovationsbezogene Beurteilungskriterien Als vierter Qualifikations- und Kompetenzbereich werden hier die persönlichen und innovationsbezogenen Qualifikationen gemeinsam betrachtet. Persönliche Qualifikationen beziehen sich auf die individuellen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten. Dazu gehören Selbständigkeit und Umsicht bei der Aufgabenbewältigung, aber auch die Verantwortungsübernahme für und die Reflektion des eigenen Handelns, gerade im Hinblick auf die Auswirkungen der eigenen Tätigkeiten auf andere, die Wertschätzung von Kollegen, Lieferanten und Kunden, aber auch eine Belastbarkeit sowie Überzeugungs- und Durchsetzungsfähigkeit, gerade für Führungskräfte. Mit Intrapreneurship ist die Verantwortungsübernahme und ein unternehmerisches Mitdenken im eigenen Aufgabenbereich der Mitarbeiter gemeint (vgl. Pinchot 1985; Rule/ Irwin 1988). Innovationsbezogene persönliche Fähigkeiten erstrecken sich auf die Kreativität einer Person, auf die persönliche Offenheit, Neues zu erdenken und zu entdecken, auf die Fähigkeit Innovationen zu entwickeln und umzusetzen sowie auf die geistige Flexibilität und Fähigkeit, Probleme oder Aufgabenstellungen aus ganz verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Diese Fähigkeiten sind wichtig für die Mitarbeit in nachhaltigen Unternehmen, die nach neuen, ökologisch und sozial verträglichen Problemlösungen für Produkte und Produktionstechnologien suchen. Insgesamt zeigt sich, dass die Anforderungen an die Qualifikationen für potenzielle Mitarbeiter nachhaltiger Unternehmen sehr vielfältig und anspruchsvoll sind. Die Berücksichtigung dieser ganz unterschiedlichen Qualifikationen bei der Bewerberbeurteilung ist jedoch besonders wichtig, um später tatsächlich Mitarbeiter im Unter- <?page no="146"?> 11.3 Personalauswahl 147 nehmen zu haben, die sich besonders gut mit den vielfältigen, inter- und transdisziplinären Problembereichen auskennen und nachhaltige Problemlösungen entwickeln können. 11.3.2 Vorauswahl Bei der Vorauswahl werden die Bewerbungsunterlagen hinsichtlich ihrer Vollständigkeit und ihres Inhaltes analysiert und mit den zugrunde gelegten Anforderungen und Beurteilungskriterien verglichen und bewertet. Mittlerweile werden die meisten Bewerbungen per E-Mail oder online verschickt. Eher selten ist dagegen das Verschicken der Bewerbungsunterlagen per Post geworden. Die Nutzung des Internets zur Bewerbung entspricht dem Nutzungsverhalten elektronischer Medien insbesondere der jüngeren Generationen. Häufig bitten aber auch die Unternehmen nur um eine Bewerbung per E-Mail oder um eine online- Bewerbung. Bei online-Bewerbungen wird häufig um das Ausfüllen eines online-Bewerbungsformulars gebeten und weitere Bewerbungsunterlagen können als Anhang mit dem Bewerbungsformular an den stellenausschreibenden Arbeitgeber geschickt werden. Die Nutzung eines Online-Bewerbungsformulars hat für das stellenausschreibende Unternehmen den Vorteil, dass die eingehenden Bewerbungsformulare mit einer entsprechenden Software im Computersystem gleich mit den gewünschten Anforderungen an die zu besetzende Stelle abgeglichen werden. Diejenigen Bewerber, die wesentliche Bewerbungskriterien nicht erfüllen, werden automatisch aussortiert und erhalten eine Absage. Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein einer umfassenden Personalauswahlsoftware, die in der Lage ist, die eingehenden Bewerbungen systemintern zu verarbeiten und die Daten über den gesamten Bewerbungs- und Auswahlprozess unternehmensintern weiter zu verarbeiten. Für die Unternehmen hat das den Vorteil, dass auch eine große Anzahl an Bewerbungen schnell und automatisch einer ersten Vorauswahl unterzogen werden können. Gerade sehr bekannte oder als Arbeitgeber beliebte Unternehmen (z.B. BMW, Siemens, Bosch etc.) erhalten pro Jahr sehr viele Bewerbungen. Somit erleichtert eine online Bewerbung mit systeminterner Vorauswahl den Mitarbeitern des Personalmanagements erheblich die Bearbeitung der Bewerbungen. Allerdings hat diese automatische bzw. elektronische Vorauswahl den Nachteil, dass Bewerber, die nicht den üblichen bzw. gewünschten Anforderungen entsprechen, auch keine weitere Gelegenheit erhalten, ihre besonderen Fähigkeiten oder Eignung für die ausgeschriebene Stelle z.B. in einem persönlichen Vorstellungsgespräch zu präsentieren. Dadurch entgehen einem Arbeitgeber vielleicht außergewöhnliche Bewerber mit besonderen Talenten oder Fähigkeiten, die jedoch nicht den üblichen Anforderungen entsprechen. Diesen Aspekt sollten gerade nachhaltige Unternehmen berücksichtigen, die Mitarbeiter für ökologische oder soziale Aufgaben suchen. So können durch die standardisierte Vorauswahl Bewerber aussortiert werden, weil sie nicht den Mindeststandardanforderungen genügen. Vielleicht verfügen diese Bewerber aber gerade über besondere Querschnittqualifikationen im Umweltmanagementbereich, in der Umwelttechnik, in naturwissenschaftlichen Fachgebieten und im sozialen Bereich, weisen jedoch einen eher untypischen Lebenslauf auf oder können erforderliche Ausbildungsabschlüsse nicht vorweisen und fallen dadurch von vornherein aus dem Anforderungsprofil heraus. Um diese Potenziale bei Bewerbern in der Vorauswahl nicht zu übersehen, sollten beispielsweise einige zusätzliche Kategorien bzw. Fähigkeiten oder Erfahrungen auch bei Standardbewerbungsformularen abgefragt werden. Beispiels- <?page no="147"?> 148 11 Nachhaltige Personalbeschaffung weise könnte zusätzlich nach besonderen Fähigkeiten, Tätigkeiten und Erfahrungen mit ökologischem, gesellschaftlichem oder innovativem Bezug außerhalb der beruflichen Bildung und Weiterbildung gefragt werden. Die Analyse und Bewertung der Bewerbungsunterlagen wird nun detaillierter vorgestellt. Analyse und Bewertung der Bewerbungsunterlagen Die Analyse der Bewerbungsunterlagen konzentriert sich im Wesentlichen auf drei Bereiche: Auf die Vollständigkeit der angeforderten Unterlagen, die formale und stilistische Gestaltung der Unterlagen und auf die inhaltlichen Angaben. Die inhaltliche Prüfung der Unterlagen umfasst i.d.R. die folgenden Bestandteile und Kriterien: Tabelle 12: Kriterien der inhaltlichen Prüfung der Bewerbungsunterlagen Unterlagen der Bewerbung Beurteilungskriterien / Angaben Bewerbungsschreiben Aussagekraft des Anschreibens Interesse an Stelle Angaben zu Beschäftigungsverhältnissen, Qualifikationen, Fähigkeiten, Berufserfahrung, Bezug zu Anforderungen der Stelle ggf. Gehaltsvorstellungen, ggf. frühester Beschäftigungsbeginn Lebenslauf äußere Form, chronologische Struktur der Angaben Vollständigkeit der Angaben im Zeitverlauf Übereinstimmung der Angaben mit beigefügten Zeugnissen Wechselhäufigkeit von Berufstätigkeiten und Beschäftigungen Firmen- und Branchenkenntnisse Kontinuität der beruflichen Entwicklung Zeugnisse Schulzeugnisse Ausbildungszeugnisse Abschlusszeugnis Hochschulstudium Arbeitszeugnisse Referenzen Bestätigung über Kenntnisse, Fähigkeiten, bisherige Leistungen durch Dritte Personalfragebogen Vollständigkeit der Angaben zur Person, zur Schul- und Ausbildung, zur Berufstätigkeit, über spezielle Berufserfahrungen, Auskünfte zum Gesundheitszustand, Angaben zur Einstellung Arbeitsproben Besondere Fähigkeiten und Leistungen, die die Kreativität, das Ausdrucksvermögen sowie die Gestaltungsfähigkeit in kreativen Berufen (z.B. bei Grafikern, Journalisten, Designers, Textern) belegen Sonstiges Besondere Qualifikationen, Fähigkeiten, Leistungen, Erfahrungen des Bewerbers, die in den bisherigen Kategorien noch nicht erfasst wurden <?page no="148"?> 11.3 Personalauswahl 149 Die inhaltliche Bewertung der Bewerbungsunterlagen sollte in einem übersichtlichen Auswertungsbogen erfasst werden. Damit können die wesentlichen Kriterien mit ihrer jeweiligen Bewertung für jeden Bewerber, der in die engere Wahl kommt, übersichtlich dokumentiert werden und so auch für die spätere Detailauswahl und abschließenden Bewertung als Informationsdokument genutzt werden. Beispielhaft zeigt Abbildung 56 einen Auswertungsbogen der Bewerbungsunterlagen für die Stelle eines/ einer Referenten/ in im Nachhaltigkeitsmanagement eines Unternehmens. Abbildung 56: Auswertungsbogen für die Bewertung von Bewerbungsunterlagen Um die Informationen des Auswertungsbogens zu verdichten, kann auf dem Auswertungsbogen aufbauend ein Eignungsprofil für jeden Bewerber, der in die engere Wahl kommt, erstellt werden. Dieses Eignungsprofil fasst die Bewertung nochmals mit den Kernbewertungen zusammen und visualisiert die Einschätzung des jeweiligen Bewerbers. Um dies zu erreichen, muss der Aufbau und die wesentlichen Inhalte des Auswertungsbogens in das Eignungsprofil übernommen werden. Abbildung 57 zeigt beispielhaft das Eignungsprofil für die Stelle einer/ s Referent/ in für Nachhaltigkeitsmanagement. <?page no="149"?> 150 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Abbildung 57: Eignungsprofil konkrete Bewerberin für die Stelle Referent/ in Nachhaltigkeitsmanagement 11.3.3 Detailbeurteilung Diejenigen Bewerber, die in die engere Wahl für die Stellenbesetzung gekommen sind, werden zu einer detaillierteren Beurteilung eingeladen. Je nach den Anforderungen an die zu besetzende Stelle werden jeweils geeignete und angemessene Beurteilungsinstrumente bzw. Auswahlverfahren eingesetzt. Insgesamt verfügt das Personalmanagement über eine Vielzahl an Auswahlverfahren. Abbildung 58 gibt einen Überblick über die verbreitetsten Auswahlverfahren, von denen ausgewählte Verfahren im folgenden genauer erläutert werden. Als wesentliche Gruppen der Detailbeurteilung lassen sich die personenbezogenen Verfahren, die Testverfahren, das Assessment-Center und die situativen Verfahren unterscheiden. <?page no="150"?> 11.3 Personalauswahl 151 Abbildung 58: Übersicht wesentlicher Auswahlverfahren zur Personalgewinnung 11.3.3.1 Personenbezogene Verfahren Personenbezogene Verfahren dienen zur Beurteilung der Persönlichkeit eines Bewerbers. Biografischer Fragebogen Mit einem biografischen Fragebogen werden personenbezogene Vergangenheitsdaten, Verhaltensweisen und Hintergrundinformationen systematisch erfasst und psychometrisch ausgewertet (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 336 f.). Zugrunde liegt hier die Annahme, dass frühere Verhaltensweisen ein guter Indikator für zukünftiges Verhalten ist. Die Fragen in dem biografischen Fragebogen orientieren sich an den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Stelle und erfragen Verhaltensweisen in früheren Beschäftigungsverhältnissen, Einstellungen, besondere Ereignisse oder bisherige Tätigkeiten. Inhaltlich erstrecken sich die Fragen meist auf verschiedene Kategorien (vgl. Tabelle 13). Tabelle 13: Fragenkategorien und beispielhafte Items eines biografischen Fragebogens (vgl. Weinert 2004, S. 366 mit eigenen Erweiterungen) Biografischer Fragebogen Kategorien Beispielhafte Items persönliche Angaben Alter, Familienstand + seit wann, Anzahl Kinder sozialökonomischer und finanzieller Status Schulden, regelmäßige momentane Ausgaben, Wohneigentum, erwartetes Einkommen <?page no="151"?> 152 11 Nachhaltige Personalbeschaffung allgemeine Hintergrundinformationen eigener Beruf, Beruf naher Verwandter, elterliche Familie, Militärdienst und Rang Schulbildung Art der Schulbildung, Abschlüsse, Schulbildung des Partners, beliebte Fächer, Noten Studium Fächer, Abschlüsse, Dauer, hochschulpolitisches Engagement Berufstätigkeit und Berufserfahrung frühere Beschäftigungsverhältnisse, Anzahl früherer Berufe, aktuelle Beschäftigung (befristet / unbefristet), Kündigungsgründe persönliche Charakteristika / Einstellungen Selbstvertrauen, zentrale Grundbedürfnisse, bevorzugte Beschäftigungen und Aufgaben, Einverständnis für Versetzungen (andere Aufgaben, andere Orte) Erweiterungen für Beschäftigungsverhältnisse in nachhaltigen Unternehmen und ökologisch und sozial orientierte Aufgabenbereiche ökologische / umweltorientierte Einstellungen und Verhaltensweisen Umweltbewußtsein, umweltverträgliches Verhalten, Engagement in umweltverträglichen Aufgabenbereichen und Institutionen (beruflich und privat) soziale Einstellungen und Verhaltensweisen Einstellungen zu wichtigen aktuellen gesellschaftlichen Themenbereichen (z.B. Armut, Flüchtlingskrise, Bevölkerungswachstum), soziales bzw. gesellschaftliches Engagement und Tätigkeiten Innovationsfähigkeit und Kreativität Aufgeschlossenheit gegenüber Neuheiten (Produkte, Technologien), Entwicklung eigener Innovationen, Kenntnisse und Anwendung von Kreativitätstechniken (beruflich, privat), Umgang mit Problemstellungen, kreative Problemlösungssuche Wie die obenstehende Tabelle zeigt, lassen sich in einem biografischen Fragebogen gut auch ökologische, soziale und innovationsorientierte Kategorien und Items integrieren und damit abfragen. Mögliche konkrete Fragen in einem biografischen Fragebogen können sein: Wenn Sie an Ihre letzten beiden Beschäftigungsverhältnisse denken, was ist Ihnen dabei als besonders positiv im Gedächtnis geblieben, was sehen Sie im Nachhinein aber auch kritisch? Haben Sie sich in den letzten beiden Jahren ehrenamtlich engagiert? Wenn ja, bei welchen Institutionen und mit welchen Aufgaben und Inhalten? Inwieweit fällt es Ihnen schwer, Ihr Umweltbewusstsein mit Ihrem tatsächlichen Umwelthandeln in Einklang zu bringen? An welchen beruflichen oder privaten Weiterbildungen haben Sie in den letzten drei Jahren teilgenommen? Hat der Bewerber den biografischen Fragebogen ausgefüllt, so werden die Antworten bestimmten Merkmalen zugeordnet und dadurch ein biografisches Profil erstellt (vgl. Weinert 2004, S. 365 ff.). Als Merkmale können z.B. die Einstellung zur Arbeit, persönliche Interessen, das berufliche Engagement, die Teamorientierung, aber auch <?page no="152"?> 11.3 Personalauswahl 153 die Umweltorientierung, das umweltverträgliche Handeln, das gesellschaftliche Engagement oder die Innovationsfähigkeit und Kreativität herangezogen werden. Grafologisches Gutachten Bei einem grafologischen Gutachten werden Bewerber gebeten, einen handschriftlichen Lebenslauf mit einzureichen oder sich z.B. während eines anderen Auswahlverfahrens handschriftlich zu einem Thema zu äußern. Von dieser Schriftprobe wird ein grafologisches Gutachten angefertigt. Es dient zur Beurteilung der Persönlichkeit des Bewerbers und soll Aussagen u.a. über die Arbeitseinstellung des Bewerbers und seine psychischen Leistungspotenziale (z.B. Belastbarkeit, Dynamik, Integrationsbereitschaft, Durchsetzungsvermögen, Innovationsfähigkeit, Teamfähigkeit) ermöglichen. Dabei erstreckt sich die Beurteilung vor allem auf folgende personenbezogene Bereiche: (vgl. Jung 2008, 165 f.; Stopp/ Kirschten 2012, S. 121): Leistungspotenziale des Bewerbers: z.B. Auffassungsgabe, Anpassungsfähigkeit, Loyalität, Selbstständigkeit Leistungsstörungen des Bewerbers: Nachlässigkeit, Aggressivität, Nervosität, übertriebene Genauigkeit, Arroganz Persönlichkeitsbild des Bewerbers: z.B. Heiterkeit, Unsicherheit, Minderwertigkeitsgefühle, Egoismus, Kälte, Geduld, Einfühlungsvermögen, Selbstvertrauen Grafologische Gutachten werden beispielsweise bei der Besetzung von Führungspositionen oder der Bewertung von Spezialisten eingesetzt, die sich seltener anderen Test unterziehen lassen. Allerdings sollte auch das grafologische Gutachten i.d.R. nur ergänzend zu anderen Auswahlverfahren eingesetzt werden. 11.3.3.2 Testverfahren Reichen die vorhandenen Informationen für eine detaillierte Bewerberbeurteilung noch nicht aus, so können mit Hilfe von standardisierten Testverfahren, sog. psychologisch-diagnostischen Methoden, weitere Informationen über die Leistungsmerkmale, die Intelligenz und Persönlichkeitsmerkmale eines Bewerbers ermittelt werden. Die Standardisierung der Testverfahren umfasst deren Inhalt und Form sowie die Datenerfassung, -auswertung und Interpretation. Ziel der Testverfahren ist es, eine möglichst quantitative Einschätzung der individuellen Merkmalsausprägung zu erreichen. In der Praxis steigt die Nutzung von Testverfahren zur Personalauswahl deutlich an. Die Testverfahren können vor Ort im Unternehmen oder auch im Internet absolviert werden. Grundsätzlich werden die psychologisch-diagnostischen Verfahren (Testverfahren) unterschieden in Leistungstests, Intelligenztests und Persönlichkeitstests. Leistungstests messen die Fähigkeiten einer Person, sich eine bestimmte Zeit lang auf bestimmte Reize zu konzentrieren. Gemessen wird z.B. die Konzentrationsfähigkeit, die Geschicklichkeit (Handgeschicklichkeit, Fingerfertigkeit beim Umgang mit Materialien, Nähproben in der Textilindustrie), die Reaktionsfähigkeit oder die Rechengewandtheit. Intelligenztests messen die intellektuelle Leistungsfähigkeit, wie z.B. das abstrakte und logische Denken, die Problemlösungsfähigkeit, das räumliche Vorstellungsvermögen und die Gedächtnisleistung einer Person (vgl. Klausnitzer 1990, S. 19f.). <?page no="153"?> 154 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Persönlichkeitstests analysieren die Einstellungen, Interessen, Charaktereigenschaften, Wahrnehmungen und die Persönlichkeitsstruktur einer Person und ihr Verhalten in verschiedenen konstruierten Situationen. Jede der drei Testkategorien umfasst nochmals mehrere individuelle Tests, die hier jedoch nicht weiter vertieft werden, aber bei Stopp/ Kirschten (2012, S. 117 ff.) nachgelesen werden können. 11.3.3.3 Situative Verfahren Mit situativen Verfahren wird das Verhalten und die Fähigkeiten von Testpersonen in typischen Aufgabenbereichen der zukünftigen Stelle anhand von Beispielsituationen und konstruierten Fallstudien simuliert. Damit soll eine höhere Vorhersagegenauigkeit für die Qualifikationen und Fähigkeiten, das Verhalten und insgesamt die Eignung von Bewerbern für den zukünftigen Aufgabenbereich erreicht werden. Spezialisten und Führungskräfte beobachten und bewerten die Reaktionen und Lösungsstrategien der Testpersonen. Zu den situativen Verfahren zählen ganz verschiedene Übungen, die sich grob in Einzelübungen, Gruppenübungen und Rollenübungen unterscheiden lassen (erweitert aus Bröckermann 2009, S. 135). Tabelle 14: Situative Verfahren im Überblick situative Verfahren Einzelübungen Gruppenübungen Rollenübungen grundsätzlich für Einzelne und Gruppen geeignet Fallstudie Unternehmensplanspiel Computersimulationen Onlinespiele Fallstudie Unternehmensplanspiel Computersimulationen Onlinespiele Fallstudie Unternehmensplanspiel Computersimulationen Onlinespiele spezifische Eignung für Einzelne oder Gruppen Problemanalyse Schriftstücke prüfen/ verfassen Postkorb Präsentation Organisationsaufgabe Arbeitsauftrag Selbsteinschätzung Arbeitsprobe Gruppendiskussion (führungslos, rollenbasiert, mit/ ohne Moderation) Teamübung Kreativitätsübung Zukunftswerkstatt Vorstellungsgespräch Mitarbeitergespräch Konflikt Führungskraft/ Mitarbeiter Einzelübungen In Fallstudien werden fiktive aber praxisrelevante Problemstellungen aus dem zukünftigen Arbeitsbereich mehr oder weniger detailliert vorgestellt, verbunden mit einer konkreten Arbeitsaufgabe bzw. der Entwicklung einer Lösungsstrategie. Bei den simulierten Problemstellungen kann es sich um innerbetriebliche Konfliktsituationen, Entscheidungsprobleme oder typische arbeitsbezogene Problemstellungen handeln. Wichtig ist, dass verschiedene Verhaltens- und Entscheidungsmuster bei der Problemlösung der Fallstudie möglich sind. Die Testperson bearbeitet die Fallstudie in einer vorgegebenen Zeitdauer und soll eine begründete Problemlösung entwickeln <?page no="154"?> 11.3 Personalauswahl 155 und präsentierten. Je nach Bedarf und Bedeutung können Fallstudien unterschiedlich detailliert ausgearbeitet werden. So können sie als kurze Fallskizze mit kurzer Bearbeitungszeit und schneller Lösungsskizze konzipiert werden oder aber als ausführliche und detailreiche Fallstudie mit ausführlichen Hintergrundinformationen, wenn beispielsweise komplexe Problemstellungen bearbeitet werden sollen. Für die Übernahme ökologischer oder sozialer Aufgabenbereiche können Fallstudien entweder selbst konstruiert werden oder auf bestehende Fallstudien, zum Beispiel zum Umweltmanagement oder auch zum Nachhaltigkeitsmanagement zurückgegriffen werden. Allerdings ist das Angebot nachhaltigkeitsspezifischer Fallstudien für die Bewerberauswahl noch sehr begrenzt. Unternehmensplanspiele bilden komplexe Unternehmenssituationen und Unternehmensentwicklungen ab und berücksichtigen meist sowohl interne als auch externe Einflussfaktoren. Damit weisen Unternehmensplanspiele eine höhere Komplexität als Fallstudien auf. Eine zusätzliche Besonderheit besteht darin, dass die Teilnehmer eines Planspiels kontinuierliche Rückmeldungen über ihr gewähltes Verhalten bzw. ihre getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen erhalten. Dadurch gewinnt das Planspiel eine sehr dynamische Komponente. Planspiele können für unterschiedliche Kontexte entwickelt werden, beispielsweise für die Entwicklung einer Abteilung, eines ganzen Unternehmens oder gar der Entwicklung der Wirtschaft eines Landes oder Wirtschaftsraums. Für nachhaltige Unternehmens sind vor allem Planspiele interessant, die Unternehmensentwicklungen und komplexere Unternehmensprobleme simulieren. Für die Anwendung von Planspielen im Bereich nachhaltiger Aufgabenbereiche finden sich bislang eher konkrete Planspiele mit unternehmensübergeordneten Bezügen, teilweise existieren jedoch auch konkrete Planspiele für nachhaltige Unternehmensentwicklungen (vgl. Planspiele o.J.) Computersimulationen sind Programme, die komplexe Entwicklungen ganz unterschiedlicher Inhalte (Unternehmen, einer Wirtschaft, eines Ökosystems, der Weltbevölkerung, des demografischen Wandels) unter Berücksichtigung vielfältiger Parameter und unterschiedlicher Handlungsstrategien der „Spieler“ bzw. Akteure simulieren. Bekannte Computersimulationen sind beispielsweise die koordinierte Bevölkerungsentwicklung des deutschen statistischen Bundesamtes zur Vorhersage der deutschen Bevölkerungsentwicklung oder das Weltmodell von Meadows (vgl. Meadows 1972). Die Szenarien und Ergebnisse der Computersimulationen des „Weltmodells“ von Meadow und seinem Forscherteam in den 1970er Jahren sowie nachfolgende Studien und Computersimulationen zeigten schon damals deutlich die Grenzen des weltweiten Wachstums und die bevölkerungsbezogenen aber auch die ökologischen Auswirkungen traditioneller Wachstumsmodelle auf (vgl. Meadows 1972; Meadows et al. 2008). Dank der rasanten informations- und kommunikationsbezogenen Entwicklungen können Computersimulationen heute für sehr komplexe Themen und Problemstellungen entwickelt und eingesetzt werden. So lassen sich damit beispielsweise der Einsatz und die Auswirkungen neuer nachhaltiger Technologien, Produktionsverfahren, ganze Wertschöpfungsketten, aber auch die Entwicklung von nachhaltigen Unternehmen abbilden und simulieren. Der Einsatz von Computersimulationen für die Bewerberauswahl könnte für nachhaltige Aufgabenbereiche sinnvoll sein, um die Fähigkeiten zur Berücksichtigung vielfältiger Einflussfaktoren, und damit das komplexe und vernetzte Denken von Bewerbern bei der Entwicklung eines nachhaltigen Unternehmens zu testen und zu beurteilen. <?page no="155"?> 156 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Onlinespiele mit Testcharakter finden erst seit einigen Jahren größere Verbreitung als Testverfahren für potenzielle Interessenten oder auch direkt zur Bewerberbeurteilung. Onlinespiele mit Testcharakter nutzen den Unterhaltungswert von Computerspielen, testen aber gleichzeitig und meist verdeckt bestimmte Kenntnisse, Fähigkeiten und Reaktionsweisen der Spieler. Inhaltlich lassen sich Onlinespiele mit Testcharakter auf die spezifische Leistungserstellung eines Unternehmens und seine Besonderheiten sowie auch auf nachhaltigkeitsorientierte Problemstellungen und Entscheidungssituationen anpassen. Weitere Übungen für einzelne Bewerber Bei der Problemanalyse stehen die Testpersonen vor der Aufgabe, einen realistischen betriebsbezogenen Sachverhalt oder eine konkrete Problemsituation (z.B. Marktanalyse für umweltverträgliche Produkte, Stakeholderanalyse, Einhaltung bestehender Umweltschutzgesetze, Überprüfung der Einhaltung der Unternehmensstandards bei Akteuren der Wertschöpfungskette) zu analysieren und für eine bestehende Problematik Lösungsvorschläge zu entwickeln. Die Testpersonen erhalten zu Beginn der Übung nur wenige Informationen und müssen sich durch Gespräche (Interviews mit fiktiven Unternehmensvertretern) oder zur Verfügung gestellte Unterlagen (ggf. auch Internet- oder Intranetrecherchen) weitere aufgabenrelevante Information selbst beschaffen, auswerten und Lösungsvorschläge erarbeiten. Die Prüfung von Schriftstücken (z.B. Nachhaltigkeitsbericht, Geschäftsbericht, Wettbewerbsanalyse, Kundenreklamation) dient zur Bewertung, inwieweit und wie schnell die Testpersonen die wesentlichen problembezogenen Inhalte eines Schriftstücks identifizieren und analysieren können. Bei dem Verfassen eigener Schriftstücke (z.B. Kundenangebot, Werbetext, interne Mitarbeitermitteilung) werden insbesondere die Ausdrucks- und Argumentationsfähigkeiten sowie die Rechtschreibkenntnisse geprüft. Bei einer Postkorbübung muss die Testperson innerhalb einer vorgegebenen Zeit (z.B. einer halben Stunde) einen Postkorb mit ganz unterschiedlichen Schriftstücken (z.B. Notizen, Briefe, E-Mails, Terminanfragen, Aufträgen) nach ihrer Wichtigkeit und der Dringlichkeit ihrer Bearbeitung sortieren, aufgabenbezogene Zusammenhänge identifizieren, Prioritäten festlegen und einen Zeitplan für die Bearbeitung der jeweiligen Aufgaben ausarbeiten. Die Schriftstücke repräsentieren realistische Inhalte und Aufgaben des zukünftigen Aufgabengebietes und können inhaltlich auch auf die Besonderheiten nachhaltigkeitsbezogener Aufgaben, Briefe, Anfragen und Probleme ausgerichtet werden. Postkörbe können schriftlich oder auch elektronisch als Computersimulation konstruiert werden. Eine Präsentation fordert von der Testperson, ein bestimmtes Thema ggf. mit bereitgestellten Informationen für einen mündlichen Vortrag aufzubereiten, zu strukturieren und einem Publikum vorzutragen. Dabei wird die logische Strukturierung der Inhalte, die Argumentationskraft sowie die sprachliche Gewandtheit des Vortragenden beurteilt. An die Präsentation schließt sich meist eine Diskussion an mit ggf. vorbereiteten Fragen (vgl. Bröckermann 2007, S. 136). Die Themenstellung sollte inhaltliche Bezüge zum zukünftigen Aufgabenbereich haben. Bei einer Organisationsaufgabe soll die Testperson eine oder mehrere Aufgaben inhaltlich und zeitlich strukturieren und ihre Bearbeitung ganz oder teilweise an entsprechend geeignete Mitarbeiter delegieren. Mit einer Organisationsaufgabe sollen die organisatorischen Fähigkeiten einer Person getestet werden. Diese Aufgabe ist bei- <?page no="156"?> 11.3 Personalauswahl 157 spielsweise für Nachwuchsführungskräfte gut geeignet, die in ihrem zukünftigen Aufgabenbereich anfallende Aufgaben auf unterstellte Mitarbeiter verteilen soll. Mit der Durchführung eines konkreten Arbeitsauftrags wird ebenfalls (wie bei der Organisationsaufgabe) die inhaltliche und zeitliche Strukturierung und die fachlich kompetente Bearbeitung einer konkreten Aufgabe geprüft. Inhaltlich sollte der Arbeitsauftrag an den Besonderheiten der zukünftig zu besetzenden Stelle ausgerichtet sein. Bei einer Selbsteinschätzung soll eine Person ihre besonderen Fähigkeiten, Stärken aber auch Schwächen selbst einschätzen und beurteilen. Dies kann mündlich z.B. in einem Interview, im Vorstellungsgespräch oder in einer kurzen Präsentation erfolgen. Möglich ist auch die Selbsteinschätzung anhand eines Polaritätsprofils, das mehrere charakteristische Eigenschaftspaare enthält, wobei sich die Testperson jeweils für eine Eigenschaft entscheiden muss. Die Eigenschaftspaare können beispielsweise die folgenden sein: introvertiert / extrovertiert, durchsetzungsstark / durchsetzungsschwach, forsch / zurückhaltend usw. Beurteilt wird hier, inwieweit die Einschätzung der Testperson mit den Einschätzungen der Beurteiler aus anderen Testverfahren übereinstimmen und ob sich eine Testperson realistisch einschätzen kann. Gerade bei kreativen bzw. gestalterischen Aufgabenbereichen kann auch die Anfertigung einer Arbeitsprobe als Testverfahren gut geeignet sein. Hierbei soll die Testperson ihre besonderen gestalterischen, handwerklichen oder ausdrucksbezogenen Fähigkeiten in einer konkreten Arbeitsprobe zeigen. Beispielsweise könnte für die zu besetzende Stelle eines Werbetexters die Arbeitsprobe darin bestehen, ein Werbeplakat oder auch einen Werbeslogan für ein neues recyclingfähiges Produkt zu entwerfen. Oder ein Textildesigner wird gebeten, aus vorgegebenen Materialien ein Kleidungsstück zu entwerfen. Gruppenübungen Gruppendiskussionen dienen dazu, das Verhalten der Diskussionsteilnehmer in der Gruppendiskussion zu beobachten und zu bewerten. Auch die gruppendynamischen Prozesse innerhalb der Gruppe werden bei der Gruppendiskussion beobachtet. Gruppendiskussionen können führungslos, also ohne konkreten Moderator inszeniert werden oder mit einem expliziten Moderator, der die Diskussion und die Redebeiträge der verschiedenen Teilnehmer steuert. Gruppendiskussion können auch mit explizit vorgegebenen Rollen (z.B. der Skeptiker, der Fachexperte, der Finanzexperte, der Ideengeber) konstruiert werden, um zu beobachten, wie konsequent die Rollen von den Rolleninhabern angenommen und vertreten werden. Beurteilt wird hierbei das Verhalten der Teilnehmer während der Diskussion, ihre Argumentationsstärke, ihre Durchsetzungsfähigkeit und ihr Sozialverhalten. Inhaltlich lassen sich Gruppendiskussion gut auf spezifische unternehmensbezogene Themenstellungen und Problemsituationen anpassen. Bei einer Teamübung werden die Teilnehmer in mehrere Teams aufgeteilt und müssen entweder die gleiche Aufgabe oder auch unterschiedliche Aufgaben eines Gesamtauftrages bearbeiten. Beispielsweise werden alle Teams mit der gleichen Aufgabe beauftragt, aus vorgegebenen Materialien einen Turm zu bauen. Das Team, das den höchsten Turm gebaut hat, hat gewonnen. Oder die Teams bekommen die Aufgabe, ein im Unternehmen hergestelltes Produkt im Hinblick auf seinen Materialeinsatz, seine Herstellung, seinen Gebrauch und seine Recyclingfähigkeit ökologisch verträglich zu gestalten. Dabei übernimmt jedes Team eine Teilaufgabe (Team 1: Einsatz ökologisch verträglicher Materialien, Team 2: ökologisch verträgliche Produkther- <?page no="157"?> 158 11 Nachhaltige Personalbeschaffung stellung, Team 3: Langlebigkeit und ggf. Energieeffizienz des Gebrauchs, Team 4: hohe Recyclingfähigkeit des Produktes), wobei sich die Teams bei ihrer ökologisch verträglichen Produktgestaltung untereinander auch abstimmen müssen. Beurteilt wird hierbei vor allem die Zusammenarbeit im Team und zwischen den verschiedenen Teams, die Übernahme verschiedener Rollen im Team, die Gruppendynamik, aber auch das inhaltliche Ergebnis der Aufgabenerfüllung. Kreativitätsübungen dienen dazu, die Kreativitätspotenziale und die Innovationsfähigkeit der Teilnehmer zu ermitteln und zu bewerten. Es gibt eine Vielzahl an Kreativitätsübungen, die auch für relativ kurze Übungen geeignet sind (vgl. Schlicksupp 2004; Klein 2006). Inhaltlich sollten unternehmensspezifische bzw. aufgabenspezifische Themen bearbeitet werden, die einen Bezug zum zukünftigen Aufgabenbereich der zu besetzenden Stelle haben. Eigentlich ist eine Zukunftswerkstatt eine mindestens eintägige, meist auch mehrtägige Veranstaltung, bei der, je nach Gegenstand (z.B. zukünftige Entwicklung eines Unternehmens, einer Stadt, bestimmter Technologien) zunächst die gegenwärtige Situation auch mit ihren Schwächen analysiert wird und anschließend von den Teilnehmern wünschenswerte Szenarien für die zukünftige Entwicklung des inhaltlichen Gegenstandes erarbeitet werden. Im letzten Schritt werden die Wunschvorstellungen der Zukunft auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft und bearbeitet (vgl. Kuhnt/ Müllert 2006). Als Verfahren zur Bewerberbeurteilung müsste das Instrument der Zukunftswerkstatt auf einen kurzen Zeitraum hin konzipiert werden (z.B. eine Stunde bis ½ Tag). Der strukturelle Ablauf mit den drei Phasen Ist-Analyse, Entwicklung von Zukunftsszenarien und Überprüfung der Zukunftsszenarien auf ihre Umsetzbarkeit sollte beibehalten werden. Gerade für nachhaltigkeitsorientierte Aufgabenbereiche ist die Zukunftswerkstatt ein interessantes Verfahren, da es Ideen und Wünsche zukünftiger Entwicklungsperspektiven hervorbringt, gleichzeitig aber auch die Umsetzungsmöglichkeiten für die gewünschte Zukunft untersucht. Wird die Zukunftswerkstatt als Auswahlverfahren für Bewerber eingesetzt, so werden die Teilnehmer einer Zukunftswerkstatt hinsichtlich ihrer Analysefähigkeiten, ihrer Kreativität, ihrer Innovationsfähigkeit aber auch hinsichtlich ihres Realitäts- und Praxisbezuges zur Umsetzung wünschenswerte zukünftiger Entwicklungen beurteilt (vgl. sowi-online o.J.; Kuhnt/ Müllert 2006; Müllert 2009). Rollenübungen In Rollenspielen werden aufgabenbezogene Arbeitssituationen simuliert, wie beispielsweise ein Bewerbungsgespräch, ein Mitarbeitergespräch, ein Konfliktgespräch oder ein Entlassungsgespräch. Rollenspiele testen die Kommunikationsfähigkeit, insbesondere die Verhandlungsstärke, Überzeugungsfähigkeit und inhaltliche Argumentation in vorgegebenen Situationen und Rollen (vgl. Zurmühl 2016). Beispiel eines nachhaltigkeitsorientierten Rollenspiels könnte eine Gesprächssituation sein, in der die Personalleitung bei der Geschäftsleitung die Einrichtung einer Stelle eines Referenten für Nachhaltigkeitsmanagement argumentativ einfordert. Die Ausführungen haben gezeigt, dass es eine Vielzahl an situativen Verfahren gibt, mit denen verschiedene Qualifikationen, Fähigkeiten, Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen von Personen bzw. Bewerbern getestet und beurteilt werden können. Je nach zu besetzender Stelle im Unternehmen sollten diejenigen Verfahren ausgewählt werden, die am besten die notwendigen Stellenanforderungen testen. Zu- <?page no="158"?> 11.3 Personalauswahl 159 sätzlich müssen die ausgewählten Verfahren jeweils an die inhaltlichen, qualifikationsbezogenen und persönlichen Anforderungen der jeweiligen Stelle angepasst bzw. neu entwickelt werden. Insofern kann hier nur ein grobes Gerüst der möglichen situativen Verfahren vorgestellt werden. Abschließend bietet die folgende Tabelle einen Überblick, welche spezifischen Anforderungen an zukünftige Mitarbeiter von welchen situativen Verfahren besonders getestet werden. Tabelle 15: Überblick der von situativen Verfahren getesteten Anforderungsmerkmale (in Anlehnung an Bröckermann 2007, S. 139; Heyse/ Erpenbeck 2004, S. XXI; Obermann 2009 mit eigenen Ergänzungen und Veränderungen) Überblick der von situativen Verfahren getesteten Anforderungsmerkmale situatives Verfahren prüft insbesondere die folgenden Anforderungsmerkmale Fallstudie Delegieren, ergebnisorientiertes Handeln, Einsatzbereitschaft, Beziehungsmanagement, Gestaltungswille, Sprachgewandtheit, Entscheidungsfähigkeit, Beharrlichkeit, Tatkraft, Belastbarkeit, analytische Fähigkeiten, schöpferische Fähigkeit, Organisationsfähigkeit, normativ-ethische Einstellung, Selbstmanagement Unternehmensplanspiel Einsatzbereitschaft, Beziehungsmanagement, Gestaltungswille, Teamfähigkeit, Sprachgewandtheit, Entscheidungsfähigkeit, Integrationsfähigkeit, Beharrlichkeit, zielorientiertes Führen, Tatkraft, Belastbarkeit, analytische Fähigkeiten, schöpferische Fähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit Computersimulation ergebnisorientiertes Handeln, analytische Fähigkeiten, schöpferische Fähigkeit, vernetztes Denken, Belastbarkeit, Entscheidungsfähigkeit Onlinespiele Tatkraft, Beharrlichkeit, analytische Fähigkeiten, Reaktionsschnelligkeit, ergebnisorientiertes Handeln Schriftstücke prüfen / verfassen Sprachgewandtheit, analytische Fähigkeiten, Organisationsfähigkeit, schöpferische Fähigkeit, Selbstmanagement, Belastbarkeit, Gestaltungswille Postkorb Organisationsfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Delegationsvermögen, analytische Fähigkeiten, Reaktionsschnelligkeit Präsentation Sprachgewandtheit, Belastbarkeit, Empathie, methodische Fähigkeiten, Darstellungsfähigkeit, Selbstmanagement Organisationsaufgabe Organisationsfähigkeit, Delegationsfähigkeit, zielorientiertes Führen, Belastbarkeit, analytische Fähigkeiten, Entscheidungsfähigkeit Arbeitsauftrag analytische Fähigkeiten, Organisationsfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Tatkraft, zielorientiertes Handeln, Selbstmanagement Selbsteinschätzung Selbstmanagement, analytische Fähigkeiten, Beziehungsmanagement, reflektiertes Denken Arbeitsprobe ergebnisorientiertes Handeln, schöpferische Fähigkeit, Belastbarkeit, Gestaltungswille, Selbstmanagement, handwerkliche Fertigkeiten <?page no="159"?> 160 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Gruppendiskussion Beziehungsmanagement, Teamfähigkeit, Sprachgewandtheit, Einsatzbereitschaft, Integrationsfähigkeit, Beharrlichkeit, Argumentationsstärke, normativ-ethische Einstellung, Durchsetzungsfähigkeit Rollenübung/ -spiel Beziehungsmanagement, ergebnisorientiertes Handeln, Integrationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Einsatzbereitschaft, Sprachgewandtheit, Beharrlichkeit, Durchsetzungsfähigkeit Kreativitätsübung schöpferische Fähigkeit, Kreativität, Innovationsfähigkeit, analytisches Denken, Gestaltungswille Zukunftswerkstatt Kreativität, Innovationsfähigkeit, schöpferische Fähigkeit, analytisches Denken, Gestaltungswille, Integrationsfähigkeit, Argumentationsfähigkeit, Organisationsfähigkeit 11.3.3.4 Assessment-Center Assessment bedeutet Beobachtung, Einschätzung bzw. Beurteilung. In einem Assessment-Center werden verschiedene Instrumente der beruflichen Eignungsdiagnostik kombiniert, die von einer Gruppe von Personen (ca. 5-10) meist ein bis zwei Tage bearbeitet werden. Zu den eingesetzten Instrumenten gehören u.a. Einzelübungen, Präsentationen, Gruppenaufgaben und Rollenspiele, die zukünftige berufliche Arbeitssituationen simulieren und von den Teilnehmern einzeln oder in Gruppen bearbeitet werden. Beobachtet und beurteilt werden die Teilnehmer bei der Bewältigung ihrer Aufgaben durch mehrere geschulte Beobachter, sog. Assessoren. Ein Moderator begleitet die Teilnehmer durch das Assessment-Center. Ziel eines Assessment-Centers ist es, die Eignung der Teilnehmer für die Aufgaben und Anforderungen der zu besetzenden Stelle, aber auch ihre Teamfähigkeit, ihr Ausdrucksvermögen, ihre Umgangsformen und ihr Transfervermögen zu testen und zu beurteilen (vgl. Obermann 2009). Grundsätzlich lässt sich ein Assessment-Center (AC) durch folgende Merkmale kennzeichnen (Jung 2008, S. 174): Tabelle 16: Merkmale eines Assessment-Centers <?page no="160"?> 11.3 Personalauswahl 161 Assessment Center sind sehr aufwendig und verursachen hohe Kosten, da das Assessment Center detailliert inhaltlich und organisatorisch vorbereitet werden muss, die Übungen ggf. auf die ausgeschriebene Stelle angepasst werden müssen, die Teilnehmer während der Veranstaltung betreut und verpflegt werden müssen, mehrere Beobachter für die Beurteilung der Teilnehmer geschult und zur Verfügung stehen müssen und ein Moderator für die Veranstaltung gewonnen werden muss. Zusätzlich müssen geeignete Räumlichkeiten für die Durchführung des Assessment Centers gefunden werden. Neben den typischen Formen des Gruppen-Assessment-Centers und des Einzel-Assessment-Centers (für hochqualifizierte Fach- oder Führungspositionen) hat sich im Zuge der steigenden Internetnutzung mittlerweile auch das Online-Assessment Center entwickelt. Ein Online-Assessment-Center kann im Internet durchgeführt werden und wird durch Videotechnologie und Methoden des E-Learnings unterstützt. So können ebenfalls Einzel- und Gruppenübungen sowie Interviews online von den Teilnehmern durchgeführt und von ausgewählten Beobachtern beurteilt werden. Der wesentliche Vorteil eines Online Assessment Center besteht darin, dass es wesentlich kostengünstiger ist, da keine Räumlichkeiten, keine Materialien, keine Verpflegung und Betreuung sowie keine Reisekosten anfallen. Auch für die Teilnehmer ist der Aufwand deutlich geringer. Allerdings sind Online Assessment Center auch mit Nachteilen behaftet. Dazu zählen mögliche Probleme mit der notwendigen Hard- und Software und der Datensicherheit sowie die Unsicherheit, ob ein Teilnehmer das Online Assessment Center tatsächlich selbst durchführt oder vielleicht Hilfe anderer Personen in Anspruch nimmt. Auch ist die Akzeptanz des Online Assessment Centers bei den Teilnehmern teilweise noch eingeschränkt. Bislang werden Online Assessment Center daher meist zur Vorauswahl von Bewerbern eingesetzt. Zusätzlich haben sich als Internetangebot Online-Spiele entwickelt, die einen ähnlichen aber verdeckten Prüfungscharakter haben, da sie als „Spiel“ unterhaltsamer sind und der Prüfungscharakter nicht so sichtbar ist. Eine weitere Form bildet das On-the-job Assessment, das meist für die Personalbeurteilung und im Rahmen der Personalentwicklung eingesetzt wird. Bei dieser Assessmentform werden ein bis zwei Teilnehmer für eine bestimmte Zeit an einem realen Arbeitsplatz eingesetzt, der die fachlichen Aufgaben der zukünftig zu besetzenden Stelle beinhaltet. Die Teilnehmer müssen an diesem Arbeitsplatz verschiedene typische Aufgaben bearbeiten. Dazu gehören z.B. die Strukturierung und Bearbeitung konkreter Aufgaben, Teamarbeit oder die Präsentation von Arbeitsergebnissen. Bewertet werden die fachlichen Arbeitsergebnisse, die Arbeitseffizienz und die Teamfähigkeit, die durch vorher geschulte Arbeitskollegen erfolgt (vgl. Au 2017). Die in einem Assessment Center zu bearbeitenden Aufgaben und Übungen sollten stets auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle ausgerichtet werden. Damit können nachhaltige Unternehmen die Aufgaben eines Assessment Centers auf die jeweils spezifischen ökologischen, sozialen, innovativen oder auch technischen Anforderungen und Aufgaben der zu besetzenden Stelle ausrichten. In Anlehnung und Erweiterung an Jung (vgl. u.a. Jung 2006, S. 176) lassen sich die folgenden Hauptgruppen der im Assessment-Center einzusetzenden Aufgaben unterscheiden (vgl. Tabelle 17). <?page no="161"?> 162 11 Nachhaltige Personalbeschaffung Tabelle 17: Hauptgruppen von Aufgaben eines Assessment Centers Hauptgruppen von Aufgaben eines Assessment Centers Hauptgruppe Beispielhafte Übungen Einzelkämpferaufgabe Interviews Postkorbübung Selbsteinschätzung Management-Fragebogen Jeder gegen jeden führungslose Gruppendiskussion Spezialprobleme des zukünftigen Aufgabenbereichs Einer gegen den anderen Rollenspiele Einer gegen alle Präsentationen Gruppenaufgaben Planspiele Fallstudien Die meisten der in Tabelle 17 aufgeführten Aufgaben und Übungen wurden bereits im vorherigen Kapitel beschrieben und werden daher hier nicht weiter erläutert. Die Tabelle 18 zeigt beispielhaft den Ablauf eines eintägigen Assessment Centers. Tabelle 18: Ablauf eines eintägigen Assessment Centers Zeitplan und Ablauf eines eintägigen Assessment Centers Vorarbeiten Termin (ca.) Aktion 6 Wochen vorher Vorauswahl der Teilnehmer 5 Wochen vorher Auswahl der Verfahren, Übungen, Beobachtungs- und Beurteilungskriterien, Auswahl der Assessoren und eines Moderators, Terminabsprache, Raumreservierung 4 Wochen vorher Einladung der Teilnehmer 2 - 3 Wochen vorher Mindestens eintägige Assessorenschulung 1 Woche vorher Verbindliche Abstimmung mit Assessoren und Moderator Überprüfung der Teilnahme der Bewerber (Absagen, offene Fragen, …) Durchführung Zeit Teilnehmer Assessoren 8.30 Ankunft der Teilnehmer und Begrüßung Vorbereitung 8.45 Vorstellungsrunde mit Selbstpräsentation (3 min / Teilnehmer) Beobachtung 9.15 Briefing und Vorbereitung auf Gruppendiskussion Bewertung Selbstpräsentation 9.30 Gruppendiskussion Beobachtung <?page no="162"?> 11.3 Personalauswahl 163 10.00 Pause Bewertung Gruppendiskussion 10.15 Postkorbübung (individuelle Postkorbbearbeitung und anschließende Vorstellung der Priorisierung der Aufgaben + Diskussion) Beobachtung + Bewertung 11.15 Bearbeitung Fallstudie und Vorbereitung der Ergebnispräsentation Beobachtung 12.15 Mittagessen Bewertung der Fallstudienbearbeitung 13.00 Präsentation der Ergebnisse der Fallstudie in Kleingruppen (jeweils 15 min) + Diskussion Beobachtung der Ergebnispräsentationen 14.00 Briefing und Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs in der Rolle des Vorgesetzten Beurteilung der Ergebnispräsentationen 14.30 Einzelnen-Mitarbeitergespräche (je 15 min) Beobachtung 15.30 Pause Kennenlernen von Mitarbeitern des Unternehmens Bewertung der Mitarbeitergespräche 16.00 elektronischer Eignungstest (5 Bereiche mit je 15 Aufgaben in je 30 Sekunden) Beobachtung, Auswertung der Testergebnisse 17.00 Feedbackrunde über Ablauf des AC mit Moderator, Assessoren und PM-Verantwortlichen Teilnahme + Beobachtung 17.30 Ende, Verabschiedung der Teilnehmer abschließende gemeinsame Beurteilung und Bewertung der einzelnen Teilnehmer 11.3.3.5 Vorstellungsgespräch Nach Abschluss der detaillierten Bewerberprüfung durch die bisher vorgestellten Instrumente sollte die Bewertung der in der engeren Auswahl getesteten Bewerber in einem jeweils pro Bewerber erstellten Eignungsprofil (vgl. Abbildung 57) erfasst werden. Die Eignungsprofile der Bewerber werden mit dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle abgeglichen. So wird schnell deutlich, welche Bewerber dem konkreten Anforderungsprofil am ehesten entsprechen und damit in die sehr enge Wahl kommen. Im nächsten Schritt werden die ca. fünf am besten geeigneten Bewerber für die zu besetzende Stelle zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sind noch zu viele Bewerber in der engen Auswahl oder soll der Aufwand der persönlichen Vorstellungsgespräche stärker begrenzt werden, so können vor ab auch telefonische oder online-Vorstellungsgespräche als Kurzform, sog. Screening Kontakte, durchgeführt werden. Sie dienen der weiteren Auswahl, welche Bewerber tatsächlich zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch eingeladen werden sollen. Das persönliche Vorstellungsgespräch bietet die Gelegenheit, mit den Bewerbern, die in die sehr enge Wahl gekommen sind, nochmal ein detailliertes persönliches Gespräch zu führen und dadurch die Bewerber näher kennenzulernen und auch persönlich zu erleben. Zusätzlich können die bisherigen Informationen über die Bewerber durch gezielte Fragen ergänzt werden. Besonders interessieren hierbei beispielsweise Informationen über die Motive des Bewerbers für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle und im Unternehmen, die zukünftigen Entwicklungsziele des Bewerbers, bis- <?page no="163"?> 164 11 Nachhaltige Personalbeschaffung herige andere berufliche Erfahrungen (z.B. Gründe für frühere Stellenwechsel) und die Abstimmung der Unternehmenswerte und Kultur mit den Wertvorstellungen des Bewerbers. Darüber hinaus hat der Bewerber im Vorstellungsgespräch auch die Gelegenheit, selbst Fragen zur zukünftige Stelle, den Anforderungen und Aufgabenbereichen, zum Gehalt und zur Zusammenarbeit mit Kollegen, den unternehmensinternen Entwicklungsmöglichkeiten und weitere Fragen zu stellen, um so selbst besser einschätzen zu können, ob die ausgeschriebene Stelle und die Arbeitsbedingungen seinen Vorstellungen und Wünschen entspricht. So gewinnen beide Seiten, Unternehmensvertreter und Bewerber einen detaillierteren persönlichen Eindruck und vertiefen ihren Informationsstand (vgl. Jetter 2008). 11.3.4 Gesamtentscheidung Sind die Auswahlverfahren abgeschlossen, bleiben idealerweise mehrere Bewerber in der engsten Auswahl zur Besetzung der ausgeschriebenen Stelle. Um nun den am besten geeigneten Bewerber für die offene Stelle zu identifizieren, ist ein Profilabgleich zu empfehlen, das heißt ein Abgleich des Anforderungsprofils mit den jeweiligen Eignungsprofilen der Bewerber in der engsten Wahl. Abbildung 59 zeigt einen Profilabgleich für die Stelle eines Referenten für Nachhaltigkeitsmanagement. Abbildung 59: Profilabgleich zwischen dem Anforderungsprofil und dem Eignungsprofil eines Bewerbers <?page no="164"?> 11.3 Personalauswahl 165 Nach dem Profilabgleich sollte der für die ausgeschriebene Stelle am besten geeignete Bewerber für die Stellenbesetzung ausgewählt werden. Für den Fall, dass der am besten geeignete Bewerber nicht mehr für die Stellenbesetzung zur Verfügung steht, sollte noch der zweitbeste Bewerber bestimmt werden und bei Absage des am besten geeigneten Bewerbers für die Stellenbesetzung angesprochen werden. Nach der Entscheidung für die Stellenbesetzung und auch nach Zustimmung des Betriebsrates erhält der am besten geeignete Bewerber eine schriftliche Zusage, meist mit der Einladung zu detaillierten Vertragsverhandlungen. Möglich ist auch ein vorheriges Telefonat zur Klärung, ob der Bewerber für die Stellenbesetzung noch zur Verfügung steht. Bis auf den zweitbesten Bewerber wird allen anderen Bewerbern schriftlich abgesagt. Die Bewerber, die in die enge Wahl gekommen sind, aber nicht für die Stelle ausgewählt wurden, können im Ablehnungsschreiben noch gefragt werden, ob sie mit der Aufnahme ihrer Daten und Qualifikationen in den unternehmensinternen Bewerberpool einverstanden sind. Wenn ja, können die Daten der interessanten Bewerber im Bewerberpool des Unternehmens gespeichert werden und bei Bedarf, d.h. der Besetzung einer anderen ähnlichen Stelle, wieder als potenzielle Kandidaten angesprochen werden. Nach den Vertragsverhandlungen wird das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Mitarbeiter durch einen Arbeitsvertrag rechtlich verbindlich abgeschlossen. In dem Arbeitsvertrag verpflichtet sich der zukünftige Mitarbeiter zur Eingliederung in das Unternehmen und zur Erbringung der vertraglich festgelegten Arbeitsleistungen. Hier sollten die zu erbringenden Arbeitsleistungen und zu betreuenden Aufgabenbereiche möglichst konkret benannt werden und die Stellenbeschreibung als Vertragsbestandteil mit aufgenommen werden. Andererseits verpflichtet sich das Unternehmen als Arbeitgeber zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgeltes. Die rechtlichen Grundlagen des Arbeitsvertrages können dabei je nach konkretem Beschäftigungsverhältnis die Regelungen der relevanten Gesetze (z.B. BGB), geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie die Entscheidungen der aktuellen Rechtsprechung umfassen. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Erläutern Sie die drei Aufgabenbereiche der Personalbeschaffung. 2. Überlegen Sie, welche Bedeutung die drei Funktionen der Personalwerbung für nachhaltige Unternehmen haben. 3. Welche Vorteile hat das Employer Branding für nachhaltige Unternehmen? 4. Welche Rolle spielen die sozialen Medien beim Employer Branding? 5. Welche Funktionen können Nachhaltigkeitsberichte für die Personalwerbung nachhaltiger Unternehmen übernehmen? 6. Welche Möglichkeiten bietet das college recruiting nachhaltigen Unternehmen bei der Personalwerbung? 7. Wodurch unterscheidet sich die interne von der externen Personalwerbung? <?page no="165"?> 166 12 Nachhaltiger Personaleinsatz 8. Beurteilen Sie die Anwerbung durch Mitarbeiter als Instrument der Personalbeschaffung. 9. Erläutern Sie den Prozess der Personalauswahl. 10. Welche Bedeutung hat das Assessment Center zur Personalauswahl? 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Der Personaleinsatz ist dafür verantwortlich, die Beschäftigten optimal in den Arbeitsprozess und in ihren Aufgabenbereich einzugliedern und die Arbeitsinhalte, den Arbeitsplatz sowie die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter aber auch für das Unternehmen zufriedenstellend zu gestalten (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 154). Die Besonderheiten des Personaleinsatzes in nachhaltigen Unternehmen werden im Folgenden ausführlich behandelt. 12.1 Einführung und Einarbeitung Nach dem zeit- und kostenintensiven Auswahlprozess von Bewerbern zur Besetzung einer neuen Stelle ist es außerordentlich wichtig, die neuen Mitarbeiter freundlich im Unternehmen aufzunehmen und sie systematisch in ihren neuen Aufgabenbereich einzuarbeiten. Geschieht das nicht oder nur unzureichend, so besteht die Gefahr, dass ein neu gewonnener Mitarbeiter schnell wieder kündigt, da seine Erwartungen an den Aufgabenbereich und das Unternehmen nicht erfüllt wurden. Eine neue Beschäftigung wird von dem Mitarbeiter zunächst mit einer gewissen Unsicherheit angetreten, da ihn oder sie meist ein neues Aufgabengebiet, neue Kollegen und ein neuer Arbeitgeber erwarten. So lasten die eigenen Erwartungen des neuen Mitarbeiters auf ihm, aber auch die Erwartungen des neuen Arbeitgebers und der Kollegen. Daher ist es besonders wichtig, einen neuen Mitarbeiter in dieser unsicheren Situation im Unternehmen willkommen zu heißen, ihn umfassend zu unterstützen, in sein neues Aufgabengebiet einzuarbeiten und im Unternehmen zu integrieren. Unterschieden wird hier zwischen einer anfänglichen Einführung des neuen Mitarbeiters an seinem ersten Arbeitstag und einer systematischen Einarbeitung in den ersten Wochen seiner neuen Berufstätigkeit. 12.1.1 Einführung des neuen Mitarbeiters am ersten Arbeitstag Nach Abschluss des Arbeitsvertrages beginnt die Vorbereitung auf den neuen Mitarbeiter. Vor Antritt der neuen Stelle sollte ihm sein Vorgesetzter bzw. die Personalabteilung detailliertere Informationen über seinen neuen Aufgabenbereich und das Unternehmen zuschicken (schriftlich oder als elektronische Datei), damit sich der neue Mitarbeiter bereits vor dem ersten Arbeitstag genauer auf seine zukünftige Stelle und den neuen Arbeitgeber vorbereiten kann. Die vorab zuzuschickenden Informationen sollten die Stellenbeschreibung, das Leitbild und Organigramm des Unternehmens, den aktuellen Geschäftsbericht und Nachhaltigkeitsbericht, ggf. weitere Unternehmensinformationen oder -broschüren, formale Organisationsregeln und <?page no="166"?> 12.1 Einführung und Einarbeitung 167 wichtige Ansprechpartner im Unternehmen umfassen. Der Umfang dieser Informationen ist auch von der hierarchischen Position und dem zukünftigen Aufgabengebiet abhängig. Weitere unternehmensinterne Vorbereitungen betreffen vor allem die Organisation des ersten Arbeitstages sowie die Erarbeitung eines spezifischen Einarbeitungsprogramms für den neuen Mitarbeiter. Die Organisation des ersten Arbeitstages obliegt vor allem dem direkten Vorgesetzten. Wichtig ist ein persönlicher Empfang des neuen Mitarbeiters an seinem ersten Arbeitstag durch den direkten Vorgesetzten. Ein kleines Willkommensgeschenk unterstreicht die Aufmerksamkeit für den neuen Mitarbeiter. In dem anschließenden Begrüßungsgespräch zwischen Vorgesetztem und neuem Mitarbeiter können das Befinden des neuen Mitarbeiters, Inhalte seiner geplanten Einführung und Einarbeitung, aktuelle Informationen sowie noch zu klärende Formalitäten (Laufzettel, Dokumente, Mitarbeiterausweis, Zugangsberechtigung zum Intranet etc.) besprochen werden. Danach wird ihm vom Vorgesetzten sein Arbeitsplatz und seine direkten Kollegen, Inhalte seines Aufgabenbereichs und seine Bedeutung für das Gesamtunternehmen vorgestellt. Empfehlenswert ist die Benennung eines Kollegen als Ansprechpartner oder Pate, der den neuen Mitarbeiter während seiner Ein-arbeitungszeit begleitet und für Fragen und Schwierigkeiten zur Verfügung steht. Die Patenschaft sollte vorher mit dem entsprechenden Kollegen abgesprochen werden. Wesentliche Arbeitsunterlagen, wie z.B. eine genaue Arbeitsplatz- und Aufgabenbeschreibung, zu beachtende Arbeitsvorschriften und -regeln (z.B. Sicherheitsvorschriften), ein Telefonverzeichnis und weitere aufgaben- und unternehmensbezogene Unterlagen sollten bereits am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Ein Rundgang (entweder mit dem Vorgesetzten oder dem Kollegen als Paten) durch die Abteilung und das Unternehmen ermöglicht dem neuen Mitarbeiter ein erstes Kennenlernen der wesentlichen Bereiche und Örtlichkeiten des Unternehmens. Dabei können gleich die Besonderheiten des nachhaltigen Unternehmens hinsichtlich z.B. der ökologisch verträglichen Arbeitsplätze, Gebäudegestaltung und Ausstattung, der sozialen Angebote für die Mitarbeiter sowie der nachhaltigen Produktionsgestaltung bzw. Leistungserstellung besonders hervorgehoben werden. Gleichzeitig wird damit auch auf die nachhaltigen Werte und die Besonderheiten der Unternehmenskultur aufmerksam gemacht. Eine weitere empfehlenswerte Willkommensgeste am ersten Arbeitstag ist ein gemeinsames Mittagessen des Vorgesetzten und der Kollegen mit dem neuen Mitarbeiter. Dies verstärkt beim neuen Mitarbeiter das Gefühl, willkommen zu sein und von den Kollegen und vom Vorgesetzten wert geschätzt zu werden (vgl. Engelhardt 2014; Nicolai 2015, S. 1112 ff.). Die folgenden Informationen und Instrumente unterstützen den Empfang und die Einführung des neuen Mitarbeiters an seinem ersten Arbeitstag (vgl. Stopp/ Kirschen 2012, S. 146; Olfert 2008, S. 177f.; Engelhardt 2014): Eine Checkliste, die alle wichtigen Informationen zum und Abläufe am ersten Arbeitstag des neuen Mitarbeiters sowie wichtige zu regelnde Formalitäten enthält. Dazu kann der Besuch der Personalabteilung, die Übergabe von Schlüsseln und Zugangs- Passwörtern an den Mitarbeiter, ein Betriebsausweis sowie die Vorstellungsrunde in wichtigen Abteilungen gehören. Die Checkliste kann als Grundgerüst für alle neu eingestellten Mitarbeiter dienen und bei Bedarf um spezifische Informationen und Aufgaben eines konkret neu eingestellten Mitarbeiters ergänzt werden. <?page no="167"?> 168 12 Nachhaltiger Personaleinsatz In einer Einführungsbroschüre sind alle wesentlichen Informationen über das Unternehmen (Organisationsstruktur, Geschäftsleitung und wesentliche Geschäftsbereiche, Unternehmensleitbild und -politik, Ansprechpartner etc.) sowie über sein örtliches Umfeld (z.B. öffentlicher Nahverkehr, Freizeitaktivitäten), soziale und öffentliche Einrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten, und Unterstützungsangebote für neue Mitarbeiter (idealerweise aus dem In- und Ausland) zusammengefasst. Dies erleichtert dem neuen Mitarbeiter die Orientierung und beantwortet vielleicht schon einige Fragen. Ein Willkommenspaket ist eine freundliche Geste für den neuen Mitarbeiter. Es kann in einem Blumenstrauß, einem kleinen Geschenk, ansprechend aufbereiteten ersten Informationen, einem gemeinsamen Mittagessen mit dem Vorgesetzten und den Kollegen oder ähnlichem bestehen. Wichtig ist hier die Geste des Unternehmens, den neuen Mitarbeiter mit einer kleinen Aufmerksamkeit willkommen zu heißen. Manche Unternehmen organisieren eine Einführungsveranstaltung, wenn innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne mehrere Mitarbeiter neu im Unternehmen eingestellt wurden. In der Einführungsveranstaltung werden in einem angenehmen Rahmenprogramm alle neue eingestellten Mitarbeiter gemeinsam über die unternehmensrelevanten und ggf. aufgabenbezogenen Regelungen und Vorgaben informiert und können selbst auch Fragen stellen. Je nach Hierarchieebene und Aufgabenbereich der neu eingestellten Mitarbeiter können auch getrennte Einführungsveranstaltungen organisiert werden. 12.1.2 Systematische Einarbeitung Zusätzlich zur Einführung am ersten Arbeitstag muss der neue Mitarbeiter in den ersten Wochen seiner neuen Beschäftigung systematisch in seinen neuen Aufgabenbereich eingearbeitet werden, um bald seine vollständige Leistungsfähigkeit zu erreichen und seinen neuen Aufgabenbereich gut zu beherrschen. Eine systematische Einarbeitung sollte in einem Einarbeitungsplan dokumentiert werden und folgende Inhalte umfassen (vgl. Jung 2008, S. 183f.; Stopp/ Kirschten 2012, S. 148): In welche Arbeitsinhalte soll der neue Mitarbeiter in welcher Reihenfolge eingearbeitet werden? Wer begleitet die Einarbeitung fachlich (Kollegen, Vorgesetzter, Ausbilder, Unterweiser) Welche Methoden unterstützen die Einarbeitung (Arbeitsunterweisung, Mitlaufen, selbstständiges Üben) Anhand welcher Kriterien wird gemessen, wie gut bestimmte Arbeitsaufgaben beherrscht werden? Wie lange soll die Einarbeitung dauern und bis wann sollen bestimmte Aufgabenbereiche selbstständig übernommen werden können (Meilensteine) Für eine gute Einarbeitung ist auch die fachliche und soziale Unterstützung der Kollegen und des direkten Vorgesetzten sehr wichtig. Dabei ist ein regelmäßiges Feedback über die erbrachten Leistungen des neuen Mitarbeiters unerlässlich. Die Anerkennung guter Leistungen sowie milde Kritik bei anfänglichen Fehlern sind wichtige Rückmeldungen für den neuen Mitarbeiter, um seine eigene Leistungsentwicklung <?page no="168"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 169 und Einarbeitung besser einschätzen zu können. Allerdings ist darauf zu achten, dass der neue Mitarbeiter anfangs weder überfordert, alleingelassen noch unterfordert wird. Wichtig ist auch die Begleitung der Einarbeitung durch einen Paten, der für den neuen Mitarbeiter als Ansprechpartner und Ratgeber zur Verfügung steht und sowohl fachlich als auch persönlich die Einarbeitung unterstützt. Gerade nachhaltige Unternehmen sollten bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter darauf achten, dass die ökologischen, sozialen, technologischen und innovationsbezogenen Besonderheiten des Unternehmens detailliert während der Einarbeitung vermittelt werden. Wichtig ist hier auch die Einführung in die inhaltlichen (ökologischen, technischen, ökonomischen) Aufgabenbereiche und Wechselwirkungen der Unternehmenstätigkeit innerhalb des Unternehmens aber auch innerhalb der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette sowie mit denen für das Unternehmen relevanten Stakeholdern. Je nach konkretem Aufgabenbereich sollten hier auch die zentralen ökologischen, sozialen, innovativen und ökonomischen fachlichen Bezüge und Wechselwirkungen des Aufgabenbereichs mit anderen Aufgabenbereichen bzw. Abteilungen besonders intensiv vermittelt werden. Gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, neue Mitarbeiter inhaltlich zu schulen bzw. spezifische nachhaltigkeitsorientierte Einführungsveranstaltungen zu konzipieren und anzubieten. So wird gewährleistet, dass ein neuer Mitarbeiter von Beginn an die Besonderheiten und auch die spezifischen nachhaltigen Problemlagen und Inhalte seines Aufgabengebietes, aber auch die zentralen ökologischen, sozialen und innovativen Strategien, Werte und die Kultur des nachhaltigen Unternehmens kennenlernt und verinnerlicht. Die Integration eines neuen Mitarbeiters ist erfolgreich abgeschlossen, wenn er sein neues Aufgabengebiet fachlich beherrscht, seine stellenbezogene Rolle gut ausfüllen kann, als Kollege von seinen Arbeitskollegen geschätzt wird, sozial gut in die Abteilung integriert ist und auch mit unerfüllten Erwartungen der neuen Stelle so umgehen kann, dass er insgesamt zufrieden ist mit der neuen Beschäftigung (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 149 f.). 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen Die sozial verträgliche und menschenwürdige Gestaltung der Arbeitsverhältnisse und -bedingungen ist für nachhaltige Unternehmen eine wesentliche Verpflichtung. Dabei widerspricht die soziale Verträglichkeit der Arbeitsbindungen keineswegs einer leistungsbzw. erfolgsorientierten Gestaltung der Arbeitsbedingungen, z.B. durch geeignete Anreizsysteme, im Gegenteil (siehe hierzu Kap. 12.7.3). Im Zuge der steigenden Internationalisierung und Globalisierung der unternehmerischen Tätigkeit stellt die Sicherstellung sozial verträglicher Arbeitsbedingungen zunehmend komplexere Anforderungen an die Unternehmen. Während national, insbesondere in Deutschland, die Arbeitsbedingungen - trotz einiger Kritikpunkte - insgesamt als gut eingeschätzt werden können, müssen die internationalen Arbeitsbedingungen häufig als menschenunwürdig und gesundheitsbelastend eingestuft werden. Da nachhaltige Unternehmen aber auch in ihrer Wertschöpfungskette und Lieferkette eine soziale und ökologische Verantwortung für die internationalen Arbeitsbedingungen haben, bedarf es hier einer detaillierteren Auseinandersetzung (vgl. Kapitel 12.2.2.). <?page no="169"?> 170 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Bei einer sozial verträglichen Gestaltung der Arbeitsbedingungen müssen u.a. die folgenden Themenbereiche berücksichtigt werden: Verzicht auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse Schutz vor Diskriminierung Vielfalt leben (Diversity Management) Verbesserung der Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit dem Familien- und Privatleben Förderung der Chancengleichheit Förderung von Frauen Ausbau des Gesundheitsmanagements Zunächst werden die Arbeitsbedingungen in Deutschland betrachtet, um anschließend die internationalen Arbeitsbedingungen zu analysieren und geeignete Ansatzpunkte zur Verbesserung der sozialen Verträglichkeit der internationalen Arbeitsbedingungen vorzustellen. 12.2.1 Sozial verträgliche Gestaltung nationaler Arbeitsbedingungen Im weltweiten Vergleich sind die deutschen Arbeitsbedingungen als gut bis sehr gut zu werten. Die wöchentliche Normalarbeitszeit ist bei Bestehen und Zugehörigkeit zu Tarifverträgen tariflich festgelegt, ansonsten arbeitsvertraglich geregelt und bewegt sich zwischen 38 - 41 Stunden. Die Gehälter eines Normalarbeitsverhältnisses sind i.d.R. existenzsichernd, der jährliche Urlaubsanspruch beträgt im Durchschnitt 30 Tage. Auch die soziale Absicherung der Beschäftigten im Hinblick auf Krankheit, Arbeitsplatzverlust und Altersversorgung ist gesetzlich geregelt. Die aktuelle bundesweite Arbeitslosenquote lag im Januar 2017 bei 6,3 % (vgl. destatis 2017: Arbeitslosenquote). Das deutsche Arbeitsrecht bietet den Arbeitnehmern umfangreiche Schutzrechte. Und auch alle Kernarbeitsnormen der ILO wurden schon früh in Deutschland ratifiziert und werden meist eingehalten. So liegen die in Deutschland geltenden Arbeits- und Sozialstandards i.d.R. über den Mindeststandards der internationalen Abkommen (vgl. DGVN 2016, S. 8). Dennoch lässt sich auch in Deutschland die soziale Verträglichkeit der Arbeitsbedingungen noch steigern. Einige wesentliche Kritikpunkte werden nun genauer erläutert, um daraus Empfehlungen für die Gestaltung sozial verträglicher nationaler Arbeitsbedingungen für nachhaltige Unternehmen abzuleiten. 12.2.1.1 Vermeidung eines dauerhaft überlastenden Arbeits- und Zeitdrucks Die steigende Dynamik und Komplexität der Wirtschaft und des Wettbewerbs ist mittlerweile auch deutlich in den Unternehmen spürbar. So fühlen sich immer mehr Mitarbeiter von ihrer Tätigkeit stark belastet bzw. sogar überlastet und berichten von zunehmendem zeitlichen und inhaltlichem Arbeitsdruck. Dies führt zu einem Anstieg von physischen und psychischen Erschöpfungszuständen und Erkrankungen von Beschäftigten in Deutschland. Bedenklich ist der hohe Anstieg der psychischen Erkrankungen in den letzten ca. 20 Jahren (vgl. Techniker Krankenkasse 2016). Dies verursacht erhebliche Kosten und Arbeitsausfälle in den Unternehmen. Nachhaltige <?page no="170"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 171 Unternehmen sollten bei der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen und der Mitarbeiterführung darauf achten, dass die Mitarbeiter möglichst nicht dauerhaft überlastet werden, um entsprechenden Erkrankungen und einem damit vermutlich einhergehenden Motivationsverlust entgegen zu wirken. 12.2.1.2 Vermeidung prekärer Beschäftigungsverhältnisse Aufgrund des technisch-organisatorischen Wandels und veränderterer Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen hat die Flexibilisierung des Personaleisatzes deutlich an Bedeutung gewonnen. Damit verbunden ist auch eine Zunahme an atypischen (von einem Normalarbeitsverhältnis abweichender) und prekären (keine Gewährleistung eines angemessenen Einkommens-, Schutz- und sozialen Integrationsniveaus) Beschäftigungsverhältnissen (vgl. Preißing 2010, S. 199ff). Hierdurch verbessert sich zwar die ökonomische Dimension der Unternehmen, in sozialer Hinsicht ist dies jedoch für die Betroffenen oft nicht existenzsichernd, mit hohen Beschäftigungs- und Planungsunsicherheiten sowie oft auch mit einer sozialen Ausgrenzung verbunden. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im Vergleich zu einem Normalarbeitsverhältnis deutlich geringere Einkommensmöglichkeiten oder kein existenzsicherndes Einkommen, kaum verankerte soziale Rechte und Partizipationsmöglichkeiten sowie keine oder nur eine unzureichende soziale Integration in das Unternehmen aufweisen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse können aber auch dann vorliegen, wenn die ausgeübte Tätigkeit mit erheblichen Sinnverlusten, Planungsunsicherheiten oder Anerkennungsdefiziten verbunden ist (vgl. Preißing 2010 S. 199f.). Die Dimensionen einer prekären Beschäftigung zeigt die folgende Tabelle. Tabelle 19: Dimensionen prekärer Beschäftigung (vgl. Brinkmann et al. 2006, S. 18 mit eigenen Ergänzungen) Dimensionen prekärer Beschäftigung Dimension Prekarität materielle Sicherheit Haupterwerbstätigkeit bietet kein existenzsicherndes Einkommen und damit keine Teilhabe am kulturellen Leben Regeneration Erwerbstätigkeit bietet keine oder unzureichende Möglichkeiten zur physischen oder psychischen Regeneration. rechtliche und institutionelle Standards Tendenzieller Ausschluss des Beschäftigten von institutionell verankerten sozialen Rechten und Partizipationschancen, wie etwa Tarifrechte, Mitbestimmung, Betriebsvereinbarungen oder gesetzliche Schutzrechte soziale Integration Keine gleichberechtigte Integration in soziale Netzwerke am Arbeitsplatz und darüber hinaus; soziale Kreise bleiben aufgrund der ausgeübten Tätigkeit verschlossen; soziale Netze der Familie bzw. Verwandtschaft müssen die Belastungen und Restriktionen der Tätigkeit ausgleichen <?page no="171"?> 172 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Status und Anerkennung Tätigkeit verhindert gesellschaftliche Anerkennung und ist schlimmstenfalls mit sozialer Missachtung verbunden. Arbeitsinhalt Tätigkeit ist mit dauerhaftem Sinnverlust oder stark physisch oder psychisch belastenden Arbeitsinhalten verbunden, die sich nachteilig auf die physische oder psychische Gesundheit sowie auf das Privatleben auswirken. Arbeitsbedingungen Tätigkeit ist mit menschenunwürdigen, diskriminierenden und physisch und psychisch gesundheitsschädigenden Auswirkungen verbunden. Dazu gehören u.a. zu lange Arbeitszeiten, Umgang mit gesundheitsgefährdenden Stoffen und Energien, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, Versklavung von Beschäftigten und Kinderarbeit. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben für die Betroffenen erhebliche berufliche und private Auswirkungen. Berufliche Auswirkungen sind meist ein nur geringes Entgelt für die geleistete Tätigkeit, unzureichende Arbeits- und Sozialschutzmechanismen, geringe oder gar keine Mitbestimmungsrechte, unzureichende berufliche Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, vielleicht auch eine soziale Stigmatisierung bei den Kollegen und eine hohe Unsicherheit im Hinblick auf die weitere Beschäftigung (vgl. Kirschten 2014, S. 48). Auch privat können sich prekäre Beschäftigungsverhältnisse negativ auswirken. Durch das geringe Einkommen und die hohe Beschäftigungsunsicherheit können prekär Beschäftigte ihre weiteren Lebensphasen kaum längerfristig planen, wie beispielsweise eine Familiengründung, persönliche oder berufliche weitere Entwicklungen. Zusätzlich ist die Gefahr der Altersarmut sehr groß, da häufig keine individuelle Altersvorsorge getroffen werden kann. So weisen prekäre Beschäftigungsverhältnisse insgesamt ein hohes berufliches, privates, aber auch gesellschaftliches Desintegrationspotenzial auf (vgl. Dörre 2005, S. 6), das im schlimmsten Fall zu einer beruflichen und gesellschaftlichen Ausgrenzung der Betroffenen führen kann (vgl. Castel 2000; Vogel 2003, S. 54). Das Desintegrationspotenzial prekärer Beschäftigungsverhältnisse wird im Zonenmodell von Castel (vgl. Castel 2000) und den Weiterentwicklungen von Vogel und Bartelheimer (vgl. Vogel 2003; Bartelheimer 2002) veranschaulicht. Abbildung 60: Zonenmodell der Desintegration (eigene Darstellung in Anlehnung an Preißing 2010, S. 202). <?page no="172"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 173 Das Zonenmodell bildet drei Zonen ab: die Integration, die Gefährdung und die Ausgrenzung. Die Zone der Integration ist durch ein Normalbeschäftigungsverhältnis gekennzeichnet. Die Zone der Ausgrenzung ist bei Arbeitslosigkeit erreicht. Zwischen der Integration und der Ausgrenzung befindet sich die Zone der Gefährdung, die durch unsichere Beschäftigungsverhältnisse geprägt ist. Dazu gehören u.a. geringfügige Beschäftigungen, die Zeitarbeit, die Teilzeitarbeit, die Selbstständigkeit und befristete Beschäftigungen. Empirische Untersuchungen belegen, dass die Zone der Integration in den letzten Jahrzehnten deutlich kleiner geworden ist, wohingegen die Zone der Gefährdung durch einen erheblich gestiegenen Anteil an unsicheren Beschäftigungsmöglichkeiten sich deutlich ausgedehnt hat (vgl. Dörre et al. 2005; Fuchs 2006). Hier besteht die Gefahr, von der Zone der Gefährdung in die Zone der Ausgrenzung zu rutschen (vgl. Kirschten 2014, S. 49). Aufgrund der vielfältigen Benachteiligungen und Risiken der beruflichen, persönlichen und gesellschaftlichen Ausgrenzung sollten nachhaltige Unternehmen auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse verzichten und stattdessen ihren Mitarbeitern Normalarbeitsverhältnisse und sozial verträgliche Arbeitsbedingungen anbieten. 12.2.1.3 Einhaltung des Mindestlohns Auch in Deutschland schützt Arbeit nicht immer vor Armut. So war fast jeder zehnte Beschäftigte (9,7%) im Jahr 2015 in Deutschland von Armut bedroht, im Jahr 2005 waren es noch 5,5%; für Vollzeitbeschäftigte stieg das Armutsrisiko von 4% in 2006 auf 7,1 % im Jahr 2015 (vgl. Spiegel: Stichwort Armut; destatis Pressemitteilung Nr. 391 vom 3.11.2016). Als armutsgefährdet gilt jemand, der weniger als 60% des Durchschnittseinkommens für seine Arbeit erhält. Die Schwelle der Armutsgefährdung lag in Deutschland im Jahr 2015 bei einem Monatseinkommen von 1033 Euro für eine Einzelperson (vgl. Spiegel: Stichwort Armut; destatis Pressemitteilung Nr. 391 vom 3.11.2016). Zusätzlich steigt der Anteil der unsicheren und prekären Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland an. Weil ihr Einkommen unterhalb des Existenzminimums lag, bezogen im Jahr 2013 1,3 Millionen Erwerbstätige zusätzlich unterstützende staatliche Leistungen und 3.1 Millionen Erwerbstätige verfügten nur über ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle (vgl. DGVN 2016, S. 8). Mehr als 20% der Beschäftigten arbeiten in Deutschland für einen Niedriglohn (vgl. DGVN 2016, S. 8). Verstärkt wird diese Tendenz durch die steigende Anzahl an Zeitarbeitnehmern und an Minijobs, die oft auch nicht das Existenzminimum sichern. Aber auch eine steigende Anzahl an Vollzeit Erwerbstätigen kann von ihrem Einkommen nicht existenzsicher leben. Zusätzlich erhöht der steigende Anteil zeitlich befristeter Beschäftigungen die Unsicherheit und teils auch die Armutsgefährdung der Beschäftigten. Um die Einkommenssituation in Deutschland zu verbessern, wurde zum 1. Januar 2015 der Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro in Deutschland eingeführt und zum 1. Januar 2017 auf 8,84 Euro angehoben. Die Mindestlohnhöhen in Europa zeigt die Abbildung 61. <?page no="173"?> 174 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Abbildung 61: Mindestlöhne in Europa Werden die nationalen Mindestlöhne der EU-Länder ins Verhältnis zu ihrer jeweiligen nationalen Kaufkraft gesetzt, ergibt sich folgendes Bild. Abbildung 62: Veränderung der nationalen Mindestlöhne in Europa zum Beginn des Jahren 2016 <?page no="174"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 175 Die Wirkung des in Deutschland eingeführten Mindestlohnes ist bislang jedoch eher gering. So zeigt die folgende Abbildung, dass sich sowohl bei der Anzahl der „Aufstocker“, d.h. von Hartz IV-Empfängern mit einem Job, bei der Anzahl der Armutsgefährdeten sowie bei der Ungleichheit der Einkommen kaum etwas verändert hat. Abbildung 63: Veränderungen durch die Einführung des Mindestlohns in Deutschland Als positiv lässt sich abschließend hervorheben, dass zumindest die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse nicht erheblich zurückgegangen ist, wie von vielen Experten mit Einführung des Mindestlohns befürchtet wurde. Warum auch nach der Einführung des Mindestlohns der Anteil der Armutsgefährdeten und der „Aufstocker“ gleich hoch geblieben ist, liegt vielleicht an anderen Einflussfaktoren bzw. Bedingungen. So gibt es die meisten Armen in der Bevölkerungsgruppe der Arbeitslosen, die fast 3 Millionen Menschen ausmachen (vgl. Spiegel: Stichwort Armut). Auch Teilzeitbeschäftigungen haben einen erheblichen Einfluss auf das Armutsrisiko. So würde auch ein höherer Mindestlohn nicht ausreichen, um beispielsweise für Alleinerziehende oder Frauen, die immer noch die Teilzeitbeschäftigungen dominieren, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften. Hier gilt es anzusetzen. Was bedeutet das nun für nachhaltige Unternehmen? Sozial verträgliche Arbeitsbedingungen bedingen, dass wenigstens die jeweils geltenden Mindestlöhne von den Unternehmen gezahlt werden, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse vermieden werden und Zeitarbeitsverhältnisse und Minijobs wirklich nur die Ausnahme und nicht eine fest eingeplante Belegschaftsreserve sein sollten. Zusätzlich muss bei Teilzeitarbeitsverhältnissen das Armutsrisiko gerade für Alleinverdienende oder Alleinerziehende berücksichtigt werden. 12.2.1.4 Gleichstellung und Chancengleichheit für Frauen Frauen haben auch im Jahr 2015 in Deutschland noch nicht immer die gleichen Chancen im Beruf wie die Männer, obwohl sie meist über gute bis sehr gute berufliche Ausbildungen und Qualifikationen verfügen. EU-weit hatten Frauen im Jahr 2014 mit 35% häufiger einen Hochschulabschluss oder vergleichbaren Abschluss als Männer mit nur 29%. Nur in Deutschland (als einziges EU-Land) wiesen die Männer <?page no="175"?> 176 12 Nachhaltiger Personaleinsatz 2014 einen deutlich höheren Anteil an Hochschulabschlüssen und vergleichbaren Abschlüssen auf als die Frauen (vgl. Destatis 2016, S. 36). Abbildung 64: Anteil von Frauen und Männern mit Hochschulabschluss in der EU im Jahr 2013 Allerdings belegen Daten der OECD und von Eurostat für das Jahr 2013, dass Frauen zwischen 25 und 34 Jahren in vielen EU Ländern häufiger einen Hochschulabschluss haben als Männer (vgl. Abbildung 64). Trotzdem verdienen sie in allen untersuchten EU-Ländern weniger als die Männer. Dies wird deutlich an dem Gender Pay Gap, der die unterschiedliche Einkommenshöhe zwischen Männern und Frauen misst, und der für Deutschland beachtliche 21,6 % beträgt (Destatis 2016, S. 40). Der unbereinigte Gender Pay Gap gibt die Differenz zwischen dem Bruttostundenverdienst von Arbeitnehmerinnen (Frauen) im Vergleich zum Bruttostundenverdienst von Arbeitnehmern (Männern) in Prozent an. Die Daten basieren auf der jährlichen Verdienststrukturerhebung. Der bereinigte Gender Pay Gap ermittelt die Unterschiede des Bruttostundenverdienstes von Männern und Frauen unter Berücksichtigung vergleichbarer Bildungsabschlüsse, Berufe und Tätigkeiten (vgl. Destatis 2016, S. 42). Im Jahr 2014 hatten Frauen in Deutschland einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 15,83 Euro. Der Bruttostundenverdienst ihrer männlichen Kollegen lag demgegenüber im gleichen Jahr bei 20,20 Euro. D.h., dass Frauen in Deutschland knapp 5 Euro pro Stunde weniger verdienten (vgl. Destatis 2016, S. 42). Betrachten wir die Gender Pay Gaps in Abbildung 65 in verschiedenen Branchen, so fällt folgendes auf: In dem Wirtschaftszweig „Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ verdienten die Frauen 33% weniger als die Männer. Auch in der Branche der „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ beträgt der Gender Pay Gap noch 29%. Die Wirtschaftszweige „Verarbeitendes Gewerbe“, „Handel, Instandhaltung und Reparatur von KFZ“ und „Information und Kommunikation“ weisen noch einen Einkommensunterschied von 26% zwischen Frauen und Männern auf. Verwunderlich ist, dass auch im Bereich „Gesundheits- und Sozialwesen“ noch ein erheb- <?page no="176"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 177 licher Einkommensunterschied von 25% besteht, obwohl in diesem Wirtschaftszweig tendenziell mehr Frauen als Männer arbeiten. Die Begründung für die geringen Gender Pay Gaps in den Wirtschaftszweigen „Verkehr und Lagerei“ (3%) sowie „Wasserversorgung und Entsorgung“ mit (2%) sind einfach: in diesen Wirtschaftszweigen arbeiten kaum Frauen. Abbildung 65: Unbereinigter Gender Pay Gap insgesamt und in ausgewählten Wirtschaftszweigen in Deutschland im Jahr 2014 (destatis 2016, S. 43) Worauf lassen sich die teils erheblichen Unterschiede im Bruttostundenverdienst zwischen Frauen und Männern in Deutschland zurückführen? Ein wesentlicher Grund für die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen liegt in den Erwerbsbiografien der Frauen. So arbeiten Frauen sehr viel häufiger in Teilzeit als Männer, wie die Abbildung 66 zeigt. Das gilt vor allem für die Zeit nach der Familiengründung. Betrachten wir dazu die Erwerbstätigenquoten von Frauen in Deutschland genauer. Im Jahr 2014 lag die Erwerbstätigenquote von Frauen in Deutschland 2014 bei 73 % und ist damit in den letzten neun Jahren um 10% angestiegen (vgl. Destatis 2016, S. 6). Innerhalb der EU ist das die zweithöchste Erwerbstätigenquote der Frauen, nur die Schwedinnen arbeiteten 2014 mit einer Erwerbstätigenquote von 78% noch mehr. Demgegenüber liegen die Erwerbstätigenquoten der Männer in Deutschland mit 82% aber auch innerhalb der EU mit 75% immer noch höher als die der Frauen (vgl. Destatis 2016, S. 8). Abbildung 66: Erwerbstätigenquoten in Deutschland 2005 und 2014 (Destatis, 2016: Arbeitsmarkt auf einen Blick, Wiesbaden, 2016, S. 6) <?page no="177"?> 178 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Betrachten Sie jedoch den Anteil an Teilzeitbeschäftigungen bei Frauen und Männern, so fällt auf, dass Frauen über alle Altersklassen hinweg deutlich mehr in Teilzeit und seltener in Vollzeit beschäftigt sind als Männer (vgl. Abbildung 67). Vor allem steigt der Teilzeitanteil bei Frauen ab 25 Jahren bis hin zu 55 Jahren. Dies ist für viele Frauen die Zeit, in der sie eine Familie gründen bzw. sich intensiv auch um die Familie kümmern müssen und daher Beruf und Familie durch eine Teilzeitbeschäftigung eher vereinbaren können. Hier spiegeln sich auch die immer noch hohen Betreuungsquoten der Frauen für ihre Kinder im Gegensatz zu den Vätern sowie das steigende Alter vieler Frauen bei der Familiengründung. So arbeiten Frauen nach der Familiengründung häufiger in Teilzeit oder sind nur geringfügig beschäftigt oder unterbrechen ihre Berufstätigkeit für die Übernahme der familiären Verpflichtungen und der Kinderbetreuung. Abbildung 67: Anteil der Teilzeitbeschäftigung von Frauen und Männern in Deutschland im Jahr 2014 (http: / / www.wiwi-treff.de/ home/ artikel/ bilder/ img7792_Erwerbsform_Teilzeit_2014.gif) Ein weiterer Grund für die Einkommensunterschiede liegt in der Berufswahl der Frauen. So wählen Frauen häufiger Berufe in Berufsfeldern, die geringere Gehälter und auch schlechtere Aufstiegschancen bieten, wie Abbildung 68 zeigt. Allerdings erhalten Frauen auch bei gleichhohem Beschäftigungsumfang und qualitativ vergleichbaren Aufgabenbereichen oft ein geringeres Einkommen als ihre männlichen Kollegen. Nachhaltige Unternehmen beweisen ihr soziales Engagement dadurch, dass sie für vergleichbare Qualifikationen und Aufgabenbereiche auch geschlechtsunabhängig <?page no="178"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 179 die gleichen Gehälter bzw. Bruttostundenlöhne zahlen. Zusätzlich sind Angebote für Teilzeitarbeit an die Beschäftigten und insbesondere an die Frauen wichtig, da sie immer noch den überwiegenden Anteil an der Kinderbetreuung übernehmen. Gleichzeitig müssen nachhaltige Unternehmen bei Teilzeitangeboten darauf achten, dass die Einkommenssituation für die teilzeitarbeitenden Mitarbeiter nicht armutsgefährdend wird. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Teilzeitarbeit werden im Kapitel 12.6 vertieft behandelt. Abbildung 68: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Branchen, Geschlecht und Arbeitszeit 2015 (BfA Arbeitsmarkt 2016, S.11) 12.2.1.5 Verstärkte Einsatz von Frauen in Führungspositionen Bei der Besetzung von hierarchisch hoch angesiedelten Führungspositionen (z.B. als Mitglied im Vorstand, Aufsichtsrat oder in hohen Leitungsfunktionen im Unternehmen) sind Frauen auch heute noch stark unterrepräsentiert. Die deutsche Wirtschaft hatte sich schon vor 15 Jahren in einer freiwilligen Selbstverpflichtung das Ziel gesetzt, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Zur Entschuldigung nur selten mit Frauen besetzter Führungspositionen wurde damals häufig argumentiert, dass für Führungspositionen geeignete und entsprechend qualifizierte Frauen erst durch Weiterbildungsprogramme, Coaching und Mentoringprogramme „nachwachsen“ müssten. Bis heute hat sich an dem Frauenanteil in Führungspositionen jedoch wenig verändert. So ist auch heute noch nur ca. jede vierte oberste Führungsposition mit einer Frau besetzt - und das, obwohl die Frauen in den letzten 15 Jahren gut „nachgewachsen“ sind, meist hervorragende Bildungsabschlüsse aufweisen und sich somit sehr gut für Führungspositionen qualifiziert haben. Aufgrund des immer noch geringen Frauenanteils in den Führungspositionen entschloss sich der Gesetzgeber im Jahr 2015 zur gesetzlichen Regelung einer „Frauenquote“. Das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (GfTFMF)“ trat am 1. Mai 2015 in Kraft. Es zielt auf die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen und damit auf eine geschlechterparitätische Besetzung von Gremien durch zwei <?page no="179"?> 180 12 Nachhaltiger Personaleinsatz zentrale Regulierungselemente (vgl. Hohensatt/ Seibt 2015, S. 16): Erstens: Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Gesellschaften müssen ab dem 1. Januar 2016 neu zu besetzende Stellen im Aufsichtsrat mit mindestens 30% Frauen und mindestens 30% Männern besetzten (sog. feste Geschlechterquote). Dies betrifft Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien mit mehr als 2000 Mitarbeitern sowie Europäische Aktiengesellschaften (SE), bei denen das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan paritätisch aus Anteilseignern und Arbeitnehmervertretern zusammengesetzt ist. Aktuell betrifft diese Regelung jedoch nur rund 100 Unternehmen in Deutschland. Ab dem 1. Januar 2016 müssen die Unternehmen die Quote für die dann neu zu besetzenden Aufsichtsratspositionen beachten. Eine quotenwidrige Wahl, d.h. die Nichtbeachtung der Quote bei der Neubesetzung von Aufsichtsratspositionen ist nichtig und die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze bleiben rechtlich unbesetzt (leerer Stuhl) (vgl. BMFSFJ 8.3.2016). Zweitens: Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, werden am dem 1.1.2016 verpflichtet, sich eigene Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, im Vorstand und den obersten Management-Ebenen zu setzen und darüber öffentlich zu berichten. Dies gilt für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, GmbHs, eingetragene Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit i.d.R. mehr als 500 Mitarbeitern. Insgesamt betrifft dies rund 3500 Unternehmen. Die Unternehmen bzw. Organisationen können ihre Zielgrößen selbst setzten und an ihre Organisationsstrukturen anpassen, eine Mindestzielgröße ist nicht vorgesehen. Allerdings dürfen die Zielgrößen nicht niedriger sein als der aktuelle geschlechtsbezogene Status, sofern der Frauenanteil in einer Führungsebene unter 30% liegt. Zusätzlich müssen die Gesellschaften Fristen zur Erreichung der genannten Zielgrößen bestimmten (sog. Frauenzielquote) (vgl. BMFSFJ 8.3.2016). Abbildung 69: Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen in der Privatwirtschaft <?page no="180"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 181 Auch für den öffentlichen Dienst gilt ab 2016 eine Geschlechterquote von mindestens 30% für die Neubesetzung von Aufsichtsratsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen. Dafür wird das Bundesgremienbesetzungsgesetz novelliert mit dem „Ziel der paritätischen Vertretung von Frauen und Männern in Gremien, deren Mitglieder der Bund bestimmen kann. Für die Besetzung von Aufsichtsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen, gilt ab 2016 eine Geschlechterquote von mindestens 30% für alle Neubesetzungen dieser Sitze. Ab 2018 soll der Anteil auf 50% erhöht werden. Für wesentliche Gremien, in die der Bund Mitglieder entsendet, gilt das gleiche Ziel.“ (BMFSFJ 8.3.2016). Zusätzlich wurde das Bundesgleichstellungsgesetz umfassend novelliert, um die Erhöhung des Frauenanteils an Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes zu fördern und die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu verbessern. So wird die Bundesverwaltung zukünftig u.a. verpflichtet, auf jeder einzelnen Führungsebene im Gleichstellungsplan konkrete Zielvorgaben für den Anteil von Frauen und Männern festzulegen und konkrete Maßnahmen zu benennen, mit denen diese Zielvorgaben erreicht werden sollen (vgl. BMFSFJ 8.3.2016). Abbildung 70: Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen im öffentlichen Dienst Mit dem Gesetz soll der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft aber auch im öffentlichen Dienst deutlich erhöht werden und damit eine Geschlechterparität in den Führungspositionen erreicht werden. Allerdings gewährleisten diese gesetzlichen Vorgaben für die Besetzung von Aufsichtsratspositionen leider nicht, dass sich auch der Frauenanteil in den Vorstandspositionen der Privatwirtschaft erhöhen. Hierfür müssen die Unternehmen nämlich nur freiwillige Zielgrößen erarbeiten. So lag der Anteil der von Frauen besetzten Vorstandspositionen in deutschen Unternehmen im Jahr 2015 lediglich bei 5% (vgl. FidAR 2015, S. 2). Aufgrund des neuen Gesetzes hat sich der Frauenanteil an Aufsichtsratspositionen von 2015 bis zum August 2016 um 3,9 % auf insgesamt 27,3 % erhöht, wie die Abbildung 71 zeigt. Das sind bei 1554 Aufsichtsratspositionen gerade einmal 4 neu mit Frauen besetzte Aufsichtsratsposten. <?page no="181"?> 182 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Abbildung 71: Frauenanteil im Aufsichtsrat im August 2016 Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums hat der Verein FidAR eine Onlinebefragung bei den Vorständen und Geschäftsleitungen deutscher Unternehmen durchgeführt, um ein Stimmungsbarometer zu den Herausforderungen der Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, insbesondere im Aufsichtsrat zu erfragen. Einige Ergebnisse werden hier vorgestellt, da sie Hinweise auf wichtige Gründe für die meist nur geringe Besetzung von Führungspositionen mit Frauen geben und auch Ansatzpunkte für nachhaltige Unternehmen zur Förderung eines höheren Frauenanteils in Führungspositionen bieten. Wesentliche Gründe für die geringe Besetzung hoher Führungspositionen in Unternehmen zeigt Abbildung 72. Dabei fallen die unterschiedlichen Einschätzungen der weiblichen und männlichen Vorstände bzw. Geschäftsführung auf. Als zentrale Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen werden von weiblichen und männlichen Führungskräften die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesehen, die auch dazu führt, dass Frauen für ihre Kinder und ihre Familie ihre Erwerbsarbeit häufiger und länger unterbrechen, und ihnen dadurch wichtige Karriereschritte für die Übernahme höherer Führungspositionen fehlen (Zustimmung zwischen 74% 80%). Ebenfalls einig sind sich alle Führungskräfte darin, dass Frauen ihre Karriere weniger strategisch planen als Männer (40 38% Zustimmung). Immerhin 28% 30% der Befragten sind der Meinung, dass Frauen zu wenige weibliche Vorbilder in Führungspositionen haben. Auch die Förderung von Frauen halten 28% 29% der Befragten für nicht ausreichend. Unterschiedliche Einschätzungen zwischen den weiblichen und männlichen Führungskräften bestehen vor allem in folgenden Gründen. 69% der weiblichen Führungskräfte sind der Ansicht, dass Frauen häufig ihre Fähigkeiten und Leistungen unterschätzen und das männlich geprägte Unternehmenskulturen den Aufstieg von Frauen behindern (63% Zustimmung der weiblichen Führungskräfte). Auch fördern Männer eher andere Männer und seltener Frauen, meinen immerhin noch 45% der <?page no="182"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 183 Abbildung 72: Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen (FidAR 2015, S. 7) <?page no="183"?> 184 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Abbildung 73: Maßnahmen zur Förderung von Frauen zur Übernahme von Führungspositionen (FidAR 2015, S. 9) weiblichen Führungskräfte. 34% der weiblichen Führungskräfte sind der Ansicht, dass Frauen eine höhere Führungsaufgabe oft nicht zugetraut wird und 31% halten Frauen für weniger gut vernetzt als Männer. Immerhin noch 20% der Frauen sind der Ansicht, dass Frauen häufig geringere fachliche Qualifikationen unterstellt werden als den männlichen Mitbewerbern. Demgegenüber sehen die männlichen Führungskräfte einen weiteren wichtigen Grund für die Unterrepräsentanz von Frauen <?page no="184"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 185 in Führungspositionen darin, dass sich nur wenige Frauen auf Führungspositionen bewerben (62% Zustimmung der männlichen Führungskräfte). Neben den Gründen für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen interessierte bei der Befragung auch, welche Maßnahmen die Vorstände und Geschäftsleitungen für wichtig halten, um Frauen zu fördern und den Frauenanteil an Führungspositionen zu erhöhen (vgl. Abbildung 73). Die Vorstände und Geschäftsleitungen sehen erhebliches Verbesserungspotenzial in ihren Unternehmen, um die Frauen zu fördern und sie auf die Übernahme von Führungspositionen vorzubereiten. Relativ einig sind sich die weiblichen und männlichen Führungskräfte darin, dass Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Karriere (Zustimmung: 89% weibliche FK, 84% männliche FK), gezielte Maßnahmen der Personalentwicklung (Zustimmung: 80% weibliche FK, 76% männliche FK), aber auch Rekrutierungsaktivitäten an Schulen und Hochschulen zur Attraktivitätssteigerung von MINT-Berufen (Zustimmung: 70% weibliche FK, 66% männliche FK) wichtig sind. Darüber hinaus finden vor allem die weiblichen Führungskräfte auch noch die folgenden Maßnahmen zur Förderung von Frauen für Führungspositionen wichtig: 80% halten ein deutlich kommuniziertes Bekenntnis der Unternehmensführung zur Förderung von Frauen in Führungspositionen im Unternehmen für wichtig, 73% halten Aktivitäten zur Unterstützung des Kulturwandels in den Unternehmen für wichtig, 70% befürworten eine Anpassung der Rekrutierungs- und Besetzungsprozesse für wichtig, 55% finden den Aufbau und die Förderung weiblicher Netzwerke wichtig und 53% wünschen sich klare Zielvorgaben durch die Unternehmensführung im Hinblick auf den bzw. einen höheren Frauenanteil in Führungspositionen. Auch hier fallen wieder die unterschiedlichen Einschätzungen von weiblichen und männlichen Führungskräften auf. Alle gerade genannten Maßnahmen werden von den männlichen Führungskräften als weniger wichtig eingeschätzt, was durch eine geringere prozentuale Wertung deutlich wird (vgl. FidAR 2015, S. 9). Gefragt nach den Bereichen, in denen die Führungskräfte am meisten Verbesserungspotenzial im eigenen Unternehmen zur Förderung der Frauen für Führungspositionen sehen, ergibt folgendes: Großen Verbesserungsbedarf sehen die Führungskräfte in einer gezielten Personalentwicklung weiblicher Beschäftigter, in Aktivitäten zur Unterstützung des Kulturwandels, in der Förderung der Vereinbarkeit von Karriere und Familie sowie in klaren Zielvorgaben zur Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen. An den identifizierten Verbesserungspotenzialen sollten die Unternehmen ansetzen, um die Frauen stärker für die Besetzung von Führungspositionen zu fördern und damit auch eine höhere Chancengleichheit im Unternehmen zu erreichen. Für nachhaltige Unternehmen bedeutet das insbesondere, gezielt weibliche Mitarbeiter weiterzuentwickeln, ein klares Bekenntnis und konkrete Zielvorgaben für die Besetzung von Führungspositionen mit Frauen, aber auch die berufliche Vernetzung von Frauen zu fördern. <?page no="185"?> 186 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Abbildung 74: Verbesserungspotenzial in Unternehmen zur Förderung von Frauen für die Besetzung von Führungspositionen (FidAR 2015, S. 11) <?page no="186"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 187 12.2.2 Sozial verträgliche Gestaltung internationaler Arbeitsbedingungen Da viele Unternehmen heute entweder selbst international aufgestellt oder in internationale Wertschöpfungs- und Lieferketten eingebunden sind, müssen sich nachhaltige Unternehmen auch mit der sozialen Verträglichkeit der internationalen Arbeitsbedingungen auseinandersetzen und diese bei ihrem Unternehmenshandeln berücksichtigen. Handlungsbedarf besteht, da bis heute die Arbeitsbedingungen in vielen vor allem asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern prekär und teils menschenunwürdig sind. Erst in jüngerer Zeit wird diesen zum Teil wenig menschlichen Arbeitsbedingungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Dafür verantwortlich sind auch die zunehmenden Meldungen über Unfälle und Katastrophen beispielsweise in asiatischen Fabriken, bei denen viele Arbeitnehmer umgekommen sind und die auch Informationen über die dortigen Arbeitsbedingungen liefern. Traurige Beispiele internationaler prekärer Beschäftigungsverhältnisse gibt es viele. Dazu gehören u.a. die Kinderarbeit auf Plantagen in Afrika, bei der Teppichherstellung in der Türkei und Asien oder in der Smartphone-Herstellung, eine nicht existenzsichernde Vergütung (Hungerlöhne) in der Textilindustrie, Zwangsarbeit, fehlende Rechte der Arbeitnehmer, Diskriminierungen und Disziplinierungen sowie die Nichteinhaltung arbeitsbezogener Mindeststandards (z.B. fehlende Gesundheits- und Sicherheitsstandards in Arbeitsstätten). Vor allem die Arbeitsbedingungen in asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern entsprechen nicht den sozialen Mindeststandards. So arbeiten weltweit mehr als 1,5 Milliarden Menschen in prekären Beschäftigungen und ca. 850 Millionen Arbeitnehmer haben weniger als zwei US-Dollar pro Tag zum Leben zur Verfügung (vgl. DGVN 2016, S. 1). Millionen von Menschen arbeiten weltweit unter ausbeuterischen und missbräuchlichen Arbeitsbedingungen und unter der Verletzung grundlegender Menschenrechte. Dazu gehört Kinderarbeit, Pflicht- oder Zwangsarbeit, keine Mitsprachrechte, Verbote der gewerkschaftlichen Organisation, keine Vereinigungsfreiheit und kein Recht auf Tarifverhandlungen. Täglich sterben 6400 Menschen weltweit bei Arbeitsunfällen und 860.000 Arbeitnehmer verletzen sich (vgl. DGVN 2016, S. 1). Die meisten der Arbeitnehmer sind nicht versichert und erhalten auch keine Entschädigungen bei Arbeitsunfällen. Können sie nicht mehr arbeiten, so sind sie auf familiäre Hilfe angewiesen. Sozial- und Mindeststandards sind in vielen Ländern der Welt noch nicht vorhanden oder auch nicht erwünscht, da ansonsten die Arbeitskosten steigen würden. Praxisbeispiel: Textilindustrie in Bangladesch Nach China ist Bangladesch der weltweit zweitgrößte Exporteur für Bekleidung. Auf die Textilindustrie entfielen im Jahr 2015 mehr als 80% der gesamten Exporte des Landes, der Exportwert der Bekleidung lag im Jahr 2015 bei ca. 20 Milliarden US Dollar (vgl. https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 261346/ umfrage/ anteil-von-bekleidung-an-gesamtexport-aus-bangladesch/ ). Damit hatte Bangladesch einen Weltmarktanteil für Bekleidung von 6.5% im Jahr 2011 (vgl. INKOTA Netzwerk). In der Textilindustrie in Bangladesch arbeiten ca. vier Millionen Menschen in den knapp 6000 Fabriken zu sehr geringen Löhnen. Der Mindestlohn in Bangladesch betrug im Jahr 2013 3000 Taka, das sind heute umgerechnet 35,77 Euro pro Monat. Nach dem Ein- <?page no="187"?> 188 12 Nachhaltiger Personaleinsatz sturz der Textilfabrik Rana Plaza in Savar, Dhaka im April 2013 wurde der Mindestlohn Ende 2013 auf 5.300 Taka erhöht, das sind umgerechnet 63,20 Euro, was jedoch immer noch nicht zur Sicherung des Existenzminimums der Arbeitnehmer ausreicht. Zur Sicherung der eigenen Existenz wäre ein Lohn von ca. 26.000 Taka (308, 27 Euro) notwendig, wie Berechnungen der Asia Floor Wage im Jahr 2013 ergaben (Quelle: Inkota Netzwerk, Hintergrundinfo). Allerdings werden in vielen Textilfabriken noch nicht einmal die Mindestlöhne an die Arbeiter gezahlt, sondern teils deutlich geringere Löhne. Weltweit weist Bangladesch mit die niedrigsten Lohnkosten auf. So belaufen sich die Arbeitskosten eines Kleidungsstücks nur auf ca. 1 2% des Endpreises (vgl. DGVN 2016, S. 4). Selbst in Vietnam und Kambodscha sind die Löhne höher. Hauptabnehmer der hergestellten Bekleidung sind vor allem die europäischen Industrieländer und die USA. Mehr als 50% aller Exporte aus Bangladesch gelangen in den europäischen Einzelhandel (vgl. DGVN 2016, S. 4). Praxisbeispiel 8: Textilindustrie in Banglaesch Durch die geringen Arbeitskosten konnte sich Bangladesch einen deutlichen Wettbewerbsvorteil im globalen Bekleidungsmarkt verschaffen, was zu einem hohen Wachstum der Bekleidungsindustrie in Bangladesch in den letzten Jahrzehnten führte (vgl. INKOTA Netzwerk). Allerdings geht dieses Wachstum einher mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Ein drastisches Beispiel möglicher Auswirkungen dieser katastrophalen Beschäftigungsverhältnisse wird im folgenden Praxisbeispiel beschrieben, das international große Aufmerksamkeit erfuhr. Praxisbeispiel: Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch Am 24. April 2013 stürzte das Rana Plaza in Savar, Dhaka ein, ein achtstöckiges Firmengebäude, in dem sich viele verschiedene Unternehmen, u.a. auch mehrere Textilfabriken befanden. Dabei kamen 1133 Näherinnen ums Leben und viele tausend weitere Arbeiter wurden verletzt. Wie konnte es dazu kommen? Bereits am Vortag informierten viele Arbeiter die Geschäftsleitungen mehrerer Firmen über große Risse in den Mauern des Gebäudes. Daraufhin ordnete die Industriepolizei die Schließung des Gebäudes an. Während die Geschäftsleitungen einer Bank und eines Einkaufszentrums ihren Mitarbeitern am Morgen des 24. Aprils 2013 den Zutritt zum Gebäude verboten, bestanden die Geschäftsleitungen der Bekleidungsfabriken darauf, dass ihre Mitarbeiter ihre Arbeit im Gebäude aufnahmen. Damit wurden die Mitarbeiter der Bekleidungsfabriken vor die Wahl gestellt, entweder an ihren Arbeitsplatz im Gebäude zu gehen oder auf ihren Lohn für diesen Tag zu verzichten. Aus Angst, ihren Lohn und vielleicht auch ihre Beschäftigung in der Bekleidungsfabrik zu verlieren, ging ein Teil der NäherInnen in das Gebäude und an ihre Arbeitsplätze. Um 9.00 Uhr stürzte das Gebäude ein, in dem sich zu der Zeit ca. 3000 Personen befanden, wovon die Mehrheit Mitarbeiter der Bekleidungsfabriken waren. Die meisten Personen, die sich im Gebäude befanden, kamen dabei ums Leben oder wurden schwer verletzt (vgl. DGVN 2016, S. 4; INKOTA Netzwerk). <?page no="188"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 189 In dem Rana Plaza ließen mehr als dreißig westeuropäische Unternehmen Textilien und Bekleidung produzieren, darunter auch fünf deutsche Unternehmen (KiK, Adler, Modemärkte, NKD, Guldenpfennig, Kanz-Kids-Fashion) (vgl. DGVN 2016, S. 5). Zur Entschädigung für die medizinischen Kosten und Lohnausfälle der bei dem Unglück verletzten ArbeiterInnen vermittelte die ILO zwischen der Regierung von Bangladesch, den Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und der nationalen und internationalen Textilindustrie ein Abkommen zur Entschädigung: das „Rana Plaza Agreement“. Es beinhaltet einen von der ILO verwalteten internationalen Solidaritätsfonds, an den diejenigen Ansprüche auf Entschädigung stellen können, die bei dem Unglück ganz oder teilweise ihre Erwerbsfähigkeit verloren haben und auch unterhaltsberechtigte Angehörige von Todesopfern. Allerdings dauerte es mehr als zwei Jahre, bis das für den „Rana Plaza Trust Fund“ benötigte Geld in Höhe von 30 Millionen Dollar von den beteiligten Unternehmen und Akteuren bereitgestellt wurde. Viele im Rana Plaza produzierende Textilunternehmen weigerten sich anfangs, finanzielle Beiträge zur Entschädigung zu zahlen und damit auch eine Verantwortung für das Unglück und die Folgen für die ArbeiterInnen zu übernehmen (vgl. DGVN, 2016, S. 5). Der Gebäudeeinsturz des Rana Plaza ist nur einer von vielen Unfällen, die sich in den letzten Jahren in Bangladesch, aber auch in anderen Ländern ereignet haben. Allerdings ist der Einsturz des Rana Plaza bislang das weltweit schwerste Unglück in der Bekleidungsindustrie. So kam es wenige Monate vorher (am 24.11.2012) in der Tazreen Modefabrik, auch in der Nähe von Dhaka, zu einem Feuerausbruch, bei dem 112 Menschen starben (vgl. http: / / www.spiegel.de/ panorama/ bangladesch-mehr-als-100-tote-bei-feuer-in-textilfabrik-a- 869160.html), weil es in dem Gebäude keine Notausgänge und nur unzureichende Sicherheitsstandards gab. <?page no="189"?> 190 12 Nachhaltiger Personaleinsatz „In Bangladesch ist Rana Plaza zum Synonym für ein nationales Trauma geworden. Gleichzeitig ist es symptomatisch für die desolaten Arbeits- und Sicherheitsbedingungen in der gesamten Bekleidungsindustrie weltweit.“ (DGVN 2016, S. 5). Praxisbeispiel 9: Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch Nachhaltige Unternehmen sollten aufgrund ihrer sozialen Verantwortung die Einhaltung von arbeitsbezogenen Mindeststandards nicht nur im eigenen Unternehmen sicherstellen, sondern auch bei ihren Lieferanten und über die gesamte Wertschöpfungskette bzw. Lieferkette. Zu den wesentlichen internationalen arbeitsbezogenen Mindeststandards gehören: Kernarbeitsnormen der International Labor Organisation (ILO) Social Accountability 8000 (SA 8000) Code of Labour Practices der Fair Wear Foundation (FWF) Standard für Arbeitsschutzmanagement (OHSAS 18001) Sie werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. 12.2.2.1 Kernarbeitsnormen der ILO Die Internationale Arbeitsorganisation (International Labor Organisation, ILO) wurde im Jahr 1919 gegründet und gehört seit 1946 als Sonderorganisation zur UNO. Die ILO hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitsbedingungen und auch die Lebensbedingungen aller Menschen auf der Welt zu verbessern und weltweit soziale Mindeststandards für menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu etablieren. Die Struktur der ILO ist bemerkenswert und innerhalb der UNO einzigartig: Arbeitgeberorganisationen, Gewerkschaften und die Regierungen der 185 Mitgliedsstaaten arbeiten gemeinsam und gleichberechtigt in der ILO zusammen. Ein wesentliches Bestreben der ILO ist die Erarbeitung von Arbeitsnormen bzw. Konventionen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Mittlerweile gibt es fast 200 Konventionen, z.B. zu Obergren- <?page no="190"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 191 zen für die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit, zum Mindestalter, zur Versicherung und zum Gesundheitsschutz von Beschäftigten (vgl. DGVN 2016, S. 2). Die Konventionen sind jedoch nur dann rechtsverbindlich, wenn sie von den Mitgliedsstaaten der ILO auch ratifiziert werden. 1998 hat die ILO eine „Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit“ verabschiedet. Sie beinhaltet die wichtigsten ILO-Konventionen der insgesamt 189 ILO Konventionen und fordert ihre Mitglieder zu deren Ratifizierung auf. Im Vordergrund stehen vier Grundprinzipien, die das Selbstverständnis und Handeln der ILO prägen: Die vier Grundprinzipien sind (vgl. DGVN 2016, S. 2): Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen Beseitigung der Zwangsarbeit Abschaffung der Kinderarbeit Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf Diese vier Grundprinzipien finden sich in den folgenden acht Übereinkommen wieder, die die Kernarbeitsnormen bilden und grundlegende Arbeitsrechte festschreiben und zu deren Einhaltung sich die Mehrheit der Mitgliedsstaaten der ILO verpflichtet haben. Tabelle 20: Kernarbeitsnormen der ILO (vgl. ILO Kerarbeitsnormen) Übereinkommen Jahr Inhalt Übereinkommen 87 1948 Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes Übereinkommen 98 1949 Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen Übereinkommen 100 1951 Gleichheit des Entgelts Übereinkommen 105 1957 Abschaffung der Zwangsarbeit Übereinkommen 111 1958 Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf Übereinkommen 138 1973 Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung Übereinkommen 182 1999 Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit Diese Kernarbeitsnormen der ILO bilden qualitative Sozialstandards und haben damit den Charakter universeller Menschenrechte. Sie sind international für alle Länder gültig, unabhängig vom Grad ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Im Jahr 1999 hat die ILO mit der „Decent Work Agenda“ ihre Arbeit auf vier strategische Ziele ausgerichtet (vgl. DGVN 2016, S. 2): Umsetzung der Kernarbeitsnormen Schaffung menschenwürdiger Beschäftigungsmöglichkeiten mit ausreichendem Einkommen Stärkung der sozialen Sicherheit durch einen sozialen Basisschutz <?page no="191"?> 192 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Stärkung des sozialen Dialogs zwischen Regierungen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern Die „Erklärung über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung“ wurde im Jahr 2008 von der ILO verabschiedet. In ihr haben die Mitgliedsländer, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände ihre Anstrengungen zur Umsetzung der Ziele der ILO nochmals bekräftigt und damit die zukünftige Ausrichtung der ILO festgelegt. Die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ wurde am 25. September 2015 von den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedet. Das Ziel der Agenda besteht darin, die globale Entwicklung ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig zu gestalten und damit nicht nur den jetzt lebenden Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen, sondern auch den zukünftigen Generationen. Eine menschenwürdige Arbeit und die Armutsbekämpfung werden in dieser Agenda explizit mit der nachhaltigen Entwicklung verknüpft. Sehr deutlich wird dies insbesondere im achten Ziel (von 17 Zielen) der Agenda, das lautet: „Förderung von dauerhaftem, inklusivem und nachhaltigem Wirtschaftswachstum, produktiver Vollbeschäftigung und menschenwürdiger Arbeit für alle.“ (BMZ-Agenda 2030). In der Agenda verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, „sofortige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Zwangsarbeit, moderne Sklaverei und Menschenhandel abzuschaffen und bis 2025 jeder Form von Kinderarbeit ein Ende zu setzen. Arbeitnehmerrechte sollen besser geschützt und eine sichere Arbeitsumgebung gewährleistet werden.“ (DGVN, 2016, S. 2). Weitere Ziele der Agenda 2030 sind Vollbeschäftigung sowie eine menschenwürdige Arbeit für alle (Männer, Frauen, Jugendliche, Personen mit Behinderungen), bei der die Menschen für eine gleichwertige Arbeit auch das gleiche Entgelt erhalten. Damit ist eine menschenwürdige Arbeit die zentrale Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Die Mitgliedsstaaten sind nachdrücklich aufgefordert, mithilfe geeigneter Maßnahmen diese Ziele aktiv und möglichst schnell zu unterstützen und zu erreichen. Nur so kann eine soziale und ökologische Entwicklung vorangetrieben werden (vgl. DGVN 2016, S. 2). Kernarbeitsnormen: Acht Kriterien für eine menschenwürdige Arbeit der ILO Keine Zwangs- und Pflichtarbeit Schätzungen der ILO zufolge leiden jährlich ca. 21 Millionen Menschen unter Zwangsarbeit durch Unternehmen oder Privatpersonen. Dazu zählt Zwangsarbeit in privaten Haushalten, in der Sexindustrie, im Baugewerbe, im Bergbau und in der Landwirtschaft. Mit Zwangsarbeit werden jährlich ca. 150 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Der Menschenhandel ist nach dem Waffenhandel und dem Drogenhandel der dritt ertragreichste Wirtschaftszweig. Schon 1930 verabschiedete die ILO das erste Übereinkommen zur Abschaffung der Zwangsarbeit und der Pflichtarbeit. Die Forderung der ILO lautet: „Zwangsarbeit, Pflichtarbeit und Schuldknechtschaft sind nicht zulässig, ebenso wenig wie finanzielle Sicherheitsleistungen oder der Einbehalt von Ausweisdokumenten.“ (DGVN 2016, S. 3). <?page no="192"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 193 Faire Löhne In den Entwicklungsländern arbeiten mehr als 800 Millionen Menschen auch heute noch für einen Lohn, der unter zwei Dollar pro Tag liegt. Im Vergleich zu den Entwicklungsländern sind die durchschnittlichen Löhne bzw. Gehälter in den Industrieländern dreifach so hoch wie in den Entwicklungsländern. Der Anteil der sog „working poor“, d.h. derjenigen Personen, die trotz einer Erwerbstätigkeit arm oder von Armut bedroht sind bzw. deren Einkommen unter der Armutsgrenze liegt, beträgt auch heute noch ein Drittel aller Erwerbstätigen. Die Forderung der ILO lautet: „Um menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen, müssen Beschäftigte mindestens einen gesetzlichen Mindestlohn erhalten - oder einen Tariflohn, sofern dieser höher ist. Mittelfristiges Ziel ist ein Lohn, der für Lebensmittel, Wohnen, Transport, Erziehungs- und Bildungskosten, Gesundheitskosten sowie für kleine Sparsummen reicht.“ (DGVN 2016, S. 3) Würde und Respekt Im Jahr 2015 machte jeder sechste Erwerbstätige, das sind 16 % der Erwerbstätigen, Erfahrungen mit negativem Sozialverhalten. Dazu gehören Mobbing, Gewalt, Belästigung oder unerwünschte sexuelle Annäherungsversuche. Gewalt am Arbeitsplatz hat für die Betroffenen und ihre Erwerbstätigkeit gravierende negative Auswirkungen, die von Demotivation, über verletztem Stolz, schweren psychischen und physischen Schäden, Depressionen bis hin zum Selbstmord reichen. Die Forderung der ILO lautet: „Zur Qualität der Arbeit gehört auch die Frage, ob ein Arbeitsplatz Würde, Stolz und Respekt vermittelt. Physische und psychische Gewalt, sexuelle Belästigung, rassistische Schikane und andere Formen von Missbrauch und Gewalt dürfen nicht zugelassen oder toleriert werden.“ (DGVN 2016, S. 3). Faire Arbeitszeiten Bereits die erste Konvention der ILO im Jahr 1919 beinhaltete die Einführung eines 8-Stunden Tages und einer 48-Stunden-Woche in der Industrie, um die damals üblichen extrem langen Arbeitszeiten abzuschaffen. Diese Forderung ist auch heute noch aktuell, da international immer noch sehr lange Arbeitszeiten weit verbreitet sind. Die Forderung der ILO lautet: „Um menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu garantieren, müssen sich Unternehmen an die gesetzlich oder tarifvertraglich geregelte Arbeitszeit halten. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit sollte nicht mehr als 48 Stunden betragen. Überstunden sind freiwillig und zusätzliche, nicht ständig abverlangte Arbeitszeit. Sie dürfen 12 Stunden pro Woche nicht überschreiten und müssen mit einem Zuschlag entlohnt werden. Innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen ist eine Ruhezeit von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.“ (DGVN 2016, S. 3). Keine Diskriminierung Die Abkommen der ILO gegen Diskriminierung aus den Jahren 1951 und 1958 haben fast alle Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Damit verpflichten sich die Mit- <?page no="193"?> 194 12 Nachhaltiger Personaleinsatz gliedsstaaten zur Verabschiedung entsprechender nationaler Gesetze und geeigneter Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung. Dennoch werden auch heute noch viele Arbeitnehmer diskriminiert. Vor allem Frauen werden häufig diskriminiert, beispielsweise beim Entgelt, ihren Aufstiegschancen oder einer unzureichenden Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch verdienen Frauen weltweit 24 % weniger als Männer. Die Forderung der ILO lautet: „…niemand [darf] aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, des gesellschaftlichen Standes oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Ausrichtung oder der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft diskriminiert werden. Dies gilt bei Einstellung, Bezahlung, Zugang zu Aus- und Weiterbildung, Beförderungen, Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie bei Kündigung oder Erreichen der Altersruhegrenze.“ (DGVN 2016, S. 3) Sozialer Dialog „Sozialer Dialog bezeichnet die Beteiligung von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Regierungen an Entscheidungen über Beschäftigungs- und Arbeitsplatzfragen.“ (DGVN 2016, S. 3). Damit sollen sichere, faire und menschwürdige Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Die ILO hat seit 1919 mehrere Abkommen zur Vereinigungsfreiheit und zum Recht auf Kollektivverhandlungen mit ihren Mitgliedsländern abgeschlossen. Trotzdem missachten bis heute viele Staaten diese Rechte. Immer noch werden Gewerkschaften bei ihrer Arbeit behindert, Arbeitnehmer, die Gewerkschaften gründen möchten oder sich in Gewerkschaften engagieren, werden bedroht oder sogar getötet. Die Forderung der ILO lautet: „Arbeitnehmer haben das Recht, sich ohne äußere Einmischung in Gewerkschaften zu organisieren. Gewerkschaften haben das Recht, Tarifverhandlungen zu führen und zu streiken.“ (DGVN 2016, S. 3). Sicherheit und Gesundheit Arbeitsbedingte Unfälle und Krankheiten gehören auch heute noch zu den drängendsten weltweiten Gesundheitsproblemen. Die ILO schätzt, dass jedes Jahr 2,3 Millionen Menschen durch Arbeitsunfälle sterben, das sind 6400 Tote pro Tag. Darüber hinaus erleiden jährlich 313 Millionen Arbeitnehmer nichttödliche Arbeitsunfälle, das sind 860.000 Menschen pro Tag (vgl. DGVN 2016, S. 3). Die Forderung der ILO lautet: „Die Garantie von Sicherheit und Gesundheit ist Grundvoraussetzung für einen menschenwürdigen Arbeitsplatz. Es gelten Mindestanforderungen an Hygiene, Brandschutz und Sicherheitsmaßnahmen. Unternehmen müssen für einen wirkungsvollen Unfall- und Gesundheitsschutz sorgen und arbeitsbedingte Risiken soweit wie möglich senken. … Die ILO fordert deshalb eine weltweite Präventionskultur für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit.“ (DGVN 2016, S. 3). Keine Kinderarbeit Weltweit arbeiten nach Schätzungen der ILO auch heute noch 168 Millionen Kinder zwischen 5 und 17 Jahren regelmäßig mehrere Stunden pro Tag. Davon leisten 85 Millionen Kinder gefährliche Arbeiten. Dazu gehört Nachtarbeit, viel zu lange Arbeitszeiten, Arbeit in Steinbrüchen oder das Halten der Kinder als <?page no="194"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 195 Arbeitssklaven. Die meisten Kinder arbeiten in der Landwirtschaft (ca. 98 Millionen), 54 Millionen Kinder arbeiten im Dienstleistungsbereich, z.B. als Haushaltshilfen, und 12 Millionen Kinder arbeiten in der Industrie. An Arbeitsunfällen sterben jährlich 22.000 Kinder (vgl. DGVN 2016, S. 3). Zwar hat sich die Anzahl der arbeitenden Kinder seit dem Jahr 2000 um ein Drittel vermindert, dennoch konnte „das Ziel der internationalen Gemeinschaft, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit bis 2015 komplett zu beseitigen, nicht erreicht werden.“ (DGVN 2016, S. 3). Die Forderung der ILO lautet: „Kinder unter 15 Jahren dürfen nicht beschäftigt werden. Davon ausgenommen ist lediglich die Beschäftigung im Rahmen einer Ausbildung. Nachtarbeit ist grundsätzlich erst ab dem 18. Lebensjahr erlaubt.“ (DGVN 2016, S. 3). Praxisbeispiel 10: Kernarbeitsnormen So wichtig die internationalen Abkommen und Konventionen der ILO mit ihren Mitgliedsländern auch sind: Werden die Konventionen zu den internationalen Arbeitsbedingungen und die Kernarbeitsnormen von Mitgliedsländern missachtet, kann die ILO keine Sanktionen an die Mitgliedsländer verhängen. Umso wichtiger sind daher freiwillige Verhaltensregeln, private Initiativen und Gütesiegel, um die Kernarbeitsnormen weltweit durchzusetzen. Hier können sich auch einzelne Unternehmen engagieren. 12.2.2.2 Freiwillige Sozialstandards Mit der Einführung von freiwilligen Verhaltenskodizes und Sozialstandards können auch einzelne Unternehmen einen Beitrag zur Sicherstellung menschenwürdiger nationaler und internationaler Arbeitsbedingungen über die gesamte Lieferkette hinweg leisten. Nachhaltige Unternehmen könnten beispielsweise ihre Auftragsvergabe an ausländische Lieferanten nicht nur an preisliche und qualitätsbezogene Anforderungen binden, sondern auch an die Einhaltung von Sozialstandards. Dies sichert den Beschäftigten menschenwürdige Arbeitsbedingungen, faire Löhne und geregelte Arbeitszeiten. Auch ein Verbot der Kinderarbeit kann so gefordert und durchgesetzt werden. Da die Kunden vieler Unternehmen mittlerweile auch Wert legen auf das ökologische und soziale Engagement der Wirtschaft, können nachhaltige Unternehmen durch die Einführung freiwilliger Verhaltenskodizes Wettbewerbsvorteile beim Absatz ihrer Produkte bzw. Leistungen erreichen und gleichzeitig ihr Image als tatsächlich nachhaltiges Unternehmen in der Öffentlichkeit und am Arbeitsmarkt stärken. Mittlerweile existieren viele Initiativen, in denen Unternehmen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen gemeinsam an der Einführung von Sozialstandards arbeiten, sog. Multi-Stakeholder-Initiativen. Einige von ihnen werden nun genauer vorgestellt. Runder Tisch Verhaltenskodizes Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat 2001 den Runden Tisch Verhaltenskodizes gemeinsam mit Vertretern <?page no="195"?> 196 12 Nachhaltiger Personaleinsatz von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Behörden und Nichtregierungsorganisationen gegründet. Der Runde Tisch Verhaltenskodizes fördert die Einführung freiwilliger Verhaltenskodizes in deutschen Unternehmen, die über internationale Produktionsstätten, insbesondere in Entwicklungsländern verfügen bzw. mit Zulieferern in Entwicklungsländern zusammenarbeiten. Ziel des Runden Tisches ist es, die Sozial- und Umweltstandards in globalen Lieferketten zu verbessern. Für die Umsetzung dieses Ziels wurden verschiedene Initiativen gegründet, z.B. das Dialogforum „European Conference of Living Wages“, das sich mit der Einführung existenzsichernder Löhne in internationalen Zulieferbetrieben beschäftigt (vgl. BMZ: Runder Tisch Verhaltenskodizes). Branchenweit gültige Verhaltensregeln Da bestimmte Branchen mit spezifischen Belastungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen konfrontiert sind, haben sich branchenbezogene Verhaltensregeln entwickelt, die die Besonderheiten einzelner Branchen berücksichtigen. Zusätzlich können sich auch kleinere und mittelständische Unternehmen in diesen branchenspezifischen Initiativen engagieren bzw. auf die dort entwickelten Kodizes zurückgreifen, ohne selbst die komplexen Verhaltensregeln entwickeln zu müssen. Branchenspezifische Verhaltensregeln gibt es beispielsweise für die Kaffee-Herstellung, die Textilbranche und den Einzelhandel. Tabelle 21: Branchenspezifische Verhaltensregeln und Kodizes Branchenspezifische Verhaltensregeln und Kodizes Branche Kodex Ziel Inhalt / Bemerkung Kaffee- Herstellung 2002: Common Code for the Coffee Community (CCCC) deutsch: gemeinsamer Kodex für die Kaffee-Gemeinschaft Entwicklung eines weltweit gültigen Verhaltenskodex für die sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Kaffee. 2002 vom BMZ, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem deutschen Kaffeeverband gegründet. Weitere Infos: http: / / www.globalcoffeeplatform.org/ 2006: Weiterentwicklung der CCCC zur 4C Association Mitglieder verpflichten sich, den CCCC einzuhalten und dadurch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Rohkaffeeproduzenten zu verbessern und umweltschädliche Anbaumethoden zu vermeiden Mitglieder sind Kaffeeproduzenten, Vertreter des Kaffeehandels, Vertreter der Kaffeeindustrie, Organisationen der Zivilgesellschaft 2006: Weiterentwicklung der CCCC zur 4C Association Weitere Infos unter: http: / / www.4c-coffeeassociation.org/ index.php? id=26 <?page no="196"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 197 Einzelhandel Außenhandelsvereinigung des deutschen Einzelhandels (AVE) Engagement für die Verbesserung der Sozialstandards in der weltweiten Lieferkette AVE ist Gründungsmitglied der Busienss Social Compliance Initiative (BSCI) Business Social Compliance Initiative (BSCI) des europäischen Einzelhandels Weltweite Verbesserung von Sozialstandards entwickelt und umgesetzt Verhaltenskodex basiert u.a. auf den Konventionen der ILO, den Menschenrechtserklärungen der UN, den Prinzipien des Global Compact und den OECD- Leitsätzen für multinationale Unternehmen Weitere Infos unter: http: / / www.csr.in-deutschland.de Textilbranche Alliance for Bangladesh Worker Safety und Accord on Fire and Building Safety in Bangladesch (Abkommen für Brandschutz und Gebäudesicherheit) Sicherstellung der Einhaltung von wirksamen Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen in Textilbetrieben in Bangladesch durch Auftraggeber Auftraggeber sind die Unternehmen, die dieses Abkommen unterschrieben haben. Weitere Infos unter: http: / / www.coc-rundertisch.de/ 2014: Bündnis für nachhaltige Texilien Bündelung und Stärkung der Initiativen in der Textilindustrie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen Bündnis setzt sich zusammen aus Vertretern der Textilindustrie, der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft Social Accountability 8000 (SA 8000) Das Management- und Zertifizierungssystem „Social Accountability 8000 wurde 1998 von der US-Nichtregierungsorganisation Social Accountability International (SAI) entwickelt (vgl. SAI o.J.). Es basiert auf der internationalen Menschenrechtskonvention und den Kernarbeitsnormen der ILO. Das SA 8000 ist eine international verbreitete Zertifizierungsnorm mit strengen Standards zu menschengerechten Arbeitsbedingungen und den Rechten von Arbeitnehmern. Dazu gehören u.a. das Verbot von Kinderarbeit und Diskriminierung, und die Einführung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und der Vereinigungsfreiheit. „Die SA 8000 überprüft die weltweite Einhaltung sozialer Mindeststandards in produzierenden Unternehmen und verantwortet weltweit die Zertifizierung von Fabriken, die durch unabhängige Zertifizierungsorganisationen realisiert wird.“ (Lexikon der Nachhaltigkeit Stichwort SA 8000). <?page no="197"?> 198 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Die Bewertungskriterien der SA 8000 beinhalten Kinderarbeit, Arbeit unter Zwang, Gesundheits- und Sicherheitsstandards, eine gemeinsame Vertretung, Diskriminierung, Disziplinierungen, Arbeitszeiten, Vergütung und Managementsysteme. Dabei legen die Bewertungsregeln inhaltliche Mindeststandards für die Unternehmen fest. Beispielsweise heißt es zur Arbeitszeit in der Norm: „…dass Unternehmen die anwendbaren Gesetze und Industrienormen über Arbeitszeit beachten wird; auf keinen Fall wird von der Belegschaft verlangt, dass regelmäßig über 48 Stunden pro Woche gearbeitet wird und das Personal erhält mindestens einen freien Tag in jeder siebentägigen Periode“ (Abschnitt 7.1 der SA 80000). Der Aufbau der SA 8000 ist vergleichbar mit der Umweltmanagement-Norm ISO 14001 und der Qualitätsmanagement-Norm ISO 90000: 2000. Damit sind alle drei Normen auch kompatibel. Allerdings unterscheidet sich die SA 8000 von den anderen beiden Normen insofern, als sowohl systematische Befragungen der Beschäftigten von Beginn an den Zertifizierungsprozess begleiten und auch außerbetriebliche Interessengruppen (z.B. NGOs, Gewerkschaften) mit in den Prozess einbezogen werden. Code of Labour Practices der Fair Wear Foundation (FWF) Ausgangspunkt der Fair Wear Foundation war eine Initiative niederländischer Branchenverbände der Textilindustrie, von Gewerkschaften und NGO´s, aus der 1999 die Fair Wear Foundation gegründet wurde (vgl. http: / / www.fairwear.org/ ). Ziel der Fair Wear Foundation ist es, weltweit gesetzliche, faire und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Unternehmen der vorrangig niederländischen Bekleidungsindustrie sicherzustellen. Dabei müssen die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen den Mindeststandards der ILO und auch den örtlichen gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Im Jahr 2001 begann die FWF ihre Arbeit mit ersten Pilotprojekten in Rumänien, Indien und Indonesien in Zusammenarbeit mit damals fünf Bekleidungsherstellern. Ziel war es, die Umsetzung des Code of Labour Practices in den Pilotprojekten zu testen (vgl. Müller/ Moutchnik/ Freier 2013, S. 92) Der Code of Labour Practices umfasst folgende Kriterien, die sich an den Kernarbeitsnormen der ILO und an der UN-Menschenrechtsdeklaration orientieren: Kinderarbeit, soziale Absicherung, existenzsichernde Entlohnung, Mitspracherechte im Unternehmen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitszeiten sowie eine umweltverträgliche Produktion. Einmal jährlich wird die Einhaltung der Arbeitsstandards durch ein internes Gremium der Mitgliedsunternehmen als internes Monitoring geprüft. Ein externes Monitoring erfolgt alle drei Jahre als externe und unabhängige Kontrolle der umgesetzten Arbeitsbedingungen. Zusätzlich wird auch überprüft, ob die Anforderungen und der FWF Verhaltenskodex im Managementsystem der Unternehmen umgesetzt und eingehalten wird. Die Mitgliedsunternehmen veröffentlichen einmal jährlich einen Bericht über ihre Maßnahmen und Fortschritte. Zusätzlich erhält die FWF von jedem Unternehmen eine Liste mit den Zulieferern. Darüber hinaus erarbeitet die FWF selbst jährliche Verifizierungsberichte. Die Mitgliedschaften der FWF werden im Internet veröffentlicht mit Namen und Marken des Unternehmens sowie den aktuellen Zulieferern. Derzeit verfügt die FWF über mehr als 45 Mitglieder aus den Niederlanden, Deutschland, Dänemark und der Schweiz. Die Aktivitäten der FWF <?page no="198"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 199 erstrecken sich auf Bangladesch, Bulgarien, China, Indien, Litauen, Mazedonien, Polen, Portugal, Rumänien, Thailand, Tunesien, Türkei, der Ukraine und Vietnam (vgl. Müller/ Moutchnik/ Freier 2013, S. 92; http: / / www.fairwear.org/ about/ member ship/ ). Weiter Informationen finden sich unter: http: / / www.fairwear.org/ labourstandards/ . Standard für Arbeitsschutzmanagement (OHSAS 18001) Die Occupational Health and Safety Assessment Series (OHSAS 18001) ist ein weltweit anerkannter Standard für die Bewertung und Zertifizierung eines betrieblichen Arbeitsschutzmanagementsystems. Zentrale Ziele des Arbeitsschutzmanagements sind der Schutz der Menschen, die Arbeitssicherheit und die Gesundheitsvorsorge. Mitarbeiter sollen durch vorbeugende Maßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagement befähigt werden, vor dem Eintreten eines Unfalls oder einer Erkrankung notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die OHSAS 18001 kann von jeder Organisation und jedem Unternehmen branchenübergreifend eingeführt werden. Hinsichtlich ihrer Ziele, Struktur und Durchführung ist die OHSAS 18001 mit den Managementsystem-Normen ISO 9001und ISO 14001 kompatibel, d.h. sie lässt sich gut in bestehende Managementsysteme integrieren (vgl. TÜV Süd o.J.). Der Ablauf der OHSAS 18001 erfolgt in folgenden Schritten (vgl. Müller/ Moutchnik/ Freier 2013, S. 92 f.): Die Unternehmensleitung muss zunächst eine Arbeitsschutzpolitik definieren, die später umgesetzt werden soll. Daran schließt sich eine ausführliche Gefährdungsbeurteilung und Risikobewertung aller Arbeitsprozesse an. Daraus werden organisatorische, technische und persönliche Arbeitsschutzziele abgeleitet. Diese Ziele wiederum bestimmen die nun festzulegenden technischen, rechtlichen und personenbezogenen Anforderungen an die Arbeitsmittel und Arbeitsprozesse im eigenen Unternehmen sowie bei den Lieferanten und Vertragspartnern. Darauf aufbauend müssen geeignete Instrumente entwickelt werden, die die Durchführung, Überwachung, Bewertung und Dokumentation des Erreichens und Einhaltens der Arbeitsschutzziele gewährleisten. Für Notsituationen müssen auch entsprechende Szenarien, Verhaltensweisen und Übungen entwickelt und umgesetzt werden. Wichtig ist auch eine kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter im Arbeitsschutz (Fachwissen, Techniken, Schutzmaßnahmen, Übungen) sowie die Kommunikation. Das eingeführte OHSAS 18001 wird durch geeignete Zertifizierer überprüft. Hält das Unternehmen die geforderten Standards ein, so erhält es ein Zertifikat. Voraussichtlich wird der OHSAS 18001 Standard im Jahr 2017 durch die zur Zeit als Entwurf vorliegende ISO 45001 ersetzt. Die ISO 45001 soll ein weltweit anerkannter Standard werden, der Anforderungen für die Arbeitssicherheit und für Gesundheitsschutz-Managementsysteme etabliert und damit der OHSAS 18001 ähnelt. Ziele des neuen Standards sind die Reduzierung arbeitsbedingter Erkrankungen und Unfälle sowie eine Steigerung der Mitarbeitermotivation (TÜV Süd o.J.). Forest Stewardship Council (FSC) Der Forest Stewardship Council (FSC) ist ein internationales Netzwerk, das aus mehr als 50 nationalen Initiativen besteht. Das Ziel des FSC ist es, die Wälder für kommende Generationen zu erhalten und Standards für eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung zu entwickeln und <?page no="199"?> 200 12 Nachhaltiger Personaleinsatz durchzusetzen. Gegründet wurde die unabhängige und gemeinnützige Nichtregierungsorganisation 1993 als ein Ergebnis der Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ in Rio de Janeiro (vgl. http: / / www.fsc-deutschland.de/ de-de/ der-fscr). In ihm sind über 1000 Unternehmen aus 80 Ländern zertifiziert. Der FSC zielt auf eine umweltfreundliche, sozialverträgliche und ökonomisch tragfähige Bewirtschaftung der Wälder. Die Umweltverträglichkeit der Bewirtschaftung betrifft den Erhalt der Biodiversität, der Produktivität und der ökologischen Systeme und Prozesse im Wald. Die Sozialverträglichkeit berücksichtigt die Belange der lokalen Bevölkerung und der Gesellschaft im Hinblick auf die Erhaltung und langfristige Nutzung der Wälder. Die ökonomische Tragfähigkeit richtet sich an die Wirtschaftlichkeit und die Existenzsicherung der Unternehmen, ohne dass die Gewinne des Unternehmens zulasten der Ökosysteme, des Waldes oder der Bevölkerung gehen. Da sich der FSC ausschließlich auf die Nutzung von Wäldern konzentriert, können nur Produkte zertifiziert werden, die aus Holz bestehen, wie z.B. Möbel oder Papier. Der Standard des FSC basiert auf zehn Prinzipien und 56 Indikatoren (vgl. http: / / www.fsc-deutschland.de/ de-de/ der-fscr). Die Prinzipien sind im Folgenden aufgelistet: Erhaltung der nationalen Gesetzgebung und der FSC-Prinzipien Eigentums- und Besitzrechte und Verantwortlichkeiten Respekt der Rechte indigener Völker Bezug zu den lokalen Gemeinschaften und den Rechten der Arbeiter Verwendung des Gewinns aus der Waldnutzung Umweltwirkungen Managementplan Monitoring und Bewertung Erhalt hochwertigen Waldes Plantagen Der FSC hat ein mehrstufiges Verfahren zur Zertifizierung entwickelt: In Bonn sitzt der FSC International, der Zertifizierer, nationale FSC-Initiativen und Standards akkreditiert. Auf nationaler Ebene entwickeln Initiativen nationale und subnationale Standards. Zusätzlich werden die allgemeinen Prinzipien unter Berücksichtigung der jeweils nationalen und lokalen Besonderheiten operationalisiert. Die Arbeitsgruppe Deutschland e.V. des FSC ist in Deutschland für die Erarbeitung des nationalen Standards verantwortlich. Die Zertifizierer, die zukünftig die Unternehmen akkreditieren, werden von der FSC zunächst selbst akkreditiert. Die Akkreditierung der Zertifizierer dauert 9 - 12 Monate. Dabei werden die Zertifizierer vor Ort dahingehend geprüft, ob sie über ausreichendes Wissen über die FSC-Standards verfügen und auch über genügend Personal (Auditoren), die die Prüfung vor Ort tatsächlich durchführen können. Im Jahr 2013 waren 25 überregional agierende Prüfstellen akkreditiert, die Unternehmen akkreditieren und das FSC-Siegel vergeben dürfen. Diese Prüfstellen werden selbst jährlich auf die Qualität und Richtigkeit ihrer Zertifizierungen hin überprüft. Damit sichert der FSC international einen einheitlichen Maßstab der Zertifizierungen (vgl. Müller/ Moutchnik/ Freier 2013, S. 93 f.). Der FSC vergibt zwei Arten von Zertifikaten: Waldzertifikate (Forest Management- Zertifikat) und Produktkettenzertifikate (Chain of Custody oder CoC-Zertifikat). Waldzertifikate können Waldbesitzer erhalten, deren Waldbewirtschaftung den Anforderungen des FSC-Waldstandards entspricht. Damit wird sichergestellt, dass die <?page no="200"?> 12.2 Sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen 201 Wälder nach sozialen und ökologischen Kriterien bewirtschaftet werden. Produktkettenzertifikate können Hersteller und Händler von FSC-zertifizierten Holz- und Papierprodukten erhalten. Um die Kosten der Zertifizierung zu senken, können kleine Unternehmen ein Gruppenzertifikat beantragen. Möglich ist es auch, ein kombiniertes Zertifikat zu erwerben. Auf dem Endprodukt darf das FSC-Zeichen nur dann erscheinen, wenn alle Stationen der Produktkette (vom Forstbetrieb bis zum letzten Verarbeitungsschritt) nach den FSC-Standards zertifiziert sind (vgl. http: / / www.fscdeutschland.de/ de-de/ zertifizierung). Der FSC hat drei verschiedene Label-Kategorien. Praxisbeispiel 11: Label-Kategorien des FSC Nachhaltige Unternehmen können mit der Einführung für sie passender Sozialstandards und deren Zertifizierung ihr soziales Engagement und vor allem die Einhaltung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und der Kernarbeitsnormen der ILO sowohl nach innen sicherstellen als auch nach außen für wichtige Stakeholder und Interessenten dokumentieren und kommunizieren. Zusätzlich bieten die vorgestellten Sozialstandards fachlich kompetente Hilfestellungen bei der Berücksichtigung sozialer Interessen der Mitarbeiter und der Gestaltung internationaler menschenwürdiger Arbeitsbedingungen. <?page no="201"?> 202 12 Nachhaltiger Personaleinsatz 12.3 Ökologisch verträgliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen Ein nachhaltiges Unternehmen muss auch die ökologischen und umweltbezogenen Belange und Auswirkungen seiner Unternehmenstätigkeit umfassend und systematisch berücksichtigen. Gleichzeitig gilt es, die ökologische Verträglichkeit der Arbeitsbedingungen sicherzustellen. Am besten lässt sich das erreichen, wenn im Unternehmen ein umfassendes Umweltmanagement aufgebaut und ein passendes Umweltmanagementsystem integriert wird. Umweltmanagement ist der Teilbereich des gesamten Managements eines Unternehmens, der sicherstellt, dass das Unternehmen seine eigenen Ansprüche, aber auch die Ansprüche wesentlicher Stakeholder an ein umweltverträgliches Unternehmenshandeln erfüllt. Ein umweltverträgliches Unternehmenshandeln erstreckt sich auf alle betrieblichen Abläufe, auf den ökologisch verträglichen Ressourceneinsatz und ökologisch verträgliche Herstellungsbzw. Leistungsprozesse, auf die ökologische Verantwortung der hergestellten Produkte bzw. angebotenen Leistungen sowie auf umwelt- und gesundheitsverträglich gestaltete Arbeitsbedingungen (vgl. z.B. Antes/ Müller/ Siebenhüner 2016; Kramer 2010; Kramer/ Strebel/ Kayser 2003; Breidenbach 2002; Seidel 1999; Steger 1997; Antes 1996; Junkernheinrich/ Klemmer/ Wagner 1995; Seidel/ Strebel 1991; Freimann 1990; Kirchgeorg 1990). Um ein Umweltmanagement als Managementteilsystem im Unternehmen zu integrieren, bedarf es umfangreicher Maßnahmen. So muss die Unternehmensleitung eine grundlegende und unternehmensweite umweltorientierte Vision sowie Ziele und Strategien entwickeln und formulieren, als auch eine Umweltpolitik und Umweltleitlinien für das umweltverträgliche Handeln im gesamten Unternehmen erarbeiten und als verbindlich verabschieden. Zusätzlich müssen organisatorische und personelle Zuständigkeiten für das Umweltmanagement festgelegt werden. Wichtig ist beispielsweise die Übernahme der Verantwortung für das Umweltmanagement durch ein Mitglied der Geschäftsleitung oder ein Vorstandsmitglied sowie die Einrichtung einer eigenen Abteilung oder Stabstelle Umweltmanagement. Auch die Organisation der Strukturen und Abläufe des Umweltmanagements, entsprechende Zuständigkeiten, Verhaltensweisen sowie die Erfassung, Dokumentation, Steuerung und Kontrolle aller umweltrelevanten Auswirkungen des Unternehmenshandelns müssen festgelegt werden. Ein weiterer Aspekt ist die Berichterstattung der Unternehmen über ihre Umweltleistungen. Wurden in den 1990er Jahren zunehmend Umweltberichte veröffentlicht, so wird mittlerweile von einer steigenden Zahl an Unternehmen die Umweltberichterstattung in den Nachhaltigkeitsbericht integriert. Ein wichtiger Bereich des Umweltmanagements betrifft die Sensibilisierung, die Information und die Verhaltenssteuerung der Mitarbeiter im Hinblick auf ein ökologisch verträgliches Handeln in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen. Dazu bedarf es u.a. der Vermittlung entsprechender fachlicher, methodischer und sozialer Qualifikationen und Kompetenzen, aber auch geeigneter Anreize (und ggf. auch expliziter Sanktionen), um ein umweltverträgliches und verantwortungsvolles Arbeitshandeln gezielt zu fördern. Die Anliegen und Ansprüche der (wichtigsten) unternehmensinternen und -externen Stakeholder sind idealerweise in einem Dialog mit dem Unternehmen zu erfassen, gemeinsam zu bearbeiten und soweit möglich auch zu erfüllen. Nur so kann ein Unternehmen auf Dauer seine umweltbezogene gesellschaftliche Legitimität sicherstellen. Zu einer ökologisch verträglichen Gestaltung der Arbeitsbedingungen gehört auch eine gesundheitsverträgliche und inspirierende Gestaltung der Arbeitsplätze, Arbeitsräume sowie des Unternehmensstandortes. <?page no="202"?> 12.3 Ökologisch verträgliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen 203 Zur Umsetzung des Umweltmanagements in Unternehmen existieren mittlerweile eine Vielzahl an Umweltmanagementsystemen. Diese Umweltmanagementsysteme sind freiwillige Instrumente eines vorsorgenden Umweltschutzes und dienen zur systematischen Erhebung der Umweltauswirkungen eines Unternehmens sowie zur kontinuierlichen Verbesserung seiner Umweltleistungen, des Umweltmanagements und der Verminderung seiner Umweltauswirkungen. Die ersten Umweltmanagementsysteme entstanden in den 1980er Jahren als Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements (ISO 9000er Reihe). 1993 wurde auf europäischer Ebene die EMAS- Verordnung der Europäischen Union („Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung“) veröffentlicht. Sie besteht mittlerweile in der zweiten Revision von 2009 und kann weltweit von allen Organisationen angewendet werden (vgl. EMAS Info 2014, S. 1; Glatzner 2016, S. 289 ff.). Von der internationalen Normungsorganisation ISO wurde 1996 die weltweit gültige Umweltmanagementnorm ISO 14001 erarbeitet und veröffentlicht (vgl. Moosmayer 2016, S. 305 ff.). Mittlerweile gibt es auch in der ISO 14000-Reihe weitere, spezifischere Normen. Darüber hinaus haben sich in den folgenden Jahren viele spezialisierte Umweltmanagementansätze entwickelt, die teils auf bestimmte Branchen, Wirtschaftszweige oder Organisationstypen spezialisiert sind (z.B. „Ecocamping“ für Fremdenverkehrseinrichtungen, „Qualitätsverbund umweltbewusster Handwerksbetriebe“ für das Handwerk, „Grüner Gockel“ für Kirchengemeinden). Weiter existieren Kooperationen zwischen Bundesländern und Unternehmen sowie auch vereinfachte Verfahren zur Umsetzung eines betrieblichen Umweltmanagementsystems (z.B. EMASeasy, EMAS-Konvoi, ISO14005; Ökoprofit - Ökologisches Projekt für integrierte Umwelt-Technik, PIUS - Produktintegrierter Umweltschutz, Qualitätsverbund umweltbewusster Betriebe) (vgl. Thomas/ Freier/ Pape 2013, S. 190 ff.). Sowohl die EMAS-Verordnung als auch die ISO14001 gehören heute zu den bekanntesten und am meisten verbreiteten Umweltmanagementsystemen. Beide Systeme verpflichten zur Einhaltung der umweltrelevanten gesetzlichen Vorgaben und beinhalten verbindliche Standards für das betriebliche Umweltmanagement. Allerdings sind die Anforderungen der EMAS-Verordnung an ein Umweltmanagementsystem umfassender und anspruchsvoller als die der ISO 14001 (u.a. Verpflichtung zur veröffentlichten Umwelterklärung), wobei die Anforderungen der ISO14001 vollständig in der EMAS enthalten sind. Diejenigen Unternehmen, die die Standards erfüllen, können sich das zertifizieren lassen. Derzeit sind in Deutschland nach der ISO14001 rund 6000 Unternehmen zertifiziert und nach der EMAS ca. 1800 Standorte registriert (UBA Stichwort: EMAS). Einen Vergleich der Anforderungen beider Normen bietet die folgende Tabelle 22. Tabelle 22: Vergleich der Umweltmanagementsysteme EMAS und ISO14001 (TÜV Rheinland, www.tuv.com) EMAS ISO14001 Grundlage öffentlich-rechtliche Grundlage als europäische Verordnung basiert auf Umweltauditgesetz internationaler Standard DIN EN ISO 14001 keine rechtliche Grundlage Inhalt Umweltmanagementsystem Umweltmanagementsystem interne und externe Überprüfung <?page no="203"?> 204 12 Nachhaltiger Personaleinsatz interne und externe Überprüfung Umweltbericht öffentliche Registrierung Zertifikat Ziele ergebnis- und umweltleistungsorientiert kontinuierliche Verbesserung der Umweltleistung verfahrens- und systemorientiert kontinuierliche Verbesserung des Umweltmanagementsystems Anforderungen Anforderungen der EMAS Umweltprüfung (IST-Zustand) Nachweis über Einhaltung von Rechten und Genehmigungen Verbesserung der Umweltleistung Mitarbeiterbeteiligung externe Kommunikation Bereitstellung von Umweltinformationen durch die Umwelterklärung Anforderungen der ISO14001 Umweltpolitik geltende rechtliche Verpflichtungen ermitteln und einhalten Umsetzung des UMS sicherstellen und intern kommunizieren Dokumentation und Aufzeichnung Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr Überprüfung, Messung, Korrekturen, interne Audits und Vorbeugemaßnahmen Managementbewertung Betrachtungsebene organisations- und standortbezogen organisationsbezogen Prüfungsinhalt Einsicht in Dokumente, Audit vor Ort Umsetzung der Umweltprüfung, Umweltpolitik, interne Umweltbetriebsprüfung und des Umweltmanagementsystems müssen EMAS- Verordnung entsprechen Prüfung der Daten und Informationen in der Umwelterklärung Einsicht in Dokumente, Audit vor Ort Umweltmanagementsystem muss mit Anforderungen der IS 14001 übereinstimmen Prüfer EMAS-Umweltgutachter, Umweltgutachterorganisationen und Zertifizierungsorganisationen Zertifizierungsorganisationen Nachweis Gültigkeitserklärung gültig für drei Jahre Registrierung in EMAS-Register Zertifikat gültig für drei Jahre zeitlicher Rhythmus Wiederholungsaudit alle drei Jahre jährliche Validierung des Umweltberichtes Wiederholungsaudit alle drei Jahre jährliches Überwachungsaudit <?page no="204"?> 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte 205 Einbeziehung externer Organisationen zuständige Umweltbehörde wird mit einbezogen keine Einbeziehung externe Kommunikation externe Kommunikation ist durch Umweltbericht bindend Umweltpolitik muss der Öffentlichkeit zugänglich sein Einhaltung der Rechtsvorschriften Nachweis erforderlich Verfahren zur Bewertung der Einhaltung von rechtlichen Vorschriften erforderlich Einbeziehung der Mitarbeiter erforderlich erforderlich 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte Die zentrale Zielsetzung und die Gesamtaufgabe eines Unternehmens besteht in der Herstellung und im Absatz bestimmter Produkte oder Dienstleistungen, um damit einen Gewinn zu erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Gesamtaufgabe meist in Teilaufgaben zerlegt, d.h. es erfolgt eine Arbeitsteilung im Unternehmen. Die Teilaufgaben werden jeweils bestimmten Stellen zugeordnet und von den Stelleninhabern, d.h. von dafür spezialisierten und fachlich kompetenten Mitarbeitern bearbeitet. Aus der Zuordnung der Teilaufgaben zu bestimmten Stellen ergibt sich die Stellenspezialisierung. 12.4.1 Arbeitsteilung und Stellenspezialisierung Die Arbeitsteilung im Unternehmen kann entweder mengenmäßig, d.h. nach quantitativen Kriterien oder artmäßig, d.h. nach qualitativen Kriterien bzw. verschiedenen Aufgaben erfolgen. Bei der mengenmäßigen Arbeitsteilung, die auch als horizontale Arbeitsteilung bezeichnet wird, übernehmen alle Mitarbeiter gleichartige Aufgaben bzw. Teilleistungen, um die Gesamtaufgabe zu erfüllen. Beispielsweise stellt jeder Mitarbeiter ein vollständiges Produkt her. Demgegenüber erfolgt bei der artenmäßigen Arbeitsteilung eine funktionale Spezialisierung, d.h., dass die Gesamtaufgabe in verschiedene Teilaufgaben zerlegt wird und jeder Mitarbeiter nur eine bestimmte Teilaufgabe übernimmt und ausführt, auf die er sich spezialisiert hat. Das Ziel der Arbeitsteilung besteht in der Abgrenzung verschiedener Arbeitsaufgaben, die in bestimmten Stellen zusammengefasst werden. Durch diese Stellenspezialisierung kann ein Unternehmen seine Gesamtaufgabe effizienter erreichen, da die Mitarbeiter jeweils klar abgegrenzte Teilaufgaben übernehmen, für die sie qualifiziert werden und die sie dadurch fachlich kompetenter und auch schneller ausführen können. Die Mitarbeiter erreichen so Lerneffekte in ihren spezifischen Aufgabenbereichen und das Unternehmen erzielt insgesamt Kostensenkungseffekt durch die schnellere Aufgabenerfüllung. Zusätzlich können die klar abgegrenzten Aufgabenbereiche gezielter durch geeignete Mitarbeiter mit entsprechenden Qualifikationen besetzt werden. Insgesamt steigern die Arbeitsteilung und die Stellenspezialisierung die Arbeitsqualität und die Arbeitsproduktivität. Je größer ein Unternehmen ist, desto ausgeprägter ist i.d.R. auch die Stellenspezialisierung (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 154 f.). <?page no="205"?> 206 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Abbildung 75: Mengenmäßige und artmäßige Arbeitsteilung Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte Frederick W. Taylor das Scientific Management, dessen wesentliche Grundzüge er 1911 in seinem Buch „The Principles of Scientific Management“ (Taylor 1911) veröffentlichte. Das Scientific Management gilt als erste systematische Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden auf die Analyse und Beeinflussung menschlicher Arbeitsleistungen im Unternehmen und auch als Beginn der Arbeitswissenschaften (vgl. Landau 2004; Berthel/ Becker 2013, S. 39). Das Ziel des Scientific Managements bestand in einer radikalen Arbeitsteilung, die den Einsatz und die Kombination von Mensch, Maschinen und Betriebsmitteln optimierte, um so die unternehmerische Produktivität zu maximieren. Die von Taylor formulierten Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsführung bezogen sich wesentlich auf die Optimierung des Arbeitsvollzugs und auf die Einführung einer leistungsbezogenen Entlohnung. Mit seiner ausgeprägten Arbeitsteilung und Optimierung des Arbeitsvollzugs ermöglichte und begründete das Scientific Management u.a. die Fließbandfertigung, die Arbeitsteilung und die Stellenspezialisierung in der Massenproduktion, aber auch die Trennung von sog. Hand- und Kopfarbeit, die Entwicklung von Methoden zur industriellen Arbeitsvorbereitung sowie die Anwendung von Arbeits- und Zeitstudien (z.B. nach dem Refa-Verfahren) (vgl. Berthel/ Becker 2013, S. 40). Das Scientific Management und seine Weiterentwicklungen haben die Wirtschafts- und Produktionsstrukturen grundlegend und lange Zeit geprägt. Allerdings förderten die Arbeitsteilung und Stellenspezialisierung nicht nur die Arbeitsqualität und die Arbeitsproduktivität, sondern auch die Monotonie der Arbeit sowie einseitige physische und psychische Arbeitsbelastungen. Zusätzlich hatten die Mitarbeiter nur geringe soziale Kommunikations- und Integrationsmöglichkeiten, kaum Entwicklungsmöglichkeiten und dadurch nur eine geringe Anpassungsfähigkeit an andere Aufgaben oder aufgabenbezogene Veränderungen. Auch das dem Taylorismus zugrundeliegende Menschenbild, das im wesentlichen auf eine rein mechanistische und instrumentale Sicht des arbeitenden Menschen abzielte, wurde stark kritisiert. Die Bedeutung sozialer Aspekte der Arbeitsgestaltung, wie z.B. soziale Kommunikation zwischen den Arbeitnehmern untereinander und mit den Vorgesetzen, die soziale Integration in einer Arbeitsgruppe, soziale Beziehungen zwischen den Arbeitneh- <?page no="206"?> 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte 207 mern, aber auch die soziale Anerkennung der Arbeitsleistungen wurden im Zuge der Human-Relations-Forschung entdeckt, die sich ab den 1920er Jahren entwickelte und bis in die 1950er Jahre andauerte. Sehr bekannt sind die Hawthorne-Experimente in den Hawthorne Werken der General Electric Company geworden, die von den Wissenschaftlern Mayo, Roethlisberger und Dickson zwischen 1927 und 1932 durchgeführt wurden (vgl. Roethlisberger/ Dickson/ Wright 1939). Sie gelten als Meilenstein der Human-Relation-Forschung und als Paradigmenwechsel der damaligen Managementforschung. Zentrales Ziel der Human-Relation-Forschung war es, durch die Verbesserung sozialer Arbeitsbedingungen eine Leistungssteigerung der Arbeitnehmer zu erreichen. Ende der 1950er Jahre entwickelte sich die Managementforschung weiter hin zu einer humanistischen Sicht des Menschen. Zugrunde lag die Betrachtung der menschlichen Bedürfnisbefriedigung, die wesentlich durch die Arbeiten von Maslow und seiner Bedürfnispyramide (Maslow 1954) sowie das dualistische Menschenbild von McGregor (1960) geprägt wurden. Dieser humanistischen Sicht lag die Annahme zugrunde, dass die Arbeitsbedingungen die menschlichen Bedürfnisse befriedigen müssen, damit die Mitarbeiter ihr ganzes Leistungspotenzial entwickeln und einsetzen. Da die Grundbedürfnisse der Arbeitnehmer durch den Wiederaufbau und den sich entwickelnden Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend gedeckt waren (physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und soziale Bedürfnisse), konzentrierten sich die Forscher auf die höheren Bedürfnisse nach sozialer Anerkennung und Wertschätzung sowie nach Selbstverwirklichung. Die Grundaussage dieser humanistischen Ansätze besteht darin, dass Mitarbeiter eher durch ganzheitlichere bzw. abgeschlossene Aufgaben motiviert werden, deren Bedeutung sie innerhalb der Unternehmenstätigkeit nachvollziehen können, die sie als sinnvoll und identitätsstiftend erleben und die ihnen Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Dies wirkt viel leistungssteigernder als nur monetäre Anreize, wie beispielsweise ein leistungsorientierter Lohn. Unter dem Begriff „Humanisierung der Arbeit“ wurde die starke Arbeitsteilung und Stellenspezialisierung wieder reduziert und stattdessen neue individuelle und auch gruppenorientierte Formen der Arbeitsgestaltung entwickelt. Diese neuen Formen der Arbeitsorganisation beinhalteten u.a. umfassendere Aufgabenbereiche, veränderte Anreizsysteme, erweiterte Handlungsspielräume und größere Beteiligungs- und Entscheidungsmöglichkeiten im Sinne einer größeren Partizipation der Mitarbeiter (vgl. Kuhn 2010; Berthel/ Becker 2013, S. 43). 12.4.2 Individuumsorientierte Arbeitsgestaltung In diesem inhaltlichen Kontext entwickelten beispielsweise Hackman und Oldham Mitte der 1970er Jahre das Job Characteristics Modell, das als Orientierungsrahmen für eine motivationspsychologisch begründete Arbeitsgestaltung dient (Hackman/ Oldham 1975). Zugrunde liegt die Annahme, dass Mitarbeiter nicht nur durch äußere, also extrinsische Anreize (z.B. leistungsorientiertes Gehalt) eine gute Arbeitsleistung erbringen, sondern auch durch das Vorhandensein intrinsischer Anreize, d.h. durch Anreize, die durch die Arbeitstätigkeit selbst vermittelt werden. Für eine intrinsische Arbeitsmotivation müssen jedoch drei Bedingungen erfüllt sein, die das psychologische Erleben der eigenen Arbeit spiegeln: Erstens müssen die Mitarbeiter ihre Arbeit als bedeutsam erleben, zweitens müssen die Mitarbeiter selbst verantwortlich sein für die Ergebnisse ihrer Arbeit und drittens müssen die Mitarbeiter die Qualität ihrer Arbeit selbst einschätzen können, also ein Wissen über die Qualität der eigenen Arbeitsleistung haben. <?page no="207"?> 208 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Beeinflusst wird dieses psychologische Erleben der eigenen Arbeit durch fünf wesentliche Aufgabenmerkmale (vgl. Hackmann/ Oldham 1975, S. 161): Anforderungsvielfalt: Menge an unterschiedlichen Fähigkeiten und verschiedenem Wissen, das für die Ausübung einer bestimmten Aufgabe erforderlich ist Ganzheitlichkeit der Aufgabe: Empfindet ein Mitarbeiter seine Aufgabe als abgeschlossen und können Zusammenhänge zwischen der eigenen Aufgabe und anderen Tätigkeiten im Unternehmen erkannt werden? Bedeutsamkeit der Aufgabe: Wie wichtig ist eine Aufgabe bzw. Tätigkeit für das Unternehmen und die Gesellschaft? Autonomie: inhaltlicher und zeitlicher Gestaltungsspielraum sowie die Entscheidungs- und Kontrollmöglichkeiten des Mitarbeiters im Rahmen seiner Aufgabe Rückmeldung aus der Aufgabenerfüllung: Erhält ein Mitarbeiter aus seinem eigenen Arbeitsergebnis (und nicht unbedingt vom Vorgesetzten) eine Rückmeldung über die Qualität seiner Arbeit? Nach Hackman und Oldham wird eine Aufgabe als bedeutsam erlebt, wenn die oben genannten Anforderungskriterien erfüllt sind. Das heißt, wenn die Tätigkeit eines Mitarbeiters unterschiedliches Wissen und verschiedene Fähigkeiten erfordert, die eigene Aufgabe als inhaltlich abgeschlossener Teilprozess erlebt wird, ein Mitarbeiter auch den Zusammenhang der eigenen Tätigkeit zur Gesamtaufgabe des Unternehmens erkennen kann und die eigene Tätigkeit als bedeutsam erlebt, inhaltliche und zeitliche Gestaltungsspielräume und auch eigene Entscheidungssowie Kontrollmöglichkeiten im Rahmen seiner Tätigkeit hat und letztlich auch durch sein eigenes Arbeitsergebnis eine Rückmeldung über seine Arbeitsqualität erhält. Die erfüllten Anforderungen an die Arbeit wirken sich positiv auf die Bereitschaft des Mitarbeiters aus, Verantwortung für seine Aufgaben zu übernehmen, seine Arbeitsqualität und ggf. auch -quantität zu steigern, aber auch zufriedener mit der eigenen Arbeit zu sein und seltener zu fehlen. Allerdings setzt dies auch voraus, dass der Mitarbeiter ein Bedürfnis nach individueller Entfaltung hat, das er durch diese Arbeitsbedingungen befriedigen kann. Die folgende Abbildung verdeutlich die wesentlichen Zusammenhänge noch einmal. Abbildung 76: Job Characteristics Modell nach Hackman und Oldham (vgl. Hackman/ Oldham, 1975, S. 141). <?page no="208"?> 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte 209 Nachhaltige Unternehmen ziehen vielleicht aufgrund ihrer ökologischen und sozialen Unternehmensausrichtung und Vision schon eher Mitarbeiter an, die stärker intrinsisch motiviert sind bzw. für die die nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens an sich eine hohe arbeitsbezogene Motivation bedeutet. Trotzdem sollten auch nachhaltige Unternehmen die jeweiligen Arbeitsinhalte so gestalten, dass die Mitarbeiter unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssen, dabei aber eine in sich abgeschlossene und für ihren Qualifikationsgrad wichtige Aufgabe erfüllen. Besonders wichtig ist ein gewisser Grad an Autonomie und eigener Gestaltungsfreiheit bei der Aufgabenerfüllung, um einerseits auf unvorhergesehene Probleme oder Besonderheiten reagieren zu können und andererseits auch gefordert zu werden, die Gestaltungfreiräume für die bestmögliche Erfüllung der Arbeitsaufgabe zu nutzen. So können die Bedürfnisse der Mitarbeiter nach persönlicher Wertschätzung und Entfaltung befriedigt werden, was idealerweise zu einer qualitativ hohen Arbeitsleistung, einer hohen Arbeitszufriedenheit und Bindung an das Unternehmen sowie vielleicht auch zu geringen Abwesenheitszeiten und Kündigungen führt. Zusätzlich gilt es, geeignete Anreizsysteme zu entwickeln, die gerade die intrinsischen Bedürfnisse der Mitarbeiter ansprechen. Aber auch eine mitarbeiterorientierte Personalführung sowie umfangreiche Personalentwicklungsmaßnahmen können die intrinsischen Mitarbeiterbedürfnisse ansprechen und erfüllen. Darauf kommen wir später noch einmal zurück. In den letzten Jahrzehnten sind gerade die inhaltlichen Arbeitsanforderungen in vielen Aufgabengebieten nochmals deutlich gestiegen, verbunden mit einer zunehmend geforderten Flexibilität und Mobilität der Mitarbeiter. Zurückzuführen sind diese Entwicklungen auf die sich drastisch veränderten Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen durch den technologischen Wandel, die Entwicklung elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien sowie auf die Entwicklung der Wirtschaft hin zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft in einem zunehmenden internationalen und globalen Kontext. Die steigende Dynamik und Komplexität der Märkte führte auch dazu, dass sich Unternehmen in immer kürzeren Abständen an sich veränderte Marktanforderungen mit z.B. neuen Produkten, Dienstleistungen oder Produktionstechnologien anpassen mussten und sich auch die Organisationsstrukturen kontinuierlich weiterentwickelten. Diese Entwicklungen minderten die Vorteile und Eignung der Stellenspezialisierung und führten dazu, dass viele Unternehmen ihren Spezialisierungsgrad wieder senkten und stattdessen individuelle und auch gruppenorientierte Formen der Arbeitsgestaltung förderten. Andererseits haben sich auch die Ansprüche der Mitarbeiter an ihre beruflichen Aufgabenbereiche in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. So soll Arbeit heute nicht nur ein gutes Einkommen sichern, sondern sie soll auch Spaß machen, die Arbeitsinhalte sollen interessant und herausfordernd sein und auch Entwicklungs- und Karriereperspektiven bieten. Viele legen zusätzlich Wert auf eine sinnstiftende Tätigkeit sowie auf ein ökologisches und soziales Engagement des (zukünftigen) Arbeitgebers. Die unternehmenspolitische Vision, die Leitlinien und die Unternehmensstrategien eines Arbeitgebers werden hinterfragt und geprüft, ob sie zu den eigenen Werten und Ansprüchen passen. Vor allem die jüngeren Generationen stellen hohe Ansprüche an die Arbeitsinhalte einer zukünftigen Berufstätigkeit, wie die folgende Befragung von Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren im Rahmen der Shell-Jugendstudie 2015 zeigt. <?page no="209"?> 210 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Abbildung 77: Erwartungen von Jugendlichen an die Berufstätigkeit (Shell Jugendstudie 2015 - TNS Infratest Sozialforschung) 12.4.3 Gruppenorientierte Aufgabengestaltung Bei einer gruppenorientierten Aufgabengestaltung wird eine Aufgabe nicht an einen einzelnen Mitarbeiter, sondern an mehrere Mitarbeiter als Gruppe oder Team übertragen und von ihnen bearbeitet. Je nach konkretem Arbeitsauftrag können die Gruppenmitglieder selbständig über die Aufgabenverteilung und die Art der Aufgabenerfüllung innerhalb der Gruppe entscheiden. War früher der Begriff „Gruppenarbeit“ üblich, so wird heute meist von „Teamarbeit“ gesprochen, inhaltlich gibt es jedoch kaum Unterschiede, so dass hier beide Begriffe synonym verwendet werden (vgl. Antoni 2009). Erste Ansätze zur Gruppenarbeit entwickelten sich im Zuge der Human Relations Bewegung, um die mit der starken Arbeitsteilung einhergehende Monotonie und Entfremdung der Mitarbeiter abzubauen. In den 1960er und 1970er Jahren entstanden die ersten Formen von Gruppenarbeit bei Volvo und Norsk Hydro (vgl. Emery/ Thorsrud 1976; Thorsrud 1976). Ziel der Gruppenarbeit war es, den Gestaltungsspielraum, die Aufgabenbreite und die Selbstverantwortung der Mitarbeiter für <?page no="210"?> 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte 211 ihre Arbeitsaufgaben zu steigern und dadurch die Arbeit menschlicher zu gestalten. Vorübergehend, aber leider nicht dauerhaft konnte durch den Einsatz von Gruppenarbeit die Arbeitsproduktivität und auch die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter gesteigert werden. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dabei war die feste Einbindung der Gruppenarbeit in die unternehmerischen Organisationsstrukturen. Fehlte diese, so hatte die Gruppenarbeit mit Widerständen und Lernbarrieren höherer hierarchischer Instanzen zu kämpfen (vgl. Holtbrügge 2007, S. 144). Da die Gruppenarbeit nicht dauerhaft die Arbeitsproduktivität und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter steigerte, verlor sie in den 1980er Jahren wieder an Bedeutung. Erst durch die Ergebnisse einer Studie des Massachusetts Instituts of Technology (MIT) der Forscher Womack, Jones und Roos zur Arbeitsorganisation in der Automobilindustrie richtete sich die Aufmerksamkeit wieder auf die Gruppenarbeit als vielversprechende Arbeitsform (vgl. Womack/ Jones/ Ross 1990). Die Forscher hatten bei ihrer Untersuchung der Arbeitsorganisation in der Automobilindustrie herausgefunden, dass die japanischen Automobilhersteller (z.B. Honda, Toyota) aufgrund ihrer breit eingesetzten Gruppenarbeit wesentlich produktiver arbeiteten als die amerikanischen und europäischen Automobilhersteller, bei denen es keine Gruppenarbeit gab (vgl. Womack/ Jones/ Ross 1992). Da die höhere Produktivität japanischer Automobilhersteller auch in europäischen und amerikanischen Tochtergesellschaften nachgewiesen werden konnte, waren die Erfolge der Gruppenarbeit nicht nur auf die kollektivistische Kultur der japanischen Gesellschaft zurückzuführen. Durch die Studie von Womak, Jones und Ross wurde die Gruppenarbeit wieder interessant und verbreitete sich zunächst in der europäischen und amerikanischen Automobilindustrie und später auch in anderen Branchen als neue Arbeitsform (vgl. Binkelmann/ Braczyk/ Seltz 1993). Die Ziele der Gruppenarbeit bestanden nun darin, nicht nur die Monotonie und einseitige Arbeitsbelastungen abzubauen, sondern insbesondere die Arbeitsproduktivität und die Arbeitsqualität zu steigern (vgl. Katzenbach/ Smith 1993). Die Gruppenarbeit lässt sich durch die folgenden typischen Merkmale kennzeichnen (vgl. Neuberger 1994, S. 27ff.; Rosenstiel/ Nerdinger 2011, S. 283; Weinert 2004, S. 393f., Berthel/ Becker 2013, S. 117): eine direkte Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern physische Nähe der Zusammenarbeit die Mitglieder entwickeln ein „Wir-Gefühl“ und nehmen sich als Gruppe wahr die Gruppe entwickelt gemeinsame Ziele, Werte und Normen innerhalb der Gruppe übernehmen die Mitglieder verschiedene Rollen das eigene Verhalten und Handeln wird durch die anderen Gruppenmitglieder beeinflusst zeitlich längerfristige Zusammenarbeit Einbindung in übergreifende Strukturen und Institutionen und deren Besonderheiten Im Laufe der Zeit haben sich ganz verschiedene Formen der Gruppenarbeit entwickelt, die unterschieden werden können nach ihren betrieblichen Schwerpunktzielen, ihrer Lebensdauer und ihrer Personenbzw. Produktorientierung. Die Abbildung 78 bietet einen Überblick über wesentliche Formen der Gruppenarbeit. <?page no="211"?> 212 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Abbildung 78: Formen institutionalisierter Gruppenarbeit (vgl. Breisig 1990, S. 24) Die verschiedenen Formen der Gruppenarbeit werden nun kurz vorgestellt (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 162 f.) mit Hinweisen auf ihre Einsatzmöglichkeiten in nachhaltigen Unternehmen. Problemlösungsworkshops sind geeignet, um Lösungsvorschläge für betriebliche Probleme sowie produkt- oder prozessbezogene Veränderungen oder Verbesserungen zu entwickeln. Je nach zugrunde liegender Problemstellung werden zu dem Workshop fachliche Experten und betroffene Mitarbeiter eingeladen. Der Workshop wird von einem Moderator geleitet und kann sich zeitlich je nach Bedarf über einen halben bis zu mehreren Tagen erstrecken. Für nachhaltige Unternehmen bieten sich Problemlösungsworkshops an, um soziale oder ökologische betriebliche Problembereiche zu analysieren und geeignete Lösungskonzepte zu entwickeln. Beispielsweise können Problemlösungsworkshops für die Entwicklung ökologisch verträglicher Produkte oder Produktionsprozesse, aber auch für eine sozial verträgliche Gestaltung von Arbeitskonzepten eingesetzt werden. Werkstattzirkel (auch als Task Force Group oder teilstrukturierte Problemlösungsgruppe bezeichnet) können zur Bearbeitung betrieblicher Probleme, aber auch zur Entwicklung von Innovationen eingesetzt werden. An einem Werkstattzirkel nehmen Fachleute und erfahrene Mitarbeiter aus den jeweils relevanten Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen teil, die freiwillig und während ihrer Arbeitszeit an dem Thema bzw. Problem des Werkstattzirkels arbeiten. Dafür treffen sich die Teilnehmer des Werkstattzirkels in mehreren Sitzungen für einige Stunden. Die zeitliche Dauer des Werkstattzirkels und seine Ergebnisorientierung sind von der individuellen Konstruktion abhängig. Da Werkstattzirkel inhaltlich offen sind, können sie in nachhaltigen Unternehmen für die konkrete Bearbeitung ganz unterschiedlicher sozialer oder ökologischer Probleme, aber auch zur Entwicklung von nachhaltigen Innovationen eingesetzt werden. Projektgruppen dienen auch zur Bearbeitung konkreter Problemstellungen mit zeitlicher Begrenzung. Sie können eingesetzt werden, um beispielsweise ein konkretes In- <?page no="212"?> 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte 213 novationsprojekt zu bearbeiten, eine neue Software im Unternehmen einzuführen oder für ein konkretes Veränderungsprojekt im Unternehmen. Gemeinsam arbeiten Fachleute und Führungskräfte in den Projektgruppen an der vorgegebenen Problemstellung. Die Konstruktion von Projektgruppen ist flexibel gestaltbar. So können die Mitglieder der Projektgruppe entweder für die Dauer der Projektarbeit von ihren bisherigen Aufgaben vollständig freigestellt werden, um im Projekt mitzuarbeiten oder auch nur teilweise freigestellt werden, um die Projektaufgaben zusätzlich bzw. nur für einige Stunden neben ihren eigentlichen Aufgabenbereichen zu bearbeiten. Mittlerweile sind Projektgruppen und die Projektarbeit in Unternehmen weit verbreitet, um vor allem zeitlich auch längerfristige und inhaltlich anspruchsvolle Themenbereiche, Problemstellungen oder konkrete Projekte von Experten bearbeiten zu lassen. In nachhaltigen Unternehmen könnte eine Projektgruppe z.B. für die Überprüfung der sozial und ökologisch verträglichen Arbeitsbedingungen in der Lieferkette für bestimmte Produkte eingesetzt werden. Aber auch die Einführung eines neuen ökologisch verträglichen Produktes bzw. einer Dienstleistung am Markt kann über eine Projektgruppe umgesetzt werden. Vorschlagsgruppen dienen zur Erarbeitung von produkt-, prozess- oder betriebsbezogenen Verbesserungsvorschlägen. Die Konstruktion von und die Häufigkeit der Zusammenkünfte in Vorschlagsgruppen kann je nach Aufgabenbereich und Unternehmen individuell gestaltet werden. Wichtig ist, dass sich mehrere Mitarbeiter aus den zu untersuchenden bzw. zu verbessernden Arbeitsbereichen in regelmäßigen Abständen treffen, um Verbesserungen in ihren Aufgabenbereichen zu erarbeiten. Gerade für nachhaltige Unternehmen sind Vorschlagsgruppen wichtig, um ökonomische, ökologische oder soziale produktions- oder produktbezogene Defizite zu identifizieren und entsprechende Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Qualitätszirkel wurden entwickelt, um Qualitätsprobleme zu bearbeiten und beispielsweise Produktionsfehler zu eliminieren, die Produktqualität zu steigern oder die Zusammenarbeit in einer Abteilung zu verbessern. In Qualitätszirkeln treffen sich ca. fünf bis zehn Mitarbeiter eines Arbeitsbereiches regelmäßig und freiwillig, um gemeinsam an selbst ausgewählten Qualitätsproblemen zu arbeiten und ihre Lösungsideen auch gemeinsam umzusetzen. Begleitet und gesteuert wird die gemeinsame Arbeit durch mindestens einen Moderator. Die Zusammenarbeit kann entweder während der Arbeitszeit oder danach stattfinden. Auch Qualitätszirkel sind eine wichtige Form der Gruppenarbeit in nachhaltigen Unternehmen (vgl. Antoni 1990). Lernstatt setzt sich begrifflich zusammen aus „Lernen“ und „Werkstatt“ und wurde ursprünglich zur sprachlichen und fachlichen Integration ausländischer Mitarbeiter in die Industrieunternehmen in den 1960er Jahren eingeführt (vgl. Bröckermann 2009, S. 141). In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die Lernstatt zu einer dem Qualitätszirkel ähnlichen Gruppenarbeitsform. Ungefähr acht bis zwölf Mitarbeiter eines Arbeitsbereiches treffen sich ca. einmal pro Woche für einige Stunden, um aktuelle Problemstellungen zu bearbeiten, Problemlösungen zu entwickeln und ggf. auch umzusetzen. Die Teilnehmer einer Lernstatt treffen sich freiwillig während der Arbeitszeit über einen Zeitraum von ca. drei Monaten. Begleitet wird eine Lernstatt von ein oder zwei erfahrenen Mitarbeitern. Aktuell kann das Konzept der Lernstatt sowohl in seiner ursprünglichen Ausprägung zur fachlichen und sprachlichen Integration von Flüchtlingen in Unternehmen eingesetzt werden, oder aber als Methode zur Bearbeitung von unternehmensübergreifenden nachhaltigen Problemstellungen in der Lieferkette. <?page no="213"?> 214 12 Nachhaltiger Personaleinsatz OE-Konzepte steht für Organisationsentwicklungskonzepte, die zur Umsetzung von organisationalen Entwicklungsprozessen, Umstrukturierungen oder anderen unternehmensbezogenen Veränderungsprozessen dienen. Die Besonderheit dieser Methode besteht darin, dass die von den Entwicklungsprozessen Betroffenen aktiv am Veränderungsprozess beteiligt werden. Inhaltlich sind OE-Konzepte völlig offen. Es können Informationsveranstaltungen zu bevorstehenden Veränderungen, Übungen bzw. Workshops zum Erlernen neuer oder veränderter Arbeitsabläufe oder Produktionsprozesse, sowie die Einrichtung neuer Informations- und Kommunikationsstrukturen durchgeführt werden. Nachhaltige Unternehmen können OE-Konzepte beispielsweise dazu nutzen, um ihre eigene Entwicklung hin zu einer integrativen Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte bei der Unternehmenstätigkeit zu unterstützen und die Mitarbeiter aktiv in den nachhaltigen Veränderungsprozess mit einzubeziehen. Teilautonome Arbeitsgruppen bedeutet Gruppen- oder Teamarbeit im engeren Sinne (vgl. Wahren 1994; Antoni 1996). Die Zielsetzung teilautonomer Arbeitsgruppen besteht darin, dass eine Gruppe von Mitarbeitern bestimmte Arbeitsaufgaben selbstständig bearbeiten. Dabei ist die Arbeitsgruppe selbst verantwortlich für die Planung, Durchführung und Kontrolle der Arbeitsschritte, für die Aufgabenverteilung innerhalb der Arbeitsgruppe und teils auch für ihre Arbeitszeiten und Pausen. Mit dieser Konstruktion bieten teilautonome Arbeitsgruppen eine gute Möglichkeit, die Zusammenarbeit in Gruppen zu fördern, aber auch die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter für ihre Arbeitsergebnisse zu stärken. In nachhaltigen Unternehmen können teilautonome Arbeitsgruppen eingerichtet werden, um weniger anspruchsvolle Aufgaben zu größeren Aufgabenbereichen zusammen zu fassen und dadurch die Leistungsbereitschaft und Verantwortlichkeit der Mitarbeiter für ihren Aufgabenbereich zu stärken. Insgesamt ist die Gruppenarbeit oder Teamarbeit, wie sie heute meist genannt wird, in vielen Aufgabenbereichen als Arbeitsform fest verankert. Gerade für die Bearbeitung von komplexeren oder auch längerfristigen Projekten hat sich die Teamarbeit etabliert. Hinzu kommt, dass sich viele Unternehmen als Projektorganisation strukturieren, wofür die Zusammenarbeit in Projektgruppen zwingend ist. Gruppenarbeit eignet sich vor allem für komplexere und interdisziplinäre Aufgabenstellungen, die die Zusammenarbeit mehrerer Mitarbeiter mit unterschiedlichem Fach- und Expertenwissen erfordern. Daher ist die Gruppenarbeit auch gut geeignet für die Bearbeitung sozialer und ökologischer Problem- und Themenstellungen. Zusätzlich können Arbeitsgruppen ein höheres Kreativitäts- und Innovationspotenzial entwickeln, da die Zusammenarbeit in der Gruppe ein vielfältigeres Problemlösungspotenzial bietet, weil alle Gruppenmitglieder ihre Ideen und ihr Wissen in die Bearbeitung der Aufgabenstellung einbringen. Allerdings sind auch nicht alle Aufgaben für eine Gruppenarbeit geeignet. Zusätzlich brauchen Gruppen mehr Zeit für gemeinsame Entscheidungen als Einzelpersonen. Auch können sich in Arbeitsgruppen Gruppennormen herausbilden, die zwar für die Zusammenarbeit in der Gruppe wichtig sind, allerdings nicht immer den Zielen des Auftraggebers bzw. des Unternehmens entsprechen. Zusätzlich können Gruppennormen einen erheblichen Konformitätsdruck entwickeln, d.h., dass sich innerhalb der Gruppe bestimmte Regeln hinsichtlich der Arbeitsleistung oder des Verhaltens der Gruppenmitglieder etablieren, die von den Gruppenmitgliedern eingehalten werden und z.B. die Arbeitsleistung begrenzen. Auch ist zu berücksichtigen, dass bei Gruppenarbeit einzelne Mitglieder die Verant- <?page no="214"?> 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte 215 wortung für ihre Arbeit oder für Entscheidungen auf die Gruppe abwälzen können, und sich dadurch individuell nicht mehr so verantwortlich für das Arbeitsergebnis fühlen, wie sie sich bei individuellen Arbeitsaufgaben fühlen würden. Letztlich sei noch auf das Risikoschub-Phänomen hingewiesen. Damit ist das Phänomen gemeint, dass Mitarbeiter in Gruppen eher bereit sind, risikoreichere Entscheidungen zu treffen, als wenn sie alleine für die Entscheidung verantwortlich wären (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon: Stichwort Risikoschub). Solche risikoreichen Entscheidungen können bei kreativen und innovativen Themenstellungen zu wünschenswerten und völlig neuen Problemlösungen führen. Allerdings erfordern sicherheitsorientierte Themenstellungen und Aufgaben eher risikoärmere Entscheidungen, was bei der Gruppenarbeit berücksichtigt werden muss (vgl. Holtbrügge, 2007, S. 146 f.; Stopp/ Kirschten 2012, S. 164). Für die Bewältigung nachhaltiger Probleme und die Entwicklung verträglicher Produktionstechnologien und Produkte ist eine innovative Zusammenarbeit im Team besonders wichtig. Dies gilt um so mehr für die Zusammenarbeit in nachhaltigen Unternehmen und in nachhaltigen Projekten, bei denen ganz unterschiedliche fachliche Kompetenzen (naturwissenschaftliche, gesellschaftswissenschaftliche, technische, wirtschaftliche etc.) zusammenarbeiten müssen, um inter- und transdisziplinäre soziale oder ökologische Problemlösungen zu entwickeln. 12.4.4 Förderung von Kreativität und Innovationen durch Arbeitsinhalte Die Gestaltung der Arbeitsinhalte hat einen wesentlichen Einfluss auf die Kreativität, die Innovationsbereitschaft und -tätigkeit der Mitarbeiter. Dies bestätigen auch empirische Studien (vgl. z.B. Oldham / Cummings 1996). Bormann (2015) kombiniert Elemente des Job Characteristics Modells mit Elementen des Job Demands - Resources Modells und entwickelt so ein Modell, dass die Einflüsse der Charakteristika der Arbeit und der Ressourcen auf die Kreativität und Innovationstätigkeit von Mitarbeitern abbildet (vgl. Abbildung 79). Abbildung 79: Prozessmodell zum Zusammenhang zwischen den Charakteristika der Arbeit und Innovation <?page no="215"?> 216 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Die Aufgabenmerkmale werden im Prozessmodell auch als Dimensionen der Arbeit bezeichnet. Zu ihnen gehören die Anforderungsvielfalt, die Ganzheitlichkeit und Bedeutsamkeit der Aufgabe, die Autonomie und die Rückmeldung aus der Aufgabenerfüllung, die auch Feedback genannt wird. Die Auswirkungen dieser Aufgabenmerkmale auf die Kreativität und Innovationstätigkeit der Mitarbeiter werden nun einzeln diskutiert. Die Anforderungsvielfalt einer Tätigkeit beeinflusst stark die Kreativität und Innovationstätigkeit von Mitarbeitern. Einfache Tätigkeiten werden von Mitarbeitern meist als eintönig und wenig herausfordernd empfunden. Demgegenüber erleben Mitarbeiter vielseitigere Tätigkeiten, die unterschiedliche Fähigkeiten eines Mitarbeiters ansprechen und erfordern, als anspruchsvoll, abwechslungsreicher und teils auch als persönliche Herausforderung. Gerade diese persönliche Herausforderung einer Tätigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für Kreativität und Innovation (vgl. Amabile/ Gryskiewicz 1987). Aber wann ist eine Tätigkeit vielseitig? George und Zhou (2001) haben in einer Untersuchung zum kreativen Verhalten von Mitarbeitern herausgefunden, dass Aufgaben dann als vielfältig erlebt werden, „wenn a) unklar ist, wo einzelne Arbeitsschritte enden, und b) wie Arbeitsschritte ausgeführt werden müssen sowie c) wenn verschiedene Wege zur Verfügung stehen, eine Aufgabe auszuführen“ (Bormann 2015, S. 26.). Ein positiver Zusammenhang zwischen der Anforderungsvielfalt und der Umsetzung neuer Ideen konnte auch in der Untersuchung von Dorenbosh et al (2005) nachgewiesen werden. So bleibt folgendes festzuhalten: Je vielfältiger und damit anspruchsvoller eine Tätigkeit für einen Mitarbeiter ist, desto eher kann dadurch auch seine Kreativität, Innovationsbereitschaft und tatsächlich innovatives Verhalten angeregt werden. Auch die Ganzheitlichkeit einer Aufgabe fördert das kreative und innovative Verhalten von Mitarbeitern. Als ganzheitlich wird eine Tätigkeit bezeichnet, wenn sie mehrere aufeinander folgende bzw. aufbauende Arbeitsschritte umfasst, die inhaltlich eine Gesamtheit bzw. Abgeschlossenheit aufweisen und dadurch die Sinnhaftigkeit der ausgeübten Tätigkeit verdeutlichen (vgl. Bormann 2015, S. 26). Betrachten wir das an einem Beispiel: Ein Mitarbeiter, dessen Aufgabe darin besteht, nur die Anzahl der eingegangenen Reklamationen zu dokumentieren und diese an andere Mitarbeiter weiterzuleiten, wird seine Tätigkeit als nicht sehr herausfordernd erleben. Wenn dieser Mitarbeiter nun nicht nur den quantitativen Eingang an Reklamationen dokumentiert und weiterleitet, sondern selbst für einen bestimmten Teil der Reklamationen zuständig wäre und diese bearbeiten müsste, dann hätte der Mitarbeiter einen abgeschlossenen Aufgabenbereich, der ihn inhaltlich vielseitiger fordern würde und auch ein sichtbares Ergebnis hätte, nämlich die Bearbeitung der Reklamation und Zufriedenstellung des Kunden. Diese Tätigkeit würde der Mitarbeiter daher als ganzheitlich und gleichzeitig herausfordernd erleben, da jede Reklamation anders ist und individuell bearbeitet werden muss. Diese erlebte Ganzheitlichkeit und Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für kreatives und innovatives Handeln, da eine Person erst dann über Veränderungen bzw. Verbesserungen bestimmter Prozesse oder Arbeitsschritte nachdenken und entscheiden kann, wenn sie mehrere aufeinander folgende Tätigkeiten selbst bearbeitet und einschätzen kann. Gleichzeitig steigt auch die Übernahme von Verantwortung für das Ergebnis einer Tätigkeit, je ganzheitlicher die Aufgabe ist und je eher ein Mitarbeiter die Bedeutung seiner eigenen Tätigkeit für das Gesamtergebnis des Unternehmens einordnen kann. Empirische Untersuchung hierzu gibt es beispielsweise von Morrison und Phelps (1999) und McAllister et al. (2007). <?page no="216"?> 12.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte 217 Neben der Ganzheitlichkeit einer Aufgabe ist auch die Autonomie bei der Tätigkeit eine wichtige Voraussetzung für kreatives und innovatives Mitarbeiterverhalten. So müssen Mitarbeiter Handlungs- und Entscheidungsspielräume innerhalb ihres Aufgabengebietes haben, um Veränderungen auszuprobieren und auch umzusetzen (vgl. Amabile/ Gryskiewicz 1987; Deci/ Ryan 1987). Erst die durch die Autonomie gegebenen Handlungsspielräume und Entscheidungsmöglichkeiten führen dazu, dass Mitarbeiter über alternative Vorgehensweisen oder Abläufe nachdenken und erkannte Verbesserungsmöglichkeiten tatsächlich in neuen Handlungsweisen umsetzen. Auch dieser Zusammenhang lässt sich empirisch bestätigen, wie verschiedene Untersuchungen zeigen (vgl. z.B. Wang/ Cheng 2010; Ramamoorthy et al 2005). Ein weiterer Einflussfaktor für das kreative und innovative Verhalten von Mitarbeitern sind die Rückmeldungen, die ein Mitarbeiter aus seiner Aufgabenerfüllung erhält und die ihm zeigen, wie qualitativ gut und fehlerfrei er seine Aufgaben erfüllt hat. Diese Rückmeldungen haben zwei Funktionen. Erstens erfährt ein Mitarbeiter durch das Feedback eine Anerkennung, wenn die Arbeitsleistung gut erfüllt wurde. Zweitens erhält der Mitarbeiter bei fehlerhaften Arbeitsleistungen Hinweise darauf, was er zukünftig bei seinen Arbeitsleistungen besser oder anders machen kann. Erst diese Rückmeldungen ermöglichen es dem Mitarbeiter, die Qualität seiner Arbeitsleistung einzuschätzen und ggf. zu verbessern. Neben der Beherrschung der eigenen Aufgaben können hierfür auch Kreativität und innovatives Verhalten wichtig sein. Neben den kreativitäts- und innovationsfördernden Aufgabenmerkmalen benötigen Mitarbeiter auch eine ausreichende Menge an Ressourcen, um sich tatsächlich kreativ und innovativ zu verhalten. Als Ressourcen wird hier alles bezeichnet, was einem Mitarbeiter hilft, die eigenen Arbeitsaufgaben gut zu erfüllen. Dazu gehören u.a. Arbeitsmaterialien und Arbeitsmittel, Werkzeuge, Maschinen, Computer, Räumlichkeiten, Qualifikationen, aber auch beispielsweise die Unterstützung von Kollegen und ausreichend Zeit zur Bearbeitung der eigenen Aufgaben. Gerade der zeitliche Aspekt ist für kreatives und innovatives Verhalten sehr wichtig. So werden nur diejenigen Mitarbeiter über Veränderungen oder Verbesserungen in ihrem Aufgabenbereich nachdenken und diese umsetzen, wenn sie, neben inhaltlichen Gestaltungsspielräumen, auch genug zeitliche Spielräume haben, um überhaupt über Neues oder Veränderungen nachzudenken und diese auszuprobieren. Mitarbeiter, die unter einem sehr hohen Zeitdruck arbeiten und Mühe haben, ihr Arbeitspensum in ihrer Arbeitszeit zu schaffen, werden kaum über Veränderungen nachdenken, höchstens über eine Kündigung. Mittlerweile gibt es mehrere Unternehmen, die diesen wichtigen Kreativitäts- und Innovativitätsfaktor erkannt haben und ihn auch umsetzen. Beispielsweise bietet das Unternehmen 3M seinen Mitarbeitern die Möglichkeit, 10% ihrer Arbeitszeit für eigene Ideen und Projekte zu verwenden, woraus sich sehr erfolgreiche Innovationen für das Unternehmen 3M entwickelt haben (vgl. Mensel 2004, S. 227). Eine weitere wichtige Ressource sind die Kollegen und auch die Vorgesetzten. Erfahren Mitarbeiter Unterstützung bei der Ideengenerierung durch die Kollegen, mit denen Veränderungen oder neue Ideen diskutiert und ausprobiert werden können, so entwickeln sich die Ideen und Veränderungen weiter hin zu durchdachten, realistischen und mit vielfältigem Fachwissen gestalteten Problemlösungen bzw. Neuheiten. Auch die Unterstützung durch die Vorgesetzten ist hier wichtig, um ein kreativitäts- und innovationsförderndes Arbeitsklima sicher zu stellen und die jeweiligen Mitarbeiter ggf. auch zu Veränderungen zu motivieren und sie ggf. auch mit notwendigen Ressourcen zu unterstützen (materielle und immaterielle). <?page no="217"?> 218 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Gerade für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen sind kreative und innovative Mitarbeiter wichtig. Aufgrund der Inter- und Transdisziplinarität vieler nachhaltigkeitsbezogener Problemstellungen und der vielfältigen ökologischen, ökonomischen und sozialen Wechselwirkungen brauchen Unternehmen vor allem Mitarbeiter, die nicht nur gut und breit qualifiziert sind, sondern die ihre Arbeit auch als Herausforderung begreifen und Interesse daran haben, für unternehmensbezogene nachhaltige Problemstellungen neue, vielleicht auch unkonventionelle Lösungen zu suchen und zu entwickeln. Dazu müssen die Mitarbeiter jedoch auch inhaltlich anspruchsvolle, ganzheitliche und bedeutsame Aufgabenbereiche haben, in denen sie autonom und mit inhaltlichen und zeitlichen Gestaltungsspielräumen arbeiten können und ausreichend Ressourcen zur Verfügung haben. 12.5 Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsortes Im Hinblick auf die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsortes haben insbesondere die jüngeren Generationen (z.B. Generation Y und Z) mittlerweile deutlich veränderte Erwartungen an die Arbeitgeber. Vor allem wünschen sich viele Arbeitnehmer und zukünftige Berufstätige eine höhere Flexibilität hinsichtlich der Wahl ihres Arbeitsortes sowie eine verbesserte Vereinbarkeit des Berufslebens mit dem Familien- und Privatleben (Work-Life-Balance) durch flexiblere Arbeitsplätze und Arbeitsorte. Betrachten wir zunächst jedoch die Grundzüge der Gestaltung des Arbeitsortes und des Arbeitsplatzes. Arbeitnehmer erfüllen ihre vertraglichen Arbeitsleistungen an einem bestimmten Ort, nämlich dem Arbeitsort und an einem bestimmten Arbeitsplatz. Der Arbeitsplatz umfasst alle Einrichtungen und Mittel, die der Mitarbeiter zur Erfüllung seiner vereinbarten Arbeitsaufgaben benötigt. Der Arbeitsort bezeichnet den räumlichen Standort des Arbeitsplatzes. Dieser kann sich einmal innerhalb oder auch außerhalb des Unternehmens befinden, zum anderen jedoch auch im Inland oder Ausland, wenn sich der Arbeitsplatz z.B. in einem ausländischen Tochterunternehmen befindet (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 167; Kirschten 2014, S. 173). Die Lage des Arbeitsortes (z.B. im Inland oder im Ausland, aber auch ob innerhalb des Unternehmens oder außerhalb des Unternehmens) beeinflusst maßgeblich die Möglichkeiten und Grenzen einer Vereinbarkeit der Arbeitswelt mit den anderen Lebenswelten sowie die Flexibilität der Arbeitnehmer. 12.5.1 Maßnahmen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes innerhalb des Unternehmens Trotz steigender Flexibilisierung und Mobilität befinden sich auch heute noch die meisten Arbeitsplätze räumlich innerhalb des Unternehmens, d.h. in den Gebäuden oder auf dem Betriebsgelände des Unternehmens. Dabei lassen sich verschiedene Arten von Arbeitsplätzen unterscheiden, die in Tabelle 23 vorgestellt werden. <?page no="218"?> 12.5 Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsortes 219 Tabelle 23: Arbeitsplatzarten Kriterien des Arbeitplatzes Ausprägung des Arbeitsplatzes Anzahl der Mitarbeiter an einem Arbeitsplatz Einzelarbeitsplatz Gruppenarbeitsplatz räumliche Veränderlichkeit des Arbeitsplatzes stationärer Arbeitsplatz fester, nicht veränderbarer Arbeitsplatz, z.B. am Empfang, in der Materialausgabe, im Call- Center wechselnder Arbeitsplatz räumlicher Wechsel des Arbeitsplatzes gehört zur Arbeitsaufgabe; z.B. Postbote, Hausmeister, Anlagensicherheit Anordnung des Arbeitsplatzes in der Fertigung Werkstattfertigung räumliche Zusammenfassung gleichartiger Arbeitsverrichtungen, dazu benötigter Betriebsmittel und Arbeitsplätze, z.B. Dreherei, Fräserei, Stanzerei. Der Standort der Maschinen und der Arbeitsplätze bestimmt den Fertigungsablauf. Fließfertigung Anordnung der Arbeitsplätze und Betriebsmittel nach dem Fertigungsablauf, z.B. an einem Fließband. Fließfertigung ist kaum anpassungsfähig, störanfällig und weist i.d.R. monotone und einseitig physische Arbeitsbeanspruchungen auf; z.B. Arbeitsplatz am Fließband (z.B. in der Automobilindustrie) Gruppenfertigung Kombination aus Wertstatt- und Fließfertigung. Betriebsmittel und Arbeitsplätze werden für bestimmte Phasen des Fertigungsablaufs gruppenorientiert zusammengefasst Mit der Gestaltung des Arbeitsplatzes werden insbesondere zwei Ziele verfolgt: Erstens die bestmögliche Ausführung der Arbeitsaufgaben sowie Zweitens die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 168). Vor allem den Arbeitswissenschaften (insbesondere die Arbeitsphysiologie, die Arbeitspsychologie, die Arbeitssoziologie und die Arbeitsmedizin) untersuchen die Gestaltung des Arbeitsplatzes im Hinblick auf antropometrische, physiologische, psychologische, soziologische und medizinische Gegebenheiten und Auswirkungen der Arbeitsplatzgestaltung (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 512 ff.; Stopp/ Kirschten 2012, S. 168 f.). Die anthropometrische Arbeitsgestaltung untersucht und analysiert u.a. arbeitsbedingte Bewegungsabläufe, die Eignung der Arbeitsmittel und die Gestaltung des Arbeitsplatzes. Mit ihrer Hilfe kann der Arbeitsplatz optimal auf den Menschen ausgerichtet werden, wobei zum Beispiel das Gesichtsfeld und der Griffbereich des Mitarbeiters sowie die Arbeitsplatzhöhe und die Anordnung der Arbeitsmittel (z.B. Schalter, Pedale, Werkzeug) berücksichtigt werden. <?page no="219"?> 220 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Der Einfluss des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung auf den menschlichen Körper und daraus resultierende körperliche und geistige Belastungen sowie Ermüdungserscheinungen werden von der physiologischen Arbeitsplatzgestaltung untersucht. Sie dient dazu, den Wirkungsgrad der menschlichen Arbeit zu verbessern, z.B. durch die Verringerung der auszuübenden bzw. einzusetzenden (Muskel-)Kräfte, durch die Ermittlung notwendiger Erholungszeiten, durch den Wechsel von Arbeitstätigkeiten und die Analyse der besten Körperhaltung bei der jeweiligen Arbeit. Darüber hinaus untersucht sie die arbeitsgerechte Gestaltung der Umgebungseinflüsse auf den Arbeitsplatz, zu denen insbesondere die folgenden Faktoren gehören. Das Klima am Arbeitsplatz: Es wird beeinflusst von der Lufttemperatur, der Luftfeuchtigkeit, der Wärmestrahlung und der Luftgeschwindigkeit. Weitere Einflussfaktoren des Klimas auf den Menschen sind die Schwere der körperlichen und geistigen Tätigkeit, die zu tragende Arbeitskleidung sowie die individuelle Konstitution und Kondition des Mitarbeiters. Wichtig ist hierbei die optimal angepasste manuelle oder automatische Regulierung des Klimas durch Kühlung, Heizung, Be- und -entlüftung und Entstaubung. Der Lärm am Arbeitsplatz: Als Lärm werden störende Geräusche am Arbeitsplatz empfunden, die durch die Lautstärke, die Dauer der Lärmeinwirkung und die Art des Lärms beeinflusst werden. Da eine dauerhafte Lärmbelastung zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen kann, bedarf es Maßnahmen des Lärmschutzes am Arbeitsplatz. Dazu gehören z.B. die Isolation von Lärmquellen, die Absorption von Lärm, die Dämpfung oder Verminderung von Lärmquellen sowie die Vermeidung von Resonanz. Die Beleuchtung am Arbeitsplatz: Die Beleuchtung am Arbeitsplatz beeinflusst die Sehleistung des Mitarbeiters. Wichtig ist daher eine ausreichende Beleuchtungsstärke des Arbeitsplatzes, die Vermeidung direkter Blendung, ein ausgewogener Leuchtdichtekontrast im Gesichtsfeld des Mitarbeiters sowie eine natürliche Farbwiedergabe. Mechanische Schwingungen: Sie können verschiedene Beeinträchtigungen des Menschen bewirken. So können sie die Sinneswahrnehmung oder auch die Koordination von Augen und Händen beeinträchtigen, aber auch das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters reduzieren. Daher sollten mechanische Schwingungen am Arbeitsplatz möglichst vermieden werden. Gefahrstoffe: Gefahrstoffe sind flüssige, feste oder gasförmige Stoffe, die auf den Menschen toxisch oder biologisch beeinflussend wirken. Sofern sie im Produktionsprozess verwendet werden, sollte eine Freisetzung von Gefahrstoffen und daraus resultierende Gesundheitsgefahren für die Mitarbeiter unbedingt vermieden werden. Darüber hinaus sollte der Umgang mit und die Verwendung von Gefahrstoffen, wenn möglich weitgehend vermieden werden und der Einsatz von nicht gesundheitsgefährdenden alternativen Stoffen geprüft werden. Staub: kann nicht nur eingeatmet werden, sondern auch über die Haut oder über Speisen vom Menschen aufgenommen werden. Daher sollten Staubbelastungen, insbesondere mit biogenen oder toxischen Substanzen, die gesundheitsbeeinträchtigend wirken können, unbedingt am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung vermieden werden. <?page no="220"?> 12.5 Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsortes 221 Ein weiterer Ansatzpunkt ist die psychologische Arbeitsplatzgestaltung, deren Ziel es ist, eine angenehme und dadurch leistungsfördernde Arbeitsumwelt zu schaffen. Gestaltungsmöglichkeiten bestehen hierbei zum Beispiel in einer ansprechenden Farbgebung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsräumlichkeiten. So wirken warme Farben, wie z.B. rot, orange oder gelb, anregend, wohingegen kalte Farben, wie z.B. blau, grün oder violett, eher beruhigend und distanzierend wirken. Der Einsatz von Musik fördert eine positive Grundstimmung und kann helfen, Stimmungstiefs zu bewältigen. Ausgleichend und anregend wirken auch Pflanzen in den Arbeitsräumen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 170). Um Unfälle am Arbeitsplatz zu verhindern, ist eine sicherheitstechnische Arbeitsgestaltung sehr wichtig. Diese wird unterstützt durch eine Vielzahl an gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitssicherheit und zum Umweltschutz, die von den Gewerbeaufsichtsämtern und den Berufsgenossenschaften kontrolliert werden. Dazu zählen u.a. das Arbeitssicherheitsgesetz, die Arbeitsstättenverordnung, das Arbeitszeitgesetz, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, die Gewerbeordnung, das Jugendschutzgesetz, das Mutterschutzgesetz sowie das Schwerbehindertenrecht. 12.5.2 Maßnahmen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes außerhalb des Unternehmens In den letzten zwei Jahrzehnten ist der Anteil an Arbeitsplätzen gestiegen, der sich außerhalb der Unternehmensräumlichkeiten befindet. Hier wurden teils bestehende Arbeitsplatzmodelle stärker angewendet und teils auch neue Arbeitsplatzmodelle entwickelt. Zurückzuführen ist dies auf die steigende Verbreitung neuer wissensbasierter Arbeitsleistungen, die häufig direkt bei den Kunden erbracht werden, eine steigende Flexibilisierung und Kundenorientierung der Leistungserstellung, die Zunahme der Internationalisierung vieler Unternehmen, aber auch auf die Veränderung von Beschäftigungsverhältnissen (steigender Anteil an Minijobs und Teilzeit, Mehrfachbeschäftigungen etc.). Darüber hinaus haben auch die Wünsche der Mitarbeiter nach einer steigenden Flexibilisierung des Arbeitsortes und Arbeitsplatzes sowie nach einer besseren Vereinbarkeit insbesondere von Beruf und Familie zugenommen. So werden in den letzten Jahren vermehrt bereits länger bekannte Strategien zur Flexibilisierung des Arbeitsplatzes angewendet, teils aber auch neue Konzepte zur stärkeren Flexibilisierung des Arbeitsortes und Arbeitsplatzes entwickelt. Diese Strategien zur Flexibilisierung des Arbeitsortes berühren sowohl die soziale, die ökologische aber auch die ökonomische Ausrichtung eines nachhaltigen Unternehmens. Vieldiskutierte und erprobte Konzepte sind hierbei insbesondere der Heimarbeitsplatz sowie der Telearbeitsplatz. 12.5.2.1 Heimarbeitsplatz Bei einem Heimarbeitsplatz erfüllt der Mitarbeiter seine Arbeitsaufgaben in der eigenen Wohnung. Der Heimarbeitnehmer ist eine arbeitnehmerähnliche Person, die über das Heimarbeitsgesetz (HAG) abgesichert ist. Das HAG enthält Vorgaben zum Mindestentgelt, Urlaubsgeld, Feiertagsentgelt, Zuschläge zur Vorsorge und bei Krankheit, einen Heimarbeitszuschlag zur Abgeltung entstandener Kosten sowie Kündigungsschutzbestimmungen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 170). Arbeiten Heimarbeiter überwiegend für ein Unternehmen, so gelten sie als Angestellte des Unternehmens im Sinne des § 6 BetrVG. Gerade für Arbeitnehmer mit kleineren <?page no="221"?> 222 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen ist die Heimarbeit eine gute und häufig genutzte Möglichkeit, um die eigene Berufstätigkeit besser mit den familiären Anforderungen und der Betreuung von Kindern oder Familienangehörigen vereinbaren zu können. 12.5.2.2 Telearbeitsplatz Als Telearbeit werden alle Arbeitsplätze und Arbeitsformen verstanden, die sich außerhalb der Räumlichkeiten des Arbeitgebers befinden und meist durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden (vgl. z.B. Olfert 2008, S. 193 f.). Die vielfältigen Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien wie z.B. der Telekommunikation (z.B. Smartphone), der elektronischen Datenverarbeitung (z.B. Internet, Intranet, Notebook, Tablet, WLAN) sowie der interaktiven Nutzung elektronischer Medien (z.B. Web 4.0, Videokonferenzen) ermöglichen mittlerweile eine sehr flexible und auch ortsunabhängige Arbeitsgestaltung. Dies hat zur Entwicklung von Arbeitsplätzen geführt, die sich nicht nur außerhalb des Unternehmens befinden, sondern auch zeitlich, örtlich und technisch flexibel gestaltet werden können. Etabliert haben sich sowohl Arbeitsplätze in der eigenen Wohnung als auch ortsunabhängige, d.h. mobile Arbeitsplätze (z.B. im Bereich der Kundenbetreuung vor Ort oder der Leistungserstellung direkt beim Kunden). Aufgrund der vielfältigen technologischen Entwicklungen existieren umfangreiche Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Telearbeitsplatz und dem jeweiligen Unternehmen. So können über das Internet und die Installation von Zugängen zum unternehmensinternen Intranet Informationen, Unterlagen und Arbeitsergebnisse ausgetauscht und gemeinsam bearbeitet werden. Zusätzlich bestehen vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Telearbeitsplatz und Mitarbeitern im Unternehmen über Smartphone, E-Mail und Video-Konferenzschaltungen. Telearbeitsplätze können in zeitlicher Hinsicht als Vollzeit- oder Teilzeitarbeit gestaltet werden. Je nach verwendeter Technik lassen sich darüber hinaus online- und offline-Telearbeitsplätze unterscheiden, je nachdem, ob eine kontinuierliche elektronische Kommunikationsverbindung zum Unternehmen besteht (vgl. Abbildung 80). Abbildung 80: Dimensionen und Ausprägungen der Telearbeit (Kirschten 2014, S. 178) <?page no="222"?> 12.5 Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsortes 223 Als wesentliche Formen der Telearbeit lassen sich die Tele-Heimarbeit, Telecenter, on-site Telearbeit und die mobile Telearbeit unterscheiden (vgl. Olfert 2010, S. 193 f.), die im Folgenden nicht näher vorgestellt werden, allerdings bei Kirschten (2014, S. 178 ff.) nachgelesen werden können. Die Telearbeit ist ein sehr wichtiges Instrument, um die Flexibilität der Mitarbeiter zu stärken und auch das Berufsleben mit dem Privatleben besser vereinbaren zu können. Aus Sicht der Mitarbeiter bietet die Telearbeit mehrere Vorteile: So ermöglicht die Entkopplung der Arbeit von dem festen Arbeitsplatz im Unternehmen eine größere örtliche und i.d.R. auch zeitliche Flexibilität des Mitarbeiters (vgl. Thiele 2009, S. 86). Dadurch erhöht sich der Handlungsspielraum des Mitarbeiters, um beispielsweise familiäre Verpflichtungen (Betreuung kleinerer Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger) besser mit einer Berufstätigkeit vereinbaren zu können. Gerade für Alleinerziehende ist diese zeitliche und räumliche Autonomie und Flexibilität häufig entscheidend, um überhaupt eine Berufstätigkeit ausüben zu können. Auch lebensphasenspezifische Mehrfachbelastungen können so leichter bewältigt werden. Zusätzlich reduziert sich der zeitliche und finanzielle Aufwand durch den Wegfall an Fahrten zwischen Arbeitsstätte, Kinderbetreuungs- und Wohnstätte. Nicht zuletzt wünschen sich viele Arbeitnehmer auch grundsätzlich eine größere zeitliche und räumliche Autonomie bei ihrer Berufstätigkeit. Allerdings birgt die Telearbeit auch Nachteile. Eine große Gefahr besteht in der unzureichenden Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben bzw. der Vermischung beider Lebensbereiche. Durch die häusliche Berufstätigkeit sind sowohl die beruflichen als auch die privaten Anforderungen und Aufgaben immer präsent. Dies kann zu häufigeren Unterbrechungen der beruflichen Arbeit führen, wenn z.B. die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige Aufmerksamkeit brauchen, versorgt werden müssen, Arztbesuche anstehen oder anderweitige häusliche Pflichten kurzfristig zu erfüllen sind. Gerade für Kinder ist es oft schwer verständlich, warum Eltern arbeiten müssen, wenn sie doch zu Hause sind. Aus diesem ständigen Wechselspiel bzw. Hin- und Herspringen zwischen den Anforderungen und Aufgaben der verschiedenen Lebensbereiche resultiert eine dauerhafte Mehrfachbeanspruchung für den Telearbeitenden, die längerfristig physisch und psychisch sehr belastend wirken kann. Zusätzlich stören häufige Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit die Konzentration und können die Leistungsfähigkeit des Telearbeiters beeinträchtigen. Aber auch für die Familienangehörigen (Kinder, Pflegebedürftige) kann die Telearbeit Einschränkungen bedeuten, wenn der Telearbeiter (das arbeitende Familienmitglied) Ruhe, ungestörtes Arbeiten und Rücksicht auf seine häusliche Berufstätigkeit fordert und benötigt. Darüber hinaus besteht die Gefahr einer permanenten Arbeitsbereitschaft des Telearbeitnehmers auch weit über den normalen 8h-Arbeitstag hinaus. So werden beispielsweise kontinuierlich eingehende E-Mails beantwortet oder Aufgaben, die durch Unterbrechungen nicht tagsüber erledigt werden konnten, abends bearbeitet, wenn die Kinder schlafen. Diese permanente Arbeitsbereitschaft konterkariert jedoch den Ausgleich zwischen Arbeits- und Berufsleben. Weitere nachteilige Auswirkungen der Telearbeit bestehen in den selteneren persönlichen sozialen Kontakten mit den Kollegen, einer daraus resultierenden größeren arbeitsbezogenen Isolation des Telearbeiters sowie einer möglicherweise geringeren Identifikation mit dem Arbeitgeber. Um tatsächlich eine höhere Vereinbarkeit des Arbeitsmit dem Privatleben durch Telearbeit zu erreichen, ist die Berücksichtigung und Umsetzung folgender Aspekte ausgesprochen wichtig: <?page no="223"?> 224 12 Nachhaltiger Personaleinsatz klare Trennung zwischen häuslichen Arbeitszeiten und „Freizeiten“ durch Festlegung konkreter Arbeits- und Freizeiten Arbeitszeiten wenn möglich in ruhige Tageszeiten legen (z.B. vormittags, wenn Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind) Arbeiten in abgeschlossenen Räumlichkeiten (z.B. Arbeitszimmer) regelmäßige Kontakte mit Kollegen oder Anwesenheiten im Unternehmen, um einer möglichen sozialen und beruflichen Isolation vorzubeugen (z.B. durch alternierender Telearbeit) alternierende Telearbeit oder centerbasierte Telearbeit Aus Sicht des Unternehmens ergeben sich aus der Telearbeit folgende Vor- und Nachteile: Vorteilhaft für Unternehmen ist die Möglichkeit, durch Telearbeit Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten oder auch für besondere Mitarbeitergruppen, wie z.B. Behinderte oder Alleinerziehende einrichten zu können. Damit können Arbeitgeber den Arbeitswünschen ihrer Mitarbeiter mehr entgegen kommen und ermöglichen gleichzeitig die Übernahme bestimmter Aufgaben. Die höhere Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter bei Telearbeit führt häufig auch zu einer deutlich gesteigerten Arbeitseffizienz der Mitarbeiter (teilweise sogar bis zu 50% höhere Arbeitsproduktivität), zu selteneren Krankmeldungen sowie zu einer größeren Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen. Nachteile von Telearbeitsplätzen sind insofern festzuhalten, als sie neue Anforderungen an die Führung und Kontrolle der Mitarbeiter und ihrer Arbeitsleistung stellen. Statt der bislang weitverbreiteten Anwesenheitskontrolle der Mitarbeiter sind hier eher Instrumente nötig, die auf die Arbeitsergebnisse abstellen, wie z.B. Zielvereinbarungen und die Ergebnisorientierung. Wichtig sind hier auch flexible Instrumente der Führung der Telemitarbeiter. Die Einrichtung von Telearbeitsplätzen kann mit höheren Kosten verbunden sein, als die Einrichtung von Arbeitsplätzen im Unternehmen (z.B. durch die notwendige technische Ausstattung mit PC, Smartphone etc). Die Telearbeit kann auch mit einem höheren organisatorischen und technischen Aufwand verbunden sein, der sich jedoch aufgrund der vielfältigen modernen elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien tendenziell in Grenzen halten dürfte. Mögliche Leistungseinbußen durch die häufigen Wechsel zwischen Arbeits- und Privatleben bei der Telearbeit sind nicht auszugeschließen, werden aber i.d.R. durch die deutlich höhere Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit und der daraus resultierenden höheren und zeitlich umfangreicheren Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter oft mehr als ausgeglichen. Der Gefahr einer sozialen und beruflichen Isolation und ggf. einer geringeren Identifikation mit dem Unternehmen sollte der Arbeitgeber durch regelmäßige Treffen, Besprechungen oder Arbeitszeiten im Unternehmen, z.B. im Rahmen einer alternierenden Telearbeit begegnen. 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit Die Gestaltung der Arbeitszeit betrifft wesentlich die soziale und ökonomische Dimension in nachhaltigen Unternehmen. Die Arbeitszeit ist die Zeit vom täglichen Arbeitsbeginn bis zum Arbeitsende ohne Ruhepausen (§2 Abs. 1 ArbZG). In dieser Zeit hat ein Arbeitnehmer seine vertraglich <?page no="224"?> 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit 225 festgelegten Arbeitsleistungen zu erbringen und erhält dafür sein Entgelt. Bei der Gestaltung der Arbeitszeit müssen die Ziele und Möglichkeiten der Unternehmen, aber auch die Wünsche und Notwendigkeiten der Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Im täglichen Leben und insbesondere im Erwerbsleben kommt der Zeit eine sehr große Bedeutung zu. Die Arbeitszeit bestimmt die Dauer der Arbeit, sie bildet aber auch die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 88). Damit kommt der Gestaltung der Arbeitszeit als Aufgabenbereich der sozialen Nachhaltigkeit in Unternehmen eine große Bedeutung zu. In den letzten Jahrzehnten ist eine zunehmende Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeit zu beobachten (vgl. Mückenberger 2006, S. 20 ff.). Diese Entwicklung ist insbesondere auf folgende zwei Gründe zurückzuführen: Erstens: Für die Unternehmen sind flexiblere Arbeitszeiten wichtig, um sich schnell an marktbedingte Veränderungen anpassen zu können und dadurch wettbewerbsfähig zu bleiben. Zusätzlich hat die Entwicklung hin zur Dienstleistungsgesellschaft auch zu einer zeitlichen Ausdehnung der angebotenen Dienstleistungen und damit auch zur Ausdehnung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten geführt. Zu denken ist hierbei an die mittlerweile üblichen längeren Öffnungszeiten des (Lebensmittel)Einzelhandels (i.d.R. bis 20.00 h, teils bis 22.00 h oder gar 24 h), aber auch lange Servicezeiten z.B. für Wissensprodukte und -dienstleistungen, Dienstleistungen im Bereich Verkehr, Nachrichten oder Gesundheitsversorgung. Aber auch die steigende Internationalisierung vieler Unternehmen fördert und fordert einen höheren Flexibilisierungsgrad der Arbeitszeit, um über verschiedene Zeitzonen hinweg effektiv zusammenarbeiten zu können. Dies hat zu einem steigenden Anteil an zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen und Minijobs, aber auch zu stärker flexibilisierten Arbeitsverhältnissen (z.B. Zeitarbeit) und Arbeitszeiten geführt. Die Auswirkungen der Arbeitszeitflexibilisierung auf die Beschäftigten sind dabei sehr unterschiedlich, häufig jedoch verbunden mit einer erhöhten Beschäftigungsunsicherheit und steigenden Arbeitsbelastungen. Zweitens: Ein steigender Anteil der Arbeitnehmer wünscht sich flexiblere Arbeitszeiten, um die verschiedenen Lebenswelten, insbesondere das Arbeits- und Privatleben, besser vereinbaren zu können. Hier spielt nicht nur die höhere Wertschätzung der Freizeit bei den Menschen eine große Rolle, sondern auch die zeitlichen Erfordernisse, um verschiedene Lebenswelten, wie z.B. das Familienleben mit Kindern, Partnerschaft, die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder soziales Engagement mit dem Berufsleben verbinden zu können. Insofern sind Maßnahmen zur Gestaltung und Flexibilisierung der Arbeitszeit auch für nachhaltige Unternehmen ein wichtiges Thema. Im Folgenden werden einige Grundzüge zur Arbeitszeit und wesentliche flexible Arbeitszeitmodelle vorgestellt. 12.6.1 Gestaltungsparameter der Arbeitszeit Die Arbeitszeit umfasst drei wesentliche Gestaltungsparameter: die Dauer bzw. Länge der Arbeitszeit, die Lage der Arbeitszeit sowie die Gestaltung der Pausen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 174). Für die Gestaltung flexibler Arbeitszeiten ist darüber hinaus auch die Verteilung der Arbeitszeit wichtig. Die Dauer der Arbeitszeit ist der zeitliche Umfang, in dem ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringen muss, z.B. 8 Stunden pro Tag. In Deutschland regelt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die maximale Dauer bzw. Länge der Arbeitszeit. <?page no="225"?> 226 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Mit der Lage der Arbeitszeit ist der Zeitrahmen gemeint, in dem die Arbeit geleistet wird (z.B. 8.00 h bis 17.00 h). Unternehmen sind daran interessiert, die Lage der Arbeitszeit so zu gestalten, dass z.B. kapitalintensive Produktionsanlagen möglichst 24 Stunden genutzt werden oder im Zuge einer hohen Dienstleistungsorientierung die Servicezeiten für die Kunden möglichst lang sind (z.B. von 8.00 h bis 22.00 h oder auch 24 h.). So entwickelt sich unsere Gesellschaft und Wirtschaft zu einer „rund-um-die-Uhr-Gesellschaft“ (vgl. Seifert 2005, S. 40), in der ein steigender Anteil an Produkten und Dienstleistungen weit über die normalen Öffnungszeiten bis hin zu 24 h am Tag angeboten werden (vgl. Thiele 2009, S. 74 f.). Für die Mitarbeiter bedeutet dies oft Arbeit in wechselnden Schichten und zu verschiedenen Tages- und teils auch Nachtzeiten, was einen Ausgleich der verschiedenen Lebenswelten schwierig macht. Arbeitszeitkonzepte dienen dazu, sowohl die Lage als auch die Dauer der Arbeitszeit zu gestalten unter Berücksichtigung der Interessen der Unternehmen aber auch der Mitarbeiter. Wird dabei die Arbeitszeit von der Betriebszeit entkoppelt. So können die Betriebszeit und Nutzung der Produktionsanlagen wesentlich länger sein, wobei die individuelle tägliche Arbeitszeit zwar gleich bleibt, jedoch zeitlich unterschiedlich gelagert wird, z.B. durch einen Mehr-Schicht-Betrieb oder wenn alle Wochentage als Arbeitstage genutzt werden (vgl. Olfert 2008, S. 197). Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Weisungen des Arbeitgebers regeln die Lage der Arbeitszeit. Der Betriebsrat hat hier ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, ihre Verteilung auf die Wochentage und über die Pausengestaltung. Pausen während der Arbeit sind wichtig, um Ermüdungszustände abzubauen, möglichen Ermüdungserscheinungen (z.B. geringere Konzentration oder verminderte Wahrnehmung) vorzubeugen und ein angemessenes Wachsamkeitsniveau bei Beobachtungs- und Kontrolltätigkeiten sicher zu stellen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 176). Die Verteilung der Arbeitszeit beinhaltet die gleichmäßige oder wechselnde zeitliche Aufteilung der vereinbarten Arbeitszeit auf Tage, Wochen, Monate oder Jahre, wobei die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt abgeleistet werden muss (vgl. Kimpel/ Schütte 2006, S. 53; Thiele 2009, S. 75). Je nach konkreter Ausgestaltung der Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit gibt es eine Vielzahl an Gestaltungsformen der Arbeitszeit. Dabei lassen sich eher starre Arbeitszeiten mit fester Dauer, Lage und Verteilung von eher flexibleren Arbeitszeiten mit wechselnder Dauer, Lage und / oder Verteilung unterscheiden, wie die Abbildung 81 zeigt. Waren früher eher starre Arbeitszeiten weit verbreitet und üblich, so stieg der Anteil an flexiblen Arbeitszeitformen in den letzten Jahrzehnten deutlich an. Auslöser für eine steigende Arbeitszeitflexibilisierung können sowohl marktbezogene, unternehmensbezogene aber auch mitarbeiterbezogene Gründe sein. So kann ein marktbedingter Auftragsrückgang Unternehmen zu einer vorübergehenden Arbeitszeitverkürzung (Kurzarbeit) zwingen; unternehmensinterne Umstrukturierungen können zu flexibleren Teilzeitschichten führen oder lebensphasenspezifische Umstände (Geburt eines Kindes, Wunsch nach Auszeit, Betreuung pflegebedürftiger Familienangehöriger) erfordern z.B. eine Verkürzung und Flexibilisierung der bisher starren Arbeitszeit, um z.B. die familiären Anforderungen und Wünsche mit der Berufstätigkeit <?page no="226"?> 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit 227 vereinbaren zu können. Um die Vielfalt der privaten und beruflichen Anforderungen gut bewältigen zu können, eigenen sich flexible Arbeitszeitmodelle besonders gut. Darüber hinaus steigern flexible Arbeitszeitangebote die Attraktivität der Unternehmen im Wettbewerb um sehr gut qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte. Abbildung 81: Vielfalt der Arbeitszeitmodelle (Kirschten 2014, S. 200) Grundsätzlich lassen sich die Arbeitszeitmodelle in traditionelle und moderne - im Sinne einer höheren Flexibilität der Arbeitszeit - Gestaltungsformen unterscheiden (vgl. Abbildung 82). Abbildung 82: Gestaltungsformen der Arbeitszeit (Kirschten 2014, S. 201) <?page no="227"?> 228 12 Nachhaltiger Personaleinsatz 12.6.2 Traditionelle Gestaltungsformen der Arbeitszeit Zu den traditionellen Arbeitszeitmodellen zählen die Mehrarbeit, die Schichtarbeit und die Kurzarbeit (vgl. Kirschten 2014, S. 202 f.). 12.6.2.1 Mehrarbeit Als Mehrarbeit werden Überstunden bezeichnet, die ein Beschäftigter über seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus leistet. Mehrarbeit kann vom Arbeitgeber angeordnet werden, wenn z.B. die Auftragslage des Unternehmens kurzfristig stark angestiegen ist oder z.B. bei Saisonarbeit. Sie kann aber auch vom Arbeitgeber geduldet werden, wenn der Mitarbeiter sein Arbeitspensum vorübergehend nicht in der vereinbarten Arbeitszeit bewältigen kann. Auch Sonntags- und Feiertagsarbeit gelten als Mehrarbeit. Die Vorteile der Mehrarbeit bestehen für Unternehmen darin, dass sie ihre Kapazitäten erhöhen und Leistungen steigern können, ohne zusätzliches Personal einzustellen. Für die betroffenen Mitarbeiter bedeutet Mehrarbeit i.d.R. eine deutliche Zusatzbelastung, allerdings ist damit auch ein zusätzliches Einkommen durch die Vergütung der Überstunden bzw. entsprechenden Freizeitausgleich verbunden, der dem Mitarbeiter in bestimmten Lebensphasen durchaus willkommen ist. 12.6.2.2 Schichtarbeit Schichtarbeit bedeutet, dass die Betriebszeit in mehrere Arbeitszeitabschnitte eingeteilt wird, in denen jeweils die gleichen Arbeitsaufgaben erbracht werden, um z.B. die Produktionsanlagen kontinuierlich nutzen zu können, komplexe Produktionsprozesse nicht zu unterbrechen oder lange Öffnungs- und Servicezeiten für die Kunden zu gewährleisten. Schichtarbeit kann in unterschiedlichen Formen erfolgen: Das Einschicht-System: hier ist die regelmäßige tägliche Arbeitszeit länger als die tariflich vereinbarte Arbeitszeit. Durch entsprechende Freischichten wird diese tägliche überlange Arbeitszeit ausgeglichen. Das Mehrschicht-System unterteilt die tägliche Betriebszeit in mehrere Schichten, wodurch ein Arbeitsplatz je Schicht durch verschiedene Mitarbeiter besetzt ist. Das Wechselschicht-System beinhaltet einen regelmäßigen täglichen, wöchentlichen oder monatlichen zeitlichen Wechsel der Arbeitsschichten, bei dem die Mitarbeiter einen festgelegten Wechselrhythmus haben (z.B. von der Frühschicht in die Spätschicht und anschließend in die Nachtschicht). Für Unternehmen ist die Schichtarbeit vorteilhaft, weil sich hierdurch die Betriebszeit verlängert und kapitalintensive Anlagen besser ausgelastet werden können sowie längere Öffnungs- und Servicezeiten für die Kunden gewährleistet werden können. Für die Mitarbeiter sind Schichtarbeitssysteme auf Dauer physisch und psychisch belastend, insbesondere bei Spät- und Nachtschichten. Je nach Lebenssituation und Umfang der privaten oder familiären Verpflichtungen können Schichtsysteme entweder die Vereinbarkeit verschiedener Lebenswelten zusätzlich belasten, da die meisten Kinderbetreuungseinrichtungen ab 17.00 h geschlossen haben und somit eine Vereinbarkeit der Berufstätigkeit z.B. mit Spät- oder Nachtschichten mit der Kinderbetreuung kaum noch möglich ist. Andererseits können Schichtsysteme für die Work-Life-Balance auch vorteilhaft sein. So können Eltern z.B. im Frühschichtsystem arbeiten, wenn ihre Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind und nach- <?page no="228"?> 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit 229 mittags, wenn die Kinder zu Hause sind und die Arbeitsschicht bereits beendet ist, die Kinderbetreuung selbst übernehmen. Schichtarbeitssysteme können aber auch die wechselseitige Betreuung der Kinder oder von pflegebedürftigen Familienangehörigen dadurch ermöglichen, dass die Eltern zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten können und dadurch mindestens ein Elternteil für die Betreuung der Kinder oder Familienangehörigen zur Verfügung steht. Allerdings brauchen auch die im Schichtsystem arbeitenden Eltern Regenerationszeiten. Insgesamt bergen Schichtarbeitsmodelle bei gleichzeitiger hoher familiärer Belastung auf Dauer die Gefahr einer erheblichen physischen und psychischen Überlastung der Betroffenen. Hier stellt sich die Frage, ob und, wenn ja, wie Schichtsysteme familienfreundlich gestaltet werden können. In den letzten Jahren haben sich einige Ansätze entwickelt, die auf eine verbesserte Familienfreundlichkeit der Schichtarbeit abzielen und damit ihre soziale Verträglichkeit fördern. Mittlerweile werden neue Schichtarbeitsmodelle auch in der Praxis erprobt. Beispielsweise arbeiten verschiedene Unternehmen gezielt an der Einführung von familienfreundlicheren Schichtsystemen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern (vgl. Stockfisch/ Meissner 2013; Perspektive Wiedereinstieg o.J.; Haufe Online Redaktion 2012; 2016; IG Metall 16.11.2016). Die Einführung von Teilzeit im Schichtbetrieb bei Bosch ist hierfür ein interessantes Praxisbeispiel. So bietet Bosch seinen Mitarbeitern verschiedene Teilzeitmodelle im Schichtbetrieb an, die auch praktisch umgesetzt und von den Mitarbeitern positiv aufgenommen werden (vgl. IG Metall 16.11.2016; Bosch-career.com). Praxisbeispiel: Teilzeit im Schichtbetrieb bei Bosch Praxisbeispiel 12: Teilzeit im Schichtsystem bei Bosch 12.6.2.3 Kurzarbeit Wird die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zeitlich begrenzt reduziert, spricht man von Kurzarbeit. Diese kann das ganze Unternehmen oder auch nur Unternehmensteile betreffen. Bei der Kurzarbeit werden die Arbeitspflichten sowie das Entgelt entsprechend reduziert, der Arbeitsvertrag bleibt jedoch unberührt. Die Einführung der Kurzarbeit bedarf einer Rechtsgrundlage, meist als Betriebsvereinbarung oder Vereinbarung im Rahmen des geltenden Tarifvertrages. Da Kurzarbeit meist aufgrund externer Nachfragerückgänge vereinbart und nicht längerfristig geplant wird, ist ihr <?page no="229"?> 230 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Beitrag zu einer größeren Ausgeglichenheit zwischen den verschiedenen Lebenswelten eher gering. Allerdings kann dadurch teilweise die Arbeitslosigkeit der Beschäftigten vermieden werden, wie Praxisbeispiele aus der Automobilindustrie (z.B. bei VW oder Opel) in den letzten Jahrzehnten gezeigt haben. Zusätzlich ergeben sich aus der Kurzarbeit zeitlich begrenzte größere Zeiträume zur Übernahme umfangreicherer häuslicher oder privater Aufgaben. 12.6.3 Flexible Gestaltungsformen der Arbeitszeit 1 Größere Gestaltungsspielräume zur sozialen Verträglichkeit und zur Verbesserung der Work-Life-Balance von Mitarbeitern versprechen die flexiblen Arbeitszeitformen. Dazu gehören insbesondere die Teilzeitarbeit, das Job-Sharing, die gleitende Arbeitszeit und die Vertrauensarbeitszeit, die kapazitätsorientierte Arbeitszeit, Arbeitszeitkonten, die Jahresarbeitszeit sowie Sabbaticals (vgl. Kirschten 2014, S. 203 ff.). 12.6.3.1 Teilzeitarbeit Teilzeitarbeit bedeutet, dass ein Arbeitnehmer eine kürzere Arbeitszeit hat, als die tariflich vereinbarte Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers, wofür er auch eine geringere Vergütung und entsprechend anteilige Sozialleistungen erhält (§ 2 TzBfG). Der Umfang der Teilzeitarbeit kann je nach Vereinbarung stark variieren, von wenigen Stunden pro Woche bis fast zur Vollzeitbeschäftigung. Weit verbreitet ist jedoch die Halbtagsbeschäftigung (ca. 20 h - 30 h pro Woche), die je nach Arbeitsanforderungen und individuellen Wünschen unterschiedlich auf die wöchentliche, monatliche oder jährliche Arbeitszeit verteilt werden kann. Voraussetzung für eine Teilzeitarbeit ist, dass die Arbeitsaufgaben sachlich und zeitlich teilbar bzw. reduzierbar sind. Ein Mitarbeiter hat Anspruch auf Teilzeitarbeit, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und keine betrieblichen Gründe gegen eine Teilzeitarbeit sprechen (§ Abs. 1, 4 TzBfG). Damit haben grundsätzlich auch Führungskräfte und leitende Angestellte einen Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung. Auch geringfügig Beschäftigte gelten als teilzeitbeschäftigt. Der Betriebsrat hat bei der Vereinbarung der Teilzeitarbeit ein Mitbestimmungsrecht. Von der Kurzarbeit unterscheidet sich die Teilzeitarbeit durch ihre Freiwilligkeit. Die Teilzeitarbeit ermöglicht eine flexible Gestaltung der Dauer, Lage und Verteilung der verkürzten Arbeitszeit, wobei Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Interessen aufeinander abstimmen können. In Kombination mit anderen flexiblen Arbeits(zeit)modellen, wie z.B. der Vertrauensarbeitszeit, der Gleitzeit, Jahresarbeitszeitmodellen oder auch der Telearbeit erweitern sich die Handlungsspielräume insbesondere für die Mitarbeiter deutlich (vgl. Thiele 2009, S. 79). Bei der Teilzeitarbeit gibt es mittlerweile ganz verschiedene Gestaltungsformen. Als Grundformen lassen sich verschiedene Gestaltungsformen der Teilzeit, die Altersteilzeit und das Job-Sharing unterscheiden. In den Grundformen kann Teilzeitarbeit entweder mit festen Arbeitszeiten (z.B. 3 Arbeitstage à 8 Stunden oder 5 Arbeitstage à 4 Stunden pro Woche) oder mit flexiblen Arbeitszeiten (z.B. gleitende Arbeitszeit, Jahresarbeitszeit, kapazitätsorien- 1 Die Inhalte dieses Kapitels basieren wesentlich auf den Ausführungen von Kirschten 2014, S. 197 ff. <?page no="230"?> 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit 231 Praxisbeispiel 13: Teilzeitarbeitsmodelle bei Bosch. Quelle: http: / / www.boschcareer.com/ media/ de/ documents/ arbeiten_bosch/ work_life_balance/ beruf_familie/ Voll_im_Leben_Teilzeit_arbeiten.pdf <?page no="231"?> 232 12 Nachhaltiger Personaleinsatz tierte Arbeitszeit) vereinbart werden. Das „Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ schuf mit den „Hartz II“-Regelungen (aktuelle Überarbeitung als Hartz IV-Regelungen) einen neuen Niedriglohnsektor, zu dem u.a. Minijobs und geringfügige Beschäftigungen bis 400 € gehören, die sich grundsätzlich auch für Teilzeitbeschäftigungen eignen. Zum gleitenden Übergang in den Ruhestand hat sich die Form der Altersteilzeit entwickelt, die mittlerweile jedoch nicht mehr gesetzlich gefördert wird und daher an Bedeutung abnimmt. Das Job-Sharing als Sonderform der Teilzeit wird im Kapitel 12.6.3.2 vorgestellt. Für die Mitarbeiter ist die Teilzeitarbeit vorteilhaft, weil sie berufstätig sein können und trotzdem in erforderlichem Maße ihren privaten, insbesondere familiären Verpflichtungen nachkommen können. So ermöglicht eine Teilzeitarbeit oft auch größere zeitliche Gestaltungsspielräume bei der Organisation der beruflichen und privaten Verpflichtungen. Wesentliche Nachteile der Teilzeitarbeit für den Mitarbeiter bestehen jedoch einerseits in dem geringeren Entgelt, andererseits in der immer noch vorherrschenden geringeren Anerkennung einer Teilzeitbeschäftigung. Dies wirkt sich häufig auch negativ auf die Karriereperspektiven der Teilzeitbeschäftigten aus (vgl. Schönefeld 2006, S. 30 ff.). Für die Unternehmen bestehen die Vorteile einer Teilzeitbeschäftigung ihrer Mitarbeiter darin, dass diese - vorausgesetzt die Teilzeitbeschäftigung erfolgt auf Wunsch des Arbeitnehmers - i.d.R. hoch motiviert und stark leistungsbereit sind, was eine hohe Arbeitsproduktivität dieser Teilzeitarbeitnehmer verspricht. Die Vielfalt möglicher Teilzeitarbeitsmodelle zeigt das Praxisbeispiel 13. In der Praxis sind Teilzeitbeschäftigungen weit verbreitet. Vor allem Frauen arbeiten mehrheitlich in Teilzeit, um ihren Beruf mit ihrem Familienleben vereinbaren zu können (vgl. Abb. 67: Anteil der Teilzeitbeschäftigung von Frauen und Männern in Deutschland im Jahr 2014). 12.6.3.2 Job-Sharing Job-Sharing (deutsch: Arbeitsplatzteilung) ist eine Sonderform der Teilzeitarbeit. Sie stammt aus den USA und wurde in Deutschland in den 1980er Jahren bekannt, wird aber bislang in Deutschland noch nicht sehr häufig eingesetzt. Hierbei teilen sich meist zwei oder auch mehrere Mitarbeiter als Gemeinschaft einen Vollzeitarbeitsplatz und ein Gehalt. Ihre Arbeitszeit können sie häufig autonom festlegen. Beim Job-Sharing lassen sich grundsätzlich funktionale und zeitliche Teilungen des Arbeitsplatzes unterscheiden (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 525). Eine funktionale Teilung des Vollzeitarbeitsplatzes bedeutet, dass die Gesamtaufgabe in meist zwei unterschiedlich inhaltliche Aufgabenbereiche geteilt wird. Bei der zeitlichen Teilung des Arbeitsplatzes sind die Arbeitsaufgaben der Job-Sharing-Partner identisch, aufgeteilt wird jedoch die zeitliche Durchführung der Aufgabenerfüllung. Bei der zeitlichen Aufteilung sind ganz unterschiedliche Varianten möglich. Weit verbreitet ist die zeitliche Aufteilung zu gleichen Teilen (50: 50) im Halbtagsrhythmus (z.B. vormittags und nachmittags). Möglich ist jedoch auch eine ungleiche zeitliche Aufteilung, z.B. 60: 40, eine Aufteilung auf bestimmte Wochenarbeitstage oder auch die Variante, dass sich mehrere Arbeitnehmer mehrere Arbeitsplätze teilen. Beispielsweise können sich fünf Arbeitnehmer vier Arbeitsplätze teilen, wobei jeder Arbeitnehmer einen Tag <?page no="232"?> 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit 233 pro Woche frei hat. Auch bei der funktionalen Teilung kann die inhaltliche Struktur und Aufteilung der Aufgabenerfüllung je nach konkretem Job-Sharing-Modell variieren. Grundsätzlich wichtig für eine gute Zusammenarbeit im Job-Sharing sind ein ausgeprägtes Planungs- und Organisationsvermögen sowie eine positive zwischenmenschliche Beziehung zwischen den Job-Sharing-Partnern (vgl. Broel 2014; DGVP 2006). Je nach inhaltlicher Aufteilung werden beim Job-Sharing insbesondere die folgenden Varianten unterschieden: Job-Splitting, Job-Pairing, Job Split Level Sharing und Top Sharing. Das Job Splitting ist eine weit verbreitete Form des Job Sharing. Hierbei bearbeiten zwei oder mehr Mitarbeiter einen Aufgabenbereich, wobei sie die Dauer und Lage ihrer Arbeitszeiten autonom untereinander aufteilen können. Meist wird ein Vollzeitarbeitsplatz in zwei voneinander unabhängige Teilzeitarbeitsplätze mit identischen Aufgabenprofilen aufgeteilt. Insofern bedarf es auch keiner intensiven Interaktion und Kooperation zwischen den Job-Sharing-Partnern (vgl. Olfert 2010, S. 203). Sie erhalten jeweils unabhängige Arbeitsverträge, in denen ggf. gegenseitige Vertretung für Ausfallzeiten (z.B. aufgrund von Krankheit oder Urlaub) vereinbart werden können (§ 5 Abs. 1 BschFG). Kündigt ein Job-Sharing-Partner seinen Arbeitsvertrag, bleibt der Arbeitsvertrag des anderen Job-Sharing-Partners davon unberührt bestehen und darf nicht einfach gekündigt werden (vgl. Ricardi 2008, S. 83 f.). Findet der Arbeitgeber keinen Ersatz für den freigewordenen Job-Sharing-Arbeitsplatz, kann er eine Änderungskündigung für den verbliebenen Job-Sharing-Partner aussprechen, um z.B. den Arbeitsplatz wieder vollständig (ganztags) zu besetzen. Mit dieser Änderungskündigung muss das Angebot zur Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses unter anderen Bedingungen verbunden sein. Kann oder möchte der verbliebene Job-Sharing-Partner das neue Beschäftigungsangebot nicht annehmen, besteht die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage (vgl. Brox/ Rüthers/ Henssler 2004, S. 182). Beim Job Pairing tragen die Partner gemeinsam die Verantwortung für einen Aufgabenbereich, müssen sich bei ihrer Aufgabenerfüllung abstimmen und wichtige Entscheidungen gemeinsam tragen (vgl. Olfert 2010, S 203; Holtbrügge 2007, S. 162). Die Verbundenheit bei der Aufgabenerfüllung kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass mit beiden Partnern ein gemeinsamer Arbeitsvertrag abgeschlossen wird, der auch nur gemeinsam gekündigt werden kann. Das Job Pairing eignet sich z.B. zur Verbindung flexibler Arbeitszeiten mit der Personalentwicklung in unterschiedlichen Karrierephasen von Mitarbeitern. So bietet Job Pairing z.B. älteren Mitarbeitern in einer späten Karrierephase die Möglichkeit, ihr umfangreiches Experten- und Erfahrungswissen an jüngere Mitarbeiter weiterzugeben und gleichzeitig von einer Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung zu wechseln, um die physischen und psychischen Belastungen des Berufslebens zu reduzieren. Diese Modelle eignen sich, um die persönlichen Schwerpunktinteressen zu verlagern: weg von den beruflichen Karriereinteressen hin zu mehr Zeit für privater Aktivitäten, oder auch als Vorbereitung auf einen baldigen Ruhestand. Jüngere Mitarbeiter in einer frühen Karrierephase könnten hier gut als Job-Sharing-Partner eingesetzt werden, da sie über eine hohe Leistungsfähigkeit und aktuelle Qualifikationen über neueste Verfahren und Technologien verfügen, ihnen aber noch das Erfahrungswissen der älteren Mitarbeiter fehlt, das sie durch das Job-Pairing erwerben könnten. In dieser Konstellation (Job- Pairing zwischen einem älteren und einem jüngeren Mitarbeiter) bietet das Job-Pairing für beide Partner folgende Vorteile (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 530): <?page no="233"?> 234 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Umfangreiche Nutzung der spezifischen Qualifikationen von jüngeren und älteren Mitarbeitern Initiierung wechselseitiger Lernprozesse zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern Transfer und Bewahrung von Qualifikationen und Wissen zwischen den Mitarbeitern zum Nutzen des Unternehmens Berücksichtigung der spezifischen Karriereinteressen von jüngeren und älteren Mitarbeitern Instrument zur höheren Vereinbarung verschiedener Lebensbereiche im Rahmen einer Work-Life-Balance Möglichkeit zur Übernahme verantwortungsvollerer Aufgabenbereiche auch für noch recht unerfahrene jüngere Mitarbeiter in Kooperation mit erfahrenen älteren Mitarbeitern Personalentwicklung durch Qualifikationstransfer Älterer Mitarbeiter ist Mentor für jüngere Mitarbeiter Das Split Level Sharing ist eine funktionale Variante des Job Sharing, bei der neben der selbstbestimmten Arbeitszeitgestaltung und Absprache mit dem Sharing-Partner die Arbeitsaufgaben der Stelle in unterschiedliche Qualifikationen aufgeteilt werden. So könnten sich z.B. eine Kauffrau und eine Juristin einen Arbeitsplatz im Personalmanagement teilen und die jeweils spezifischen kaufmännischen (z.B. betriebswirtschaftliche Aufgaben) bzw. juristischen (z.B. Arbeitsrecht) Aufgaben bearbeiten. Eine weitere Möglichkeit bildet die Aufteilung der Arbeitsaufgaben eines Arbeitsplatzes in anspruchsvollere und weniger anspruchsvolle Aufgaben. Hier übernimmt ein Sharing-Partner die anspruchsvolleren Aufgaben und der andere die weniger anspruchsvolleren Aufgaben. Dadurch ermöglicht das Split Level Sharing eine Teilung des Arbeitsplatzes auch für Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationen. Voraussetzung für den Einsatz des Split Level Sharing ist jedoch die Teilbarkeit der Arbeitsaufgaben. Top-Sharing ist ein Modell der Arbeitsplatzteilung für Führungspositionen. Zwei oder mehr Führungskräfte teilen sich die Arbeitsaufgaben einer Führungsposition, wobei sie gemeinsam die Verantwortung für die Aufgabenerfüllung übernehmen und auch gemeinsam wichtige Entscheidungen treffen (z.B. Personalentscheidungen, strategische Entscheidungen oder umfangreichere Investitionen). Julia Kuark und Hans Ulrich Locher haben den Begriff des Top-Sharing 1998 geprägt (vgl. Kuark/ Locher 1999; Kuark 2012). Top-Sharing ist noch eine sehr junge Variante des Job Sharing, die noch relativ selten eingesetzt wird, nicht zuletzt aufgrund der widersprüchlichen Ansichten, inwieweit Führungspositionen teilbar sind (vgl. Broel 2014). In der Schweiz gibt es jedoch seit einigen Jahren mehrere Pilotprojekte um Top-Sharing mit interessanten Ergebnissen. Und auch in Deutschland gibt es einige vielversprechende praktische Ansätze in den Unternehmen (z.B. bei Bosch). Die Auswirkungen des Job-Sharing-Modells lassen sich folgendermaßen bewerten: Die Vorteile des Job Sharing für die Mitarbeiter bestehen insbesondere darin, die Arbeitszeit und Arbeitsdauer individuell gestalten zu können. Die reduzierte Arbeitszeit im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitsplatz schafft größere Zeitkontingente für die Verfolgung von Interessen und Zielen in den anderen Lebensbereichen (z.B. mehr Zeit für die Familie, zur Kinderbetreuung, für Hobbies, Sport oder die Über- <?page no="234"?> 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit 235 nahme ehrenamtlicher Aufgaben). Die höhere zeitliche Flexibilität der Arbeitszeit bietet den Vorteil, die verschiedenen beruflichen, familiären und privaten Verpflichtungen im Tagesablauf bzw. Wochenrhythmus besser vereinbaren und aufeinander abstimmen zu können. So kann die Berufstätigkeit hier z.B. mit Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulbesuchen, eigenen Betreuungszeiten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige besser aufeinander abgestimmt und ggf. zeitlich flexibel angepasst werden. Dies entspricht auch den Wünschen von Beschäftigten mit kleineren Kindern, die sich häufig eine höhere Flexibilität der Arbeitszeit z.B. durch Job-Sharing-Angebote wünschen. Aber auch für den Arbeitgeber sind Angebote zur Arbeitsplatzteilung vorteilhaft. Die geteilte Besetzung des Arbeitsplatzes ermöglicht Synergieeffekte zwischen den Sharing- Partnern, bessere Möglichkeiten der gegenseitigen Vertretung bei Ausfallzeiten (sofern vertraglich vereinbart) sowie eine höhere Kapazität bei hohem Arbeitsanfall. Darüber hinaus gewinnt das Unternehmen das Wissen und die Kompetenz zweier Mitarbeiter. Scheidet ein Job-Sharing-Partner aus dem Arbeitsverhältnis aus, bleibt der Arbeitsplatz immer noch mit dem anderen Partner besetzt bzw. kann über eine Änderungskündigung für den anderen Partner und das Unternehmen schnell besetzt werden. Mögliche Nachteile von Job-Sharing-Angeboten für den Arbeitgeber können in dem höheren Informations- und Kommunikationsaufwand sowie in der Notwendigkeit einer positiven zwischenmenschlichen Beziehung zwischen den Job-Sharing-Partnern bestehen. Auch die Wiederbesetzung eines freigewordenen Job-Sharing-Arbeitsplatzes kann schwierig sein. Zusätzlich sind Job-Sharing-Angebote mit einem höheren Personalaufwand und höheren Personalkosten verbunden. Praxisbeispiel: Job-Sharing bei der Fraport AG Bei dem Flughafenbetreiber Fraport AG wird in vielen Aufgabenbereichen im 24-Stunden-Schichtbetrieb gearbeitet. Trotzdem bestehen seit 1987 unterschiedliche flexible Arbeitszeitmodelle für die Mitarbeiter. Neben Teilzeit, Gleitzeit und Telearbeit bietet das Unternehmen auch Job-Sharing-Modelle, Wunschdienstpläne und eine Arbeitszeit-Tauschbörse an. Bei den Job Sharing- Angeboten teilen sich i.d.R. zwei Mitarbeiter eine Vollzeitstelle, wobei der Arbeitsablauf und Informationsaustausch über sog. Aufgabenlisten sichergestellt wird, in denen die jeweiligen Bearbeiter ihre bearbeiteten bzw. noch zu bearbeitenden Aufgaben dokumentieren. Auch im Schichtbetrieb ist Job-Sharing bei der Fraport AG möglich. Insgesamt können Mitarbeiter zwischen 50% bis 80% in Teilzeit arbeiten. Mit diesen Teilzeitangeboten spricht die Fraport AG auch explizit ihre Führungskräfte an, um sie insbesondere in der Phase der Familiengründung im Unternehmen zu halten, aber auch um für die jüngeren sehr gut qualifizierten Mitarbeiter und Führungskräfte ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Insgesamt legt das Unternehmen bei den Teilzeitangeboten Wert auf individuell angepasste Lösungen, um den Bedürfnissen der Mitarbeiter und den jeweiligen betrieblichen Anforderungen gerecht zu werden. Quelle: http: / / www.erfolgsfaktor-familie.de/ default.asp? id=524&olfid=13, Abruf: 30.11.2012 Praxisbeispiel 14: Job-Sharing bei der Fraport AG <?page no="235"?> 236 12 Nachhaltiger Personaleinsatz 12.6.3.3 Gleitende Arbeitszeit Die gleitende Arbeitszeit gehört zu den frühen Instrumenten der Arbeitszeitflexibilisierung, die bereits in den 1960 Jahren in Deutschland eingesetzt wurde (vgl. Thiele, 2009, S. 76). Hierbei können Mitarbeiter individuell den Beginn und das Ende ihrer täglichen Arbeitszeit innerhalb einer festgelegten Gleitzeit selbst bestimmen. Neben der Grundstruktur gibt es in der Praxis verschiedene Modelle zur gleitenden Arbeitszeit, die hier aber nicht im Detail vorgestellt werden (vgl. bei Interesse Kirschten 2014, S. 211 ff.). Die Grundstruktur des Instruments der gleitenden Arbeitszeit umfasst folgende Bestandteile: Meist besteht eine Kernarbeitszeit (z.B. 9.00 h bis 15.00 h), in der der Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz anwesend sein muss. Zusätzlich determiniert die Personalmindestbesetzungsstärke sowie ggf. vorgegebenen tägliche Arbeitszeiten (z.B. 6 h) die individuelle Gestaltung der eigenen täglichen Arbeitszeit (vgl. Jung 2008, S. 229). Unter diesen Vorgaben kann der Mitarbeiter Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit jedoch selbst bestimmen. Je nach festgesetzter Rahmenarbeitszeit (z.B. 40 h pro Woche) werden die tatsächlich geleisteten Überstunden oder Minusstunden, die sich aus der täglich individuell realisierten Arbeitszeit des Mitarbeiters im Abgleich mit seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit ergeben, dokumentiert und je nach vereinbarter Abrechnungsperiode wöchentlich, monatlich oder jährlich ausgeglichen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 179). Besteht ein hoher Arbeitsanfall im Unternehmen, kann der Mitarbeiter entsprechende Überstunden leisten, die er z.B. in Zeiten mit geringerem Arbeitsanfall durch Freizeit oder Urlaub wieder abbauen kann. Diese Flexibilität kommt sowohl dem Unternehmen zu Gute, weil so zeitlich begrenzte hohe Arbeitsvolumina mit entsprechendem Überstundenaufbau flexibel abgearbeitet werden können und andererseits der Mitarbeiter die Möglichkeit hat, sein tägliches Arbeitspensum an weitere Verpflichtungen oder Wünsche anderer Lebensbereiche flexibel anzupassen. Besonders gut eignet sich die Gleitzeitarbeit für Unternehmens- oder Organisationsbereiche, in denen keine konkreten Produktions-, Service- oder Kundenöffnungszeiten eingehalten werden müssen. Wie die auf dem Arbeitszeitkonto festgehaltenen Zeitguthaben oder Zeitschulden verrechnet werden (z.B. als Freizeitausgleich, Urlaub etc.), wird meist in Betriebsvereinbarungen festgelegt. In der Praxis weit verbreitet sind Modelle, bei denen ca. 10 Arbeitsstunden pro Monat angesammelt bzw. weniger gearbeitet werden darf (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 52). Vorteile der gleitenden Arbeitszeit bestehen für den Mitarbeiter darin, dass er seine tägliche Arbeitszeit individuell und flexibler mit den zeitlichen Anforderungen anderer Lebensbereiche (z.B. mit Öffnungszeiten für Kinderbetreuung, Schule oder Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger und mit sonstigen privaten zeitlichen Verpflichtungen oder Interessen) abstimmen kann. Darüber hinaus kann die Arbeitszeit an den eigenen Leistungsrhythmus angepasst werden, was die Arbeitseffizienz erhöht. Auch können zeitlich längere Arbeitswege zum oder vom Arbeitsplatz z.B. aufgrund von Berufsverkehr und Staus durch die Flexibilität des Arbeitsbeginns und -endes vermieden bzw. reduziert werden. Für den Arbeitgeber ist die Einrichtung von Arbeitsplätzen mit gleitender Arbeitszeit mit folgenden Auswirkungen verbunden: Die Arbeitszeit kann besser an schwankende Arbeitsanfälle (z.B. aufgrund von unterschiedlichen Auftragseingängen oder Saisonprodukten) angepasst werden. In Absprache mit den Mitarbeitern lassen sich <?page no="236"?> 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit 237 längere Öffnungs- oder Servicezeiten des Unternehmens realisieren, wodurch die Dienstleistungsorientierung des Unternehmens gesteigert wird. Auch können Kurzfehlzeiten (aufgrund von Arztbesuchen oder Behördengängen) durch die höheren zeitlichen Gestaltungsspielräume der Mitarbeiter reduziert werden. Gleitzeitregelungen erfordern zwar einen zusätzlichen Planungs- und Organisationsaufwand sowie auch zusätzliche Kosten für die Einführung und den Betrieb der Gleitzeit, steigern jedoch erheblich die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter aufgrund erhöhter eigener Gestaltungsspielräume. Der Gefahr eines bewussten Zeitdenkens und Ansparens an Guthabenstunden (für freie Tage) kann durch entsprechende Regelungen bzw. Vorgaben begegnet werden (vgl. Klimpel/ Schütte, 2006, S. 55). 12.6.3.4 Kapazitätsorientierte Arbeitszeit Die kapazitätsorientierte Arbeitszeit (Kapovaz) ist eine flexible Arbeitszeit auf Abruf je nach Arbeitsanfall (vgl. Hamm 2001, S. 152 ff.). Hierbei bestimmt der Arbeitgeber, wann der Mitarbeiter seine monatlich oder jährlich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen hat (§ 12 TzBfG). Um eine gewisse Planbarkeit für den Mitarbeiter zu gewährleisten, muss der Abruf des Mitarbeiters mindestens vier Tage im Voraus erfolgen, ansonsten besteht keine Arbeitspflicht (§ 12 TzBfGII; § BeschFG). Sofern keine besonderen Vereinbarungen über die tägliche Dauer der Arbeitszeit bestehen, muss die Dauer pro Abruf mindestens drei Stunden betragen (vgl. Hamm 2001, S. 153). Um dem Mitarbeiter trotz der hohen Variabilität seiner Arbeitszeit ein kalkulierbares Einkommen zu ermöglichen, muss sich die Entgeltgestaltung an einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit orientierten (vgl. Hamm 2001, S. 153; Kimpel/ Schütte 2006, S. 66). Für den Arbeitgeber ist die flexible Arbeitszeit auf Abruf insbesondere bei schwankenden konjunkturellen oder saisonalen Auftragslagen sowie bei umfangreicherer Projektarbeit vorteilhaft. So wird die Kapovaz häufig eingesetzt im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Einzelhandel, in der Bauindustrie oder in der Landwirtschaft. Auch lassen sich hierbei Überstundenzuschläge einsparen (vgl. Kimpel/ Schütte 2006, S. 66). Für die Mitarbeiter bedeutet die Kapovaz eine große Abhängigkeit vom Arbeitgeber, der über den Abruf, die Dauer und die Lage der Arbeitszeiten entscheidet. Die vom Arbeitgeber geforderte hohe Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeiten lässt sich häufig schlecht mit der Erfüllung anderer Anforderungen des Privatlebens (wie z.B. Kinderbetreuung) vereinbaren und erlaubt oft auch nur eine sehr eingeschränkte Planbarkeit des Privatlebens. Daher ist die Kapovaz als Instrument zur Verbesserung der Work-Life-Balance wenig geeignet, wird hier jedoch der Vollständigkeit halber als flexibles Arbeitszeitmodell mit aufgeführt. 12.6.3.5 Vertrauensarbeitszeit Bei der Vertrauensarbeitszeit ist die Dauer der Arbeitszeit (incl. täglichen Höchstarbeitszeiten, Pausen und Ruhezeiten) vertraglich festgelegt, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit sind nicht fest vorgegeben (vgl. Hoff 2002, S. 15). Auf eine elektronische oder manuelle Erfassung der Arbeitszeit wird hier gänzlich verzichtet. Im Vordergrund steht das Arbeitsergebnis des Mitarbeiters, das z.B. über Zielvereinbarungen festgelegt wird, und nicht die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, wie bei anderen Arbeitszeitmodellen. Dahinter steht die Idee, dass nicht die Ableistung einer <?page no="237"?> 238 12 Nachhaltiger Personaleinsatz bestimmten Anzahl an Arbeitsstunden wichtig ist, sondern die effiziente und termingerechte Aufgabenerfüllung (vgl. Neuwald/ Thomas 2005, S. 211 ff.). Statt Kontrolle wird hier auf Vertrauen gesetzt (vgl. Kimpel/ Schütte 2006, S. 67). Für nachhaltige Unternehmen eignet sich die Vertrauensarbeitszeit gut, weil sie die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter für ihre Arbeitsergebnisse stärkt und damit die Eigenverantwortlichkeit, aber auch die Ergebnisorientierung der Arbeit stärkt. So besteht die Besonderheit der Vertrauensarbeitszeit in der Eigenverantwortlichkeit des Mitarbeiters für seinen Arbeitszeitausgleich sowie für seine Arbeitsleistungen und Arbeitsergebnisse. Voraussetzungen für eine Vertrauensarbeitszeit sind jedoch entsprechende personelle Aufgabenbereiche, die zeitliche Freiräume ermöglichen, das Vorhandensein einer Vertrauenskultur im Unternehmen sowie die Bereitschaft des Mitarbeiters, für die Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben selbst die Verantwortung zu übernehmen (vgl. Kimpel/ Schütte 2006, S. 67; Stopp/ Kirschten 2012, S. 181). Für die Mitarbeiter bietet die Vertrauensarbeitszeit sehr große Gestaltungsspielräume im Hinblick auf die Erbringung der vertraglich festgelegten Arbeitszeiten und -aufgaben und ermöglicht so eine hohe Flexibilität und Vereinbarkeit der Arbeit mit den Anforderungen anderer Lebensbereiche. Die Unternehmen gewinnen durch die Vertrauensarbeitszeit i.d.R. hoch motivierte Mitarbeiter, die sich mit ihrer Arbeit identifizieren und stark leistungsbereit sind. Zusätzlich können die Kosten der wegfallenden Arbeitszeitkontrolle eingespart werden. Kritikwürdig ist die Vertrauensarbeitszeit insofern, als ein hohes Arbeitsaufkommen, hoher Leistungsdruck oder auch die eigene Karriereorientierung häufig dazu führt, dass Mitarbeiter freiwillig mehr arbeiten, als vertraglich vereinbart ist und ihnen gut tut. Hierdurch erhöht sich die Gefahr einer dauerhaften Überlastung der Mitarbeiter mit gesundheitlichen und leistungsmindernden Auswirkungen. So sind bei der Vertrauensarbeitszeit insbesondere die Führungskräfte gefordert, ihre Mitarbeiter vor einer längerfristigen Arbeitsüberlastung zu schützen und ausreichende Personalkapazitäten sicherzustellen (vgl. Kimpel/ Schütte 2006, S. 68). 12.6.3.6 Arbeitszeitkonten Im Rahmen der Arbeitszeitflexibilisierung bilden Arbeitszeitkonten ein zentrales Steuerungsinstrument. Sie dienen der Erfassung der Arbeitszeit, indem sie die Abweichungen zwischen der vertraglich vereinbarten und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit für einen bestimmten Abrechnungszeitraum dokumentieren und entsprechend Arbeitszeitguthaben oder Arbeitszeitschulden ausweisen. Darüber hinaus spiegeln die Arbeitszeitkonten das individuelle Arbeitszeitverhalten sowie die Auslastung der Beschäftigten. Arbeitszeitkonten sind die Grundvoraussetzung, um flexible Arbeitszeitmodelle (wie z.B. Gleitzeitmodelle, Sabbatical) umsetzen zu können, da erst sie eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit ermöglichen. In der Praxis existieren unterschiedlich Modelle von Arbeitszeitkonten. Je nachdem, ob der Ausgleich der Zeitsalden monatlich, jährlich oder auf die Lebensarbeitszeit bezogen erfolgt, lassen sich Kurzzeitarbeitszeitkonten, Jahresarbeitszeitkonten und Langzeitarbeitszeitkonten unterscheiden (vgl. Thiele 2009). Bei Kurzzeitarbeitszeitkonten werden die Arbeitszeitsalden monatlich oder jährlich ausgeglichen. Ein monatlicher oder unterjähriger Ausgleich der Arbeitszeitsalden eignet sich gut für die Gleitzeit, wohingegen ein jährlicher Ausgleich der tatsächlich geleisteten mit der vertrag- <?page no="238"?> 12.6 Gestaltung der Arbeitszeit 239 lich vereinbarten Arbeitszeit häufig bei Teilzeitbeschäftigungen erfolgt (vgl Thiele 2009, S. 77). Bei Jahresarbeitszeitkonten wird eine bestimmte Arbeitszeit pro Jahr vereinbart, wobei sich die konkreten Arbeitszeiten an dem Arbeitsanfall des Unternehmens aber auch an den Bedürfnissen des Mitarbeiters orientieren (vgl. Fauth-Herkner 2001 S. 7). Dies ermöglicht den Mitarbeitern eine große Flexibilität sowie einen hohen Gestaltungsspielraum bei der Festlegung ihrer Arbeitszeiten und damit auch einen erheblichen Handlungsspielraum zur Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit Anforderungen anderer Lebensbereiche. So können z.B. Beschäftigte mit schulpflichtigen Kindern während der Schulferien weniger oder gar nicht arbeiten und dafür außerhalb der Schulferien z.B. Vollzeit arbeiten (vgl. Thiele 2009, S. 77). Auf Langzeitkonten oder Lebensarbeitszeitkonten können Mitarbeiter Arbeitszeitguthaben langfristig ansparen. Zusätzlich zu einem Kurzzeitkonto oder Jahresarbeitszeitkonto wird hier ein Langzeitkonto eingerichtet, auf dem eine zusätzlich vereinbarte Stundenanzahl gutgeschrieben wird, die ein Mitarbeiter als Arbeitszeitguthaben erarbeitet und nicht über Freizeit ausgleicht. So können schwankende Arbeitsanfälle im Unternehmen berücksichtigt und abgearbeitet werden, die über die vereinbarte Jahresarbeitszeit hinausgehen, gleichzeitig ermöglichen Langzeitkonten bzw. Lebensarbeitszeitkonten den Mitarbeitern eine flexible Anpassung ihrer Arbeitszeit in unterschiedlichen Lebensphasen. So können Mitarbeiter beispielsweise in frühen Karrierephasen, in denen sie viel arbeiten, deutliche Arbeitszeitguthaben auf ihren Langzeitkonten ansparen, die in späteren Lebens- und Karrierephasen, z.B. nach einer Familiengründung für die Betreuung der Kinder, für eine Weiterbildung, ein Sabbatical, die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder am Ende des Berufslebens für einen gleitenden Übergang in den Ruhestand bei gleichbleibendem Gehalt genutzt werden können (vgl. Thiele 2009, S. 77; Nicolai 2006, S. 168 f.; Fauth-Herkner 2001, S. 8). 12.6.3.7 Sabbatical Begrifflich stammt Sabbatical aus dem Alten Testament und steht für das siebente Jahr im Ackerbau, in dem der Acker nicht bewirtschaftet wird, damit der Boden sich regenerieren kann, um später wieder eine gute Ernte zu erbringen (vgl. Kimpel/ Schütte 2006, S. 58; Necati 2004, S. 1; Schaaf 2013). Das Personalmanagement hat den Begriff Sabbatical für ein Arbeitszeitmodell übernommen, das einem Mitarbeiter ermöglicht, für einen längeren Zeitraum als den „normalen“ Urlaub seine berufliche Tätigkeit bzw. ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis ruhen zu lassen und sich eine berufliche Auszeit zu gönnen, um anschließend erholt, motiviert und leistungsbereit die eigene Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Während dieses Langzeiturlaubs, der einige Monate bis zu einem Jahr dauern kann, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen, sodass der Mitarbeiter nach dem Sabbatical wieder seine Tätigkeit im Unternehmen aufnehmen kann. Wofür der Mitarbeiter die berufliche Auszeit nutzt, kann er selbst bestimmen. Mögliche Motive für ein Sabbatical sind z.B. die Erfüllung privater Wünsche (z.B. eine Weltreise unternehmen, Zeit für die Familie haben), sich weiterzubilden (z.B. durch ein Studium), in Zeiten der Familiengründung mehr Zeit für die eigene Familie und die Kinder zu haben, eine ehrenamtliche Tätigkeit für mehrere Monate zu übernehmen, pflegebedürftige Angehörige zu betreuen oder einfach eine Auszeit von der Berufstätigkeit zu nehmen. Häufig wünschen sich Mitarbeiter ein Sabbatical, um sich von einer physisch und psychisch anstrengenden Berufstätigkeit zu erholen oder auch um dem „Arbeitstrott“ für eine Weile zu entfliehen. Ziel dieses Langzeiturlaubs ist es, dass <?page no="239"?> 240 12 Nachhaltiger Personaleinsatz sich der Mitarbeiter von seiner beruflichen Beanspruchung erholen kann und nach einigen Monaten wieder regeneriert, motiviert und leistungsbereit in seine Berufstätigkeit zurückkehrt. Insofern ist das Sabbatical auch als Präventionsmaßnahme zum Erhalt der physischen und psychischen Gesundheit der Mitarbeiter zu verstehen und für nachhaltige Unternehmen ein interessantes Arbeitszeitmodell. Ein Sabbatical bedarf einer längerfristigen Anmeldung bei und Vorbereitung durch den Arbeitgeber, der ja für die Dauer des Langzeiturlaubs eine Vertretung für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben planen und beschaffen muss. Für die konkrete Ausgestaltung eines Sabbaticals gibt es verschiedene Modelle bzw. Möglichkeiten, aber auch Restriktionen z.B. im Hinblick auf die Betriebszugehörigkeit, die Unternehmensgröße aber auch die Unternehmenskultur (vgl. Kimpel/ Schütte 2006, S. 59). Grundsätzlich lassen sich zwei Varianten zum Ansparen der Arbeitszeit für ein Sabbatical unterscheiden: Entweder sammelt der Mitarbeiter auf einem Arbeitszeitkonto über mehrere Jahre Guthabenstunden durch Mehrarbeit im Vergleich zu seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, was ihm eine Gehaltsfortzahlung während des Sabbaticals ermöglicht (vgl. Marsula 2004, S. 1). Oder der Mitarbeiter arbeitet über einen längeren Zeitraum Vollzeit, bekommt aber nur einen Teil (z.B. 50% oder 75% des Vollzeitentgelts) seines Entgelts ausgezahlt, wobei der nicht ausgezahlte Teil des Entgelts auf einem Arbeitszeitkonto bzw. Gehaltskonto angespart und während des späteren Sabbaticals ausgezahlt wird (vgl. Prognos 2005, S. 13). Als dritte Möglichkeit kann auf das Ansparen von Entgeltguthaben gänzlich verzichtet werden, wobei der Mitarbeiter dann auch während seines Sabbaticals kein Gehalt bezieht und sich anderweitig finanzieren muss. Für die Mitarbeiter ist ein Sabbatical vorteilhaft, weil es eine sonst kaum realisierbare mehrmonatige berufliche Auszeit ermöglicht, um sich von beruflichen Belastungen zu erholen und sich andere private Wünsche oder Anforderungen erfüllen zu können. Da das Beschäftigungsverhältnis bestehen bleibt, kann der Mitarbeiter nach dem Langzeiturlaub erholt, motiviert und leistungsbereit wieder in seine Berufstätigkeit zurückkehren („Auszeit mit -zurück-Garantie“ vgl. Peplinski 2007, S. 250). Die unterschiedlichen Ansparmodelle ermöglichen dabei die Finanzierung bzw. Existenzsicherung des Mitarbeiters während der Auszeit. Die Unternehmen müssen Sabbatical-Wünsche ihrer Mitarbeiter zwar längerfristig planen und Vertretungen organisieren, sie beugen damit aber möglichen beruflichen Überlastungen mit psychischen und physischen Krankheitsfolgen vor, fördern die Motivation und Bindung der Mitarbeiter und gewinnen nach dem Sabbatical wieder hoch motivierte, leistungsstarke und ggf. sogar weiterqualifizierte Mitarbeiter zurück (vgl. Jäger 2006, S. 58). Auch das Arbeitgeberimage gewinnt durch derartige Angebote für potenzielle Mitarbeiter. 12.7 Motivation und Gestaltung der Anreizsysteme Was bewegt Menschen dazu, eine gute Arbeit zu leisten? Und welche Faktoren beeinflussen diese Arbeitsleistung? Diese Fragen liegen der Gestaltung von betrieblichen Anreizsystemen zugrunde. Mit betrieblichen Anreizsystemen sollen die vielfältigen Bedürfnisse der Mitarbeiter befriedigt und dadurch auch ihre Motivation und Leistungsbereitschaft gefördert werden. Doch was ist Motivation eigentlich? <?page no="240"?> 12.7 Motivation und Gestaltung der Anreizsysteme 241 Menschen haben viele Bedürfnisse, die sie befriedigen möchten. Dazu gehören u.a. Grundbedürfnisse wie Hunger, soziale Bedürfnisse wie z.B. Anerkennung oder Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, müssen sich Menschen verhalten und handeln. Möchte jemand ein bestimmtes Bedürfnis befriedigen, z.B. seinen Hunger stillen, so ergibt sich daraus eine Verhaltensbereitschaft (zu essen), die als Motiv bezeichnet wird (vgl. Rosenstiel 2003, S. 197). Sieht diese Person nun ein leckeres Schnitzel, so ist dies der Anreiz, sich das Schnitzel zu kaufen und zu essen (tatsächliches Verhalten), um ihren Hunger zu stillen. Alle Motive zusammen bilden die Motivation einer Person. Damit umfasst Motivation alle Antriebe, die menschliches Verhalten auslösen und lenken; sie ist eine aktive Verhaltensbereitschaft, um bestimmte Ziele zu erreichen (vgl. Hentze et al. 2005, S. 104 f.). Motive sind demgegenüber einzelne Verhaltensbereitschaften zur Befriedigung eines konkreten Bedürfnisses und damit die Antriebe für zielgerichtetes Verhalten. Motive werden in der Kindheit durch die soziale Umgebung geprägt, können sich jedoch während der späteren persönlichen Entwicklung weiterentwickeln und verändern (vgl. Comelli/ Rosenstiel 2009, S. 20). Motive sind latent immer vorhanden und werden durch bestimmte Reize aktiviert, um bestimmte Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen (vgl. Rosenstiel 2003 S. 197 f.). Rosenstiel hat die Zusammenhänge zwischen Motiven und Verhalten in Organisationen in dem „Modell des motivierten Verhaltens in der Organisation“ dargestellt, das in Abbildung 83 zu sehen ist. Abbildung 83: Modell des motivierten Verhaltens in der Organisation (Rosenstiel 2003, S. 199; Comelli/ Rosenstiel 2009, S. 45) In dem Modell werden die Motivation einer Person sowie die situativen Einflüsse der Organisation abgebildet. Angenommen wird ein Mitarbeiter als Person mit all ihren latenten Motiven, d.h. mit ihrer überdauernden Motivstruktur (1). Demgegenüber stehen die Gegebenheiten der Organisation (2), z.B. Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Arbeitsinhalte, Gehalt, Karrieremöglichkeiten etc., die von dem Mitarbeiter individuell wahrgenommen werden. Die Gegebenheiten der Organisation, die die Bedürfnisse und Motive des Mitarbeiters ansprechen, werden für ihn zum Anreiz, um seine Bedürfnisse zu befriedigen (3). Daraus entsteht die Aktivierung bestimmter <?page no="241"?> 242 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Motive (4). Bietet die Organisation z.B. interessante Karriereperspektiven, die dem Bedürfnis des Mitarbeiters nach persönlicher Entwicklung entsprechen, so aktiviert dies seinen bisherigen latenten Ehrgeiz, Karriere zu machen. Daraus entwickelt der Mitarbeiter bestimmte Überlegungen und Erwartungen, mit welchem Verhalten er am besten seine berufliche Entwicklung vorantreiben könnte (5). Diese werden beeinflusst von seinen Erfahrungen über frühere Motivbefriedigungen (10). Der Mitarbeiter entwickelt also Handlungsabsichten bzw. Verhaltensintensionen, von denen er annimmt, dass er damit sein Karriereziel erreichen kann (6). Die Verhaltensintensionen werden dann in tatsächliches Verhalten umgesetzt (7). Beispielsweise steigert der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung deutlich und übernimmt auch zusätzliche Aufgaben. Ob diese Leistungssteigerung als Ergebnis des Verhaltens (8) allerdings zur Zielerreichung und Befriedigung des Bedürfnisses „Ehrgeiz“ und des Motivs „Karriere machen“ führt, hängt von der Belohnung bzw. Bestrafung seines Verhaltens ab (9). D.h. davon, ob der Vorgesetztes des Mitarbeiters seine Leistungssteigerung auch belohnt, z.B. im Angebot einer neuen anspruchsvolleren Stelle und der Mitarbeiter damit sein Bedürfnis befriedigen kann und zufrieden ist. Oder ob der Vorgesetzte die Leistungssteigerung ignoriert oder gar negativ bewertet und ihn damit bestraft, was zur ausbleibenden Bedürfnisbefriedigung und damit zur Unzufriedenheit des Mitarbeiters führt (10). Je nachdem, ob die erreichten Endzustände durch das Verhalten als befriedigend oder unbefriedigend erlebt werden, beeinflussen diese Erfahrungen die zukünftige Motivgestaltung und die Motivstruktur des Mitarbeiters (1). Zwei Aspekte spielen beim motivierten Handeln eine Rolle: das Erreichen des Ziels (Bedürfnisbefriedigung) und der Weg zum Ziel (vgl. Rosenstiel 2003, S. 198 f.). 12.7.1 Motivklassifikationen In der Literatur werden Motive unterschiedlich klassifiziert. Beispielsweise unterscheiden Kuhl (2001) und Scheffler (2004) neben grundlegenden physiologischen Bedürfnissen drei psychische Basismotive: Leistung als erfolgreiches Handeln, Macht, um Einfluss auszuüben und Anschluss, um Freunde zu finden und geliebt zu werden (vgl. Weinert 2004, S. 187). Reiss unterscheidet dagegen 15 verschiedene Motive: Essen, Familie, Ehre, Sex, Macht, Ordnung, Rache, Status, Unabhängigkeit, Sammeln, Neugier, Idealismus, körperliche Aktivität, Anerkennung und Beziehungen (vgl. Reiss 2000). Und Hogan et al. unterscheiden drei Metamotive im Leben: Erstens Akzeptanz und Anerkennung, zweitens Status, Macht und Kontrolle über Ressourcen und drittens Vorhersagbarkeit und Ordnung (vgl. Weinert 2004, S. 187 f.). Eine andere Unterscheidung besteht in intrinsischen und extrinsischen Motiven. Intrinsische Motive sind Antriebe, die in der Person selbst liegen und die durch eigenes Verhalten befriedigt werden, wie z.B. das Motiv der Selbstverwirklichung, das z.B. durch das Malen eines Bildes oder eine Pilgerreise befriedigt werden kann. Extrinsische Motive sind Antriebe oder Anreize, die von außen auf die Person wirken. Beispielsweise ist das Geldverdienen, bzw. das monatlich Gehalt, das eine Person für eine Erwerbstätigkeit bei einem Arbeitgeber erhält, ein extrinsisches Motiv zu arbeiten. Hier erfolgt die Befriedigung des Bedürfnisses durch die Folgen (Gehalt) des Verhaltens (Arbeit), d.h. die Tätigkeit wird vergütet. 12.7.2 Motivationstheorien Mit der Erklärung des menschlichen Arbeitsverhaltens beschäftigen sich die Motivationstheorien, die in Inhaltstheorien und Prozesstheorien unterschieden werden kön- <?page no="242"?> 12.7 Motivation und Gestaltung der Anreizsysteme 243 nen (Campbell/ Dunnette/ Weick 1970). Die Inhaltstheorien untersuchen, welche Motive Verhalten bewirken, d.h. hier interessieren konkrete Motivinhalte und ihre Bedeutung sowie die Unterscheidung verschiedener Motive bzw. Bedürfnisgruppen. Demgegenüber beschäftigen sich die Prozesstheorien damit, wie Motivation und Verhalten ausgelöst werden, wie sie ablaufen und welche Faktoren den Motivationsprozess beeinflussen. Eine ausführliche Diskussion wesentlicher Inhalts- und Prozesstheorien der Motivation findet sich z.B. bei Berthel/ Becker (2013, S. 52 ff.). Aus der Vielfalt der Motivationstheorien werden wir zwei sehr bekannte Inhaltstheorien kurz betrachten, da sie für die Gestaltung der Anreizsysteme wichtige Informationen liefern: die Bedürfnishierarchie von Maslow und die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg. 12.7.2.1 Bedürfnishierarchie nach Maslow Maslow´s Bedürfnishierarchie gehört zu den bekanntesten und am weitesten verbreiteten Motivationstheorien in der Managementlehre. Die Motivationstheorie von Abraham Harold Maslow (1954; 1977) entstand aus langjährigen klinischen Erfahrungen des Psychologen Maslow mit seinen Patienten, und ursprünglich nicht als Theorie der Arbeitsmotivation. Erst McGregor übertrug die motivationstheoretischen Überlegungen von Maslow auf die Arbeitsmotivation (vgl. McGregor 1960; 1970). Maslow nimmt an, dass jeder Mensch nach der Befriedigung spezifischer Bedürfnisse strebt. Jedes Bedürfnis hat aber nur solange verhaltensbestimmende Kraft, wie es noch nicht vollständig befriedigt ist. Maslow unterscheidet fünf verschiedene Bedürfnisklassen mit einer jeweils unterschiedlichen Wertigkeit, die in der Literatur als Bedürfnispyramide eingegangen ist, obwohl sie nicht von Maslow stammt, sondern als spätere Interpretation gilt. Die Basis der Pyramide bilden die physiologischen Bedürfnisse oder auch Grundbedürfnisse. Dazu gehören z.B. Essen, Trinken, Schlafen, körperliche Unversehrtheit und Sexualität. Übertragen auf die Arbeitswelt strebt der Mensch danach, eine Arbeit auszuüben und damit ein Einkommen zu erzielen, mit dem er seine elementaren Grundbedürfnisse befriedigen kann. Die nächste Hierarchiestufe bilden die Sicherheitsbedürfnisse. Zu ihnen gehören Bedürfnisse nach wirtschaftlicher Sicherheit, Vorsorge, Angstfreiheit und beherrschbare Lebensumstände. In der Arbeitswelt entspricht dies dem Bedürfnis nach einem sicheren Arbeitsplatz. Auf der dritten Hierarchiestufe sind die sozialen Bedürfnisse verortet, wie z.B. zwischenmenschliche Kontakte, Zuwendung, Liebe, Freundschaft, Gruppenzugehörigkeit und Gruppenanerkennung, Kommunikation und Interaktion mit anderen. Übertragen auf die Arbeitswelt entspricht dies dem Bedürfnis nach sozialer Akzeptanz und Integration in der Arbeitsgruppe oder Abteilung. Wertschätzungsbedürfnisse bilden die vierte Stufe der Bedürfnispyramide. Zu ihnen gehören Kompetenz, Achtung, Selbstvertrauen, Unabhängigkeit, Status und Respekt. Sie spiegeln das Bedürfnis nach Anerkennung durch sich selbst und durch andere. Im Berufsleben sind das Bedürfnisse nach einem angemessenen Gehalt, nach Statussymbolen oder nach einer anspruchsvollen und geschätzten Tätigkeit. Die höchste Stufe der Bedürfnispyramide bilden die Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung. Dazu gehört das Streben nach der Ausschöpfung der eigenen Möglichkeiten <?page no="243"?> 244 12 Nachhaltiger Personaleinsatz und nach der Erfüllung der eigenen Wünsche, nach Umsetzung von Kreativität und Gestaltungsspielräumen im eigenen Aufgabenbereich. Die ersten vier Stufen der Bedürfnispyramide werden als Defizitbedürfnisse bezeichnet, weil davon ausgegangen wird, dass diese Bedürfnisse bei entsprechenden Anreizen und geeignetem Verhalten befriedigt werden können. Die Selbstverwirklichung wird als Wachstumsbedürfnis klassifiziert, da es sehr wahrscheinlich nicht vollständig befriedigt werden kann. Abbildung 84: Bedürfnispyramide von Abraham Harold Maslow (vgl. Maslow 1954; 1977) Maslow geht davon aus, dass die höherwertigen Bedürfnisse erst dann verhaltenswirksam werden, wenn die geringer wertigen Bedürfnisse als befriedigt empfunden werden. Allerdings ist hierbei auch die Dynamik der motivationalen Entwicklung zu berücksichtigen (vgl. Abbildung 85). Abbildung 85: Dynamische Bedürfnishierarchie nach Maslow <?page no="244"?> 12.7 Motivation und Gestaltung der Anreizsysteme 245 Auch bleibt anzumerken, dass die hierarchische Bedürfnisbefriedigung (erst die Defizitbedürfnisse, dann die Wachstumsbedürfnisse) nicht für alle Menschen zutreffen muss. So können Menschen sehr wohl schon nach Anerkennung streben, auch wenn ihre Sicherheitsbedürfnisse erst teilweise befriedigt sind. Aus der Bedürfnishierarchie von Maslow können nachhaltige Unternehmen folgende Erkenntnisse ableiten: Zunächst sollte ermittelt werden, welche konkreten Bedürfnisse bei einem Mitarbeiter aktuell dominieren bzw. aktiv sind. Je nachdem, welche Bedürfnisse aktiv sind, sollten nachhaltige Unternehmen geeignete Anreize schaffen, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass Anreize, die auf nicht aktuell aktive Bedürfnisse treffen, sehr wahrscheinlich auch nicht verhaltenswirksam werden. Beispielsweise wird ein Mitarbeiter die Verbesserung der sozialen Beziehungen in der Abteilung kaum wertschätzen, solange seine Sicherheitsbedürfnisse noch kaum befriedigt sind, da er z.B. nur einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag hat. 12.7.2.2 Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg Als zweite Inhaltstheorie betrachten wir die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg (Herzberg et al. 1959). Herzberg hat einen Erklärungsansatz für die Arbeitszufriedenheit entwickelt. Seine Erkenntnisse basieren auf einer empirischen Untersuchung von 200 Ingenieuren und Buchhaltern, die nach Faktoren befragt wurden, die im Arbeitsprozess Unzufriedenheit und Zufriedenheit auslösen. Ein wichtiges Untersuchungsergebnis war, dass häufig verschiedene Ursachen für besonders angenehme bzw. besonders unangenehme Erlebnisse von den Befragten genannt wurden. Herzberg interpretierte diese Ergebnisse dahingehend, dass die Arbeitszufriedenheit und die Arbeitsunzufriedenheit anscheinend zwei unabhängige Dimensionen darstellen, an deren Gegenpolen jeweils Motivationsneutralität besteht. Diese beiden Dimensionen sind durch zwei unterschiedliche Faktoren bzw. Ursachen geprägt: durch Hygienefaktoren und durch Motivatoren. Hygienefaktoren sind Faktoren, die Arbeitsunzufriedenheit verhindern können. Verschlechtern sich die Hygienefaktoren, so steigt die Unzufriedenheit. Als Hygienefaktoren identifizierte Herzberg z.B. Status und Ansehen, Bezahlung, interpersonelle Beziehungen zu Kollegen oder Vorgesetzen, Unternehmenspolitik, physische Arbeitsplatzbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit. Die Hygienefaktoren werden durch äußere Bedingungen des Arbeitsumfeldes bestimmt und daher auch als extrinsische Faktoren bezeichnet. Sie werden als normal und selbstverständlich erlebt. Daher kann eine Verbesserung der Hygienefaktoren Unzufriedenheit verhindern, aber noch keine Zufriedenheit erzeugen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Entgelt. Ein angemessenes Entgelt wird heute als selbstverständlich angesehen und wirkt daher meist nur als Hygienefaktor. Eine zusätzliche Motivationswirkung bzw. Zufriedenheitssteigerung ergibt sich allenfalls nur kurzfristig (vgl. Herzberg 1976). Erst Motivatoren können Arbeitszufriedenheit erzeugen. Um die Arbeitszufriedenheit zu steigern, sind z.B. Anerkennung der Arbeit, Leistungserfolg, Verantwortung, Entfaltungsmöglichkeiten oder Aufstiegschancen wichtige Motivatoren. Fehlen sie, so werden die Mitarbeiter nicht unzufrieden. Werden sie jedoch eingesetzt, können sie die Arbeitszufriedenheit erheblich steigern und werden daher auch als Satisfaktoren bezeichnet. Da sie die Bedürfnisse repräsentieren, die in der Arbeit selbst begründet sind, werden sie auch intrinsische Faktoren genannt (vgl. Herzberg 1976). <?page no="245"?> 246 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Abbildung 86: Arbeitsfaktoren nach Herzberg (1976, S. 96) Die Hygienefaktoren können als Grundbedürfnisse interpretiert werden, die den Arbeitnehmer in seiner Arbeitsumwelt gesund erhalten. Die Motivatoren spiegeln arbeitsbezogene höherwertige Bedürfnisse, z.B. nach einer verantwortungsvollen und sinnvollen Tätigkeit. Hier gibt es eine Parallele zur Bedürfnispyramide von Maslow. Die Hygienefaktoren entsprechen den drei unteren Bedürfnisklassen von Maslow, während die Motivatoren den beiden oberen Bedürfnisklassen ähneln (Hentze et al. 2005, S. 116). Herzbergs Untersuchungen führten u.a. zu zwei wichtigen Erkenntnissen: Erstens lassen sich nicht alle Faktoren eindeutig einer Gruppe zuordnen, da sie zum Teil nicht eindeutig isoliert werden können. So können auch Hygienefaktoren motivierend wirken. Zum Beispiel können die Arbeitsbedingungen sowohl ein Hygienefaktor sein als auch ein Motivationsfaktor, da z.B. die Übernahme befristet beschäftigter Mitarbeiter in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis durchaus für den betroffenen Mitarbeiter ein Motivator für Leistungssteigerungen sein kann. Zweitens belegt Herzbergs Theorie, dass vor allem Arbeitsinhalte und die Gestaltung von Arbeit wichtig für die Motivation der Mitarbeiter sind. Das sollten auch nachhaltige Unternehmen bei der Anreizgestaltung beachten. <?page no="246"?> 12.7 Motivation und Gestaltung der Anreizsysteme 247 12.7.3 Anreizsysteme Ein betriebliches Anreizsystem ist die Gesamtheit aller bewusst gestalteten Arbeitsbedingungen, die ein Unternehmen einsetzt, um die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu befriedigen und dadurch ihre Handlungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zu steuern und zu steigern mit dem Ziel, die eigenen Unternehmensziele zu erreichen. Die Verhaltenssteuerung der Mitarbeiter ist also ein wesentliches Ziel betrieblicher Anreizsysteme. Aber auch die Leistungsbereitschaft und das Leistungsverhalten der Mitarbeiter soll positiv beeinflusst werden. Zu den wesentlichen Funktionen der Anreizsysteme zählen die Aktivierungs-, die Steuerungs-, die Informationsaber auch die Veränderungsfunktion (vgl. Becker 2002, S. 18). Dabei begründet sich der Einsatz von betrieblichen Anreizsystemen zur Steuerung zielgerichteten Handelns der Mitarbeiter u.a. auf der Theorie des organisationalen Gleichgewichts (Anreiz-Beitrags-Theorie) (vgl. March/ Simon, 1958; 1976, S. 81 f.). Anreizsysteme sollten bestimmte Anforderungen erfüllen: Sie sollten von den Mitarbeitern als gerecht empfunden werden, sie sollten unternehmensintern und -extern transparent und nachvollziehbar sein, sie sollten flexibel sein, um sich auch relativ schnell auf veränderte Anforderungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter anpassen zu können, sie sollten anforderungsgerecht und qualifikationsgerecht sein, die Leistungsorientierung und die Motivation fördern, zusätzlich aber auch individuelle Besonderheiten und Bedürfnisse berücksichtigen können und sich in die Unternehmensstrukturen und -abläufe gut integrieren lassen (vgl. Bullinger 1996, S. 213 f.; Lindert 2001, S. 144; Barmbichler 2014, S. 14; Schanz 1991, S. 22 ff.). Anreize werden in der Literatur unterschiedlich systematisiert. Schanz beispielsweise klassifiziert Anreize in drei Dimensionen: nach dem Anreizobjekt, der Anzahl der Anreizempfänger und der Anreizquelle (vgl. Schanz 1991, S. 22 ff.). Tabelle 25: Klassifizierung von Anreizen nach Schanz (vgl. Schanz 1991, S. 22 ff.) Klassifizierung von Anreizen nach Schanz Anreizobjekt materielle und immaterielle Anreize immaterielle Anreize: 4 Dimensionen: 1. handlungsbezogene immaterielle Anreize: Gestaltung des Arbeitsplatzes, Arbeitsinhalte, Arbeitszeitmodelle 2. entwicklungsbezogene immaterielle Anreize: Karriereperspektiven, Bildungschancen 3. interaktionsbezogene immaterielle Anreize: Führungsstil, Teamarbeit 4. unternehmensbezogene Anreize: Unternehmenskultur, Identifikation mit dem Unternehmen zusätzlich: Familienfreundlichkeit, konstruktives Feedback, verlängerte Kündigungsfristen materielle Anreize: monetäre und nicht-monetäre Anreize Anzahl der Anreizempfänger individuelle, gruppenbezogene, organisationsweite Anreize Bevorzugung individuell spezifischer Anreize zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse <?page no="247"?> 248 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Anreizquelle intrinsische Anreize: Anreize durch die Arbeit selbst, Befriedigung von Bedürfnissen bzw. Motiven, die in der Persönlichkeit selbst begründet sind extrinsische Anreize: Einwirkung von außen auf das Individuum 12.7.3.1 Anreize nach dem Anreizobjekt Hier unterscheiden wir die Anreize nach dem Anreizobjekt in materielle und immaterielle Anreize (vgl. Abbildung 87). Abbildung 87: Materielles und immaterielles Anreizsystem Die materiellen Anreize setzen sich zusammen aus monetären und nicht-monetären Anreizen. Monetäre Anreize umfassen die geldlichen Anreize, die ein Mitarbeiter als Gegenleistung für seine vereinbarte Arbeitsleistung und als zusätzliche Leistungsanreize vom Unternehmen erhält. Dazu gehören die Grundvergütung bzw. das vereinbarte Entgelt, ggf. leistungsorientierte Vergütungsbestandteile, betriebliche Sozialleistungen und ggf. Erfolgs- und Kapitalbeteiligungen am Unternehmen. Die monetären Anreize werden meist zu den Hygienefaktoren nach Herzberg gezählt, da eine angemessene und leistungsorientierte Vergütung sowie betriebliche Sozialleistungen heute von den Mitarbeitern grundsätzlich erwartet werden. Erfolgs- und Kapitalbeteiligungen können die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln und auch die Bindung an ein Unternehmen stärken. Zu den nicht-monetären Anreizen werden Sachleistungen (z.B. vergünstigtes Kantinenessen, kostenfreie nichtalkoholische Getränke am Arbeitsplatz), Konsumvorteile (Personalkauf, Zugang zu vergünstigten Produkten oder Dienstleistungen), Nutzungsgewährungen (z.B. das Angebot betrieblicher Sport-, Freizeit- oder Sozialeinrichtungen, Dienstwagen, Diensthandy), Beratungs-, Bank- und Versicherungsleistungen (z.B. betriebliche Altersversorgung, zinsgünstige Darlehen, Bankdienstleistungen) sowie Zusatzleis- <?page no="248"?> 12.7 Motivation und Gestaltung der Anreizsysteme 249 tungen (z.B. Betriebskindergarten, Übernahme von Dienstleistungen für Mitarbeiter, z.B. Behördengängen, Einkäufe etc.) gezählt, die ein Unternehmen seinen Mitarbeitern anbieten kann (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 261; Holtbrügge 2007, S. 184). Die nicht-monetären Anreize können eine mittelstarke Wirkung im Hinblick auf die Leistungssteigerung der Mitarbeiter erreichen. Je nach Position werden jedoch bestimmte nicht-monetäre Leistungen, wie z.B. ein Diensthandy, Diensttablet oder auch ein Dienstwagen mittlerweile auch erwartet, so dass die Anreizwirkung eher gering ist. Allerdings verbessern die nicht-monetären Anreize den „Wohlfühlfaktor“ der Mitarbeiter (z.B. bei einem guten und gesunden Kantinenessen, dem Angebot von Dienstleistungen oder auch Freizeitangeboten), der für die Mitarbeiterbindung wichtig ist. Im Zuge der steigenden Bedeutung der Work-Life-Balance für Mitarbeiter gewinnen jedoch nicht-monetäre Anreize in Form von Betriebskindergärten oder der Vermittlung von Kindergartenplätzen, Beratungsangebote zur Pflege von Familienangehörigen oder auch Eltern-Kinder-Arbeitszimmer an Bedeutung. Zu möglichen immateriellen Anreizen gehören die Gestaltung der Arbeitsinhalte, der Arbeitszeit und des Arbeitsplatzes, aber auch sinnstiftende Aufgaben, Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter (z.B. das Angebot an betrieblichen Förder- und Weiterbildungsmaßnahmen) und das Angebot von Karriereperspektiven. Auch Möglichkeiten der Partizipation an betrieblichen Entscheidungen und der Selbstentfaltung, aufgabenbezogene Gestaltungsspielräume, sowie die soziale Integration im Unternehmen werden hier eingeordnet. Zusätzlich gewinnt die Familienorientierung und die Identifikation mit den Zielen und Werten des Unternehmens als immaterielle Anreize zunehmend an Bedeutung. Den immateriellen Anreizen wird eine hohe Anreizwirkung zugesprochen. Vor allem jüngere Mitarbeiter wünschen sich sinnstiftende Aufgaben, flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte, aber auch interessante Entwicklungsmöglichkeiten und gerne auch internationale Karriereperspektiven. Ebenfalls eine hohe Anreizwirkung entfalten Angebote zur Familienfreundlichkeit und zur besseren Vereinbarkeit des Arbeitslebens mit dem Privatleben. Nicht zu unterschätzen sind die Anreize, die sich aus der Identifikation der Mitarbeiter mit den Zielen und den Werten des Unternehmens ergeben. Gerade für nachhaltige Unternehmen kann die Identifikation der Mitarbeiter mit den ökologischen und sozialen Werten und Unternehmenszielen eine sehr hohe Anreizwirkung entfalten. 12.7.3.2 Anreize nach Anzahl der Anreizempfänger Anreize können individuell vereinbart werden, sich auf bestimmte Mitarbeitergruppen beziehen oder organisationsweit gelten. Hinsichtlich des Aufwandes zur Gestaltung des betrieblichen Anreizsystems werden die meisten Anreize organisationsweit gelten. Um den gruppenbezogenen und individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter besser gerecht zu werden, bedarf es jedoch der Spezifikation der Anreize auf beispielsweise konkrete Teams (z.B. bei der Projektarbeit), bestimmte Abteilungen (z.B. besondere Anreize für den Vertrieb) oder auch der individuellen Vereinbarung von Anreizen, die die konkreten und aktivierten Bedürfnisse einzelner Mitarbeiter ansprechen und so ihre verhaltenslenkende Wirksamkeit entfalten können. 12.7.3.3 Anreize nach der Anreizquelle Nach der Anreizquelle lassen sich intrinsisch und extrinsisch wirkende Anreize unterscheiden. Intrinsische Anreize ergeben sich aus der Arbeitsleistung selbst (vgl. Schanz 1991, S. 15). So können inhaltlich anspruchsvolle Arbeitsaufgaben, oder eine <?page no="249"?> 250 12 Nachhaltiger Personaleinsatz besonders sinnstiftende Tätigkeit den Mitarbeiter persönlich zu einer sehr guten Arbeitsleistung motivieren. Der Anreiz für gute Arbeitsleistungen resultiert also aus der Aufgabe, aber auch aus der Wahrnehmung als persönliche Herausforderung. Extrinsische Anreize dienen als Mittel zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung. Sie wirken von außen auf den Mitarbeiter ein und sind Folgen einer guten Arbeitsleistung. So liegt die Motivation für die Aufgabenerfüllung nicht in der Arbeitsaufgabe selbst, sondern in den erwarteten Belohnungen. Diese Belohnungen sind meist materielle Anreize (monetäre oder auch nicht-monetäre). So kann eine außerordentliche Leistung z.B. mit einem Bonus am Jahresende belohnt werden, oder auch mit zwei zusätzlichen Urlaubstagen oder einer anerkennenden Führung. In Tabelle 26 ist ein selbst entwickeltes Anreizsystem für nachhaltige Unternehmen dargestellt, das beispielhaft verschiedene materielle und immaterielle Anreize zur Befriedigung der verschiedenen menschlichen Bedürfnisse umfasst. Dabei wurden auch die Überlegungen zu ökologischen Anreizsystemen von Hopfenbeck und Willig (vgl. Hopfenbeck/ Willig 1995, S. 163, 164) mit integriert. Das entwickelte Anreizsystem enthält überwiegend positive Anreize, allerdings auch Sanktionen als negativ wirkende Anreize. Die Integration möglicher Sanktionen in das Anreizsystem dient dazu, dem Unternehmen und den Mitarbeitern auch zu erwartende negative Auswirkungen bei einem ökologischen oder sozialen Fehlverhalten offen zu legen. <?page no="250"?> 12.7 Motivation und Gestaltung der Anreizsysteme 251 Tabelle 26: Anreizsystem für nachhaltige Unternehmen <?page no="251"?> 252 12 Nachhaltiger Personaleinsatz Fragen zur Selbstkontrolle 1. Warum ist die Einarbeitung neuer Mitarbeiter besonders wichtig? 2. Wie sollte eine systematische Einarbeitung aufgebaut sein? 3. Worauf sollten nachhaltige Unternehmen bei der sozial verträglichen Gestaltung der nationalen und der internationalen Arbeitsbedingungen achten? 4. Warum ist der Aufbau eines Umweltmanagementsystems für ein nachhaltiges Unternehmen wichtig? 5. Welche Auswirkungen hatte die Humanisierung der Arbeit auf die Stellenspezialisierung? 6. Welche typischen Merkmale kennzeichnet die Gruppenarbeit? 7. Wie kann die Kreativität und Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter gefördert werden? 8. Welche Ziele werden mit der Gestaltung des Arbeitsplatzes verfolgt? 9. Welche flexiblen Formen der Arbeitszeitgestaltung haben Sie kennengelernt? 10. Entwerfen Sie ein Anreizsystem für ein nachhaltiges Unternehmen. Welche Anreize halten Sie für besonders wirksam im Hinblick auf eine hohe Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter? <?page no="252"?> 13 Nachhaltige Personalentwicklung Aufgabe der Personalentwicklung ist es, alle relevanten Qualifikationen und Kompetenzen (fachliche, methodische, soziale) zu vermitteln, die für eine optimale Durchführung der derzeitigen und zukünftigen beruflichen Aufgaben notwendig sind. Dazu gehört die Aktualisierung und Vertiefung bestehender Qualifikationen als auch die Vermittlung neuer Kenntnisse und Kompetenzen. Für nachhaltige Unternehmen ist die Personalentwicklung besonders wichtig, um sowohl in der beruflichen Bildung als auch in der beruflichen Förderung den Mitarbeitern das notwendige Wissen und die entsprechenden Fähigkeiten, aber auch die erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln, die für nachhaltige Berufsfelder und Aufgabenbereiche nötig sind. Dazu gehört die Vermittlung von berufsbezogenem ökologischem, umweltbezogenem, sozialem und gesellschaftlichem, ökonomischem und innovationsbezogenem Wissen sowie die Entwicklung entsprechender fachlicher, methodischer und sozialer Kompetenzen. Zusätzlich müssen für die jeweiligen nachhaltigen Aufgabenbereiche auch entsprechende Verhaltensweisen, Handlungsspielräume sowie Problembearbeitungs- und Problemlösungsstrategien aufgezeigt, vermittelt und geübt werden. Das Personalmanagement verfügt über ein vielfältiges Instrumentarium zur beruflichen Bildung und Förderung, das für die spezifischen Inhalte und Problemstellungen einer nachhaltigen Unternehmenstätigkeit genutzt werden kann und teilweise auch für die besonderen Themenbereiche nachhaltiger Unternehmen weiterentwickelt werden muss. In diesem Kapitel erfolgt eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Grundlagen, dem Prozess, den Teilbereichen sowie mit den zur Verfügung stehenden Methoden der Personalentwicklung. Zunächst werden jedoch wesentliche Grundlagen der Personalentwicklung vorgestellt. 13.1 Grundlagen der Personalentwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen 13.1.1 Inhalte der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung Die Personalentwicklung für nachhaltige Unternehmen umfasst alle Aktivitäten und Maßnahmen der Potenzialanalyse, der Bildung und der Förderung, die der Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter im Hinblick auf die aktuellen und zukünftigen Arbeitsanforderungen eines nachhaltigkeitsorientierten Unternehmens dienen. Die Aktivitäten sollen zielgerichtet und systematisch geplant, umgesetzt und hinsichtlich ihres Erfolges beurteilt werden. Mit der Potenzialanalyse für nachhaltige Aufgabenbereiche werden die individuellen Leistungs- und Entwicklungspotenziale sowie die Entwicklungswünsche der Mitarbeiter für nachhaltige Aufgabenbereiche identifiziert. Die Ergebnisse der Potenzialanalyse bilden die Grundlage für die Auswahl, Umsetzung und Erfolgskontrolle von geeigneten Maßnahmen zur Potenzialentwicklung in nachhaltigen Tätigkeitsfeldern, d.h. von Maßnahmen, die die individuellen Leistungs- und Entwicklungspotenziale der Mitarbeiter in nachhaltigen Aufgabenbereichen unterstützen und ausschöpfen. <?page no="253"?> 254 13 Nachhaltige Personalentwicklung Die berufliche Bildung für nachhaltige Aufgabenbereiche umfasst alle Qualifikationsmaßnahmen, die der beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung in nachhaltigen Tätigkeitsbereichen dienen., um bestimmte berufliche Tätigkeiten mit nachhaltigen Inhalten ausüben zu können. Zur beruflichen Förderung für nachhaltige Aufgabenbereiche gehören alle Qualifikationsmaßnahmen, die der beruflichen Entwicklung der Mitarbeiter in nachhaltigen Aufgabenbereichen dienen. Die Abbildung 88 bildet die Teilbereiche der Personalentwicklung noch einmal ab. Abbildung 88: Teilbereiche der Personalentwicklung Um nachhaltige Unternehmen bei ihrer Personalentwicklung zu unterstützen, müssen die Grundlagen und Inhalte der Personalentwicklung, d.h. ihre Ziele, Aufgaben, Akteure, Zielgruppen und Teilbereiche auf die Besonderheiten und Anforderungen nachhaltigkeitsorientierter Unternehmen hin konkretisiert und weiterentwickelt werden. Im Folgenden werden wir uns zunächst mit den wesentlichen Zielen und Aufgaben einer nachhaltigen Personalentwicklung insgesamt beschäftigen, bevor wir auf ihre Inhalte, Akteure und Zielgruppen eingehen. 13.1.2 Ziele und Aufgaben einer nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung Ziel einer nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung ist es, einerseits den Erfolg und die Leistungsfähigkeit des nachhaltigen Unternehmens durch die regelmäßige Qualifikation und Weiterentwicklung der Mitarbeiter in ihren berufsbezogenen nachhaltigkeitsrelevanten Wissensgebieten und Handlungsbezügen sicherzustellen und andererseits auch die persönlichen und beruflichen Entwicklungsinteressen der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Dabei sollte das Entwicklungspotenzial der Mitarbeiter aller Hierarchieebenen möglichst weitgehend ausgeschöpft werden. Zusätzlich dient die nachhaltigkeitsorientierte Personalentwicklung auch gesamtgesellschaftlich dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft und Wirtschaft. Die verschiedenen Zielbereiche der Personalentwicklung zeigt die Abbildung 89. <?page no="254"?> 13.1 Grundlagen der Personalentwicklung 255 Abbildung 89: Ziele der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung Ziele der Personalentwicklung aus Sicht des Unternehmens Das Unternehmen möchte langfristig die Beschäftigungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter erhalten und entwickeln, um die eigene nachhaltigkeitsorientierte Leistungsfähigkeit dauerhaft sicherzustellen. Daraus leitet sich für die Personalentwicklung die Zielsetzung ab, die Mitarbeiter regelmäßig und so effizient zu qualifizieren, dass der quantitative, qualitative und zeitliche nachhaltigkeits- und innovationsorientierte Personalbedarf langfristig optimal gedeckt werden kann. Ziele der Personalentwicklung aus Sicht der Mitarbeiter Aufgabe der Personalentwicklung ist es aber auch, die Mitarbeiter bei der Erreichung ihrer individuellen beruflichen Entwicklungsziele zu unterstützen. Dazu gehören u.a. die Sicherung der eigenen Berufsfähigkeit und des eigenen Arbeitsplatzes, eine soziale Anerkennung und ein höheres Entgelt, Weiterbildungsangebote und Karriereperspektiven, aber auch die Qualifikation zur Übernahme nachhaltiger Aufgabenbereiche. Ziele der Personalentwicklung aus Sicht der Gesellschaft Auch für eine Gesellschaft und ein Land, wie z.B. die Bundesrepublik Deutschland ist es wichtig, dass sich ihre Mitglieder als Humanvermögen beruflich qualifizieren, regelmäßig weiterbilden und dadurch auch weiterentwickeln. Dies dient nicht nur einem optimalen Einsatz der Erwerbstätigen in der Gesellschaft, sondern bildet auch ein Grundrecht auf persönliche Entfaltung der Menschen. Darüber hinaus ist die nachhaltige Entwicklung auch ein wichtiges gesellschaftliches Ziel, das seit 1994 indirekt im Grundgesetz steht: <?page no="255"?> 256 13 Nachhaltige Personalentwicklung Grundgesetz, Artikel 20 a: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Um dies zu erreichen, muss sowohl die nachhaltige Entwicklung der Unternehmen als auch die nachhaltigkeitsorientierten Qualifikationen und Kompetenzen der in den Unternehmen Beschäftigten gefördert werden. Aus den vorgestellten Zielen einer nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung leitet sich folgende zentrale Aufgabe der Personalentwicklung ab: Die zentrale Aufgabe der Personalentwicklung ist es, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter für das Unternehmen durch Bildungs- und Förderungsmaßnahmen zu erhalten und weiter zu entwickeln, damit die Mitarbeiter die gegenwärtigen und zukünftigen nachhaltigkeitsbezogenen Arbeitsanforderungen gut bewältigen können. Damit sichert ein Unternehmen auch seine eigene dauerhafte ökonomische, ökologische und soziale Leistungs- und Innovationsfähigkeit und damit seinen langfristigen Erfolg. 13.1.3 Vermittlung von Qualifikationen und Kompetenzen Die Personalentwicklung vermittelt unterschiedliche Qualifikationen und Kompetenzen. Doch was verstehen wir eigentlich unter Qualifikation und Kompetenzen? Als Qualifikation wird die Ressourcenbasis für potenzielle Handlungen bezeichnet. Qualifikationen umfassen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Verhaltensweisen einer Person. Bilden die Qualifikationen die Voraussetzung für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, werden sie als berufsbezogene Qualifikationen bezeichnet (vgl. Becker 2005, S. 4 f.). Die berufsbezogenen Qualifikationen umfassen: Die Kenntnisse einer Person, die die Gesamtheit ihres Wissens sind. Berufsrelevantes Wissen umfasst alle fachlichen (Fachwissen), methodischen (Wissen um Arbeitsmethoden, z.B. Planungstechniken, Präsentationstechniken, Projektmanagement) und sozialen (Wissen zum Umgang in und mit Gruppen, Wissen zur Kommunikation und zum Umgang mit Konflikten) Kenntnisse, die eine Person zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit benötigt. Fähigkeiten bilden die kognitiven, physischen und psychischen Voraussetzungen für Handlungen, die teils angeboren sind, aber auch über individuelle Erfahrungen weiterentwickelt werden können (vgl. Gebert/ Rosenstiel 2002, S. 68). Fähigkeiten sind nicht direkt beobachtbar, weil sie vor allem kognitive Abläufe betreffen, aber sie sind die Voraussetzung für Fertigkeiten. Als Fertigkeiten wird das erlernbare Können einer Person bezeichnet, dem i.d.R. ein Anwendungsbezug zugrunde liegt. Das Erlernen von Fertigkeiten wird beeinflusst von den Fähigkeiten einer Person, ihrem Wissen, ihren bereits erworbenen Fertigkeiten und Erfahrungen sowie ihrer Motivation zum Erlernen neuer Fertigkeiten. Staudt (2000, S. 272) beschreibt Fertigkeiten als „ein konkretes und inhaltlich bestimmbares Können …, das durch Übung so weit automatisiert ist, dass eng umgrenzte Verhaltensweisen routinisiert vollzogen werden können“. Beruf- <?page no="256"?> 13.1 Grundlagen der Personalentwicklung 257 liche Fertigkeiten können beispielsweise der geübte Umgang mit Werkzeugen, Maschinen oder Materialen (z.B. Umgang des Schreiners mit Holz) sein. Mit Verhaltensweisen ist der Umgang einer Person in und mit seiner Umwelt gemeint. Berufsbezogen erwarten Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern bestimmte berufsadäquate und leistungsorientierte Verhaltensweisen. Teilweise sind erwünschte, aber auch unerwünschte Verhaltensweisen auch explizit festgeschrieben (z.B. in Unternehmensleitlinien, Anweisungen oder im Arbeitsvertrag). Zum beruflichen Verhalten zugehörige Verhaltensweisen sind das Arbeitsverhalten sowie das Sozialverhalten gegenüber anderen Mitarbeitern, Vorgesetzten und weisungsgebundenen Mitarbeitern. So werden nachhaltige Unternehmen ein ökologisch und sozial verträgliches Arbeitsverhalten ihrer Mitarbeiter explizit in der Unternehmenspolitik und in den Arbeitsanweisungen festschreiben. Inhaltlich werden die vermittelten beruflichen Qualifikationen in folgende Bereiche unterschieden (vgl. Berthel/ Becker 2013, S. 420): Fachliche Qualifikationen: Das für den jeweiligen beruflichen Aufgabenbereich notwendige und aktuelle Fachwissen. Methodische Qualifikationen: Die für den jeweiligen beruflichen Aufgabenbereich notwendigen Arbeitstechniken, Konzepte und Methoden, die der Strukturierung und Bewältigung von Arbeitsprozessen dienen. Dazu gehören z.B. Analysetechniken zur Aufbereitung von Problemen und Sachverhalten (z.B. Portfoliotechniken, SWOT-Analyse), Konzeptentwicklung, Projektmanagement, Gesprächsführung, Moderation und Präsentationstechniken, um nur einige zu nennen. Soziale Qualifikationen: Die für die berufliche Zusammenarbeit notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Verhaltensweisen, um mit anderen Kollegen, Vorgesetzten, Unterstellten, einzeln oder in Gruppen (z.B. Teamarbeit) zusammen arbeiten zu können. Dazu gehören z.B. die Kommunikationsfähigkeit, aber auch der Umgang mit personen- und sachbezogenen Konflikten oder auch die Entwicklung von Teamfähigkeit und Zusammenarbeit im Team. Auch die Qualifikation zur Führung anderer Mitarbeiter wird hier eingeordnet. Persönliche Qualifikationen: Hierzu zählen die Fähigkeiten, sich selbst zu motivieren, zielorientiert zu arbeiten, das eigene Handeln und die Arbeitsergebnisse hinsichtlich der Zielerreichung auch selbst zu reflektieren und dafür auch Verantwortung zu übernehmen. Auch die Fähigkeit zum vernetzten Denken und die eigene Lernfähigkeit werden hier den persönlichen Qualifikationen zugeordnet. Beschäftigen wir uns nun mit dem Begriff der Kompetenz. Die Vermittlung von Qualifikationen reicht noch nicht aus, um in komplexen und dynamischen Situationen mit vielfältigen Einflussfaktoren selbstorganisiert angemessen und situationsadequat handeln zu können. Zusätzlich bedarf es der Vermittlung von Fähigkeiten, die Menschen in die Lage versetzen, sich in derartigen Situationen eigenständig zurecht zu finden und ihre erworbenen Qualifikationen selbstorganisiert auch problemorientiert richtig anzuwenden. Bezogen auf die Arbeitswelt sind berufliche Kompetenzen also Fähigkeiten, um die erlernten berufsbezogenen Qualifikationen selbstorganisiert in komplexen und dynamischen beruflichen Arbeitssituationen auch problemorientiert angemessen anzuwenden (vgl. Bröckermann 2007, S. 51). Erst durch die Anwendung der erlernten Qualifikationen in der beruflichen Praxis entwickeln sich berufliche Handlungskompetenzen. Diese Handlungskompe- <?page no="257"?> 258 13 Nachhaltige Personalentwicklung tenzen können - wie auch die Qualifikationen - in fachliche, methodische, soziale und persönliche Kompetenzen untergliedert werden (vgl. Scholz 2014, S. 267). Fachliche Kompetenz ist die Fähigkeit zur Anwendung von fachlichen Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Verhaltensweisen in einem bestimmten beruflichen Aufgabengebiet. Methodische Kompetenz ist die Fähigkeit zur Anwendung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Verhaltensweisen, die sich auf Arbeits- und Managementmethoden beziehen und eine systematische Vorgehensweise sicherstellen. Dazu gehören z.B. Entscheidungsmethoden, Planungstechniken oder Präsentationstechniken. Soziale Kompetenz ist die Fähigkeit zur Anwendung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Verhaltensweisen im Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten, unterstellten Mitarbeitern sowie in Arbeitsgruppen bzw. Teams. Dazu gehören z.B. Teamfähigkeit, Konflikt- und Kooperationsfähigkeit, die Kommunikationsfähigkeit sowie die Führungskompetenz. Persönliche Kompetenz ist die Fähigkeit zur Anwendung persönlicher Qualifikationen, d.h. sich tatsächlich in der beruflichen Tätigkeit selbst zu motivieren, zielorientiert zu arbeiten, das eigene Handeln und die Arbeitsergebnisse hinsichtlich der Zielerreichung auch selbst zu reflektieren und für das eigene berufliche Handeln auch Verantwortung zu übernehmen, komplexe Probleme durch vernetztes Denken zu lösen und sich durch die eigene Lernfähigkeit weiter zu entwickeln. Die Abbildung 90 visualisiert die Zusammenhänge zwischen Qualifikationen und Kompetenzen noch einmal. Abbildung 90: Zusammenhang zwischen Qualifikation und Kompetenz Welche fachlichen, methodischen, sozialen und persönlichen Qualifikationen und Kompetenzen für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen erfolgsentscheidend sind, hängt wesentlich von der konkreten und individuellen Unternehmenstätigkeit und der Leistungserstellung des Unternehmens ab. Davon unabhängig lassen sich jedoch <?page no="258"?> 13.1 Grundlagen der Personalentwicklung 259 grundlegende nachhaltigkeitsorientierte Qualifikationen und Kompetenzen aufführen, die insbesondere für die nachhaltige Orientierung und Entwicklung von Unternehmen grundsätzlich wichtig sind. Tabelle 27: Grundlegende nachhaltigkeitsrelevante Qualifikationen und Kompetenzen (vgl. u.a. Antes, 2003, S. 535) Bereiche Grundlegende und aufgabenspezifische Qualifikationen und Kompetenzen fachlich grundlegende und vertiefte fachspezifische Kenntnisse des jeweiligen Aufgabenbereichs ökologische, naturwissenschaftliche und umweltbezogene Kenntnisse und Kompetenzen gesellschaftliche und soziale Kenntnisse und Kompetenzen ökonomische Kenntnisse und Kompetenzen innovationsbezogene Kenntnisse und Kompetenzen technische Kenntnisse und Kompetenzen Kenntnisse über nationale, internationale und globale Wechselwirkungen zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Phänomenen, Problemstellungen und Handlungen Kenntnisse über Wertschöpfungsketten und Lieferketten methodisch Qualifikationen und Kompetenzen zur Strukturierung und Bewältigung von Arbeitsprozessen, z.B. Planungstechniken, Analysetechniken, Problembearbeitungsstrategien Konzeptentwicklung, Projektmanagement Gesprächsführung, Moderation, Präsentationstechniken Kommunikationsstrategien, Konfliktmanagement Kreativitätstechniken, Techniken zur Wissensgenerierung, -nutzung und -bewahrung Strategien und Techniken zur Entwicklung von Innovationen sozial Einfühlungsvermögen, Empathie, Sozialverhalten Teamfähigkeit, Teamarbeit, Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen Führungsfähigkeit + -kompetenz: Planung, Organisation, Zielsetzung, Delegation von Aufgaben, Kontrolle, Motivationsfähigkeit persönlich zielorientiertes Arbeiten Selbstständigkeit, Eigeninitiative, Verantwortungsübernahme Selbstmotivation, Lernfähigkeit und Lernwilligkeit Reflexion des eigenen Handelns und seiner Auswirkungen Belastbarkeit, Flexibilität, Mobilität, Zuverlässigkeit Fähigkeit zum vernetzten Denken in Kreisläufen und Wirkungsgefügen inter- und transdisziplinäres Denken und Handeln Fähigkeit zur Bearbeitung komplexer Problemstellungen Die Personalentwicklung verfügt über eine Vielzahl an Methoden und Instrumenten zur Vermittlung der verschiedenen Qualifikationen und Kompetenzen. Zur Anwen- <?page no="259"?> 260 13 Nachhaltige Personalentwicklung dung auf die Vermittlung nachhaltigkeitsorientierter fachlicher, methodischer, sozialer und persönlicher Qualifikationen und Kompetenzen können die Methoden teils originär genutzt werden, teilweise müssen sie auch inhaltlich angepasst bzw. weiterentwickelt werden. Wir werden später noch genauer darauf eingehen. 13.1.4 Akteure der Personalentwicklung Die nachhaltigkeitsorientierte Personalentwicklung ist nicht nur Aufgabe derjenigen, die für Personalaufgaben im Unternehmen verantwortlich sind. Neben den Mitarbeitern der Personalabteilung gibt es weitere Akteure, die für eine anforderungs- und bedarfsgerechte Personalentwicklung wichtig sind und nun vorgestellt werden. Abbildung 91: Akteure der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung Die Unternehmensleitung ist ein sehr wichtiger Akteur der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung. Sie trifft die Grundsatzentscheidungen und beeinflusst die inhaltliche Ausrichtung, den Umfang und die Vielfalt an nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklungsmaßnahmen, die grundlegenden Strategien, Regelungen und Zuständigkeiten der Personalentwicklung sowie das Budget (finanzielle Mittel, Mitarbeiter etc.) für die nachhaltigkeitsorientierte Personalentwicklung. Die Vorgesetzten und Führungskräfte sind ebenfalls zentrale Akteure der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung. Sie sind meist diejenigen, die den fachlichen, methodischen, sozialen und persönlichen Entwicklungsbedarf ihrer Mitarbeiter durch die Zusammenarbeit in der Abteilung und auch durch die regelmäßige Beurteilung ihrer unterstellten Mitarbeiter erkennen und den genauen Qualifizierungsbedarf identifizieren können. Andererseits müssen die Mitarbeiter häufig zunächst ihre direkten Vorgesetzten ansprechen, wenn sie Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen möchten. In Mitarbeitergesprächen können Vorgesetzte und Mitarbeiter gemeinsam den Qualifizierungsbedarf und individuelle Qualifizierungswünsche besprechen sowie geeignete nachhaltige Inhalte und Maßnahmen überlegen. Welche Maßnahmen und Angebote der Personalentwicklung sich am besten zur Entwicklung konkreter nachhaltigkeitsbezogener Qualifikationen und Kompetenzen eigenen, bespricht der Vorgesetzte auch noch mit den zuständigen Mitarbeitern der Personalabteilung. Insofern ist auch die Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und <?page no="260"?> 13.1 Grundlagen der Personalentwicklung 261 Personalabteilung wichtig. Nicht zuletzt ist es u.a. auch die Aufgabe des Vorgesetzten, den Erfolg absolvierter Qualifizierungsmaßnahmen bei den entsprechenden Mitarbeitern zu überprüfen. Neben bestehenden Evaluationsmethoden der Personalabteilung kann der Vorgesetzte während der Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter dessen aktuellen nachhaltigkeitsorientierten Qualifikationsstand sowie die Anwendung des neu Gelernten in der Berufspraxis überprüfen. Die Personalabteilung ist zuständig für die unternehmensweite Planung, Organisation, Durchführung und Erfolgskontrolle der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung im Unternehmen. Sie verfügt über die Kompetenzen und Informationen zur Ermittlung des nachhaltigkeitsbezogenen Personalentwicklungsbedarfs, zur Planung, Koordination, Organisation und Durchführung konkreter nachhaltigkeitsbezogener Personalentwicklungsmaßnahmen sowie zur Evaluation des Erfolges durchgeführter nachhaltigkeitsbezogener Personalentwicklungsmaßnahmen. Damit hat die Personalabteilung die zentrale Kompetenz im Bereich der Personalentwicklung. Gemeinsam mit der Unternehmensleitung können spezifische nachhaltigkeitsorientierte Personalentwicklungsprogramme (z.B. für bestimmte Mitarbeitergruppen oder Kompetenzbereiche) oder auch konkrete Angebote zur nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung beraten und vereinbart werden. Gleichzeitig ist die Personalabteilung auch der zentrale Ansprechpartner und Berater für die Führungskräfte und Vorgesetzten, wenn es um die Planung, Organisation, Durchführung und Erfolgskontrolle konkreter Personalentwicklungsmaßnahmen für ausgewählte Mitarbeiter geht. Weitere Aufgaben der Personalabteilung bestehen in der Organisation und Durchführung von Personalentwicklungsmaßnahmen, aber auch in der Dokumentation der in Anspruch genommenen Personalentwicklungsmaßnahmen durch die Mitarbeiter (i.d.R. in der Personalakte). In größeren Unternehmen gibt es häufig eine eigene Unterabteilung für die Personalentwicklung bzw. fachspezifische Mitarbeiter, die für die Personalentwicklung zuständig sind. Der Betriebsrat kann auch im Bereich der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung von seinen bestehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten Gebrauch machen. Die Mitarbeiter können einerseits selbst nachhaltigkeitsbezogene Qualifizierungswünsche und -vorschläge sowohl bei ihren Vorgesetzten als auch bei der Personalabteilung einbringen (z.B. der Wunsch nach einer bislang nicht angebotenen Weiterbildung im aufgabenbezogenen Umweltschutz). Andererseits sind die Mitarbeiter die Nutznießer der nachhaltigkeitsbezogenen Personalentwicklungsmaßnahmen, was jedoch voraussetzt, dass die Mitarbeiter die angebotenen Personalentwicklungsmaßnahmen auch annehmen und entsprechende Maßnahmen erfolgreich absolvieren. Hier bedarf es einer gezielten Motivation und Gestaltung der betrieblichen Anreizsysteme, um möglichst viele Mitarbeiter auch für die Inanspruchnahme nachhaltigkeitsorientierte Personalentwicklungsangebote zu motivieren. Nur so können eine aktuelle und umfassende nachhaltigkeitsbezogene Qualifikation sowie entsprechende Kompetenzen bei den Mitarbeitern sichergestellt werden. 13.1.5 Zielgruppen und Zielgruppenbildung der Personalentwicklung Grundsätzlich sollten sich die Maßnahmen der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung an alle Mitarbeiter eines Unternehmens richten, unabhängig von ihrem Aufgabenbereich, ihrer hierarchischen Position, ihrem Alter, Geschlecht oder der <?page no="261"?> 262 13 Nachhaltige Personalentwicklung Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit. Zentraler Grund hierfür ist die Tatsache, dass so gut wie alle Mitarbeiter in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen in regelmäßigen Abständen ihren berufsbezogenen und auch nachhaltigkeitsbezogenen Wissensstand aktualisieren müssen, um neue Erkenntnisse und Entwicklungen in ihrem Aufgabenbereich dazu zu lernen und damit ihre aktuelle Beschäftigungsfähigkeit in einem nachhaltigen Unternehmen sicher zu stellen. Abbildung 92: Prinzipien der Zielgruppenbildung für Personalentwicklungsmaßnahmen In der Unternehmenspraxis können jedoch meist nicht alle Mitarbeiter regelmäßig an nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklungsmaßnahmen teilnehmen, da auch für die Personalentwicklung nur ein begrenztes Budget und begrenzte Ressourcen (z.B. Schulungspersonal, Mitarbeiter der Personalentwicklung, Räumlichkeiten) zur Verfügung stehen. So muss ein Unternehmen gemeinsam mit der Personalabteilung überlegen, wie die begrenzten Ressourcen für nachhaltigkeitsorientierte Personalentwicklungsmaßnahmen auf die Mitarbeiter verteilt werden sollen. D.h. es müssen bestimmte Mitarbeiterkreise als Zielgruppen abgegrenzt werden, für die bevorzugt Personalentwicklungsmaßnahmen angeboten werden. Nach welchen Kriterien oder auch Prinzipien eine Zielgruppenbildung möglich ist, zeigt die Abbildung 92. Grundsätzlich unterscheiden lassen sich die folgenden Prinzipien (vgl. Scholz 2014, S. 273): Das Prinzip der Chancengleichheit ermöglicht allen Mitarbeitern eines Unternehmens, Maßnahmen der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung in Anspruch zu nehmen, unabhängig von ihrem Leistungspotenzial, ihrem Aufgabenbereich, ihrem Wissensstand und möglichen Fähigkeits- und Wissensdefiziten. Das heißt, dass das gesamte Personal Gegenstand von nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklungsmaßnahmen sein kann. Dieses Prinzip der Chancengleichheit kann als „Idealprinzip“ angesehen werden, lässt sich in der Unternehmenspraxis jedoch aufgrund beschränkter Budgets nicht immer umsetzen. Daher werden in der Praxis häufig folgende Prinzipen zur Zielgruppenauswahl für Personalentwicklungsmaßnahmen angewendet: <?page no="262"?> 13.2 Grundlagen der Personalentwicklung 263 Das Prinzip der Privilegierung beschränkt den Zugang zu nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklungsmaßnahmen auf ausgewählte Beschäftigungsgruppen, wie z.B. auf Nachwuchskräfte (z.B. Trainees), Führungskräfte oder bestimmte fachliche Spezialisten, die in besonderem Maße nachhaltigkeitsrelevante Aufgaben bearbeiten, in die Besonderheiten einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung eingeführt werden sollen oder nachhaltigkeitsbezogene Schlüsselpositionen besetzen, die für das Unternehmen und seine nachhaltige Ausrichtung und Leistungserstellung besonders wichtig sind. Daher gelten als Auswahlkriterien für privilegierte Mitarbeitergruppen häufig die Besetzung von Schlüsselfunktionen bzw. -positionen oder vorhandene Kernkompetenzen der Mitarbeiter. Das Prinzip der Begabtenförderung konzentriert sich bei der Vergabe von nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklungsmaßnahmen besonders auf diejenigen Mitarbeiter, bei denen durch eine aussagekräftige Potenzialanalyse ein hohes Entwicklungspotenzial identifiziert wurde. Das Prinzip der Engpassregel bietet nachhaltigkeitsorientierte Personalentwicklungsmaßnahmen insbesondere für diejenigen Mitarbeiter an, bei denen große bzw. gravierende fachliche oder nachhaltigkeitsbezogene Qualifikationsdefizite festgestellt wurden. Als Auswahlkriterium gilt hier das Ausmaß des zu erwartenden Schadens, der durch nicht geschlossene Qualifikations- und Fähigkeitslücken bei den Mitarbeitern für das Unternehmen zu erwarten ist. 13.2 Prozess der Personalentwicklung Um eine effiziente und effektive nachhaltigkeitsorientierte Personalentwicklung sicher zu stellen, bedarf es einer systematischen Planung, Maßnahmengestaltung und -durchführung der Personalentwicklung sowie der Evaluation des Gelernten. Hier bietet sich die Betrachtung der Prozessperspektive an, um die wesentlichen Schritte der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung in ihrer zeitlichen und aufgabenbezogenen Reihenfolge näher zu betrachten, wie sie in der folgenden Abbildung dargestellt wird. Abbildung 93: Prozess der Personalentwicklung <?page no="263"?> 264 13 Nachhaltige Personalentwicklung 13.2.1 Ermittlung des Personalentwicklungsbedarfs Ausgangspunkt des Prozesses der Personalentwicklung ist die Ermittlung des nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklungsbedarfs. Um den Entwicklungsbedarf eines Unternehmens, einer Abteilung oder einzelner Mitarbeiter zu bestimmen, stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Abbildung 94: Instrumente zur Ermittlung des Personalentwicklungsbedarfs Ein wichtiges Instrument hierfür ist die qualitative Personalbedarfsermittlung, die im Rahmen der Personalplanung erfolgt. Bei der Personalplanung (vgl. Kapitel 10) wird der aktuelle und zukünftig prognostizierbare Personalbestand (durch bereits bekannte Zugänge und Abgänge von Mitarbeitern) mit dem zukünftigen Personalbedarf des Unternehmens quantitativ und qualitativ abgeglichen. Ziel der nachhaltigkeitsorientierten Personalplanung ist die Ermittlung, wie viele Mitarbeiter das Unternehmen mit welchen nachhaltigkeitsbezogenen Qualifikationen zum Zeitpunkt X benötigt und wie viele Mitarbeiter mit welchen nachhaltigkeitsbezogenen Qualifikationen zum gleichen Zeitpunkt X im Unternehmen beschäftigt sein werden. Abbildung 95: Ermittlung einer qualitativen Personalunterdeckung zum Zeitpunkt X Ergibt sich aus der Gegenüberstellung des qualitativen Personalbestandes zum Zeitpunkt X mit dem qualitativen Personalbedarf zum Zeitpunkt X eine qualitative Personalunterdeckung im Bereich der nachhaltigkeitsbezogenen Qualifikationen, so hat <?page no="264"?> 13.2 Prozess der Personalentwicklung 265 das Unternehmen zwei Handlungsmöglichkeiten. Erstens können zusätzliche Mitarbeiter mit der benötigten nachhaltigkeitsbezogenen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt beschafft und eingestellt werden. Zweitens können bereits im Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter durch Maßnahmen der Personalentwicklung für die benötigten nachhaltigkeitsorientierten Qualifikationen weiterentwickelt werden. Darüber hinaus kann sich ein Personalentwicklungsbedarf aus dem Abgleich des Anforderungsprofils einer konkreten Stelle mit dem Qualifikations- und Fähigkeitsprofil des Stelleninhabers ergeben. Wird hierbei eine Qualifikationslücke festgestellt, so besteht ein Qualifikationsbedarf für diesen Stelleninhaber. Abbildung 96: Abgleich des Anforderungsprofils mit dem Fähigkeitsprofil des Stelleninhabers „Leiter Personalmanagement“ Als letztes hier vorgestelltes Instrument behandeln wir die Potenzialanalyse. Eine Potenzialanalyse dient dazu, die besonderen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten von Mitarbeitern zu identifizieren. Oft wird die Potenzialanalyse eingesetzt, um das Entwicklungsspektrum von Nachwuchskräften (z.B. Fachkräfte, Spezialisten oder Führungskräfte) zu identifizieren und anschließend mit geeigneten Maßnahmen zu fördern (vgl. Berthel/ Becker 2013, S. 261). In nachhaltigen Unternehmen ist die Potenzialanalyse wichtig, um auch die spezifischen und aufgabenbezogenen nachhaltigkeitsorientierten Entwicklungsbedarfe, Entwicklungspotenziale und Entwicklungswünsche der Mitarbeiter systematisch zu identifizieren. Ausgangspunkt der nachhaltigkeitsorientierten Potenzialanalyse sind die bisherigen Leistungen und der aktuelle Qualifikationsstand eines Mitarbeiters, die anhand der folgenden Kriterien genauer analysiert werden können: Analyse der Biografie einer Person: Die Analyse der Biografie einer Person bietet einen ersten Überblick über deren bisherige beruflichen und persönlichen Qualifikationen und Berufserfahrungen in nachhaltigen Aufgabenbereichen. Gegenstand dieser biografischen Analyse können z.B. der Lebenslauf, biografische Interviews, bisherige Arbeitszeugnisse und Referenzen sein. Hieraus lassen sich erste Informationen über bisherige nachhaltigkeitsorientierte Qualifikationen, Fähigkeiten, Berufserfahrungen <?page no="265"?> 266 13 Nachhaltige Personalentwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Aufgabenbereichen oder Unternehmen, aber auch bestehende Qualifikationsdefizite ermitteln. Die Analyse bisheriger Leistungsbewertungen von Mitarbeitern oder auch Bewerbern lässt Rückschlüsse auf das bislang gezeigte Arbeits- und Leistungsverhalten sowie die Qualität bisheriger Arbeitsergebnisse zu. Bei der Bewertung dieser Informationen müssen einerseits der Umfang der Berufserfahrungen in Abhängigkeit des Alters der Person berücksichtigt werden, andererseits sind mögliche Bewertungsfehler der Leistungsbeurteilungen zu berücksichtigen. Die Analyse und Berücksichtigung der persönlichen Entwicklungswünsche und der Entwicklungsmotivation von Mitarbeitern ist auch sehr wichtig. Sie bilden die Grundlage für die Bereitschaft des Mitarbeiters, seine nachhaltigkeitsorientierten Fähigkeiten und Qualifikationen weiter zu entwickeln und sein Leistungs- und Entwicklungspotenzial auch tatsächlich auszuschöpfen. Daher ist ein Abgleich der unternehmensbezogenen nachhaltigen Entwicklungsperspektiven mit den persönlichen Entwicklungswünschen des Mitarbeiters notwendig. Nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen können die Bereitschaft ihrer Mitarbeiter für die nachhaltigkeitsbezogene Weiterentwicklung ihrer Qualifikationen und Kompetenzen auch durch geeignete Anreizsysteme (z.B. Zielvereinbarungen, Karriereperspektiven) unterstützen. 13.2.2 Lern- und Entwicklungsziele der Personalentwicklung Nach der Ermittlung des nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklungsbedarfs und möglicher Qualifikationslücken werden nun die Lern- und Entwicklungsziele der Personalentwicklung und konkreter Personalentwicklungsmaßnahmen festgelegt. Die Lern- und Entwicklungsziele leiten sich aus den ermittelten Differenzen zwischen den Anforderungen an bestimmte Stellen oder Aufgabenbereiche und den festgestellten Fähigkeiten der jeweiligen Stelleninhaber oder Bewerber ab. Die Lernziele lassen sich in drei Bereiche einteilen, wie die Abbildung 97 zeigt. Unterschieden werden der psychometrische, der affektive und der kognitive Lernbereich (vgl. Brinkmann 2008). Abbildung 97: Lernzielbereiche (Brinkmann 2008) Der psychometrische Lernzielbereich spricht die handwerklichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Bewegungsabläufe und Handlungstechniken an. Beispielsweise gehört hierzu das Erlernen bestimmter Schweißtechniken, der Umgang mit einer CAD- Maschine oder der energiesparende Betrieb einer Produktionsanlage. Das Lernziel <?page no="266"?> 13.2 Prozess der Personalentwicklung 267 ist hierbei die Umsetzung bestimmter Kenntnisse in Handlungen (vgl. Brinkmann 2008). Der affektive Lernbereich spricht die Werte, Einstellungen, Emotionen und das Verhalten einer Person an. Ein Beispiel für diesen Lernbereich ist die Sensibilisierung der Führungskräfte für eine kooperative, ergebnisorientierte und transformative Führung ihrer unterstellten Mitarbeiter, um so das ökologisch und sozial verantwortliche Handeln der Mitarbeiter in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen zu fördern und gleichzeitig die Leistungsergebnisse zu steigern. Das Lernziel ist hierbei eine veränderte Verhaltensweise (vgl. Brinkmann 2008). Der kognitive Lernbereich betrifft das Wissen, die Informationen und die intellektuellen Fähigkeiten einer Person. Als Beispiel kann hier das Erlernen aktuellen Fachwissens über Elektroantriebe im Vergleich zu Benzin-basierten Antrieben im Fahrzeugbereich oder die Aktualisierung der Erkenntnisse über die Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf die natürliche Umwelt genannt werden. Das Lernziel ist hierbei die Aneignung neuen bzw. aktuellen Wissen (vgl. Brinkmann 2008). Entwicklungsziele werden nicht nur für die verschiedenen Lernzielbereiche formuliert, sondern auch für verschiedene Kompetenzbereiche, die geschult werden sollen. In der Abbildung 98 sind beispielhaft inhaltliche Schwerpunkte für die Fach-, Methoden-, Sozial- und personale Kompetenz einer nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung aufgeführt. Die mit der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung zu erreichenden Lernziele sollten gemeinsam mit den zu entwickelnden Mitarbeitern vereinbart werden. So können nicht nur die unternehmensbezogenen Entwicklungsanforderungen angemessen berücksichtigt werden, sondern auch die Entwicklungsbedarfe und Entwicklungswünsche der Mitarbeiter. Darüber hinaus erhöht eine gemeinsame und von allen Beteiligten akzeptierte bzw. gewünschte Zielvereinbarung die Akzeptanz und damit auch die Annahme und den Erfolg der Entwicklungsmaßnahmen. Abbildung 98: Kompetenzorientierte Zielbereiche einer nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung <?page no="267"?> 268 13 Nachhaltige Personalentwicklung Die Lernziele der nachhaltigkeitsorientierten Personalentwicklung wiederum bilden die Grundlage für die Gestaltung konkreter nachhaltigkeitsbezogener Personalentwicklungsmaßnahmen, in denen Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen vermittelt werden. 13.2.3 Gestaltung und Durchführung konkreter Personalentwicklungsmaßnahmen Für die Gestaltung und Durchführung konkreter nachhaltigkeitsorientierter Personalentwicklungsmaßnahmen stehen der Personalentwicklung eine Fülle an Methoden zur Verfügung, um die Qualifikationen und Kompetenzen der Mitarbeiter weiter zu entwickeln. Als Orientierung bietet es sich hier an, die vielfältigen Maßnahmen und ihre Durchführung nach ihrem Lernort, ihrer Sozialform bzw. Selbstgesteuertheit, der Initiative, ihrer Lehrform bzw. Methodik sowie danach, ob sie unternehmensintern oder -extern durchgeführt werden, zu strukturieren (vgl. Becker 2005, S. 247 ff.). Kriterium: Nähe der Lehrinhalte zu den beruflichen Arbeitsaufgaben Personalentwicklungsmaßnahmen können danach unterschieden werden, wie eng sich die vermittelten Lehrinhalte auf die beruflichen Arbeitsaufgaben einer Person beziehen. Die Abbildung 99 bietet einen entsprechenden Überblick, wobei der inhaltliche Bezug der Lehrinhalte zu den Arbeitsaufgaben durch die Ordinate „Nähe zum Arbeitsplatz“ und die zeitliche Einordnung der Entwicklungsmaßnahme in den Berufslebenszyklus einer Person durch die Abzisse „Berufslebenszeit“ dargestellt wird. Abbildung 99: Einordnung der Instrumente der Personalentwicklung nach ihrer Nähe zum Arbeitsplatz und nach der Berufslebenszeit (eigene Darstellung in Anlehnung an Preißing 2010a, S. 170 und Scholz 2000, S. 510 ff.) Die Bildungsmaßnahmen werden wie folgt abgegrenzt (vgl. Preißing 2010a, S. 171 ff.): <?page no="268"?> 13.2 Prozess der Personalentwicklung 269 Into the job: Hierzu gehören Maßnahmen, die der ersten systematischen beruflichen Qualifizierung oder auch zur Vorbereitung auf die Übernahme eines neuen Aufgabenbereichs dienen. Dazu gehören für nachhaltigkeitsbezogene Aufgabenbereiche insbesondere die Ausbildung in nachhaltigkeitsorientierten Berufen, die Einarbeitung, umweltmanagementbezogene, umwelttechnische oder soziale Praktika, das Duale Studium eines umweltorientierten, wirtschaftlichen, technischen oder sozialen Studiengangs und spezifische nachhaltigkeitsorientierte Traineeprogramme. On the job: Dies sind Bildungsmaßnahmen, die direkt am Arbeitsplatz erfolgen, wie z.B. Job Enlargement, Job Enrichment und Job Rotation. Near the job: Diese Bildungsmaßnahmen erfolgen zusätzlich zur eigentlichen Tätigkeit und weisen arbeitsplatznahe Inhalte auf, wie z.B. umweltorientierte Qualitätszirkel oder umwelttechnische Fachlehrgänge. Along the job: Hierunter werden Bildungsmaßnahmen verstanden, die begleitend zu einer bestehenden Tätigkeit erfolgen, wie z.B. das Karrieremanagement oder die Laufbahnplanung in nachhaltigen Unternehmen. Konkrete Maßnahmen könnten hier die Führungskräfteentwicklung oder auch Schulungen zum nachhaltigkeitsorientiertes Projektmanagement sein. Out of the job: Hierzu gehören Bildungsmaßnahmen, die auf den Austritt aus dem Berufsleben oder auch auf die Übernahme einer anderen Beschäftigung vorbereiten, wie z.B. die Ruhestandsvorbereitung oder das Outplacement. Off the job: Diese Bildungsmaßnahmen erfolgen unabhängig vom Arbeitsplatz. Dazu gehören beispielsweise ein berufsbegleitendes Studium (z.B. in den Umweltwissenschaften oder Sprachen) oder Seminare mit aufgabenunabhängigen Inhalten. Die konkreten Bildungsmaßnahmen werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Kriterium Sozialform bzw. Lernform Das Kriterium Sozialform (oder auch Lernform) unterscheidet Personalentwicklungsmaßnahmen danach, wie viele Personen am Lernprozess teilnehmen. Danach lassen sich Einzelmaßnahmen, Bildungsangebote für Gruppen und die gemeinsame Plenumsarbeit voneinander abgrenzen (vgl. Becker 2005, S. 247 ff.). Bildungsangebote können beispielsweise als Einzelmaßnahme individuell für die Qualifikationsbedarfe einzelner Personen konzipiert werden. So könnte die Vorbereitung eines Mitarbeiters auf den Auslandsaufenthalt in einem ausländischen Werk des Unternehmens durch ein interkulturelles Training oder einen speziellen Sprachkurs eine solche Einzelmaßnahme sein. Die deutlich gestiegenen Angebote des E-Learning ermöglichen die Konzeption von standardisierten Bildungsangeboten, die dennoch individuell von Mitarbeitern genutzt werden können, wobei als wesentliche Vorteile die orts- und zeitunabhängige Durchführung der Bildungsmaßnahme hervorstechen. Bildungsmaßnahmen können sich jedoch auch speziell an Teilnehmergruppen richten. Derartige Gruppentrainings eignen sich beispielsweise zur Teamentwicklung oder zur Schulung einer größeren Anzahl von Teilnehmern. Vorteilhaft ist hierbei die Ausnutzung der Gruppendynamik, die durch die gemeinsame Aufgabenbearbeitung (entweder in der ganzen Gruppe oder in Kleingruppen) genutzt werden kann. Zusätzliche Synergieeffekte können sich ergeben, wenn die Teilnehmer aus einem ähnlichen Berufsfeld bzw. Aufgabenbereich kommen und so inhaltliche Fragestellungen <?page no="269"?> 270 13 Nachhaltige Personalentwicklung in der Gruppe diskutieren und bearbeiten können sowie gemeinsam Problemlösungen erarbeiten. Nicht zuletzt motiviert ein gemeinsames Lernen die Teilnehmer häufig stärker als individuelle Lernmaßnahmen. Die gemeinsame Plenumsarbeit ist in Bildungsangeboten möglich, die sich ebenfalls an eine größere Anzahl von Teilnehmern richten. Ein Beispiel hierfür könnte eine Schulungsmaßnahme für eine ganze Abteilung sein, die z.B. aktuelle Arbeitssicherheitsvorschriften oder den Umgang mit einer neuen Produktionsanlage vermittelt. Die Entscheidung, welche Sozialform bzw. Lernform für eine Bildungsmaßnahme gewählt wird, hängt auch vom Lernziel der Maßnahme ab. Soll in erster Linie aktuelles Wissen vermittelt werden, so können auch größere Gruppenveranstaltungen geeignet sein (z.B. Vorlesung mit Seminaranteil, Fachlehrgänge, Seminare). Steht die Entwicklung der Teamfähigkeit, Kommunikation oder Konfliktfähigkeit im Vordergrund, oder soll die Anwendung gelernten Wissen auf konkrete Arbeitssituationen trainiert werden, so bieten sich eher kleinere Arbeitsgruppen und interaktive Lernformen an. Kriterium Initiative / Selbstgesteuertheit Nach dem Grad der eigenen Steuerbarkeit des Lernens lassen sich selbstgesteuerte und fremdgesteuerte Methoden unterscheiden (vgl. Becker 2005, S. 247 ff.). Selbstgesteuerte Lernmethoden erlauben die individuelle Anpassung der Lerngeschwindigkeit, der Lerninhalte und des Lernortes an die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Lernenden. So kann der Mitarbeiter Pausen am Arbeitsplatz zum Lernen nutzen oder unabhängig von der Arbeitszeit an einem beliebigen Ort (z.B. Schulungszentrum, zu Hause oder in der Urlaubszeit) lernen. Hier bieten E-Learning Angebote viele Vorteile der Selbststeuerung des Lernens. Zu den fremdgesteuerten Bildungsmethoden zählen örtlich und zeitlich festgelegte Veranstaltungen, wie z.B. Seminare, Outdoortrainings oder klassische Lehrveranstaltungen. Praxisbeispiel Microlearning Unter Microlearning wird ein Lernen in kleinen Lerneinheiten verstanden, das nur wenige Minuten (ca. 5 bis 15 min) dauert, durch mobile Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt wird und damit orts- und zeitunabhängig genutzt werden kann. Dieses mobile Lernen in kleinen und kleinsten Lerneinheiten dient zur Ergänzung traditioneller Lehr- und Lernmethoden und fördert ein kontinuierliches Lernen. Die vielfältigen Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere im Bereich des Mobilfunks und der mobilen Endgeräte sowie der selbstverständliche Umgang der Internet-Generation mit digitalen Medien und dem Internet ermöglichen und fördern den Einsatz von Microlearning. Zusätzlich kommt Microlearning dem steigenden Lernbedarf durch schneller veraltendes Wissen in einer zunehmend mobilen und globalen Lebens- und Arbeitswelt entgegen. So können kleine Lernsequenzen in kurzen Pausen oder unterwegs zur Wiederholung und Aktualisierung bestehenden Wissens, zur Unterstützung von bevorstehenden Aufgaben (z.B. zur <?page no="270"?> 13.2 Prozess der Personalentwicklung 271 Vorbereitung auf Verhandlungen mit chinesischen Geschäftspartnern) oder zum Einstieg in neue Lernthemen genutzt werden. Wichtig ist jedoch die konzeptionelle und didaktische Einbindung des Microlearning in übergeordnete Lernkonzepte (vgl. DGFP 2011, S. 38 ff.). Praxisbeispiel 15: Microlearning Kriterium Lehrform / Methodik Im Hinblick auf die Lehrform bzw. die Methodik lassen sich die Bildungsmaßnahmen in eher passive und eher aktive Methoden unterscheiden (vgl. Becker 2005, S. 247 ff.). Zu den eher passiven Methoden gehören z.B. Vorlesungen und Veranstaltungen, die im Wesentlichen auf die Wissensvermittlung abzielen. Hier werden Bildungsinhalte vorgestellt und vermittelt, die Teilnehmer werden oft jedoch nur wenig in den Prozess der Wissensvermittlung einbezogen. Die eher aktiven Lehrmetoden umfassen kommunikativ-gestalterische, mediative und spielerisch orientierte Methoden, bei denen die Lerninhalte von den Lernenden selbst und aktiv erarbeitet werden. Hierzu gehören z.B. Planspiele, Fallstudien, Workshops und Rollenspiele. Die Teilnehmer sind hier aktiv an der Wissenserarbeitung und Bearbeitung konkreter Fallstudien oder Problemlösungen beteiligt. Dies entspricht eher dem Ansatz eines ganzheitlichen Lernens, bei dem Methoden eingesetzt werden, die in der Lernsituation einerseits kognitive, affektive, intuitive und physiologische Aspekte berücksichtigen und andererseits verschiedene Sinneskanäle einbeziehen. Dadurch werden die Lehrinhalte meist viel besser verinnerlicht und behalten als es bei dem Einsatz passiver Methoden der Fall ist. Kriterium: unternehmensinterne oder -externe Durchführung der Bildungsmaßnahmen Bildungsmaßnahmen können entweder unternehmensintern oder unternehmensextern sowie von unternehmensinternem Schulungspersonal oder von extern beauftragen Bildungsinstitutionen durchgeführt werden (vgl. Becker 2005, S. 247 ff.). Die unternehmensinterne Durchführung von Bildungsmaßnahmen setzt voraus, dass das Unternehmen über umfangreiche eigene Schulungskompetenzen und Dozenten, Räumlichkeiten mit entsprechender Ausstattung (Beamer, Flipchart, Plakatwände etc.) und organisatorische Kapazitäten im Bereich der Personalentwicklung verfügt. Unternehmensinterne Bildungsmaßnahmen sind für nachhaltige Unternehmen wichtig, wenn sich die Lehrinhalte z.B. auf die nachhaltigkeitsorientierten Besonderheiten der unternehmerischen Leistungserstellung und des Unternehmenshandelns beziehen. Das können z.B. spezifische Kreislauftechnologien, umweltverträgliche Produktionsanlagen, spezielle Computersoftware oder -systeme oder Besonderheiten nachhaltiger unternehmensspezifischer Aufgabenbereiche sein, wobei die Lernmaßnahmen vielleicht auch an konkrete Arbeitsorte gebunden sind. Alternativ können auch externe Dozenten für die Übernahme konkreter Bildungsbzw. Schulungsmaßnahmen im Unternehmen beauftragt werden. Als weitere Entscheidung muss festgelegt werden, ob eine Schulungsmaßnahme im Unternehmen (z.B. Schulung einer neuen Computersoftware am Arbeitsplatz) oder außerhalb des Unternehmens (z.B. Outdoortrainings) stattfinden soll. <?page no="271"?> 272 13 Nachhaltige Personalentwicklung Die Beauftragung externer Bildungsträger ist sinnvoll, wenn entweder die unternehmensinternen Kapazitäten und Kompetenzen für Schulungsmaßnahmen nicht ausreichen, oder z.B. externe Bildungsanbieter als Experten spezifische Bildungsangebote (z.B. externe Bildungsträger) kostengünstiger bereithalten. Die externen Bildungsträger übernehmen die Organisation und Durchführung der Bildungsmaßnahmen, teilweise auch die spätere Erfolgskontrolle des Gelernten. Vorteilhaft ist auch die professionelle räumliche Ausstattung der externen Bildungsanbieter. Finden die Veranstaltungen außerhalb des Unternehmens statt, so wirkt sich auch die neutrale Umgebung und die Ungestörtheit vom Tagesgeschäft positiv auf den Lernerfolg aus (z.B. bei Teamentwicklungstrainings, Outdoortrainings). Durchführung konkreter Personalentwicklungsmaßnahmen Die konkrete Durchführung der Maßnahmen muss abgestimmt werden auf die zu vermittelnden Inhalte, die Rahmenbedingungen (zeitlich, örtlich, organisatorisch) sowie die zu schulenden Mitarbeitergruppen. Dabei ist eine kreative und lernfördernde Gestaltung der Entwicklungsmaßnahmen wichtig. 13.2.4 Erfolgskontrolle und Transfersicherung Um die Erreichung der Entwicklungsziele durch die absolvierten Personalentwicklungsmaßnahmen beurteilen zu können, bedarf es einer systematischen und methodisch basierten Erfolgskontrolle und Transfersicherung. Diese Erfolgskontrolle sollte nicht erst nach den durchgeführten Personalentwicklungsmaßnamen stattfinden, sondern idealerweise prozessbegleitend erfolgen. Beginnend bei der Bedarfsanalyse über die Zielsetzung, Planung, Gestaltung und Durchführung der Personalentwicklungsmaßnahmen sollte kontinuierlich kritisch überprüft werden, wie gut die geplanten und durchgeführten Personalentwicklungsmaßnahmen geeignet sind, um die identifizierten Entwicklungsbedarfe und die gesetzten nachhaltigkeitsbezogenen Personalentwicklungsziele zu erreichen. Zusätzlich muss im Rahmen der Transfersicherung auch geprüft werden, wie gut die gelernten Inhalte in den Arbeitsalltag übertragen und dort angewendet bzw. eingesetzt werden können. Denn erst die Anwendung des Gelernten im beruflichen Alltag ist als wesentlicher Erfolg der Bildungsmaßnahme zu werten. Das Evaluationsmodell von Kirkpatrick und seine Weiterentwicklung durch Phillips bietet für die Erfolgskontrolle einen praxisorientierten Ansatz (vgl. Kirkpatrick 1996). 13.3 Potenzialanalyse und Potenzialentwicklung 13.3.1 Potenzialanalyse Die Potenzialanalyse dient dazu, das Entwicklungspotenzial eines Mitarbeiters hinsichtlich seiner beruflichen Fähigkeiten und seines Leistungsverhaltens zu identifizieren und zu beurteilen. Damit ist die Potenzialanalyse immer zukunftsbezogen, basiert jedoch auch auf der Beurteilung der aktuellen Leistungen des Mitarbeiters. Potenzialbeurteilungen erfolgen i.d.R. individuell für einzelne Mitarbeiter, meistens zur Beurteilung konkreter Entwicklungsperspektiven z.B. für eine bevorstehende Stellenbesetzung oder auch für die individuelle Karriereplanung eines Mitarbeiters. Für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen ist die Potenzialentwicklung insofern wich- <?page no="272"?> 13.3 Potenzialanalyse und Potenzialentwicklung 273 tig, als dadurch die spezifischen bisherigen nachhaltigkeitsorientierten Leistungen identifiziert werden können, als auch die vorhandenen nachhaltigkeitsbezogenen Potenziale der Mitarbeiter ermittelt werden. Da nachhaltige Unternehmen besonderen Herausforderungen und einer höheren Komplexität hinsichtlich ihrer Unternehmenstätigkeit und Leistungserstellung unterliegen, ist die Potenzialanalyse der Mitarbeiter besonders wichtig, um die ökologischen, ökonomischen, sozialen oder auch innovationsbezogenen Leistungspotenziale der Mitarbeiter zu erkennen, gezielt zu fördern und dadurch die nachhaltige Leistungsfähigkeit des Unternehmens insgesamt zu steigern. Anhand der Potenzialbeurteilung können geeignete Personalentwicklungsmaßahmen (z.B. Aufstiegsbildung, nachhaltigkeitsbezogene Fördermaßnahmen, Karrieremanagement) für einzelne Mitarbeiter identifiziert werden. Angewendet wird sie meist für die Identifikation von Führungsnachwuchskräften und besonderen Talenten sowie zur Besetzung von Führungs- und besonderen Fachpositionen. Zur Durchführung der Potenzialanalyse und damit zur genaueren Ermittlung der Entwicklungs- und Leistungspotenziale eines Mitarbeiters eignen sich verschiedene Instrumente, die in der Tabelle 28 aufgeführt sind. Die Unterscheidung in Instrumente zur Leistungsbeurteilung und Instrumente zur Potenzialanalyse orientiert sich an der zeitlichen Perspektive der Leistungsbeurteilung. Die Instrumente der Leistungsbeurteilung bewerten die bisherige Leistung einer Person und sind daher vergangenheits- und gegenwartsorientiert. Dazu gehören der biografische Fragebogen, die Analyse der Personalakte, bisherige Leistungsbeurteilungen und Fähigkeitsanalysen, die freie Eindrucksschilderung, Einstufungsverfahren, Kennzeichnungs- und Auswahlverfahren, Rangordnungsverfahren sowie Gespräche mit früheren bzw. aktuellen Vorgesetzen. Tabelle 28: Instrumente der Leistungsbeurteilung Instrument Beschreibung biografischer Fragebogen Selbstbeschreibung einer Person, i.d.R. durch standardisierten Fragebogen zur bisherigen beruflichen Entwicklung und zu früheren Leistungen. bisherige Leistungsbeurteilungen Dokumentation früherer Leistungen, i.d.R. durch Beurteilungen Analyse der Personalakte Informationen über betriebsrelevante persönliche Daten und bisherige berufliche Entwicklung; dokumentiert in der Personalakte. Einstufungsverfahren Leistungs- und Fähigkeitsbeurteilung anhand verschiedener Kriterien (z.B. Arbeitsleistung, Arbeitsverhalten, Führungsverhalten, Zusammenarbeit), Bewertung anhand verbaler oder numerischer Skala. Rangordnungsverfahren Leistungsbewertung mehrerer Personen anhand ausgewählter Kriterien und Einordnung in eine Rangfolge. Ermöglicht Leistungsvergleich mehrerer Personen. Vorgesetztengespräch Leistungsbeurteilung durch Gespräch z.B. der Personalabteilung mit direktem Vorgesetztem. <?page no="273"?> 274 13 Nachhaltige Personalentwicklung Die Instrumente der Potenzialanalyse sind zukunftsorientiert und dienen dazu, die zukünftig erwarteten Leistungs- und Entwicklungspotenziale einer Person abzuschätzen. Geeignete Instrumente hierfür sind u.a. das Mitarbeitergespräch, ein Assessment Center, Arbeitsproben und psychologische Testverfahren. Tabelle 29: Instrumente der Potenzialanalyse Instrument Beschreibung Mitarbeitergespräch Persönliches Gespräch zur Bewertung früherer Leistungen mit Rückkopplung (Anerkennung / Kritik), zur gemeinsamen Beratung notwendiger Personalentwicklungsmaßnahmen und zur weiteren beruflichen Entwicklung eines Mitarbeiters. Mitarbeitergespräch stärkt Vertrauen und Zusammenarbeit. Wichtig ist eine regelmäßige Durchführung der Mitarbeitergespräche (mindestens einmal jährlich). Assessment-Center Beurteilung von Leistungen und Leistungspotenzialen von Personen durch verschiedene Übungen und Tests, Beobachtung und Bewertung durch mehrere neutrale Beobachter. Arbeitsproben Dokumentation bisheriger Leistungen durch konkrete Proben bzw. Ansichtsexemplare, z.B. Artikel, Gegenstände etc. Weit verbreitet in handwerklichen und kreativen Berufen. Probearbeiten Vorübergehende Übernahme bestimmter arbeitsbezogener Aufgaben zeigt, wie gut ein Proband mit den neuen Aufgaben qualitativ und quantitativ zurechtkommt. Psychologische Testverfahren Standardisierte Verfahren zur Beurteilung von z.B. Intelligenz, bestimmten Reaktionsleistungen, Konzentrationsleistungen, komplexer Aufgaben. 13.3.2 Potenzialentwicklung Wurden mit Hilfe der verschiedenen Instrumente zur Leistungsbewertung und Potenzialanalyse die zukünftigen nachhaltigkeitsorientierten Entwicklungspotenziale einer Person identifiziert und abgeschätzt, so gilt es nun im Rahmen der Potenzialentwicklung geeignete Maßnahmen auszuwählen und durchzuführen, um die identifizierten Potenziale auch tatsächlich zu fördern und zu entwickeln. Welche Entwicklungsmaßnahmen besonders geeignet sind zur Potenzialentwicklung, ist vom Einzelfall abhängig. Grundsätzlich kann die nachhaltigkeitsorientierte Potenzialentwicklung jedoch auf das vielfältige Instrumentarium der beruflichen Bildung und beruflichen Förderung zurückgreifen bzw. mit Weiterentwicklungen darauf aufbauen, um konkrete und individuelle Potenziale zu fördern. Wir kommen darauf in den folgenden Kapiteln zurück. <?page no="274"?> 13.4 Berufliche Bildung 275 13.4 Berufliche Bildung Die berufliche Bildung dient zur Vermittlung von Qualifikationen, die für die Erfüllung bestimmter beruflicher Aufgaben erforderlich sind (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 204). Die zu vermittelnden Qualifikationen umfassen Fachwissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen. Da sich die Themen- und Problemstellungen eines nachhaltigen Unternehmenshandelns grundlegend auf alle Unternehmen und Branchen erstrecken, müssen nachhaltigkeitsorientierte Inhalte auch systematisch in die berufliche Bildung integriert werden. Dazu erforderlich ist jedoch u.a. eine Entwicklung der Ausbildungsordnungen, der Rahmenlehrpläne und der Prüfungsordnungen. Auch die Curricula für die betriebliche und die schulische Berufsausbildung und Weiterbildung müssten weiterentwickelt werden ebenso wie konkrete Lehrmaterialen und integrierbare Lernmodule entwickelt werden müssten. In den letzten Jahren steigt die Anzahl der Initiativen, die sich mit der Integration nachhaltigkeitsrelevanter Inhalte in die berufliche Bildung sowie mit der Entwicklung neuer Berufe und Ausbildungen in nachhaltigen Aufgabenbereichen beschäftigten, wie Sie in den nächsten Kapiteln kennenlernen werden. Die weiteren Ausführungen orientieren sich an der Unterscheidung der folgenden Bildungsbereiche im Berufsbildungsgesetz (§1 BBiG): die berufsvorbereitende Bildung (d.h. Berufsausbildung), die berufserweiternde und berufsaktualisierende Bildung (d.h. Fortbildung) die berufsverändernde Bildung (d.h. Umschulung). Abbildung 100: Teilbereiche der Beruflichen Bildung <?page no="275"?> 276 13 Nachhaltige Personalentwicklung 13.4.1 Internationale Aktivitäten zur Förderung einer Bildung für nachhaltige Entwicklung Auf der internationalen Ebene wurde die Bedeutung der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung schon lange erkannt. Wichtige internationale Etappen zur Festschreibung von internationale Strategien und Aktivitäten zur Stärkung der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zeigt die Abbildung 101 und werden im folgenden kurz zusammengefasst. Im Jahr 2005 wird von der UN die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgerufen, die von 2005 bis 2015 läuft. Um die Thematik auch nach Ende der UN-Dekade weiterzuführen, beschließt die UN, unter Federführung der UNESCO die Entwicklung eines Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung ab Ende 2014. Das Weltaktionsprogramm beinhaltet eine Roadmap für die konkrete Umsetzung von Bildung für nachhaltige Entwicklung. Angesprochen sind alle internationalen und nationalen Akteure (u.a. Regierungen, NGO´s, andere Institutionen, Lehrende, Lernende). Die Roadmap enthält wesentliche Ziele und die wichtigsten Handlungsfelder für das Weltaktionsprogramm. So soll das Weltaktionsprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)“: Lernende dazu befähigen, „informierte Entscheidungen zu treffen und verantwortungsbewusst zum Schutz der Umwelt, für eine bestandsfähige Wirtschaft und einer gerechten Gesellschaft für aktuelle und zukünftige Generationen zu handeln und dabei die kulturelle Vielfalt zu respektieren. Es geht um einen lebenslangen Lernprozess, der wesentlicher Bestandteil einer hochwertigen Bildung ist. BNE ist eine ganzheitliche und transformative Bildung, die die Lerninhalte und -ergebnisse, Pädagogik und die Lernumgebung berücksichtigt. Ihr Ziel ist eine Transformation der Gesellschaft.“ (UNESCO 2014: Roadmap, S. 12) <?page no="276"?> 13.4 Berufliche Bildung 277 Abbildung 101: Internationale Vereinbarungen mit Bezug und Relevanz für eine Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (UNESCO 2014: Roadmap, S. 10) Das Weltaktionsprogramm soll die Vision der UN-Dekade erreichen, nämlich: „eine Welt, in der alle von Bildung profitieren können und die Werte, Verhaltensweisen und Lebensstile erlernen, die für eine nachhaltige Zukunft und für eine positive gesellschaftliche Transformation nötig sind” (UNESCO 2014: Roadmap, S. 12). Dafür sollen auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Bildung Aktivitäten initiiert werden, um den Prozess einer nachhaltigen Entwicklung zu verstärken. Das Weltaktionsprogramm verfolgt dabei einen zweifachen Ansatz: Erstens die Integration der nachhaltigen Entwicklung in die Bildung und zweitens die Integration der Bildung in die nachhaltige Entwicklung. Daraus resultieren zwei grundlegende Zielsetzungen: <?page no="277"?> 278 13 Nachhaltige Personalentwicklung Zielsetzung 1: „Neuorientierung von Bildung und Lernen, sodass jeder die Möglichkeit hat, sich das Wissen, die Fähigkeiten, Werte und Einstellungen anzueignen, die erforderlich sind, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen” Abbildung 102: Dimensionen des Konzeptes Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Zielsetzung 2: „Stärkung der Rolle von Bildung und Lernen in allen Projekten, Programmen und Aktivitäten, die sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen” (UNESCO 2014: Roadmap, S. 14) Doch wie können diese Zielsetzungen umgesetzt werden? Dazu wurden fünf prioritäre Handlungsfelder entwickelt, die in der Abbildung 103 dokumentiert sind. <?page no="278"?> 13.4 Berufliche Bildung 279 Abbildung 103: Prioritäre Handlungsfelder des Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ In Deutschland hat das BMBF hierzu u.a. auch schon seit mehreren Jahren Förderschwerpunkte geschaffen, die sich mit der Umsetzung einer nachhaltigen Bildung beschäftigen und entsprechende Initiativen fördern. Aktuell besteht der Förderschwerpunkt „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBnE)“, der von 2015 bis 2019 läuft und vom BIBB und dem BMBF geleitet und koordiniert wird. Derzeit gibt es in diesem Programm 27 Verbundpartner in 12 Modellversuchen in unterschiedenen Branchen, Unternehmen und Regionen (von Lüneburg bis München) und zwei wissenschaftlichen Begleitforschungen (vgl. BMBF 2016). Endgültige Forschungsergebnisse wird es hierzu erst 2019 geben. 13.4.2 Entwicklung nachhaltiger Berufsfelder Bereits in den 1980er Jahren hat die Auseinandersetzung mit Umweltschutz und betrieblichem Umweltmanagement zur Weiterentwicklung bestehender und zur Entwicklung neuer Berufsfelder und Aufgabenbereiche geführt. Damals entstanden vor allem im Bereich der Naturwissenschaften, der Umwelttechnik, der Umweltpolitik <?page no="279"?> 280 13 Nachhaltige Personalentwicklung aber auch in den Wirtschaftswissenschaften neue Themen-, Handlungs- und Berufsfelder, so zum Beispiel das Umweltmanagement in der Betriebswirtschaftslehre und die Umwelttechnik in den Ingenieurwissenschaften. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Auseinandersetzung auf die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung deutlich erweitert. Dies führte zu weiteren Veränderungen bestehender Berufsfelder durch die Integration ökologischer, umweltschutzbezogener, ökonomischer, umwelttechnischer und sozialer Inhalte. Aber auch neue Berufsfelder und Berufe haben sich entwickelt. Inhaltlich erstrecken sich die nachhaltigen Berufsfelder auf naturwissenschaftliche und technische, aber auch auf sozial- und geisteswissenschaftliche Bereiche, wie die folgende beispielhafte Zusammenstellung fachlicher Berufsfelder mit ausgewählten inhaltlichen Schwerpunkten zeigt: Berufsfelder Beispiele inhaltlicher Schwerpunkte naturwissenschaftliche Berufsfelder nachhaltige Wasserwirtschaft nachhaltige Waldwirtschaft nachhaltige Fischerei ökologische Landwirtschaft Klimawandel technische Berufsfelder erneuerbare Energien umweltverträgliche Technologien Kreislaufwirtschaft, Management von Stoffströmen innovative Gebäudegestaltung wirtschaftliche Berufsfelder nachhaltige Betriebswirtschaftslehre nachhaltiger Tourismus nachhaltiges Design (z.B. Modedesign, Industriedesign) Nachhaltigkeitsberichterstattung nachhaltige Produkte, Dienstleistungen Sozialwissenschaften Stadtplanung Umweltsoziologie Umweltpsychologie Kommunikation, Corporate Social Responsibility Geisteswissenschaften Nachhaltigkeitshumanwissenschaften Die steigende Anzahl weiterentwickelter und auch neu konzipierter nachhaltigkeitsorientierter Berufsfelder spiegelt den Bedarf nachhaltiger Institutionen (Unternehmen, Behörden, NGOs) nach Mitarbeitern mit ökologischen, ökonomischen, sozialen und innovativen Qualifikationen, um Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig zu entwickeln. Aus konzeptioneller Perspektive werden im folgenden Gestaltungsmöglichkeiten vorgestellt, wie nachhaltigkeitsorientierte Inhalte grundsätzlich in die berufliche Bildung und die berufliche Förderung integriert werden können. <?page no="280"?> 13.4 Berufliche Bildung 281 13.4.3 Berufsvorbereitende Bildung Als berufsvorbereitende Bildung wird die berufliche Erstausbildung verstanden. Sie vermittelt berufsbezogene Qualifikationen, die für die Ausübung einer konkreten beruflichen Tätigkeit erforderlich sind. Die berufliche Erstausbildung umfasst eine berufliche Grundausbildung, in der die wesentlichen und grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten des zukünftigen Aufgabenbereichs vermittelt werden sowie eine Fachausbildung, die spezifische berufsbezogene Kenntnisse und Fähigkeiten umfasst (vgl. Scholz 2014, S. 264) als auch den Erwerb von Berufserfahrung. Dabei wird ein Beruf als eine „legitime, dauerhafte, weitgehend freiwillige Spezialisierung individueller Leistungspotenziale und deren spezifischer Anwendung“ (Neuberger 1994, S. 104f.) gesehen, die der persönlichen Nutzenmehrung dient, aber auch zur gemeinschaftlichen Wertschöpfung in einer Gesellschaft beiträgt. Bei der berufsvorbereitenden Bildung lassen sich fünf grundsätzliche Bildungsmöglichkeiten unterscheiden: Die Anlernausbildung, die Berufsausbildung, das Duale Studium, Praktika, Volontariate und Traineeprogramme. 13.4.3.1 Anlernausbildung Die Anlernausbildung dient der kurzfristigen Vorbereitung eines Mitarbeiters auf die Übernahme von meist einfacheren Tätigkeiten eines bestimmten Arbeitsplatzes. Mit der Anlernausbildung ist keine abgeschlossene Berufsausbildung verbunden. Die Dauer der Anlernausbildung kann nur einige Tage, mehrere Wochen oder wenige Monate betragen (vgl. Scholz 2014, S. 265). Tätigkeitsbezogene nachhaltige Inhalte und z.B. umwelt- und arbeitsschutzorientierte Vorgaben und Vorschriften sollten aufgabenbezogen mit in die Anlernzeit integriert werden. Hierzu gehören Kenntnisse über gesetzliche arbeits- und umweltschutzrechtliche Vorschriften, der Umgang mit Gefahrstoffen, das Kennenlernen arbeitssicherheitstechnischer Vorgaben aber auch der umweltverträgliche Umgang mit Betriebsmitteln, Werkstoffen und weiteren arbeitsbezogenen Ressourcen. Zusätzlich können auch in einer Anlernausbildung nachhaltigkeitsbezogene Grundkenntnisse vermittelt werden. Das könnten z.B. aufgabenbezogene Regeln des unternehmensinternen Umweltmanagements sein sowie Hinweise und Vorgaben für ein sozial- und umweltverträgliches Arbeitsverhalten. 13.4.3.2 Berufsausbildung In Deutschland erfolgt die Berufsausbildung grundsätzlich in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen im dualen System. Das duale System der Berufsausbildung in Deutschland umfasst die Ausbildung im Betrieb sowie den Besuch i.d.R. staatlicher Berufsschulen und basiert auf dem Berufsbildungsgesetz (BBiG). Die Berufsschule als staatliche Ausbildungsinstitution vermittelt die jeweiligen berufsbezogenen theoretischen Grundlagen. Die praktischen Berufsausbildungsinhalte werden in den ausbildenden Unternehmen vermittelt. Die Inhalte, die Dauer (meist drei Jahre), die Mindestanforderungen sowie die Abschlussprüfung der Berufsausbildung sind gesetzlich geregelt. Die Abschlussprüfung erfolgt vor einem Prüfungsausschuss der jeweils zuständigen Kammer (z.B. Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Landwirtschaftskammer). Für freie Berufe gibt es eigene Kammern, wie z.B. die Steuerberater, Anwalts-, Apotheker- oder Ärztekammer. Auch für Ausbildungsberufe im öffentlichen Dienst, der Hauswirtschaft und der Seeschifffahrt gibt es jeweils eigene zuständige Stellen (vgl. Nicolai 2014, S. 337; vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 304 f.). <?page no="281"?> 282 13 Nachhaltige Personalentwicklung Abbildung 104: Institutioneller Rahmen der beruflichen Bildung Die Berufsausbildung dient demnach, wie es der Gesetzgeber formuliert, dazu „die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu gewährleisten.“ (§§1 Abs. 3 BBIG Berufsbildungsgesetz) Nach der erfolgreichen Berufsausbildung soll der Auszubildende in der Lage sein, seinen erlernten Beruf in unterschiedlichen Betrieben und Branchen ausüben zu können. Darüber hinaus kann von ihm erwartet werden, den Erhalt seiner beruflichen Qualifikation dadurch sicherzustellen, dass er sich an mögliche Veränderungen seiner beruflichen Arbeitsinhalte und Arbeitsstrukturen anpasst. Hierfür sind i.d.R. im Zeitverlauf auch Fortbildungsmaßnahmen notwendig, um die beruflichen Qualifikationen und Fähigkeiten zu aktualisieren (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 305). Die Anzahl der anerkannten oder als anerkannt geltenden Ausbildungsberufe in Deutschland hat sich in der Zeit von 1971 bis 2015 fast halbiert, von 606 Ausbildungsberufen in 1997 auf 328 Ausbildungsberufen im Jahr 2015 (vgl. http: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 156901/ umfrage/ ausbildungsberufe-in-deutsch- <?page no="282"?> 13.4 Berufliche Bildung 283 land/ ). Dabei wurden in den letzten ca. zwanzig Jahren viele Berufe den sich verändernden Arbeits- und Qualifikationsanforderungen angepasst, modernisiert und teilweise auch nachhaltigkeitsbezogene Inhalte in die Ausbildungsordnungen und -lehrpläne integriert. Darüber hinaus sind auch neue Berufe entstanden, darunter auch Berufe mit nachhaltigkeitsorientierten Aufgabenbereichen. So gibt es mittlerweile beispielsweise die Fachkraft für Abfall- und Kreislaufwirtschaft, umweltschutztechnische Assistenten / Assistentin, Technische Assistenten und Assistentinnen für nachwachsende Rohstoffe, technische Assistenten und Assistentinnen für regenerative Energien, Techniker/ -in der Fachrichtung Umweltschutztechnik, Umweltgutachter/ in, Energieberater/ in um nur einige zu nennen (vgl. http: / / planet-beruf.de/ eltern/ ausbildung-beruf/ arbeitsmarkt-berufe/ weitere-beitraege-arbeitsmarkt -berufe/ berufe-und-branchen/ nachhaltige-ausbildungsberufe/ , Abruf: 5.1.2017). Zur systematischen Integration berufsbezogener nachhaltigkeitsorientierter Inhalte in die verschiedenen Berufsausbildungen bedarf es der Festschreibung entsprechender Inhalte in den Rahmen-Curricula, in den Ausbildungsordnungen und den Ausbildungs- und Lehrplänen der einzelnen Berufe. Zusätzlich bedarf es der Schulung des Ausbildungspersonals und der Entwicklung geeigneter Ausbildungsmethoden. Hier gibt es erst in jüngerer Zeit einige Initiativen zur Integration ökologischer, sozialer und ökonomischer Inhalte und Kompetenzen in die berufliche Bildung. Beispielsweise besteht seit 2015 das Förderprogramm „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Über grüne Schlüsselkompetenzen zu klima- und ressourcenschonendem Handeln im Beruf“ (BBNE), das gemeinsam vom Bundesumweltministerium und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wird (vgl. https: / / www.esf.de/ portal/ DE/ Foerderperiode-2014-2020/ ESF-Programme/ bmub/ berufsbildungentwicklung-bbne.html). Das Ziel des Förderprogramms besteht darin, grüne Schlüsselkompetenzen zu entwickeln und damit das klima- und ressourcenschonendem Handeln im Beruf zu fördern (vgl. ebenda). In 14 Projekten soll insgesamt erprobt und gezeigt werden, wie nachhaltiges Handeln im beruflichen Alltag möglich ist und wie grundsätzlich ein „Greening“ von Berufen und der Arbeitswelt befördert werden kann (vgl. BMUB Pressemitteilung Nr. 055 vom 13.02.2017). Abbildung 105: Projekte im Förderprogramm Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung befördern. (http: / / www.bmub.bund.de/ themen/ umweltinformation-bildung/ bildungsservice/ foerderprojekte/ nachhaltige-arbeitswelt/ ) <?page no="283"?> 284 13 Nachhaltige Personalentwicklung Das Förderprogramm möchte auch einen Anstoß geben für die grundlegende ökologische Umgestaltung der Berufe und die systematische Integration ökologischer, ökonomischer und sozialer Inhalte in die Berufe und Berufstätigkeiten. Dafür bedarf es sogenannter „green skills“ bzw. grüner Schlüsselkompetenzen, die inhaltlich jedoch noch nicht eindeutig präzisiert sind. In Anlehnung an die Vorschläge von der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und des European Centre for the Development of Vocational Training (CEDEFOP) wurden in der Studie „Skills for Green Jobs“ im Jahr 2011 wesentliche grüne Schlüsselkompetenzen erarbeitet (vgl. http: / / ilo.org/ wcmsp5/ groups/ public/ ---ed_emp/ ---ifp_skills/ documents/ publication/ wcms_ 156220.pdf). Dazu gehören u.a. (vgl. Umwelt im Unterricht 2017): Innovationskompetenz, um Herausforderungen begegnen zu können Beratungskompetenz, um Konsumenten über umweltverträgliche Problemlösungen und Technologien zu informieren unternehmerische Fähigkeiten und Fertigkeiten, um umweltverträglichere Technologien zu entwickeln und zu nutzen Umweltbewusstsein und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung Die Maßnahmen des Förderprogramms erstrecken sich auf zwei Handlungsfelder (vgl. https: / / www.esf.de/ portal/ DE/ Foerderperiode-2014-2020/ ESF- Programme/ bmub/ berufsbildung-entwicklung-bbne.html): gewerkeübergreifende Qualifizierung in der energetischen Gebäudesanierung Greening von Berufen Zugänge und Handlungsmöglichkeiten Über das gerade vorgestellte Förderprogramm hinaus gibt es noch weitere Initiativen und Modellprojekte zur Integration nachhaltiger Inhalte und Kompetenzen in die berufliche Bildung. So fördert aktuell auch das BIBB verschiedene nachhaltige Modellprojekte, die in mehreren Berufsfeldern nachhaltige Inhalte in die einzelnen Ausbildungsverordnungen integrieren und erproben (vgl. BIBB-Pressemitteilung, 2016). 13.4.3.3 Soziale Verantwortung und soziales Engagement im Ausbildungsbereich Ihre soziale Verantwortung im Ausbildungsbereich können nachhaltige Unternehmen dadurch stärken, dass sie z.B. auch benachteiligten und lernschwächeren Menschen sowie Auszubildenden mit besonderen Förderungsbedarfen einen Zugang zu Ausbildungsberufen ermöglichen. Zu den benachteiligten Personengruppen zählen insbesondere Schulabgänger ohne Abschluss, Schulabgänger mit einem Hauptschulabschluss sowie behinderte junge Menschen. Das erfordert, zukünftige Auszubildende nicht nur nach den üblichen Leistungskriterien (i.d.R. Schulnoten und Grad des Schulabschlusses) zu bewerten, sondern vor allem ihre Potenziale und Neigungen zu identifizieren, um auch benachteiligten Menschen den Zugang zu einer Ausbildung zu ermöglichen. Dazu gehören Initiativen, die jungen Menschen ohne Schulabschluss beispielsweise durch Fördermaßnahmen oder ausbildungsvorbereitende Maßnahmen die nötige Ausbildungsreife vermitteln. Beispielsweise bietet die Porsche AG für Schulabgänger ohne Abschluss ein sogenanntes Förderjahr an, das bei erfolgreichem Abschluss in ein Ausbildungsverhältnis bei Porsche münden kann (vgl. PORSCHE AG Nachhaltigkeitsbericht 2013, S. 62). <?page no="284"?> 13.4 Berufliche Bildung 285 Auch die stärkere Akzeptanz von Schulabgängern mit Hauptschulabschluss für vielfältigere Ausbildungen wäre eine wichtige Maßnahme. Bislang erwarten Unternehmen von den Schulabgängern für viele Ausbildungsberufe mindestens einen Realschulabschluss, oft auch ein Abitur als Ausbildungsvoraussetzung. Auch behinderte Menschen haben es immer noch sehr schwer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen (vgl. https: / / www.myhandicap.de/ job-ausbildung-behinderung/ ausbildungplatz-chancen-jugendliche-handicap/ ). Hier sollten sich gerade nachhaltige Unternehmen stärker engagieren und Behinderten mehr Ausbildungsmöglichkeiten anbieten. So lag der Anteil der körperlich Behinderten an den neuen Auszubildenden bei der PORSCHE AG im Jahr 2012 bei knapp 5 % (vgl. POR- SCHE AG 2014, S. 62). Praxisbeispiel auticon „Autismus ist kein Systemfehler, sondern ein anderes Betriebssystem“ (http: / / auticon.de/ ) Die auticon GmbH mit Sitz in Berlin ist ein IT-Dienstleister und beschäftigt als erstes Unternehmen in Deutschland ausschließlich Menschen mit Autismus als IT-Consultants. Damit verbindet das Unternehmen wirtschaftliche mit sozialen Zielen. Die autistischen Fähigkeiten werden in der Informationstechnologie als besondere Stärke gesehen. So werden Arbeitsplätze geschaffen, die den Menschen im Autismus-Spektrum eine berufliche Tätigkeit und Entwicklung ermöglichen und gleichzeitig der Wirtschaft und Gesellschaft einen nachhaltigen Ertrag bringen. Autistische Mitarbeiter verfügen oft über besondere Begabungen in den Bereichen Logik, Detailgenauigkeit, Mustererkennung, Ausdauer und Qualitätsbewußtsein. Viele autistische Menschen haben ein ausgeprägtes Interesse an IT, Physik, Mathematik und Technik. Auticon wurde Ende 2011 von Drik Müller-Remus gegründet. Auslöser war, dass im Jahr 2007 bei einem Kind von Herrn Müller-Remus im Alter von 14 Jahren das Asperger Syndrom diagnostiziert wurde, das eine mildere Form von Autismus ist. „Bei einem Besuch einer Selbsthilfegruppe mit dem Titel „Autismus und Arbeit“ stellten 20 Asperger-Autisten zwischen 25 und 50 Jahren ihren beruflichen Werdegang vor. Trotz guter Ausbildung waren sie allesamt arbeitslos. Tatsächlich sind über 85% aller Autisten in Deutschland arbeitslos. Diese Erkenntnis und die einseitige defizitorientierte Wahrnehmung von Autisten in der Öffentlichkeit waren für Dirk Müller-Remus die Initialzündung zur Gründung von auticon. Dirk Müller-Remus ist nicht mehr in der Geschäftsführung tätig, steht dem Unternehmen als Gesellschafter aber jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Inzwischen wird das Unternehmen von Kurt Schöffer, einem internationalen Unternehmer in den Bereichen IT, Energie und Media, geführt. Kurt Schöffer ist selbst einer der Investoren der auticon GmbH und hat das Unternehmen maßgeblich aufgebaut.“ (http: / / auticon.de/ unternehmen/ ). Typische Stärken von Menschen im Autismus-Spektrum sind: Mustererkennung und Etailgenauigkeit, Aufmerksamkeit und Ausdauer, angeborenes Qualitätsbewusstsein, Spezialinteressen, Leidenschaft für die Sache sowie absolute Ehrlichkeit. <?page no="285"?> 286 13 Nachhaltige Personalentwicklung Typische Herausforderungen sind hohe Reizempfindlichkeit, geringes Verständnis für nonverbale Signale im Bereich der Kommunikation, kaum Aufnahme und Halten von Blickkontakt, kaum Körperkontakt sowie Stress bei Smalltalk. Erfolgsrezept: auticon Job Coaches und IT-Projektmanager Job Coaches stellen ein Autismus-gerechtes Arbeitsumfeld sicher, in dem die Consultants ihre Stärken am Besten nutzen können. IT-Projektmanager führen unsere Consultants in technischen und fachlichen Dingen und unterstützen sie bei der persönlichen Entwicklung. Dabei stehen immer die individuellen Stärken und Interessen im Fokus. Was haben die beschäftigen autistischen Mitarbeiter (Consultants) davon Vorbereitung der Consultants auf ihren zukünftigen Arbeitsplatz beim Kunden an die Projektanforderungen Team-Briefing beim Kunden zum Thema Autismus und Vorstellung des Consultants mit allen Stärken, individuellen Eigenschaften und Dingen, die unnötigen Stress auslösen und somit vermieden werden können Einsatz der Consultants entsprechend Ihrer Stärken und Spezialinteressen Unterstützung bei der Planung und Durchführung des Arbeitsweges Ermöglichung von Anpassungen im Arbeitsumfeld, sofern nötig und/ oder möglich Vermittelndes Feedback zwischen Kunde und Consultant - Art und Menge der Unterstützung kann der Consultant selbst entscheiden Coaching-Angebot und Fortbildungen zur Förderung der individuellen Stärken Jede weitere individuelle Unterstützung je nach Bedarf Förderung des Kontaktes und Austausches mit anderen autistischen Kollegen, sodass angemessener fachlicher Austausch ohne störende Small- Talk-Themen möglich sind Akzeptanz und Wertschätzung der individuellen Persönlichkeiten unserer autistischen Kollegen „auticon hat mir ermöglicht, dass ich so arbeiten kann, wie ich gerne arbeiten möchte - nämlich mit dem hundertprozentigen Fokus auf Qualität. So kann ich mich auf das konzentrieren, was ich gerne mache und was ich besonders gut kann.“ Marin Neumann, I auticon-Consultant. Quelle: http: / / auticon.de/ warum-auticon-it-beratung/ Praxisbeispiel 16: Praxisbeispiel auticon GmbH (http: / / auticon.de/ ) <?page no="286"?> 13.4 Berufliche Bildung 287 Abbildung 106: Deutschlandweite Programme und Projekte im Rahmen der Initiative „Stark-für-Ausbildung“ <?page no="287"?> 288 13 Nachhaltige Personalentwicklung Unter dem Motto „Stark für Ausbildung“ unterstützten die Industrie- und Handelskammern sowie die Bundesregierung deutschlandweit viele Programme und Projekte, um die Ausbildungschancen von benachteiligten Jugendlichen zu fördern, wie die Abbildung 106 zeigt. Aber auch viele Unternehmen haben sich engagiert, so dass es mittlerweile vielfältige erfolgreiche Praxisbeispiele zur Integration benachteiligter Jugendlicher in die Ausbildung gibt (vgl. http: / / www.stark-fuer-ausbildung.de/ praxisbeispiele/ ). Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Initiativen von Bund und Ländern, den IHKs sowie weiteren Organisationen, in denen Unternehmen bei ihrem Ausbildungsengagement für benachteiligte oder behinderte Jugendliche unterstützt werden. Ein weiteres Engagement nachhaltiger Unternehmen könnte im Bereich von Ausbildungen in Teilzeit liegen. Dies sind sozial verträgliche Ausbildungsmöglichkeiten gerade für junge Eltern bzw. Alleinerziehende, um trotz ihrer familiären Verpflichtungen eine Ausbildung absolvieren zu können. 13.4.3.4 Duales Studium Das Konzept der dualen Ausbildung wird im dualen Studium auf die Hochschulausbildung übertragen. Das entspricht dem gestiegenen Bedarf vieler Unternehmen an Mitarbeitern mit einem Hochschulabschluss und hat gleichzeitig den Vorteil einer praxisorientierten Hochschulausbildung. Auch im Dualen Studium erfolgt die Ausbildung zweigeteilt: Die theoretischen Kenntnisse und Fähigkeiten werden an einer Hochschule oder Berufsakademie erworben, während die praktische Ausbildung im Unternehmen vermittelt wird. Die Inhalte, die Dauer und der Ablauf der dualen Hochschulausbildung sowie die Betreuung der Studierenden werden zwischen den beteiligten Institutionen (Hochschule und Unternehmen) abgestimmt und aufgeteilt (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 309 f.). Wie die Abbildung 107 zeigt, ist die Anzahl dualer Studiengänge im Zeitraum von 2004 bis 2014 von 512 Studiengängen (im Jahr 2004) auf 1.505 Studiengänge im Jahr 2014 gestiegen. Dies verdeutlicht die mittlerweile hohe Bedeutung dieser Ausbildungsform. Auch zeigt die Abbildung, dass es verschiedene Modelle eines Dualen Studiums gibt. Neben verschiedenen Mischformen lassen sich als zwei wesentliche Varianten das ausbildungsintegrierende Modell und das praxisintegrierende Modell unterscheiden. Beim ausbildungsintegrierenden Modell erhält der Studierende einen Doppelabschluss: einen Studienabschluss (meist Bachelor) und eine vollständige Berufsausbildung. Das praxisintegrierende Modell umfasst einen Studienabschluss (meist Bachelor) sowie eine feste praktische Tätigkeit, allerdings ohne Berufsausbildung. Die meisten dualen Studiengänge werden in den Fachrichtungen Ingenieurwesen und den Wirtschaftswissenschaften angeboten. Mittlerweile ist auch das Angebot an dualen Studiengängen im verschiedenen Fachrichtungen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit gestiegen (vgl. Tabelle 30). Hier können sich nachhaltige Unternehmen gezielt im Angebot nachhaltiger Ausbildungsplätze bzw. Beschäftigungsangebote für duale Studiengänge mit nachhaltigen Inhalten engagieren und bei Bedarf auf Absolventen dualer Studiengänge mit nachhaltigen Qualifikationen zurückgreifen. Die Tabelle 30 gibt einen kleinen Einblick in das Angebot. <?page no="288"?> 13.4 Berufliche Bildung 289 Abbildung 107: Duales Studium (http: / / www.einstieg.com/ uploads/ pics/ infografik_ duales_studium_zahlen_und_fakten.jpg) Tabelle 30: Beispiel Dualer Studiengänge zum Themenfeld Nachhaltigkeitsmanagement Ort Hochschule Dualer Studiengang Aachen Fachhochschule Aachen, Standort Jülich (FH staatlich) http: / / fh-aachen.de Duales Bachelor Studium Maschinenbau PLuS, Vertiefungsrichtung Umwelttechnologie (B.Eng.) Alfter Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft (KM, privat) www.alanus.edu Betriebswirtschaftslehre (Wirtschaft neu denken) wird auch als dualer Studiengang angeboten (B.A.; M.A.) Bad Honnef u.a. IUBH Internationale Hochschule Bad Honnef (FH, privat) Management nachhaltiger Energien (B.A.) <?page no="289"?> 290 13 Nachhaltige Personalentwicklung Berlin Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin http: / / www.hwr-berlin.de Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement (M.A.) Braunschweig Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH, staatlich) http: / / www.ostfalia.de Energie- und Gebäudetechnik, Schwerpunkt erneuerbare Energien (B.Eng.) Erfurt Adam Ries Fachhochschule, Campus Erfurt (FH, privat) http: / / arfh.de Nachhaltige Energieökonomie, Schwerpunkt erneuerbare Energien, (B.A.) Gelsenkirchen Fachhochschule Gelsenkirchen (FH, staatlich) http: / / fh-gelsenkirchen.de Kooperativer Bachelor Studiengang Elektrotechnik mit Schwerpunkt Solartechnik / Regenerative Energien (B.Eng.) Hamburg Berufsakademie Hamburg (BA, staatlich) http: / / ba-hamburg.de Duales Bachelor Studium Technik und Management Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (B.A.) Hof Hochschule Hof http: / / www.hof-university.de Umweltingenieurwesen (B.Eng.) Köthen Hochschule Anhalt (FH Anhalt) am Standort Köthen in Kooperation mit der Q-Cells AG in Bitterfeld-Wolfen sowie dem Fraunhofer-Centrum für Silizium Photovoltaik CSP in Halle (FH, staatlich) http: / / hs-anhalt.de Solartechnik (B.Eng.) Lüchow Akademie für Erneuerbare Energien (privat) http: / / www.akademie-ee.de Wirtschaftsingenieur, Schwerpunkt Energie/ Umwelt (B. Eng.) Erneuerbare Energien (M.Sc.) Merseburg Fachhochschule Merseburg (FH staatlich) Dualer Studiengang mit Möglichkeit der Schwerpunktsetzung im Bereich Erneuerbarer Energien (B.Eng.) Trier Hochschule Trier (FH, staatlich) http: / / www.hochschule-trier.de Nachhaltige Ressourcenwirtschaft (B.A.) Umwelt- und Wirtschaftsinformatik (B.Sc.) Stuttgart u.a. Duale Hochschule Baden-Württemberg http: / / www.dhbw.de Energie- und Umwelttechnik (B.A.) Umwelttechnik (B.A.) Biofasertechnik (M.A.) Das steigende Angebot an dualen Studiengängen mit nachhaltigkeitsorientierten Inhalten spiegelt die gestiegene Bedeutung ökologischer, ökonomischer und sozialer Qualifikationen für ein nachhaltiges Unternehmenshandeln. Gleichzeitig ermöglicht es den Unternehmen, entsprechende nachhaltigkeitsbezogenen Aufgabenbereiche auch in ihre praktische Ausbildung im Rahmen des Dualen Studiums zu integrieren. <?page no="290"?> 13.4 Berufliche Bildung 291 Praxisbeispiel Praktikum bei der Deutschen Bahn Praxisbeispiel 17: Praktikumsangebote bei der Bahn Quelle: https: / / karriere.deutschebahn.com/ de/ de/ suche/ stellenboerse/ ? searchOpt=js&facet.facetCountry=&cityquery=&cityid=&longitude=&latitude=&radius=25&textquery=Nachhaltigkeitsmanagement&type=layer 13.4.3.5 Praktika / Volontariate Praktika und Volontariate (Praktika im journalistischen Bereich) werden auch der berufsvorbereitenden Ausbildung zugeordnet. Es sind befristete Arbeitseinsätze, bei denen die Praktikanten einen Einblick in berufliche Aufgabenbereiche erhalten und einfache berufsbezogene Tätigkeiten übernehmen. In vielen Studiengängen sind Praktika in Unternehmen oder Organisationen als fester Ausbildungsbestandteil integriert und dienen zum Kennenlernen der beruflichen fachbezogenen Praxis in Unternehmen bzw. Institutionen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 75). Praktika oder auch Volontariate bieten den Praktikanten bzw. Volontären eine gute Möglichkeit, nachhaltigkeitsorientierte unternehmensbezogene Problemstellungen und Aufgabenbereiche in der Praxis kennenzulernen und klar abgegrenzte nachhaltigkeitsbezogene Aufgabenstellungen zu bearbeiten. Für die Unternehmen, die nachhaltigkeitsbezogene Praktika oder Volontariate anbieten (vgl. Praxisbeispiel 17), ergeben sich folgende Vorteile: Erstens können einfache nachhaltigkeitsbezogene Aufgabenbereiche durch <?page no="291"?> 292 13 Nachhaltige Personalentwicklung die Praktikanten oder Volontäre als zusätzliche zeitlich befristete Arbeitskräfte bearbeitet werden. Zweitens bringen die Praktikanten bzw. Volontäre vielleicht auch neue Sichtweisen, Ideen oder Herangehensweisen an die nachhaltigen Problemstellungen des Unternehmens mit, wodurch möglicherweise neue Problemlösungen entwickelt werden können. Drittens lernen sowohl die Praktikanten das Unternehmen und andererseits auch das Unternehmen die Praktikanten kennen. Hieraus können auf beiden Seiten mögliche spätere Aufgabenbereiche bzw. zukünftige neue Mitarbeiter entdeckt wer-den, die die nachhaltige Orientierung des Unternehmens wertschätzen und gleichzeitig schon einige der unternehmensspezifischen nachhaltigen Aufgabenbereiche kennengelernt haben, die sie als zukünftige Arbeitsfelder interessieren. 13.4.3.6 Traineeprogramme Traineeprogramme sind besondere Programme zur systematischen Einarbeitung von Hochschulabsolventen in die Unternehmenspraxis (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 310 ff.). Während das duale Studium einen ausgeprägten Praxisbezug aufweist, steht bei einem Universitätsstudium die theoretische Ausbildung stark im Vordergrund, und auch bei dem stärker praxisorientierten Fachhochschulstudium dominiert noch die theoretische Ausbildung. Daher bieten Unternehmen Hochschulabsolventen häufig spezielle Einarbeitungsprogramme (sog. Traineeprogramme) an, in denen ein Absolvent (Trainee) das Unternehmen mit seinen verschiedenen Geschäfts- und Aufgabenbereichen, seinen organisatorischen Strukturen, seinen individuellen Arbeitsbedingungen und -anforderungen sowie seiner Unternehmenskultur detaillierter kennen lernt. Es dient quasi als längere und intensive Einarbeitungsphase für den Hochschulabsolventen, in der er oder sie - je nach konkretem Programm - verschiedene Aufgabenbereiche durchläuft (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 426 f.). Da die Inhalte und Konzeptionen der Trainee-Programme auf die unternehmensbezogenen Besonderheiten abgestimmt sind, können nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen ihre spezifische soziale, ökonomische, ökologische oder auch innovationsbezogene Ausrichtung sowie entsprechende Aufgabenbereiche gut in die eigenen Traineeprogramme integrieren. Trainee-Programme haben insbesondere die folgenden drei Funktionen (Ferring/ Thom 1981, S. 22): Ausbildungs- und Förderfunktion Image- und Anreizfunktion Beschaffungs- und Versorgungsfunktion Ausbildungs- und Förderfunktion: Hochschulabsolventen erhalten mit dem Trainee-Programm kurz- und mittelfristig eine unternehmensspezifische ergänzende Ausbildung und detaillierte Einarbeitung. Hierbei lernen sie auch die Besonderheiten, Werte, Strategien und nachhaltigkeitsbezogenen Aufgabenbereiche der Arbeitgeber kennen. Dadurch qualifiziert das Unternehmen die Trainees für die unternehmensspezifischen nachhaltigen Aufgabenbereiche und Besonderheiten und schafft sich zusätzlich einen Pool an nachhaltig qualifizierten Fach- oder Führungsnachwuchskräften. Nach Abschluss des Traineeprogramms wird i.d.R. ein Teil der Trainees übernommen. Die anderen müssen sich eine andere Arbeitsstelle suchen, können jedoch auf Wunsch in dem Traineepool mit ihren Daten verbleiben, so dass das Unternehmen später bei Bedarf auf sie zurückgreifen kann. <?page no="292"?> 13.4 Berufliche Bildung 293 Image- und Anreizfunktion: Traineeprogramme sind bei Hochschulabsolventen ein beliebter Einstieg in die Unternehmenspraxis. Bieten Unternehmen nachhaltigkeitsorientierte Traineeprogramm mit spezifischen ökologischen, sozialen oder umweltorientierten Inhalten oder Spezialisierungen an, so steigert dies auch das nachhaltige Unternehmensimage am externen und internen Arbeitsmarkt. Zusätzlich bieten erfolgreich bestandene Traineeprogramme interessante Beschäftigungs- und Karriereperspektiven in nachhaltigkeitsorientierten Aufgabenfeldern für die Trainees, was einen zusätzlichen Anreiz zur Absolvierung eines Traineeprogramms darstellt. Beschaffungs- und Versorgungsfunktion: Da Traineeprogramme für Hochschulabsolventen attraktiv sind, erleichtern sie die Beschaffung von gut qualifizierten und nachhaltigkeitsspezifisch ausgebildeten Fach- und Führungskräften vom externen Arbeitsmarkt. So können nachhaltige Unternehmen mit Traineeprogrammen diejenigen Hochschulabsolventen ansprechen, denen nachhaltige Werte, Unternehmensstrategien und Handlungsweisen wichtig sind und die daher als zukünftige Mitarbeiter - bei guter und fachlich passender Qualifikation - interessante und gut geeignete Nachwuchskräfte für das nachhaltige Unternehmen sind. Unternehmensintern können die Potenziale der Mitarbeiter durch Traineeprogramme identifiziert und gefördert werden, wobei eine unternehmensinterne Besetzung von Fach- und Führungspositionen für das Unternehmen i.d.R. kostengünstiger ist als eine externe Mitarbeiterbeschaffung und gleichzeitig die Unabhängigkeit vom externen Arbeitsmarkt steigert. Auch für die ökologische oder soziale Weiterentwicklung von Nachwuchskräften für spezifische nachhaltigkeitsorientierte Aufgabenbereiche können Traineeprogramme eingesetzt werden. In der Praxis sind konkrete nachhaltigkeitsorientierte Angebote an Traineeprogrammen noch wenig sichtbar. Ein Traineeprogramm dauert in der Regel zwischen 6 und 24 Monaten und kann in unterschiedlichen Varianten konzipiert werden. Die grundlegenden Varianten von Traineeprogrammen zeigt die Abbildung 108 (vgl. Becker 2005, S. 354 f.). Abbildung 108: Varianten des Trainee-Programms (Quelle: Stopp/ Kirschten 2012, S. 311) Bei einem ressortübergreifenden Traineeprogramm durchläuft der Trainee die wesentlichen Funktions- und Aufgabenbereiche eines Unternehmens ohne jedoch eine besondere Spezialisierung zu wählen. In jedem der ausgewählten Funktionsbereiche arbeitet der Trainee für einen begrenzten Zeitraum mit und lernt so die Besonderheiten der verschiedenen Aufgabenbereiche kennen. Das Ziel des Einarbeitungsprogramms besteht hier im Wesentlichen in einer umfassenden unternehmensweiten Einarbeitung, dem Kennenlernen aller wesentlichen Aufgabenbereiche und der Integration des Trainees in das Unternehmen. Erst am Ende des Traineeprogramms entscheiden <?page no="293"?> 294 13 Nachhaltige Personalentwicklung Trainee und Unternehmen gemeinsam über den zukünftigen fachlichen bzw. funktionsorientierten Einsatzbereich des Trainees. Ein ressortübergreifendes Traineeprogramm mit Fachausbildung besteht aus zwei Programmteilen. Im ersten Teil des Einarbeitungsprogramms lernt der Trainee alle wesentlichen Unternehmensbereiche kennen und erhält damit eine Art Grundausbildung. Im zweiten Teil erfolgt eine fachspezifische Ausbildung, die auf einen bestimmten Fachbzw. Funktionsbereich ausgerichtet ist, in den sich der Trainee einarbeitet und in dem er auch eigenverantwortliche Aufgaben übernimmt. Hier könnten z.B. gezielt nachhaltigkeitsorientierte (z.B. soziale, ökologische, umwelttechnische) Aufgabenbereich als fachliche Spezialisierung in die Traineeprogramme mit aufgenommen werden. Ein ressortbegrenztes Traineeprogramm mit Vertiefungsphase ist von vornherein auf einen bestimmten Fachbzw. Funktionsbereich im Unternehmen begrenzt (z.B. Einkauf, Personalmanagement, Produktion, Vertrieb). Der Trainee bekommt zunächst einen Überblick über den gesamten Funktionsbereich und kann sich anschließend detaillierter in ein Teilaufgabengebiet dieses Funktionsbereichs einarbeiten. Hier gilt es, die nachhaltigkeitsbezogenen Besonderheiten des jeweiligen Funktions- oder Fachbereichs besonders hervorzuheben und zu vermitteln. 13.4.4 Berufserweiternde und berufsaktualisierende Bildung Als Fortbildung werden alle Bildungsmaßnahmen bezeichnet, die auf den berufsspezifischen Qualifikationen nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung aufbauen (vgl. §1ff. BBiG). Dazu gehören die folgenden Teilbereiche (vgl. Scholz 2014, S. 265): die Anpassungsfortbildung die Aufstiegsfortbildung die Ergänzungsfortbildung Die Anpassungsfortbildung dient der Aktualisierung des berufsbezogenen Wissens. Da sich die beruflichen Anforderungen und das berufsbezogene Wissen in immer kürzeren Abständen verändern bzw. bestehende berufliche Qualifikationen auch schneller veralten, ist eine regelmäßige Anpassung und Aktualisierung der berufsbezogenen Qualifikationen in allen Berufsfeldern erforderlich. Gerade die regelmäßige Aktualisierung nachhaltigkeitsrelevanten Wissens ist wichtig, um die Mitarbeiter auf dem aktuellen Wissensstand zu halten und auch über z.B. neue Strategien, Instrumente oder Technologien für ein ökologisch und sozial verträgliches Handeln in ihren Aufgabengebieten zu informieren. Wichtig ist hier auch das Aufzeigen neuer Erkenntnisse über Wirkungszusammenhänge und den Erfolg bisheriger Problemlösungsstrategien (z.B. neue emissionsarme Technologien). Zur Anpassungsfortbildung gehören neben der Vermittlung aktueller Fachkenntnisse auch die Einarbeitung neuer Mitarbeiter sowie die Wiedereingliederung von Mitarbeitern, die längere Zeit nicht im Unternehmen tätig waren (z.B. aufgrund längerer Krankheit oder von Erziehungszeiten). Die Aufstiegsfortbildung dient der Erweiterung und Vertiefung berufsbezogener Qualifikationen, um Mitarbeiter auf andere oder qualitativ anspruchsvollere berufliche Aufgaben vorzubereiten. Das können beispielsweise neue Führungsaufgaben sein oder die Übernahme anspruchsvollerer oder komplexerer inhaltlicher Aufgaben, z.B. als Spezialist für das Umweltschutzmanagement eines Unternehmens. Hierzu weren <?page no="294"?> 13.4 Berufliche Bildung 295 u.a. Maßnahmen der Nachwuchsförderung sowie der Führungskräfteentwicklung gezählt. Voraussetzung für die Aufstiegsfortbildung ist i.d.R. eine Potenzialanalyse der Mitarbeiter, um deren Entwicklungsfähigkeiten und -wünsche möglichst genau identifizieren zu können. Die Ergänzungsfortbildung dient dem Erwerb neuer Qualifikationen, allerdings unabhängig von bestehenden beruflichen Qualifikationen. Denkbar wäre z.B. das Erlernen einer weiteren Fremdsprache, oder eine zusätzliche fachliche Spezialisierung, die jedoch im unmittelbaren beruflichen Anforderungsprofil nicht vorgesehen ist. 13.4.5 Berufsverändernde Bildung Die berufsverändernde Bildung dient dazu, Mitarbeiter in einem anderen als dem bislang erworbenen oder ausgeübten Berufsfeld zu qualifizieren. Eine derartige Umschulung kann notwendig werden, wenn ein Mitarbeiter seinen bisherigen Beruf aufgrund von z.B. Krankheit, Unverträglichkeiten (z.B. Allergien) oder auch aufgrund des Wegfalls bestehender Aufgabenbereiche im Unternehmen (z.B. durch Umstrukturierungen) nicht mehr ausüben kann. Es können aber auch persönliche Gründe dafür ausschlaggebend sein, dass eine Person ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben möchte oder physisch oder psychisch nicht mehr ausüben kann. In diesen Fällen ist eine Umschulung angezeigt. Das heißt, dass die Person eine neue berufliche Qualifikation erlernt. Nachhaltigkeitsorientierte Berufe und Aufgabenbereiche können hier interessante und sinnstiftende Perspektiven für eine Umschulung darstellen. 13.4.6 Studienangebote im Bereich Nachhaltigkeit Mittlerweile gibt es in Deutschland auch verschiedene Studiengänge (BA, MA, Diplom), die sich in unterschiedlichen Themen- und Fachbereichen mit Fragestellungen der Nachhaltigen Entwicklung beschäftigen und entsprechende Lehrinhalte vermitteln. Die folgende Tabelle gibt einen Eindruck von der Vielseitigkeit der Studienangebote ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Tabelle 31: Beispiele für Studiengänge in Deutschland zum Themenfeld Nachhaltigkeitsmanagement Ort Hochschule Studiengang (B = Bachelor, M = Master) Alfter Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft (KM, privat) www.alanus.edu Betriebswirtschaftslehre (Wirtschaft neu denken) (B.A.) Nachhaltiges Wirtschaften (B.A.) Berlin Technische Universität Berlin (U, staatlich) www.tu-berlin.de Nachhaltiges Management (B.Sc.) Berlin ESCP Europe Campus Berlin (U, privat) http: / / www.escpeurope.de Sustainablility Management (M.Sc.) <?page no="295"?> 296 13 Nachhaltige Personalentwicklung Bochum Hochschule Bochum (FH, staatlich) http: / / www.hochschule-bochum.de Nachhaltige Entwicklung (B.Sc; M.Sc.) Bochum Hochschule Bochum (FH, staatlich) http: / / www.hochschulebochum.de Angewandte Nachhaltigkeit (M.Sc.) Braunschweig Technische Universität Carolo- Wilhelmina zu Braunschweig (U, staatlich) http: / / www.tu-braunschweig.de Pro Water Nachhaltigkeitsmanagement und Schutz von Gewässern (M.Sc.) Darmstadt Hochschule Darmstadt (FH, staatlich) http: / / www.h-da.de Risk Assessment and Sustainability Management (M.Sc.) Eberswalde Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH, staatlich) http: / / www.hnee.de International Forest Ecosystem Management (B.Sc.) Ökolandbau und Vermarktung (B.Sc.) Global Change Management (M.Sc.) Nachhaltiges Tourismusmanagement (M.A.) Nachhaltige Unternehmensführung (M.A.) Öko-Agrarmanagement (M.Sc.) Regionalentwicklung und Naturschutz (M.Sc.), Spezialisierungsrichtung „Umweltbildung / Bildung für nachhaltige Entwicklung“ im MA „Regionalentwicklung und Naturschutz“ (M.Sc.) Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement (M.A.) Heidelberg Hochschule für internationales Management (FH, staatlich anerkannt) http: / / www.himh.de Nachhaltiges Management (B.A., Doppelabschluss: deutscher + englischer Bachelor of Arts) Kaiserslautern Technische Universität Kaiserslautern (TU, staatlich) http: / / www.uni-kl.de Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit (M.A., Fernstudium) Koblenz Universität Koblenz (U, staatlich) Angewandte Umweltwissenschaften (M.Sc.) Lüchow Akademie für Erneuerbare Energien http: / / www.akademie-ee.de Umwelt / Energie (B.Eng.) Erneuerbare Energien (M.Sc.) <?page no="296"?> 13.4 Berufliche Bildung 297 Lüneburg Leuphana Universität Lüneburg (U, staatlich) http: / / www.leuphana.de Environmental and Sustainability Studies (B.Sc.) Umweltwissenschaften (B.Sc.) Nachhaltigkeitswissenschaft (Nebenfach) Nachhaltigkeitswissenschaft (M.Sc.) Global Sustainability (M.Sc.) Mittweida Hochschule Mittweida (FH, staatlich) Energie- und Umweltmanagement (B.Eng.) Nürnberg Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (FH, staatlich) http: / / www.th-nuernberg.de Management in der Biobranche (B.A.) Oldenburg Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (U, staatlich) http: / / www.uni-oldenburg.de Nachhaltigkeitsökonomik (B.Sc.) Ulm Universität Ulm (U, staatlich) http: / / www.uni-ulm.de Nachhaltige Unternehmensführung (M.Sc.) Wuppertal Bergische Universität Wuppertal (U, staatlich) http: / / www.uni-wuppertal.de Sustainability Management (M.Sc.) 13.4.7 Methoden der Bildung Die Methoden der Bildung umfassen alle Verfahren, die dazu dienen, Qualifikationen und Kompetenzen systematisch zu vermitteln, zu vertiefen, zu aktualisieren oder neu zu entwickeln. Je nach zu vermittelndem Bildungsinhalt gilt es, die geeignete Methode auszuwählen. Eine Methode ist dann geeignet, wenn sie den Lernprozess unterstützt und möglichst gut auf die zu vermittelnden Qualifikationen abgestimmt ist. Die Wahl der Methoden ist entweder in den jeweiligen (Aus-)Bildungsordnungen vorgegeben oder obliegt dem Ausbilder bei der Berufsausbildung beziehungsweise dem Lehrenden bei der Weiterbildung und der Führungsbildung. Tabelle 32 zeigt einen (alphabetisch geordneten) Ausschnitt aus dem überaus breiten Spektrum an ganz unterschiedlichen Bildungsmethoden. Tabelle 32: Verschiedene Methoden im Bereich Bildung Personalbildung Assessment-Center Anlernen Berufsausbildung Blended Learning Corporate University Gruppendynamische Übung Junior-Firma Konferenzmethode Lehrvortrag Planspiel Praktikum <?page no="297"?> 298 13 Nachhaltige Personalentwicklung Einarbeitung E-Learning Fallstudie Förderkreise Rollenspiel Seminare Teamentwicklung Trainings Training into / on / off the job Web Based Training Ausgewählte Methoden der Bildung bzw. der Personalentwicklung werden im Kapitel 13.6 vorgestellt. 13.5 Berufliche Förderung Die berufliche Förderung umfasst alle Maßnahmen, die die Mitarbeiter bei ihrer individuellen beruflichen Entwicklung unterstützen und begleiten. Als Teilbereiche der beruflichen Förderung werden die Weiterbildung, das Karrieremanagements und das Nachfolgemanagement unterschieden. Abbildung 109: Teilbereiche der beruflichen Förderung Eine berufliche Förderung der Mitarbeiter ist aus mehreren Gründen wichtig. Einerseits gilt es, die Mitarbeiter systematisch bei der Bewältigung der komplexer werdenden Arbeitswelt und ihrer Aufgabenbereiche zu unterstützen. Eine systematische Förderung kann hierbei helfen, indem sie Zusammenhänge aufdeckt, die Integration und Identifikation der Mitarbeiter erleichtert, neues Wissen vermittelt, die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter steigert und ihre Entwicklungspotenziale ausschöpft. Eine potenzial- und wertorientierte Personalentwicklung muss dabei die individuellen Bedürfnisse der Fach- und Führungskräfte nach beruflicher Entwicklung und nach interessanten Karriereperspektiven berücksichtigen und durch differenzierte Fördermaßnahmen unterstützen. Mit der betrieblichen Förderung werden sowohl individuelle, betriebliche als auch gesellschaftliche Ziele verfolgt (vgl. Becker 2005, S. 297; Stock-Homburg 2013, S. 265 f.): <?page no="298"?> 13.5 Berufliche Förderung 299 Individuelle Ziele der Mitarbeiter: Mitarbeiter entscheiden sich für die Unternehmen, in denen sie gute Möglichkeiten an persönlicher Förderung erwarten dürfen. Auch ein Einsatz in Arbeitsgebieten, die den jeweiligen Neigungen und Eignungen entsprechen, ist entscheidungsrelevant. Hier haben nachhaltige Unternehmen aufgrund ihrer Sinnstiftung und vielfältigen Aufgabengebiete Wettbewerbsvorteile als Arbeitgeber. Darüber hinaus ist es für Mitarbeiter wichtig, dass ihre Potenziale und Leistungen bei Beförderungen oder Versetzungen beachtet und dass ihnen Möglichkeiten der Selbstentfaltung bei interessanten Tätigkeiten gegeben werden. Damit steigern nachhaltige Unternehmen auch die soziale Ausrichtung ihres Personalmanagements. Betriebliche Ziele: Die betrieblichen Ziele dienen der Sicherstellung eines gut qualifizierten Fach- und Führungsnachwuchses, der Ausschöpfung vorhandener Mitarbeiterpotenziale und einer anforderungs- und nachhaltigkeitsgerechten Entwicklung der Mitarbeiter. Dadurch sollen einerseits Personalkosten gesenkt und andererseits die Fluktuationsrate und der Krankenstand der Mitarbeiter reduziert werden. Aber auch die Imageförderung als nachhaltiges Unternehmen ist ein wichtiges betriebliches Ziel. Gesellschaftliche Ziele: Die gesellschaftlichen Ziele der Förderung richten sich auf eine Verringerung bzw. Vermeidung von Arbeitslosigkeit, der Leistungssteigerung, einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft und der Unternehmen und damit auch auf eine höhere internationale Konkurrenzfähigkeit. Und nicht zuletzt gewährleisten zufriedene und leistungsbereite Mitarbeiter die Einnahmen des Staates für Gemeinschaftsaufgaben. Zusätzlich unterstützt eine systematische und nachhaltigkeitsorientierte Förderung der Mitarbeiter die Umsetzung des Staatsziels einer nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft. 13.5.1 Weiterbildung Die Weiterbildung umfasst alle Maßnahmen, die der individuellen Entwicklung der Mitarbeiter dienen (§ 1 BBiG). Diese Begriffsabgrenzung ist bewusst weit gefasst, um die Vielfalt möglicher Maßnahmen abzudecken. Mitarbeiter nachhaltiger Unternehmen können sich beispielsweise zusätzliches (inter)-disziplinäres nachhaltigkeitsbezogenes Fachwissen zu ihrem Aufgabengebiet aneignen oder Handlungswissen durch die Anwendung des Gelernten in neuen Aufgabenbereichen oder Problemsituationen erwerben. Sie können neue Fähigkeiten z.B. im Bereich der Team- und Projektarbeit erwerben oder neue Verhaltensweisen z.B. zur Kommunikation oder Konfliktbewältigung mit Kollegen oder Kunden in Seminaren erlernen. Inhaltlich sollten die Weiterbildungsmaßnahmen auf dem bisherigen Aufgabengebiet aufbauen, die Entwicklungspotenziale des Mitarbeiters ausschöpfen und die vielfältigen fachbezogenen aber auch fachübergreifenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Bezüge und Wechselwirkungen des nachhaltigen unternehmerischen aber auch individuellen Handelns berücksichtigen. 13.5.2 Karrieremanagement Grundsätzlich kann unter Karriere „jede beliebige Stellen- oder Positionsfolge einer Person im betrieblichen Positionsgefüge“ (Berthel 1995, Sp.1285) verstanden werden. Mit beruflicher Karriere ist hier die berufliche Entwicklung einer Person über verschiedene Aufgabenbereiche bzw. Stellenfolgen im Laufe des individuellen Be- <?page no="299"?> 300 13 Nachhaltige Personalentwicklung rufslebens gemeint. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff Karriere meistens positiv besetzt; häufig werden damit Stellenwechsel mit steigender beruflicher, sozialer und i.d.R. auch materieller Anerkennung verstanden (Becker 2005, S. 389). War die Karriere für die älteren Generationen eine wichtige berufliche Entwicklung, so scheint die Karriereorientierung der jüngeren Generationen deutlich geringer ausgeprägt zu sein (vgl. Kap. 6.2.3). Trotzdem ist es für nachhaltige Unternehmen wichtig, ihren Mitarbeitern attraktive und ggf. auch internationale Karriereperspektiven anbieten zu können, um sich auf dem Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Hierfür ist ein Karrieremanagement wichtig, das die systematische Planung, Gestaltung und Umsetzung von Karrierewegen innerhalb eines Unternehmens für unterschiedliche Qualifikationsbereiche umfasst. 13.5.2.1 Aufgaben und Ziele Die zentrale Aufgabe des Karrieremanagements besteht darin, langfristig die qualitative und quantitative Bedarfsdeckung des Unternehmens sicherzustellen; dabei sollen sowohl die Ziele des Unternehmens als auch die Wünsche der Mitarbeiter berücksichtigt werden. Das Unternehmen verfolgt mit dem Karrieremanagement folgende Ziele (Becker 2005, S. 390): Sicherstellung der Erreichung der Unternehmensziele durch leistungsstarke Mitarbeiter Sicherung des notwendigen Bestands an Fach- und Führungskräften Verminderung der Fluktuation aufgrund fehlender Aufstiegsmöglichkeiten Vorbereitung von Mitarbeitern auf andere (höherwertige) Tätigkeiten Besetzung freiwerdender Stellen mit eigenen Fach- und Führungskräften Die Mitarbeiter versprechen sich von einer Karriere- und Nachfolgeplanung folgendes (Becker 2005, S. 390): Aufstiegs- und Umstiegschancen in attraktive Positionen Übernahme von Fach-, Führungs- und Projektverantwortung Verbesserung von Einfluss und Ansehen Erreichen eines hohen Grades an Selbstverwirklichung durch die Übernahme anspruchsvoller Aufgaben Erzielung höherer Einkommen 13.5.2.2 Karrieremodelle Als wesentliche Karrieremodelle lassen sich die Führungskarriere, die Fachkarriere und die Projektkarriere unterscheiden. Weniger ein Karrieremodell als vielmehr ein „Karrierephänomen“ sind Patchwork-Karrieren, die hier auch vorgestellt werden. Mit dem Angebot an verschiedenen Karrieremodellen möchten Unternehmen ihren Mitarbeitern interessante, aber auch verschiedene Entwicklungs- und Karriereperspektiven innerhalb des Unternehmens anbieten, auch um gute Fach- und Führungskräfte im Unternehmen zu halten. <?page no="300"?> 13.5 Berufliche Förderung 301 Führungskarriere Die Führungskarriere war lange das klassische Karrieremodell. Unter Führungskarriere wird die Entwicklung von Fachkräften zu Führungskräften sowie die Beförderung von Führungskräften in höhere Führungspositionen verstanden. Das wird auch als Kaminaufstieg bezeichnet, weil immer höhere hierarchische Führungspositionen angestrebt werden und die Anzahl dieser Führungspositionen mit zunehmender Hierarchiehöhe deutlich abnehmen (vgl. Meier/ Schindler 2004, S. 1055). Die Führungskarriere ist in den meisten Unternehmen etabliert, unabhängig von der Branche und dem Leistungsgegenstand. Daher ist die Führungskarriere auch für nachhaltige Unternehmen ein grundlegendes und wichtiges Karrieremodell. Mit der Führungskarriere erreichen die Mitarbeiter inhaltlich und formal umfangreichere Handlungs- und Entscheidungskompetenzen, aber auch eine höhere Verantwortung, meist mehr Macht und eine höhere Vergütung. Allerdings ist die Anzahl an Führungskarriereangeboten und -stellen in den Unternehmen in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Zurückzuführen ist dies auf die organisationalen Wandelprozesse in den Unternehmen, die meist zu flacheren Hierarchien und einer stärkeren Dezentralisierung von Aufgabenbereichen, aber auch zur Ausprägung von Projekt- und Netzwerkstrukturen geführt haben, wie die folgende Abbildung zeigt. Abbildung 110: Entwicklung der Unternehmensorganisation (Sattelberger 1997, S. 704). Neben diesen Veränderungen der Organisationsstrukturen ist das Modell der Führungskarriere an sich kritikwürdig. So bewirkt der Aufstieg von Führungskräften innerhalb eines Funktionsbereichs, dass die Führungskräfte kaum Kenntnisse über andere Funktionsbereiche haben und dadurch unter Umständen auch die Kooperation und Kommunikation zwischen verschiedenen Funktionsbereichen leidet. Empfehlenswert ist daher die Planung von Karrierestationen in verschiedenen Führungshierarchien und unterschiedlichen Funktions- und Unternehmensbereichen. <?page no="301"?> 302 13 Nachhaltige Personalentwicklung Fachkarriere Als Fachkarriere wird ein hierarchisches Positionsgefüge für hoch qualifizierte Fachkräfte bezeichnet (Berthel 2000, S. 291). Geprägt ist die Fachkarriere von steigender Fachverantwortung und der Übernahme wichtiger sachorientierter Aufgaben z.B. in den Bereichen Produktion, Umweltschutz, Controlling oder Vertrieb. Wie die Führungskarriere betont auch die Fachkarriere den Aufstiegsgedanken. So dient sie dazu, für Spezialisten ohne Personalverantwortung ein transparentes System von attraktiven Aufstiegsmöglichkeiten zu schaffen. Der Aufstieg in der Fachhierarchie orientiert sich an der fachlichen Kompetenz; zusätzliche Managementbzw. Führungsaufgaben sind nicht damit verbunden (Domsch 1999, S. 474). Fachlaufbahnen eigenen sich besonders für z.B. den IT-Bereich, die Forschung und Entwicklung, das Nachhaltigkeitsmanagement, das Personalmanagement oder Controlling, d.h. für die Bereiche, in denen vorrangig Fachspezialisten arbeiten. Für nachhaltige Unternehmen eignet sich das Modell der Fachkarriere besonders gut als Karriereperspektive, da aufgrund der vielfältigen fachlichen Bezüge eines ökologisch und sozial verantwortlichen Unternehmenshandelns ganz verschiedene fachliche Kompetenzen und Spezialisierungen im Unternehmen benötigt werden. Dazu kann beispielsweise naturwissenschaftliches, technisches, wirtschaftliches, aber auch sozial- und gesellschaftliches Fachwissen gehören (je nach konkreter Unternehmensleistung). Diese fachliche Vielfalt bietet interessante und vielfältige Ansatzpunkte zur Entwicklung von spezifischen und attraktiven Fachkarrierewegen bzw. -modellen für unterschiedliche Fachspezialisten. Teilweise können Fachlaufbahnen auch ein Ausgangspunkt für zukünftige Führungskarrieren sein. Probleme sind jedoch zu erwarten, wenn Fachlaufbahnen als Ersatz für Führungslaufbahnen eingerichtet werden, was in der Praxis durchaus vorkommt (Reiß 1994, S. 35). Dadurch sollen z.B. mit Fachlaufbahnen Spezialisten im Unternehmen gehalten werden, denen keine Führungskarriere offen gestanden hätte. Projektkarriere Im Zuge einer zunehmenden Dezentralisierung von Verantwortlichkeiten und Entscheidungen wird auch der Arbeitsebene mehr Verantwortung übertragen. Dies ist ein guter Ansatzpunkt für Projektkarrieren. Projektkarrieren ergänzen Fach- und Führungskarrieren und bieten neue Möglichkeiten der Karriere- und Personalplanung. Bei einer Projektkarriere werden für ein bestimmtes Projekt, das meist einen komplexeren Arbeitsauftrag hat, benötigte Aufgaben aus den Linienfunktionen herausgelöst und den Projektgruppen übertragen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 331). Das spricht sowohl Fachals auch Führungskräfte an. Fachkräfte bzw. Spezialisten fühlen sich bei der Bewältigung einer anspruchsvollen Aufgabe inhaltlich herausgefordert; für Führungskräfte wiederum ist die Leitung eigener Projekte interessant und bietet vielleicht eine willkommene Abwechslung zum bisherigen gewohnten Aufgabenfeld. Für nachhaltige Unternehmen eignet sich die Projektkarriere als Karriereform besonders gut, da in Projekten mit nachhaltigkeitsbezogenen Projektaufträgen interdisziplinäre und komplexere Aufgabenstellungen von unterschiedlichen Fachexperten bearbeitet werden können. Diese Arbeitsform bietet sich z.B. an, wenn es um die Beurteilung konkreter Lieferanten hinsichtlich der Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards geht oder um die Entwicklung recyclinggerechter Produkte oder emissionsarmer Produktionsverfahren. <?page no="302"?> 13.5 Berufliche Förderung 303 Voraussetzung hierfür ist, dass die Projektorganisation in der Organisationsstruktur des Unternehmens verankert und fest eingebunden wird. Dies ermöglicht erst die notwendigen bereichsspezifischen, aber auch die bereichsübergreifenden Führungs- und Kooperationsbeziehungen innerhalb der Projektorganisation. Projektlaufbahnen können hinsichtlich ihrer Bedeutung, ihres Arbeitsauftrages oder auch ihrer zeitlichen Dauer hierarchisch geordnet werden (z.B. in kleine, mittlere, große, nationale, internationale Projekte). Damit lassen sich leichter verschiedene Karrierestufen innerhalb der Projektkarriere unterscheiden. Dies kommt dem Bedürfnis der Mitarbeiter nach Differenzierung von Rollen und Funktionen entgegen (Heintel/ Krainz 1999, S. 458f.). Um möglichen Unsicherheiten der Mitarbeiter im Hinblick auf ihre Karriereentwicklung nach der Projekttätigkeit vorzubeugen, ist eine langfristige Karriereplanung und ein ausgewiesenes Karrieremanagement hilfreich. Hier können verschiedene Varianten diskutiert werden: ob ein Mitarbeiter im Anschluss an das Projekt in seine Führungsaufgaben in der Linie zurückkehren oder ob er in einem anderen Projekt höherwertige Fachaufgaben übernehmen möchte (vgl. Meier/ Schindler 2004, S. 1058). Hilfreich sind auch Informationen über mögliche Übergänge und Wechselmöglichkeiten zwischen Projekt- und Fach- und Führungskarrieren. Abbildung 111: Karrieremodelle (http: / / www.perso-net.de/ images/ 5/ 58/ Fach.jpg) Die vorgestellten drei Karrieremodelle bieten den Mitarbeitern verschiedene Wege und Schwerpunkte der individuellen beruflichen Entwicklung. Damit die verschiedenen Karrierewege auch tatsächlich von den Mitarbeitern angenommen werden, müssen die Anforderungen an die jeweiligen Karrieremöglichkeiten transparent sein und die verschiedenen Karrierewege als gleichwertig empfunden werden. In der Praxis scheint die Gleichwertigkeit der Karrieremodelle allerdings noch nicht vollständig gegeben zu sein. So enden Fach- und Projektkarrieren, wie die Abbildung 111 zeigt, häufig im mittleren Management, während Führungskarrieren bis ins Topmanagement reichen, zumindest in traditionellen Unternehmen. <?page no="303"?> 304 13 Nachhaltige Personalentwicklung Patchwork-Karriere Seit der Jahrtausendwende verbreiten sich in der Praxis zunehmend auch sogenannte Patchwork-Karrieren. Unter einer Patchwork-Karriere werden verschiedene Karriereetappen in unterschiedlichen fachlichen, hierarchischen und organisatorischen Zusammenhängen verstanden. Das heißt, das eine Person beispielsweise sowohl als Fachexperte im Bereich der Entwicklung alternativer Energien gearbeitet hat, aber auch z.B. in einem interdisziplinären Projekt zur Entwicklung umweltverträglicher Produkte und vielleicht zwischenzeitlich auch eine eigene Abteilung im F&E-Bereich geleitet hat. Oft werden die einzelnen Karriereschritte in jeweils unterschiedlichen Unternehmen absolviert. Mitarbeiter mit Patchwork-Karrieren sind für Unternehmen insofern interessant, als sie durch die unterschiedlichen Aufgaben und Arbeitsinhalte ganz verschiedene fachliche, aber auch methodische und soziale Kompetenzen entwickelt haben, die auch für andere bzw. neue Aufgaben und Arbeitsbereiche wertvoll sind. Dies gilt gerade für nachhaltige Unternehmen, um die fachliche Vielfalt ihrer Unternehmenstätigkeit, aber auch die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit in unterschiedlichen Fachgebieten bzw. fachgebietsübergreifend bewältigen zu können. Für die Mitarbeiter sind Patchwork-Karrieren interessant, da sie inhaltlich und aufgabenbezogen vielfältige und vor allem jeweils neue Anforderungen stellen und ihnen dadurch die Möglichkeit bieten, ganz unterschiedliche fachliche, methodische und soziale Kompetenzen in verschiedenen fachlichen Kontexten und Arbeitsformen zu entwickeln (vgl. Holzer 2004; Bloemer 2005; Geisler 2009, S. 41 ff.; ). 13.5.3 Nachfolgemanagement Vom Karrieremanagement wird das Nachfolgemanagement als eigener Teilbereich der Förderung abgegrenzt. Unter Nachfolgemanagement werden alle Planungen und Maßnahmen verstanden, die dazu dienen, offene Stellen mit geeigneten internen oder externen Personen zu besetzen (vgl. Rompelsberg 1997, S. 9). Die Auswirkungen des demografischen Wandels mit der Verknappung jüngerer Nachwuchskräfte und dem Altern der Belegschaften haben dazu geführt, dass das Nachfolgemanagement in den Unternehmen stark an Bedeutung gewonnen hat. So schätzten bereits 2008 mehr als 50% der in der Kienbaumstudie HR-Trendstudie 2008 befragten 114 Personalverantwortlichen, dass das Nachfolgemanagement und die Besetzung von Schlüsselpositionen eine kritische Aufgabe des Personalmanagements ist (vgl. Kienbaum 2008). Wichtige Erfolgsfaktoren eines Nachfolgemanagements sind die folgenden (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 124 ff.): die strategische und kulturelle Verankerung des Nachfolgemanagements im Unternehmen die Unterstützung des Nachfolgemanagements durch die Unternehmensleitung, auch mit entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen ein umfassendes Nachfolgemanagement, das alle Managementebenen und Unternehmensbereiche berücksichtigt eine personelle und stellenbezogene Zuständigkeit für das Nachfolgemanagement umfassende Informationen und Kenntnisse über den unternehmensinternen und -externe Arbeitsmarkt systematischer Prozess eines Nachfolgemanagements <?page no="304"?> 13.5 Berufliche Förderung 305 Diesen letzten Erfolgsfaktor betrachten wir nochmal genauer. Ein systematischer Prozess des Nachfolgemanagements umfasst die vier Phasen der Analyse der Voraussetzungen, der Nachfolgeplanung, der Nachfolgerealisierung und der Erfolgskontrolle Jeder der vier Phasen werden spezifische Aufgaben zugeordnet (vgl. Abbildung 112). Abbildung 112: Prozess des Nachfolgemanagements (leicht verändert aus: Stock-Homburg, 2013, S. 126) Gerade für Aufgabenbereiche, die vielfältige und besonders anspruchsvolle Anforderungen an die Stelleninhaber stellen, ist eine langfristige, gut geplante und systematisch umgesetzte Nachfolgeplanung besonders wichtig, um die Leistungsfähigkeit des Unternehmens dauerhaft sicherzustellen. Da nachhaltige Unternehmen aufgrund der Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte eine Vielfalt unterschiedlicher Fachkompetenzen bündeln müssen und aufgrund der komplexen Problemstellungen meist auch in interdisziplinären, transdisziplinären, internationalen Projekten und unterschiedlichen Arbeitsformen (Fachbereiche, Projekte, Netzwerkstrukturen) zusammenarbeiten, ist die Sicherstellung eines leistungsfähigen Nachfolgemanagements hier besonders wichtig. 13.5.4 Methoden der Förderung Zur Förderung von Mitarbeitern dient eine Vielzahl an Instrumenten. Dazu zählen u.a. Trainings zur Führungskräfteentwicklung, 360-Grad Feedback, Assessment Center, Juniorfirma, Outdoor-Trainings, Teamentwicklung, Förderkreise, Coaching und Mentoring. Ausgewählte Methoden der Förderung werden im Kapitel 13.6 vorgestellt. Zwei besondere Methoden der Förderung werden gleich hier vorgestellt: das Coaching und das Mentoring. <?page no="305"?> 306 13 Nachhaltige Personalentwicklung 13.5.4.1 Coaching Bröckermann definiert Coaching so: „Coaching ist ein Gesprächs-, Betreuungs-, Beratungs- und Entwicklungsangebot in beruflichen und auch persönlichen Fragen für Beschäftigte auf allen Ebenen in Form einer Prozessberatung.“ (2007, S. 456). Mögliche Inhalte des Coachings können z.B. Verhaltens- und Führungsstile sein, Zeitmanagement, Erfolgs- oder Misserfolgsbewältigung, der Umgang mit Mitarbeitern oder berufliche Konfliktbewältigung. Im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe ist Coaching folglich ein Instrument, um Mitarbeitern dabei zu helfen, unterschiedliche Situationen besser zu bewältigen und die eigenen Potenziale zu entwickeln. Eingesetzt wird Coaching z.B. im Rahmen des Karrieremanagements, des Nachfolgemanagements, bei veränderten Arbeitsbedingungen, Arbeitsinhalten oder bei Versetzungen. Es ist aber auch ein hilfreiches Instrument zur Bewältigung von Leistungsdefiziten und bei betrieblichen oder privaten Problemsituationen (vgl. Rauen 2005, S. 112ff.). Wie genau funktioniert Coaching? Ein zentraler Bestandteil ist das Gespräch zwischen dem jeweiligen Mitarbeiter (Coachee) und einem in der Regel psychologisch geschulten Berater (Coach). Coaching braucht eine gegenseitige Akzeptanz und gegenseitiges Vertrauen zwischen Coachee und Coach, aber auch Zurückhaltung und kritische Distanz. Meist findet das Coaching in mehreren Sitzungen statt. Ziel des Coaches ist es, sich im Zeitverlauf überflüssig zu machen, das heißt, das Coaching ist stets zeitlich begrenzt. In einem Coachingvertrag sollten die Ziele, Vorgehensweise, die Auswertung und die Umsetzung des Coachings vereinbart werden. Ebenfalls festgelegt werden sollten die Konsequenzen für den Fall des Abbruchs des Coachings oder für das Eintreten unerwarteter sachlicher oder persönlicher Probleme. Für die Festlegung des Coachingprozesses bietet sich die Erarbeitung eines Zeit-Maßnahmen-Plans an. Coaching kann durch unternehmensinterne oder externe Coaches erfolgen. In der Praxis weit verbreitet ist auch die Übernahme der Coach-Funktion durch den Vorgesetzten. Eine weitere Unterscheidung lässt sich hinsichtlich der Arbeitsform treffen, nämlich in Einzelcoaching, Gruppencoaching und Teamcoaching. So können individuelle Mitarbeiter, aber auch Gruppen oder ganze Abteilungen an einem Coaching teilnehmen. In der Praxis ist das Coaching als Methode der beruflichen Förderung in unterschiedlichen Ausprägungen weit verbreitet. Der Einsatz in nachhaltigen Unternehmen bietet sich insofern an, als durch das Coaching Fach- und Führungskräfte in unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Hierarchien bei der Bewältigung ihrer meist komplexen, internationalen, interdisziplinären und teils auch transdisziplinären Aufgabenbereiche individuell oder auch in Gruppen begleitet und unterstützt werden können. Gerade die inhaltliche Vielfalt der Aufgabenbereiche kann eine erfolgreiche Aufgabenbewältigung erschweren. Aber auch die Zusammenarbeit im internationalen Kontext und auch in internationalen Teams mit vielschichtigen Einflussfaktoren kann die Aufgabenbewältigung und die Erarbeitung von Problemlösungen erheblich erschweren. Geeignet ist Coaching aber auch zur Förderung bestimmter Mitarbeitergruppen, beispielsweise von Frauen, um sie auf die Übernahme hierarchisch hoch angesiedelter Führungspositionen vorzubereiten (vgl. Rauen 2005). <?page no="306"?> 13.5 Berufliche Förderung 307 13.5.4.2 Mentoring Mentoring als Instrument der Förderung von Fach- und Führungskräften im deutschsprachigen Raum gibt es zwar schon seit Anfang der 1970er Jahre, seit einiger Zeit erfährt es jedoch wieder eine steigende Aufmerksamkeit (vgl. Gurtner/ Habermayr/ Schmid 2006, S. 161). Seit Ende der 1990er Jahre hat sich Mentoring zudem auch als spezielles Instrument zur Frauenförderung etabliert. Der Begriff Mentor entstammt der griechischen Mythologie: Bevor er in den Trojanischen Krieg zog, beauftragte Odysseus seinen Vertrauten Mentor, seinen Sohn Telemach auf das Amt des Königs vorzubereiten. Die Beziehung zwischen Mentor und Telemach wird als vielschichtig, aber auch sehr intensiv beschrieben (vgl. Gurtner/ Habermayr/ Schmid 2006, S. 161). Auf diesen Mythos Bezug nehmend, wird unter Mentoring die Beziehung zwischen einem Ratsuchenden (Mentee) und einem Berater (Mentor) verstanden, die entweder der beruflichen Förderung oder der persönlichen Entwicklung des Ratsuchenden dient. Grundsätzlich bezeichnet Mentoring die Förderung einer weniger erfahrenen Person durch eine erfahrenere Person. Die Anwendungsgebiete des Mentoring sind vielfältig: Mentoren gibt es in der Wissenschaft, der Politik, der Wirtschaft aber auch im gesellschaftlichen und privaten Bereich. In der Wirtschaft bzw. in Unternehmen ist der Mentor häufig eine erfahrene Führungskraft aus dem gehobenen Management, die jüngere Nachwuchskräfte auf ihrem beruflichen Karriereweg begleitet und fördert (vgl. Graf/ Edelkraut 2017). Die Funktion des Mentors geht über die des Coaches hinaus. Während der Coach eher in konkreten Aufgabenbereichen angesiedelt ist, soll der Mentor „seinen“ Mentee mittels seines eigenen Wissens, seiner Erfahrungen und Kontakte unterstützen. Dies kann verschiedene Formen annehmen: etwa Kontakte zu knüpfen (Networking), eigene Erfahrungen und Verhaltensweisen in unterschiedlichen Situationen zu vermitteln, Wissen und informelle Strukturen oder Werte und Normen, aber auch sozial erwünschte Umgangsformen in der beruflichen Zusammenarbeit weiterzugeben. Mentoren können auch die Funktion von Fach- und Machtpromotoren übernehmen. Im Gegensatz zum Coaching ist das Mentoring ein unentgeltliches Beratungsangebot, das für beide Seiten vorteilhaft ist. Der Mentee profitiert von den Kontakten und dem Erfahrungsschatz des Mentors; darüber hinaus bekommt er ein Feedback im Hinblick auf die Erfüllung seiner beruflichen Aufgaben und Empfehlungen für zukünftige Verhaltensweisen. Der Mentor kann seine Qualität als Berater unter Beweis stellen, seine eigenen Arbeits- und Führungsstile überdenken und das Unternehmen und Arbeitsumfeld des Mentees kennenlernen. Das Unternehmen gewinnt ebenfalls, da das Mentoring die Mitarbeiterpotenziale fördert, i.d.R. zu einer Leistungssteigerung und zusätzlichen Motivation führt und auch die Arbeitszufriedenheit und Identifikation mit dem Unternehmen fördert. Zusammengefasst werden mit dem Mentoring folgende Ziele verfolgt: Unterstützung des Mentees zur effizienten und effektiven Arbeitsleistung, Förderung der Karrierechancen des Mentees, Kontinuität der Leistung und der Zusammenarbeit im Unternehmen, systematische Förderung des Austausches von Wissen und Erfahrung zwischen Mentor und Mentee. <?page no="307"?> 308 13 Nachhaltige Personalentwicklung Für nachhaltige Unternehmen ist Mentoring ein geeignetes Instrument der sozialen Verantwortung, um Fach- und Führungsnachwuchskräfte bei ihrer beruflichen Entwicklung und Karriere zu begleiten, zu fördern, in berufliche Netzwerke einzuführen und vor allem informelles Wissen weiter zu geben. Auch im Bereich der Frauenförderung hat sich das Instrument des Mentoring etabliert (vgl. Schönfeld 2017). 13.6 Methoden der Personalentwicklung Der Personalentwicklung steht ein breites Spektrum an Methoden zur Verfügung, um verschiedene Qualifikationen, Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten für die verschiedenen Bereiche der beruflichen Bildung und Förderung zu vermitteln. Für die Anwendung in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen können auch die grundlegenden Methoden der Personalentwicklung gut eingesetzt werden. Um jedoch den spezifischen Entwicklungsbedarfen und Problemstellungen nachhaltiger Unternehmen und dem damit verbundenen Entwicklungsbedarf der Mitarbeiter besser entsprechen zu können, sollten einerseits bestehende Methoden weiterentwickelt und andererseits auch neue Methoden entwickelt werden, die konkret auf die Verbindung ökologischer, ökonomischer und sozialer Inhalte und Problemstellungen abzielen. Hierbei können wertvolle Anregungen aus der Diskussion einer umweltorientierten Personalentwicklung bzw. eines umweltorientierten Personalmanagements genutzt werden (vgl. z.B. Antes 2003; Stitzel/ Kirschten 1997, Hopfenbeck/ Willig 1995; Kirschten 1995). Einen Überblick über die Vielfalt der Methoden, die der Personalentwicklung zur Verfügung stehen, bietet die Abbildung 113. Dabei lassen sich die Methoden nicht eindeutig den verschiedenen Bildungsbereichen zuordnen. Vielmehr sind bei der Auswahl konkreter Methoden die jeweiligen Bildungsziele und zu vermittelnden Bildungsinhalte entscheidend. Daher können bestimmte Methoden auch gut in unterschiedlichen bzw. mehreren Bildungsbereichen eingesetzt werden. Im Folgenden werden insbesondere die für nachhaltige Unternehmen weiterentwickelten und neu entwickelten Methoden der Personalentwicklung vorgestellt. Die grundlegenden Methoden der Personalentwicklung können beispielsweise bei Stopp/ Kirschten (2012, S. 322; 326 f.) nachgelesen werden. <?page no="308"?> 13.6 Methoden der Personalentwicklung 309 Abbildung 113: Methoden der Personalentwicklung für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen (eigene Entwicklung und Darstellung; einige der weiterentwickelten und neu entwickelten nachhaltigen PE-Methoden finden sich z.B. auch bei Siebenhüner, 2000, S. 417 f.) <?page no="309"?> 310 13 Nachhaltige Personalentwicklung 13.6.1 Weiterentwickelte Personalentwicklungsmethoden für nachhaltige Unternehmen Nachhaltige Juniorfirma: Die Methode einer Juniorfirma beinhaltet die Simulation eines Unternehmens mit allen wesentlichen Funktionsbereichen (Einkauf, Produktion, Vertrieb, Rechnungswesen, F&E, Personal, Marketing, Unternehmensleitung etc.) und ggf. auch verschiedenen Geschäftsbereichen. Jeweils einer oder mehrere Auszubildende oder Mitarbeiter, die sich weiterbilden, übernehmen bestimmte Aufgaben in den jeweiligen Funktionsbereichen der Juniorfirma. Ziel ist die Simulation der Aufgabenbewältigung in den verschiedenen Funktionsbereichen des Unternehmens sowie die insgesamt erfolgreiche Leitung des Unternehmens. Die Weiterentwicklung zu einer nachhaltigen Juniorfirma beinhaltet die Konkretisierung der inhaltlichen Unternehmenstätigkeit auf eine sozial und ökologisch verträgliche aber gleichzeitig wirtschaftliche Unternehmensleistung und Unternehmensführung. Dazu müssen alle Funktionsbereiche und ggf. Geschäftsbereiche der nachhaltigen Juniorfirma mit ihren ökologischen und sozialen Bezügen sowie die Herstellung und der Absatz nachhaltiger Produkte oder Dienstleistungen als auch die Zusammenarbeit über die Wertschöpfungsbzw. Lieferkette hinweg konstruiert werden. Die Methode der nachhaltigen Juniorfirma eignet sich besonders gut, um die spezifischen Aufgaben der einzelnen Funktionsbereiche, aber auch die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit zwischen den Funktionsbereichen sowie die vielfältigen Wechselwirkungen innerhalb des Unternehmens und auch über die Wertschöpfungskette hinweg kennenzulernen und in der Simulation anzuwenden. Nachhaltigkeitsplanspiel: In einem Planspiel werden reale komplexe Unternehmensprozesse simuliert. Die Teilnehmer bearbeiten die vorgegebenen Aufgaben meist in Kleingruppen. Thematisch können fachspezifische Unternehmensprozesse (z.B. Planspiel nachhaltiges Personalmanagement) oder auch übergreifende Unternehmensprozesse (z.B. Planspiel zur ökologischen und sozialen Verantwortung und Zusammenarbeit in der Lieferkette) bearbeitet werden. So kann das Planspiel auf unterschiedliche Problemstellungen sowie fachspezifische oder auch fachübergreifende Unternehmensprozesse nachhaltiger Unternehmen hin spezifiziert werden. Wichtige Lerneffekte bestehen beim Nachhaltigkeitsplanspiel in der teamorientierten Zusammenarbeit, der gemeinsamen Problembearbeitung und Problemlösung. Die erarbeiteten nachhaltigkeitsorientierten Problemlösungen werden in einer abschließenden gemeinsamen Sitzung allen Teilnehmern präsentiert und gemeinsam diskutiert. Exkursionen mit nachhaltigem Ziel: Bei einer Exkursion reist i.d.R. eine Gruppe von Teilnehmern zu einem unternehmensexternen Ziel. Das Reiseziel kann die Besichtigung eines anderen nachhaltigen Unternehmens, der Besuch eines Zulieferers oder Kunden, eine Naturerkundung, der Besuch eines Naturschutzprojektes, eines Tagebergbaus oder eine unternehmensexterne Informationsveranstaltung sein. Das Ziel der Exkursion kann ganz unterschiedlich sein. Mögliche Exkursionsziele sind z.B. das Kennenlernen von Geschäftspartnern des Unternehmens, der Informations- und Wissensgewinnung, der direkten Erfahrung von Wirkungszusammenhängen oder Problemen sowie der Analyse oder Besprechung von Best-Practice Beispielen. Für den Einsatz als Entwicklungsmethode in nachhaltigen Unternehmen eigenen sich Exkursionen gut, um beispielsweise die Herstellung von Vorprodukten direkt beim Zulieferer kennenzulernen, um die Wirkungsweise von Ökosystemen sowie mögliche Umweltbelastungen in der Natur direkt zu erfahren und zu erkennen, um die Komplexität von z.B. gesellschaftlichen Wechselwirkungen zu erforschen oder Best- <?page no="310"?> 13.6 Methoden der Personalentwicklung 311 Practice-Beispiele von Herstellungsprozessen anderer nachhaltiger Unternehmen kennen zu lernen. Experimente: Experimente dienen zur Erforschung von Wirkungszusammenhängen entweder in Laboren (naturwissenschaftliche Experimente), in konstruierten Situationen (sozialwissenschaftliche Experimente) oder ggf. in der Natur, wobei umweltbelastende Auswirkungen derartiger Experimente ausgeschlossen werden müssen. Ziel ist die Gewinnung neuen Wissens sowie die Erforschung von Wirkungszusammenhängen. Als Entwicklungsmethode in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen können Experimente für ganz unterschiedliche Erkenntnisbereiche eingesetzt werden. Hier einige Beispiele: In chemischen Experimenten können z.B. die Wirkungen bestimmter Chemikalien auf ihren Einsatzbereich aber auch auf die Umwelt untersucht werden. Neue chromfreie Farbstoffe können z.B. in Experimenten auf ihre Färbeeigenschaften hin untersucht werden. Experimente können aber auch im sozialen oder gesellschaftlichen Bereich durchgeführt werden, z.B. bei Erprobungen neuer Formen der Zusammenarbeit mehrerer Lieferanten in Netzwerken oder der Einführung neuer sozial verträglicher Arbeitsformen. Tandem: Bei einem Tandem arbeiten ein jüngerer und ein älterer Mitarbeiter zusammen, unterstützen einander und lernen von den Erfahrungen und Kenntnissen des jeweils anderen. Im Zentrum steht hier der Erfahrungsaustausch und das gegenseitige Lernen. Meist lernt ein jüngerer Mitarbeiter von dem Wissen und den Erfahrungen eines älteren Mitarbeiters. Andererseits kann der ältere Mitarbeiter auch aktuelle Kenntnisse und z.B. den Umgang mit Computerprogrammen, dem Internet und sozialen Medien etc. von dem jüngeren Mitarbeiter lernen. So können beide ihr jeweiliges Wissen austauschen und voneinander lernen. Bosch hat ein Generationen-Tandem entwickelt, bei dem die beiden Mitarbeiter ausgelost werden und der Altersunterschied mindestens zehn Jahre betragen soll (vgl. Bosch 2016, S. 15). In nachhaltigen Unternehmen können Tandems beispielsweise als Vorbereitung für die Nachfolge eingesetzt werden, oder auch für die Entwicklung von Nachwuchskräften, um sich in verantwortungsvolle und komplexe Aufgabenbereiche einzuarbeiten. Eine derartige Aufgabe könnte z.B. die Überprüfung von Lieferanten hinsichtlich der Einhaltung von Mindeststandards sein. Praxisbeispiel: Generationen-Tandem bei Bosch <?page no="311"?> 312 13 Nachhaltige Personalentwicklung Praxisbeispiel 18: Generationentandem bei Bosch Erfahrungsgruppen: In Erfahrungsgruppen treffen sich Teilnehmer entweder aus ähnlichen oder auch unterschiedlichen Aufgabenbereichen, um gemeinsam bestimmte Problemstellungen zu diskutieren und Lösungsstrategien zu entwickeln. Auch Qualitätszirkel gehören zu Erfahrungsgruppen. In Qualitätszirkeln treffen sich Mitarbeiter einer Abteilung oder eines Aufgabenbereichs, um gemeinsam Qualitätsdefizite zu bearbeiten und entsprechende Verbesserungsstrategien zu entwickeln. Erfahrungsgruppen bieten sich in nachhaltigen Unternehmen für ganz verschiedene Aufgabenstellungen an. Beispielsweise könnte die ökologische, technische und ökonomische Verbesserung von Produktionstechnologien oder auch von Aufbereitungsanlagen (für Abfälle, Abwässer etc.) in Erfahrungsgruppen diskutiert und weiterentwickelt werden. Zukunftswerkstatt: Eine Zukunftswerkstatt ist eine mehrtätige Veranstaltung, an der ca. 10 20 Mitarbeiter teilnehmen und Ideen und Vorschläge für die zukünftige Entwicklung entweder einzelner Abteilungen, Geschäftsbereiche, von konkreten Produkten, Arbeitsmodellen oder des ganzen Unternehmens entwickeln. Für Unternehmen, die sich zu einem nachhaltigen Unternehmen weiterentwickeln möchten, ist die Zukunftswerkstatt genau die richtige Methode. Allerdings kann sie auch eingesetzt werden, um bisherige Erfolge in der nachhaltigen Unternehmensentwicklung festzuhalten und Ideen und Strategien für die weitere Entwicklung entweder des ganzen Unternehmens oder einzelner Teilbereiche und Produktbereiche zu entwickeln. Umweltzirkel, Sozialzirkel, Innovationszirkel: Zirkel sind Arbeitsgruppen aus internen Experten, die strategische oder operative Problemstellungen auf Abteilungs- oder auch auf Unternehmensebene bearbeiten (vgl. Siebenhüner 2000, S. 418). Inhaltlich sind sie frei gestaltbar, d.h. sie können sich auf Problemstellungen des Umweltschutzes, der Verbesserungen z.B. sozialer Arbeitsbedingungen oder der Entwicklung von Innovationen o.ä. beziehen. Damit sind sie ein geeignetes Entwicklungsinstrument für nachhaltige Unternehmen. Kreativitätswerkstatt: In einer Kreativitätswerkstatt entwickeln mehrere Mitarbeiter aus ähnlichen oder auch unterschiedlichen Fachgebieten Ideen für neue Produkte, Prozesse, Arbeitsmodelle oder konkrete Problemstellungen. Wichtig ist hier der Einsatz von Kreativitätstechniken, die die Ideenfindung unterstützen. Nachhaltige Unternehmen können eine Kreativitätswerkstatt beispielsweise zur Ideengenerierung für ökologisch verträgliche Produkte, neue ökologisch und sozial verträgliche Nutzungskonzepte, neue Marketingstrategien oder Produktionsverbesserungen einsetzen. <?page no="312"?> 13.6 Methoden der Personalentwicklung 313 13.6.2 Neu entwickelte Methoden zur Personalentwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen Zu den neu entwickelten bzw. spezifisch für nachhaltige Kompetenzvermittlung entwickelte Methoden der Personalentwicklung gehören die folgenden Methoden. Nachhaltigkeitswoche: In einer Nachhaltigkeitswoche erarbeiten Auszubildende oder auch sich weiterbildende Mitarbeiter kompakt unternehmensrelevante Themen zum Umweltschutz und zur sozialen Verträglichkeit (vgl. Siebenhüner 2000, S. 417). Dadurch wird bei den Teilnehmern ein Bewußtsein für unternehmensrelevante Umweltprobleme und soziale Probleme geschaffen und gleichzeitig nachhaltigkeitsorientiertes Wissen erarbeitet. Stakeholderdiskurs: Ein Stakeholderdiskurs ist ein Rollenspiel, indem die Teilnehmer jeweils die Interessen und inhaltlichen Positionen wichtiger Stakeholder (z.B. Kunden, Betriebsrat, Umweltpolitik, Lieferanten, Umweltschutzorganisation, Gewerkschaft, Verbraucherorganisation) sowie von wesentlichen Unternehmensvertretern (Geschäftsleitung, Vorstände oder Abteilungsleiter für Einkauf, Produktion, Vertrieb, Marketing, Personal, usw.) übernehmen. In dem Diskurs sollen die Ansprüche diskutiert werden, die die verschiedenen Stakeholder an das nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen haben. Die Unternehmensvertreter müssen sich dieser Diskussion und den Ansprüchen stellen und argumentativ ihr bisheriges nachhaltiges Unternehmensverhalten verteidigen und begründen. Ziel dieses Diskurses ist das Kennenlernen und Verstehen der Ansprüche unterschiedlicher Stakeholder sowie die Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen Interessen aus der Unternehmensperspektive. Gleichzeitig sollen noch bestehende Problembereiche aufgedeckt und ggf. auch gemeinsam Lösungsansätze entwickelt werden. Produktkreislaufbetrachtung: Bei einer Produktkreislaufbetrachtung werden die wesentlichen ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte und Wechselwirkungen für den Kreislauf eines konkreten Produktes von den Teilnehmern erarbeitet (vgl. Siebenhüner 2000, S. 417). Lieferantenkettenbewertung: Die Lieferantenkettenbewertung dient dazu, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen eines Produktes mit seinen Vorprodukten über die gesamte Lieferantenkette hinweg zu bewerten. Um den Umfang zu reduzieren können auch nur die nachhaltigen Auswirkungen einzelner Vorprodukte über die gesamte Lieferantenkette hinweg betrachtet werden. Die Teilnehmer arbeiten in Teams und über mehrere Sitzungen (ca. ½ Tag), um sich die notwendigen Informationen zu beschaffen und sie fachlich kompetent auszuwerten. Ziel der Lieferantenkettenbewertung ist die Sensibilisierung und die fachliche Auseinandersetzung mit der Vielfalt an ökologischen, ökonomischen und sozialen Einflussfaktoren sowie mit den Auswirkungen der einzelnen Rohstoffgewinnungs- und Herstellungsschritte eines Vorproduktes bzw. (je nach Konstruktion) aller Vorprodukte eines Produktes. Umweltrallye / Sozialrallye: In einer Umwelt- oder auch Sozialrallye untersuchen die Teilnehmer in kleinen Teams anhand vorgegebener Aufgaben die umweltrelevanten bzw. die sozialrelevanten Bezüge und Handlungsfelder des eigenen Unternehmens durch Erkundungen vor Ort (vgl. Siebenhüner 2000, S. 417). Diese Methode dient zur Sensibilisierung, zur Informationsgewinnung und ggf. auch zur aktuellen Bestandsaufnahme über die Vielfalt an umwelt- und sozialrelevanten Bezügen und The- <?page no="313"?> 314 13 Nachhaltige Personalentwicklung menbereichen im Unternehmen. Thematisch kann sich die Rallye entweder auf umweltrelevante oder auch sozialrelevante Handlungsfelder beziehen, kann aber inhaltlich auch auf spezifische Nachhaltigkeitsthemen angepasst werden. Nachhaltige Best-Practice- und Worst-Cases-Analyse im Workshop: In einem Workshop werden bisherige nachhaltige Projekte, die besonders erfolgreich waren (Best-Practice), aber auch gescheiterte Projekte (Worst-Cases) detailliert analysiert. Ziel dieses Workshops ist es, den Teilnehmern die Erfahrungen und Erkenntnisse vergangener Projekte zu vermitteln, in dem nicht nur besonders erfolgreiche Projekte als Best-Practice vorgestellt werden, sondern auch über gescheiterte Projekte detailliert berichtet wird. Die Analyse der Gründe für den Erfolg bzw. das Scheitern der Projekte dient zur Identifikation wesentlicher Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren und fördert die Lernprozesse der Teilnehmer für die zukünftige Gestaltung von nachhaltigen Projekten im Unternehmen. Nachhaltigkeitsworkshop: Nachhaltigkeitsworkshops eignen sich dazu, konkrete nachhaltige Problembereiche oder Konfliktthemen des Unternehmens intensiver und unter Einbindung von unternehmensinternen und -externen Experten zu bearbeiten. Der Workshop kann ein bis zwei Tage dauern und sollte mit der Erarbeitung weiterer Handlungsschritte oder erster Problemlösungsskizzen enden. Ideen-Wettbewerbe: Um gezielt die Ideenfindung für die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens oder von Produkten, Prozessen oder Arbeitsbedingungen bei den Mitarbeitern anzuregen, eignet sich die Ausschreibung von Ideen-Wettbewerben. Das ist kein neues Instrument, wird hier aber konkretisiert auf die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens bzw. einzelner Leistungsbereiche. Der Wettbewerbscharakter sollte durch die Auslobung von attraktiven Preisen für die Teilnehmer bzw. Mitarbeiter angeregt werden. Projektinitiativen: Projektinitiativen dienen zur Bearbeitung komplexerer nachhaltigkeitsbezogener Problemstellungen und sind längerfristig angelegt. Über einen längeren Zeitraum (z.B. ein halbes oder ganzes Jahr) arbeiten mehrere Teams an einem konkreten Projekt innerhalb des Unternehmens oder auch unternehmensübergreifend unter Einbeziehung der Wertschöpfungskette. Als Projekte eignen sich z.B. die Suche nach ökologisch verträglichen Rohstoffen und Vorprodukten für ein bestimmtes Produkt, die ökologische und soziale Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Rohstofflieferanten, die Entwicklung neuer Arbeitsmodelle im Unternehmen o.ä. Die Projektgruppe trifft sich in regelmäßigen Abständen, um den Projektfortschritt und weitere Arbeitsschritte zu besprechen. Das Projektergebnis wird am Projektende der Geschäftsleitung und den fachlich relevanten Abteilungen vorgestellt. 13.6.3 Exemplarische grundlegende Personalentwicklungsmethoden Rollenspiel: Rollenspiele dienen oft dazu, bestimmte, teils auch neue Verhaltensweisen auszuprobieren und zu üben und sich in die Rollen bestimmter Aufgabenbereiche besser hineinversetzen zu können. Die Teilnehmer lernen so aufgabenbezogene Verhaltensweisen. Häufig werden Rollenspiele im Zusammenhang mit Führungsaufgaben angeboten. E-Learning: Unter E-Learning wird die Nutzung elektronischer Medien (Computer, Internet) für Lehr- und Lernformen verstanden. Dadurch können Lernende zeitlich und örtlich flexibler und selbstbestimmter lernen. Oft ist auch der Stoffumfang der <?page no="314"?> 13.6 Methoden der Personalentwicklung 315 Lerneinheiten selbst einteilbar. Die Kombination zwischen direkten (face-to-face), schriftlichen und elektronisch unterstützen Lehrformen wird als Blended Learning bezeichnet. Teamentwicklung: Da die Zusammenarbeit in Teams und Projektgruppen in Unternehmen immer mehr zunimmt, steigt auch die Bedeutung der Teamentwicklung. Entsprechende Trainings dienen dazu, sowohl die Teammitglieder als auch eine Arbeitsgruppe oder ein Projektteam als Ganzes auf eine kompetente und erfolgreiche Zusammenarbeit vorzubereiten und dafür zu qualifizieren. Dazu gehören entsprechende Arbeitstechniken, das Lernen eines gegenseitigen Verständnisses und der verschiedenen Rollen im Team, aber auch das Lernen von Kommunikations- und Konfliktfähigkeit. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Bedeutung hat die Personalentwicklung für nachhaltige Unternehmen? 2. Was ist der Unterschied zwischen Qualifikationen und Kompetenzen? 3. Welche Akteure der Personalentwicklung lassen sich unterscheiden? 4. Welche Zielgruppen können Sie mit der Personalentwicklung ansprechen? 5. Wie ermitteln Sie den Personalentwicklungsbedarf? 6. Was müssen Sie bei der Gestaltung und Durchführung von Personalentwicklungsmaßnahmen berücksichtigen? 7. Warum ist die Potenzialanalyse für nachhaltige Unternehmen wichtig? 8. Welche nachhaltigen Berufsfelder haben sich in den letzten Jahren entwickelt? 9. Worin besteht der Unterschied zwischen Karrieremanagement und Nachfolgemanagement? 10. Überlegen Sie sich ein Konzept für die Durchführung einer Umweltrallye. <?page no="315"?> 316 14 Nachhaltige Personalfreisetzung 14 Nachhaltige Personalfreisetzung Bei Personalüberdeckungen hat die Personalfreisetzung die Aufgabe, durch interne (quantitative, qualitative, zeitliche und örtliche) oder externe (natürliche Fluktuation, Abbau von Leiharbeit, Nichtverlängerung von Zeitverträgen, Aufhebungsverträge, vorzeitige Pensionierung, Kündigungen) Freisetzungsmaßnahmen Personal abzubauen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 354 ff.). Sind nachhaltige Unternehmen gezwungen, Personal freizusetzen, so sollte dies sozialverträglich geschehen. Die Strategien und Instrumente des Personalmanagements zur Personalfreisetzung werden im Folgenden vorgestellt. Abbildung 114: Maßnahmen zur (Vermeidung von) Personalfreisetzungen (Stopp/ Kirschten 2012, S. 356) 14.1 Maßnahmen zur Vermeidung von Personalfreisetzung Um Personalfreisetzungen zu vermeiden, bieten sich als grundsätzliche Strategien die folgenden an: Strategien der Unternehmenspolitik zum Ausbau bestehender Wettbewerbspositionen und / oder zum Aufbau neuer Marktfelder, um mittelbis langfristig den Personalbestand zu sichern. Bestehen existenzielle Krisen im Unternehmen, so können ggf. staatliche Beschäftigungsgarantien zur Vermeidung von Personalfreisetzungen verhandelt werden. Strategien der Produktionsplanung zur Vermeidung von Personalfreisetzungen können beispielsweise in der zeitlichen Aufschiebung geplanter Rationalisierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen bestehen, aber auch in der Übernahme von Fremdaufträgen oder einer zeitlich begrenzten Lagerproduktion. <?page no="316"?> 14.2 Interne Maßnahmen der Personalfreisetzung 317 Strategien der Absatzplanung können z.B. neue Absatzkanäle und Kundensegmente erschießen, die insgesamt zum Erhalt oder auch zur Steigerung der Produktion bzw. Leistungserstellung beitragen und so einen Personalabbau verhindern. Strategien der Arbeitsgestaltung bestehen z.B. in der Umwandlung von Vollzeitin Teilzeitstellen, in der vorübergehenden Einführung von Kurzarbeit oder im Einsatz flexibler Arbeits- und Lebensarbeitszeitmodelle (z.B. Sabbatical), um so Personalkapazitäten abzubauen. Strategien der Personalpolitik sind beispielsweise eine vorübergehende Verringerung von Entgeltbestandteilen (sofern rechtlich möglich) oder Maßnahmen zur Personalentwicklung, um von Freisetzung bedrohte Mitarbeiter flexibler auf anderen Arbeitsplätzen im Unternehmen einsetzen zu können. Sofern sich Personalfreisetzungen nicht vermeiden lassen, sollten vor allem nachhaltige Unternehmen auf die soziale Verträglichkeit der Maßnahmen zum Personalabbau achten. Sozial verträglicher sind insbesondere die internen Maßnahmen zur Personalfreisetzung, da sie ohne eine Verringerung des Personalbestandes umgesetzt werden können. 14.2 Interne Maßnahmen der Personalfreisetzung Die internen Maßnahmen der Personalfreisetzung lassen sich unterscheiden in qualitative, örtliche und zeitliche Maßnahmen. Qualitative Maßnahmen können angewendet werden, wenn Stellen beispielsweise aufgrund von Personalüberdeckungen oder anforderungsbezogenen Veränderungen abgebaut werden müssen. Betroffene Mitarbeiter können z.B. durch eine Weiterentwicklung ihrer Qualifikationen auf neue Stellenanforderungen vorbereitet oder für die Übernahme anderer Stellen weitergebildet werden. Konkret können den betroffenen Mitarbeitern Fortbildungen, Weiterbildungen oder auch Umschulungen angeboten werden. Gegebenenfalls können auch rechtlich selbstständige Beschäftigungsgesellschaften mit der Weiterbeschäftigung oder Qualifizierung der betroffenen Mitarbeiter beauftragt oder dafür gegründet werden (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 357 f.). Örtliche Maßnahmen umfassen Versetzungen innerhalb des Unternehmens und Änderungskündigungen. Eine Versetzung ist „die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.“ (§95 III BetrVG). Versetzungen können horizontal, d.h. auf der gleichen hierarchischen Ebene, oder vertikal, d.h. auf einer höheren oder niedrigeren hierarchischen Ebene erfolgen. Eine Änderungskündigung kann ausgesprochen werden, wenn das Weisungsrecht des Arbeitgebers für eine Versetzung nicht mehr ausreicht. Eine Änderungskündigung bedeutet, dass der Arbeitgeber den bestehenden Arbeitsvertrag eines Mitarbeiters kündigt, ihm aber gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit anderen Arbeitsbedingungen anbietet. Der Betriebsrat hat sowohl bei der Versetzung als auch bei der Änderungskündigung verschiedene Beteiligungsrechte. Der Vorteil von Versetzungen und Änderungskündigungen besteht darin, dass Personalüberdeckungen in schrumpfenden Unternehmensbereichen abgebaut und in wachsenden Unternehmensbereichen Personalunterdeckungen ausgeglichen <?page no="317"?> 318 14 Nachhaltige Personalfreisetzung werden können. Die Mitarbeiter können so im Unternehmen beschäftigt bleiben, müssen jedoch andere Aufgabenbereiche übernehmen. Zeitliche Maßnahmen können eine kurzfristige oder auch längerfristige Änderung der Arbeitszeit darstellen. Meist werden die Arbeitszeiten sowie der Arbeitsumfang verkürzt. Zu den kurzfristigen zeitlichen Maßnahmen gehören die Urlaubsgestaltung, der Abbau von Mehrarbeit und die Kurzarbeit. Zu den längerfristigen zeitlichen Maßnahmen werden die allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit, Angebote zur individuellen Verkürzung der Arbeitszeit (z.B. Teilzeit) und die Flexibilisierung der Arbeitszeit gezählt. Eine ausführliche Beschreibung der zeitlichen Maßnahmen findet sich bei Stopp/ Kirschten 2012, S. 360 ff.). Die zeitlichen Maßnahmen der internen Personalfreisetzungen bedeuten meist ein geringeres Einkommen für die Beschäftigten, haben jedoch den Vorteil der weiteren Beschäftigung im Unternehmen. 14.3 Externe Maßnahmen der Personalfreisetzung Erst wenn die internen Maßnahmen der Personalfreisetzung ausgeschöpft wurden, sollten nachhaltige Unternehmen externe Personalfreisetzungsmaßnahmen in Erwägung ziehen. Zu den externen Maßnahmen der Personalfreisetzung gehören die Fluktuation, ein Verbot für neue Einstellungen, der Abbau von Zeitarbeitnehmern, die Nichtverlängerung von zeitlich befristeten Verträgen, Aufhebungsverträge, vorzeitige Pensionierungen und Kündigungen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 356 ff.). 14.4 Outplacement Denjenigen Mitarbeitern, die tatsächlich nicht im Unternehmen weiterbeschäftigt werden können und sich eine neue Beschäftigung suchen müssen, kann das nachhaltige Unternehmen mit Maßnahmen des Outplacements unterstützen. Unter Outplacement werden freiwillige Personaldienstleistungen eines Unternehmens für diejenigen Mitarbeiter verstanden, die das Unternehmen freisetzen muss (vgl. Lohaus 2010). Die Personaldienstleistungen unterstützen den Mitarbeiter zeitlich befristet bei seiner beruflichen Neuorientierung, um ihm möglichst schnell eine neue bedürfnisgerechte und qualifikationsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen (vgl. Lohaus 2010, S. 5). Die Angebote können sich auf Bewerbungstrainings, Beratungsangebote, Vermittlungsangebote, die Begleitung des Mitarbeiters währender der Arbeitssuch- und Bewerbungsphase o.ä. erstrecken. Die Kosten der Beratungsleistungen trägt i.d.R. das Unternehmen. Die Vorteile des Outplacements aus Sicht des Unternehmens bestehen in einer dadurch wahrscheinlicheren einvernehmlichen Trennung von dem Mitarbeiter, aber auch in einem verbesserten Arbeitgeberimage. Für den betroffenen Mitarbeiter sind die Beratungs- und Unterstützungsdienstleistungen des Unternehmens ebenfalls vorteilhaft, da so die Chance, relativ schnell eine neue Beschäftigung zu finden, meist steigt. <?page no="318"?> 319 Fragen zur Selbstkontrolle 1. Mit welchen Maßnahmen können Personalfreisetzungen vermieden werden? 2. Welche internen Maßnahmen zur Personalfreisetzung haben Sie kennengelernt? 3. Was bedeutet Outplacement und warum bieten nachhaltige Unternehmen Outplacementmaßnahmen an? 15 Personalservice in nachhaltigen Unternehmen Der Personalservice bietet grundlegende Dienstleistungen rund um das Arbeitsverhältnis an. Dazu gehören die Personalverwaltung, Beratungen der Mitarbeiter, Serviceleistungen, Organisation von Veranstaltungen und ggf. die Gesundheitsförderung (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 26f.). Nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen können auch im Bereich des Personalservice vielfältige ökologisch und sozial verträgliche Initiativen ergreifen. Beispielsweise können gezielt Maßnahmen entwickelt werden, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken (z.B. Betriebskindergärten, Beihilfen für Kinderbetreuung, Eltern-Kind-Arbeitszimmer, Beratungsleistung für Pflegefälle, Gesundheitsangebote), gezielt das Diversity-Management im Unternehmen unterstützen oder Mitarbeitern in Krisensituationen Beratungen anbieten oder vermitteln. Auch der Aufbau eines betrieblichen Gesundheitsmanagements könnte durch den Personalservice unterstützt werden. Ökologische Ansatzpunkte könnten z.B. im Bereich des Arbeits- und Unfallschutzes, aber auch von umwelt- und gesundheitsverträglichen Arbeitsbedingungen bestehen. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche besonderen Leistungen sollte der Personalservice in einem nachhaltigen Unternehmen anbieten? 16 Personalführung in nachhaltigen Unternehmen Personalführung ist die zielgerichtete direkte und indirekte Einflussnahme auf die Mitarbeiter zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in strukturierten Arbeitssituationen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 184). Sie ist wesentlich verantwortlich für die Umsetzung der unternehmerischen Ziele, Strategien und Aufgaben in allen Funktionsbereichen und Geschäftsbereichen des Unternehmens. Damit beeinflusst die Personalführung wesentlich das Handeln und die Entwicklung eines nachhaltigen Unternehmens. Deshalb wird der Aufgabenbereich der Personalführung im Konzept des Personalmanagements auch übergreifend eingeordnet (vgl. Abbildung 11). <?page no="319"?> 320 16 Personalführung in nachhaltigen Unternehmen Führungskräfte in nachhaltigen Unternehmen müssen selbst über umfassende soziale, ökologische, ökonomische und innovationsorientierte Qualifikationen und Kompetenzen verfügen, um in konkreten Situationen die „richtigen“ sozialen, ökonomischen und ökologischen Entscheidungen zu treffen und ihre Mitarbeiter im Hinblick auf die nachhaltigen Unternehmensziele kompetent zu führen. Dies sollte unterstützt werden durch einen kooperativen und partizipativen Führungsstil, der die Mitarbeiter an der Entwicklung und Umsetzung von sozialen, ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen und Strategien beteiligt und ihnen eigenverantwortliche Gestaltungsspielräume und Entscheidungskompetenzen gewährt, um kreativ und motiviert sozial- und ökologisch verträgliche Problemlösungen zu entwickeln und umzusetzen. Aufgabe der Führungskräfte ist es aber auch, soziale, ökonomische und ökologische Werthaltungen und Verhaltensweisen vorzuleben, um den Mitarbeitern ein Vorbild zu sein. 16.1 Grundlagen der Personalführung Die Personalführung ist gekennzeichnet durch die folgenden grundlegenden Merkmale (vgl. Weibler 2012, S. 14 ff.; Berthel/ Becker 2013, S. 165; Stock-Homburg 2013, S. 455 f.): An der Personalführung sind mindestens zwei Personen beteiligt, nämlich die Führungsperson und der oder die zu Führende. Zwischen den Beteiligten (Führungsperson, geführte Mitarbeiter) findet eine soziale Interaktion statt, d.h., dass die Verhaltensweisen der Führungskraft und des Mitarbeiters sich gegenseitig beeinflussen. Die Interaktionsbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist asymmetrisch, das bedeutet, dass die Führungsperson gegenüber den Mitarbeitern ihren Willen besser durchsetzen kann, weil die Führungskraft über mehr (formale) Macht und Weisungsbefugnis verfügt. Die Führung erfolgt zielorientiert, d.h., die Führungskraft verfolgt mit der direkten und indirekten Einflussnahme auf die Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter die Erreichung der vom Unternehmen vorgegebenen Ziele und die Erfüllung festgelegter Aufgaben. Das bedeutet für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen, dass auch die Personalführung für die Erreichung der nachhaltigen Unternehmensziele mit verantwortlich ist. Die Interaktion zwischen Führungsperson und Mitarbeiter ist dynamisch, das bedeutet, dass die Personalführung mit den dynamischen Veränderungen im Unternehmen z.B. hinsichtlich der nachhaltigen Unternehmensziele, Strategien, Strukturen, Anforderungen, konkreter Aufgaben, aber auch mit den Veränderungen der geführten Mitarbeiter (Qualifikation, Werte, individuelle Ziele, Leistungsverhalten) umgehen und die eigene Führung entsprechend anpassen muss. Die Einflussnahme auf die Mitarbeiter kann durch die direkte und die indirekte Personalführung erfolgen (vgl. v. Rosenstiel 2009b, S. 3 ff.). Bei der direkten Führung erfolgt die Führung direkt durch die Führungsperson. Dabei können mündliche, schriftliche und elektronische Kommunikationsmittel genutzt werden. Entscheidend ist hier das Verhalten der Führungsperson ihren Mitarbeitern gegenüber. Dazu gehört auch ihre Art, die zu erreichenden Ziele zu verdeutlichen, die Mitarbeiter zur <?page no="320"?> 16.1 Grundlagen der Personalführung 321 Zielerreichung zu motivieren, die Aufgaben zu koordinieren und zu delegieren, die Mitarbeiter bei der Aufgabenerfüllung zu unterstützen und die Arbeitsergebnisse zu kontrollieren. Die indirekte Führung erfolgt durch Strukturen, Regeln und Normen, die das Verhalten im Unternehmen steuern und koordinieren. Zu den Strukturen gehören z.B. Anforderungsprofile, Stellenbeschreibungen, Organigramme, Verfahrensvorschriften und Arbeitsanweisungen. Sie steuern das Verhalten der Mitarbeiter, ohne dass eine Person unmittelbar darauf Einfluss nimmt. Weiter übernimmt die Personalführung zwei grundsätzliche Funktionen (vgl. Zander 1992, S. 52): Die Lokomotionsfunktion: Dabei geht es um die Erreichung der Sachziele und der Berücksichtigung der leistungsorientierten und zeitlichen Vorgaben. Die Mitarbeiter müssen also dazu motiviert werden, dass sie ihre vorgegebenen Ziele gut erreichen. Die Kohäsionsfunktion: Sie fördert den Zusammenhalt und die konstruktive Zusammenarbeit innerhalb der Arbeitsgruppe und der jeweiligen Abteilung. Dabei basiert die Verhaltensbeeinflussung der Führungsperson den Mitarbeitern gegenüber auf den drei Grundmustern der Motivation, der Macht und der Autorität (vgl. Holtbrügge 2007, S. 193): Das erste Grundmuster der Personalführung durch Motivation basiert auf der Erkenntnis, dass Mitarbeiter einer Führungsperson umso eher folgen werden, je mehr die Führungsperson auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter (z.B. nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten und des Arbeitsortes oder nach Selbstverwirklichung) eingeht. Daher ist es wichtig, dass sich das Führungsverhalten des Vorgesetzten an den Mitarbeiterbedürfnissen orientiert, diese berücksichtigt und auch befriedigt. Das zweite Grundmuster der Personalführung ist die Ausübung von Macht. Sie basiert auf der formalen Rollendifferenzierung zwischen Führungsperson und Mitarbeiter sowie auf den spezifischen stellenbezogenen Befugnissen und der Positionsmacht der Führungsperson. Dadurch kann die Führungsperson bei Bedarf ihre Entscheidungen auch gegen den Willen der Mitarbeiter durchsetzen. Die Ausübung von Macht kann notwendig werden, wenn beispielsweise bei Krisen oder Unfällen Entscheidungen sofort getroffen und Aufgaben sofort ausgeführt werden müssen. Aber auch bei Leistungsdefiziten oder Leistungsverweigerungen seitens der Mitarbeiter kann die Ausübung von Macht angezeigt sein. Das dritte Grundmuster der Personalführung ist die Autorität. Autorität ist die freiwillige Anerkennung der hierarchischen Struktur des Unternehmens und der hierarchischen Position des Vorgesetzten. Dabei lassen sich verschiedene Formen von Autorität unterscheiden, z.B. die personale bzw. charismatische Autorität, die Fachautorität und die Amtsautorität. Autorität bedeutet die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich unterzuordnen und einzufügen und ihrem Vorgesetzten das Recht einzuräumen, ihnen Weisungen zu erteilen. Daher benötigen Führungskräfte nicht nur Macht, sondern vor allem auch Autorität, um erfolgreich führen zu können. Die Aufgaben und Funktionen der Führung zeigt die Abbildung 115. <?page no="321"?> 322 16 Personalführung in nachhaltigen Unternehmen Abbildung 115: Führungsaufgaben, Führungsfunktionen und Führungsstile 16.2 Bedeutung von Menschenbildern Die Annahmen, was eine gute Führung ist, wie sie gestaltet und umgesetzt werden kann, wird stark beeinflusst von dem Bild, dass eine Führungskraft von Menschen hat. Diese Menschenbilder sind vereinfachte Annahmen über die Natur des Menschen, über seine Einstellungen, Bedürfnisse, seine Motive, Erwartungen und Verhaltensweisen (vgl. Staehle 1999, S. 176). Menschenbilder bilden sich durch die Erfahrungen und die Sozialisation, die eine Person, d.h. auch eine Führungsperson, im Laufe ihres Lebens mit anderen Menschen macht. Genauso wird das Verhalten von Führungspersonen und der Umgang mit ihren Mitarbeitern davon beeinflusst, welche Überzeugungen und Ansichten sie über das menschliche Verhalten und die menschliche Natur haben (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 187). So belegen empirische Untersuchungen, dass Führungspersonen ihren Mitarbeitern eher mehr Verantwortung übertragen, wenn sie diese als kenntnisreich, verlässlich und intelligent einschätzen (vgl. Weinert 1995, Sp. 1496). Die Betriebswirtschaftslehre ist geprägt von verschiedenen Menschenbildern, die sich seit dem letzten Jahrhundert entwickelt haben. Einen wichtigen Ausgangspunkt stellt das dualistische Menschenbild von McGregor dar, das vereinfachend ein pessimistisches (Theorie X) und ein optimistisches Menschenbild (Theorie Y) unterscheidet (McGregor 1960; 1970). Das pessimistische Menschenbild (Theorie X) beinhaltet die Annahmen der traditionellen Managementansätze zur Natur des Menschen. Danach hat der Mensch eine angeborene Abscheu vor Arbeit, versucht sie wenn möglich zu vermeiden, hat wenig Ehrgeiz und muss daher kontrolliert, geführt und unter Androhung von Sanktionen zur Leistungserbringung gezwungen werden. Als Gegenentwurf hat McGregor das positive Menschenbild (Theorie Y) im Sinne eines Idealbildes entwickelt. Es geht davon aus, dass Menschen ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen und sich selbst entwickeln möchten. Die Arbeit ist für Menschen eine <?page no="322"?> 16.2 Bedeutung von Menschenbildern 323 wichtige Quelle ihrer Zufriedenheit. Sie sind zu Eigeninitiative, hohen Leistungen und Verantwortungsübernahme bereit, wenn sie sich mit den Unternehmenszielen identifizieren. Menschen sind grundsätzlich kreativ und innovativ, diese Fähigkeiten müssen bei der Arbeit nur gefördert werden (vgl. McGregor 1970, S. 47; Stopp/ Kirschten 2012, S. 187 f.). Große Verbreitung hat auch die von Schein (1980) entwickelte Typologie der Menschenbilder erfahren, die die Entwicklung der Annahmen über die menschliche Natur in den Managementansätzen spiegeln. Schein unterscheidet zwischen dem homo oeconomicus, dem social man, dem self-actualizing man und dem complex man (Schein 1980 S. 50 ff.). Den homo oeconomicus gilt als rational ökonomischer Mensch, der seinen Nutzen maximiert und überwiegend von materiellen und monetären Anreizen gelenkt wird. Dies war lange Zeit die klassische Perspektive vieler ökonomischer Modelle. Der social man ist der soziale Mensch, der überwiegend von sozialen Bedürfnissen geprägt ist und der nach sozialen Beziehungen strebt. Dieses Menschenbild liegt dem Human-Relations-Ansatz zugrunde. Der self-actualizing man ist der sich selbst verwirklichende Mensch. Er möchte sich auch in seiner Arbeit selbst verwirklichen, strebt nach Autonomie, Selbst-Kontrolle und Selbst-Motivation. Vor allem humanistische Ansätze gehen von diesem Menschenbild aus. Der complex man ist der Mensch als komplexes Wesen, er ist vielschichtig und wandlungsfähig. Er hat sowohl materielle als auch immaterielle und soziale Bedürfnisse, er ist lernfähig und möchte sich selbst verwirklichen. Die Dominanz einzelner Bedürfnisse kann sich im Zeitverlauf und je nach persönlicher Situation verändern. Viele moderne Managementansätze legen dieses Menschenbild zugrunde. Seit der Typologie von Schein wurden noch weitere Menschenbilder entwickelt, die keine allgemeingültige Theorie des menschlichen Handelns entwerfen möchten, sondern sich auf die Erklärung wesentlicher Teilbereiche des menschlichen Verhaltens konzentrieren. Verbreitet haben sich vor allem die folgenden Menschenbilder: der homo sociologicus (Dahrendorf 1986); der homo sociooeconomicus (Weise 1989), der homo oecologicus (Meinberg 1995), der homo politicus (Faber et al. 1997), der homo sustinens (Siebenhüner 2001), der homo psychologicus (Becker 2003, S. 73) und Econs und Humans (Thaler/ Sunstein 2013) (vgl. Rogall/ Gapp 2015). Interessant für die Auseinandersetzung mit der Personalführung in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen ist das von Siebenhüner entwickelt Menschenbild des homo sustinens (vgl. Siebenhüner 2000; 2000a; 2001; S. 291-313; 2005). Sustinens ist abgeleitet vom lateinischen „sustinere“ und dem englischen „to sustain“ und bedeutet stützen, emporhalten, ertragen, bewahren. Der homo sustinens wurde aus dem normativen Konzept der Nachhaltigkeit abgeleitet. Er ist ein Mensch, der sich am Leitbild der Nachhaltigkeit orientiert, der sich seiner natürlich-biologischen Wurzeln, aber auch seiner Subjektivität und seiner kulturellen Einbindung bewusst ist (vgl. Siebenhüner 2001, S. 353). Führungspersonen, die in nachhaltigen Unternehmen arbeiten und die Vision und die Ziele einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung teilen, sollten ihrem Handeln ein <?page no="323"?> 324 16 Personalführung in nachhaltigen Unternehmen positives, komplexes aber auch nachhaltigkeitsorientiertes Menschenbild zugrunde legen, das den Menschen in seiner (auch widersprüchlichen und motivationalen) Vielfalt annimmt, aber grundsätzlich als motiviert und leistungsbereit ansieht, sofern seine Bedürfnisse nach sinnvoller Tätigkeit, Anerkennung, Selbstentfaltung und Verantwortungsübernahme befriedigt werden. Dabei können die Menschenbilder des complex man und des homo sustinens den Führungspersonen als Leitbilder dienen. 16.3 Führungsstile Als Führungsstil wird die Art und Weise bezeichnet, wie Führungspersonen die ihnen unterstellten Mitarbeiter zur Aufgabenerfüllung und Leistungserbringung anleiten, motivieren und beeinflussen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 187). Führungsstile sind regelmäßig wiederkehrende Verhaltensmuster der Führungsperson, die situationsunabhängig und damit relativ stabil sind (vgl. Neuberger 2002; Stock-Homburg 2013, S. 484). Das Personalmanagement hat eine Vielzahl an Führungsstilen entwickelt (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 187). Ein grundlegendes Führungsstilmodell stammt von Tannenbaum und Schmidt (1958). Anhand der Dimension des Entscheidungsspielraums entwerfen Tannenbaum und Schmidt verschiedene Führungsstile, die sich zwischen dem Kontinuum des autoritären und des kooperativen Führungsstils bewegen. Bei einem autoritären Führungsstil liegt die alleinige Entscheidungsbefugnis beim Vorgesetzten, bei dem kooperativen Führungsstil entscheiden die Mitarbeiter und der Vorgesetzte fungiert als Koordinator der Entscheidung (vgl. Abbildung 116). Abbildung 116: Führungsstilkontinuum von Tannenbaum und Schmidt (1958) (http: / / www.dripartner.de/ WE_Lernsystem/ Daten/ pict/ entscheidungsspielraum.gif) Ein autoritärer Führungsstil ist heute in Unternehmen kaum noch verbreitet. Demgegenüber befürwortet die Mehrheit der Wissenschaft, aber auch der Praktiker einen kooperativen Führungsstil, weil er den heute anerkannten Menschenbildern sowie <?page no="324"?> 16.4 Führungsmodelle 325 der Bedürfnisvielfalt, der Leistungsfähigkeit und den Qualifikationen der Mitarbeiter i.d.R. am ehesten gerecht wird und damit in der Praxis erfolgreich ist. Das gilt natürlich auch für die Personalführung in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen. Führungsstile müssen aber nicht nur eindimensional sein, sondern können auch mehrere Dimensionen in ihrem Führungsverhalten berücksichtigen. Im Personalmanagement haben sich die folgenden drei Dimensionen der Personalführung etabliert, die sich - als zweidimensionale bzw. dreidimensionale Ansätze in den verschiedenen Führungsmodellen wiederfinden: Die Aufgabenorientierung, die Mitarbeiterorientierung und die Partizipationsorientierung. Abbildung 117: Dimensionen des Führungsverhaltens Die Personalführung in nachhaltigen Unternehmen sollte alle drei Dimensionen des Führungsverhaltens berücksichtigen. Die Aufgabenorientierung ist wichtig, um die nachhaltigen Unternehmensziele tatsächlich zu erreichen. Die Mitarbeiterorientierung stellt sicher, dass die Personalführung auch die subjektiven Bedürfnisse der Mitarbeiter ausreichend berücksichtigt und dadurch ihre Motivation und ihre Leistungsfähigkeit fördert. Die Partizipationsorientierung gewährleistet die Beteiligung der Mitarbeiter an arbeitsbezogenen Entscheidungsprozessen. Erst dadurch können das Wissen, die Kompetenzen und die Erfahrungen der Mitarbeiter für die nachhaltige Unternehmenstätigkeit umfassend genutzt werden. Gleichzeitig fördert die Partizipation die Eigeninitiative, das Mitdenken und die Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter für ihre Aufgabenbereiche und damit auch für die Erreichung der nachhaltigen Unternehmensziele. 16.4 Führungsmodelle Das Personalmanagement verfügt mittlerweile auch über vielfältige Ansätze zur Führung, die teils als Führungsmodelle, teils als Führungstheorien bezeichnet werden, je nachdem, wie umfangreich die Aussagen zu den Einflussfaktoren, Komponenten der <?page no="325"?> 326 16 Personalführung in nachhaltigen Unternehmen Führung und ihrer verhaltenstheoretischen Fundierung sind (vgl. Scholz 2014, S. 308). Diese Vielfalt an Führungsansätzen wird in der Literatur unterschiedlich geordnet. Frau Stock-Homburg sortiert die Ansätze nach klassischen und neueren Ansätzen der Führungsforschung (vgl. Tabelle 33). Tabelle 33: Strukturierung ausgewählter Führungsansätze nach Stock-Homburg (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 458) Strukturierung ausgewählter Führungsansätze nach Stock-Homburg Perspektiven klassischer Ansätze der Führungsforschung Eigenschaftsorientierte Ansätze Verhaltensorientierte Ansätze Situative Perspektive Theorie der charismatischen Führung Ohio-State-Leadership Quadrant Kontingenztheorie nach Fiedler Theorie der transaktionalen / transformationalen Führung GRID-Führungsmodell Weg-Ziel-Theorie D.I.S.G. Konzept Reifegradmodell Neuere Ansätze der Führungsforschung Implizite Führungstheorie Leader-Member-Exchange Theory Symbolische Führung Super Leadership Theory Emotional Contagion-Concept Die jeweiligen Ansätze sind ausführlich in der Literatur beschrieben (vgl. z.B. Stock- Homburg 2013; Scholz 2014). Wir konzentrieren uns hier nur auf diejenigen Führungsansätze, die für die Personalführung in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen am besten geeignet scheinen und daher dem Menschenbild des complex man und des homo sustinens am ehesten entsprechen, die kooperative und transformative Führungsstrategien beinhalten und auch den neuen Anforderungen der Arbeitswelt eher entsprechen. 16.4.1 Transaktionaler Führungsansatz Der transaktionale Führungsansatz basiert auf dem Marktprinzip und einem rational begründeten Austausch von Leistung und Gegenleistung. Wenn die Mitarbeiter ihre Arbeitsaufgaben gut erfüllen und damit die unternehmerische Zielerreichung unterstützen (Leistung der Mitarbeiter), dann erhalten sie von der Führungskraft eine Gegenleistung als Belohnung. Diese Belohnung besteht im vertraglich vereinbarten Gehalt sowie zusätzlich in der Anerkennung guter bzw. sehr guter Leistungen und vielleicht auch in der Gewährung monetärer (z.B. Bonus) oder nicht-monetärer (zusätzliche Urlaubstage) Zusatzleistungen. Das Prinzip der Belohnung für gute Leistung <?page no="326"?> 16.4 Führungsmodelle 327 basiert weitgehend auf materiellen und extrinsischen Anreizen, durch die die Mitarbeiter zu hohen Arbeitsleistungen motiviert werden sollen (vgl. Bass 1990 1997a; b). Für die Personalführung in nachhaltigen Unternehmen kann der transaktionale Führungsansatz als Grundmodell der wechselseitigen Austauschbeziehung zwischen Unternehmen, Vorgesetztem und Mitarbeiter dienen. Einer transaktionalen Führung wird es jedoch kaum gelingen, die Leistungspotenziale und das Engagement der Mitarbeiter umfassend anzusprechen und für die unternehmerische Zielerreichung ausschöpfen zu können. Dafür sind die im folgenden vorgestellten Führungsansätze besser geeignet. 16.4.2 Transformationaler Führungsansatz Bei dem transformationalen Führungsansatz soll der Mitarbeiter durch die Persönlichkeit des Führenden verwandelt, d.h. transformiert werden (vgl. Burns 1978, S. 19 f.). Durch diese Transformation verändert sich das Anspruchsniveau des Mitarbeiters derart, dass er sich nicht nur für seine eigenen, sondern auch für andere und höhere Ziele einsetzt, beispielsweise für die nachhaltige Entwicklung seines Aufgabengebietes und seines Arbeitgebers. Damit handelt der Mitarbeiter nicht mehr ausschließlich aus Eigeninteresse (wie beim rationalen Tausch des transaktionalen Ansatzes), sondern entwickelt auch die Bereitschaft, altruistisch, d.h. selbstlos zu handeln (vgl. Cole/ Bruch/ Shamir 2009; Rowley/ Hossain/ Barry 2010, Yammarino/ Dubinsky 1994; Bass 1990; Bass/ Steyrer 1995, S. 2054). Der transformationale Führungsansatz basiert auf vier Komponenten (Bass 1990; Bass/ Steyrer 1995; Wunderer 2011): Die Führungsperson muss eine charismatische Persönlichkeit besitzen. Damit ist gemeint, dass die Führungskraft aufgrund ihrer Persönlichkeit, ihrer Überzeugungskraft, ihren Visionen, aber auch ihrem Verhalten die unterstellten Mitarbeiter begeistert und von ihrer Vision überzeugt. Das führt dazu, dass sich die Mitarbeiter mit den Zielen und dem Verhalten der Führungsperson identifizieren können und sich so zu hohen, auch altruistischen Leistungen motivieren lassen. Führungskräfte, denen es gelingt, die nachhaltige Vision und die Ziele des nachhaltigen Unternehmens überzeugend und deutlich auf die Aufgabenbereiche der Mitarbeiter zu übertragen, die selbst engagiert an der nachhaltigen Zielerreichung arbeiten und ihre Mitarbeiter für die nachhaltige Vision des Unternehmens und deren Umsetzung begeistern, motivieren ihre Mitarbeiter auch emotional und erreichen dadurch eine umfangreichere Identifikation und eine höhere Leistungsbereitschaft ihrer Mitarbeiter. Die Führungsperson muss ihre Mitarbeiter inspirierend motivieren. Damit ist gemeint, dass die Führungskraft die den Mitarbeitern vorgegebenen Ziele und Aufgaben als wichtig und sinnstiftend vermittelt und die Mitarbeiter dadurch noch stärker motiviert. Das gemeinsame Ziel einer nachhaltigen Unternehmenstätigkeit bzw. die Entwicklung hin zu einem nachhaltig handelnden Unternehmen kann eine große inspirierende Wirkung auf die Mitarbeiter auslösen. Dies entspricht auch dem steigenden Wunsch vieler Mitarbeiter nach sinnstiftenden und auch gesellschaftlich wichtigen Aufgaben. Auch sollte es der Führungsperson gelingen, ihre Mitarbeiter intellektuell zu stimulieren, d.h. mit inhaltlich anspruchsvollen Zielen und Aufgaben, die auch eigene Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten bieten, die von den Mitarbeitern als wichtig und nützlich angesehen werden. Die Mitarbeit in einem nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen, <?page no="327"?> 328 16 Personalführung in nachhaltigen Unternehmen das sich für eine sozial und ökologisch verträgliche Entwicklung einsetzt und auch an der eigenen nachhaltigen Entwicklung arbeitet, kann gut als eine solche intellektuelle Stimulierung wirken. Die fachliche Komplexität der nachhaltigen Unternehmenstätigkeit spiegelt sich in den umfangreicheren Qualifikationsanforderungen und damit anspruchsvolleren einzelnen Aufgabenbereichen der Mitarbeiter. Gewährt die Personalführung ihren Mitarbeitern auch Gestaltungsspielräume in ihren Aufgabenfeldern, beteiligt sie die Mitarbeiter an aufgabenbezogenen Entscheidungsprozessen und ermöglicht sie Freiräume für die Entwicklung verbesserter Problemlösungen oder von Neuheiten, so fordert sie die Mitarbeiter intellektuell und spricht gleichzeitig die Bedürfnisse nach Selbstentfaltung an. Als vierte Komponente sollte die Führungsperson ihren Mitarbeitern unbedingt eine individuelle Wertschätzung und Anerkennung der persönlichen Leistungen entgegenbringen. Gerade die jüngeren Generationen legen viel Wert auf regelmäßige und häufigere Rückmeldungen über die Qualität ihrer Leistung. Aber jeder von uns freut sich über ein Lob für gute Leistungen und ist (meist) dankbar für sachliche Kritik bei fehlerhaften Leistungen, um seine Aufgaben später fehlerfreier erfüllen zu können. Diese Anerkennung motiviert die Mitarbeiter zusätzlich und steigert auch die Loyalität zum Vorgesetzten. Die Anerkennung und Wertschätzung guter oder auch außergewöhnlicher Leistung ist auch ein Ausdruck der sozialen Orientierung eines nachhaltigen Unternehmens. Die folgende Tabelle fasst die Komponenten der transformativen Führung noch einmal zusammen. Tabelle 34: Komponenten transformativer Führung (Berthel/ Becker 2013, S. 183 nach Wunderer 2009, S. 242 und Bass/ Avolio 1993) Komponenten transformativer Führung werte- und zielverändernde Führung individuelle Behandlung geistige Anregung Inspiration persönliche Ausstrahlung Mitarbeiter individuell betrachten Mitarbeiter individuell führen und fördern etablierte Denkmuster aufbrechen neue Einsichten vermitteln Bedeutung von Zielen und Aufgaben erhöhen über eine fesselnde Vision / Mission motivieren Enthusiasmus vermitteln als Identifikationsperson wirken integer handeln individuell intellektuell inspirierend identifizierend Für Führungskräfte in nachhaltigen Unternehmen ist dieser Führungsansatz sehr interessant, da er die Begeisterungsfähigkeit der Mitarbeiter für eine charismatische und nachhaltigkeitsorientierte Führungsperson anspricht, aber auch die Möglichkeit eröffnet, Mitarbeiter zu altruistischem Arbeitsverhalten motivieren zu können. Gleichzeitig betont der Ansatz die Bedeutung der individuellen, intellektuellen, inspirierenden und identifizierenden Führung. <?page no="328"?> 16.4 Führungsmodelle 329 16.4.3 Implizite Führungstheorie Die implizite Führungstheorie orientiert sich nicht an der Perspektive der Führungsperson, sondern an der Perspektive der Mitarbeiter. Sie nimmt an, dass die Mitarbeiter eine bestimmte Vorstellung von einer idealen Führung haben, die auf ihren bisherigen eigenen Erfahrungen aber auch auf ihrem Wunschbild einer idealen Führungsperson basiert (Lord/ Foti/ Devader 1984). In einer konkreten Führungssituation vergleichen die Mitarbeiter das tatsächliche Führungsverhalten ihrer Führungskraft mit ihrem Idealbild von Führung. Je mehr die Realität dem Idealbild entspricht, desto höher ist auch die Akzeptanz der Führungsperson und umgekehrt (vgl. Lord/ Foti/ DeVader 1984; Lord/ Maher 1991). Die Besonderheit der impliziten Führungstheorie besteht darin, dass sie die Vorstellungen und ggf. Erfahrungen der Mitarbeiter von einer idealen Führungsperson mit integrieren und nicht nur die Eigenschaften und das tatsächliche Führungsverhalten einer Führungskraft. Zusätzlich entscheidet der Vergleich zwischen dem idealen Führungsbild der Mitarbeiter und der realen Führungsperson und Führungssituation über die Akzeptanz der Führungsperson durch die geführten Mitarbeiter. Abbildung 118: Implizite Führungstheorie Dieser Perspektivenwechsel der impliziten Führungstheorie hin zu den Erwartungen der Mitarbeiter an eine ideale Führungsperson entspricht gut den veränderten Erwartungen, die jüngere Arbeitnehmer an ihre (zukünftigen) Arbeitgeber und Vorgesetzten haben. Diese Erwartungen sind deutlich anspruchsvoller geworden und gerade die jüngeren Mitarbeiter haben mittlerweile oft vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund des demografischen Wandels. So müssen auch nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen verstärkt die Erwartungen an Ansprüche ihrer Mitarbeiter an die Führung und konkrete Führungspersonen berücksichtigen. Identifiziert werden können die Erwartungen der Mitarbeiter an eine gute Führung beispielsweise durch Mitarbeiterbefragungen. <?page no="329"?> 330 16 Personalführung in nachhaltigen Unternehmen 16.4.4 Super Leadership Theorie Durch die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung vieler Unternehmen, aber auch durch eine steigende Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeiten erhöht sich auch die räumliche Distanz zwischen der Führungsperson und ihren Mitarbeitern. Die zunehmende räumliche Distanz erschwert eine direkte Einflussnahme der Führungsperson auf ihre Mitarbeiter. Daraus ergeben sich neue Probleme und Fragestellungen einer guten und effizienten Führung auf Distanz. Die Super Leadership Theorie geht von der Annahme aus, dass eine wirksame Führung von innen heraus stattfindet und durch die Mitarbeiter selbst entsteht (vgl. Manz/ Sims 1987). Damit zielt die Super Leadership Theorie darauf ab, dass die Mitarbeiter selbst befähigt werden müssen, ihre eigenen Aufgabenbereiche selbständig, eigenverantwortlich und zielgerichtet zu bearbeiten und auch sich selbst zu motivieren (Manz/ Sims 1991). Die Mitarbeiter werden also dazu befähigt, sich selbst zu führen (self leadership). Damit steht nicht mehr die Fremdführung durch die Führungsperson im Fokus, sondern die Selbstführung der Mitarbeiter. Doch wie kann das gelingen? Voraussetzung für die Anwendung der Super Leadership Theorie ist die Entwicklung einer Unternehmenskultur, die die Gestaltungs- und Handlungsspielräume der Mitarbeiter fördert und dadurch erst eine Selbstführung ermöglicht. Auch muss eine gelungene Selbstführung von den Vorgesetzten belohnt und gefördert werden. Zusätzlich müssen die Mitarbeiter durch Personalentwicklungsmaßnahmen lernen, sich selbst zu führen. Gelingt die Selbstführung der Mitarbeiter, so steigert das einerseits die Selbständigkeit und Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter für ihre Aufgabenbereiche, andererseits entlastet es die Führungskräfte, die sich dann mehr auf strategische Führungsaufgaben konzentrieren können, dabei aber auch die individuelle Selbstführung der Mitarbeiter kontrollieren müssen (vgl. Manz/ Sims 1991). Für Führungskräfte in nachhaltigen Unternehmen ist die Super Leadership Theorie ein hilfreicher Ansatz, da sie der örtlich und zeitlich flexibler werdenden Zusammenarbeit, auch im internationalen Kontext gerecht wird und gleichzeitig die Selbstverantwortung sowie das eigene Engagement der Mitarbeiter stärkt. 16.4.5 Mitunternehmertum Auch der Ansatz des Mitunternehmertums zielt darauf ab, die Mitarbeiter von rein ausführenden Akteuren weiter zu entwickeln zu selbstständigen, verantwortungsvollen und unternehmerisch denkenden und handelnden Akteuren. Die Mitarbeiter sollen also dazu motiviert werden, auch aus der Perspektive und im Sinne des Unternehmens zu handeln und damit auch eine Mitverantwortung für die unternehmerische Entwicklung zu tragen. Ein Ansatz zum Mitunternehmertum stammt von Rolf Wunderer (Wunderer, 2003, S. 55 f.). Unter Mitunternehmertum versteht Wunderer ein problemlösendes und sozialkompetentes Handeln der Mitarbeiter, die auch Eigeninitiative und Verantwortung für ihr Handeln und ihre Aufgabenbereiche übernehmen und dadurch die Umsetzung der Unternehmensstrategien aktiv und effizient fördern. Um dies zu erreichen, müssen die Mitarbeiter jedoch lernen, als Mitunternehmer zu denken und zu handeln und sie benötigen die Handlungsspielräume, um eigenverantwortlich ihre Aufgabenbereiche zu erfüllen. Damit benötigt das Mitunternehmertum zwei Führungsformen: Einerseits eine strukturelle Führung, die die <?page no="330"?> 16.4 Führungsmodelle 331 Kultur, die Strategie und die Organisation des Unternehmens entsprechend gestaltet, andererseits eine interaktive Führung, die die Mitarbeiter durch Motivation, Information und Kommunikation lenkt (vgl. Wunderer 2011; Scholz 2014, S. 328). Desto mehr Mitarbeiter in die Rolle der Mitunternehmer hineinwachsen, und mehr mitdenken, mitwissen, mithandeln und mitverantworten, desto vielfältiger, innovativer, leistungsfähiger aber auch komplexer wird das Unternehmenshandeln. Gerade für nachhaltige Unternehmen sind Mitarbeiter, die als verantwortliche und engagierte Mitunternehmer agieren, wichtige Leistungspotenziale. Voraussetzung für ein Gelingen dieses Mitunternehmertums ist die Einigkeit in der unternehmerischen Ziel- und Strategieausrichtung. Gelingt dies, so ist es ein vielversprechender Ansatz auch für nachhaltige Unternehmen, deren Mitarbeiter meist schon aufgrund der gemeinsamen Ausrichtung auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung eine höhere Eigenständigkeit, Verantwortlichkeit und Leistungsfähigkeit bei der Bearbeitung komplexer Aufgaben mitbringen. 16.4.6 Komplexes Führungsmodell Die Komplexität der Personalführung veranschaulicht das Führungsmodell von Rosenstiel (vgl. Rosenstiel 2003a, S. 9; vgl. Abbildung 119). So hängt der Führungserfolg einer Führungskraft von vielen Einflussfaktoren ab. Dazu gehört die Persönlichkeit, das Verhalten und die Erfahrungen der Führungskraft selbst, aber auch der Führungsprozess und die konkrete Führungssituation spielen eine Rolle, ebenso wie die Subjektivität der Mitarbeiter. Abbildung 119: Führungsmodell nach Rosenstiel (Rosenstiel 2003a, S. 9) <?page no="331"?> 332 17 Nachhaltiges Personalmarketing Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Bedeutung haben Menschenbilder für Führungskräfte? 2. Welche Führungsstile haben Sie kennengelernt? 3. Wodurch unterscheidet sich der transaktionale Führungsansatz vom transformationalen Führungsansatz? 4. Welchen Perspektivenwechsel beinhaltet die implizite Führungstheorie? 5. Was ist die zentrale Idee der Super Leadership Theorie? 6. Warum ist es wichtig, dass Mitarbeiter in nachhaltigen Unternehmen auch Verantwortung im Sinne eines Mitunternehmertums übernehmen? 7. Welche Erkenntnis vermittelt Ihnen das komplexe Führungsmodell? 17 Nachhaltiges Personalmarketing Im integrierten Gestaltungsansatz eines nachhaltigen und zukunftsorientierten Personalmanagements bildet das Personalmarketing einen Querschnittsbereich, da sich die Ziele und Aufgaben des nachhaltigen Personalmarketings auf die meisten Teilbereiche des Personalmanagements erstrecken und vielfältige Verknüpfungen zwischen und zu den Teilfunktionen des Personalmanagements bestehen. 17.1 Grundzüge des nachhaltigen Personalmarketings Das Personalmarketing kann als Weiterentwicklung klassischer Marketingansätze auf die Fragestellungen und Aufgabenbereiche des Personalmanagements eingeordnet werden (vgl. Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 65). Anlass für die Entwicklung des Personalmarketings waren die zunehmenden Schwierigkeiten vieler Unternehmen, geeignete und gut qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und an sich zu binden. Im Zuge des demografischen Wandels und der sich dadurch zunehmend verknappenden Nachwuchskräfte steigt der Wettbewerb der Arbeitgeber um die gut qualifizierten (Nachwuchs-)Kräfte und wird zukünftig wohl noch zunehmen. Dies stärkt die Position gut qualifizierter Arbeitssuchender bei der Wahl ihres Arbeitgebers, was sich sowohl in steigenden Ansprüchen an Beschäftigungsangebote als auch in einer geringer werdenden Bindung an die Arbeitgeber zeigt. Daher möchten die Unternehmen mit dem Personalmarketing ihre besonderen Vorzüge als Arbeitgeber sowohl auf dem unternehmensexternen als auch auf dem unternehmensinternen Arbeitsmarkt präzisieren und an ihre Zielgruppen kommunizieren. Ziel ist es dabei, das Unternehmen als besonders attraktiven Arbeitgeber auf den Arbeitsmärkten zu positionieren und sich damit von anderen Arbeitgebern positiv abzuheben (vgl. Nicolai 2014, S. 20). Für nachhaltige Unternehmen ist das Personalmarketing wichtig, um sich als attraktiver ökologisch verträglicher, sozial gerechter und ökonomisch leistungsfähiger Arbeitgeber auf dem externen und internen Arbeitsmarkt zu positionieren und sich damit inhaltlich positiv von anderen Arbeitgebern und deren Stellenangeboten abzuheben. <?page no="332"?> 17.2 Funktionen des Personalmarketings 333 Ein nachhaltiges Personalmarketing zeichnet sich dadurch aus, dass es alle Maßnahmen eines Unternehmens umfasst, die geeignet sind, seine Attraktivität als ökologisch verantwortlicher, sozial gerechter, ökonomisch leistungsfähiger und innovativer Arbeitgeber auf dem unternehmensexternen und unternehmensinternen Arbeitsmarkt zu steigern und zu kommunizieren. Die zentralen Aufgaben des nachhaltigen Personalmarketings entsprechen den klassischen Personalmarketingaufgaben und erstrecken sich auf die Ansprache potenzieller gut qualifizierter Bewerber als zukünftige Mitarbeiter, auf die Bindung aktuell beschäftigter Mitarbeiter sowie auf ein positives Arbeitgeberimage bei den ehemaligen Mitarbeitern. Damit übernimmt das nachhaltige Personalmarketing eine Schlüsselfunktion für den langfristigen Unternehmenserfolg, da es die Besonderheiten nachhaltiger Unternehmen für potenzielle, aktuelle und ehemalige Mitarbeiter spezifiziert und kommuniziert und so das nachhaltige Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber mit alle seinen Beschäftigungsmöglichkeiten, Karriereperspektiven, Aufgabenbereichen, seiner Innovationsorientierung und besonderen Unternehmenskultur auf den Arbeitsmärkten positioniert. Das zentrale Ziel des nachhaltigen Personalmarketings besteht darin, eine positive Wahrnehmung bei den gewünschten Zielgruppen zu erreichen, geeignete und gut qualifizierte Bewerber mit ähnlichen Werthaltungen als Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen und so seinen Personalbedarf adäquat zu decken, eine längerfristige Mitarbeiterbindung der aktuell beschäftigten Mitarbeiter zu erreichen und den ehemaligen Mitarbeitern mit einem positiven nachhaltigen Arbeitgeberimage im Gedächtnis zu bleiben. 17.2 Funktionen des Personalmarketings Das Personalmarketing in nachhaltigen Unternehmen übernimmt drei zentrale Funktionen: die Profilierungsfunktion, die Akquisitionsfunktion und die Motivationsfunktion (vgl. Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 65). Die Profilierungsfunktion dient dazu, das nachhaltige Unternehmen auf dem internen und externen Arbeitsmarkt von anderen Arbeitgebern positiv hervorzuheben. Dazu müssen die Leistungsbereiche und nachhaltigen Besonderheiten des Unternehmens, seine Beschäftigungsangebote und Entwicklungsmöglichkeiten überzeugend und für die gewünschten Zielgruppen ansprechend gestaltet und kommuniziert werden. Ziel der Profilierungsfunktion ist es, die gewünschten Zielgruppen mit der Unternehmensprofilierung anzusprechen und wahrgenommen zu werden. Die Akquisitionsfunktion baut auf der Profilierungsfunktion auf. Zusätzlich zur Wahrnehmung als Arbeitgeber dient die Akquisitionsfunktion dazu, einen hohen Bekanntheitsgrad des nachhaltigen Unternehmens auf dem externen Arbeitsmarkt zu erreichen. Darüber hinaus sollen die gewünschten Zielgruppen eine positive Präferenz gegenüber dem nachhaltigen Unternehmen entwickeln, d.h. das Unternehmen als wünschenswerten Arbeitgeber einschätzen und auch eine konkrete Bewerbungsabsicht bei diesem Unternehmen entwickeln. Die Motivationsfunktion richtet sich an die bereits im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter. Hier geht es darum, die arbeitsbezogenen Bedürfnisse der beschäftigten Mitarbeiter durch eine bedürfnisgerechte ökologische, ökonomische und soziale Gestaltung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte möglichst weitgehend zu befriedigen. Dadurch soll die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, aber <?page no="333"?> 334 17 Nachhaltiges Personalmarketing auch ihre Leistungsbereitschaft und ihr Engagement gesteigert werden sowie ihre Bindung an das Unternehmen erhöht werden. Insgesamt dienen die drei Funktionen des Personalmarketings dazu, ein positives Image als nachhaltigkeitsorientierter Arbeitgeber zu entwickeln, mit dem sich das Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt von anderen Arbeitgebern positiv abheben kann und dadurch die Gewinnung neuer Mitarbeiter sowie die Bindung bereits vorhandener Mitarbeiter aber auch die positive Erinnerung ehemaliger Mitarbeiter stärkt. 17.3 Strategisches und operatives Personalmarketing Hinsichtlich der zeitlichen Orientierung lässt sich auch beim Personalmarketing eine strategische und eine operative Ausrichtung unterscheiden. Das strategische Personalmarketing beschäftigt sich mit der langfristigen Strategieentwicklung und Gestaltung des Personalmarketings unter Berücksichtigung der längerfristigen Personalplanung, der Unternehmensentwicklung und den Unternehmensstrategien. Zu den Aufgaben des strategischen Personalmarketings gehören z.B. die Gestaltung der Arbeitgebermarke, die Festlegung wesentlicher Zielgruppen sowie die Bestimmung grundlegender Strategien des Personalmarketings. Demgegenüber weist das operative Personalmarketing eine kurzbis mittelfristige zeitliche Orientierung auf. Wesentliche Aufgaben des operativen Personalmarketings bestehen in der Gestaltung des Personalmarketing-Mix sowie dessen Umsetzung in geeignete Maßnahmen. Abbildung 120: Prozess des Personalmarketings (vgl. Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 66) <?page no="334"?> 17.4 Prozess des Personalmarketings 335 17.4 Prozess des Personalmarketings Der Prozess des Personalmarketings bildet alle notwendigen Aufgaben des Personalmarketings als systematischen Planungs- und Entscheidungsprozess ab und ist in Abbildung 120 dargestellt. Die Aufgaben des Personalmarketings dienen wiederum dazu, die oben genannten Funktionen des Personalmarketings zu erfüllen. Der Prozess beginnt mit einer detaillierten Situationsanalyse, die den quantitativen und qualitativen Bedarf an Mitarbeitern, die Analyse relevanter Zielgruppen und ihrer Arbeitgeberpräferenzen sowie die Wettbewerbssituation auf dem Arbeitsmarkt und die eigene Positionierung als Arbeitgeber umfasst. Darauf aufbauend werden die wesentlichen Ziele und Strategien des Personalmarketings entwickelt und formuliert. Ihre Umsetzung erfolgt mit der Gestaltung geeigneter Maßnahmen im Personalmarketing-Mix sowie mit der Festlegung organisatorischer Zuständigkeiten. Inwieweit das Personalmarketing seine Ziele erreicht hat und wie erfolgreich seine Wirkung bei den gewünschten Zielgruppen war, wird mit Hilfe des Personalmarketing-Controllings ermittelt (vgl. Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 67 f.). Im Folgenden werden nur ausgewählte Prozessschritte als Aufgabenbereiche des Personalmarketings genauer erläutert. 17.4.1 Situationsanalyse Eine detaillierte Situationsanalyse ist der Ausgangspunkt des Personalmarketings und bildet die Informationsgrundlage für das weitere Vorgehen. Zunächst muss der unternehmensbezogene Personalbedarf (quantitativ und qualitativ) ermittelt werden, um anschließend die notwendigen und gewünschten Zielgruppen bestimmen zu können. Grundsätzlich erstrecken sich die Zielgruppen des Personalmarketings auf die potenziellen, die aktuellen und die ehemaligen Mitarbeiter. In einer genaueren Zielgruppenanalyse müssen die jeweils benötigten Qualifikationen der Zielgruppen ermittelt werden. Aus den erforderlichen Qualifikationen lassen sich die Zielgruppen z.B. hinsichtlich der Schulabschlüsse, Studienfächer, Berufserfahrungen und weiteren soziodemografischen Merkmalen eingrenzen (vgl. Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 69). Wesentliche Informationsgrundlagen der Situationsanalyse zeigt die Tabelle 35. Tabelle 35: Informationsgrundlagen der Situationsanalyse im Personalmarketing <?page no="335"?> 336 17 Nachhaltiges Personalmarketing Zusätzlich müssen die Erwartungen der gewünschten Zielgruppen an die Arbeitgeber ermittelt werden. Gerade die jüngeren Generationen stellen mittlerweile besondere Anforderungen an potenzielle Arbeitgeber, ihre Aufgabenbereiche und Arbeitsbedingungen (vgl. Abbildung 121, Abbildung 122). Das Unternehmen muss hierbei prüfen, inwieweit es die Erwartungen ihrer gewünschten Zielgruppen hinsichtlich Arbeitsinhalten, Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten tatsächlich erfüllen kann und ob ggf. die Arbeitsangebote des Unternehmens den Erwartungen de Zielgruppen angepasst werden müssen. Darüber hinaus müssen auch diejenigen Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt analysiert werden, die für das eigene Unternehmen Konkurrenten bei der Mitarbeitergewinnung darstellen. Die Konkurrenzsituation zwischen den Arbeitgebern erstreckt sich dabei insbesondere auf die am Arbeitsmarkt nachgefragten Qualifikationen. Die folgenden Abbildungen bieten Einblicke in die derzeitigen Wünsche, die potenzielle Mitarbeiter an zukünftige Arbeitgeber stellen. Dabei wird auch deutlich, dass der Stellenwert einer ökologischen und sozialen Orientierung und Verantwortung eines Unternehmens als Anforderung an einen Arbeitgeber gestiegen ist. Abbildung 121: Die Universum-Treiber der Arbeitgeberattraktivität https: / / image.slidesharecdn.com/ employerbrandingfrjungeunternehmenuniversumlinkedin20160301-160303133108/ 95/ networking-event-employer-branding-fr-junge-unternehmen-6-638.jpg? cb=1457012031) <?page no="336"?> 17.4 Prozess des Personalmarketings 337 Wie die Ergebnisse der Nielsen-Studie zeigen, sind für jüngere Menschen nachhaltige Unternehmen als Arbeitgeber besonders attraktiv (vgl. Abbildung 122). Abbildung 122: Junge Menschen arbeiten lieber für nachhaltige Unternehmen Im Anschluss an die detaillierte Situationsanalyse muss das Personalmarketing konkrete Ziele entwickeln und formulieren, die wiederum die Voraussetzung für die im nächsten Schritt abzuleitenden Strategien und Maßnahmen des Personalmarketings sind. 17.4.2 Strategien des Personalmarketings Um die festgelegten Ziele zu erreichen, müssen nun geeignete Strategien durch das Personalmarketing entwickelt werden. In Anlehnung an die Produkt-/ Markt-Matrix von Ansoff unterscheidet Scholz (2000, S. 426 ff.) vier Personalmarketing-Strategien in den zwei Dimensionen „Zielgruppenfokus“ und „Arbeitgeberleistungen“. Der Zielgruppenfokus wird danach unterteilt, ob das Unternehmen neue Mitarbeiter auf bestehenden Arbeitsmärkten und in bekannten Unternehmenszielgruppen sucht, oder aber auf neuen Arbeitsmärkten. Die Arbeitgeberleistungen unterscheiden sich dahingehend, ob Mitarbeiter für bereits im Unternehmen bestehende oder für neue Leistungsbzw. Stellenprofile gesucht werden (vgl. Abbildung 123). <?page no="337"?> 338 17 Nachhaltiges Personalmarketing Abbildung 123: Basisstrategien im Personalmarketing (Quelle: Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 75 mit eigenen Ergänzungen) Aus diesen vier Kombinationsmöglichkeiten ergeben sich die folgenden vier Personalmarketing-Strategien (vgl. Kirchgeorg/ Müller, S. 75): Die Pushbzw. Penetrationsstrategie spricht bekannte unternehmensinterne und -externe Zielgruppen an, um bestehende freie Stellen zu besetzen. Die bestehenden Zielgruppenpotenziale sollen hier ausgeschöpft werden. Das Unternehmen kann durch intensivere Kommunikation versuchen, die Aufmerksamkeit der bekannten Zielgruppen für die angebotenen Stellen zu steigern. Mit der Expansionsstrategie sollen zwar bereits bestehende Stellen im Unternehmen besetzt werden, allerdings werden hierfür Mitarbeiter auf neuen Arbeitsmärkten bzw. in neuen Zielgruppen gesucht. Diese Strategie bietet sich an, wenn das bekannte Zielgruppenpotenzial ausgeschöpft ist. Die Personalentwicklungsbzw. Relaunchstrategie spricht ebenfalls bekannte Arbeitsmärkte und Zielgruppen an, möchte jedoch neue Stellen im Unternehmen besetzen. Möglich ist auch, dass bestehende Stellen durch Erweiterung des Aufgabenbereichs, eine höheres Entgelt oder andere Anreize attraktiver gestaltet werden, um sie mit bekannten Zielgruppen besetzen zu können. Interne Mitarbeiter könnten beispielsweise durch Personalentwicklungsmaßnahmen für die Übernahme neuer Stellen qualifiziert werden. Bei der Diversifikationsstrategie sucht das Unternehmen auf neuen Arbeitsmärkten bzw. in neuen Zielgruppen Mitarbeiter für neu geschaffene Stellen im Unternehmen. Diese Strategie eignet sich, wenn z.B. neue Geschäftsbereiche aufgebaut werden oder durch Umstrukturierungen neue Abteilungen oder veränderte Aufgabenbereiche entstehen, für die geeignete Mitarbeiter gesucht werden. Das Personalmarketing muss sich jedoch auch auf mögliche Personalfreisetzungsstrategien vorbereiten, die in der Strategiematrix nicht enthalten sind, für das Personalmarketing jedoch eine besondere argumentative und kommunikative Herausforderung darstellen. <?page no="338"?> 17.4 Prozess des Personalmarketings 339 Auch das Employer Branding als Prozess der Arbeitgebermarkenbildung kann als eine Strategie des Personalmarketings interpretiert werden. Da das Employer Branding bereits im Kapitel 11.1.3 vorgestellt wurde, wird es hier nicht weiter erläutert. Eine detaillierte Auseinandersetzung zum Employer Branding findet sich z.B. bei Kirschten 2010a). 17.4.3 Personalmarketing-Mix Die entwickelten Strategien des Personalmarketings werden umgesetzt mit den Instrumenten des Personalmarketing-Mix. Zur Gestaltung des Personalmarketing-Mix gibt es in der Literatur zahlreiche Vorschläge (vgl. z.B. Kotler 1991, S. 30; Seiwert 1985, S. 352; Simon et al. 1995, S. 18; Wunderer 1999, S. 121). Die Kategorisierung der Instrumente orientiert sich hier an dem Service-Ansatz des Marketings (vgl. Meffert/ Burmann/ Kirchgeorg 2008, S. 22) und wird nicht in die klassischen vier P´s, sondern in sechs P´s unterteilt (vgl. Tabelle 36): Tabelle 36: Kategorisierung des Personalmarketing-Mix (vgl. Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 76 f.). Kategorien des Personalmarketing-Mix 1. Product Leistungspolitik 2 Process Prozesse 3 Price Gehaltspolitik 4 Place Standortpolitik 5 Promotion Kommunikationspolitik 6 People Mitarbeiter Die Systematisierung der Instrumente des Personalmarketing-Mix zeigt die Abbildung 124. Die Leistungspolitik (product) bezieht sich auf die zielgruppengerechte Gestaltung der Stellenprofile und damit der Arbeitsinhalte, der Arbeitsplätze und des Arbeitsumfeldes. Hier werden die Leistungen des Arbeitgebers als Dienstleistungen für die Mitarbeiter angesehen. Eine zielgruppengerechte Gestaltung der Leistungspolitik umfasst beispielsweise Stellen mit inhaltsreichen und sinnstiftenden Arbeitsaufgaben, eine attraktive Gestaltung der Arbeitsplätze im Unternehmen, Angebote zur Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeit, ein gutes Betriebsklima und ein attraktives Arbeitsumfeld. Nachhaltige Unternehmen können ihren Zielgruppen beispielsweise Stellen mit inhaltsreichen umweltorientierten, sozialen und innovationsorientierten Arbeitsinhalten anbieten, in denen sie, je nach Position, auch selbstbestimmt, verantwortungsvoll und ergebnisorientiert arbeiten können und gleichzeitig inhaltliche Gestaltungsspielräume haben. Zusätzlich sollten die Arbeitsplätze und das Arbeitsumfeld ökologisch und gesundheitsverträglich gestaltet sein sowie umweltverträgliche und gesundheitsorientierte Leistungen (z.B. gesundes Kantinenessen, Entspannungsangebote, ökologische und soziale Serviceleistungen) umfassen. Auch Angebote zur Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort steigern die Attraktivität der Stellenangebote und des Arbeitgebers. <?page no="339"?> 340 17 Nachhaltiges Personalmarketing Abbildung 124: Systematisierung der Instrumente des Personalmarketing-Mix (in Anlehnung an Simon et al. 1995; Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 77). Die Gehaltspolitik (price) umfasst die Gestaltung der Entgelte. Dazu gehören beispielsweise ein marktorientiertes Gehaltsniveau, leistungs- und ergebnisorientierte Entgeltbestandteile, betriebliche Sozialleistungen und ggf. monetäre und nichtmonetäre Zusatzleistungen (z.B. monetär: Angebot an Mitarbeiteraktien oder Beteiligungen am Unternehmen. Nicht-monetär: Nutzungsgewährungen, Dienstleistungen etc.). Nachhaltige Unternehmen sollten hier auf eine wettbewerbsfähige, leistungsorientierte aber auch ergebnisorientierte Gehaltspolitik achten, um die Leistungsbereitschaft und die Motivation der Mitarbeiter anzusprechen. Mit dem Angebot von verschiedenen monetären und nicht-monetären Zusatzleistungen, z.B. in einem Cafeteria-System, können die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter zielgruppengerechter befriedigt werden. Dies fördert sehr wahrscheinlich auch die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen. Die Standortpolitik (place) gestaltet den Arbeitsort, den Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld. Wesentliche Inhalte sind hier der physische Standort des Unternehmens, d.h. der Arbeitsort (in einer Stadt oder eher in ländlicher Umgebung) und seine <?page no="340"?> 17.4 Prozess des Personalmarketings 341 Anbindung an die Verkehrswege (z.B. Bahnverbindungen, Autobahnen, Flughäfen, öffentlichen Nahverkehr). Zusätzlich umfasst die Standortpolitik auch die Gebäudegestaltung des Unternehmens sowie die räumliche Gestaltung der Arbeitsplätze (z.B. Großraumbüros, Einzelarbeitsplätze, einzelne Büros). Nachhaltige Unternehmen sollten bei ihrer Standortpolitik eine gute Erreichbarkeit des Unternehmens auch durch öffentliche Verkehrsmittel, die Attraktivität des Standorts (Freizeitangebote, Erholungswert, Lärmbelastung durch Verkehr etc.), eine ökologisch verträgliche Bauweise und Gestaltung der Firmengebäude sowie der Arbeitsplätze berücksichtigen. Die Standortpolitik erstreckt sich auch auf eine attraktive und nachhaltige Gestaltung der internationalen Standorte des Unternehmens, was insbesondere diejenigen (zukünftigen) Mitarbeiter anspricht, die eine internationale Berufstätigkeit bzw. einen Auslandseinsatz anstreben. Eine zielgruppengerechte Kommunikationspolitik ist im Personalmarketing-Mix besonders wichtig. Sie umfasst die persönliche und die unpersönliche Ansprache der Zielgruppen. Zur persönlichen Kommunikation mit potenziellen Mitarbeitern gehören beispielsweise Informationsveranstaltungen (z.B. Tag der offenen Tür, Karrieremessen) und die Kommunikation im Rahmen der Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen wie z.B. mit Schulen, Hochschulen und weiteren Bildungseinrichtungen. Hier können über die Vorstellung des Unternehmens im Rahmen von Veranstaltungen in den Bildungseinrichtungen oder über die Zusammenarbeit mit Schulen oder Hochschulen, z.B. durch das Angebot von Praktika, Themenvergabe für Abschlussarbeiten, Unternehmensbesichtigungen oder gemeinsame Forschungsprojekte vielfältige Informationen über das Unternehmen und seine Arbeitsplatzangebote, aber auch über seine Ziele, Strategien und Werte zielgruppenspezifisch vermittelt werden. Die Kommunikation mit bereits im Unternehmen Beschäftigten kann beispielsweise über Mitarbeitergespräche, Feedbackgespräche, unternehmensinterne Informationsveranstaltungen und die weiteren Instrumente zur unternehmensinternen Kommunikation erfolgen. Dabei können den Mitarbeitern beispielsweise individuelle Entwicklungs- und Karriereperspektiven angeboten werden, oder auch eine flexiblere Arbeitsgestaltung hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort. In der Kommunikationspolitik haben die im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter eine Doppelrolle: Einerseits sind sie die Adressaten der unternehmensinternen Kommunikation, andererseits kommunizieren sie selbst ihre Zufriedenheit mit dem Unternehmen als Arbeitgeber nach innen und außen, so dass sie wichtige kommunikative Multiplikatoren für das Personalmarketing darstellen. Die unpersönliche Kommunikation erstreckt sich u.a. auf Stellenanzeigen in Printmedien und zunehmend im Internet, auf die Kommunikation und Personalimagewerbung in den sozialen Medien (z.B. Facebook, Twitter, Xing, LinkedIn), auf Unternehmensberichte im Internet und in den Printmedien (z.B. Position im Ranking der attraktivsten Arbeitgeber). Die Mitarbeiter werden im Personalmarketing-Mix als eigene Kategorie aufgeführt, weil sie als potenzielle oder bereits beschäftigte Mitarbeiter mit ihren arbeitsbezogenen Bedürfnissen der zentrale Gegenstand des Personalmarketings sind. Daher stehen hier Aspekte wie die Unternehmenskultur und ihre Werte, die hierarchischen Strukturen des Unternehmens, die bestehenden Arbeitsformen (Einzelarbeit, Teamarbeit, Projektarbeit) im Vordergrund und müssen auf ihre zielgruppenspezifische Passung hin analysiert und ggf. entwickelt werden. Nachhaltige Unternehmen sollten <?page no="341"?> 342 18 Nachhaltiges Personalcontrolling hier z.B. ihre ökologischen, sozialen und innovationsbezogenen Visionen, Werthaltungen und Unternehmensstrategien betonen sowie die bestehenden Arbeitsformen (z.B. vorwiegend Projektarbeit) und den großen Gestaltungsspielraum durch flache Hierarchien. 17.4.4 Controlling des Personalmarketings Um den Erfolg des Personalmarketings zu messen, bedarf es eines Personalmarketing-Controllings. Unter Einsatz spezifischer Controllinginstrumente kann der Zielerreichungsgrad der Strategien und umgesetzten Maßnahmen des Personalcontrollings quantitativ und qualitativ gemessen werden. Je nach Zielerreichungsgrad kann das Controlling auch steuernd auf das Personalmarketing wirken, indem die Controllingergebnisse für die verantwortlichen Entscheidungsträger aufbereitet werden und so ggf. Veränderungsprozesse hinsichtlich Strategien und eingesetzten Maßnahmen initiieren (vgl. Kirchgeorg/ Müller 2011, S. 79). Die Instrumente des nachhaltigen Personalcontrollings (vgl. Kapitel 18) können ggf. an die Erfordernisse des nachhaltigen Personalmarketings angepasst werden. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Funktionen übernimmt das Personalmarketing für nachhaltige Unternehmen? 2. Grenzen Sie das strategische vom operativen Personalmarketing ab. 3. Erläutern Sie den Prozess des Personalmarketings. 4. Überlegen Sie sich für die Basisstrategien im Personalmarketing jeweils ein konkretes Beispiel für nachhaltige Unternehmen. 5. Welche Kategorien umfasst der Personalmarketing-Mix? 6. Warum benötigt das Personalmarketing ein Controlling? 18 Nachhaltiges Personalcontrolling Das nachhaltige Personalcontrolling wird als Querschnittsbereich des Personalmanagements eingeordnet, da es der Information, Analyse, Steuerung und Kontrolle aller Teilbereiche des nachhaltigen Personalmanagements dient. Zentrale Aufgabe des nachhaltigen Personalcontrollings ist es, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Leistungsbeiträge aber auch die Kosten des Personalmanagements und des Personals zu erfassen und zu beurteilen und so den Beitrag des Personalmanagements zur Erreichung des ökonomischen, ökologischen und sozialen Unternehmenserfolges zu bewerten und zielorientiert zu steuern. <?page no="342"?> 18.2 Ziele des nachhaltigen Personalcontrollings 343 18.1 Begriff des nachhaltigen Personalcontrollings Das nachhaltige Personalcontrolling kann begrifflich aus dem Personalcontrolling (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 381) abgeleitet werden, umfasst aber nicht nur die wirtschaftliche Dimension, sondern darüber hinaus auch die ökologische und soziale Dimension des Personalmanagements. Im Folgenden wird unter einem nachhaltigen Personalcontrolling ein unterstützendes Steuerungssystem des Personalmanagements verstanden, das die ökonomischen, aber auch die ökologischen und sozialen Leistungen der Personalmanagements ihren Kosten und Aufwendungen gegenüberstellt und im Hinblick auf den wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Erfolg des Unternehmens zielorientiert steuert. Dabei wird der Beitrag des nachhaltigen Personalmanagements zum Gesamterfolg des nachhaltigen Unternehmens erfasst und bewertet. Zusätzlich werden die Prozesse des Personalmanagements durch das Personalcontrolling überwacht und gesteuert. Das nachhaltige Personalcontrolling übernimmt hierbei die führungsunterstützenden Aufgaben der Information, Planung, Kontrolle und Steuerung für das nachhaltige Personalmanagement. Zeitlich ist das Personalcontrolling sowohl vergangenheitsorientiert, als auch gegenwarts- und zukunftsorientiert. 18.2 Ziele des nachhaltigen Personalcontrollings Die Ziele des nachhaltigen Personalcontrollings leiten sich aus dem Zielsystem des Personalmanagements ab, dem wiederum das Zielsystem des Unternehmens zugrunde liegt und erstrecken sich auf die folgenden Inhalte: Unterstützung der Führung des nachhaltigen Personalmanagements bei der Erreichung seiner personalorientierten ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele. Unterstützung des nachhaltigen Personalmanagements durch den Einsatz von geeigneten Planungsprozessen und Planungsmethoden, der Abstimmung der Planung mit der Kontrolle sowie durch die Lösung von Planungs- und Koordinationsproblemen. Steigerung der Effektivität des nachhaltigen Personalmanagements, d.h. Verbesserung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielerreichung des Personalmanagements. Hinterfragt wird hier auch die Eignung der bisherigen Strategien und Maßnahmen des Personalmanagements für die Erreichung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Ziele. Steigerung der Effizienz des Personalmanagements, d.h. Steigerung der Wirtschaftlichkeit des Ressourceneinsatzes und der Prozesse zur ökologischen, ökonomischen und sozialen Leistungserstellung. Umfassende Informationsversorgung des nachhaltigen Personalmanagements. Dies geschieht durch die Erfassung und Auswertung personalrelevanter ökologischer, ökonomischer und sozialer Informationen und deren empfängerorientierter Aufbereitung für verschiedene Entscheidungsträger. Unterstützung der Koordination des nachhaltigen Personalmanagements durch geeignete Instrumente und Maßnahmen. Das nachhaltige Personalmanagement übernimmt eine Vielzahl an personalbezogenen Aufgaben und hat dafür eine ausgeprägte fachspezifische Kompetenz entwickelt. Zusätzlich werden personal- <?page no="343"?> 344 18 Nachhaltiges Personalcontrolling bezogene Aufgaben auch von anderen Instanzen, wie z.B. Geschäftsbereichen, Tochtergesellschaften etc. übernommen. Dies erfordert eine verstärkte Koordination aller personalmanagementorientierten Aufgaben im Unternehmen, die auch durch das Personalcontrolling gewährleistet wird. Verbesserte Entscheidungsgrundlage und Steigerung der Flexibilität des nachhaltigen Personalmanagements. Beides erfolgt durch die systematische Informationsaufbereitung, die Abschätzung möglicher Risiken und Chancen sowie durch eine verbesserte Übersichtlichkeit über die Struktur und die Entwicklung der Leistungen sowie der Aufwendungen des Personalmanagements. 18.3 Aufgaben des nachhaltigen Personalcontrollings Aus den Zielen des nachhaltigen Personalcontrollings können die grundlegenden Aufgaben des nachhaltigen Personalcontrollings abgeleitet werden. Diese erstrecken sich auf die folgenden Aufgaben: Informationsaufgaben: Informationsversorgung der Entscheidungsträger Planungsaufgaben: Planung der Prozesse, Leistungserstellung, konkreter Maßnahmen und Kenngrößen Kontrollaufgaben: verfahrens- und ergebnisorientierte Kontrolle der Leistungserstellung des Personalmanagements Analyseaufgaben Steuerungsaufgaben Informationsaufgaben Die Beschaffung und Verarbeitung relevanter Informationen des nachhaltigen Personalmanagements und deren Aufbereitung für unterschiedliche Entscheidungsträger bildet die grundlegende Aufgabe des Personalcontrollings, auf der alle anderen Aufgaben (Planung, Analyse, Steuerung, Kontrolle) aufbauen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 384). Die Informationsaufgaben erstrecken sich auf die Erhebung, Verarbeitung und Kommunikation relevanter Informationen des Personalmanagements. Bei der Informationserhebung kann das Personalmanagement entweder auf bestehende personalorientierte, umweltrelevante und soziale unternehmensweite Informationssysteme zurückgreifen oder muss diejenigen Informationen, die für das Personalcontrolling wichtig aber noch nicht systematisch erhoben werden, selbst erheben. Durch die Zusammenstellung, Kombination und Aufbereitung der erhobenen personalrelevanten Daten werden diese zu aussagekräftigeren Informationen und Kennzahlen für die ökonomische, ökologische und soziale Leistungsfähigkeit des Personalmanagements verarbeitet. Diese aufbereiteten Informationen werden im Zuge der Informationsvermittlung empfängerorientiert an personalbezogene Entscheidungsträger vermittelt. Voraussetzung für eine aktuelle und umfassende Informationsversorgung sind leistungsfähige und vernetzte Informationsversorgungssysteme, die sowohl personalbezogene Informationen, als auch ökologisch und sozial relevante Daten erfassen und verarbeiten. Planungsaufgaben Die Planungsaufgaben umfassen die Planung der nachhaltigkeitsbezogenen personalorientierten Prozesse, der nachhaltigen Leistungserstellung sowie die nachhaltige <?page no="344"?> 18.3 Aufgaben des nachhaltigen Personalcontrollings 345 Maßnahmenplanung und der zu ermittelnden Kenngrößen. Die Planungsinhalte personalbezogener Prozesse und Leistungserstellung werden von den jeweils verantwortlichen Entscheidungsträgern festgelegt. Aufgabe des Personalcontrollings ist das Prozessmanagement und die Prozessplanung der nachhaltigen personalbezogenen Planungssysteme. Dazu gehört die Koordination der verschiedenen Einzelpläne des Personalmanagements (z.B. Personalbedarfsplanung, Personalbeschaffungsplanung, Personaleinsatzplanung Personalkostenplanung) zu einem personalbezogenen Gesamtplan unter Berücksichtigung verschiedener zeitlicher Planungshorizonte (kurzfristige, mittelfristige und langfristige Planung). Konkrete planungsbezogene Aufgaben des Personalcontrollings sind (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 385): Gestaltung, Entwicklung und Steuerung des nachhaltigen Personalplanungssystems Dokumentation und Operationalisierung nachhaltiger personalbezogener Zielsetzungen Prozessmanagement der nachhaltigen Personalplanung zur Unterstützung der kontinuierlichen Entscheidungsfindung im Personalmanagement Kontrollaufgaben Die Kontrollaufgaben umfassen ergebnisorientierte und verfahrensorientierte Kontrollaufgaben der nachhaltigen Leistungserstellung des Personalmanagements. Bei ergebnisorientierten Kontrollaufgaben erfolgt ein Soll-Ist-Vergleich im Hinblick auf die tatsächliche Erreichung der vorgegebenen nachhaltigen Personalmanagementziele. Bei der verfahrensorientierten Kontrolle wird die Übereinstimmung der geplanten mit den tatsächlich realisierten Planungsprozessen überprüft. Dabei wird hinterfragt, inwieweit z.B. die geplanten und umgesetzten Maßnahmen und die zur Verfügung gestellten Ressourcen (Mitarbeiter, Budget) für die nachhaltige Zielerreichung des Personalmanagements geeignet und ausreichend waren und zielorientiert eingesetzt wurden. Wichtig ist hierbei, nicht nur eine vergangenheitsbezogene Kontrolle durchzuführen (z.B. nachträgliche Soll-Ist-Vergleiche z.B. bei Personalkosten, Krankenstand, Fluktuation), sondern auch prozessbegleitend zu kontrollieren (z.B. bei längerfristigen Projekten) sowie auch eine zukunftsorientierte Kontrolle (durch die Fortschreibung vergangener Soll- Ist-Abweichungen) durchzuführen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 385 f.). Analyseaufgaben Aufgabe der Analyse ist es, die Ursachen für Soll-Ist-Abweichungen zwischen den Planungszielen und den tatsächlich erreichten nachhaltigen Leistungsergebnissen zu ermitteln, bestehende Problemfelder im nachhaltigen Personalmanagement zu identifizieren und entsprechende Verbesserungsvorschläge als Entscheidungsunterstützung für die zuständigen Entscheidungsträger zu erarbeiten. Steuerungsaufgaben Die bisher ermittelten Informationen, Kontrollergebnisse, Analysen, Schwachstellen und Verbesserungsvorschläge bilden die Grundlagen für die Steuerungsaufgaben des nachhaltigen Personalcontrollings. Zu den Steuerungsaufgaben gehören die vergangenheitsorientierte aber auch die zukunftsorientierte Lenkung der nachhaltigen personalorientierten Prozesse und Leistungserstellung. Wurden in der Vergangenheit Soll- Ist-Abweichungen identifiziert, so kann das Personalcontrolling mit geeigneten Kor- <?page no="345"?> 346 18 Nachhaltiges Personalcontrolling rekturmaßnahmen steuernd eingreifen. Darüber hinaus ist eine prozessbegleitende Steuerung der personalrelevanten nachhaltigen Leistungserstellung wichtig, um schon während der Leistungserstellung zeitnah Planungsabweichungen zu identifizieren, zu analysieren und gegebenenfalls gegensteuern zu können. Dies ermöglicht auch Rückkopplungsprozesse, wodurch das Personalcontrolling einen kontinuierlichen Lern- und Verbesserungsprozess im Unternehmen initiiert (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 386 f.). Dieser Controlling-Regelkreis ist auch in der Abbildung 125 dargestellt. 18.4 Funktionen des Personalcontrollings Von den Aufgaben lassen sich noch spezifische Funktionen des Personalcontrollings unterscheiden. Das Personalcontrolling übernimmt die drei Hauptfunktionen der Integration, der Koordination und der Früherkennung. Integrationsfunktion: Die ökologischen, ökonomischen und sozialen Leistungsbeiträge und Aufwendungen des Personalmanagements werden vom Personalcontrolling erfasst und in das unternehmensweite Controlling integriert. Dadurch werden die spezifischen Leistungsbeiträge des Personalmanagements für die nachhaltige Zielerreichung des Unternehmens insgesamt deutlich. Koordinationsfunktion: Das Personalcontrolling stimmt die verschiedenen personalbezogenen Teilpläne aufeinander ab und integriert sie in der Gesamtplanung des Personalmanagements. Früherkennung: Soll-Ist-Abweichungen in den Leistungserstellungsprozessen des Personalmanagements sollen durch das Personalcontrolling möglichst frühzeitig erkannt und durch gegensteuernde Maßnahmen bereinigt werden. Damit leistet das Personalcontrolling wichtige Beiträge zur effektiven und effizienten Zielerreichung des Personalmanagements. Das Zusammenwirken zwischen den Zielen, Aufgaben, Funktionen und dem Controlling-Regelkreis verdeutlicht die Abb. 125. Abbildung 125: Zusammenwirken zwischen Zielen, Aufgaben, Funktionen und dem Controlling-Regelkreis (Stopp/ Kirschten, 2012, S. 387). <?page no="346"?> 18.5 Ausrichtung des Personalcontrollings 347 18.5 Ausrichtung des Personalcontrollings Nach seiner zeitlichen und inhaltlichen Ausrichtung kann das nachhaltige Personalcontrolling in das strategische und operative Personalcontrolling unterschieden werden. Strategisches Personalcontrolling Ziel des strategischen Personalcontrollings ist es, die Entwicklungsfähigkeit des nachhaltigen Personalmanagements an sich wandelnde unternehmensexterne und -interne Herausforderungen und Anforderungen und damit auch die Innovations- und Anpassungsfähigkeit des Personalmanagements zu sichern. Dazu muss das strategische Personalcontrolling unternehmensexterne und -interne Veränderungen frühzeitig erkennen, die Auswirkungen für das Unternehmen analysieren und entsprechende Maßnahmen zur Bewältigung der Veränderungen entwickeln. Dazu gehört auch die frühzeitige und systematische Identifikation von Chancen und Risiken des nachhaltigen Personalmanagements sowie die Entwicklung von Erfolgspotenzialen für das Personalmanagement. Um ein nachhaltiges und zukunftsorientiertes Personalmanagement zu unterstützen, bedarf es der Koordination der strategischen Informationsversorgung mit der Planung, Kontrolle und Steuerung durch das Personalcontrolling. Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich die Aufgaben des strategischen Personalcontrollings ableiten. Sie bestehen in: der strategischen Informationsversorgung der Unterstützung und Umsetzung der strategischen Personalplanung dem Aufbau und der Durchführung der strategischen Kontrolle und der Steuerung Insgesamt bildet das strategische Personalcontrolling ein integriertes Entscheidungsunterstützungssystem, das auf den Zielvorgaben, der Informationsversorgung, der Planung und Kontrolle sowie der Rückkopplung der Zielerreichungsgrade und wenn nötig geeigneter Maßnahmen zur Gegensteuerung basiert (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 388). Zur Umsetzung des strategischen Personalcontrollings eignen sich u.a. die Instrumente der Portfolio-Analyse, der Potenzialanalyse, der Balanced Scorecard und der Szenario-Technik. Um auch ökologische und soziale Leistungsbeiträge des Personalmanagements erfassen zu können, müssen weitere Instrumente herangezogen werden bzw. bestehende Instrumente weiterentwickelt werden. Das Beispiel der Weiterentwicklung einer Balanced Scorecard für ein nachhaltiges Personalmanagement wird im Kapitel 16.8 vorgestellt (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 388). Operatives Personalcontrolling Das operative Personalcontrolling ist auf die gegenwartsorientierte sowie kurzbis mittelfristige Steuerung der personalbezogenen Prozesse und Leistungen ausgerichtet und orientiert sich an den gegebenen Zielen des Personalmanagements. Zu den Aufgaben des operativen Personalcontrollings eines nachhaltigen Personalmanagements gehören die laufende Informationserfassung und -verarbeitung, die Analyse und Kontrolle möglicher Zielabweichungen sowie die Erarbeitung kurzfristiger Maß- <?page no="347"?> 348 18 Nachhaltiges Personalcontrolling nahmen zur Steuerung der personalbezogenen Prozesse und Leistungen. Zur Durchführung seiner Aufgaben steht dem operativen Personalcontrolling eine Vielzahl an Controllinginstrumenten zur Verfügung, wie z.B. das betriebliche Rechnungswesen, Kostenvergleichsrechnungen, Deckungsbeitragsrechnungen, Kennzahlensysteme, Scoring-Modelle und die Kosten- und Leistungsrechnung. Zur Erfassung und Steuerung der ökologischen und sozialen Leistungsbeiträge des Personalmanagements bedarf es weiterer spezifischer Instrumente, wie z.B. der Ökobilanzierung, der Sozialbilanzierung, der Umweltkostenrechnung, oder einem nachhaltigen Kennzahlensystem (vgl. Kapitel 18.7) (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 389). 18.6 Ebenen des Personalcontrollings Die Leistungsmessung des nachhaltigen Personalmanagements kann auf drei verschiedenen Ebenen innerhalb des Controllings erfolgen: auf der Ebene des Erfolges, der Wirtschaftlichkeit und der Kosten. Abbildung 126: Ebenen des Personalcontrollings (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 389) Das Erfolgscontrolling misst die Effektivität und damit den qualitativen Erfolg des nachhaltigen Personalmanagements zur Zielerreichung des Unternehmens. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind hierbei z.B. das Leistungspotenzial, die Leistungsmotivation, die Arbeitszufriedenheit und der Innovationsgrad. Die zentrale Frage des Erfolgscontrollings ist, ob das Personalmanagement im Hinblick auf die Unternehmensziele die richtigen Dinge tut. Das Wirtschaftlichkeitscontrolling misst die Effizienz des Personalmanagements. Hier stehen Fragen nach dem Ressourceneinsatz, möglichen Rationalisierungspotenzialen oder einer ressourcenschonenden Leistungserstellung des Personalmanagements im Vordergrund. Zentrale Frage ist hierbei, ob das Personalmanagement seine Aufgaben richtig macht. Das Kostencontrolling misst die Kosten und die monetären Aufwendungen, die das nachhaltige Personalmanagement verursacht. Hier werden z.B. die Einhaltung des <?page no="348"?> 18.7 Instrumente des Personalcontrollings 349 Budgets und der Kostenplanung, die Kostenentwicklung und mögliche Kostenabweichungen untersucht (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 389). 18.7 Instrumente des Personalcontrollings Die Instrumente des nachhaltigen Personalcontrollings umfassen alle Methoden, Verfahren und Techniken, die dazu dienen, die nachhaltigen Aufgaben des Personalmanagements zu erfüllen und damit einen Beitrag zur Zielerreichung der nachhaltigen Unternehmenstätigkeit leisten. Um für das nachhaltige Personalcontrolling geeignete Instrumente zu identifizieren, bedarf es einer dreifachen Spezifikation. Erstens müssen aus der Vielfalt der klassischen Controllinginstrumente jene Instrumente identifiziert bzw. geeignete Instrumente weiterentwickelt werden, die geeignet sind, die personalorientierten Prozesse und Leistungen zu erfassen und zu bewerten, um damit als Instrumente des Personalcontrollings spezifiziert werden zu können. Zweitens müssen Controllinginstrumente identifiziert werden, die geeignet sind, spezifische Daten der drei Nachhaltigkeitsdimensionen, d.h. Informationen über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Prozesse und Leistungsfähigkeit des Unternehmens, zu erfassen und zu bewerten. Drittens bedarf es einer Auswahl bzw. Kombination und teils Neuentwicklung von Controllinginstrumenten, die sowohl die personalbezogenen als auch die nachhaltigen (d.h. die ökologischen, sozialen und ökonomischen) Prozesse und Leistungen des Unternehmens erfassen und bewerten können. Die Abbildung 127 bietet einen Überblick über die Vielfalt an Controllinginstrumenten und ihre potenzielle Eignung für ein nachhaltiges Personalcontrolling. Die Systematisierung unterscheidet neben grundlegenden Controllinginstrumenten spezifische Controllinginstrumente für die Informationserfassung und -bewertung in der ökonomischen, der ökologischen und der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit. Zusätzlich sind die Controllinginstrumente nach ihrer eher operativen bzw. eher strategischen Ausrichtung untergliedert. Darüber hinaus unterscheidet die Abbildung Controllinginstrumente, die in den letzten Jahren für die Informationserfassung und -bewertung einer nachhaltigen Unternehmenstätigkeit entwickelt wurden. Davon werden nochmals diejenigen Controllinginstrumente abgegrenzt, die geeignet erscheinen, die Prozesse und Leistungen eines nachhaltigen Personalmanagements zu erfassen und als Instrumente des nachhaltigen Personalcontrollings klassifiziert werden. Viele der Instrumente stammen aus dem klassischen Controlling, wurden jedoch meist auf die Erfassung und Bewertung spezifischer ökologischer, sozialer und personalbezogener Daten weiterentwickelt. Ein Teil der Instrumente wurde jedoch auch neu als spezifische Instrumente für ein nachhaltiges Controlling bzw. für ein nachhaltiges Personalcontrolling entwickelt. Detailliertere Ausführungen zu den verschiedenen Instrumenten eines Nachhaltigkeitscontrollings finden sich beispielsweise bei: Hentze (o.J); Schaltegger/ Zvezdov (2011) und Mocanu (2015). Im Folgenden wird nur die selbst entwickelte nachhaltige Personalmanagement-Balanced Scorecard genauer vorgestellt. <?page no="349"?> 350 18 Nachhaltiges Personalcontrolling Abbildung 127: Ausgewählte Instrumente eines nachhaltigen Personalcontrollings <?page no="350"?> 18.8 Balanced Scorecard für das nachhaltige Personalmanagement 351 18.8 Balanced Scorecard für das nachhaltige Personalmanagement Ursprünglich wurde die Balanced Scorecard in den 1990er Jahren von Kaplan und Norton (Kaplan/ Norton 1997) entwickelt. Die Balanced Scorecard ist ein strategisches Controllinginstrument, das ausgewogen („balanced“) vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsorientiert ausgerichtet ist und dabei quantitative und qualitative Informationen erfasst und verarbeitet. Das Gesamtunternehmen wird in vier Perspektiven abgebildet: der Finanzperspektive, der Kundenperspektive, der Prozessperspektive und der Entwicklungsperspektive. Für jede Perspektive werden jeweils spezifische Ziele, Kennzahlen, Vorgaben und konkrete Maßnahmen bestimmt, mit denen die Balanced Scorecard die Entwicklung des Unternehmens abbildet und steuert (vgl. Kaplan/ Norton 1997). Abbildung 128: Klassische Balanced Scorecard Ebenfalls in den 1990er Jahren wurden verschiedene Ansätze zum Öko-Controlling entwickelt (vgl. z.B. Halley/ Pfriem 1992; Günther 1994; Schaltegger/ Sturm 1994; Kirschten 1998; Schaltegger/ Burritt 2000). Zum sozialen Controlling entwickelten sich erst später einige Ansätze (vgl. z.B. Schaltegger/ Wagner 2006). Weiterentwicklungen des Controllings zu einem nachhaltigen Controlling, das ökologische, ökonomische und soziale Aspekte berücksichtigt, entstanden bislang nur vereinzelt und überwiegend erst in den letzten Jahren (vgl. z.B. Schaltegger/ Sturm 1992; Günther/ Nowak 2008; Eitelwein/ Goretzki 2010, Schaltegger 2010a; Bennet et al. 2013; Gond et al 2012, Schaltegger/ Zvezdov 2011). In dem Zusammenhang entwickelten sich Ansätze für eine Sustainability Balanced Scorecard (SBSC), die in allen Handlungsperspektiven die ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen an das Unternehmen und Auswirkungen des Unternehmenshandelns berücksichtigt <?page no="351"?> 352 18 Nachhaltiges Personalcontrolling (vgl. Figge et al. 2002; Schaltegger/ Zvezdov 2011). Die Besonderheit der Sustainability Balanced Scorecard besteht darin, dass sie über die bereits bekannten vier Handlungsperspektiven noch eine weitere Perspektive integriert, nämlich die außermarktliche Sicht. Diese außermarktliche Sicht berücksichtigt die ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen an und Wirkungen des Unternehmens im Hinblick auf seine Legitimität, seine Reputation und seine immateriellen Werte. Die Finanzperspektive berücksichtigt die monetären Wirkungen des Unternehmenshandelns hinsichtlich der Kosten, Erträge, Investitionen und Risiken. Die Kundenperspektive wird hier zur Marktperspektive und bildet das Unternehmenshandeln im Hinblick auf seine ökologisch und sozial verträglichen Produkte und Dienstleistungen, den Umsatz, die Preisgestaltung sowie die Akzeptanz und Nachfrage der Kunden ab. Die Prozessperspektive betrachtet die ökologische, ökonomische und soziale Gestaltung der Unternehmensprozesse, insbesondere der Leistungserstellungsprozesse. Und die Entwicklungsperspektive bildet die mitarbeiter- und unternehmensbezogenen Entwicklungsprozesse, aber auch die Lernprozesse im Unternehmen (vgl. Schaltegger/ Zvedov 2011). Im Folgenden wird hier eine nachhaltige Balanced Scorecard speziell für das Personalmanagement von der Autorin entwickelt und als nachhaltige Personalmanagement-Balanced Scorecard (NPBSC) bezeichnet. Die nachhaltige Personalmanagement-Balanced Scorecard orientiert sich an der Idee der Sustainable Balanced Scorecard und integriert ebenfalls fünf Perspektiven zur Betrachtung und Entwicklung des Unternehmenshandelns. Allerdings erfolgt eine Spezifikation auf die Aufgabenbereiche des Personalmanagements und seiner nachhaltigen Ausrichtung (vgl. Abbildung 129). Die Bezeichnung der fünf Perspektiven spiegelt die Ausrichtung der NPBSC auf ein nachhaltiges Personalmanagement wieder. So wird die klassische Finanzperspektive in diesem Konzept der NPBSC als Perspektive der Wirtschaftlichkeit des nachhaltigen Personalmanagements interpretiert. Sie bildet die finanzwirtschaftlichen Beiträge des Personalmanagements zum ökologischen, ökonomischen und sozialen Erfolg des Unternehmens ab. Wesentliche Ziele der Wirtschaftlichkeit des nachhaltigen Personalmanagements können in der Steigerung des Wertschöpfungsbeitrags des Personalmanagements an der gesamtunternehmerischen Wertschöpfung, der Steigerung der Effizienz und der Effektivität des Personalmanagements oder der Reduzierung ökologischer, ökonomischer und sozialer Kosten durch Maßnahmen des Personalmanagements bestehen. Gemessen werden kann die Zielerreichung in der Wirtschaftlichkeitsperspektive des nachhaltigen Personalmanagements durch verschiedene Kenngrößen, wie beispielsweise durch die nachhaltige Wertschöpfung pro Mitarbeiter, die Höhe der Personalkosten, den Umfang der Zahlung von Mindestlöhnen, den Anteil gleicher Vergütung für vergleichbare Aufgaben unabhängig vom Geschlecht, den Kosten für ökologische, ökonomische und soziale Personalentwicklungsmaßnahmen oder die finanziellen Einsparungen durch nachhaltige Verbesserungsvorschläge und Innovationen der Mitarbeiter. <?page no="352"?> 18.8 Balanced Scorecard für das nachhaltige Personalmanagement 353 Abbildung 129: Nachhaltige Personalmanagement-Balanced Scorecard (NPBSC) <?page no="353"?> 354 18 Nachhaltiges Personalcontrolling Die Prozessperspektive der BSC wird in diesem Konzept konkretisiert zur Perspektive der Effizienz der internen Prozesse des nachhaltigen Personalmanagements. Prozessorientierte Ziele sind beispielsweise die Senkung von Bearbeitungszeiten für personalorientierte Dienstleistungen, die Steigerung der Ressourceneffizienz des Personalmanagements oder die Ausdehnung der vom nachhaltigen Personalmanagement angebotenen Leistungen. Die Zielerreichung kann in der Effizienzperspektive beispielsweise anhand folgender Kennzahlen gemessen werden: Bearbeitungsdauer eines Kundenanliegens (z.B. der Erstellung eines Zwischenzeugnisses, Urlaubsgenehmigung), Energieeffizienz und Ressourceneffizienz bestimmter Prozesse des Personalmanagements, Ressourcenverbrauch im Personalmanagement (z.B. Personalakte in Papierform versus digitaler Personalakte), Umfang ökologischer, gesundheitsorientierter und sozialer Serviceleistungen (z.B. Beratungsleistungen, konkrete Angebote), Dauer der Besetzung offener Stellen (von der Stellenausschreibung bis zur Stellenbesetzung), Fehlerquote bei personalbezogenen Prozessen, Anzahl von Vorschlägen / Initiativen des Personalmanagements zu realisierten ökologischen, sozialen oder innovationsorientierten Verbesserungen. Die klassische Kundenperspektive wird in diesem Konzept der NPBSC spezifiziert als Perspektive der Zufriedenheit der Mitarbeiter und internen Kunden mit dem Personalmanagement. Zu den Zielsetzungen diese Perspektive können beispielsweise die folgenden gehören: Steigerung nachhaltigkeitsorientierter Dienstleistungsangebote des Personalmanagements (z.B. im Bereich Work-Life-Balance oder gesundheitsorientierter Angebote), Erhöhung des Angebots an Personalentwicklungsmaßnahmen mit spezifischen nachhaltigen Inhalten für Mitarbeiter, Steigerung des Angebotes an attraktiven internationalen Karriereperspektiven oder auch die Steigerung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter. Gemessen werden kann die Zielerreichung u.a. mit den folgenden Kennzahlen: Anzahl erbrachter Dienstleistungen für unterschiedliche interne Kunden, Angebot spezifisch ökologischer, ökonomischer (z.B. Energiespartrainings, ökologische Weiterbildungen), sozialer (z.B. Anzahl und Inanspruchnahme von Outplacementangeboten, Work-Life-Balance Angeboten, gesundheitsorientierten Angeboten) oder innovationsorientierter (Angebote an Kreativitätsworkshops, Innovationswettbewerbe, Vorschlagswesen) Angebote und Inanspruchnahme von Personalentwicklungsmaßnahmen, Anzahl und Inanspruchnahme von Dienstleistungen insgesamt für interne Kunden, Fehlerquote bei personalbezogenen Dienstleistungen und Anzahl an Beschwerden von Mitarbeitern bzw. internen Kunden. Die klassische Perspektive des Lernens und der Entwicklung wird im NPBSC Konzept spezifiziert als Perspektive des nachhaltigkeitsbezogenen Wissens sowie der Innovations- und Lernfähigkeit. Die Ziele dieser Dimension beziehen sich z.B. auf die Ausdehnung und Weiterentwicklung nachhaltigkeitsorientierte Wissensbestände, die Gestaltung der Anreizsysteme zur Steigerung der Wissensnutzung und des Wissensaustauschs zwischen Mitarbeitern und Abteilungen, auf die Steigerung der Innovationsfähigkeit und der Lernfähigkeit der Mitarbeiter und des Unternehmens. Die Zielerreichung kann z.B. mit folgenden Kenngrößen gemessen werden: Anzahl an nachhaltigen Verbesserungsvorschlägen der Mitarbeiter, Anzahl der umgesetzten Verbesserungen und Innovationen pro Geschäftsjahr, Anzahl erfolgreich absolvierter Personalentwicklungsmaßnahmen mit nachhaltigen oder innovationsbezogenen Inhalten, Anzahl an Patenten, Anzahl an Tandems zur Weitergabe von Wissen, Anzahl an nachhaltigen Qualitäts- und Innovationszirkeln, Anzahl interdisziplinärer bzw. transdisziplinärer Projekte und deren erfolgreicher Projektrealisierung. <?page no="354"?> 18.8 Balanced Scorecard für das nachhaltige Personalmanagement 355 Die zusätzliche, fünfte außermarktliche Perspektive wird im NPBSC-Konzept konkretisiert als Perspektive der Stakeholderorientierung des nachhaltigen Personalmanagements. Diese Perspektive bildet die Ziele, Strategien und Maßnahmen des nachhaltigen Personalmanagements ab, die auf die Übernahme seiner gesellschaftlichen Verantwortung, den Dialog und die Gestaltung der Beziehungen mit verschiedenen unternehmensexternen Stakeholdern sowie der Erfüllung der Ansprüche verschiedener Stakeholder und damit der Legitimitätssicherung und nachhaltigen Reputation des Unternehmens gerichtet sind. Mögliche Ziele dieser Perspektive können beispielsweise in Beiträgen des Personalmanagements zur Steigerung der gesellschaftlichen Legitimität des Unternehmens, in der Vertiefung der dialogischen Beziehungen mit personalrelevanten nachhaltigen Stakeholdern (z.B. potenziellen Mitarbeitern, Gewerkschaften), in der Verankerung und Kommunikation der gesellschaftlichen Verantwortung und der nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens in der Employer Brand und in der Personalbeschaffung oder der Ausdehnung sozial orientierter personeller Maßnahmen bestehen. Die Messung der Zielerreichung in dieser Dimension ist nicht ganz einfach. Mögliche Messgrößen könnten z.B. die folgenden sein: Anzahl der Personalwerbungsmaßnahmen mit expliziten ökologischen, ökonomischen und sozialen Inhalten, Anzahl an nachhaltigen Veranstaltungen in Bildungsinstitutionen, Analyse der nachhaltigen Aussagen und Wirkung der Arbeitgebermarke (Employer Brand), Anzahl an Instrumenten zum Dialog mit bestimmten Stakeholdern, Ausmaß der gesellschaftlichen Legitimität des Unternehmens (gemessen z.B. mittels Befragungen wesentlicher Stakeholder). Zur Umsetzung der jeweiligen Ziele in den verschiedenen Perspektiven müssen geeignete Maßnahmen entwickelt und konkrete Vorgaben zur Zielerreichung erarbeitet werden. Insgesamt stellt die hier entwickelte nachhaltige Personalmanagement-Balanced Scorecard ein strategisch ausgerichtetes nachhaltiges Controllinginstrument dar, um die vielfältigen ökologischen, ökonomischen, sozialen und auch innovationsbezogenen Strategien und Inhalte des Personalmanagements zu erfassen, zu bewerten und im Hinblick auf die zukünftige unternehmensweise nachhaltige Entwicklung gezielt zu gestalten und umzusetzen. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Ziele verfolgt das nachhaltige Personalcontrolling? 2. Welche Aufgaben hat das nachhaltige Personalcontrolling? 3. Erläutern Sie die Funktionen des nachhaltigen Personalcontrollings. 4. Wodurch unterscheidet sich das strategische vom operativen nachhaltigen Personalcontrolling? 5. Warum ist es sinnvoll, beim Personalcontrolling verschiedene Ebenen zu unterscheiden? 6. Warum ist es wichtig, spezifische nachhaltige Personalcontrollinginstrumente zu entwickeln? 7. Welche Besonderheiten weist die nachhaltige Personalmanagement Balanced Scorecard auf? <?page no="355"?> 356 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen In unserer zunehmend wissensorientierten Wirtschaft und Gesellschaft gewinnt die Ressource „Wissen“, aber auch wissensintensive Produkte und Dienstleistungen immer mehr an Bedeutung. Auch für Unternehmen wird Wissen als Ressource zu einem immer wichtigeren Erfolgsfaktor im Wettbewerb. Wissen existiert jedoch nicht losgelöst, sondern ist immer an bestimmte Träger gebunden, wie z.B. an Individuen, Gruppen oder organisationale Gedächtnisse. Da Wissen zunächst von Individuen geschaffen wird und an sie gebunden ist, haben die Mitarbeiter als Wissensträger eine herausragende Bedeutung für das Management von Wissen in Unternehmen. Ihr Wissen, ihre Entscheidungen und Handlungen bestimmen maßgeblich die Leistungserstellung sowie den nachhaltigen Unternehmenserfolg. Damit sind die Mitarbeiter auch die zentralen Akteure für die nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung eines Unternehmens. Um Wissen nutzbringend und systematisch als Ressource für das Unternehmen zu entwickeln, einzusetzen und zu gestalten, wurden Ansätze zum Wissensmanagement entwickelt. Wissensmanagement muss sich jedoch immer auch mit den Wissensträgern befassen, das heißt mit den Mitarbeitern. Daher bestehen zwischen dem Wissensmanagement und dem Personalmanagement vielfältige enge Verknüpfungen, wenn es darum geht, geeignete Ziele, Strategien und Maßnahmen für ein mitarbeiterorientiertes Wissensmanagement zu entwickeln und umzusetzen (vgl. Kirschten 2010, S. 230). Daher ist das Wissensmanagement auch als eigener Aufgabenbereich, allerdings mit vielfältigen Verbindungen zum Personalmanagement, im integrierten Kompetenzmodell verankert. 19.1 Grundlagen des Wissensmanagements 19.1.1 Wissensmanagement Betriebliches Wissensmanagement ist die gezielte Gestaltung und Entwicklung der organisationalen Wissensbasis durch dynamische Interventionen (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2006, S. 23). Damit umfasst das Wissensmanagement in Unternehmen bzw. Organisationen „alle Aufgaben und Prozesse, die dazu dienen, das für eine Organisation relevante Wissen zu generieren, zu erfassen und zu speichern, zu verarbeiten, zu strukturieren und seinen Organisationsteilnehmern zur Verfügung zu stellen, um das Wissen für die Ziele und den Erfolg der Organisation möglichst umfassend nutzen zu können.“ (Kirschten 2010, S. 232). Die Wissensbasis einer Organisation bildet dabei die Gesamtheit aller einer Organisation zur Verfügung stehender individuellen und kollektiven Wissensbestände, die auch als Wissenskapital bezeichnet werden. Das Wissenskapital eines Unternehmens umfasst alle unternehmensinternen und unternehmensexternen Wissensbestände und -potenziale. Zu den unternehmensinternen Wissensbeständen gehört das implizite und explizite Wissen der Mitarbeiter, das kollektive Wissen von Teams und internen Netzwerken sowie das organisationale Wissen des Unternehmens. Das unternehmensexterne Wissen umfasst das Wissen von Lieferanten, Kunden, Geschäftspartnern, der Wissenschaft, sowie unternehmensübergreifenden Netzwerken und Kooperationen. Das zentrale Ziel des Wissensmanagements ist die systematische Entwicklung, Nutzung und Steuerung der Gesamtheit der organisationalen Wissensbestände zur Stei- <?page no="356"?> 19.1 Grundlagen des Wissensmanagements 357 gerung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit. Daraus leitet sich als zentrale Aufgabe des Wissensmanagements ab, alle unternehmensintern und -extern zugänglichen Wissensbestände des Unternehmens unter Einsatz aller verfügbaren Möglichkeiten und Strategien zur Leistungserstellung sowie die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen nutzbringend zu gestalten. Zusätzlich soll durch die Vermehrung des Wissenskapitals. der Wert und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, aber auch seine Wettbewerbsfähigkeit und sein Erfolg dauerhaft gesteigert werden (vgl. Kirschten 2010, S. 323). 19.1.2 Wissen Wissen setzt sich zusammen aus Zeichen, Daten und Informationen, die hierarchisch aufeinander aufbauen. Den Zusammenhang zwischen Zeichen, Daten, Informationen und Wissen hat North anschaulich in der sogenannten Wissenstreppe dargestellt (vgl. Abbildung 130). Die einzelnen Begrifflichkeiten bauen aufeinander auf und enthalten jeweils ein zusätzliches Merkmal mit steigender Komplexität. Abbildung 130: Wissenstreppe von North (1999, S. 41) Die kleinste Einheit des Wissens sind Zeichen. Werden Zeichen nach bestimmten Regeln (Syntax) kombiniert und bilden z.B. Wörter, so werden aus Zeichen Daten. Daten bekommen erst dann eine Bedeutung, wenn sie von dem Datenempfänger in einen bestimmten Zusammenhang eingeordnet werden, dadurch entsteht für den Empfänger der Daten eine Information. Aus einer Information wird Wissen, wenn sie von einer Person mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft wird, dadurch in einen Sinnzusammenhang gebracht und interpretiert wird. Damit ist neues Wissen das Resultat eines individuellen Lernprozesses, wodurch eine Person eine höhere Problemlösungsfähigkeit und ein größeres Handlungspotenzial erreicht (vgl. Al-Laham 2003, S. 42). Das bedeutet, dass Wissen immer an Personen gebunden sowie kon- <?page no="357"?> 358 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen textspezifisch ist und durch individuelle Erfahrungen geprägt wird (vgl. North 2005, S. 33). Wissen entwickelt sich zum Können, wenn es auf eine konkrete Problemstellung angewendet werden kann. Das Können wird zum Handeln, wenn eine Person sein Wissen in einer konkreten Situation auch tatsächlich anwenden möchte (Wollen) und anwendet. Aus dem Handeln erlangt eine Person eine Kompetenz, wenn sie im Hinblick auf die Problemstellung ihr Wissen richtig angewendet und richtig gehandelt hat. Die Kompetenz wiederum wird zur Wettbewerbsfähigkeit und zum Wettbewerbsvorteil, wenn sie etwas Besonderes und Einzigartiges ist und von anderen schwer imitiert werden kann (vgl. North 2005, S. 34 f.). Wissen entsteht durch individuelle Lernprozesse, d.h. es ist zunächst nur implizit im Gehirn eines Menschen vorhanden. Implizites Wissen umfasst die „Gesamtheit des Wissens im Kopf eines Menschen, das in einem unbewussten (stilles Wissen), nicht bewussten (latentes Wissen) oder bewussten Zustand sein kann und das aus kognitiven Elementen (die dadurch kodierbar oder artikulierbar sind) und aus operativen, kognitiv unzugänglichen Elementen besteht (die nicht explizierbar, höchstens demonstrierbar sind).“ (Hasler Roumois 2007, S. 43). Über bewusstes Wissen kann eine Person kognitiv verfügen und es auch explizieren, d.h. an andere weitergeben. Latentes Wissen ist einer Person nicht bewusst, kann aber potenziell aktiviert und expliziert werden. Latentes Wissen sind z.B. kulturelle Verhaltensweisen, die mitgelernt wurden. Je höher der kognitive Wissensanteil beim latenten Wissen ist, desto eher kann es auch externalisiert werden. Stilles Wissen, auch Tacit Knowledge genannt (vgl. Polanyi 1966), wird unbewusst oder ohne bewusste Aufmerksamkeit über Erlebnisse, Handlungen oder Erfahrungen aufgenommen und gelernt. Dazu zählen z.B. Werte, Einstellungen oder Denkmuster, die eine Person selbstverständlich verinnerlicht hat und nicht als Wissen wahrnimmt. Dieses Wissen kann, wenn überhaupt, nur durch Zeigen externalisiert werden. Das bedeutet, dass meist nur das bewusste implizite Wissen auch externalisiert werden kann, beispielsweise durch mündliche, schriftliche oder visuelle Kommunikation, das dann als Information anderen Personen oder Organisationen zur Verfügung steht. Implizites Wissen lässt sich also von explizitem Wissen unterscheiden (vgl. Kirschten 2010, S. 234). Unternehmen können nur das explizite Wissen ihrer Mitarbeiter direkt nutzen. Allerdings ist auch das implizite Wissen der Mitarbeiter für die Unternehmen eine wichtige Ressource. Daher versuchen betriebswirtschaftliche Wissensmanagementkonzepte, durch verschiedene Instrumente und Maßnahmen das implizite Wissen zu explizieren und damit für das Unternehmen zugänglich und speicherbar zu machen. Eine weitere wichtige Unterscheidung besteht in verschiedenen Wissensebenen. So lässt sich die individuelle von der kollektiven und der organisationalen Wissensebene unterscheiden. Die individuelle Wissensebene umfasst die Gesamtheit der impliziten und expliziten Wissensbestände einer Person. Individuelles Wissen kann jedoch auch auf anderen Wissensebenen verankert werden. Arbeiten mehrere Mitarbeiter beispielsweise in einem Team über längere Zeit zusammen, so kann sich durch den Austausch der individuellen Wissensbestände im Laufe der Zusammenarbeit ein gemeinsames Gruppenwissen entwickeln. Diese Gruppenwissen kann sich z.B. in gemeinsamen Werten, gruppenspezifischen Normen, teamspezifischen Arbeitsweisen oder einer Gruppenkultur herausbilden und wird als kollektives Wissen bezeichnet. Wird dieses kollektive Wissen auch anderen Akteuren oder Gruppen zur Verfügung gestellt, z.B. durch mündliche oder schriftliche Kommunikation oder Dokumentation (z.B. in <?page no="358"?> 19.1 Grundlagen des Wissensmanagements 359 Handbüchern, Best Practice, gemeinsamen Werten), so kann sich das kollektive Wissen durch organisationale Lernprozesse zu einem organisationalen Wissen entwickeln. Dieses organisationale Wissen steht dann der gesamten Organisation zur Verfügung und kann von ihr genutzt werden. Dabei ist das organisationale Wissen komplexer als die Summe seiner individuellen und kollektiven Teilwissensbestände (vgl. Al-Laham, 2003, S. 39 f.). Die einzelnen Personen bleiben trotzdem Träger ihres individuellen Wissens und auch kollektives Wissen ist an die jeweiligen Gruppen und das individuelle Wissen ihrer Mitglieder gebunden (vgl. Falk 2007, S. 22) (vgl. Kirschten 2010, S. 236). Die Abbildung 131 visualisiert die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Wissensbasen unter Berücksichtigung der impliziten und expliziten Wissensbestände. Abbildung 131: Zusammenhang zwischen der individuellen, kollektiven und organisationalen Wissensbasis (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Probst/ Raub/ Romhardt 2006, S. 15; Falk 2007, S. 22; Götz/ Schmid 2004, S. 204) 19.1.3 Ansätze zum Wissensmanagement In der Literatur haben sich in den letzten ca. dreißig Jahren verschiedene Ansätze zur Gestaltung des Wissensmanagements in Organisationen entwickelt, wobei die Auseinandersetzung mit dem Wissensmanagement seit der Jahrtausendwende deutlich zugenommen hat. Wesentliche Ansätze sind beispielsweise: Organisationale Wissensbasis nach Pautzke (vgl. Pautzke 1989) Wissenstransformation nach Nonaka und Takeuchi (vgl. Nonaka/ Takeuchi 1997) <?page no="359"?> 360 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen Modell der Bausteine des Wissensmanagements (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 1997; 2006) Grazer Metamodell des Wissensmanagements (vgl. Schneider 2001) Im Folgenden wird das Modell der Bausteine des Wissensmanagements von Probst, Raub und Romhardt (1997; 2006) näher vorgestellt, da es anschaulich die wesentlichen Teilaufgaben bzw. Teilfunktionen des betrieblichen Wissensmanagements abbildet und erklärt. Das Modell der Bausteine des Wissensmanagements stellt einen ganzheitlichen Managementansatz dar, der wesentliche Kernprozesse des Wissensmanagements im Unternehmen identifiziert, als Bausteine formuliert und beschreibt. Das Modell besteht aus sechs Bausteinen (Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissen(ver)teilung, Wissensnutzung und Wissensbewahrung), die miteinander verbunden sind, um die Auswirkungen möglicher Interventionen in einem Baustein auf die anderen Bausteine abzubilden. Die sechs Bausteine werden ergänzt durch Wissensziele und die Wissensbewertung, wodurch sich ein Wissensmanagement- Regelkreis bildet (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2006, S. 58). Abbildung 132: Bausteine des Wissensmanagements von Probst/ Raub/ Romhardt 2006, S. 32 Im Folgenden werden die Elemente und der Kreislauf des Wissensmanagementmodells näher betrachtet. Wissensziele: Ausgangspunkt des Wissenskreislaufes ist die Ableitung der Wissensziele für das Wissensmanagement aus den Unternehmenszielen. Die Entwicklung der Wissensziele basiert auf der Unternehmensvision und der Unternehmenskultur, den strategischen aber auch den operativen Unternehmenszielen. Die strategischen Wissensziele können beispielsweise durch eine Fähigkeitsmatrix ermittelt werden, die die im Unternehmen vorhanden Fähigkeiten (z.B. Basisfähigkeiten, Hebelfähigkeiten, brachliegende Fähigkeiten, wertlose Fähigkeiten) identifiziert (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2006, S. 31). <?page no="360"?> 19.1 Grundlagen des Wissensmanagements 361 Wissensidentifikation: Viele Unternehmen wissen nur lückenhaft, welche Wissensbestände im Unternehmen vorhanden und wo sie verankert sind. Auch mögliche Wissenslücken sind häufig nicht offensichtlich. Der Baustein der Wissensidentifikation dient dazu, alle unternehmensinternen und -externen Wissensbestände (z.B. Wissen von Lieferanten, Kunden, Forschungsinstitutionen, Konkurrenten, Netzwerken etc.) zu ermitteln, auf die das Unternehmen zugreifen und die es nutzen kann. Auch die Identifikation möglicher Wissenslücken im Unternehmen ist wichtig und gehört dazu. Die Kenntnis, wo welche Wissensbestände im Unternehmen verankert sind ist wichtig, damit Mitarbeiter bei konkreten Fragestellungen schnell auf vorhandene Wissensbestände zugreifen und sie nutzen können. Zusätzlich lassen sich vorhandene Wissenslücken erst schließen, wenn sie identifiziert wurden. Wissenserwerb: Der Wissenserwerb dient zur Beschaffung neuen externen Wissens, um entweder unternehmensinterne Wissenslücken zu schließen, den aktuellen Wissenstand sicherzustellen oder um zusätzliches neues Wissen für das Unternehmen zu gewinnen. Geeignete Maßnahmen zum externen Wissenserwerb sind u.a. der Kauf von Patenten und anderen Wissensprodukten, die Beauftragung von unternehmensexternen Forschungsprojekten, die Zusammenarbeit mit unternehmensexternen Stakeholdern oder in unternehmensübergreifenden Wissensnetzwerken, die Rekrutierung externer Wissensträger oder die Übernahme anderer Unternehmen. Je nach Umfang des externen Wissenserwerbs müssen ggf. die Unternehmensstrukturen angepasst werden, z.B. bei der Übernahme eines Unternehmens. Wissensentwicklung: Die Wissensentwicklung dient dem internen Auf- und Ausbau von Wissensbeständen. Sie ist vor allem dann wichtig, wenn beispielsweise bestehende Wissenslücken nicht durch den externen Wissenserwerb geschlossen werden können (z.B. ist das Wissen extern nicht verfügbar) oder sollen (z.B. weil es zu teuer ist) oder das zu entwickelnde Wissen für das Unternehmen so erfolgsentscheidend ist, dass es nur intern entwickelt werden soll. Die interne Wissensentwicklung kann individuell oder kollektiv in Teams, Projektgruppen oder Forschungsverbünden erfolgen. Besonders wichtig ist die Förderung und Unterstützung der Wissensentwicklung durch geeignete Methoden, die innerbetriebliche Kommunikation und Interaktion sowie durch eine wissensorientierte Unternehmenskultur, die die Wissensteilung und Wissenstransparenz im Unternehmen fördert und belohnt. Bei der Wissensentwicklung ist auch zu berücksichtigen, dass das implizit entwickelte Wissen möglichst weitreichend expliziert wird und damit auch anderen Organisationsmitgliedern und auch dem Unternehmen insgesamt zur Verfügung steht. Wissen(ver)teilung: Das Ziel der Wissens(ver)teilung ist es, das im Unternehmen bestehende Wissen den entsprechenden Mitarbeitern zur richtigen Zeit am richtigen Ort und in der geeigneten Form zur Verfügung zu stellen (vgl. Kirschten 2010, S. 247). So können das Wissenspotenzial und die Wissensbestände erst dann umfassend ausgeschöpft werden, wenn möglichst viele Mitarbeiter Zugang zu dem vorhandenen Wissen haben und es gemeinsam für ihre Aufgabenbereiche nutzen können. Die Wissensteilung zwischen den Mitarbeitern ist auch eine Voraussetzung für die gemeinsame Weiterentwicklung von Wissen und damit auch für die Generierung von neuem Wissen. Wissensnutzung: Allein das Vorhandensein wichtigen Wissens im Unternehmen reicht noch nicht aus, es muss auch von den Mitarbeitern in ihren Aufgabenbereichen genutzt werden können. Ziel der Wissensnutzung ist es also, dass die Mitarbeiter das vorhandene Wissen auch tatsächlich möglichst umfassend in ihren Aufgabenberei- <?page no="361"?> 362 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen chen nutzen und die Wissenspotenziale ausschöpfen. Dafür müssen geeignete Anreizsysteme geschaffen werden, die zur Verwendung und zur gemeinsamen Nutzung des vorhandenen Wissens motivieren und diese fördern. Wichtig ist hier eine wissensorientierte Unternehmenskultur. Zusätzlich gilt es, mögliche Barrieren abzubauen, die eine Wissensnutzung behindern, wie beispielsweise Transferbarrieren oder Anreize, die die Geheimhaltung von unternehmensinternem Wissen fördern. Wissensbewahrung: Die Wissensbewahrung hat die Aufgabe, das im Unternehmen vorhandene Wissen sinnvoll zu strukturieren, auf Dauer zu speichern und es damit für das Unternehmen insgesamt zu bewahren. Allerdings muss geprüft werden, welches Wissen zukünftig wirklich wichtig ist und gespeichert werden soll und welche Wissensbestände nicht auf Dauer gespeichert werden müssen. Dazu empfehlen Probst, Raub und Romhardt ein dreistufiges Vorgehen (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2006, S. 30): Erstens: Selektion des für das Unternehmen wichtigen Wissens Zweitens: Speicherung des Wissens auf individueller, kollektiver oder organisationaler Ebene (i.d.R. elektronisch) Drittens: regelmäßige Aktualisierung des Wissens Wissensbewertung: Mit der Wissensbewertung endet der Wissensmanagementkreislauf. Die Wissensbewertung dient dazu, das vorhandene Wissen hinsichtlich seines Nutzens für das Unternehmen zu bewerten. Zusätzlich werden in einem Soll-Ist-Vergleich die Wissensziele mit dem vorhandenen Wissen abgeglichen und geprüft, wie gut das vorhandene Wissen den Unternehmenserfolg sichern und welche Wissenspotenziale zukünftig aufgebaut werden sollten. 19.2 Wissensbasiertes nachhaltiges Personalmanagement Für ein nachhaltiges Personalmanagement ist die Verknüpfung und Zusammenarbeit mit dem betrieblichen Wissensmanagement unverzichtbar, um die vielfältigen Synergien zwischen beiden Aufgabenbereichen auszuschöpfen und damit den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens zu fördern. Die zentrale Verbindung zwischen dem nachhaltigen Personalmanagement und dem Wissensmanagement sind die Mitarbeiter als zentrale Wissensträger und Wissensressourcen im Unternehmen. Wie ein Wissensmanagement in das nachhaltige Personalmanagement integriert und umgesetzt werden kann, wird im Folgenden anhand des Modells der Bausteine des Wissensmanagements detaillierter vorgestellt. Dazu werden die folgenden Bausteine als Aufgabenbereiche unterschieden: nachhaltige Wissensziele setzen nachhaltige Wissensbestände identifizieren nachhaltiges Wissen erwerben nachhaltiges Wissen entwickeln (Ver)Teilung nachhaltigen Wissens Nutzung nachhaltigen Wissens im Unternehmen Bewahrung nachhaltiger Wissensbestände und Wissenspotenziale Bewertung des verfügbaren nachhaltigen Wissens <?page no="362"?> 19.2 Wissensbasiertes nachhaltiges Personalmanagement 363 Nachhaltige Wissensziele setzen Aus der nachhaltigen Gesamtzielsetzung des Unternehmens leiten sich u.a. die Ziele des Wissensmanagements sowie die Ziele des nachhaltigen Personalmanagements ab. Als Synthese beider Aufgabenbereiche sollten zusätzlich spezifische strategische und operative nachhaltiger Wissensziele für das Personalmanagement formuliert werden, in denen die Bedeutung des Wissens und des Wissensmanagements sowie des wissensorientierten Personalmanagements für die nachhaltige Unternehmenstätigkeit zum Ausdruck kommt. Strategische nachhaltige Wissensziele für das Personalmanagement legen die grundsätzlichen und längerfristigen wissensorientierten Ziele des Personalmanagements fest. Dazu gehören beispielsweise grundlegende Ziele zum Erwerb externen Wissens sowie zur Nutzung und Entwicklung interner Wissensbestände. Auch die inhaltliche Ausrichtung zu entwickelnder Wissenspotenziale auf ökologische, ökonomische und soziale Wissensbestände, die für die nachhaltige Unternehmenstätigkeit besonders wichtig sind gehören hierzu. Ebenso sollte die Gestaltung geeigneter Rahmenbedingungen zur Ausschöpfung der Wissensbestände und Wissenspotenziale bereits in den strategischen Zielen festgeschrieben werden. Wichtig ist zusätzlich die Gestaltung einer wissensbasierten und innovationsorientierten Unternehmenskultur zur Förderung der unternehmensinternen Wissensteilung, Wissensnutzung und Weiterentwicklung der Wissensbestände und -potenziale. Mit der Implementierung geeigneter Anreizsysteme kann die unternehmensweite Teilung, Nutzung und Entwicklung neuen Wissens gefördert und belohnt werden. Die operativen Zielsetzungen beziehen sich auf die Vereinbarung konkreter Aufgaben und Maßnahmen, mit denen die strategischen Wissensziele im Personalmanagement umgesetzt werden sollen. Nachhaltige Wissensbestände identifizieren Dem nachhaltigen Personalmanagement stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um die bereits im Unternehmen vorhandenen Wissensbestände aber auch mögliche Wissensdefizite zu identifizieren. Das Personalinformationssystem (PIS) enthält alle personalrelevanten Informationen über die im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter und ist damit ein grundlegendes personal- und wissensbezogenes Informationssystem. Daher verfügt es auch über wissensrelevante Informationen hinsichtlich der nachhaltigen Qualifikationen und Kompetenzen, der Fähigkeiten und Fertigkeiten, der jeweiligen Aufgabengebiete, Unternehmenszugehörigkeit und Berufserfahrung der Mitarbeiter. Mit entsprechenden Softwareprogrammen und Suchschlüsseln lassen sich die gewünschten Informationen über die Mitarbeiter als Wissensträger aus dem Personalinformationssystem herausfiltern und so der Wissensbestand im Unternehmen personenbezogen, abteilungsbezogen oder bereichsbezogen ermitteln. Die Personalplanung mit ihren Teilplanungsbereichen ist u.a. dafür zuständig, den nachhaltigen zukünftigen Personalbedarf für die ökologischen, ökonomischen, sozialen und innovationsbezogenen Aufgabenbereiche des Unternehmens in Abstimmung mit den zugrundeliegenden unternehmensweiten Planungszielen zu ermitteln. Zusätzlich erfasst die Personalbestandsplanung den vorhandenen Personalbestand mit seinen Qualifikationen, Aufgabenbereichen und Wissensbeständen. Der Abgleich zwischen Personalbedarf und Personalbestand identifiziert den zukünftigen Personalbeschaffungsbedarf bzw. auch mögliche Personalüberhänge in allen Auf- <?page no="363"?> 364 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen gabengebieten des Unternehmens. Hierbei können bestehende nachhaltigkeitsrelevante Wissensdefizite, Qualifikationsdefizite und mögliche Fehlbesetzungen von Stellen (Überforderung, Unterforderung) anhand des Abgleichs der Stellen- und Anforderungsprofile mit den Fähigkeitsprofilen der Mitarbeiter offengelegt werden. Insgesamt bietet die Personalplanung also vielfältige stellenbezogene Informationen über die im Unternehmen vorhandenen Wissensträger mit ihren ökologischen, ökonomischen und sozialen Wissensbeständen. Personalbeurteilungen geben auch Hinweise auf die Art, den Umfang und die Aktualität der bestehenden nachhaltigen Wissensbestände, über mögliche Wissensdefizite und Wissensentwicklungsbedarfe bei den Mitarbeitern. Die Nachfolgeplanung liefert Informationen, in welchen Zeiträumen Mitarbeiter mit welchem nachhaltigen Wissen altersbedingt oder aus persönlichen Gründen aus dem Unternehmen ausscheiden werden und welche Wissensbestände daher für das Unternehmen gesichert werden müssen. In einer Wissensdatenbank sollten alle unternehmensrelevanten Wissensbestände nach Themengebieten und Aufgabenbereichen strukturiert erfasst, gespeichert und den jeweiligen Wissensträgern zugeordnet werden. Ein ähnliches Instrument sind die Yellow Pages. In einer Projektdatenbank könnten die Ergebnisse, Wissensbestände und Erfahrungen abgeschlossener Projekte dokumentiert werden, sowie Best Practice, Lessons learned und Worst Cases miterfasst werden. Um die unternehmensextern zugänglichen nachhaltigen Wissensbestände des Unternehmens zu ermitteln, muss auf Projekt- und Wissensdatenbanken des Wissensmanagements zurückgegriffen werden. Wichtige Informationsquellen sind hierbei z.B. Wissensbestände von Kunden über die Qualität, den Gebrauchsnutzen, die Anwendungsfreundlichkeit, Langlebigkeit und Schwachstellen der vom Unternehmen verkauften Produkte oder Dienstleistungen. Aber auch das Wissen der Lieferanten über Inhaltsstoffe, Herstellungsverfahren, Verpackungen sowie ökologischen und sozialen Belastungen ist eine wichtige Informationsquelle, vor allem, wenn es um die Einführung von ökologischen und sozialen Produktions- und Arbeitsstandards innerhalb der Lieferkette geht. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit in Netzwerken z.B. aufgrund gemeinsamer Forschungsprojekte, Produktentwicklungen oder Herstellungsbzw. Vertriebsverbünden sind weitere wichtige Wissensbestände. Den ermittelten extern zugänglichen Wissensbeständen und Wissensakteuren sollten im Unternehmen fachlich kompetente Ansprechpartner und Wissensträger zugeordnet werden, um so die Verknüpfung und auch die Kommunikation zwischen externen und internen Wissensträgern zu stärken. Nachhaltiges Wissen erwerben Für die Innovationsfähigkeit und die ökologische, ökonomische und soziale Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ist es unerlässlich bestehende Wissenslücken zu schließen, aber auch neues Wissen aufzubauen bzw. zu entwickeln. Dies gilt umso mehr für nachhaltige Unternehmen, da sich die ökologischen, ökonomischen und sozialen Erkenntnisse und Entwicklungen in immer kürzeren Zeitabständen verändern, was dazu führt, dass der Wissenstand über ökologische, ökonomische und ge- <?page no="364"?> 19.2 Wissensbasiertes nachhaltiges Personalmanagement 365 sellschaftliche Entwicklungen und Phänomene (z.B. den Klimawandel) kontinuierlich aktualisiert werden muss. Aber auch die Forschung und das Wissen über neue Rohstoffe bzw. Einsatzstoffe für Produkte, die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Serviceangebote sowie die Entwicklung neuer bzw. veränderter Produktionstechnologien oder Antriebe entwickelt sich permanent weiter, so dass auch hier regelmäßig der Wissensstand aktualisiert werden muss. Können die erforderlichen aktuellen Wissensbestände nicht unternehmensintern entwickelt werden, muss das notwendige neue Wissen extern erworben werden. Hierzu haben das Wissensmanagement und das Personalmanagement verschiedene Möglichkeiten: Externes Wissen kann vom Unternehmen eingekauft werden; das gilt z.B. für den Kauf von Patenten oder Forschungsergebnissen, bzw. die Beauftragung von wissenschaftlichen Untersuchungen. Über die externe Personalbeschaffung kann externes Wissen durch die Einstellung neuer Wissensträger erfolgen. Dies ist z.B. der Fall, wenn junge Nachwuchskräfte im Unternehmen eingestellt werden, die gerade ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen haben und damit über aktuelles, meist jedoch überwiegend theoretisches, Wissen verfügen. Für nachhaltige Unternehmen eignen sich besonders Nachwuchskräfte mit abgeschlossenen ökologischen, ökonomischen, technischen oder sozialen Berufsausbildungen sowie Absolventen nachhaltigkeitsorientierter Studiengänge (z.B. Umweltmanagement, Nachhaltigkeitsmanagement, Umwelttechnologien, Ökologie, Ingenieure mit ökologisch relevanten Schwerpunkten, wie z.B. alternative Antriebe, Elektromobilität etc.). Möglich ist jedoch auch das Abwerben von Experten aus anderen Unternehmen oder Forschungsinstitutionen, um den eigenen Wissensbestand zu aktualisieren. Hier dürfen jedoch nur arbeitsrechtlich zulässige Abwerbungsmaßnahmen ergriffen werden (keine unlautere Abwerbung). Bei der Anwerbung und der Einstellung neuer Wissensträger kann die Personalbeschaffung gezielt die erforderlichen und daher von den Bewerbern erwarteten ökologischen, ökonomischen oder sozialen Wissensbestände spezifizieren und die Eignung der Bewerber anhand der fachlichen Vorgaben prüfen. Eine dritte Möglichkeit des externen Wissenserwerbs ist die Zusammenarbeit mit externen Wissensträgern, beispielsweise in Forschungsverbünden oder unternehmensübergreifenden Netzwerken. Beispielsweise können nachhaltige Unternehmen mit Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstituten zusammenarbeiten und durch diese unternehmensübergreifende Zusammenarbeit neues Wissen generieren, das von allen Beteiligten gemeinsam genutzt werden kann. Mögliche Formen der Zusammenarbeit sind z.B. Praktika, die Vergabe von Abschlussarbeiten, die gemeinsame Initiierung von Forschungsprojekten oder die externe Vergabe von Forschungsaufträgen. Das Personalmanagement kann für diese unternehmensübergreifende Zusammenarbeit geeignete Mitarbeiter identifizieren und mit auswählen. Nachhaltiges Wissen entwickeln Kann oder soll das benötigte Wissen nicht extern beschafft werden, so bietet sich die nachhaltige Wissensentwicklung durch die Personalentwicklung an. Dem Personalmanagement stehen in seinen beiden Bereichen der beruflichen Bildung und der beruflichen Förderung vielfältige Instrumente zur Verfügung, um den Mitarbeitern neues Wissen zu vermitteln sowie auch neues Wissen zu entwickeln. Inhaltlich erstreckt sich die Wissensvermittlung und -entwicklung auf die fachlichen Inhalte der <?page no="365"?> 366 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen jeweiligen Aufgabengebiete (z.B. über energiesparende Technologien, den Einsatz von Solartechnologien, die Verwendung abbaubarer Rohstoffe für die Produktherstellung usw.), auf methodische Inhalte, die die inhaltliche Arbeit unterstützen (z.B. Projektmanagement, Teamentwicklung, Analysetechniken, Kreativitätstechniken, Planungstechniken) sowie auf soziale Verhaltensweisen, die einer positiven, verträglichen, ergebnis- und erfolgsorientierten Zusammenarbeit im Unternehmen dienen (z.B. Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Strategien zur Wissensteilung, Kooperationsfähigkeit, Teamfähigkeit) (vgl. Kapitel 13.6). (Ver)Teilung nachhaltigen Wissens Das umfangreichste Wissen nützt einem Unternehmen wenig, wenn es nicht aufgabenbezogen an die jeweiligen Mitarbeiter und Aufgabenbereiche verteilt und damit nutzbar gemacht wird. Das Personalmanagement kann die Verteilung des im Unternehmen vorhandenen nachhaltigen Wissens zwischen den jeweiligen Aufgabenbereichen und Stellen unterstützen, indem es einerseits auf die Dokumentationen der Wissensbestände (z.B. in Wissensdatenbanken, Personalinformationssystemen) zurückgreift und andererseits ein leistungsfähiges unternehmensweites wissensbasiertes Informations- und Kommunikationssystem aufbaut. Dieses wissensbasierte Informations- und Kommunikationssystem, verbunden mit einer Wissensdatenbank, ist eine wichtige Voraussetzung für die unternehmensweite Wissens(ver)teilung. Erst dadurch können die verschiedenen Wissensbestände und neue Wissensinhalte im Unternehmen an die jeweils zuständigen Aufgabenbereiche und Stellen übermittelt und so erst genutzt werden. Gleichzeitig müssen die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, auf die Wissensdatenbank zugreifen zu können, um bei Bedarf erforderliches Wissen nutzen bzw. entsprechende Wissensträger ansprechen zu können. Dies erfordert eine enge Kopplung zwischen dem wissensorientierten Personalmanagement und der unternehmensinternen Kommunikation sowie, falls vorhanden, dem Wissensmanagement. Alle drei Bereiche müssen gemeinsam die Verfügbarkeit, das Auffinden, die Verteilung und die Vermittlung der unternehmensweiten Wissensbestände ermöglichen. Das Kommunikationsmanagement stellt dabei die Kommunikationsinfrastruktur bereit, die verschiedene Kommunikationswege (top down, bottom up, dialogorientiert), verschiedene Kommunikationsmedien (mündlich, schriftlich, elektronisch) und konkrete Kommunikationsinstrumente (z.B. persönliche Besprechung, schriftliche Hintergrundberichte oder Artikel, elektronischer Newsletter, Informationen über das Intranet) umfasst. Mit dieser Kommunikationsinfrastruktur können die jeweiligen Informationen bzw. Wissensinhalte an die verschiedenen Aufgabenbereiche und an konkrete Stellen bzw. Mitarbeiter vermittelt werden. Aufgabe des Personalmanagements ist die Kopplung zwischen den Wissensinhalten und der Kommunikationsinfrastruktur. D.h., es muss die richtigen Wissensbestände über die Kommunikationswege, -medien und -instrumente empfängerorientiert aufbereitet an die jeweiligen Adressaten bzw. Stelleninhaber weiterleiten. Zusätzlich muss das Personalmanagement auch darüber informieren, welche Aufgabenbereiche und Stellen jeweils auf bestimmte Wissensinhalte anderer Aufgabenbereiche angewiesen sind. Nur so kann die Weitergabe und der Austausch aktueller Informationen und nachhaltiger Wissensbestände zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen und Handlungssystemen im Unternehmen sichergestellt werden (vgl. Kirschten 2010, S. 260). <?page no="366"?> 19.2 Wissensbasiertes nachhaltiges Personalmanagement 367 Nutzung nachhaltigen Wissens im Unternehmen Die Verteilung des Wissens innerhalb des Unternehmens sichert noch nicht dessen tatsächliche Nutzung. Daher wird die Nutzung nachhaltigen Wissens als eigener Unterpunkt behandelt. Für die Nutzung des nachhaltigen Wissens im Unternehmen kommen dem Personalmanagement zwei übergeordnete Aufgaben zu. Erstens sollte es daran mitwirken, bestehende Barrieren der Wissensnutzung und des Wissensaustauschs abzubauen. Mögliche Barrieren können hierarchische, organisatorische, projektabhängige, geschäftsprozessabhängige, kulturelle oder orts- und zeitabhängige Barrieren sein (vgl. Kaiser 2008, S. 201). Eine große Bedeutung kommt hierbei der Entwicklung einer wissensorientierten Unternehmenskultur zu, die die Wissensteilung, den Wissensaustausch und die Wissensnutzung ausdrücklich befürwortet und fordert. Darüber hinaus ist auch eine differenzierte und leistungsstarke Kommunikationsinfrastruktur eine wichtige Voraussetzung für die Wissensnutzung. Das Personalmanagement kann durch verschiedene Instrumente die Wissensnutzung unterstützen: Besonders wichtig ist die Gestaltung wissensorientierter Anreizsysteme, um die Nutzung und den Austausch von Wissen unternehmensweit zu fördern. Die Anreizsysteme können materielle und immaterielle Anreize bieten, um die jeweils unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter zu befriedigen. Zu möglichen immateriellen Anreizen gehören beispielsweise besondere Anerkennungen für außergewöhnliche Leistungen oder Innovationen, aber auch kurzfristigere Feedbacks über gute bzw. besondere Leistungen durch den Vorgesetzten, die Übernahme größerer Aufgaben- und Verantwortungsbereiche, umfangreichere Gestaltungsspielräume im Aufgabenbereich, eigene Projekte u.ä. Materielle Anreize könnten beispielsweise ein wissensbezogenes Prämiensystem enthalten, das den Wissensaustausch und die Wissenszusammenarbeit belohnt. Beispielsweise hat Siemens ein sogenanntes „ShareNet Shares“ eingerichtet, auf dem jeder Mitarbeiter ein Konto hat, auf dem er Anteile anlegen kann, die durch die Wertschöpfung gemeinsam genutzten Wissens entstanden sind (vgl. Davenport/ Probst 2002). Als weiteres Instrument eigenen sich wissensorientierte Zielvereinbarungen, in denen explizit der Austausch und die gemeinsame Nutzung von nachhaltigem Wissen durch konkrete Wissensziele bzw. wissensbasierte Leistungsziele vereinbart wird. Die gemeinsame Wissensnutzung könnte auch als Beurteilungskriterium für weitere Karriereschritte herangezogen werden Die Förderung der Teamarbeit und Projektarbeit eignet sich ebenfalls, um den Wissensaustausch und die Wissensnutzung im Team bzw. zwischen den Projektmitgliedern zu fördern. Als konkretes Instrument könnte hier z.B. das Case Writing eingesetzt werden, wobei die Projektgruppe gemeinsam an einer Fallstudie arbeitet, in die die jeweils individuellen und gemeinsamen Erkenntnisse und Erfahrungen der Projektmitglieder eingebracht werden (vgl. Davenport/ Probst 2002). Ein wichtiger Aspekt für die Förderung der Wissensnutzung ist das Bekanntmachen der abteilungsbezogenen, projektbezogenen oder unternehmensweiten Erfolge, die durch die gemeinsame Wissensnutzung erreicht wurden. Um zu verhindern, dass Wissen zurückgehalten bzw. nicht geteilt und gemeinsam genutzt wird, können auch konkrete Sanktionen als negative Anreize eingerichtet werden, wie z.B. die Nichtgewährung leistungsbezogener Vergütungsbestandteile oder geringere Gestaltungsmöglichkeiten im eigenen Aufgabengebiet. <?page no="367"?> 368 19 Wissensmanagement in nachhaltigen Unternehmen Bewahrung nachhaltiger Wissensbestände und Wissenspotenziale Die Bewahrung derjenigen Wissensbestände, die für das Unternehmen erfolgsentscheidend sind, ist besonders wichtig. In nachhaltigen Unternehmen kommt den ökologischen, ökonomischen, sozialen, technologischen und innovationsbezogenen Wissensbeständen eine besondere Schlüsselfunktion zu. Hierzu ist es erforderlich, das individuelle Wissen der Mitarbeiter auch auf kollektiver und organisationsweiter Ebene zu speichern und damit für das Unternehmen als Ganzes verfügbar zu machen. Dies ist deshalb besonders wichtig, um Wissensabflüsse zu vermeiden, die durch den Weggang von Mitarbeitern entstehen. Das Ausscheiden von Mitarbeitern aus dem Unternehmen kann nur teilweise vorausgesagt werden, beispielsweise ist meist bekannt, wann Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. Verlassen Mitarbeiter das Unternehmen jedoch auf eigenen Wunsch, weil sie vielleicht eine andere attraktivere Beschäftigung gefunden haben oder weil sie länger krank sind oder gar sterben, so sind diese Ereignisse kaum vorhersehbar. Eine altersbezogene relativ ausgewogene Personalstruktur erleichtert zusätzlich die Wissensweitergabe von den älteren Mitarbeitern auf die jüngeren Mitarbeiter. Besondere Brisanz erfährt die Wissensbewahrung durch den Umstand, dass in den nächsten ca. 10 Jahren viele Erwerbstätige der geburtenstarken Baby-Boomer-Generation in den Ruhestand gehen werden. Vielen Unternehmen ist noch nicht bewusst, dass dadurch ohne entsprechende wissensbewahrende Maßnahmen und ein gezieltes Nachfolgemanagement ein erheblicher Teil des Unternehmenswissens mit in den Ruhestand gehen wird. Daher sollte das wissensorientierte Personalmanagement geeignete Instrumente einsetzen bzw. entwickeln, um die erfolgsentscheidenden und nachhaltigen Wissensbestände der Mitarbeiter systematisch offen zu legen, zu dokumentieren und zu speichern. Geeignete Instrumente zur Wissensbewahrung sind beispielsweise die folgenden: Systematisches Nachfolgemanagement und gezielter Aufbau von Nachfolgern Mit Hilfe eines systematischen Nachfolgemanagements können die voraussehbaren Abgänge von Mitarbeitern aus dem Unternehmen frühzeitig erfasst und geeignete Maßnahmen zur Nachfolgeplanung und Wissensbewahrung initiiert werden. Dazu gehören beispielsweise die Identifikation und frühzeitige Vorbereitung möglicher Nachfolger auf die freiwerdenden Stellen. Diese Vorbereitung kann z.B. durch eine frühzeitige Einarbeitung in das zukünftige Aufgabengebiet erfolgen, beispielsweise indem die Nachwuchskraft schon ein halbes bis ein Jahr vor Austritt des Stelleninhabers mit dem zukünftigen Aufgabengebiet vertraut gemacht wird oder mit dem aktuellen Stelleninhaber zusammenarbeitet und dadurch wichtiges stellenbezogenes Wissen aber auch das Erfahrungswissen des Stelleninhabers lernen kann. So bleibt das stellenspezifische und langjährig aufgebaute nachhaltige Wissen des Stelleninhabers im Unternehmen erhalten. Je nach Anforderungsprofil der zukünftig zu übernehmenden Stelle können auch Personalentwicklungsmaßnahmen für die Nachwuchskraft geplant und durchgeführt werden. Tandem-Modell In Anlehnung an das japanische Prinzip „Sempai-kohai“ (Eymann 1996; Romhardt 1998) ist das Tandem-Modell entstanden. Das „Sempai-kohai Prinzip“ ordnet einem älteren Mitarbeiter einen jüngeren Mitarbeiter zu, wobei der jüngere Mitarbeiter von seinem älteren Kollegen in dem jeweiligen Aufgabengebiet angeleitet wird und von <?page no="368"?> 19.2 Wissensbasiertes nachhaltiges Personalmanagement 369 ihm lernt. Die Verbindung der beiden Kollegen kann sich auch über das Arbeitsleben hinaus erstrecken. Bei dem Tandem-Modell wird einem älteren Mitarbeiter, von dem bekannt ist, dass er oder sie in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen oder das Unternehmen aus anderen Gründen verlassen wird, ein jüngerer Kollege zugeordnet. Gemeinsam bearbeiten sie das Aufgabengebiet des älteren Mitarbeiters als Team. Dabei lernt der jüngere Kollege das aufgabenspezifische und nachhaltigkeitsorientierte Fachwissen, Methodenwissen und soziale Kompetenzen sowie das Erfahrungswissen des älteren Mitarbeiters. Das Tandem-Modell eignet sich gut als längerfristige Vorbereitung und Einarbeitung von Nachfolgern. Besonderer Vorteil dieses Tandem-Modells ist es, dass der ältere Kollege dem jüngeren Kollegen noch für Nachfragen, Erklärungen, Anlernprozesse, Kontaktvermittlung, Verhandlungsstrategien sowie für die Vermittlung besonderer Wissensinhalte, die ggf. nicht dokumentiert sind oder das Vertrauensverhältnis zu Kunden, Lieferanten oder anderen unternehmensinternen Stellen betreffen, noch zur Verfügung steht und beide Mitarbeiter gemeinsam an der Einarbeitung des Jüngeren arbeiten. Strukturierte Übergabe- und Austrittsgespräche Idealerweise sollte mit jedem ausscheidenden Mitarbeiter ein systematisches Übergabebzw. Austrittsgespräch geführt werden. Dem Gespräch sollte ein Frageleitfaden zugrunde liegen, um sicherzustellen, dass alle wesentlichen Themenbereiche, die den Aufgabenbereich des ausscheidenden Mitarbeiters betreffen, besprochen werden. So wird gewährleistet, dass das aufgabenspezifische, erfahrungsbasierte und nachhaltige Wissen des ausscheidenden Mitarbeiters für den Nachfolger sowie für das Unternehmen erfasst und dokumentiert wird. Ein Übergabegespräch hat den Vorteil, dass der oder die Nachfolgerin zusätzlich zu dem abzufragenden Fragebogenkatalog noch individuelle fachspezifische, prozessbezogene, methodische oder ähnliche Rückfragen stellen kann und so einen bedarfsgerechten Einblick in die Anforderungen, Aufgabenbereiche und Besonderheiten seiner zukünftigen Stelle vom ausscheidenden Mitarbeiter erhält. Ein Austrittsgespräch findet i.d.R. zwischen dem Vorgesetzten, einem Mitarbeiter des Personalmanagements und dem ausscheidenden Mitarbeiter statt. Kooperation mit altersbedingt ausgeschiedenen Mitarbeitern In den letzten Jahren lässt sich beobachten, dass die Kooperation von Unternehmen mit altersbedingt ausgeschiedenen Mitarbeitern zunimmt. Ehemalige Mitarbeiter werden z.B. für zeitlich befristete Projekte oder in akuten Problemsituationen angefragt, im Unternehmen an bestimmten Aufgabenstellungen mitzuarbeiten. Der Vorteil für die Unternehmen besteht darin, dass sie durch die erneute Zusammenarbeit wieder auf das Experten- und Erfahrungswissen der ehemaligen Mitarbeiter zurückgreifen können. Für die ehemaligen Mitarbeiter ist die Zusammenarbeit eine Anerkennung ihrer früheren Leistungen, eine Möglichkeit der nochmaligen beruflichen Tätigkeit sowie eine Einkommensquelle. Die Bereitschaft eines ehemaligen Mitarbeiters zur erneuten Zusammenarbeit hängt jedoch wesentlich von der Wertschätzung ab, die ihm das Unternehmen entgegenbringt. Lessons learned Das Instrument der „Lessons learned“ zielt darauf, die Erfahrungen bei der Lösung komplexer nachhaltiger Probleme oder besonderer ökologischer oder sozialer Pro- <?page no="369"?> 370 20 Kommunikation in nachhaltigen Unternehmen jekte zu dokumentieren und damit auch anderen Mitarbeitern, Projektgruppen und dem Unternehmen als Ganzes verfügbar zu machen. Die Lessons learned beinhalten eine strukturierte und detaillierte Dokumentation sowie Aufarbeitung der eigenen Erfahrungen und Lösungsstrategien zur Bewältigung konkreter Aufgabenstellungen oder Probleme. Dabei sollten sowohl erfolgreiche Strategien, aber auch Fehlentscheidungen als Erfahrungswissen dokumentiert werden. Diese Informationen und Erfahrungen stehen dann unternehmensweit den Mitarbeitern in zukünftigen Projekten zur Verfügung. Wissenskarten Wissenskarten bieten einen strukturierten Überblick über die Orte und die Träger des nachhaltigen Wissens im Unternehmen (vgl. Tergan 2004; Wiig 2004, S. 283 ff.); Eppler 2003). Das Wissen selbst enthalten sie nicht. Allerdings erleichtern Wissenskarten das Auffinden von Wissen innerhalb eines Unternehmens. Bewertung des verfügbaren nachhaltigen Wissens Das im Unternehmen verfügbare nachhaltige Wissen muss im Hinblick auf seine Bedeutung, Nützlichkeit, Aktualität und Vollständigkeit bewertet werden. Hierfür eignet sich grundsätzlich das Instrumentarium des Personalcontrollings. Allerdings müssten wissensorientierte Bewertungsmaßstäbe herangezogen werden bzw. für die Wissensbewertung entwickelt werden. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Bewertungsmethoden des Wissens und Wissensmanagements findet sich bei Lehner (2008, S. 201 ff.). Fragen zur Selbstkontrolle 1. Warum ist das Wissensmanagement für nachhaltige Unternehmen besonders wichtig? 2. Woraus besteht Wissen? Erläutern Sie die Wissenstreppe. 3. Worin besteht der Unterschied zwischen implizitem und explizitem Wissen? 4. Was wird unter organisationalem Wissen verstanden und warum ist es für nachhaltige Unternehmen wichtig? 5. Wie kann das Wissensmanagement in das nachhaltige Personalmanagement integriert werden und aus welchen Bausteinen sollte es sich zusammensetzen? 20 Kommunikation in nachhaltigen Unternehmen Eine umfangreiche Information und Kommunikation innerhalb der verschiedenen Teilbereiche des Personalmanagements ist besonders wichtig, um einerseits über aktuelle Problemlagen, neue Erkenntnisse, erreichte Erfolge, aber auch ökologische und soziale Werthaltungen, Zielsetzungen und Aufgaben zu informieren (top down), und andererseits (bottom up) Informationen über noch bestehende Defizite, Verbesse- <?page no="370"?> 21.1 Organisationsentwicklung 371 rungsvorschläge und Anregungen von Mitarbeitern mit in den Gestaltungsprozess eines nachhaltigen Personalmanagements und eines nachhaltigen Unternehmenshandelns mit einzubeziehen. Diese personalmanagementorientierten Informations- und Kommunikationsprozesse müssen eingebunden werden in die unternehmensweite interne und externe Kommunikation, wofür ein vielfältiges Methodenspektrum zur Verfügung steht, das hier nicht weiter vertieft wird (vgl. Herbst 2003; Bruhn 2005; Piwinger/ Zerfass 2007). 21 Change Management in nachhaltigen Unternehmen Die Entwicklung eines ökologisch verträglichen, sozial gerechten und wirtschaftlich leistungsfähigen Unternehmens bedarf eines umfassenden, längerfristigen und systematischen Organisationsentwicklungs- und Veränderungsprozesses, der das gesamte Unternehmen mit einbezieht. Da die Veränderungen im Hinblick auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung letztlich durch die Mitarbeiter als maßgeblich handelnde Akteure umgesetzt werden, ist hier eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Veränderungsmanagement und dem Personalmanagement erfolgsentscheidend. Zusätzlich verfügt das Personalmanagement über viele Kompetenzen, um den Veränderungsprozess aktiv mit zu gestalten und zu begleiten. Wesentliches Ziel ist es dabei, die Bereitschaft zur Veränderung und Entwicklung der Mitarbeiter als Beteiligte, Betroffene und maßgeblich handelnde Akteure zu fördern, Widerstände zu überwinden und neue Handlungsroutinen und ggf. Organisationsstrukturen und Prozesse zu implementieren. 21.1 Organisationsentwicklung Ansätze zur Organisationsentwicklung haben sich in Deutschland in den 1970er Jahren entwickelt. Inhaltlich sollten bei Prozessen der Organisations- und Unternehmensentwicklung nicht nur die betriebswirtschaftlichen und strukturellen Belange berücksichtigt werden, sondern auch die Bedürfnisse der betroffenen Mitarbeiter (vgl. Doppler-Lautenburg 2014, S. 89). Die Gesellschaft für Organisationsentwicklung e.V. versteht die Organisationsentwicklung als „längerfristig angelegter organisationsumfassender Entwicklungs-und Veränderungsprozess von Organisationen und der in ihr tätigen Menschen. Der Prozess beruht auf Lernen aller Betroffenen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrung. Sein Ziel besteht in einer gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität) und der Qualität des Arbeitslebens (Humanität).“ (GOE 1980). Obwohl sich in Theorie und Praxis unterschiedliche Ansätze der Organisationsentwicklung entwickelt haben, können drei Kernelemente der Organisationsentwicklung identifiziert werden (vgl. Doppler/ Lauterburg 2014, S. 89): Die Organisationsentwicklung ist ein längerfristig angelegter und ganzheitlicher Ansatz der auch die betroffenen Akteure (i.d.R. die Mitarbeiter) am Entwicklungsprozess beteiligt und der auf Hilfe zur Selbsthilfe setzt <?page no="371"?> 372 21 Change Management in nachhaltigen Unternehmen 21.2 Inhalte des Change Management Im Zuge der Veränderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seit den 1990er Jahren, die zu einer deutlich gestiegenen Dynamik, Komplexität und Internationalität der Wirtschaft geführt haben, mussten Unternehmen ihre Fähigkeit zum schnelleren Wandel und zu kurzfristigen Anpassungen an neue Rahmenbedingungen weiterentwickeln. So entwickelten sich verschiedene Ansätze zur „planmäßigen“ Gestaltung von unternehmerischen Wandelprozessen, die nun nicht mehr als Organisationsentwicklung, sondern immer öfter als Change Management oder Veränderungsmanagement bezeichnet wurden. Hier werden beide Begrifflichkeiten im Folgenden gleichgesetzt. Dieser neue Begriff „Change Management“ spiegelt auch die inhaltlich veränderte Ausrichtung der Ansätze. Vahs und Weiand verstehen unter Change Management folgendes: „Change Management ist die Vorbereitung, Analyse, Planung, Realisierung, Evaluierung und laufende Weiterentwicklung von ganzheitlichen Veränderungsmaßnahmen mit dem Ziel, ein Unternehmen von einem bestimmten Ist- Zustand zu einem erwünschten Soll-Zustand weiterzuentwickeln und so die Effizienz und Effektivität aller Unternehmensaktivitäten nachhaltig zu steigern.“ (Vahs/ Weiand, 2013, S. 7). Um die Defintion von Vahs und Weiand noch weiter zu präzisieren, werden die wesentlichen Inhalte des Begriffs Change Management anhand der Literatur genauer herausgearbeitet. Sie lassen sich so zusammenfassen: Gegenstand des Change Managements ist die Weiterentwicklung, aber auch die teils radikale Veränderung bis hin zur Neugestaltung eines Unternehmens mit seinen Strategien, Strukturen, Prozessen, seiner Unternehmenskultur sowie den eingesetzten Verfahren und Methoden (vgl. Vahs/ Weiand 2013, S. 7). Change Management ist ein geplantes Vorgehen mit konkreten Veränderungsprojekten, mit Zielen, Aufgaben, Ergebnisorientierung und zeitlicher Begrenzung. Change Management beinhaltet eine ausgeprägte Kompetenz-, Prozess- und Kundenorientierung. Veränderungen werden aktiv vom Unternehmen gestaltet und gesteuert, um die eigenen Handlungsspielräume sowie die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Damit ist Change Management eine Managementaufgabe, die die zielgerichtete Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle der Veränderungen im bzw. des Unternehmens umfasst. Die Inhalte der Veränderungen sind nicht festgelegt: Es kann sich um veränderte Ziele, Strategien, Prozesse, Unternehmenskultur, Produktionstechnologien, Mitarbeiter, Aufbau- und Ablauforganisation und vieles mehr handeln. Change Management ist zielgerichtet. Die Veränderungen sollen zu einer dauerhaften Steigerung der Effizienz und der Effektivität beitragen. Die Effizienz betrifft die Dauer des Veränderungsprojektes von der Analyse und Planung bis zur Umsetzung und Erfolgskontrolle sowie die dazugehörigen Kosten (vgl. Rank/ Scheinpflug, 2010, S. 18). Die Effektivität der Veränderungen betrifft das Erreichen der zuvor definierten Ziele (z.B. schnellere und qualitativ höherwertige Produkt- <?page no="372"?> 21.3 Prozess des Change Managements 373 erstellung) sowie die Identifikation der Mitarbeiter und Führungskräfte als Beteiligte und Betroffene der Veränderungen (vgl. Rank/ Scheinpflug, 2010, S. 18). Wichtig ist hierbei die Entwicklung einer Veränderungsbereitschaft der beteiligten Akteure, dem sogenannten Commitment to Change (vgl. Rank/ Scheinpflug, 2010, S. 18). Das Commitment to Change umfasst das affektive, normative und kalkulative Commitment, die Identifikation mit dem Wandel und die Verpflichtung gegenüber dem Unternehmen zur Wandelbereitschaft (vgl. Herscovitch/ Meyer 2002). Dafür notwendig ist die uneingeschränkte Akzeptanz der Veränderungen durch die beteiligten und betroffenen Akteure (Geschäftsleitung, Management, Führungskräfte, Mitarbeiter, Betriebsrat, Berater, Change Agents). Change Management-Prozesse werden i.d.R. durch externe oder interne Berater begleitet und in konkreten Change Management-Projekten umgesetzt. Die Berater und die Projektleitung des Wandelprozesses sind dafür verantwortlich, dass der Veränderungsprozess ziel- und ergebnisorientiert gestaltet und umgesetzt wird. Zur Umsetzung der Change Management-Projekte können vielfältige Instrumente und Methoden genutzt werden. 21.3 Prozess des Change Managements Im letzten Kapitel wurde bereits darauf hingewiesen, dass Change Management ein geplantes Vorgehen mit der Festlegung von Zielen, der Abgrenzung verschiedener Aufgaben und einer Ergebnisorientierung beinhaltet. Umgesetzt werden Change Management Vorhaben meist in konkreten, aber zeitlich begrenzten Veränderungsprojekten. Daher wird hier das Change Management aus der Prozessperspektive betrachtet und analysiert, welche grundlegenden Phasen mit welchen Inhalten ein Change Management-Prozess umfassen sollte, um den Unternehmenswandel erfolgreich umzusetzen. Für die Prozessbetrachtung eignet sich das integrierte Phasenmodell des Change Management-Prozesses von Vahs (2012) und Vahs/ Weiand (2013) gut. Es bildet sowohl die inhaltlichen als auch die psychologischen Phasen des Veränderungsprozesses ab und unterstützt so das Verständnis des Veränderungsprozesses (vgl. Abbildung 133). Die psychologische Ebene des integrierten Phasenmodells beinhaltet die drei Phasen des Veränderungsmodells von Lewin (1947): des Auftauens bestehender Strukturen und Abläufe, ihre Veränderung und Erlernen neuer Vorgehensweisen und Aufgabenbereiche, ggf. in anderen Strukturen und Arbeitszusammenhängen und die Stabilisierung der neu erlernten Prozesse und Strukturen im Unternehmen. Die inhaltliche Ebene strukturiert den Veränderungsprozess in die einzelnen Phasen der Vorbereitung und Grundlagen, der Analyse und Diagnose, der Planung und Konzepterarbeitung, der Implementierung und Umsetzung sowie der Kontrolle und ständigen Verbesserung. Die wesentlichen Inhalte der einzelnen Phasen lassen sich aus der Abbildung 133 ablesen und werden im nächsten Kapitel noch einmal aufgegriffen. <?page no="373"?> 374 21 Change Management in nachhaltigen Unternehmen Abbildung 133: Integriertes Phasenmodell des Change Management-Prozesses (eigene Darstellung unter Bezug auf Vahs 2012, S. 410 und Vahs/ Weiand 2013, S. 12,14). 21.4 Zusammenarbeit zwischen Personalmanagement und Change Management in nachhaltigen Entwicklungsprozessen des Unternehmens In der Literatur wird bislang die Bedeutung des Personalmanagements im Change Management kaum diskutiert. Wenn überhaupt wird die Personalentwicklung im Zusammenhang mit der durch Veränderungsprozesse notwendig werdenden Qualifikation und Entwicklung der Mitarbeiter thematisiert. Dabei könnte und sollte das Personalmanagement viel stärker in Wandelprozesse integriert werden, da es über die fachliche Expertise zu allen personalbezogenen Themenbereichen im Unternehmen verfügt. Zusätzlich hat das Personalmanagement vielfältige Erfahrungen in und geeignete Instrumente für eine Mitarbeit an Organisationsentwicklungsprozessen, bei denen die betroffenen Mitarbeiter explizit am Entwicklungsprozess des Unternehmens beteiligt werden (vgl. Doppler/ Lauterburg 2014, S. 89f.; Becker 2005, S. 435, 444). Obwohl die Wandelprozesse des Change Managements oft umfassender, radikaler und mehr auf Veränderung anstatt auf Entwicklung ausgerichtet sind, können die Erfahrungen und das Instrumentarium des Personalmanagements gut auch für Change Management-Prozesse genutzt werden. Darauf aufbauend können weitere personalorientierte Strategien und Instrumente speziell für das Change Management entwickelt werden. Da die Mitarbeiter immer vom Unternehmenswandel betroffen sind, ist die Beteiligung des Personalmanagements in Change Management-Prozessen eigentlich unerlässlich. Als Empfehlung kann festgehalten werden, dass das Personalmanagement unbedingt ein ausgeprägtes Selbstverständnis im Change Management entwickeln sollte. Das gilt sowohl für die Rolle des Personalmanagements als strategischer Berater der Ge- <?page no="374"?> 21.4 Zusammenarbeit zwischen Personalmanagement und Change Management 375 schäftsleitung sowie als wichtiger zu beteiligender Akteur und als Projektmitglied für die Umsetzung von Wandelprozessen im Unternehmen. Im Folgenden werden die Ziele, Aufgaben und Rollen des Personalmanagements in dem nachhaltigen Veränderungsprozess des Unternehmens betrachtet. 21.4.1 Ziele des Personalmanagements im nachhaltigen Change Management-Prozess Einige Unternehmen werden schon mit der Intention gegründet, ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig zu arbeiten, bzw. konzentrieren sich bewusst auf die Herstellung ökologischer und gesundheitsverträglicher Produkte bzw. Leistungen. Beispiel dafür sind der in den 1970er Jahren gegründete Textilhersteller und Versandhandel „Hess Natur“, „The Body Shop“ oder der Büroartikelversand „Memo“. Andere Unternehmen entscheiden sich aufgrund unternehmensspezifischer Ereignisse oder veränderten internen oder externen Rahmenbedingungen im Laufe ihres „Unternehmenslebens“ zu einem nachhaltigen Veränderungsprozess, in dem das Handeln und die Leistungserstellungsprozesse des Unternehmens ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig ausgerichtet und weiter entwickelt werden sollen. Entscheidet sich ein Unternehmen zu einem nachhaltigen Veränderungsprozess, so sollte das Personalmanagement mit folgenden Zielen in den nachhaltigen Change Management-Prozess eingebunden werden. Beteiligung als Business Partner an der Gestaltung des nachhaltigen Wandels: Ziel des Personalmanagements ist es, als Business Partner an der Gestaltung des nachhaltigen Wandels beteiligt zu werden. Dazu sollte das Personalmanagement möglichst frühzeitig nach der Veränderungsentscheidung der Geschäftsleitung mit in den Gestaltungsprozess des Wandels einbezogen werden. Ideal wäre die Integration des Personalmanagements in das übergeordnete Projektteam, das über die Ziele, die Richtung, mögliche Berater, die Gestaltung des Wandelprozesses sowie die am Wandelprozess beteiligten Akteure entscheidet. Mitarbeit in konkreten Wandelprozessen und Wandelprojekten: Ein weiteres Ziel ist die aktive Mitarbeit des Personalmanagements im konkreten Wandelprojekt und Wandelprozess. Erst als aktiver Partner im Wandelprozess kann das Personalmanagement seine personalspezifischen Kompetenzen mit in das Veränderungsprojekt einbringen. Integration der Personalbelange in den Wandel und Wandelprozess: Ein weiteres wichtiges Ziel des Personalmanagements ist die Integration der Personalbelange in den Wandel. Aufgrund seines Aufgabenbereichs kann das Personalmanagement kompetent sowohl die Anforderungen, aber auch die Gestaltungsmöglichkeiten und vor allem die Auswirkungen des nachhaltigen Wandels auf die Mitarbeiter beurteilen. Ziel ist es hierbei, den Wandel zwar effizient und effektiv zu gestalten, dabei jedoch auch verantwortungsvoll die aus dem Wandel resultierenden Belastungen, Veränderungen, Ängste und Auswirkungen auf die Mitarbeiter sowie die personalbezogenen Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Einbringen personalmanagementspezifischer Qualifikationen und Kompetenzen in den Wandel: Ein weiteres Ziel des Personalmanagements ist es auch, seine spezifischen Qualifi- <?page no="375"?> 376 21 Change Management in nachhaltigen Unternehmen kationen und Kompetenzen in die Gestaltung und die Umsetzung des nachhaltigen Wandelprozesses mit einzubringen. Wichtig ist hierbei das Ausschöpfen der personalspezifischen Kompetenzen des Personalmanagements, um die Gestaltungspielräume für Veränderungen auszuschöpfen, Widerstände möglichst zu minimieren und die Mitarbeiter umfassend im Wandelprozess zu begleiten und zu unterstützen. 21.4.2 Aufgaben des Personalmanagements Im nachhaltigen Wandelprozess kann das Personalmanagement die folgenden Aufgaben übernehmen: Analyse der Ist-Situation, des Veränderungsbedarfs durch den Wandel und der Betroffenheit der Mitarbeiter vom Wandel: Aufgrund seiner umfassenden personalbezogenen Kenntnisse sollte das Personalmanagement die personalbezogene Analyse der Ist-Situation als Ausgangspunkt für den Wandel übernehmen. Dazu gehört auch die Analyse des personalbezogenen Veränderungsbedarfs für die betroffenen Aufgabenbereiche. Aus der Ermittlung des Veränderungsbedarfs ergibt sich die Abschätzung der Betroffenheit konkreter Mitarbeiter, die wiederum die Voraussetzung ist für die Entwicklung geeigneter und sozial verträglicher Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung des Wandels. Entwicklung personalbezogener Strategien und Projekte zur Umsetzung des Wandels: Im Anschluss an die o.g. Analyse der Ist-Situation, des Veränderungsbedarfs und der Betroffenheit der Mitarbeiter vom Wandel ist eine weitere sehr wichtige Aufgabe des Personalmanagements, personalbezogene Strategien zur Gestaltung und Umsetzung des nachhaltigen Wandels in den betroffenen Aufgabenbereichen zu entwickeln. Für die Umsetzung der entwickelten Strategien müssen später konkrete Veränderungsprojekte gebildet werden, in denen die Veränderungen tatsächlich umgesetzt werden. Je nach Umfang des Wandelprozesses bietet sich auch die Konzeption von Teilprojekten an, die jeweils klar abgegrenzte Veränderungsvorhaben umsetzen. Mitarbeit und Begleitung der Mitarbeiter im Wandel: Eine weitere wesentliche Aufgabe des Personalmanagements ist die konkrete Mitarbeit im Wandelprozess. So ist das Personalmanagement dafür prädestiniert, die Mitarbeiter bei der Umsetzung der Veränderungen zu begleiten, sie durch verschiedene Maßnahmen zu unterstützen und sie für die Veränderungen weiter zu entwickeln bzw. zu qualifizieren. Dafür steht dem Personalmanagement ein breites Instrumentarium zur Verfügung. Dies erfordert eine aktive Mitarbeit des Personalmanagements im konkreten Wandelprozess. Evaluation des personalbezogenen Erfolgs konkreter Wandelprojekte: Auch die Evaluation des personalbezogenen Erfolges konkreter nachhaltiger Wandelprojekte obliegt dem Personalmanagement. Durch die intensive Begleitung, Unterstützung und Qualifikation der Mitarbeiter im Wandel kann das Personalmanagement kompetent beurteilen, welche Veränderungen wie weitreichend bereits umgesetzt und von den Mitarbeitern angewendet werden und in welchen Bereichen noch weitere Maßnahmen erforderlich sind. Zur Evaluation des personalbezogenen Erfolgs steht dem Personalmanagement die Kompetenz und das Instrumentarium des Personalcontrollings zur Verfügung. <?page no="376"?> 21.4 Zusammenarbeit zwischen Personalmanagement und Change Management 377 21.4.3 Rollen des Personalmanagements im Change Management Da das Personalmanagement über umfangreiches personalbezogenes Wissen und auch Erfahrungen bei der Planung und Umsetzung von Veränderungsprozessen verfügt, ist es gut geeignet, um in den verschiedenen Phasen des Wandelprozesses unterschiedliche Rollen zu übernehmen. Die Abbildung 134 zeigt, welche Rollen das Personalmanagement in den jeweiligen Phasen des Wandelprozesses besonders gut übernehmen kann. Abbildung 134: Rollen des Personalmanagements im Change Management-Prozess Die Rollen des Personalmanagements in den einzelnen Phasen des Veränderungsprozesses werden nun genauer erläutert. Vorbereitungsphase In der Vorbereitungsphase des Veränderungsprozesses kann das Personalmanagement insbesondere die folgenden zwei Rollen übernehmen: Das Personalmanagement bzw. ein kompetenter Personalmanager könnten vom Auftraggeber des Veränderungsprozesses als interner Berater in das zentrale Projektteam berufen werden. Da Veränderungsprozesse immer auch die Mitarbeiter betreffen, wäre dadurch sichergestellt, dass das detaillierte Wissen des Personalmanagements über alle bestehenden personalbezogenen Aufgabenbereiche, Regelungen, Abläufe und vorhandenen Qualifikationen von Anfang an für die Gestaltung des nachhaltigen Veränderungsprozesses genutzt wird. Zusätzlich kann das Personalmanagement das Ausmaß der personalbezogenen Veränderungen und die Auswirkungen des geplanten nachhaltigen Veränderungsprozesses auf die Mitarbeiter, ihre Aufgabenbereiche und zu entwickelnden Qualifikationen kompetent abschätzen. Zusätzlich könnte das Personalmanagement als interner Berater auch wichtige Beiträge <?page no="377"?> 378 21 Change Management in nachhaltigen Unternehmen zur organisatorischen Integration des Veränderungsprozesses in die Organisationsstruktur des Unternehmens sowie zur Bildung und personellen Besetzung der Teilprojektteams leisten. Vielleicht möchte der Auftraggeber des Veränderungsprozesses auch einen externen Berater für die Gestaltung und Umsetzung des Veränderungsprozesses einbinden. Dann gäbe es zwei Möglichkeiten: Das Personalmanagement könnte entweder als begleitender interner Berater mit in das Projektteam eingebunden werden. Bei dieser Konstellation wäre jedoch eine eindeutige Abgrenzung der Kompetenzen und Aufgaben zwischen dem externen und internen Berater wichtig. Die zweite Möglichkeit wäre, das Personalmanagement als Fachberater speziell für die personalbezogenen Gestaltungsaufgaben des Veränderungsprozesses in das Projektteam zu integrieren. Hierbei würden sich die Beratungs- und Gestaltungsaufgaben des Personalmanagements „nur“ auf die personalbezogenen Themenbereiche erstrecken. Analyse- und Diagnosephase Auch in der Analyse- und Diagnosephase könnte das Personalmanagement als interner Berater am Veränderungsprozess mitwirken. Auf jeden Fall sollte das Personalmanagement in dieser Phase jedoch die Rolle des Fachberaters für Personalbelange übernehmen. Gerade für die Analyse der aktuellen Unternehmenssituation und der internen und externen personalbezogenen Rahmenbedingungen ist die Expertise des Personalmanagements außerordentlich wichtig. So kann das Personalmanagement wichtige Informationen beisteuern hinsichtlich der bisherigen Arbeitsstrukturen und -abläufe, der Kommunikationsstrukturen innerhalb und zwischen verschiedenen Hierarchieebenen, der bestehenden Anreizsysteme sowie der vorhandenen personalbezogenen Qualifikationen und Kompetenzen. Phase der Konzepterarbeitung und Planung In der Phase der Konzepterarbeitung und Planung des Veränderungsprozesses könnte das Personalmanagement über die bisher vorgestellten Rollen hinaus aufgrund seiner Kompetenz noch die folgenden Rollen übernehmen: Als Prozessberater könnte das Personalmanagement kompetent an der Prozessplanung und an der Gestaltung der verschiedenen Prozessschritte des nachhaltigen Veränderungsprozesses mitarbeiten und sein spezifisches Wissen, aber auch sein vielfältiges Instrumentarium zur Analyse und Umsetzung notwendiger Veränderungen in den Teilprozessschritten einbringen. Hierbei sollten bei der Planung der einzelnen Prozessphasen gezielt die Betroffenheit und notwendigen Veränderungen der Mitarbeiter (z.B. Integration ökologischer und sozialer Aufgaben in die Stellenbeschreibungen, ökologisch und soziale Erweiterung der Aufgabenbereiche) analysiert werden und entsprechende Maßnahmen in die Planung und detaillierte Konzepterarbeitung integriert werden. Für die Rolle des Qualifikationsberaters im Rahmen der Personalentwicklung ist das Personalmanagement bestens geeignet, da die Personalentwicklung und die Qualifizierung zu den fachspezifischen Aufgaben des Personalmanagements gehören. Im Veränderungsprozess kann so die Kompetenz des Personalmanagements gezielt genutzt werden. Dabei kann das Personalmanagement den notwendigen ökologischen, ökonomischen oder sozialen Qualifikationsbedarf, der im Zuge der Veränderungen er- <?page no="378"?> 21.4 Zusammenarbeit zwischen Personalmanagement und Change Management 379 forderlich wird, kompetent abschätzen und für die jeweiligen Teilprozessphasen gezielte Qualifikationsmaßnahmen für die betroffenen Mitarbeiter und Abteilungen planen und konzipieren. Phase der Implementierung und Umsetzung In der Phase der Implementierung und Umsetzung erfolgt nun die tatsächliche Umsetzung der geplanten Veränderungen. Hierbei sollte das Personalmanagement seine Rollen als ggf. interner Berater, insbesondere aber als Fachberater für Personalbelange und als Prozessberater beibehalten. Zusätzlich werden in dieser Prozessphase jedoch noch weitere Rollen des Personalmanagements wichtig. So sollte das Personalmanagement unbedingt die Funktion des Personalentwicklers übernehmen, der die Mitarbeiter bei den nun umzusetzenden nachhaltigen Veränderungen unterstützt, begleitet und vor allem für die neuen Anforderungen und Aufgaben qualifiziert. Auch die Führungskräfte müssen bei der Umsetzung der Veränderungen intensiv betreut werden, da sie doppelt belastet sind. Einerseits sind auch die Führungskräfte von den Veränderungen direkt betroffen (z.B. durch neue Aufgabenbereiche, andere Abläufe oder Zuständigkeiten). Andererseits müssen die Führungskräfte die ihnen unterstellten Mitarbeiter bei der Umsetzung der Veränderung unterstützen und begleiten, mögliche Widerstände bewältigen und die Mitarbeiter insgesamt für den Veränderungsprozess motivieren und sie anleiten. Insofern besteht auch für die am Veränderungsprozess beteiligten Führungskräfte ein intensiver Personalentwicklungs- und Coachingbedarf. Das Personalmanagement kann in dieser Rolle die erforderlichen Personalentwicklungsmaßnahmen identifizieren sowie den Coachingbedarf analysieren, konkret in die jeweiligen Teilprojektphasen einplanen und die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen selbst übernehmen oder delegieren. Auch die Rolle des Kommunikators kann das Personalmanagement gut übernehmen. Gerade bei der Umsetzung der Veränderungen in die betrieblichen Strukturen und Abläufe ist es wichtig, sowohl die Erwartungen im Hinblick auf die nachhaltigen Veränderungen als auch die Inhalte und zeitlichen Vorgaben der sich verändernden Aufgaben, Strukturen oder Abläufe eindeutig und regelmäßig zu kommunizieren. Diese Kommunikation schafft Klarheit für die Mitarbeiter, was sich nun alles ändert und wann die Neuerungen umgesetzt werden sollen. Sie dient aber auch der Vermeidung von Gerüchten und Unsicherheiten. Zusätzlich ist es wichtig, erste Erfolge der Veränderungen zu kommunizieren, um die Motivation der Mitarbeiter im Veränderungsprozess zu erhalten und zu stärken. Das Personalmanagement kann in der Rolle des Kommunikators auf die bereits bestehenden Kommunikationswege, -kanäle und Kommunikationsmedien zurückgreifen, die es auch bei seinen normalen personalbezogenen Aufgaben nutzt. Wesentliche Kommunikationswege sind hierbei nicht nur die Informationsweitergabe der umzusetzenden Veränderungen an die Mitarbeiter von der Geschäftsleitung an die einzelnen Aufgabenbereiche und Abteilungen (top down), sondern auch die Kommunikation der Fortschritte aber auch möglicher Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Veränderungen vor Ort (bottom up). Dabei können als Kommunikationskanäle und -medien sowohl schriftliche (detailliertere Informationen in der Unternehmenszeitschrift, Rundschreiben), mündliche (z.B. direkte Anweisungen umzusetzender Neuheiten) aber auch elektronische Kommunikationsmedien und -instrumente (z.B. E-Mail, Newsletter) genutzt werden. Eine intensive Kommunikation wird hierbei unterstützt durch das breite bereits verfügbares <?page no="379"?> 380 21 Change Management in nachhaltigen Unternehmen Kommunikationsinstrumentarium, das dem Personalmanagement zur Verfügung steht (z.B. Newsletter, Mitarbeiterbefragung, Anweisungen, Artikel in der Unternehmenszeitschrift). In der Rolle des Moderators geht es darum, sowohl inhaltlich als auch prozessbezogen neue Anforderungen, Aufgaben und Abläufe zwischen den verschiedenen Akteuren, die am Veränderungsprozess beteiligt sind, zu vermitteln und abzustimmen. Dabei gilt es auch Interessensgegensätze offenzulegen und eine konstruktive Einigung zu erreichen. Das Personalmanagement kann als neutrale Instanz die Rolle des Moderators kompetent übernehmen und dabei auf seine vielfältigen fachlichen Kenntnisse und Instrumente z.B. in den Bereichen der Moderation, Gesprächsführung, Gestaltung von Arbeitskreisen oder Teamarbeit und Teamentwicklung zurückgreifen. Gleiches gilt für die Rolle des Konfliktmanagers. Auch hierfür verfügt das Personalmanagement über ein vielfältiges Instrumentarium, das für die Bearbeitung und Lösung auftretender Konflikte im Veränderungsprozess genutzt werden kann. Häufig lösen Veränderungsprozesse Ängste vor den ökologischen und sozialen Veränderungen und Unsicherheit hinsichtlich der Auswirkungen der Veränderungen auf die betroffenen Mitarbeiter aus. Daraus können sich erhebliche Widerstände gegen die Umsetzung der Veränderungen entwickeln. Hier gilt es durch eindeutige und verbindliche Informationen und Anweisungen Unsicherheiten abzubauen und mit Hilfe von Konfliktbearbeitungsstrategien Widerstände zu reduzieren. Phase der Kontrolle und ständiger Verbesserung Schematisch werden die Kontrolle und eine ständige Verbesserung als letzte Phase des Veränderungsprozesses eingeordnet. Faktisch ist jedoch eine prozessbegleitende Kontrolle der Umsetzung der Veränderungen wichtig, um erreichte Erfolge aber auch mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse möglichst frühzeitig zu identifizieren und entsprechend gegensteuern zu können. Zusätzlich soll das Unternehmen im Zuge des Veränderungsprozesses auch eine grundlegende Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit entwickeln, um auch zukünftig schnell mit weiteren internen oder externen Veränderungen umgehen zu können. Auch in dieser Prozessphase kann das Personalmanagement mehrere Rollen übernehmen, die bereits vorgestellt wurden. Dazu gehören die Rollen als interner Berater, Fachberater für Personalbelange, Prozessberater, Personalentwickler, Kommunikator, Moderator und Konfliktberater. Eine neue Rolle in dieser Prozessphase ist die des Personalcontrollers, die im Folgenden näher erläutert wird. Da das Personacontrolling auch ein Teilbereich des Personalmanagements ist, kann das Personalmanagement hier ebenfalls seine Fachkompetenz in dieser Rolle nutzen. Für die prozessbegleitende Kontrolle des Veränderungsprozesses können spezifische Controllinginstrumente genutzt werden, wie z.B. Kennzahlen, die den Umsetzungsgrad der nachhaltigen Veränderungen, Fehlerquoten oder Produktionsdaten messen, Berichtspflichten zur Dokumentation des jeweiligen Ist-Zustandes, Schwachstellenanalysen o.ä. Besonders stark ist das Personalmanagement in der Erhebung und Nutzung personalbezogener Kennzahlen und Instrumente, die ja gerade im Veränderungsprozess, wo es um die Bewältigung der Veränderungen durch die Mitarbeiter geht, besonders wichtig sind. Beispielsweise wäre hier die Erarbeitung einer Balanced Scorecard für den nachhaltigen personalbezogenen Veränderungsprozess zu empfehlen (vgl. Kapitel 18.8). <?page no="380"?> 21.4 Zusammenarbeit zwischen Personalmanagement und Change Management 381 Für die Verankerung einer dauerhaften Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit könnte das Personalmanagement die Rolle des Personalentwicklers nutzen, um mit geeigneten Instrumenten die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter zu entwickeln. Fragen zur Selbstkontrolle 1. Inwieweit unterscheiden sich die Organisationsentwicklung und das Change Management tatsächlich? 2. Welche Inhalte umfasst das Change Management? 3. Erläutern Sie das Integrierte Phasenmodell des Change Managements. 4. Welche Ziele verfolgt das nachhaltige Personalmanagement im Change Management? 5. Welche Aufgaben kann das nachhaltige Personalmanagement in konkreten Wandelprozessen übernehmen? 6. Welche Rollen kann das nachhaltige Personalmanagement in konkreten Wandelprozessen übernehmen? 7. Warum ist es wichtig, das Personalmanagement an nachhaltigen Change Management-Projekten zu beteiligen? <?page no="382"?> Literaturverzeichnis Albert, M.; Hurrelmann, K.; Quenzel, G.; TNS Infratest Sozialforschung (2015): Jugend 2015, 17. Shell Jugendstudie, Kurzfassung, Hamburg, Oktober 2015. Al-Laham, A. (2003): Organisationales Wissensmanagement. Eine strategische Perspektive, München 2003. Amabile, T. M. (1996): Creativity and innovation in organizations. Harvard Business School, Boston 1996. Amabile, T. M.; Gryskiewicz, S.S. (1987): Creativity in the R&D laboratory. Greensboro, N.C.: Center for Creative Leadership 1987. Antes, R. (1996): Präventiver Umweltschutz und seine Organisation in Unternehmen, Wiesbaden 1996. Antes, R. 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