Controlling
Grundlage einer entscheidungsorientierten Unternehmensführung
1007
2019
978-3-8385-8732-5
978-3-8252-8732-0
UTB
Ute Vanini
Heike Langguth
Thomas Krolak
Controller unterstützen das Management heute durch fundierte Analysen und Informationen.
Der Schwerpunkt dieses Lehrbuchs liegt auf der anwendungsorientierten Darstellung der Controlling-Konzepte und ausgewählter Controlling-Instrumente.
Dabei wird der klassischen Einteilung in Planung, Kontrolle und Informationsversorgung gefolgt. Weiterführende Fragestellungen (z.B. zur Digitalisierung, Risiko- und Verhaltensorientierung im Controlling sowie zum wertorientierten Controlling) runden es ab.
Das Buch bietet eine erste Einführung für Bachelor-Studenten. Aufgrund ausgewählter Controlling-Probleme, die anhand von praktischen Fällen dargestellt werden sowie zahlreicher empirischer Studien, eignet es sich auch zur Vertiefung im Master-Studium. Des Weiteren ist es durch eine Vielzahl praktischer Problemlösungen ebenso für Praktiker aus den Bereichen Rechnungswesen & Controlling, Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung sowie das Management von kleinen und mittleren Unternehmen sehr gut geeignet.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn Narr Francke Attempto Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb 8419 UTB (L) Impressum_19.indd 1 20.02.19 12: 37 <?page no="3"?> Ute Vanini, Thomas Krolak, Heike Langguth Controlling Grundlage einer entscheidungsorientierten Unternehmensführung 2., vollständig überarbeitete Auflage UVK Verlag · München <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlag München 2019 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Coverfoto: © iStockphoto - utah778 Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck UVK Verlag Nymphenburger Strasse 48 · 80335 München Tel. 089/ 452174-65 www.uvk.de Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 · 72070 Tübingen Tel. 07071/ 9797-0 www.narr.de ISBN 978-3-8252-8732-0 UTB-Band 8419 WISU-Texte sind die Lehrbuchreihe der Zeitschrift WISU - DAS WIRTSCHAFTSSTUDIUM (www.wisu.de) <?page no="5"?> Vorwort zur 2. Auflage Das Rollenbild des Controllers hat sich vom reinen Zahlenlieferanten über den Steuermann bis hin zum Business Partner deutlich gewandelt. Die weitere Digitalisierung des Controllings und die Automatisierung wichtiger Aufgabenfelder z.B. des Reportings zeigen, dass das Controlling zunehmend eine interne Beraterfunktion übernehmen muss, um in diesem dynamischen Umfeld bestehen zu können. Dieses Buch wurde für Studierende und Praktiker konzipiert und basiert auf einem entscheidungsorientierten Controllingverständnis. Ein wirksames Controlling zielt demnach vor allem auf die Optimierung und Qualitätssicherung der Entscheidungen des Managements. Darüber hinaus bilden die Berücksichtigung der Unsicherheit des Unternehmensumfeldes sowie die Abbildung von Risiken in den gängigen Controlling-Instrumenten weitere Schwerpunkte dieses Buches. Des Weiteren werden zahlreiche Praxisbeispiele realer und fiktiver Unternehmen anwendungsorientiert diskutiert. Gegenüber der ersten Auflage wurden alle Kapitel grundlegend überarbeitet. Die Gliederungsstruktur folgt in allen Kapiteln einem klaren Schema. Zunächst werden die Lerninhalte und ein Praxisbeispiel vorgestellt. Darauf aufbauend werden die Inhalte des jeweiligen Kapitels in detaillierter Form dargestellt und der Stand der Forschung anhand von aktuellen Studien diskutiert. Jedes Kapitel schließt mit einer kritischen Würdigung im Unterkapitel Probleme und Weiterentwicklung. Des Weiteren wurden zu allen Kapiteln weitergehende Fragestellungen und Aufgaben sowie deren Lösungen mit aufgenommen. Einige neue Themenfelder sind in das Buch integriert worden, dabei sind vor allem die Kapitel 3.3 Digitalisierung, BigData und Business Analytics, 4.2 Controlling und Anreizsysteme und 4.3 Wertorientiertes Controlling hervorzuheben. Der Stoffumfang des Buches hat sich gegenüber der Erstauflage daher deutlich erhöht. Wir danken unseren Familien für ihre Unterstützung und Geduld während des Schreibens dieses Buches und freuen uns über weitere Anregungen unserer Leser. Kiel, im September 2019 Ute Vanini, Thomas Krolak, Heike Langguth Lösungshinweise … finden Sie online unter www.uvk.digital/ 9783 8252 8732 0 <?page no="7"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort zur 2. Auflage............................................................................................................ 5 Abbildungsverzeichnis........................................................................................................... 13 Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................................... 23 1 Grundlagen des Controllings........................................................................ 27 1.1 Managemententscheidungen als Grundlage des Controllings ..................... 27 1.2 Entscheidungsorientierte Controlling-Konzeption ....................................... 36 1.2.1 Begriffsabgrenzung und Anforderungen ........................................................ 36 1.2.2 Herleitung einer entscheidungsorientierten Controlling-Konzeption........ 38 1.2.3 Abgrenzung von weiteren Controlling-Konzeptionen ................................. 43 1.3 Controller-Rollen ................................................................................................ 47 1.3.1 Entwicklung von Rollenmodellen im Controlling......................................... 49 1.3.2 Ausgewählte Controller-Rollen......................................................................... 51 1.3.3 Mögliche Rollenkonflikte des Controllers ...................................................... 55 1.3.4 Bedeutung in der Unternehmenspraxis ........................................................... 57 1.4 Organisation des Controllings .......................................................................... 63 1.5 Kritische Würdigung und Ausblick.................................................................. 76 Wiederholungsfragen ............................................................................................................. 81 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe.................................... 83 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Planung und Kontrolle ................................... 83 2.1.1 Begriff, Funktionen und Arten von Zielen..................................................... 84 2.1.2 Prozess der Zielbildung und -festlegung ......................................................... 86 2.1.3 Integration von Risikozielen in die Zielhierarchie......................................... 90 2.1.4 Aufgaben des Controllers bei der Zielbildung und -festlegung .................. 93 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle ......................................................... 96 2.2.1 Begriffsabgrenzung, Prozess, Funktionen und Arten der Planung ............ 96 2.2.2 Begriffsabgrenzung, Prozess, Funktionen und Arten der Kontrolle ....... 103 2.2.3 Aufgaben des Controllers bei der Planung und Kontrolle......................... 108 2.2.3.1 Gestaltung des Planungs- und Kontrollsystems .......................................... 109 <?page no="8"?> 2.2.3.2 Planungsunterstützung und Planentstehungskontrolle ............................... 115 2.2.3.3 Planungsmanagement ....................................................................................... 116 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle ................................. 119 2.3.1 Überblick............................................................................................................. 119 2.3.2 Strategische Planung und Kontrolle............................................................... 122 2.3.2.1 Definitionen und Funktionen ......................................................................... 122 2.3.2.2 Instrumente ........................................................................................................ 126 2.3.2.3 Integration von Risikoaspekten in das strategische Controlling ............... 135 2.3.2.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 139 2.3.2.5 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 141 2.3.3 Balanced Scorecard (BSC)................................................................................ 142 2.3.3.1 Definition und Funktionen.............................................................................. 143 2.3.3.2 Ableitung............................................................................................................. 146 2.3.3.3 Integration von Risikoaspekten in die BSC .................................................. 152 2.3.3.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 153 2.3.3.5 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 155 2.3.4 Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung ........................................................ 157 2.3.4.1 Begriff und Struktur einer integrierten Finanz- und Erfolgsplanung ....... 158 2.3.4.2 Ablauf einer integrierten Finanz- und Erfolgsplanung ............................... 160 2.3.4.3 Integration von Risiken in die Finanz- und Erfolgsplanung...................... 167 2.3.4.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 172 2.3.4.5 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 175 2.3.5 Forecasting ......................................................................................................... 179 2.3.5.1 Definitionen und Funktionen ......................................................................... 180 2.3.5.2 Prognoseverfahren ............................................................................................ 183 2.3.5.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 197 2.3.5.4 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 199 2.3.6 Budgetierung ...................................................................................................... 202 2.3.6.1 Definition, Funktionen und Arten ................................................................. 202 2.3.6.2 Budgetierungsverfahren ................................................................................... 207 2.3.6.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 215 2.3.6.4 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 216 Wiederholungsfragen ........................................................................................................... 223 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe ............................... 227 3.1 Grundlagen der Informationsversorgung ..................................................... 227 3.1.1 Begriffsabgrenzung und Funktionen ............................................................. 227 8 Inhaltsverzeichnis <?page no="9"?> 9 Inhaltsverzeichnis 3.1.2 Aufgaben des Controllers bei der Informationsversorgung ...................... 228 3.1.3 Ermittlung des Informationsbedarfs ............................................................. 230 3.1.4 Informationsverwendung ................................................................................ 233 3.1.5 IT-Unterstützung der Informationsversorgung ........................................... 234 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings.................. 236 3.2.1 Grundlegende Rechenwerke des externen und internen Rechnungswesens .................................................................................................................. 237 3.2.2 Weitere Anforderungen an das externe Rechnungswesen ......................... 244 3.2.3 Harmonisierung des Rechnungswesens ........................................................ 247 3.2.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis........................................................ 251 3.2.5 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 254 3.3 Digitalisierung, Big-Data und Business Analytics........................................ 255 3.3.1 Grundlegende Begriffe und Konzepte .......................................................... 256 3.3.2 Business Analytics zur Analyse von Big Data .............................................. 259 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung............................... 265 3.4.1 Überblick ............................................................................................................ 265 3.4.2 Target Costing ................................................................................................... 265 3.4.2.1 Definition und Ziele ......................................................................................... 267 3.4.2.2 Ablauf.................................................................................................................. 269 3.4.2.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis........................................................ 278 3.4.2.4 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 281 3.4.3 Prozesskostenrechnung.................................................................................... 283 3.4.3.1 Definition und Funktionen ............................................................................. 284 3.4.3.2 Ablauf.................................................................................................................. 286 3.4.3.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis........................................................ 293 3.4.3.4 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 295 3.4.4 Kennzahlen und Kennzahlensysteme............................................................ 296 3.4.4.1 Definition, Funktionen und Arten von Kennzahlen .................................. 297 3.4.4.2 Definition, Funktionen und Arten von Kennzahlensystemen .................. 309 3.4.4.3 Ableitung von Kennzahlensystemen ............................................................. 316 3.4.4.4 Risikokennzahlen .............................................................................................. 322 3.4.4.5 Umsetzung in der Unternehmenspraxis........................................................ 327 3.4.4.6 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 329 3.4.5 Benchmarking .................................................................................................... 331 3.4.5.1 Definition, Funktionen und Arten ................................................................. 332 <?page no="10"?> 3.4.5.2 Ablauf .................................................................................................................. 335 3.4.5.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 340 3.4.5.4 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 342 3.4.6 Investitionscontrolling...................................................................................... 343 3.4.6.1 Definition und Arten ........................................................................................ 345 3.4.6.2 Investitionsbewertung ...................................................................................... 347 3.4.6.3 Integration von Risiken in die Investitionsbewertung ................................ 353 3.4.6.4 Nicht-monetäre Investitionsbewertung......................................................... 366 3.4.6.5 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 368 3.4.6.6 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 373 3.5 Gestaltung des Berichtswesens ....................................................................... 374 3.5.1 Definition und Funktionen.............................................................................. 374 3.5.2 Berichtsarten und Berichtssysteme................................................................. 376 3.5.3 Berichtsgestaltung.............................................................................................. 377 3.5.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 379 3.5.5 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 382 3.6 Kritische Würdigung und Ausblick ................................................................ 383 Wiederholungsfragen ........................................................................................................... 384 4 Spezielle Controlling-Probleme ................................................................. 389 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling ................................................................. 389 4.1.1 Warum ein verhaltensorientiertes Controlling notwendig ist .................... 390 4.1.2 Grundlagen ......................................................................................................... 391 4.1.3 Verhaltenswirkungen am Beispiel der Budgetierung................................... 395 4.1.4 Verhaltensorientierte Gestaltung von Budgetsystemen.............................. 401 4.1.5 Umsetzung in der Unternehmenspraxis ........................................................ 403 4.1.6 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 405 4.2 Controlling und Anreizsysteme....................................................................... 406 4.2.1 Begriff, Funktionen und Anforderungen an Anreizsystemen ................... 408 4.2.2 Theorien zur Gestaltung von Anreizsystemen ............................................. 410 4.2.3 Gestaltung von Anreizsystemen ..................................................................... 412 4.2.3.1 Festlegung der Anreize ..................................................................................... 413 4.2.3.2 Festlegung der Bemessungsgrundlage ........................................................... 414 4.2.3.3 Festlegung der Anreizfunktion........................................................................ 416 4.2.3.4 Festlegung des Auszahlungsmodus ................................................................ 418 10 Inhaltsverzeichnis <?page no="11"?> 4.2.4 Integration von Risiken in Anreizsysteme .................................................... 420 4.2.5 Umsetzung in der Unternehmenspraxis........................................................ 423 4.2.6 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 426 4.3 Wertorientiertes Controlling ........................................................................... 427 4.3.1 Entstehungsursachen, Begriff und Funktionen ........................................... 429 4.3.2 Wertorientierte Kennzahlenkonzepte............................................................ 429 4.3.2.1 Grundlagen und Überblick.............................................................................. 429 4.3.2.2 DCF-Methoden ................................................................................................. 431 4.3.2.3 Economic Value Added (EVA) und ROCE-Spread................................... 438 4.3.2.4 Weitere wertorientierte Kennzahlen .............................................................. 445 4.3.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis........................................................ 450 4.3.4 Probleme und Weiterentwicklung .................................................................. 454 Wiederholungsfragen ........................................................................................................... 455 Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 457 Stichwortverzeichnis......................................................................................................... 489 Inhaltsverzeichnis 11 <?page no="13"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Anteile der Controller an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen nach Unternehmensgröße und ausgewählten Branchen ................................ 28 Abb. 2 Schritte des Entscheidungsprozesses ................................................................ 29 Abb. 3 Systematisierung von Entscheidungssituationen ............................................. 30 Abb. 4 Systematisierung von Entscheidungen anhand des Informationsstandes... 31 Abb. 5 Überblick über Ursachen von Rationalitätsdefiziten ...................................... 34 Abb. 6 Elemente einer Controlling-Konzeption .......................................................... 37 Abb. 7 Ziele und Funktionen des Controllings ............................................................ 40 Abb. 8 Beispiele für Entscheidungsunterstützung durch das Controlling ............... 41 Abb. 9 Implikationen der Unsicherheitsgrade von Entscheidungen für das Controlling ............................................................................................................. 42 Abb. 10 Grundlegende Controlling-Konzeptionen und zu Grunde liegende Publikationen ......................................................................................................... 43 Abb. 11 Anteil von Interessengruppen an der Wertschöpfung von Unternehmen . 45 Abb. 12 Aktuelle Stellenbeschreibungen im Controlling............................................... 48 Abb. 13 Fremd- und Selbstbild von Rollen ..................................................................... 49 Abb. 14 Mögliche Rollen von Controllern ...................................................................... 50 Abb. 15 Der Controller als Business Partner .................................................................. 52 Abb. 16 Situative Einflussfaktoren auf die Anforderungen an einen Controller ...... 53 Abb. 17 Zusammenhang zwischen Controller-Rolle und Kompetenzprofil ............. 54 Abb. 18 Unternehmenskulturtypologie nach Handy/ Harrison ................................... 55 Abb. 19 Quellen möglicher Rollenkonflikte des Controllers........................................ 56 Abb. 20 Übersicht über ausgewählte Studien zur Umsetzung von Controller- Rollen ...................................................................................................................... 58 Abb. 21 Rollenverständnis des Controllers...................................................................... 59 Abb. 22 Rollenbilder der Controller in der Managerwahrnehmung in 2010 ............. 60 Abb. 23 Zukunftsvision des Controllings ........................................................................ 61 Abb. 24 Entwicklung der Business Partner-Rolle........................................................... 62 Abb. 25 Kontextfaktoren des Controllings...................................................................... 65 Abb. 26 Vor- und Nachteile institutionalisierter Controller-Stellen ............................ 68 Abb. 27 Aufgaben des zentralen und dezentralen Controllings................................... 69 <?page no="14"?> 14 Abbildungsverzeichnis Abb. 28 Vor- und Nachteile der Unterstellung des dezentralen Controlling............. 71 Abb. 29 Vor- und Nachteile einer Controlling-Stabsstelle ............................................ 72 Abb. 30 Schlüsselkriterien zur Identifizierung von Aktivitäten für das Konzern- Controlling, Shared Services, Centers of Expertise oder Local Controlling ........................................................................................................................... 74 Abb. 31 Controlling-Prozessmodell 2.0............................................................................ 75 Abb. 32 Rangfolge der Zukunftsthemen des Controllings nach erwarteter Bedeutung für 2022.......................................................................................................... 77 Abb. 33 Agenda für das digitale Controlling ................................................................... 78 Abb. 34 Cluster des digitalisierten Controllings .............................................................. 79 Abb. 35 Ziele des Volkswagen-Konzerns ........................................................................ 84 Abb. 36 Übersicht Zielkategorien...................................................................................... 85 Abb. 37 Facetten der Wirtschaftlichkeit ........................................................................... 85 Abb. 38 Prozess der Zielbildung und -festlegung ........................................................... 86 Abb. 39 Motivationshöhe der Zielhöhe ........................................................................... 89 Abb. 40 Merkmale operationalisierter Ziele..................................................................... 89 Abb. 41 Vergleich zweier Investitionsalternativen.......................................................... 90 Abb. 42 Risikobegriff........................................................................................................... 91 Abb. 43 Integration von Risikozielen in die Unternehmenssteuerung........................ 93 Abb. 44 Planungsphasen ..................................................................................................... 98 Abb. 45 Funktionen der Planung....................................................................................... 99 Abb. 46 Systematisierung von Planungen ........................................................................ 99 Abb. 47 Merkmale der strategischen, taktischen und operativen Planung ............... 102 Abb. 48 Planbestandteile ................................................................................................... 103 Abb. 49 Kontrollumfang ................................................................................................... 104 Abb. 50 Funktionen der Kontrolle .................................................................................. 105 Abb. 51 Systematisierung von Kontrolle........................................................................ 105 Abb. 52 Zusammenhang zwischen Kontroll- und Vergleichsgrößen bei verschiedenen Kontrollarten ........................................................................................... 107 Abb. 53 Gestaltungsparameter von PuK-Systemen ..................................................... 110 Abb. 54 Planungs- und Kontrollinhalte einer operativen Planung ............................ 111 Abb. 55 Beispiel einer Aufgabenteilung zwischen Managern und Controllern in einem operativen Planungsprozess. ................................................................. 113 Abb. 56 Aufbau eines Planungshandbuchs.................................................................... 114 Abb. 57 Debiasing-Techniken im Überblick ................................................................. 116 <?page no="15"?> Abbildungsverzeichnis 15 Abb. 58 Verfahren zur Plankoordination und -integration ........................................ 118 Abb. 59 Systematisierungsansätze von Controlling-Instrumenten ............................ 119 Abb. 60 Abgrenzung von operativ finanzieller, operativ erfolgswirksamer und strategischer Unternehmensführung ............................................................... 120 Abb. 61 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle ................................... 121 Abb. 62 Soll-Konzept des strategischen Controllings ................................................. 122 Abb. 63 Aufgaben des strategischen Controllings ........................................................ 123 Abb. 64 Verbreitung von Strategietypen bei führenden deutschen Unternehmen. 124 Abb. 65 Merkmale der traditionellen und strategischen Kontrolle............................ 125 Abb. 66 Instrumente der strategischen Planung und Kontrolle ................................ 126 Abb. 67 SWOT-Matrix...................................................................................................... 127 Abb. 68 SWOT-Analyse eines fiktiven Beispielunternehmens .................................. 127 Abb. 69 Merkmale der Produkt-Lebenszyklus-Phasen................................................ 128 Abb. 70 Beispiele für schwache Signale.......................................................................... 128 Abb. 71 Zusammenhang zwischen der kumulierten Häufigkeit schwacher Signale und der Zahl der Handlungsmöglichkeiten .................................................... 130 Abb. 72 BCG-Portfolio..................................................................................................... 132 Abb. 73 Grundstruktur einer Wertkette ......................................................................... 133 Abb. 74 Nutzen und Probleme der Instrumente des strategischen Controllings (Quelle: In Anlehnung an Baum et al. (2013), S. 78 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 412 ff.) ................................................................................................. 134 Abb. 75 Rating und Insolvenzwahrscheinlichkeit ........................................................ 136 Abb. 76 Klassen des Risikodeckungspotenzials............................................................ 137 Abb. 77 Zusammenhang zwischen Risikotragfähigkeit, -toleranz und -appetit ...... 137 Abb. 78 Bewertung einer strategischen Handlungsoption (Fallbeispiel) .................. 139 Abb. 79 Studien zum strategischen Controlling............................................................ 139 Abb. 80 Grad der Formalisierung des Strategieprozesses ............................................. 140 Abb. 81 Mögliche Perspektiven der BSC für den DFB............................................... 143 Abb. 82 Perspektiven der BSC......................................................................................... 144 Abb. 83 Alternative Bezeichnungen der Perspektiven................................................. 144 Abb. 84 Funktionen der BSC ........................................................................................... 145 Abb. 85 Vereinfachte Ursache-Wirkungs-Kette einer BSC ........................................ 146 Abb. 86 Finanzielle Kennzahlen in Abhängigkeit von der Lebenszyklusphase ...... 148 Abb. 87 Kernziele der Kundenperspektive.................................................................... 148 Abb. 88 Kennzahlen der Kundenperspektive ............................................................... 149 <?page no="16"?> 16 Abbildungsverzeichnis Abb. 89 Das Wertkettenmodell der internen Prozessperspektive ............................. 149 Abb. 90 Rahmen für die Kernziele der Lern- und Entwicklungsperspektive .......... 150 Abb. 91 Strategische Ziele des Deutschen Fußball-Bundes........................................ 150 Abb. 92 Beispiel für einen Balanced Chance & Risk Card ............................................. 153 Abb. 93 Studien zur BSC .................................................................................................. 153 Abb. 94 Korrelation von Strategieumsetzung und Intensität der BSC-Nutzung .... 154 Abb. 95 Verbreitung der BSC-Typen.............................................................................. 154 Abb. 96 Problembereiche der BSC.................................................................................. 156 Abb. 97 Teilgebiete und Rechengrößen des Rechnungswesens ................................. 158 Abb. 98 Zusammenhang zwischen Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung ........... 160 Abb. 99 Zusammenhang zwischen Finanzrechnung, Cashflow und Kapitalflussrechnung ............................................................................................................... 161 Abb. 100 Aktiva der KTG für die GJ 2016 bis 2018 ................................................. 162 Abb. 101 Passiva der KTG für die GJ 2016 bis 2018 ................................................ 162 Abb. 102 GuV der KTG für die GJ 2016 bis 2018 .................................................... 163 Abb. 103 Verkaufsmengen an Dieselkraftstoff und Motoröl sowie Preisgerüst der KTG für die GJ 2016 bis 2018 .............................................................. 163 Abb. 104 Plan-GuV der KTG für die GJ 2019 bis 2021........................................... 164 Abb. 105 Net Working Capital-Kennzahlen der KTG Kieler Tank GmbH für die GJ 2016 bis 2018 ...................................................................................... 165 Abb. 106 Plan-Aktiva der KTG Kieler Tank GmbH für die GJ 2019 bis 2021 ... 165 Abb. 107 Plan-Passiva der KTG Kieler Tank GmbH für die GJ 2019 bis 2021 .. 166 Abb. 108 Plan-Kapitalflussrechnung der KTG Kieler Tank GmbH für die GJ 2019 bis 2021............................................................................................. 166 Abb. 109 Risikosimulation mit GuV-Daten ................................................................ 167 Abb. 110 Häufige Verteilungsformen ........................................................................... 170 Abb. 111 Vorgehensweise bei der CFaR-Ermittlung ................................................. 170 Abb. 112 Ergebnis einer Monte Carlo-Simulation des EBIT ......................................... 171 Abb. 113 Ausgewählte Studien zur integrierten Finanzbzw. Erfolgsplanung ..... 172 Abb. 114 Einsatz operativer Controllingsinstrumente in Familienunternehmen.. 172 Abb. 115 Bedeutung finanzieller Größen in der Unternehmensplanung ............... 173 Abb. 116 Anwendung von Simulationen sowie Szenariorechnungen im Planungsprozess. ............................................................................................................. 174 Abb. 117 Welche Teilpläne werden in die Ergebnisplanung integriert (Bilanz, GuV, Liquidität/ Cash Flow)? ....................................................................... 174 Abb. 118 Reifegrad in den drei Dimensionen des iCPM2 nach Best-in-Class, Durchschnitt und Nachzügler ...................................................................... 175 Abb. 119 Lösungsansätze für Planungs- und Kontrollprobleme............................. 178 <?page no="17"?> Abbildungsverzeichnis 17 Abb. 120 Kombiniertes Planungs- und Forecastingmodell der Bayer Material- Science .............................................................................................................. 180 Abb. 121 Ablauf eines rollierenden Forecasts............................................................. 181 Abb. 122 Beispiel eines rollierenden Forecasts ........................................................... 182 Abb. 123 Ablauf einer Prognose ................................................................................... 183 Abb. 124 Kriterien zur Differenzierung von Prognosen .......................................... 184 Abb. 125 Qualitative und quantitative Prognosemethoden...................................... 185 Abb. 126 Vereinfachte Trend- und Unsicherheitsanalyse......................................... 187 Abb. 127 Zukunftsszenarien für den Markt für Unterhaltungselektronik in Deutschland..................................................................................................... 187 Abb. 128 Szenario-Analyse............................................................................................. 188 Abb. 129 Basismodell naiver Forecast und naiver Forecast mit zwei Monats- Zyklus ............................................................................................................... 189 Abb. 130 Basismodellerweiterung durch mittelfristige Trendfortschreibung (Variante 2) ...................................................................................................... 191 Abb. 131 Basismodell des gleitenden Durchschnitts ................................................. 192 Abb. 132 Ausgangsdaten Regression ............................................................................ 194 Abb. 133 Einfache Regressionsgerade.......................................................................... 194 Abb. 134 Ergebnisse einer multiplen Regression ....................................................... 195 Abb. 135 Anwendungsbedingungen von Prognosemodellen .................................. 196 Abb. 136 Ausgewählte Studien zur Umsetzung des Forecasts................................. 197 Abb. 137 Methodennutzung bei Erstellung der Forecasts .......................................... 198 Abb. 138 Probleme bei der Anwendung des Forecastings ....................................... 200 Abb. 139 Advanced Analytics Prognosesystem STAR bei IBM.............................. 201 Abb. 140 Systematisierung von Budgets ...................................................................... 203 Abb. 141 Budgetfunktionen ........................................................................................... 204 Abb. 142 Zusammenhang zwischen Sach- und Formalzielplanung........................ 204 Abb. 143 Systematisierung der Budgetierung.............................................................. 205 Abb. 144 Beispielhafter Grundaufbau einer rollierenden Planung und Budgetierung ................................................................................................................... 206 Abb. 145 Budgetierungsverfahren................................................................................. 208 Abb. 146 Prozess des ZBB............................................................................................. 210 Abb. 147 Studien zur Budgetierung .............................................................................. 215 Abb. 148 Verteilung der Aufgaben zwischen Controllern und Managern ............. 216 Abb. 149 Maßnahmen des Better Budgetings ............................................................. 218 <?page no="18"?> 18 Abbildungsverzeichnis Abb. 150 Prinzipien des Beyond Budgetings............................................................... 219 Abb. 151 Budgetierungskonzepte im Vergleich .......................................................... 220 Abb. 152 Herausforderungen und Lösungsansätze der Modernen Budgetierung... 221 Abb. 153 Eignung der Budgetierungsansätze .............................................................. 222 Abb. 154 Beispiele für verschiedene Arten von Führungsinformationen .............. 228 Abb. 155 Anforderungen an die Informationsversorgung........................................ 229 Abb. 156 Informationsangebot im Spannungsfeld von Nachfrage und Bedarf.... 230 Abb. 157 Induktive Analysemethoden des Informationsbedarfs ............................ 231 Abb. 158 Deduktive Analysemethoden des Informationsbedarfs ........................... 231 Abb. 159 Zusammenhang zwischen Informationsmenge und Entscheidungsqualität............................................................................................................... 231 Abb. 160 Nutzung von Führungsinformationen ........................................................ 233 Abb. 161 Business Intelligence als Gesamtsystem...................................................... 235 Abb. 162 Bestandteile und Inhalte des externen Rechnungswesens ....................... 236 Abb. 163 Zusammenhänge zwischen der Finanzbuchhaltung und der Kosten- und Leistungsrechnung .................................................................................. 239 Abb. 164 Gegenüberstellung des externen und internen Rechnungswesens ......... 239 Abb. 165 Konzern-Bilanz der T HYSSENKRUPP AG .................................................. 240 Abb. 166 Konzern-GuV der T HYSSENKRUPP AG..................................................... 241 Abb. 167 Konzern-Kapitalflussrechnung der THYSSENKRUPP AG ........................ 242 Abb. 168 Bestandteile und Inhalte des externen Rechnungswesens ....................... 242 Abb. 169 Elevator Technology in Zahlen .................................................................... 244 Abb. 170 Hierarchie der Verlautbarungen des IASB ................................................. 246 Abb. 171 Traditionell separiertes versus partiell konvergentes Rechnungswesen. 248 Abb. 172 Vor- und Nachteile einer partiell konvergenten Rechnungslegung........ 249 Abb. 173 Schätzungen und Annahmen im Jahresabschluss, Berührungspunkte zwischen Wirtschaftsprüfer und Controller ............................................... 251 Abb. 174 Studien zur Konvergenz der externen und internen Rechnungslegung sowie zum Stellenprofil .................................................................................. 251 Abb. 175 Gründe für die organisatorische Trennung von Accounting- und Controllingbereich .......................................................................................... 252 Abb. 176 Ausprägung der Controlling- und Rechnungswesen-Organisation - 1.... 253 Abb. 177 Ausprägung der Controlling- und Rechnungswesen-Organisation - 2.... 253 Abb. 178 Merkmale von Big Data ................................................................................. 258 <?page no="19"?> Abbildungsverzeichnis 19 Abb. 179 Möglichkeiten des Big Data-Einsatzes in ausgewählten Controlling- Prozessen ......................................................................................................... 239 Abb. 180 Business Analytics-Kategorien mit Controlling-Beispielen ..................... 260 Abb. 181 Einsatzgebiete von Business Intelligence und Business Analytics ......... 261 Abb. 182 Business Analytics-Prozess ........................................................................... 262 Abb. 183 Ausgewählte Analysekategorien und Algorithmen ................................... 262 Abb. 184 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung ............................ 265 Abb. 185 Target Costing-Vorgehen im Rahmen einer projektgeführten Auftragsfertigung ........................................................................................................... 266 Abb. 186 Idealtypische Festlegung, Entstehung und Beeinflussbarkeit der Kosten im Produktlebenszyklus................................................................... 268 Abb. 187 Preisgestaltung nach der Cost-plus-Methode und der Subtraktionsmethode............................................................................................................ 268 Abb. 188 Grundverständnis des Target Costing ........................................................ 269 Abb. 189 Ablauf eines Target Costings ........................................................................ 271 Abb. 190 Ermittlung der Zielkosten ............................................................................. 271 Abb. 191 Evaluation der Verfahren zur Zielkostenermittlung.................................... 271 Abb. 192 Zielkostenkontrolldiagramm......................................................................... 275 Abb. 193 Studien zum Target Costing. ........................................................................ 276 Abb. 194 Umfang des Einsatzes von Target Costing in der Praxis nach Wettbewerbsstrategien............................................................................................ 277 Abb. 195 Einschätzung des Nutzens des Target Costings........................................ 277 Abb. 196 Zielgewichtung bei Anwendung des Target Costings .............................. 280 Abb. 197 Funktionen der Prozesskostenrechnung (PKR)........................................ 285 Abb. 198 Ablauf einer PKR ........................................................................................... 287 Abb. 199 Aufbau eines dreistufigen Prozessmodells ................................................. 288 Abb. 200 Beispiele für Kostentreiber ........................................................................... 289 Abb. 201 Kalkulationsschemata .................................................................................... 291 Abb. 202 Studien zur PKR ............................................................................................. 293 Abb. 203 Erfolgsfaktoren für den Einsatz der PKR.................................................. 294 Abb. 204 Anwendungsfelder der PKR bei E.ON ...................................................... 295 Abb. 205 Funktionen von Kennzahlen ........................................................................ 298 Abb. 206 Systematisierung von Kennzahlen ............................................................... 299 Abb. 207 Kennzahlenübersicht des Lufthansa-Konzerns ........................................ 300 Abb. 208 Traditionelle Finanzkennzahlen ................................................................... 301 <?page no="20"?> 20 Abbildungsverzeichnis Abb. 209 Cash Flow-Rechnung ..................................................................................... 303 Abb. 210 Cash Conversion Cycle .................................................................................. 304 Abb. 211 Beispiele für nicht-finanzielle Kennzahlen ................................................. 308 Abb. 212 Kennzahlensysteme versus PMS .................................................................. 310 Abb. 213 Systematisierung von Kennzahlensystemen ............................................... 311 Abb. 214 Zusammenhänge zwischen Kennzahlensystemen .................................... 312 Abb. 215 Schema zur Klassifikation von Kennzahlensystemen .............................. 312 Abb. 216 ROI-Kennzahlensystem ................................................................................ 313 Abb. 217 Werttreiberbaum auf EVA-Basis ................................................................ 314 Abb. 218 Struktur eines EFQM-Kennzahlensystems ................................................ 315 Abb. 219 Beziehungen zwischen Kennzahlen............................................................. 317 Abb. 220 Ableitung von Kennzahlensystemen .......................................................... 317 Abb. 221 Verfahren zur Entwicklung von Kennzahlensystemen............................ 319 Abb. 222 Vor- und Nachteile der Verfahren zur Ermittlung von Kennzahlenbeziehungen ..................................................................................................... 321 Abb. 223 Ableitungen von verschiedenen Kennzahlensystemen ............................ 321 Abb. 224 Beobachtungsbereiche und beispielhafte Indikatoren .............................. 324 Abb. 225 Studien zu Kennzahlen und Kennzahlensystemen ................................... 328 Abb. 226 Art und Umfang der zur Verfügung stehenden Kennzahlen .................. 328 Abb. 227 Art und Umfang der zur Verfügung stehenden Kennzahlen .................. 329 Abb. 228 CO 2 -Emissionen pro Fahrzeugkilometer über den gesamten Lebenszyklus.................................................................................................... 332 Abb. 229 Funktionen des Benchmarkings ................................................................... 333 Abb. 230 Systematisierung von Benchmarking........................................................... 333 Abb. 231 Bewertung der einzelnen Benchmarking-Arten......................................... 334 Abb. 232 Internationale Rahmenbedingungen für Elektromobilität....................... 335 Abb. 233 Ablauf eines Benchmarkings......................................................................... 337 Abb. 234 Studien zum Benchmarking .......................................................................... 341 Abb. 235 Überblick über die aktuelle Nutzung und den Trend hinsichtlich ausgewählter Controlling Instrumente ........................................................ 341 Abb. 236 Nutzungsgrad ausgewählter Controlling-Instrumente ............................. 342 Abb. 237 Phasen eines Investitionsprozesses.............................................................. 346 Abb. 238 Übersicht der Investitionsrechenverfahren (IVR)..................................... 348 Abb. 239 Statische Investitionsrechenverfahren......................................................... 350 Abb. 240 Dynamische Verfahren der IRV................................................................... 351 <?page no="21"?> Abbildungsverzeichnis 21 Abb. 241 Empfohlene Entscheidungsregel nach der Dreifach-Rechnung ............ 355 Abb. 242 Zielgrößen-Änderungsrechnung der Anlage 2 .......................................... 356 Abb. 243 Risikoprofil des Kapitalwerts........................................................................ 359 Abb. 244 Zahlenbeispiel für den Vergleich zweier Investitionsalternativen.......... 360 Abb. 245 Ergebnis des Alternativenvergleichs nach dem simulationsbasierten Verfahren ......................................................................................................... 361 Abb. 246 Entscheidungsbaum unter Unsicherheit..................................................... 362 Abb. 247 Studien zum Investitionscontrolling............................................................ 368 Abb. 248 Anwendung von Methoden zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen .................................................................................................... 368 Abb. 249 Nutzung von Investitionsrechenverfahren ................................................ 369 Abb. 250 Investitionsentscheidungsprozess bei der Deutsche Post DHL Group .. 371 Abb. 251 Übersicht der Rankings der strategischen Initiativen ............................... 372 Abb. 252 Einordnung des Berichtswesens in den IV-Prozess ................................. 374 Abb. 253 Funktionen des Berichtswesens ................................................................... 375 Abb. 254 Systematisierung von Berichten ................................................................... 375 Abb. 255 Berichtstypen ................................................................................................... 376 Abb. 256 Berichtsmerkmale ........................................................................................... 377 Abb. 257 Visualisierung betriebswirtschaftlicher Daten in grafischen Tabellen ... 378 Abb. 258 Beispiele für Elemente einer einheitlichen Notation ................................ 379 Abb. 259 Studien zum Berichtswesen .......................................................................... 379 Abb. 260 Berichtsarten in 2015 ..................................................................................... 379 Abb. 261 Intensität der verschiedenen Darstellungsarten in 2013 .......................... 380 Abb. 262 Zufriedenheit mit dem Management Reporting in Mittelwerten ........... 381 Abb. 263 Datenmanagement im Wertschaffungsprozess des IIRC ........................ 383 Abb. 264 Strategischer Planungsprozess ...................................................................... 390 Abb. 265 Systematisierung von dysfunktionalem Verhalten (Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Vanini (2007), S. 802) .................................. 392 Abb. 266 Zusammenarbeit beim Controlling-Prozess .............................................. 392 Abb. 267 Dysfunktionales Verhalten durch Budgetierung ....................................... 401 Abb. 268 Verhaltensorientierte Gestaltung der Budgetierung ................................. 403 Abb. 269 Studien zum verhaltensorientierten Controlling ....................................... 403 Abb. 270 Beobachtete Verhaltensmuster bei der Budgetierung .............................. 404 Abb. 271 Monatlicher Zeitbedarf für das Lesen der Berichte .................................. 404 <?page no="22"?> 22 Abbildungsverzeichnis Abb. 272 Ansätze für Debiasing-Techniken auf Einzel- und Gruppenebene ....... 406 Abb. 273 Gewährte Vergütungen.................................................................................. 407 Abb. 274 Zusammenhang zwischen Motiven, Anreizen und Leistung .................. 411 Abb. 275 Gestaltungsdimensionen von Anreizsystemen .......................................... 412 Abb. 276 Übersicht der Struktur des Vergütungssystems ......................................... 414 Abb. 277 Anreizfunktionen ............................................................................................ 417 Abb. 278 Beispiel für eine Bonus-Bank........................................................................ 418 Abb. 279 Übersicht Jahresbonus ................................................................................... 419 Abb. 280 Studien zur Gestaltung von Anreiz- und Vergütungssystemen .............. 423 Abb. 281 Top-Managementvergütungen im DAX und S&P 500 (Median der Nominalwerte)................................................................................................. 424 Abb. 282 Vorstandsvergütung relativ zu Erfolg und Größe im DAX (Medianwerte)................................................................................................................. 424 Abb. 283 Struktur der Vorstandsvergütung im DAX 2012 ...................................... 425 Abb. 284 Wertorientierte Kennzahlen bei Lufthansa ................................................ 428 Abb. 285 Vergleich der traditionellen und der wertorientierten Performance- Messung ............................................................................................................ 430 Abb. 286 Wertorientierte Kennzahlen.......................................................................... 431 Abb. 287 Indirekte Ermittlung des FCF ...................................................................... 433 Abb. 288 Ansätze zur Ermittlung von Beta-Faktoren für nicht-börsennotierte Unternehmen................................................................................................... 435 Abb. 289 Ermittlung des Unternehmenswerts............................................................ 435 Abb. 290 Ermittlung der Net Operating Assets (NOA) und des Net Working Capitals (NWC) ............................................................................................... 439 Abb. 291 Wertorientierte Performance 2017 .............................................................. 442 Abb. 292 Werttreiberbaum des ROCE-Spread ........................................................... 443 Abb. 293 MVA und Unternehmenswert ...................................................................... 446 Abb. 294 CFROI - Basiszahlen und Berechnungsmethode..................................... 446 Abb. 295 Empirische Untersuchungen zur Umsetzung wertorientierter Konzepte in der Praxis........................................................................................... 450 Abb. 296 Verbreitung von Spitzenkennzahlen in HDAX-Unternehmen .............. 451 Abb. 297 Bekenntnis von DAX 30-Unternehmen zur Wertorientierung im Geschäftsjahr 2016 ......................................................................................... 451 Abb. 298 Stellungnahmen ausgewählter DAX 30-Unternehmen zur wertorientierten Unternehmensführung in ihren Geschäftsberichten (Geschäftsjahr 2018)....................................................................................... 453 <?page no="23"?> Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung ABC Activity Based Costing Abs. Absatz AG Aktiengesellschaft AktG Aktiengesetz Anm. d.Verf. Anmerkung des Verfassers APT Arbitrage Pricing Theory APV Adjusted Present Value Art. Artikel Aufl. Auflage BCG Boston Consulting Group BCR Balanced Chance & Risk Card BDU Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BGBL Bundesgesetzblatt BI Business Intelligence BIB Bruttoinvestitionsbasis BilMoG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BilReG Bilanzrechtsreformgesetz BM Benchmarking BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BMG Bemessungsgrundlage BMJV Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BSC Balanced Scorecard BWL Betriebswirtschaftslehre CAPM Capital Asset Pricing Model CCC Cash Conversion Cycle CF Cash Flow CFaR Cash Flow at Risk CFROI Cash Flow Return on Investment CGU Cash Generating Unit CoE Center of Expertise CoS Center of Scale COSO Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission CPS Cyber-physische Systeme CRM Customer Relationship Management CSR Corporate Social Responsibility CVA Cash Value Added DAX Deutscher Aktienindex DB Deckungsbeitrag DCF Discounted Cash Flow DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex DFB Deutscher Fußballbund DFL Degree of Financial Leverage DIO Days Inventory Outstanding DOL Degree of Operating Leverage DPO Days Payables Outstanding DRS Deutscher Rechnungslegungsstandard DRSC Deutsches Rechnungslegungsstandard Committee <?page no="24"?> 24 Abkürzungsverzeichnis DSO Days Sales Outstanding DSR Deutscher Standardisierungsrat EACC Earnings after Cost of Capital EaR Earnings at Risk EBIT Earnings before Interest and Taxes EBITDA Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization EBT Earnings before Taxes EK Eigenkapital EMoG Elektromobilitätsgesetz EP Economic Profit ERP Enterprise Resource Planning EStG Einkommenssteuergesetz et al. Et alia/ alii/ aliae EU Europäische Union EUR Euro EVA Economic Value Added EZB Europäische Zentralbank f. folgende FCF Free Cash Flow FEK Fertigungseinzelkosten ff. fortfolgende FK Fremdkapital FMEA Failure Mode and Effects Analysis FTA Failure Tree Analysis FuE Forschung und Entwicklung GenG Genossenschaftsgesetz GJ Geschäftsjahr GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG GmbH-Gesetz GuV Gewinn- und Verlustrechnung GWA Gemeinkostenwertanalyse HGB Handelsgesetzbuch HP Hauptprozess HR Human Ressources Hrsg. Herausgeber i.d.R. in der Regel i.e.S. im engeren Sinne i.V.m. in Verbindung mit i.w.S. im weiteren Sinne IAS International Accounting Standards IASB International Accounting Standards Board ICV Internationaler Controllerverein IDW Institut der Deutschen Wirtschaftsprüfer IFRIC International Financial Reporting Standards Interpretations Committee IFRS International Financial Reporting Standards IGC International Group of Controlling IHK Industrie- und Handelskammer IIRC International Integrated Reporting Council IKS Internes Kontrollsystem IKT Informations- und Kommunikationstechnologie inkl. inklusive <?page no="25"?> Abkürzungsverzeichnis 25 IoT Internet of Things IÖV individueller öffentlicher Verkehr IRV Investitionsrechenverfahren IV Informationsversorgung Jg. Jahrgang JÜ Jahresüberschuss k.A. keine Angabe KapAEG Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz KFR Kapitalflussrechnung Kfz Kraftfahrzeug kg Kilogramm KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien KI Künstliche Intelligenz KLR Kosten- und Leistungsrechnung KMU kleine und mittlere Unternehmen KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich KPI Key Performance Indicator krp Kostenrechnungspraxis lmi leistungsmengeninduziert lmn leistungsmengenneutral LPM Lower Partial Moment LTI Long-term Incentives m Meter M&A Mergers & Acquisitions max. Maximal MDAX Mid-Cap-DAX ME Mengeneinheiten MEK Materialeinzelkosten Min. Minute MIS Management- Informationssystem MW Mittelwert N Number (Anzahl) NOA Net Operating Assets NOPAT Net Operating Profit after Taxes NOPBT Net Operating Profit before Taxes NOPLAT Net Operating Profit less Adapted Taxes NPE Nationale Plattform Elektromobilität Nr. Nummer NWA Nutzwertanalyse NWC Net Working Capital o.g. oben genannt OLAP Online Analytical Processing ÖPV Öffentlicher Personenverkehr P Preis p.a. per anno PD Probability of Default PIMS Profit Impact of Market Strategy PKR Prozesskostenrechnung PMS Performance Measurement System PoC Percentage of Completion <?page no="26"?> 26 Abkürzungsverzeichnis PS Prüfungsstandard PuK Planungs- und Kontroll- RAROC Risk-adjusted Return on Capital RA- RORAC Risk-adjusted Return on Risk-adjusted Capital RM Risikomanagement RMS Risikomanagementsystem ROA Return on Assets ROCE Return on Capital- Employed ROE Return on Equity ROI Return on Investment RORAC Return on Risk-adjusted Capital ROS Return on Sales RW Rechnungswesen S&P Standard & Poors S. Seite SCM Supply Chain Management SGE Strategische Geschäftseinheit SOA Sarbanes-Oxley-Act SPV Schienenpersonenverkehr SSC Shared Service Center STAB Standardabweichung STAR Statistical Tracking and Assessment of Revenues STI Short-term Incentives SVA Shareholder Value Added SWOT Strengths-Weaknesses- Opportunities-Threats T Tätigkeit t Time TN Teilnutzen TP Teilprozess Trans- PuG Transparenz- und Publizitätsgesetz Tsd. Tausend Tz. Textziffer U Umsatz USD US-Dollar US- GAAP United States Generally Accepted Accounting Principles VAK Vollzeit-Arbeitskraft VaR Value at Risk VDA Verband der deutschen Automobilindustrie vgl. vergleiche VorstAG Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung VWL Volkswirtschaftslehre WACC Weighted Average Costs of Capital WCM Working Capital Management WISU Wirtschaftsstudium z.B. zum Beispiel ZBB Zero-Based-Budgeting ZE Zeiteinheiten zfcm Zeitschrift für Controlling und Management ZGE Zahlungsmittelgeneriende Einheit ZKI Zielkostenindex <?page no="27"?> 1 Grundlagen des Controllings 1.1 Managemententscheidungen als Grundlage des Controllings Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie wesentliche Merkmale von Managemententscheidungen benennen und erläutern, die Prozessrationalität als Gütemaß für die Qualität von Managemententscheidungen von der Ergebnisrationalität abgrenzen, mögliche Ursachen für die Einschränkung der Rationalität von Managemententscheidungen erklären und daraus einen Unterstützungsbedarf für Managemententscheidungen durch das Controlling ableiten. Einstiegsfall: Notwendigkeit und Aufgaben des Controllings Nachdem Sie die grundlegenden Vorlesungen Ihres BWL-Studiums absolviert haben, müssen Sie sich für einen Studienschwerpunkt entscheiden. Dabei stoßen Sie auch auf das Fach Controlling. Sie erfahren, dass Controlling mit Steuerung übersetzt werden kann und dass Controller für alle betrieblichen Funktionen und in allen Branchen gesucht werden. Fragen - Doch was ist Controlling? - Warum ist Controlling in vielen Unternehmen und Organisationen notwendig? - Welche Aufgaben und Rollen übernimmt ein Controller in der Praxis? - Was ist unter Controlling als Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre zu verstehen? - Inwieweit wird sich das Aufgabenspektrum des Controllers zukünftig verändern? Controlling ist in der Unternehmenspraxis entstanden. Es wird geschätzt, dass in Deutschland knapp 70.000 sozialversicherungspflichtige Controller beschäftigt sind. Dabei ist die durchschnittliche Zahl der Controller je Unternehmen fast durchgängig <?page no="28"?> 28 1 Grundlagen des Controllings gestiegen. 1 Abbildung 1 ist zu entnehmen, dass vor allem größere Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe, dem Finanz- und dem Dienstleistungssektor Controller einsetzen. davon Betrieb mit … sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt < 50 Beschäftigte 50-249 Beschäftigte 250-499 Beschäftigte 500-999 Beschäftigte 1.000- 4.999 Beschäftigte 5.000 und mehr Beschäftigte insgesamt 0,34% 0,15% 0,37% 0,50% 0,53% 0,58% 0,71% Verarbeitendes Gewerbe 0,57% 0,18% 0,51% 0,64% 0,76% 0,85% 0,88% Banken und Versicherungen 0,57% 0,39% 0,53% 0,47% 0,62% 0,83% 0,83% Wirtschaftliche Dienstleistungen 0,47% 0,32% 0,48% 0,59% 0,59% 0,95% 0,95% Verkehr und Lagerei 0,27% 0,10% 0,25% 0,42% 0,46% 0,61% 0,58% Handel 0,21% 0,10% 0,31% 0,42% 0,69% 0,44% - Öffentliche Verwaltung, Sozialversicherung etc. 0,13% 0,06% 0,13% 0,17% 0,11% 0,15% 0,15% Gesundheits- und Sozialwesen 0,12% 0,03% 0,08% 0,23% 0,21% 0,26% 0,19% Abb. 1: Anteile der Controller 2 an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen nach Unternehmensgröße und ausgewählten Branchen (Quelle: Grunwald-Delitz et al. (2014), S. 51) Während in deutschen Unternehmen seit den fünfziger Jahren Controller-Stellen eingerichtet wurden, setzte sich Controlling als akademische Disziplin erst seit den achtziger Jahren an deutschen Hochschulen durch, was die Zahl der Controlling- Lehrstühle, die Würdigung des Fachgebiets durch die Wissenschaft sowie die Zahl von Publikationen zum Controlling zeigen. Allerdings sind Begriff, Problemstellung, Inhalte und das theoretische Fundament des Controllings bis heute umstritten. Einige Autoren sprechen dem Controlling sogar eine eigenständige Funktion ab. Für sie ist es entweder nur eine moderne Bezeichnung für Teile des internen Rechnungswesens oder ein Oberbegriff für Planung, Kontrolle und Information. Andererseits gibt es zahlreiche Controlling-Konzeptionen, die unterstreichen, dass es sich beim Controlling um eine betriebswirtschaftliche Teildisziplin handelt. 3 1 Vgl. Grunwald-Delitz et al. (2014), S. 49; Schäffer/ Weber (2015), S. 110. 2 Inklusive Kostenrechnern und anteiliger Hinzurechnung der Leiter Finanzen. 3 Vgl. Hahn (1997), S. 31 ff.; Ahn (1999), S. 109 ff.; Weißenberger (2002), S. 389 ff.; Binder/ Schäffer (2005), S. 607 f.; Wagenhofer (2006), S. 1 ff.; Küpper (2007), S. 738 ff.; Wall (2008), S. 479 ff.; Vanini (2013), S. 28 ff. <?page no="29"?> 1.1 Managemententscheidungen als Grundlage des Controllings 29 Trotz der uneinheitlichen Begriffsbestimmung besteht jedoch Übereinstimmung, dass Controlling in engem Zusammenhang mit der Unternehmensführung steht. Unternehmensführung bezeichnet die Steuerung, Koordination und Überwachung der Mitarbeiter einer Organisation durch Führungskräfte, um die Ziele der Organisation zu erreichen. Zu den Führungsfunktionen gehören somit die Planung, Entscheidung, Aufgabenübertragung und Kontrolle, wodurch das Verhalten der Mitarbeiter in eine bestimmte Richtung gelenkt und ein zielgerichteter Ablauf von Unternehmensprozessen möglich gemacht werden. Planung und Entscheidung gehören zur Willensbildung von Managern, Aufgabenübertragung und Kontrolle zur Willensdurchsetzung. 4 Führung ist also das Ergebnis der Willensbildung und -durchsetzung, sie wird von Führungskräften ausgeübt. Diese werden auch als Manager bezeichnet und sind unterschiedlichen Hierarchieebenen einer Organisation zugeordnet. So unterscheidet man zwischen unterem Management, z.B. Teamleitern, mittlerem Management, z.B. Niederlassungsleitern, und Top-Management, z.B. dem Vorstand. Das untere Management führt Mitarbeiter mit überwiegend ausführenden Tätigkeiten z.B. in der Produktion oder im Vertrieb und wird seinerseits durch mittlere Führungskräfte geführt, die wiederum dem Top-Management unterstellt sind. 5 Treffen und Umsetzen von Entscheidungen gehören somit zu den zentralen Aufgaben eines Managers. Typische Managemententscheidungen sind die Auswahl strategischer Geschäftsfelder und die Ableitung von Strategien, die Festlegung von Preis- oder Mengenänderungen bereits existierender Produkte und Dienstleistungen oder die Durchführung und Finanzierung von Investitions- oder Innovationsprojekten. Diese Managemententscheidungen sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet: 6 Managemententscheidungen sind eher als Prozesse denn als singuläre Ereignisse zu verstehen, d.h. sie beruhen auf einer Abfolge von aufeinander folgenden Schritten (vgl. Abb. 2). Abb. 2: Schritte des Entscheidungsprozesses 4 Vgl. Link (2002), S. 606 ff.; Robbins et al. (2014), S. 27 f. Die Begriffe Führung und Management sowie Unternehmensleitung und Top-Management werden synonym verwendet. 5 Vgl. Robbins et al. (2014), S. 24 f. 6 Vgl. Eisenführ et al. (2010), S. 2 ff. <?page no="30"?> 30 1 Grundlagen des Controllings Bei der Problemanalyse werden das Entscheidungsproblem sowie mögliche Einflussfaktoren und Restriktionen, die zur Lösung des Problems zur Verfügung stehenden Alternativen und die für die Bewertung benötigten Informationen untersucht und das Entscheidungsproblem in Bezug auf die genannten Aspekte grundsätzlich strukturiert. Anschließend werden in der Phase der Zielfestlegung die relevanten Entscheidungskriterien aus den Unternehmenszielen abgeleitet. Danach werden notwendige Informationen zur Alternativenbewertung beschafft, z.B. aus den Systemen des betrieblichen Rechnungswesens oder anderen internen oder externen Informationsquellen. Anhand der Informationen werden die Alternativen auf ihre Erfüllung der Entscheidungskriterien bewertet, bevor die Alternative mit dem höchsten Zielerreichungsbeitrag ausgewählt und umgesetzt wird. Die Zielerreichung muss während und nach Abschluss des Umsetzungsprozesses kontrolliert werden. Managemententscheidungen sind häufig durch zahlreiche interne und externe Faktoren beeinflusst. Bei den externen Einflussfaktoren, z.B. der Nachfrage auf einem relevanten Markt oder der Entwicklung von Rohstoffpreisen, wird auch von der Unternehmensumwelt gesprochen. Die internen Einflussfaktoren resultieren aus Abhängigkeiten der Unternehmensbereiche, z.B. wird der Kauf einer Produktionsanlage u.a. durch die geplante Produktionsmenge und die wiederum durch die prognostizierte Absatzmenge beeinflusst. Die Zahl der Einflussfaktoren bestimmt die Komplexität von Managemententscheidungen. Es besteht eine hohe Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung vieler Einflussfaktoren sowie deren Auswirkungen auf die Unternehmensziele. Zudem sind die Informationen über die Einflussfaktoren und mögliche Entscheidungsalternativen häufig unvollständig. In Bezug auf die Informationsbeschaffung über die Einflussfaktoren sowie die Alternativen werden Entscheidungen unter Sicherheit, Risiko und Ungewissheit unterschieden (vgl. Abb. 3). Abb. 3: Systematisierung von Entscheidungssituationen Bei Entscheidungen unter Sicherheit sind sowohl die zukünftigen Umweltentwicklungen, die zur Verfügung stehenden Alternativen wie auch deren Auswirkungen auf die Unternehmensziele vollständig bekannt. Die Entscheidung kann dann <?page no="31"?> 1.1 Managemententscheidungen als Grundlage des Controllings 31 als Optimierungsproblem aufgefasst werden, bei der aus der Menge aller Alternativen diejenige mit dem höchsten Zielerreichungsgrad ausgewählt wird. In der Unternehmenspraxis sind Entscheidungen unter Sicherheit sehr selten. Entscheidungen unter Unsicherheit lassen sich in Entscheidungen unter Risiko und Entscheidungen unter Ungewissheit aufteilen. Die Unsicherheit kann sich dabei sowohl auf die zukünftige Entwicklung der relevanten Einflussfaktoren als auch auf die Abschätzung der Konsequenzen einer Alternativen auf die Unternehmensziele beziehen. Beispielsweise ist unsicher, welche Auswirkungen eine geplante Marketing-Kampagne auf die Nachfrage nach einem Produkt haben wird. Bei Entscheidungen unter Risiko sind alle möglichen Entwicklungen der Einflussfaktoren sowie die Auswirkungen der Alternativen auf die Entscheidungsziele grundsätzlich bekannt und es können Eintrittswahrscheinlichkeiten für alle Szenarien benannt werden. Bei Entscheidungen unter Ungewissheit liegen dagegen unvollständige Informationen über die Einflussfaktoren sowie über die Alternativen und ihre Zielwirkungen vor. Insbesondere sind nicht alle relevanten Einflussfaktoren und alle Alternativen bekannt und es können keine Eintrittswahrscheinlichkeiten benannt werden. 7 Zu den Entscheidungen unter Ungewissheit gehören z.B. die Standortauswahl einer neuen Produktionsstätte oder die Auswahl von Innovationsprojekten. Insgesamt lassen sich Entscheidungssituationen in Unternehmen somit wie folgt charakterisieren: Informationsstand bezüglich Konsequenzen von Entscheidungen Sicherheit Risiko Ungewissheit Zukünftige Entwicklung der Umweltfaktoren Sicherheit Sicherheit Risiko Ungewissheit Risiko Risiko Risiko Ungewissheit Ungewissheit Ungewissheit Ungewissheit Ungewissheit Abb. 4: Systematisierung von Entscheidungen anhand des Informationsstandes (Quelle: In starker Anlehnung an Bamberg et al. (2012), S. 24) Insgesamt lassen sich Managemententscheidungen nach ihrem Komplexitätsgrad in wohl-strukturierte und schlecht-strukturierte Entscheidungen und nach ihrem Neuigkeitsgrad in Routineentscheidungen und innovative Entscheidungen unterscheiden. Wohl-strukturierte Entscheidungen beziehen sich auf eine eingeschränkte und klar definierte Menge von Handlungsalternativen. Auch die Zahl der relevanten Einflussfaktoren ist begrenzt. Zudem gibt es eindeutige Informationen über ihre Folgewirkungen und klar definierte Entscheidungsziele und Lösungsalgorithmen für die Bestimmung der Vorteilhaftigkeit der Alternativen. Bei schlecht-strukturierten Entscheidungen sind diese Merkmale nicht erfüllt. Routineentscheidungen müssen häufig von Managern getroffen werden, während inno- 7 Vgl. Eisenführ et al. (2010), S. 23 ff. <?page no="32"?> 32 1 Grundlagen des Controllings vative Entscheidungen stets einen gewissen Neuigkeitsgrad aufweisen. Bei innovativen Entscheidungen kann ein Manager somit nicht oder nur sehr eingeschränkt auf sein Erfahrungswissen zurückgreifen. 8 Nach ihrem Zeithorizont lassen sich strategische, taktische und operative Managemententscheidungen voneinander abgrenzen. Strategische Entscheidungen beziehen sich i.d.R. auf eher qualitative Zielgrößen wie zukünftige Erfolgspotenziale, Geschäftsfelder oder Produktbzw. Markstrategien. Sie haben einen langfristigen Charakter und sind gesamtunternehmensbezogen. Darüber hinaus sind sie durch eine hohe Komplexität und einen großen Neuigkeitsgrad sowie ein hohes Maß an Ungewissheit gekennzeichnet. Taktische Managemententscheidungen dienen der Umsetzung strategischer Entscheidungen. Sie sind eher mittelfristig, d.h. auf einen Zeithorizont von zwei bis drei Jahren, ausgelegt und beziehen sich z.B. auf das quantitative und qualitative Produktionsprogramm, das Investitions- und Finanzierungsprogramm sowie die Planung der Personalausstattung eines Unternehmens. Taktische Entscheidungen sind ebenfalls durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet, aufgrund des kürzeren Zeithorizonts und des vorhandenen Erfahrungswissens der Manager lassen sich ihre Einflussfaktoren und Auswirkungen aber eher quantifizieren, so dass der Anteil von Entscheidungssituationen unter Risiko zunimmt. Operative Entscheidungen beziehen sich i.d.R. auf einen Zeithorizont von max. einem Jahr. Sie überführen die durch die strategische und taktische Planung festgelegten Zielgrößen in konkrete Maßnahmen, z.B. in die Festlegung von Losgrößen für die Produktion oder eine konkrete Personaleinsatzplanung. Operative Managemententscheidungen weisen einen eher repetitiven Charakter auf. Es handelt sich somit um Routineentscheidungen, die aufgrund ihres kurzen Zeithorizonts ein hohes Maß an Sicherheit aufweisen. Strategische Entscheidungen werden vom Top-Management, taktische Entscheidungen vom mittleren Management und operative Entscheidungen vom unteren Management getroffen. 9 Managemententscheidungen müssen oft unter Zeitdruck gefällt werden. Dies stellt je nach Zahl der Einflussfaktoren, der Unsicherheit über deren Entwicklung, der Zahl der Alternativen und Menge der relevanten Informationen sehr hohe Anforderungen an die Informationsverarbeitungskapazität von Managern. Zum Nachdenken! Sammeln Sie Beispiele für Managemententscheidungen unter Sicherheit, unter Risiko und unter Ungewissheit sowie für strategische, taktische und operative Entscheidungen. Sind diese eher schlecht- oder wohl-strukturiert, innovativ oder mit Routine-Charakter? Welche Entscheidungen sind Ihrer Meinung nach die schwierigsten? Welche Entscheidungen sind die häufigsten in der Unternehmenspraxis? Begründen Sie Ihre Einschätzungen. 8 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 16 f. 9 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 136 ff. <?page no="33"?> 1.1 Managemententscheidungen als Grundlage des Controllings 33 Nachdem wir wesentliche Merkmale von Managemententscheidungen diskutiert haben, geht es im Folgenden um die Frage, woran die Qualität von Managemententscheidungen festgemacht werden kann. Generell lässt sich die Anforderung der Rationalität von Managemententscheidungen gut begründen. Allerdings ist der Begriff der Rationalität nicht eindeutig definiert. Zum einen kann zwischen der Rationalität als persönliche Eigenschaft von Entscheidern und der Rationalität von Prozessen unterschieden werden. Klassische ökonomische Theorien gehen vom Menschenbild des Homo oeconomicus und damit einer vollständigen persönlichen Rationalität von Entscheidern aus. Diese Annahme impliziert jedoch u.a. eine vollständige Information sowie eine unbegrenzte Informationsverarbeitungskapazität von Entscheidern, die sich zudem über ihre Präferenzen im Klaren sind und durch ihre Entscheidungen eine Nutzenmaximierung anstreben. 10 Insbesondere aufgrund der begrenzten menschlichen Informationsverarbeitungskapazitäten, Abweichungen von dem Ziel einer rein egoistischen Nutzenmaximierung und unklaren Präferenzen ist in der Realität eher von einer begrenzten persönlichen Rationalität (bounded rationality) von Entscheidern auszugehen. 11 Darüber hinaus kann die Anforderung der Rationalität auch an den Entscheidungsprozess selbst gestellt werden. Rationale Entscheidungen sind dann Entscheidungen, die in größtmöglichem Umfang zur Erreichung der Entscheidungsziele beitragen. Hierbei wird zwischen der Ergebnis- und der Prozessrationalität unterschieden. Die Ergebnisrationalität lässt sich erst ex-post am tatsächlichen Zielerreichungsbeitrag einer Entscheidung festmachen und ist daher als Gütekriterium für die Qualität von Entscheidungen ungeeignet. Zudem ist der Zielerreichungsbeitrag durch zahlreiche externe und interne Faktoren beeinflusst, die nicht durch den Entscheider zu verantworten sind und die daher die Bewertung der Ergebnisrationalität verzerren. Prozessrationalität ist dagegen gegeben, wenn der Entscheider für ein Problem geeignete Entscheidungskriterien auswählt, über angemessene und konsistente Informationen zur Entscheidungsunterstützung verfügt, diese korrekt zur Alternativenbewertung einsetzt und auf der Grundlage eine geeignete Alternative auswählt. Die Konsistenz der Entscheidungsgrundlagen umfasst z.B. das Vorliegen widerspruchsfreier Prämissen oder die Unabhängigkeit einer Entscheidung von irrelevanten Alternativen. 12 Die Prozessrationalität lässt sich auch als Zweck-Mittel-Rationalität interpretieren, d.h. für ein Entscheidungsziel (Zweck) werden die geeigneten Entscheidungskriterien, Informationen und Bewertungsmodelle verwendet und die richtigen Schlüsse daraus gezogen (Mittel). Der Einsatz der richtigen Mittel wird auch als Effektivität bezeichnet, zudem muss für eine Zweck-Mittel-Rationalität die Effizienz erfüllt sein. 13 Sie ist damit ein geeignetes Kriterium für die Qualität von Managemententscheidungen. Beide Rationalitätskonzepte sind nicht unabhängig voneinander. Beispielsweise können Entscheider mit begrenzter persönlicher Rationalität versuchen, die Komplexität des Entscheidungsprozesses durch erfahrungsbasierte Heuristiken zu reduzieren. 10 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 41. 11 Vgl. Simon (1955), S. 99 ff.; Simon (2000), S. 25 ff. 12 Vgl. Eisenführ et al. (2010), S. 4 ff. 13 Vgl. Schäffer/ Weber (2004), S. 462. <?page no="34"?> 34 1 Grundlagen des Controllings Der Einsatz derartiger Heuristiken ist insbesondere der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität von Entscheidern geschuldet. Dabei kann es zu prozessualen Rationalitätsverzerrungen kommen, die die Prozessrationalität beeinträchtigen. 14 Die folgende Abbildung systematisiert mögliche Ursachen von Rationalitätsdefiziten von Entscheidern. Abb. 5: Überblick über Ursachen von Rationalitätsdefiziten (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 51) Kognitive Verzerrungen umfassen systematische aber häufig unbewusste Verhaltensweisen bei der Informationsverarbeitung. So zeigen psychologische und wirtschaftliche Studien, dass Manager zur Selbstüberschätzung neigen (selbstbezogene Verzerrungen), Entscheidungsprobleme häufig zu stark vereinfachen (vereinfachungsinduzierte Verzerrungen) oder Informationen in Abhängigkeit von ihrer Aufbereitung interpretieren (Wahrnehmungsverzerrungen). Kognitive Verzerrungen sind auf die Verwendung von Heuristiken zurückzuführen. Heuristiken sind Regeln zur Vereinfachung der Auswertung von Informationen. So besagt beispielsweise die Repräsentativitätsheuristik, dass Individuen bei der Auswertung von Informationen auf bekannte Stereotypen zurückgreifen und damit Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten bestimmter Ereignisse nicht richtig einschätzen können. 15 Ein typisches Beispiel für eine kognitive Verzerrung ist die Verlusteskalation bei Investitionsprojekten. Werden bei Kontrollen größere Soll-Ist-Abweichungen eines geplanten Investitionsprojektes festgestellt, sollte der Controller eine Neubewertung des Projektes durchführen und bei negativer Bewertung, z.B. einem negativen Kapitalwert, auf einen Projektabbruch drängen, anstatt das Projekt durch entsprechende Annahmen 14 Vgl. Gänßlen et al. (2013). Für eine Übersicht über von der Erwartungsnutzentheorie abweichendes Entscheidungsverhalten vgl. Eisenführ et al. (2010), S. 393 ff. 15 Für einen Überblick über häufig verwendete Heuristiken vgl. Christmann-Schwaab (2018), S. 69 f. Pioniere der wissenschaftlichen Untersuchung von Heuristiken und ihres Einflusses auf Entscheidungen sind Amos Tversky und Daniel Kahneman. Vgl. Tversky/ Kahneman (1974) sowie Tversky/ Kahneman (1986). <?page no="35"?> 1.1 Managemententscheidungen als Grundlage des Controllings 35 „schönzurechnen“. 16 Als ein weiteres Beispiel werden Verfügbarkeitsheuristiken genannt. So schätzen Menschen die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses umso höher ein, je häufiger sie es in der Vergangenheit beobachtet haben, ohne dabei aktuelle Einflüsse einzubeziehen. 17 Kognitive Verzerrungen können durch Könnensdefizite, opportunistisches Verhalten sowie Emotionen verursacht werden. Könnensdefizite resultieren aus begrenztem Wissen oder unzureichenden kognitiven Fähigkeiten. Ist beispielsweise ein Manager nicht mit dem Konzept des Kapitalwertes vertraut, kann er diesen nicht zur Vorteilhaftigkeitsbewertung einer Investition verwenden. Greift er stattdessen auf statische Entscheidungskriterien wie die Investitionskosten zurück, kann dies zu Fehlentscheidungen führen, da die zeitliche Struktur der Cash Flows verschiedener Investitionsalternativen nicht berücksichtigt wird. Könnensdefizite werden durch zusätzliche Informationen sowie Schulungen und Trainings reduziert. 18 Opportunistisches Verhalten von Managern resultiert aus Abweichungen zwischen ihren persönlichen Zielen und den Unternehmenszielen sowie aus Informationsasymmetrien. Aufgrund einer arbeitsteiligen Unternehmensführung zwischen Top- Management, mittlerem und unterem Management benötigt die jeweils übergeordnete Führungsebene Informationen über die Leistungen und die Zielerreichung der nachgeordneten Ebenen. Dies ist nicht immer unproblematisch, da die untergeordneten Manager über einen Informationsvorsprung verfügen. Die Prinzipal Agenten- Theorie spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Informationsasymmetrie zwischen dem Management und den untergeordneten Hierarchieebenen. 19 Diese können hierarchietiefere Manager ausnutzen, um ihre eigenen Ziele zu maximieren. Während die oberste Führungsebene in mittelständischen Unternehmen beispielsweise nach einer langfristigen Gewinnmaximierung strebt, möchten einzelne Bereichs- und Abteilungsleiter persönliche Ziele, wie Gehaltsverbesserungen oder die Minimierung ihrer Arbeitszeit, erreichen. Dies kann zu Interessenkonflikten zwischen der Unternehmensleitung und dem Management sowie opportunistischem Verhalten der Manager auf einer niedrigeren Hierarchiestufe führen. Die Delegation von Führungsaufgaben und die damit verbundene Arbeitsteilung erfordern somit die Ausrichtung der Ziele der dezentralen Unternehmensbereiche an den Unternehmenszielen und die Begrenzung von opportunistischem Verhalten z.B. durch betriebliche Anreizsysteme. 20 Außerdem können Manager durch ihre Emotionen beeinflusst werden und bestimmte Informationen nicht richtig wahrnehmen, erinnern oder verarbeiten. 16 Vgl. Schäffer/ Weber (2016b), S. 8 ff, Weber/ Schäffer (2016), S. 50 ff. 17 Vgl. Schäffer/ Weber (2016), S. 51 ff. Vgl. auch Weber/ Riesenhuber (2002), S. 17 ff., die einen Überblick über weitere Entscheidungsheuristiken geben. 18 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 54 ff. 19 Vgl. Wall (2008), S. 468. Zur Prinzipal-Agenten-Theorie vgl. Jensen/ Meckling (1976). 20 Vgl. Link (2002), S. 607; Wall (2008), S. 466; Küpper et al. (2013), S. 84 ff. <?page no="36"?> 36 1 Grundlagen des Controllings Zusammenfassung Insbesondere schlecht-strukturierte, innovative und unsichere Managemententscheidungen weisen eine hohe Komplexität auf. Hier besteht die Gefahr, dass es aufgrund der begrenzten kognitiven Fähigkeiten sowie der Eigennutzmaximierung von Managern zu Beeinträchtigungen der Prozessrationalität kommt. Eine geringere Prozessrationalität führt zu einer geringen Qualität der Entscheidungen und dadurch zu einer schlechteren Erreichung der Unternehmensziele. Zur Sicherstellung der Prozessrationalität und zur Begrenzung von opportunistischem Verhalten benötigen Manager eine spezifische Führungsunterstützung, die die Rationalität von Managemententscheidungen, z.B. durch die Strukturierung eines Entscheidungsproblems oder durch Bereitstellung geeigneter Informationen, unterstützt. 1.2 Entscheidungsorientierte Controlling-Konzeption Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie den Begriff der Controlling-Konzeption erläutern, die wesentlichen Merkmale einer entscheidungsorientierte Controlling- Konzeption herleiten, Implikationen aus der Unsicherheit von Entscheidungen für das Controlling ableiten, wesentliche Controlling-Funktionen sowie Aufgabengebiete erklären und Beispiele für die einzelnen Aufgabengebiete benennen sowie weitere Controlling-Konzeptionen der Wissenschaft anhand ihrer dominanten Funktion voneinander und von der entscheidungsorientierten Controlling-Konzeption abgrenzen. 1.2.1 Begriffsabgrenzung und Anforderungen Eine Controlling-Konzeption beschreibt die spezifische Problemstellung des Controllings. Sie legt die Ziele, Funktionen, Organisation und Instrumente des Controllings fest und stellt somit einen Bezugsrahmen für die praktische Umsetzung des Controllings sowie die Forschung dar. 21 21 Vgl. auch im Folgenden Berens/ Bertelsmann (2002), S. 282, Pietsch/ Scherm (2004), S. 925, Reichmann et al. (2017), S. 2 ff. <?page no="37"?> 1.2 Entscheidungsorientierte Controlling-Konzeption 37 Element Beschreibung Controlling-Ziele Welche direkten und indirekten Ziele verfolgt das Controlling? Controlling- Funktionen Welche übergeordneten Aufgaben hat das Controlling? Controlling- Organisation Wie ist das Controlling aufbau- und ablauforganisatorisch eingebunden? Wer übernimmt die Controlling-Funktion? (Controlling-Subjekte) Was ist Gegenstand des Controllings? (Controlling-Objekte) Controlling- Instrumente Welche Methoden und Modelle werden zur Erfüllung der Controlling-Aufgaben eingesetzt? Abb. 6: Elemente einer Controlling-Konzeption Es gibt direkte und indirekte Controlling-Ziele. Direkte Controlling-Ziele geben vor, welche Controlling-Leistungen angeboten werden sollen. Indirekte Controlling- Ziele werden aus den übergeordneten monetären Unternehmenszielen, z.B. dem Gewinn, abgeleitet. Das Controlling kann aufgrund seines fehlenden Marktbezugs i.d.R. nur mittelbar (indirekt) zur Erfüllung dieser Ziele beitragen. 22 Controlling- Funktionen fassen die Aufgaben des Controllings zusammen. Die Controlling-Organisation legt die Controlling-Subjekte, die Controlling- Objekte sowie die Controlling-Prozesse fest. Controlling-Subjekte sind die für die Controlling-Funktion verantwortlichen Mitarbeiter. Dabei muss nicht zwangsläufig eine eigene Stelle oder Organisationseinheit für das Controlling eingerichtet werden. So wird das Controlling in kleinen Unternehmen häufig von der Geschäftsleitung selbst übernommen. Zudem kann aus der Existenz einer Controlling-Abteilung nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass die von der Abteilung übernommenen Aufgaben die Controlling-Funktion abschließend abgrenzen. Controlling-Objekte bezeichnen den Gegenstand des Controllings, z.B. Produkte, Dienstleistungen, Prozesse, Projekte oder Organisationseinheiten. Abläufe im Controlling sind in Controlling-Prozessen organisiert Controlling-Instrumente sind methodische und technische Hilfsmittel zur Erfüllung der Controlling-Funktionen. Zu den Instrumenten zählen Bewertungsmethoden z.B. Nutzwert- oder Sensitivitätsanalysen, und Modelle zur Strukturierung eines Controlling-Objekts, z.B. Kennzahlensysteme. Die technischen Hilfsmittel umfassen die im Controlling verwendete Hard- und Software. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung des Controllings gewinnt die Frage der optimalen IT-Unterstützung an Bedeutung. 23 Die kritische Diskussion einzelner Controlling-Konzeptionen erfordert spezifische Gütekriterien. Küpper formuliert drei Anforderungen an eine Controlling- Konzeption: 24 22 Vgl. Berens/ Bertelsmann (2002), S. 282 ff. 23 Zur Relevanz der Digitalisierung für das Controlling vgl. Abschnitt 1.5 und 3.3. 24 Vgl. Küpper (2004), S. 25 f.; Küpper et al. (2013), S. 10 f. <?page no="38"?> 38 1 Grundlagen des Controllings Die Controlling-Konzeption weist eine eigenständige und abgrenzbare Problemstellung auf und fasst nicht nur Funktionen und Aufgaben anderer Bereiche zusammen. Zudem wird die Problemstellung des Controllings von keiner anderen betriebswirtschaftlichen Teildisziplin bearbeitet. Darüber hinaus müssen sich Fragestellungen und Aufgaben des Controllings auf einen zusammenhängenden Problembereich zurückführen lassen und gemeinsame konstituierende Merkmale aufweisen. Das Controlling-Verständnis muss theoretisch fundiert sein und auf wissenschaftlichen Ansätzen basieren. So können beispielsweise Lösungen für praktische Controlling-Probleme aus betriebswirtschaftlichen Theorien abgeleitet werden. Zudem muss die Controlling-Forschung zur Weiterentwicklung betriebswirtschaftlicher Theorien beitragen: „Eine Verankerung in der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft ist nur dann erreichbar, wenn für ihre Problemstellung theoretische Ansätze entwickelt werden, mit denen man über eine einfache Beschreibung von Problemen, empirischen Tatbeständen und Instrumenten hinauskommt.“ 25 Zudem muss eine Controlling-Konzeption zweckmäßig und in der Praxis umsetzbar bzw. umgesetzt sein. Eine Controlling-Konzeption muss also die praktische Umsetzung der Controlling-Funktion erklären können. Zusammenfassung Eine Controlling-Konzeption ist ein inhaltlich-strukturierender Bezugsrahmen und besteht aus den Elementen Controlling-Ziele, Controlling- Funktionen, Controlling-Organisation und Controlling-Instrumente. Eine Controlling-Konzeption muss eine eigenständige und abgrenzbare Problemstellung aufweisen, theoretisch fundiert und in der Praxis umsetzbar sein. 1.2.2 Herleitung einer entscheidungsorientierten Controlling-Konzeption Im ersten Abschnitt haben wir gezeigt, dass die Rationalität von Managern begrenzt und damit die Prozessrationalität von Managemententscheidungen nicht immer gewährleistet ist. In diesem Abschnitt entwickeln wir auf der Grundlage der rationalitätsorientierten Controlling-Konzeption von W EBER und S CHÄFFER (1999) unser entscheidungsorientiertes Controlling-Verständnis. Die persönliche Rationalität von Entscheidern lässt sich nur eingeschränkt verbessern, z.B. können Informationsverarbeitungskapazitäten von Managern durch Schulungen und Trainings in gewissem Umfang erweitert werden. Vorrangige Aufgabe des Controllings ist daher die Sicherstellung bzw. Verbesserung der Prozessrationalität von Managemententscheidungen. Prozessrationalität verstehen wir wie W EBER und S CHÄFFER als Zweck-Mittel-Rationalität, d.h. für ein Entscheidungsziel werden geeignete Entscheidungsziele ausgewählt, externe und interne Einflussfaktoren auf die Entscheidung identifiziert, relevante Informationen zu den verfügbaren Alternativen 25 Küpper (2004), S. 25 f. <?page no="39"?> 1.2 Entscheidungsorientierte Controlling-Konzeption 39 und zur Entwicklung der Einflussfaktoren ausgewertet, der Zielerreichungsbeitrag und die Risiken der Alternativen anhand der Informationen bewertet und eine Handlungsempfehlung abgeleitet. Zur Prozessrationalität gehört neben der Effektivität auch die Effizienz, d.h. eine effektive Entscheidung soll mit dem geringsten Mitteleinsatz realisiert werden. Ziel des Controllings ist damit die Sicherstellung der Prozessrationalität von Managemententscheidungen, um die Entscheidungsqualität zu verbessern (direktes Controlling-Ziel) und die Unternehmensziele zu erreichen (indirektes Controlling-Ziel). Zentrale Funktion des Controllings ist somit die Entscheidungsunterstützung des Managements. Entscheidungsunterstützung bedeutet, dass der Controller das Management mit relevanten Informationen und geeigneten Modellen und Methoden zur Problemlösung, Bewertung und Entscheidung versorgt. Das Controlling übernimmt damit eine Informations- und Methodenversorgungsaufgabe. Aufgrund der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des Managements muss sich der Controller bei der Informationsversorgung auf entscheidungsrelevante Information konzentrieren und diese in geeigneter Form darstellen. W EBER und S CHÄFFER (2016) sprechen in diesem Zusammenhang von Entlastungs- und Ergänzungsaufgaben des Controllers. Als Entscheidungsunterstützer entlastet der Controller den Manager von bestimmten Aufgaben, die dieser selbst übernehmen könnte, die der Controller aufgrund seiner Ausbildung und durch seine stärkere Spezialisierung jedoch effizienter durchführen kann. Zu den Entlastungsaufgaben gehören die Kontrolle und Abweichungsanalyse bei der Überprüfung der Zielerreichung. Durch die Übernahme von Ergänzungsaufgaben ergänzt der Controller das Aufgabenspektrum des Managers, dem beispielsweise die Fach- und Methodenkompetenz für diese Aufgaben fehlt. Hierzu zählen u.a. Sensitivitäts- und Risikoanalysen bei Investitionsentscheidungen. 26 Durch die zunehmende Digitalisierung stellt sich die Frage, inwieweit Entlastungsaufgaben an das Management z.B. als Self- Reporting zurückdelegiert werden. Aufgrund der Gefahr des opportunistischen Verhaltens von Managern übernimmt das Controlling zudem eine Verhaltenssteuerungsfunktion. Beispielsweise kann der Controller Zielkonflikte bei der Analyse von Entscheidungsproblemen offenlegen und auf die konsistente Verwendung von aus den Unternehmenszielen abgeleiteten Entscheidungskriterien hinwirken. Auch können Anreizsysteme zur Reduktion von Zielkonflikten und zur Ausrichtung des Managements auf die Unternehmensziele beitragen. 27 Die Vermeidung von Wollensdefiziten und opportunistischem Verhalten wird auch als Begrenzungsaufgabe des Controllers verstanden. W EBER und S CHÄFFER sprechen hier vom Controller als „Hüter der ökonomischen Moral“. 28 Begrenzungsaufgaben sind von großer Bedeutung für Controller, die in der Rolle des Business Partners agieren. 29 Die Ziele und Funktionen des Controllings werden in Abbildung 7 zusammengefasst: 26 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 43 f. sowie Gänßlen et al. (2013). 27 Vgl. Fischer et al. (2015), S. 30. 28 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 44. 29 Vgl. hierzu auch Abschnitt 1.3. <?page no="40"?> 40 1 Grundlagen des Controllings Abb. 7: Ziele und Funktionen des Controllings Die Prozessrationalität und damit die Qualität von Managemententscheidungen können verbessert werden, indem der Controller ein Entscheidungsproblem strukturiert, Entscheidungsziele ableitet oder Informationen für die Entscheidung bereitstellt. Das Ausmaß der Rationalitätssicherung ist von der Relevanz, der Menge, der Genauigkeit, der Richtigkeit, der Rechtzeitigkeit und der Aufbereitung der Informationen und deren effektiver und effizienter Verwendung bei der Entscheidung abhängig. 30 Der folgenden Abbildung sind mögliche Unterstützungsansätze des Controllings zur Verbesserung der Entscheidungsqualität für die einzelnen Phasen des Entscheidungsprozesses zu entnehmen. Phase Entscheidungsunterstützung durch das Controlling Zielfestlegung • Unterstützung bei der Ableitung und Überprüfung von Entscheidungskriterien • Aufdeckung von Konflikten und Inkongruenzen zwischen Unternehmenszielen und persönlichen Zielen der Entscheider Problemanalyse • Identifikation der internen und externen Einflussfaktoren und Entscheidungsrestriktionen • Festlegung der Alternativenmenge 30 Vgl. Simon (2000), S. 25 ff.; Weber/ Schäffer (1999), S. 731 ff.; Obermaier/ Müller (2008), S. 325 ff. <?page no="41"?> 1.2 Entscheidungsorientierte Controlling-Konzeption 41 Informationsbeschaffung • Beschaffung, Aufbereitung und Kommunikation der erforderlichen Informationen • Ableitung der Planungsprämissen Alternativenbewertung • Auswahl bzw. Modellierung eines geeigneten Bewertungsmodells • Durchführung der Alternativenbewertung • Bei Entscheidungen unter Unsicherheit: Abbildung und Bewertung des Risikos bzw. der Ungewissheit der Alternative • Zweckmäßige Aufbereitung der Entscheidungsvorlagen Alternativenauswahl (Entscheidung i.e.S) • Empfehlung der Alternative mit dem höchsten Zielerreichungsbeitrag in Relation zum eingegangenen Risiko • Je nach Rollenverständnis des Controllers (vgl. 1.3.) Beteiligung an der Entscheidung i.e.S. • Aufdeckung und Abbau von Rationalitätsdefiziten der Manager Kontrolle • Ex-post- und ex-ante-Kontrollen der Annahmen sowie der Zielerreichung der Alternativen • Durchführung von Abweichungsanalysen und Entwicklung von Maßnahmen Abb. 8: Beispiele für Entscheidungsunterstützung durch das Controlling Insbesondere bei unsicheren Managemententscheidungen kommen dem Controlling vermehrt Aufgaben der Rationalitätssicherung zu. Da bei Entscheidungen unter Sicherheit alle Alternativen, Zukunftszustände der Einflussfaktoren und Zielwirkungen der Alternativen vollständig bekannt sind, können Optimierungskalküle zur Entscheidungsunterstützung eingesetzt werden. Aufgabe des Controllings ist die Ermittlung der Alternative mit dem höchsten Zielerfüllungsgrad. Bei Entscheidungen unter Risiko müssen die mit einer Alternative verbundenen Risikofaktoren z.B. durch Simulationen in die Bewertungsmodelle integriert und die Risiken einer Entscheidung bewertet werden. Wesentliche Entscheidungskriterien sind der erwartete Ergebnisbeitrag und das Risiko einer Alternative. Bei Entscheidungen unter Ungewissheit gibt es nur unvollständige Informationen über die Zahl und zukünftige Entwicklung der Einflussfaktoren sowie die Zahl der zur Verfügung stehenden Entscheidungsalternativen und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensziele. Aufgabe des Controllings ist es dann, die Informationslage der Entscheider zu verbessern, relevante Einflussfaktoren z.B. durch Sensitivitätsanalysen zu identifizieren und robuste Alternativen mit einem zufriedenstellenden Zielerreichungsbeitrag zu ermitteln. 31 Abbildung 9 gibt einen Überblick über die Rolle eines entscheidungsorientierten Controllings in Abhängigkeit vom Unsicherheitsgrad der Entscheidungssituation. 31 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 41, Groot/ Selto (2013), S. 116 ff. Zu den verschiedenen Ansätzen zur Abschätzung von Unsicherheit vgl. Dream-Car der Ideenwerkstatt im ICV (2013), S. 26 ff. <?page no="42"?> 42 1 Grundlagen des Controllings Entscheidung unter Sicherheit Entscheidung unter Risiko Entscheidung unter Ungewissheit Entscheidungsregel Wähle die Alternative mit dem höchsten Ziellerreichungsbeitrag. Wähle die Alternative mit dem besten Rendite- Risiko-Profil. Wähle eine Alternative mit einem zufriedenstellenden Zielerreichungsbeitrag. Rolle des Controllings Bewertung des Zielerreichungsbeitrags von Alternativen, Lösung von Optimierungsproblemen Bewertung des erwarteten Zielerreichungsbeitrags und des eingegangenen Risikos verschiedener Alternativen Identifikation der relevanten Einflussfaktoren, Alternativenbewertung unter unvollständiger Information sowie Identifikation robuster Alternativen Entscheidungsunterstützungsinstrumente (Beispiele) Deckungsbeitragsrechnung, einwertige Planung und Budgetierung, Target Costing Szenario-, Sensitivitäts- und Simulationsanalysen Sensitivitätsanalysen, Entscheidungsregeln Abb. 9: Implikationen der Unsicherheitsgrade von Entscheidungen für das Controlling Die einzelnen Unterstützungsaktivitäten während des Entscheidungsprozesses lassen sich zu folgenden Aufgabenfeldern des Controllings zusammenfassen: 32 Zielbildungs- und Planungsaufgaben: In diesem Aufgabenfeld unterstützt der Controller das Management durch die Bereitstellung geeigneter Methoden und Informationen zur Entscheidungsvorbereitung. Beispielsweise kann er zur Entwicklung eines Zielsystems Stakeholderanalysen durchführen, das Zielsystem auf Zielkonflikte überprüfen oder Ziele durch geeignete Kennzahlen und Indikatoren operationalisieren (vgl. Abschnitt 2.1.). Während der Unternehmensplanung ist der Controller u.a. für die Vorgabe von Planungsprämissen sowie das Planungsmanagement zuständig (vgl. Abschnitt 2.2). Steuerungs- und Kontrollaufgaben: Hier übersetzt der Controller die Planungsgrößen in Handlungsgrößen und unterzieht diese einer regelmäßigen Kontrolle. Beispielsweise ist der Controller an der Entwicklung und Durchführung einer Leistungsmessung sowie eines Anreiz- und Vergütungssystems (vgl. Abschnitt 4.2.) beteiligt oder kalkuliert Verrechnungspreise für die interne Leistungsverrechnung. Management-Rechnungsaufgaben: Das interne Finanz- und Rechnungswesen bildet die Basis der Informationsversorgung durch den Controller. Daher gehören die Pflege und Weiterentwicklung der Systeme zu seinen Aufgaben. Hier geht es 32 Vgl. Becker et al. (2014), S. 88 ff. <?page no="43"?> 1.2 Entscheidungsorientierte Controlling-Konzeption 43 um die Auswahl geeigneter Methoden und die Abstimmung der einzelnen Rechenwerke. In diesem Aufgabenfeld arbeitet der Controller eng mit Vertretern des externen Rechnungswesens und des Finanzbereichs zusammen. Berichts- und Beratungsaufgaben: In diesem Aufgabefeld ist der Controller mit dem Aufbau und der Administration der Controlling-Informationssysteme, der Sicherstellung der Informationsversorgung des Managements sowie der betriebswirtschaftlichen Beratung des Managements befasst (vgl. Abschnitt 3.5.). Abschließend werden noch einige zentrale Begriffe definiert. Unter einem Controller versteht man den Inhaber einer Controlling-Stelle, während Controlling eine spezielle Funktion ist, die durch die Zusammenarbeit von Controllern und Managern ausgeübt wird. Je nach Inhalt und Intensität dieser Zusammenarbeit können unterschiedliche Controller-Rollen definiert werden (vgl. Abschnitt 1.3). Die Gesamtheit aller Controller-Aufgaben eines Unternehmens wird als Controllership, die Organisationseinheit, die die Controllership wahrnimmt, als Controllerbereich oder -abteilung bezeichnet. 33 1.2.3 Abgrenzung von weiteren Controlling-Konzeptionen Neben einem entscheidungsorientiertem Controlling-Verständnis gibt es zahlreiche weitere Controlling-Konzeptionen in der Literatur. Diese werden häufig nach ihren dominanten Controlling-Zielen oder -Funktionen systematisiert. So werden informations-, koordinations-, wertschöpfungs- und führungsorientierte Controlling-Konzeptionen unterschieden (vgl. Abb. 10). Abb. 10: Grundlegende Controlling-Konzeptionen und zu Grunde liegende Publikationen (Quelle: Becker et al. (2014), S. 63) Zuerst wurden informationsorientierte Controlling-Konzeptionen, die die Versorgung des Managements mit entscheidungsrelevanten Informationen als primäre Controlling-Funktion herausstellen, entwickelt. Im Folgenden wird exemplarisch die Konzeption von R EICHMANN vorgestellt. Er definiert Controlling als „zielbezogene 33 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 14; Weber/ Schäffer (2016), S. 1. <?page no="44"?> 44 1 Grundlagen des Controllings Unterstützung von Führungsaufgaben, die der systemgestützten Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung zur Planerstellung, Koordination und Kontrolle […] zur Verbesserung der Entscheidungsqualität“ 34 dient. Das Controlling-Verständnis von R EICHMANN basiert auf einem Entscheidungsbezug und der Informationsversorgungsaufgabe des Controllings. Direkte Controlling-Ziele sind die Verbesserung der Entscheidungsqualität insbesondere bei schlecht-strukturierten, unsicheren Entscheidungen und die Abstimmung zwischen den Führungskräften durch eine verbesserte Informationslage. Der Controller analysiert Entscheidungsprobleme des Managements, beschafft die notwendigen Informationen für die Problemlösung und bereitet diese entscheidungsorientiert auf. Die Informationsversorgungsaufgabe des Controllings bezieht sich dabei vor allem auf die Planerstellung, -koordination und -kontrolle. R EICHMANN betont zudem, dass das Controlling auf dem betrieblichen Rechnungswesen und weiteren Vorsystemen beruht. Herausragende Controlling-Instrumente sind Kennzahlen und Kennzahlensysteme, die Informationsaufbereitung und -bereitstellung erfolgt durch das Berichtswesen. 35 Obgleich die Informationsversorgung auch in der Unternehmenspraxis eine weitverbreitete Controlling-Aufgabe ist, 36 wird informationsorientierten Controlling-Konzeptionen von Teilen der Literatur das Merkmal einer eigenständigen Problemstellung abgesprochen. Es wird argumentiert, dass auch das betriebliche Rechnungswesen die Unternehmensführung mit entscheidungsrelevanten Informationen versorgt. 37 Andererseits stellt das Controlling neben dem Gewinn und der Liquidität nicht-finanzielle Informationen bereit und geht somit über die Informationsversorgung des Rechnungswesens hinaus. In koordinationsorientierten Controlling-Konzeptionen unterstützt das Controlling die Unternehmensführung bei der Abstimmung und Ausrichtung des Managements auf die Unternehmensziele. Je nach Umfang der Koordinationsaufgabe ist das Controlling für die Koordination des Planungs-, Kontroll- und Informationssystems oder für die Koordination des gesamten Führungssystems einschließlich der Personalführung und der Organisation verantwortlich. 38 Exemplarisch wird im Folgenden der koordinationsorientierte Ansatz von H ORVÁTH vorgestellt, der Controlling als „dasjenige Subsystem der Führung [definiert, Anm. der Verf.], das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd zielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt.“ 39 Das Controlling koordiniert die Planung, Kontrolle und Informationsversorgung im Hinblick auf die Unternehmensziele. 40 Unternehmensziele umfassen dabei sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Ziele, wie z.B. ökologische oder soziale Ziele. Für privatwirtschaftliche Unternehmen betont H ORVÁTH die besondere Bedeutung des Ergebnisziels als 34 Reichmann et al. (2017), S. 19. 35 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 12 ff. 36 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 13 ff. 37 Vgl. Pietsch/ Scherm (2001), S. 207, Weber/ Schäffer (2016), S. 21 f. Für eine kritische Diskussion der Erfüllung der verschiedenen Anforderungen durch die vorgestellten Controlling-Konzeptionen vgl. auch im Folgenden Vanini (2012), S. 337 ff. 38 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 30 ff. 39 Horváth et al. (2015), S. 58. 40 Vgl. hier und im Folgenden Horváth et al. (2015), S. 43 ff. <?page no="45"?> 1.2 Entscheidungsorientierte Controlling-Konzeption 45 Ausdruck des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprinzips. Ergebnisziele können dabei sowohl Produktivitäten wie auch Gewinngrößen oder Kapitelwerte eines Unternehmens sein. 41 Zielorientierung bedeutet, dass alle betrieblichen Aktivitäten auf das jeweils relevante Unternehmensziel ausgerichtet werden. Koordination im Sinne von Abstimmung oder Ausrichtung erfolgt durch die Konzeption und Einführung von Planungs-, Kontroll- und Informationssystemen (Systembildung) und die inhaltliche Abstimmung dieser Systeme (Systemkopplung). Direktes Ziel des Controllings ist, die Koordinations-, Reaktions- und Anpassungsfähigkeit der Unternehmensführung zu sichern, damit diese auf Umweltänderungen reagieren, die Unternehmensziele erreichen und die Existenz des Unternehmens sichern kann (indirektes Ziel). Auch den bei koordinationsorientierten Controlling-Konzeptionen ist die Eigenständigkeit der Problemstellung kritisch zu bewerten, da Koordination die Aufgabe aller Führungskräfte und nicht nur des Controllings ist. Zudem wird die Koordination auch von anderen Stabsabteilungen wie z.B. der Organisation wahrgenommen. 42 Wertschöpfungsorientierte Controlling-Konzeptionen gehen davon aus, dass der vorrangige Unternehmenszweck die Schaffung von Wertschöpfung für die Stakeholder ist. Vertreter einer wertschöpfungsorientierten Controlling-Konzeption ist B E- CKER . Er versteht unter Wertschöpfung sowohl die Deckung der Kundenbedarfe durch Produkte und Dienstleistungen, die daraus resultierende Entgelterzielung für die verschiedenen Interessensgruppen z.B. in Form von Gewinnen als auch die Bedürfnisbefriedigung der Interessensgruppen z.B. durch die Sicherung der Arbeitsplätze für die Mitarbeiter. 43 Abbildung 11 gibt einen Überblick über mögliche Interessensgruppen, den von ihnen bereitgestellten Produktionsfaktoren und den beabsichtigten Entgelten. Interessengruppe Bereitgestellter Produktionsfaktor Beabsichtigtes Entgelt Eigenkapitalgeber Eigenkapital Gewinne Fremdkapitalgeber Fremdkapital Zinsen Mitarbeiter Arbeitskraft, Wissen Löhne, Gehälter Staat Infrastruktur Steuern, Beiträge, Gebühren Abb. 11: Anteil von Interessengruppen an der Wertschöpfung von Unternehmen (Quelle: Becker et al. (2014), S. 55) Wertschöpfung basiert auf Wettbewerbsvorteilen eines Unternehmens, die aus Erfolgspotenzialen, z.B. Innovationsprojekten, entwickelt werden müssen. Aufgabe des Managements ist es, Erfolgspotenziale zu identifizieren und systematisch zu entwickeln sowie das betriebliche Handeln auf Wertschöpfung auszurichten. Daher müssen laufend liquide Mittel beschafft und in Erfolgspotenziale investiert werden, durch die dann Gewinne generiert und die Liquidität des Unternehmens gesichert werden können. 41 Für eine ausführliche Diskussion möglicher Unternehmensziele vgl. Abschnitt 2.1. 42 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 24 ff. 43 Vgl. Becker et al. (2014), S. 53 ff. <?page no="46"?> 46 1 Grundlagen des Controllings Diese Tätigkeiten werden als Lokomotionsfunktion bezeichnet und vom Management selbst wahrgenommen. Der Controller unterstützt das Management durch die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen zur Wertschöpfung und stellt sicher, dass diese Informationen vom Management auch tatsächlich für Entscheidungen genutzt werden (Informationsfunktion). Darüber hinaus richten Controller alle betrieblichen Entscheidungs- und Handlungsfelder im Unternehmen auf die Realisierung der Wertschöpfung aus (Abstimmungsfunktion). Wertschöpfungsorientiertes Controlling entsteht dann durch das Zusammenspiel von Managern und Controllern. 44 Wertschöpfungsorientierte Controlling-Konzeptionen greifen somit sowohl die Informationsals auch die Koordinationsfunktion als spezifische Aufgabenbereiche von Controllern auf, beziehen diese Aufgaben jedoch auf die Wertschöpfung als oberstes Unternehmensziel. Rationalitätsorientierte Controlling-Konzeptionen betonen die Führungsunterstützung als zentrale Funktion des Controllings. Im Folgenden wird die Konzeption von W EBER und S CHÄFFER vorgestellt. 45 Die Autoren gehen bei der Ableitung ihrer Controlling-Konzeption von den in der Unternehmenspraxis beobachteten Controlling-Aufgaben sowie von einer begrenzten Rationalität des Managements aus. Rationalität wird als Zweck-Mittel-Rationalität definiert. Die Rationalität des Managements ist durch Könnens- und Wollensdefizite begrenzt, z.B. aufgrund von asymmetrisch verteilten Informationen im Unternehmen, begrenzter Informationsverarbeitungskapazitäten des Managements oder Zielkonflikten zwischen Unternehmenseigentümern und dem Management. Weber und Schäffer definieren daher Controlling als „Rationalitätssicherung [des Managements, Anm. des Verf.] im Kontext dominierender Koordination durch Pläne.“ 46 Die Sicherungsfunktion des Controllings bezieht sich dabei sowohl auf Input-, Prozess- und Ergebnisrationalität. Die Input-Rationalität ist gegeben, wenn ein Modell oder eine Methode zur Lösung eines betriebswirtschaftlichen Entscheidungsproblems grundsätzlich geeignet ist. So ist z.B. die Kapitalwertmethode ein zweckmäßiges Verfahren, um die Vorteilhaftigkeit einer Investition zu bewerten. Zur Sicherung der Input-Rationalität muss der Controller ferner überprüfen, ob der Manager das Verfahren und dessen Anwendungsprämissen kennt (Vermeidung von Könnensdefiziten) und einsetzen möchte (Vermeidung von Wollensdefiziten). Die Prozessrationalität stellt sicher, dass das Modell korrekt angewendet wird. So muss der Controller beim Einsatz der Kapitalwertmethode sicherstellen, dass ein Zahlungsstrom und ein geeigneter Kalkulationszinssatz vorliegen und im Modell korrekt verarbeitet werden. Abschließend muss das Modellergebnis inhaltlich und methodisch überprüft werden, um die Output-Rationalität sicherzustellen. Hier kann der Controller z.B. Sensitivitätsanalysen durchführen, um die Stabilität der Modellergebnisse zu überprüfen. 47 Aus der Rationalitätssicherungsfunktion lassen sich Entlastungs-, Ergänzungssowie Begrenzungsaufgaben ableiten. Zur Eigenständigkeit der Rationalitätssicherung als Aufgabe des Controllings ergibt sich ebenfalls kein eindeutiges Bild. Einerseits wird die Rationalitätssicherung der Führung von keinem anderen Funktionsbereich des Unternehmens wahrgenommen. Andererseits wird Rationalitätssicherung in den Wirtschaftswissenschaften in allen 44 Vgl. Becker et al. (2014), S. 60 ff. sowie S. 73 f. 45 Vgl. hier und im Folgenden Weber/ Schäffer (1999) sowie Weber/ Schäffer (2016), S. 37 ff. 46 Weber/ Schäffer (2016), S. 48. 47 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 48 ff. <?page no="47"?> 1.3 Controller-Rollen 47 Bereichen und bei allen Entscheidungen und Phasen des Führungsprozesses angestrebt und kann somit keine eigenständige Problemstellung für das Controlling begründen. „Rationalitätssicherung [ist, Anm. d. Verf.] selbstverständliche Prämisse aller Führungs- und Controllingkonzepte […] Koordination bedeutet zielgerichtete Abstimmung von Entscheidungen […] Zielgerichtetes Handeln bedeutet die Anwendung des Rationalitätsprinzips, was dann allerdings wiederum bedeutet, dass die koordinationsorientierten Ansätze per definitionem der Rationalitätssicherung dienen.“ 48 Insbesondere die Messung von Rationalität ist problematisch, da Rationalität nur subjektiv bewertet werden kann. Die Controlling-Konzeptionen sind nicht überschneidungsfrei. So unterstützt eine Informationsversorgung von Führungskräften auch deren Koordination. Zudem muss auch in informationsorientierten Controlling-Konzeptionen eine Koordination von Informationsversorgung und Informationsbedarf erfolgen. Um das Verhalten von Mitarbeitern zu steuern, muss das Management mit geeigneten Informationen versorgt werden. Lösungshinweise zum Einstiegsfall Es existiert kein einheitliches Controlling-Verständnis in Theorie und Praxis. Managemententscheidungen sind häufig komplex und unsicher. Die Qualität von Managemententscheidungen wird durch Rationalitätsdefizite beeinträchtigt. Unter einer entscheidungsorientierten Controlling-Konzeption wird die Verbesserung der Prozessrationalität und damit der Qualität von Managemententscheidungen durch das Controlling verstanden. Die Entscheidungsunterstützung kann dabei sowohl durch die Bereitstellung von Informationen und Methoden als auch durch eine Aufdeckung von opportunistischem Verhalten erfolgen. Nach der dominanten Controlling-Funktion werden informations-, koordinations-, wertschöpfungs- und rationalitätsorientierte Controlling-Konzeptionen unterschieden. 1.3 Controller-Rollen Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie den Begriff und die Bedeutung von Rollen im Controlling erläutern, die Entwicklung von Controller-Rollenmodellen beschreiben, aktuelle Controller-Rollen erläutern und Ursachen und Folgen von Rollenkonflikten kritisch diskutieren. 48 Horváth et al. (2015), S. 59. Zur Kritik an der Rationalitätssicherung vgl. Pietsch/ Scherm (2001), S. 208 f., Wall (2008), S. 469, Küpper et al. (2013), S. 23 f. <?page no="48"?> 48 1 Grundlagen des Controllings Einstiegsfall: Aktuelle Stellenbeschreibungen im Controlling Abb. 12: Aktuelle Stellenbeschreibungen im Controlling (Quelle: Henkel AG & Co. KGaA (2018)) Fragen - Welche Aufgaben muss der Controller laut Stellenanzeige übernehmen? - Welche Qualifikationen sind dafür notwendig? - Können Sie verschiedene Controller-Rollen erkennen? <?page no="49"?> 1.3 Controller-Rollen 49 1.3.1 Entwicklung von Rollenmodellen im Controlling Wie in Abschnitt 1.2 diskutiert, haben Controller ein sehr breites Aufgabenspektrum. Zudem agieren sie in unterschiedlichen Unternehmenskontexten, da Controller sowohl in kapitalmarktorientierten Konzernen wie auch in mittelständischen Unternehmen, in eigentümer- und fremdgemanagten Unternehmen sowie in Profit- und Non-Profit-Organisationen tätig sind. Daher erscheint es folgerichtig, dass nicht alle Controller das gesamte Aufgabenspektrum abdecken können. So ist die Zusammenarbeit zwischen Managern und Controllern in eigentümergeführten Unternehmen, die häufig stark auf die individuellen Anforderungen des Eigentümers ausgerichtet sind, anders als in DAX 30-Konzernen, in denen eine vergleichsweise hohe Fluktuation unter den Managern vorherrscht. Insgesamt sprechen wir davon, dass Controller unterschiedliche Rollen einnehmen können. Unter einer Rolle wird ein „Bündel von Verhaltenserwartungen, die an eine soziale Position gerichtet werden“ 49 verstanden. Die Verhaltenserwartungen beziehen sich auf den Inhalt der Aufgaben der Position, die Art ihrer Wahrnehmung sowie die zur Stellenausübung benötigten Kompetenzen. Die Komplexität einer Rolle steigt mit der Zahl der Aufgaben und Interaktionen mit anderen Organisationsmitgliedern. Controller- Rollen sind daher durch eine hohe Komplexität charakterisiert. Die Erwartungen einer Organisation an eine Controller-Rolle werden in Stellenbeschreibungen formal dokumentiert und kommuniziert. 50 Rollenmodelle dienen der Vereinfachung komplexer Konstrukte wie z.B. umfangreicher Aufgabenbündel durch Verwendung von Metaphern, der Positionierung und Abgrenzung einer Stelle innerhalb einer Organisation sowie der Orientierung des Stelleninhabers. 51 Abb. 13: Fremd- und Selbstbild von Rollen (Quelle: In Anlehnung an Katz/ Kahn (1978), entnommen aus Weber/ Schäffer (2016), S. 492) 49 Springer Gabler Verlag (Hrsg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Rolle, online im Internet: (Stand 1.3.2018). Vgl. Wiswede (1997), S. 26. 50 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 492. 51 Vgl. Rambusch/ Sill (2007), S. 378 f. <?page no="50"?> 50 1 Grundlagen des Controllings Es wird zwischen dem Fremdbild eines Rollensenders und dem Selbstbild des Rollenempfängers (Controllers) unterschieden. Stellenanzeigen und -beschreibungen senden die Rollenerwartungen von Vorgesetzten (Rollensender) an einen potenziellen Stelleninhaber (Rollenempfänger) und dokumentieren somit das Fremdbild einer Rolle. Der Rollenempfänger leitet dann z.B. aus einer Stellenanzeige seine eigene Rolleninterpretation (Selbstbild) ab, die sein Rollenverhalten bestimmt. Die Interpretation der eigenen Rolle ist dabei stark von den bisherigen Erfahrungen und Kompetenzen des Rolleninhabers abhängig. Abweichungen zwischen Fremd- und Selbstbild können zu Rollenkonflikten, dysfunktionalen Verhaltensweisen und Unzufriedenheit der Controller führen. In der Literatur gibt es keinen Konsens über die Bandbreite möglicher Controller- Rollen sowie deren Bezeichnung. So werden ähnliche Rollen mit verschiedenen Begriffen, wie z.B. Zahlenknecht, Erbsenzähler oder Reporter, bezeichnet. 52 Abbildung 14 zeigt eine ausgewählte Übersicht. Abb. 14: Mögliche Rollen von Controllern (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 140) Die Rollen können anhand ihrer Aufgaben, der Intensität der Entscheidungsbeteiligung, der Interaktion mit dem Management und den Kompetenzen voneinander abgrenzen. 53 Controller-Rollen korrespondieren mit den Controlling-Konzeptionen. So baut der Reporter auf der informationsorientierten Controlling-Konzeption von R EICHMANN auf, während ein modernes Rollenbild wie der Business Partner auf der rationalitätsorientierten Controlling-Konzeption von W EBER und S CHÄFFER basiert. 54 52 Vgl. Goretzki (2016), S. 80 f. 53 Vgl. Rieg (2018), S. 184. 54 Vgl. Weber/ Schäffer (1999), S. 731 ff. <?page no="51"?> 1.3 Controller-Rollen 51 Im folgenden Abschnitt werden mit dem Erbsenzähler bzw. Reporter, Steuermann bzw. Navigator, der Watchdog bzw. dem Kontrolleur sowie dem Business Partner vier wesentliche Controller-Rollen vertieft. 1.3.2 Ausgewählte Controller-Rollen Zum Nachdenken! Ein stark diskutierte Rolle des Controllers ist aktuell die des Business Partner. Bitte sehen Sie sich den folgenden Film an: https: / / www.youtube.com/ watch? v=sokiqGOz78Q und beantworten Sie die nachfolgenden Fragen: Welche Rollen können Controller einnehmen? Durch welche Aufgabenschwerpunkte sind die verschiedenen Rollen gekennzeichnet? Inwieweit ist der Controller in die Entscheidungsprozesse des Managements eingebunden? Über welche Kompetenzen sollte ein Controller in den jeweiligen Rollen verfügen? Wie könnte ein Entwicklungspfad für einen Controller als Business Partner aussehen? Der Erbsenzähler bzw. Reporter befasst sich mit der Auswertung, Aufbereitung und Dokumentation primär vergangenheitsorientierter, finanzieller Informationen z.B. in der Kostenrechnung, um Aussagen über den Unternehmenserfolg abzuleiten. In der Regel erfasst und bereinigt der Reporter Daten, aus denen er dann Standardberichte für das Management erstellt und weiterleitet. Er agiert eher reaktiv, d.h. auf Anfrage des Managements, und engagiert sich nicht in kritischen Diskussionen mit dem Management. Dabei nimmt der Controller als Reporter eine Zwischenstellung zwischen dem technischen (d.h. fachlichen) Experten und dem Navigator ein. 55 Der Reporter wird teilweise auch als Scorekeeper bezeichnet. 56 Der Kontrolleur bzw. die Watchdog überwacht auf der Grundlage von Budget- und Kostenkontrollen sowie Abweichungsanalysen die finanzielle Zielerreichung des Managements und macht auf Abweichungen aufmerksam. Aufgrund seiner Kontrollfunktion ist er i.d.R. vom Management unabhängig und muss eine gewisse Distanz wahren. 57 Während der Reporter lediglich Informationen für das Management bereitstellt, ist der Steuermann (Navigator) bereits von einer stärkeren Entscheidungsunterstützung gekennzeichnet und unterstützt das Management durch ein funktionsfähiges Planungs- und Kontrollsystem sowie eine zeitnahe Abweichungsanalyse als Grundlage für eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung. Neben finanziellen Informationen stellt der Navigator auch nicht-finanzielle Informationen bereit. Vom Navigator wird neben einer profunden Kenntnis der gängigen Controlling-Instrumente, z.B. der Kostensowie der Investitionsrechnung, ein umfassendes Geschäftsverständnis er- 55 Vgl. Möller et al. (2017), S. 64 f. 56 Vgl. Schäffer/ Weber (2016a), S. 11. 57 Vgl. Schäffer et al. (2016), S. 8. <?page no="52"?> 52 1 Grundlagen des Controllings wartet, da er dem Manager konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Unternehmensziele vorschlagen soll. Der Navigator ist nicht direkt an der Entscheidung beteiligt, übernimmt aber eine Transparenz- und Methodenverantwortung für Managemententscheidungen. Insbesondere in der letzten Finanzmarktkrise hat sich gezeigt, dass viele Controller die Rolle des Navigators beherrschen und selbst bei dramatischen Umsatzeinbrüchen in der Lage sind, diese zu analysieren und ein Gegensteuern auf der Kostenseite zu ermöglichen. 58 Die nächste Entwicklungsstufe des Controllers zum Business Partner impliziert eine weitere Aufwertung der Aufgaben des Controllings. Der Controller als Business Partner zeichnet sich durch eine intensive Zusammenarbeit mit dem Management auf Augenhöhe aus. Dabei nimmt er als gleichwertiges Mitglied an Management- Teamsitzungen teil und ist somit direkt an der Entscheidung beteiligt. Durch eine Weiterentwicklung der IT-Systeme können Manager nun ihre Informationen selbst beschaffen (Self-Reporting), Hauptaufgabe des Controllers ist die Interpretation und Diskussion der Informationen gemeinsam mit dem Manager bis hin zur gemeinsamen Entscheidungsfindung. 59 Abb. 15: Der Controller als Business Partner (Quelle: Schäffer/ Weber (2014), S. 89 basierend auf der ursprünglichen Schnittmengengraphik von Albrecht Deyhle (1985), S. 14) In dieser Rolle übernimmt der Controller neue Aufgabenfelder, z.B. im Bereich der Strategiefindung und deren Implementierung sowie Organisation und Compliance. Die Rolle des Business Partners fordert vom Controller unternehmerisches Denken und Handeln. Die klassische Aufgabenteilung zwischen Management und Controller verschwindet zunehmend. 60 Allerdings ist die Rolle des Business Partners nicht einheitlich definiert. So reicht die mögliche Bandbreite vom reinen Diskussionspartner, der die Entscheidungen des Managements kritisch hinterfragt und ggf. inhaltlich ergänzt, bis hin zum Co-Manager mit einer Ergänzungs- und Begrenzungsfunktion 58 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 16 ff. sowie Schäffer et al. (2016), S. 8. 59 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 17; Möller et al. (2017), S. 64 ff. 60 Vgl. Schäffer/ Weber (2014), S. 87 ff. <?page no="53"?> 1.3 Controller-Rollen 53 (d.h. Veto-Rechten) bei wichtigen strategischen Entscheidungen wie bedeutsamen Investitionsbzw. Desinvestitionsprojekten. 61 Die moderne Rolle des Controllers als Business Partner setzt die Unabhängigkeit und Integrität des Controllers voraus. Nur durch die Unabhängigkeit seiner Analysen („kritischer Drittblick“) kann der Controller das Vertrauen aller Unternehmensfunktionen dauerhaft bewahren. Daneben stellt die Integrität des Controllers die Grundlage dar, um notwendige Informationen im Sinne eines entscheidungsorientierten Controllings vollständig und zeitnah zu erhalten und als Diskussionspartner innerhalb des Unternehmens aktiv eingebunden zu werden. So lässt sich aus Abbildung 15 die Gefahr ableiten, dass Controlling- und Managementaufgaben in der Zukunft vollständig deckungsgleich werden könnten und damit Controller als unabhängige Kontrollinstanz verschwinden würden. 62 In der Unternehmenspraxis hängt die Ausprägung der Controller-Rolle von zahlreichen Kontextfaktoren ab. So haben neben den Erwartungen des Managements und den Kompetenzen der Controller die Unternehmensgröße und -organisation, die Kapitalmarktorientierung, die Unternehmenskultur, die hierarchische Einordnung des Controllings und das Ausmaß der IT-Unterstützung einen großen Einfluss auf die Controller-Rollen. 63 Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Gestaltung der Controller-Rollen ist das Kompetenzprofil der Controller. Zur Übernahme von Controlling-Aufgaben müssen Controller über ein breites Spektrum fachlicher, methodischer, persönlicher und sozialer Kompetenzen verfügen. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die benötigten Kompetenzen in Abhängigkeit von situativen Einflussfaktoren auf das Controlling. Situationsfaktor Anforderungen Dezentrales Controlling Produktkenntnisse, Produktionsablaufkenntnisse, technisches Verständnis, Kommunikationsfähigkeit Zentrales Controlling (operativ) Überblicksartige Geschäftskenntnisse, Markt- und Wettbewerbskenntnisse, Standfestigkeit, mittlere Produktkenntnisse, Reisebereitschaft, Flexibilität, Strategiekenntnisse Zentrales Controlling (strategisch) Standfestigkeit, analytisches Denken, Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität Starke Internationalisierung Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen, internationale Rechnungslegung Unternehmensgröße, Großunternehmen Spezialisierungsgrad Hohe Komplexität Detaillierte Produktkenntnisse, technisches Wissen 61 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 17 und S 471. 62 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 16 f. 63 Vgl. Rieg (2018), S. 197 ff. sowie die Diskussion bei Goretzki (2016), S. 83 f. <?page no="54"?> 54 1 Grundlagen des Controllings Starker wirtschaftlicher Druck Standfestigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität, Geschäftsprozesskenntnisse, Trendkenntnis, Unabhängigkeit, Strategiekenntnis Hohe Innovationslastigkeit Kostenrechnungskenntnisse, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit Abb. 16: Situative Einflussfaktoren auf die Anforderungen an einen Controller (Quelle: Weber et al. (2010), S. 40 ff.) Abb. 17: Zusammenhang zwischen Controller-Rolle und Kompetenzprofil (Quelle: Gleich/ Lauber (2013), S. 513) Insgesamt wird vermutet, dass die Informationsfunktion und damit die Methoden- und Informationsversorgungskompetenz das gemeinsame Fundament aller Controller-Rollen bildet. Je nach Ausprägung der o.g. Kontextfaktoren - insbesondere der Erwartungen des Managements sowie dem Geschäftsverständnis und den Managementkompetenzen des Controllers - ist eine Erweiterung des Rollenverständnisses hin zum Business Partner sinnvoll. 64 Abbildung 17 zeigt die Ausprägung der verschiedenen Kompetenzprofile in Abhängigkeit von der Controllerrolle. Dabei ist die 64 Vgl. Goretzki (2016), S. 88 f. <?page no="55"?> 1.3 Controller-Rollen 55 Rolle des Analysten vergleichbar mit der des Erbsenzählers bzw. Reporters und die des Inspektors mit der des Kontrolleurs bzw. der Watchdog. Als neue Rolle wird hier noch der Change Agent genannt. 65 Der Abbildung lässt sich entnehmen, dass die Rollen des Business Partners und des Change Agent insgesamt deutlich anspruchsvoller als die beiden erstgenannten Rollen und damit eher für erfahrene Controller geeignet sind. 1.3.3 Mögliche Rollenkonflikte des Controllers Zu Beginn dieses Kapitels wurden zwei aktuelle Stellenbeschreibungen von Controllern dargestellt. Welche Bedeutung Stellen- und Rollenbeschreibungen in der Praxis haben, hängt vor allem von der gelebten Unternehmenskultur ab. S CHEIN definiert entsprechend: „Culture is both a dynamic phenomenon that surrounds us at all times, being constantly enacted and created by our interactions with others and shaped by leadership behavior, and a set of structures, routines, rules, and norms that guide and constrain behavior.“ .66 Dabei können verschiedene Typen von Unternehmenskulturen unterschieden werden. Die folgende Abbildung zeigt eine Einordnung der Unternehmenskultur nach H ANDY und H ARRI- SON , welche die Kulturformen nach den passenden griechischen Göttern benannt haben. 67 Abb. 18: Unternehmenskulturtypologie nach Handy/ Harrison (entnommen aus Stafflage (2005), S. 175, entnommen aus Buchholz (2013) S. 70) Eine nicht-kompatible Unternehmenskultur wie auch unklar definierte und kommunizierte Rollen können zu Rollenkonflikten führen. Unter einem Rollenkonflikt 65 Der Controller als Change Agent soll angesichts der zunehmenden Umweltdynamik proaktiv Veränderungsprozesse im Unternehmen einleiten. Vgl. Göttling et al. (2013), S. 50 f. 66 Schein (2004), S. 1. 67 Vgl. Buchholz (2013), S. 69; Stafflage (2005), S. 175. <?page no="56"?> 56 1 Grundlagen des Controllings wird ein „Konflikt zwischen widerstrebenden Erwartungen an einen Positionsinhaber“ definiert. Sie können in Intra-Rollen-Konflikte (d.h. „widersprüchliche Erwartungen, die sich an einen Positionsinhaber richten“) und Inter-Rollen-Konflikte (d.h. „widersprüchliche Erwartungen, denen sich eine Person, die unterschiedliche Positionen innehat … sich ausgesetzt sieht“) differenziert werden. 68 Das Controlling ist als Querschnittsfunktion in besonderem Maße von der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensfunktionen gekennzeichnet. Mögliche Rollenkonflikte sind vor allem dann von Bedeutung, wenn der Controller den unterschiedlichen Erwartungen des Managements und der jeweiligen Fachabteilungen nicht zeitgleich gerecht werden kann. 69 Bezogen auf die Rolle des Controllers bedeutet dies, dass sowohl die impliziten und expliziten Erwartungen der Vorgesetzen und der Fachabteilungen (Inter-Rollen-Konflikt) als auch seine eigenen Ansprüchen und Erfahrungen das Rollenbild prägen (Intra-Rollen-Konflikt). 70 Abb. 19: Quellen möglicher Rollenkonflikte des Controllers (Quelle: entnommen aus Goretzki et al. (2010), S. 58, entnommen aus Weber/ Schäffer (2016), S. 493) Die Abbildung 19 zeigt, dass das Controlling aufgrund der hohen Bandbreite der möglichen Rollen in besonderem Maße Rollenkonflikten ausgesetzt ist. So sind die in Abbildung 14 genannten Rollen des Erbsenzählers, Kontrolleurs und Spürhunds nur bedingt mit denen des Kommunikators, Innovators und internen Beraters vereinbar. 71 68 Vgl. Springer Gabler Verlag (Hrsg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Rollenkonflikt, online im Internet: (Stand 1.3.2018) sowie Katz/ Kahn (1978). 69 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 493; Goretzki et al. (2010), S. 58 70 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 491 f. 71 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 492. <?page no="57"?> 1.3 Controller-Rollen 57 1.3.4 Bedeutung in der Unternehmenspraxis Im Folgenden wird analysiert, welche Rollenbilder sich in der Unternehmenspraxis durchgesetzt haben, welche externen und internen Faktoren die Verbreitung bestimmter Controller-Rollen unterstützen bzw. behindern und inwieweit sich die Rollenbilder in den letzten Jahren verändert haben. Die Verbreitung von Controller- Rollen - insbesondere der des Business Partners - wurde in zahlreichen nationalen und internationalen Studien untersucht. 72 Hier wird auf die Ergebnisse folgender Studien zurückgegriffen: Autor (Jahr) Grundgesamtheit und Untersuchungsmethode Ergebnisse Byrne/ Pierce (2007) 18 dyadische Interviews mit Controllern und zugehörigen Managern produzierender irischer Unternehmen, Zeitraum: 2004 Abgleich Fremd- und Selbstbild von Controllern • Es gibt verschiedene Controller- Rollen mit unterschiedlichen Aufgaben und Kompetenzen. • Einfluss der Managererwartungen auf die Controller-Rolle • Controller gestalten ihre Rolle selbst (Role Making) • Unterschiedliche Wirkungen der Controller-Rollen abhängig von der Interaktion mit dem Management • Wesentliche Einflussfaktoren: Unternehmensgröße, -struktur und -kultur, Branche, Orientierung der Controller und Manager Ernst et al. (2008) Fragebogen an 110 Leiter des Konzerncontrollings in börsennotierten deutschen Unternehmen, Rücklaufquote: 39%, Zeitraum: 2006 Selbstbild des Controllers basierend auf den vier klassischen Controlling- Ansätzen • 72% der Controller beschäftigen sich mit ihrem Selbstverständnis • 81% der Unternehmen haben ihr Controlling-Leitbild in den letzten drei Jahren angepasst • Abnehmende Bedeutung traditioneller Rollen, z.B. des Number Crunchers, moderne Rollen wie die des Advanced Navigators gewinnen an Bedeutung Schäffer/ Weber (2015) Befragung von 406 Controllern in deutschsprachigen Unternehmen, Zeitraum: 2010 Selbstbild des Controllers • Controller sehen sich primär in der Rolle des internen Beraters • Wesentliche Einflussfaktoren: Unternehmensgröße, Krisenbetroffenheit, Standing des Controllings 72 Für einen umfassenden Überblick vgl. Rieg (2018), S. 207 ff. <?page no="58"?> 58 1 Grundlagen des Controllings • Sowohl Role Taking als auch Role Making möglich • Übernahme der Funktion des kritischen Counterparts verbessert Standing des Controllers Wolf et al. (2015) Dyadische Interviews mit 112 deutschen Controllingleitern und ihren dazugehörigen Managern, Zeitraum: März bis Mai 2009 Vergleich Selbst- und Fremdbild • Verhalten und Rolle von Controllern stark von Erwartungen des Managements bestimmt • Zusammenhang zwischen Business Partner-Rolle und organisatorischen Verbesserungen von internen Prozessen, Entscheidungsqualität und Effizienz Schäffer et al. (2016) Fragebogen, Rücklauf von 465 Controllern aus deutschsprachigen Unternehmen (WHU-Controller Panel), Rücklaufquote: 46%, Zeitraum: 2016 Selbstbild des Controllers • Controller agieren in unterschiedlichen Rollen, am häufigsten in der Watchdog-Rolle, gefolgt vom Business Partner • Unabhängig von ihrer Rolle teilen die Controller das Business Partner-Mindset • Wesentlicher Einflussfaktoren: Unternehmensgröße, Management-Kultur Rieg (2018) Fragebogen, Rücklauf von 183 deutschen Controllern, Zeitraum: April/ Mai 2014 Selbstbild des Controllers • Eher Rollenerweiterung als -änderung • Große Vielfalt möglicher Aufgaben und Interaktionen mit dem Management • Unterteilung in strategische und operative Controller-Rollen • Selbsteinschätzung der Controller- Rolle unabhängig von ihren tatsächlichen Aufgaben Abb. 20: Übersicht über ausgewählte Studien zur Umsetzung von Controller-Rollen Eine der ersten Studien zu dieser Thematik wurde von B YRNE und P IERCE (2007) durchgeführt, die auf der Grundlage von dyadischen Interviews die Rollen von Management Accountants sowie Einflussfaktoren auf die Rollengestaltung und Auswirkungen der Rollen untersuchen. Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass neben zahlreichen externen Einflussfaktoren die Kompetenzen der Controller einen starken Einfluss auf die Controller-Rolle aufweisen. Insbesondere die Geschäftskenntnis der Controller beeinflusst die Intensität der Interaktion mit dem Management. Zudem stellt die Studie ein sehr weites Aufgabenspektrum der Controller fest, das von der Informationsversorgung, über die Entscheidungsunterstützung bis zu Projekttätigkeit <?page no="59"?> 1.3 Controller-Rollen 59 und Ad hoc-Analysen reicht. Je stärker die Interaktion zwischen Controllern und Managern ist, desto stärker werden der Entscheidungsprozess sowie die Planung und Kontrolle verbessert. 73 E RNST et al. (2008) konkretisieren die Controller-Rollen stärker und analysieren die Veränderung der Rollen für deutsche börsennotierter Unternehmen. Die Analyse zeigt eine starke Abnahme der Erbsenzählerrolle (Number Cruncher), während die Tätigkeit der Controller als Steuermann (Advanced Navigator) an Bedeutung gewinnt. 74 Abb. 21: Rollenverständnis des Controllers (Quelle: Ernst et al. (2008), S. 734) Die Aufwertung des Controllers als Navigator erklärt sich neben den organisatorischen Veränderungen vor allem aus dem Unternehmensumfeld. So hat die Komplexität der Unternehmensführung durch die globale Ausrichtung der meisten Unternehmen und die Etablierung einer Stakeholder-orientierten Unternehmensführung deutlich an Bedeutung gewonnen. Des Weiteren werden im Berichtswesen großer Unternehmen zunehmend auch weiche Berichtsgrößen wie die Mitarbeiterzufriedenheit aufgenommen, die eine Beurteilung durch das Controlling erfordern. 75 Die Ergebnisse werden im Wesentlichen durch eine Studie von S CHÄFFER und W E- BER (2015) unterstützt, die zu dem Ergebnis kommt, dass der interne Berater mit 67% als häufigste Controllerrolle genannt wird, während der Kontrolleur (52%) und Steuermann (26%) im Mittelfeld liegen. Der Erbsenzähler verliert hingegen an Bedeutung. 76 73 Vgl. Byrne/ Pierce (2007), S. 476 ff. 74 Vgl. Ernst et al. (2008), S. 734. 75 Vgl. Ernst et al. (2008), S. 732 ff. 76 Vgl. Weber/ Schäffer (2015), S. 141. <?page no="60"?> 60 1 Grundlagen des Controllings Abb. 22: Rollenbilder der Controller in der Managerwahrnehmung in 2010 (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 141) Explizit nach dem Business Partner als mögliche Rolle deutscher Controller wird in einer weiteren aktuelleren Studie von S CHÄFFER et al. (2016, S. 8 ff.) gefragt. Allerdings dominiert hier die Controller-Rolle der Watchdog mit 55% vor den Rollen des Business Partners (35%) und des Scorekeepers (21%). Allerdings können Controller mehr als eine Rolle gleichzeitig übernehmen. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Rollenausweitung gesprochen, die von der Studie empirisch bestätigt wird. Dabei nehmen Controller als Watchdog objektive Kontrollaufgaben wahr, die sie dann mit der Business Partner- oder Scorekeeper-Rolle kombinieren. Unabhängig von ihrem Aufgabengebiet verstehen sich viele Controller als Business Partner, möchten eine klare Position zu unternehmerischen Entscheidungen beziehen und dem Manager als interner Berater auf Augenhöhe zur Seite stehen. Hinweise für eine Erweiterung der Controller-Rolle (role transition) findet auch die Studie von R IEG (2018). Seine Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass sich Controller neben den Routineaufgaben der Kostenkontrolle, der Budgetaufstellung und des Berichtswesens auch in strategischen Diskussionen mit dem Management engagieren. Dabei gibt es allerdings eine große Vielfalt der Controller-Aufgaben und möglicher Interaktionen der Controller mit dem Management. Zudem scheint die Selbsteinschätzung der Controller, primär als Business Partner zu agieren, unabhängig von ihrem tatsächlichen Aufgabenbereich. Dies spricht dafür, dass die Controller- Rolle des Business Partners mittlerweile als wünschenswerter Standard angesehen wird, ohne die Eignung dieser Rolle im Unternehmenskontext kritisch zu hinterfragen. 77 Der Umfang der Rolle des Business Partners wird dabei stark von den Erwartungen des Managements und der persönlichen Einstellung des Controllers beeinflusst. Allerdings scheint sich die Rolle des Business Partners positiv auf die Akzeptanz der Controlling-Abteilung durch das Management sowie die Effizienz und die Wett- 77 Vgl. Rieg (2018), S. 197 ff. <?page no="61"?> 1.3 Controller-Rollen 61 bewerbsfähigkeit des Unternehmens auszuwirken. 78 Insgesamt hat sich der Aufgabenbereich der Controller in den letzten Jahren sehr verändert. Während klassische Tätigkeiten, wie z.B. die Aufbereitung der Finanzkennzahlen, weitgehend durch Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme sowie standardisierte Controlling-Prozesse unterstützt werden, 79 gewinnen deren Interpretation, die Dynamisierung der Forecasts sowie die Betreuung von Sonderprojekten an Bedeutung. Die folgende Abbildung zeigt die Veränderung des Aufgabenspektrums von Controllern. Abb. 23: Zukunftsvision des Controllings (Quelle: Fischer et al. (2015), S. 45) Da zukünftig vermutlich die einfachen Controller-Aufgaben der Datenerhebung, -aufbereitung sowie -berichterstattung wegfallen werden, werden personelle und damit zeitliche Kapazitäten im Controlling-Bereich frei, so dass eine Neudefinition der Controller-Rolle in Richtung einer zunehmende Entscheidungsunterstützung vermutet wird. Die folgende Abbildung zeigt, dass Controller daher erwarten, zukünftig stärker auf allen Hierarchieebenen als Business Partner zu agieren. So rechnen 86% der deutschen Controller damit, dass die Rolle des Business Partners zukünftig noch an Bedeutung gewinnen wird. 80 78 Vgl. Wolf et al. (2015), S. 35 ff. 79 Vgl. Weber/ Schäffer (2017), S. 58. 80 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 208. <?page no="62"?> 62 1 Grundlagen des Controllings Abb. 24: Entwicklung der Business Partner-Rolle (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 209) Insgesamt wird in größeren Unternehmen eher ein Zusammenspiel zwischen Controllern als Fachexperten und Controllern als Business Partnern erwartet. So hat die Leica Camera AG diese Rollenverteilung für ihr Controlling definiert. Controlling- Experten agieren hier als fachliche Ansprechpartner für eine Controlling-Anwendung in den jeweiligen Funktionsbereichen des Unternehmens, z.B. dem Einkauf oder der Produktion. Ihre Aufgaben bestehen aus der Datenbeschaffung, -aufbereitung und analyse sowie der Reporterstellung. Experten sind eher datenorientiert und verfügen über ausgeprägte analytische Fähigkeiten. Controller als Business Partner sind dagegen zentrale Ansprechpartner für ein Ressort, für das sie als betriebswirtschaftliche Berater agieren. Sie sind eher menschenorientiert und verfügen über ausgeprägte kommunikative und beratende Fähigkeiten. 81 Zusammenfassung Controller agieren in unterschiedlichen Rollen. Häufige Rollen sind der Reporter, die Watchdog, der Navigator und der Business Partner. Der Business Partner zeichnet sich durch eine hohe Geschäfts- und Managementnähe sowie eine Mitverantwortung für Entscheidungen aus. Die Ausübung einer Controller-Rolle wird durch zahlreiche Faktoren wie die Unternehmensgröße und -kultur sowie die Fähigkeiten des Controllers beeinflusst. 81 Vgl. Hagemann (2016), S. 34. <?page no="63"?> 1.4 Organisation des Controllings 63 1.4 Organisation des Controllings Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie wesentliche Kontextfaktoren der Controlling-Organisation erläutern, Vor- und Nachteile einer Institutionalisierung des Controllings diskutieren, verschiedene Formen der Aufbau- und Ablauforganisation des Controllings voneinander abgrenzen, die Aufgabenteilung zwischen und Unterstellungsansätze von zentralem und dezentralem Controlling beschreiben sowie moderne Organisationsformen des Controllings erläutern. Einstiegsfall: Organisation des Controllings der Grunwaldt GmbH Sie haben Ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und sind aufgrund Ihres Controlling-Schwerpunkts auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt. Sie entschließen sich, ein Angebot der Grunwaldt GmbH anzunehmen. Die Grunwaldt GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen mit 800 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 150 Mio. Euro. Sitz des Unternehmens ist eine norddeutsche Großstadt. Geschäftsführer ist der Eigentümer Walter Grunwaldt. Die Grunwaldt GmbH produziert hochwertige und flexible Kinderholzmöbel. Das erfolgreichste Produkt ist der Topolino, ein umbaubarer Kinderstuhl, der vom ersten Lebensjahr bis ins Jugendalter mitwächst. Zudem produziert das Unternehmen weitere umbaubare Kindermöbel wie das Kinderbett Ruhesanft sowie flexible Studentenmöbel der Marke Studiflex. Die Grunwaldt GmbH beliefert vor allem den norddeutschen Markt. Herr Grunwaldt plant eine Ausweitung des Vertriebs auf Süddeutschland sowie Skandinavien. Die Grunwaldt GmbH ist als Holding organisiert. Die Produktion und der nationale Vertrieb der Kindersowie Studentenmöbel werden von den Tochtergesellschaften Grunwaldt Kindermöbel GmbH sowie der Grunwaldt Studiflex GmbH durchgeführt. Außerdem hat Herr Grunwaldt die Vertriebsgesellschaft Grunwaldt International GmbH gegründet, um seine Internationalisierungsstrategie umzusetzen. An Ihrem ersten Arbeitstag diskutiert Herr Grunwaldt mit Ihnen die künftige Aufbauorganisation des Controllings. Es sollen vor allem diese Fragen geklärt werden: Soll ein eigenständiger Controller-Bereich in der Grunwaldt GmbH eingerichtet werden (Institutionalisierung des Controllings) oder sollen andere Unternehmensbereiche Controlling-Aufgaben übernehmen? Bislang gibt es im Unternehmen keine Controller-Stelle. Wie soll der Controller-Bereich hierarchisch eingeordnet werden? <?page no="64"?> 64 1 Grundlagen des Controllings Wie soll der Controller-Bereich organisiert werden? Hier sind vor allem die Gliederung, der Zentralisierungsgrad und die Unterstellung dezentraler Controller-Bereiche zu klären. Welche Kompetenzen sollen die Controller erhalten? Soll das Controlling als Stabsstelle, Linieninstanz oder als Mischform zwischen beiden organisiert werden? Durch die Organisation des Controllings werden Controlling-Aufgaben Aufgabenträgern zugeteilt (Aufbauorganisation) und ihre Zusammenarbeit festgelegt (Ablauforganisation). Durch die Aufbauorganisation werden der Grad der Arbeitsteilung und die organisatorische Gliederung des Controllings festgelegt. Da es keine Organisationstheorie des Controllings gibt, können Gestaltungsempfehlungen nur aufgrund von Zweckmäßigkeitsüberlegungen abgeleitet werden. 82 Dabei sind insbesondere die folgenden Fragen zu klären: Welche Anspruchsgruppen und Kontextfaktoren beeinflussen die Organisation des Controllings? Welche Stellen bzw. Bereiche übernehmen Controlling-Aufgaben (Institutionalisierung des Controllings)? Wenn es mehrere Stellen bzw. Bereiche gibt, dann müssen zudem die verschiedenen Aufgabenbereiche voneinander abgegrenzt und die Zusammenarbeit geregelt werden. Wie soll der Controlling-Bereich organisiert werden? Insbesondere bei größeren Controlling-Bereichen muss über deren interne Aufgabenteilung, die hierarchische Eingliederung und den Zentralisierungsgrad entschieden werden. Welche Controlling-Prozesse gibt es (Ablauforganisation des Controllings)? Wie können diese möglichst effizient organisiert werden? Wie ist der Standardisierungsgrad der verschiedenen Controlling-Aufgaben? Inwieweit können diese ausgelagert werden? Bei der Organisation des Controllerbereichs gibt es keinen „One concept fits all“- Ansatz. Stattdessen lassen sich zahlreiche interne und externe Einflussfaktoren (=Kontextfaktoren) auf die Gestaltung des Controllings identifizieren, wie die folgende Abbildung zeigt. Interne Kontextfaktoren Externe Kontextfaktoren - Organisationsform - Organisationsstruktur - Organisationsgröße - Organisationsprogramm - Internationalisierungsgrad - IT-Systeme - Branche/ Absatzmärkte - Beschaffungsmarkt - Arbeitsmarkt - Geld- und Kapitalmarkt - Verfügbare Technologie - Politisches und soziales Umfeld 82 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 670. <?page no="65"?> 1.4 Organisation des Controllings 65 - Organisationskultur - Strategie- und Steuerungsmodell - Anzahl und Struktur der Anspruchsgruppen (Eigentümer, Investoren etc.) - Einstellung/ Werte/ Verhalten der Anspruchsgruppen Abb. 25: Kontextfaktoren des Controllings (Quelle: Fischer et al. (2015), S. 49) Beispielsweise hat die Organisationsgröße einen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des Controllings, da bei größeren Unternehmen häufig eine stärkere Arbeitsteilung sinnvoll ist und zudem die Komplexität der Managemententscheidungen ein spezifisches Unterstützungsinstrumentarium erfordert. Daher gibt es in größeren Unternehmen eher spezielle Controller-Stellen. Neben der Unternehmensgröße sind die Zahl und die Struktur der Anspruchsgruppen an das Controlling ein wesentlicher Einflussfaktor auf dessen Gestaltung. Neben dem Management zählen Abschluss- und Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsratsorgane sowie die Eigentümer zu den Anspruchsgruppen. Die Prüfungsaufgaben von Wirtschafts- und Abschlussprüfern erstrecken sich auch auf die von Controllern bereitgestellten Informationen. Aufsichtsorgane benötigen für ihre Überwachung der Unternehmensführung ebenso wie die Unternehmenseigentümer Informationen aus dem Controlling. Ein weiterer Einflussfaktor ist der Familieneinfluss auf die Geschäftsführung. Bei eigentümergeführten Unternehmen ist das Controlling stärker zentralisiert. 83 Zunächst wird geklärt, wer die Controlling-Aufgaben übernimmt. Von einer Institutionalisierung des Controllings wird gesprochen, wenn Controller-Stellen oder eine Controlling-Abteilung eingerichtet werden. Bei einer Nicht-Institutionalisierung werden Controlling-Aufgaben anderen Funktionsbereichen wie der Assistenz der Geschäftsführung zugeordnet. 84 So geben ca. 90% der Unternehmen in einer aktuellen Studie an, über institutionalisierte Controller-Stellen oder -Abteilungen zu verfügen, wobei dieser Wert stark mit der Unternehmensgröße variiert. In 22% der Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 50 Mio. Euro werden Controlling-Aufgaben von anderen Trägern, wie dem Rechnungswesen, der kaufmännischen Leitung oder dem Leiter Finanzen, übernommen. 85 Abbildung 26 enthält Argumente für und gegen eine Institutionalisierung des Controllings. Vorteile Nachteile • Stärkere Spezialisierung und Methodenkompetenz des Controllers • Übernahme gesamtunternehmensbezogener Aufgaben • Controller ist eine neutrale Stelle, Vor- • Institutionalisierung verursacht Kosten • Gefahr des unerwünschten Eigenlebens (Controlling als Selbstzweck) • Nachlassende Motivation anderer Bereiche, sich mit Controlling- 83 Vgl. Fischer et al. (2015), S. 48 f.; Becker et al. (2016), S. 11 ff. 84 Vgl. Rautenstrauch/ Müller (2005), S. 191 f. 85 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 168. <?page no="66"?> 66 1 Grundlagen des Controllings teile beim Management von Bereichskonflikten • Arbeitsentlastung anderer Bereiche • Controller als fester Ansprechpartner Aufgaben zu beschäftigen Abb. 26: Vor- und Nachteile institutionalisierter Controller-Stellen (Quelle: Henselmann (2002), S. 1358, Friedl (2013), S. 75 f., Küpper et al. (2013), S. 670 ff.) Erfolgt eine Institutionalisierung des Controllings sind dessen Aufgaben von den Aufgaben verwandter Funktionsbereiche abzugrenzen. Aufgaben des internen Rechnungswesens wie die Kosten- und Leistungsrechnung werden häufig in das Controlling eingegliedert, da sie die Grundlage für die Planung und Kontrolle bilden. Für eine Trennung von Controlling und externem Rechnungswesen sprechen dagegen die für das externe Rechnungswesen relevanten Rechtsnormen des Handels- und Steuerrechts, die ein entsprechendes Spezialwissen erfordern. Zudem sind die bilanzpolitischen Ziele des externen Rechnungswesens nicht immer mit den internen Informationsanforderungen des Managements vereinbar. Es wird vermutet, dass die International Financial Reporting Standards (IFRS) aufgrund ihrer marktwertorientierten Ausrichtung zu einer stärkeren Harmonisierung sowie Integration von externem und internem Rechnungswesen führen. 86 Eine Integration des Controllings in das Finanzwesen bzw. Treasury ist aufgrund der anderen Ziele, Aufgaben und Instrumente wenig zweckmäßig. Zudem ist die Liquiditätssicherung die zentrale Nebenbedingung der Unternehmenssteuerung und erfordert daher eine spezifische Methodenkompetenz. Schnittstellen gibt es zum Investitionscontrolling, da die Investitionsrechnung aufgrund ihrer Zahlungsstromorientierung häufig dem Finanzbereich zugeordnet ist, zum Finanzcontrolling, das u.a. für die Liquiditätsplanung und -steuerung zuständig ist, sowie zur Bewertung von finanziellen Risiken. 87 Sowohl die interne Revision wie auch das Controlling gehören zum internen Kontrollsystem (IKS) des Unternehmens. Eine Integration ist aber wegen der unterschiedlichen Kontrolltätigkeiten nicht sinnvoll. Die interne Revision führt alle von der Unternehmensleitung veranlassten nachträglichen prozessunabhängigen Überwachungstätigkeiten aus. Als Maßstäbe werden die Ordnungsmäßigkeit, die Zuverlässigkeit, die Richtigkeit und die Wirtschaftlichkeit von Handlungen, Ergebnissen und Systemen herangezogen. Der Controller führt eher ex-ante-Kontrollen der Wirtschaftlichkeit durch. Seine Kontrollen erfolgen anders als die fallweisen Prüfungen der internen Revision laufend. Zudem muss die interne Revision zur Wahrnehmung der gesetzlichen Überwachungsaufgaben unabhängig bleiben, was mit einer Integration ins Controlling nicht vereinbar ist. Es gibt jedoch zahlreiche Ansätze für eine 86 Vgl. Henselmann (2002), S. 1358 ff., Küpper et al. (2013), S. 673 ff. 87 Vgl. Henselmann (2002), S. 1359 f., Küpper et al. (2013), S. 676 f., Becker et al. (2014), S. 202 ff. <?page no="67"?> 1.4 Organisation des Controllings 67 Zusammenarbeit beider Bereiche, vor allem bei der Beratung der Geschäftsleitung. 88 In der Unternehmenspraxis nehmen die Controller weder andere Abteilungen im Unternehmen noch externe Akteure als ausgeprägte Konkurrenz wahr. Lediglich zu externen und internen Unternehmensbereichen sowie zu Strategieabteilungen existieren in gewissem Umfang Konkurrenzbeziehungen. 89 Wird ein eigener Controller-Bereich eingerichtet, muss dieser anschließend in die Unternehmenshierarchie eingeordnet werden. Hierbei bestehen folgende Ansätze: 90 Das Controlling wird der 1. Hierarchieebene zugeordnet, d.h. ein Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglied ist Controller. Das Controlling wird der 2. Hierarchieebene zugeordnet. Dann ist zu klären, ob der Controller fachlich und disziplinarisch der gesamten Unternehmensleitung, dem Vorsitzenden oder einem Geschäftsführungsmitglied z.B. dem Finanzvorstand unterstellt wird. Das Controlling wird einer niedrigeren Hierarchieebene zugeordnet. Auch in diesem Fall sind die Unterstellungsverhältnisse festzulegen. Je höher der Controller-Bereich hierarchisch eingeordnet wird, desto größer sind seine Bedeutung und sein Einfluss. Der Aufgabenschwerpunkt des Controllings beeinflusst dessen hierarchische Einordnung. Befasst sich der Controller überwiegend mit unternehmensweiten Koordinationsaufgaben, sollte er der 1. Führungsebene zugeordnet werden. Überwiegen die Informationsversorgungsaufgaben, ist eine Zuordnung zur 2. Führungsebene sinnvoll. 91 Bei Einordnung in die 1. Führungsebene ist der Controller zwar selbständiger, verliert jedoch seine Unabhängigkeit von der Geschäftsführung und seine Servicefunktion für das Management. Bei Einordnung in die 2. Führungsebene ist die notwendige Distanz zur Geschäftsführung gegeben, die unternehmensbezogene Koordination wird jedoch erschwert. Eine Ansiedlung des Controllings unterhalb der 2. Führungsebene schränkt die Koordinationssowie Entscheidungsunterstützungsmöglichkeiten stark ein und wird daher in der Literatur abgelehnt. 92 In der Unternehmenspraxis wird das Controlling oft in die 2. Hierarchiestufe eingeordnet und dann dem Finanzvorstand unterstellt, teilweise erfolgt auch eine Unterstellung unter den Vorstandsvorsitzenden. 93 88 Vgl. Henselmann (2002), S. 1360. Eberl/ Hachmeister (2007), S. 321 ff. Zu den Unterschieden zwischen der internen Revision und dem Controlling vgl. Horváth et al. (2015), S. 460 ff. 89 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 171. 90 Vgl. u.a. Friedl (2013), S. 85 f.; Küpper et al. (2013), S. 684 ff. 91 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 684 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 470 f. 92 Vgl. Henselmann (2002), S. 1361 f. 93 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 168. Diese Ergebnisse werden von einer weiteren Studie unterstützt, in der 79% der Unternehmen ihren Controller-Bereich auf der 2. Führungsebene direkt unterhalb der Geschäftsführung einordnen. Vgl. Exner-Merkelt/ Keinz (2005), S. 16. <?page no="68"?> 68 1 Grundlagen des Controllings Nach der Entscheidung über die Institutionalisierung und hierarchische Einordnung sind die Gliederung und die Zentralisierung des Controllings zu klären. Grundsätzlich kann der Controller-Bereich anhand von Aufgaben oder Verantwortungsbereichen gegliedert werden. Bei einer aufgabenorientierten Gliederung werden Controller- Stellen nach dem Verrichtungsprinzip gebildet und zusammengefasst. Dabei werden ähnliche Controlling-Aufgaben, z.B. die Budgetierung verschiedener Bereiche, zusammengefasst. Bei einer objektorientierten Gliederung werden Controller-Stellen nach der Organisationsstruktur abgegrenzt. Gliederungskriterien sind Funktionen, Produktbereiche, Regionen oder Projekte. In der Literatur wird auch von einem spezialisierten Controlling gesprochen. 94 Für eine aufgabenorientierte Gliederung spricht, dass gleiche Problembereiche zusammengefasst und mit typischen Methoden gelöst werden. Controller können somit spezifisches Methodenwissen aufbauen. Zudem wird die einheitliche Verwendung der Methoden sichergestellt. Die aufgabenorientierte Gliederung des Controller-Bereichs ist daher sinnvoll, wenn ausgeprägtes Spezialwissen für die einzelnen Controlling- Aufgaben erforderlich ist. Probleme ergeben sich bei Querschnittsaufgaben und neuen Aufgaben, die nicht eindeutig zugeordnet werden können. Zudem besteht die Gefahr, dass die Koordinationsfunktion des Controllings eingeschränkt wird, da dessen Akzeptanz aufgrund der geringeren Problemnähe eingeschränkt ist. Für eine objektorientierte Gliederung sprechen die dann größere Problemnähe der Controller und die Akzeptanz durch die jeweilige Bereichsleitung. Allerdings kommen die aufgabenbezogenen Spezialisierungsvorteile der Controller nicht zur Geltung und es besteht die Gefahr, dass unterschiedliche Methoden und Instrumente angewandt werden. In der Unternehmenspraxis kommt es häufig zu einer gemischten aufgaben- und objektorientierter Gliederung des Controller-Bereichs. So verfügen ca. 58% der Unternehmen über Spezialisten für das Finanz-, 56% für das Vertriebs- und 52% für das Sparten- und Divisionscontrolling. Lediglich 45% der Unternehmen verfügen über ein spezielles Produktionsbzw. Fertigungscontrolling und 42% über ein Investitionscontrolling. 95 Mit zunehmender Unternehmensgröße und dem Übergang zu einer Konzernstruktur wird der Controller-Bereich in ein zentrales und ein dezentrales Controlling unterteilt. Beim zentralen Controlling werden alle Controlling-Aufgaben in einem Bereich unter einheitlicher Leitung zusammengefasst. Sind die Controlling-Aufgaben auf mehrere Bereiche verteilt, liegt ein dezentrales Controlling vor. Bei der Festlegung des Zentralisierungsgrads gibt es die Möglichkeit, nur ein Zentralcontrolling ohne dezentrales Bereichscontrolling, ein Zentralcontrolling mit dezentralem Bereichscontrolling und ein dezentrales Bereichscontrolling ohne Zentralcontrolling einzurichten. Ist das Controlling auf mehrere Organisationseinheiten verteilt, werden die Controlling-Aufgaben zerlegt und den Organisationseinheiten zugeordnet. 96 Abbildung 27 zeigt eine mögliche Aufgabenteilung. 94 Vgl. auch im Folgenden Friedl (2013), S. 77 ff., Horváth et al. (2015), S. 411 ff., Weber/ Schäffer (2016), S. 469 f. 95 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 176. 96 Vgl. Friedl (2013), S. 79 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 468 ff. <?page no="69"?> 1.4 Organisation des Controllings 69 Aufgaben des zentralen Controllings Aufgaben des dezentralen Controllings • Konzeption und Implementierung eines unternehmenseinheitlichen Informationssystems • Entwicklung und Pflege unternehmenseinheitlicher Controlling- Instrumente sowie Richtlinien und Handbücher • Konsolidierungsaufgaben der Konzernplanung und Konzernergebnisrechnung • Konzeption und Implementierung eines einheitlichen Planungs- und Kontrollsystems • Übernahme von strategischen Planungs- und Kontrollaufgaben • Vorgabe von Parametern und Formaten für die operative Planung • Abstimmung zwischen unterschiedlichen Geschäftsbereichen, z.B. Festlegung von Verrechnungspreisen • Durchführung bereichsübergreifender Sonderanalysen • fachliche und personelle Koordination der dezentralen Controller • Entwicklung einer Controlling-Kultur • Mitwirkung bei der Personalentwicklung im Controlling • betriebswirtschaftliche Beratung sowie Sonderanalysen vor Ort • Durchführung des operativen Controllings der jeweiligen Unternehmensbereiche, z.B. Kostenstellenplanung • Zusammenarbeit mit der Zentrale bei strategischen Geschäftsfeldfragen • Anpassung von Controlling- Instrumenten an dezentrale Geschäftserfordernisse Abb. 27: Aufgaben des zentralen und dezentralen Controllings (Quelle: Weber (2006), S. 213f., Weber/ Schäffer (2016), S. 468 f.) Die Zentralisierung der Controller-Aufgaben sollte wegen möglicher Akzeptanzprobleme in den dezentralen Unternehmensbereichen möglichst gering gehalten und geschäftsnahe Aufgaben, z.B. operative Plandurchsprachen, sollten an dezentrale Controller delegiert werden. Die Aufgabe des zentralen Controllings besteht in der Ausrichtung der dezentralen Controller-Bereiche auf die Unternehmensziele. Die dezentralen Controller müssen in ihren Einheiten sicherstellen, dass Plan- und Ist-Daten korrekt erhoben werden. 97 In der Unternehmenspraxis gibt es einen Trend zur Zentralisierung des Controllings. So ist der Anteil der Zentralcontroller in mittelgroßen Unternehmen von 2011 auf 2014 von 50% auf 70% angestiegen. Kleinere Unternehmen verfügen i.d.R. nur über 97 Vgl. hier und im Folgenden Weber (2006), S. 211 ff., Weber/ Schäffer (2016), S. 468 f. <?page no="70"?> 70 1 Grundlagen des Controllings ein Zentralcontrolling, bei den Großunternehmen liegt der Zentralisierungsgrad dagegen bei 30%. 98 Neben der Unternehmensgröße hat der Konzerntypus einen maßgeblichen Einfluss auf die Aufgabenverteilung zwischen zentralem und dezentralem Controlling. So sind die Controller-Aufgaben in einem Stammhauskonzern stärker zentralisiert. In der strategischen Konzern-Holding ist das Zentralcontrolling vor allem für die strategische Planung, die grundsätzliche Gestaltung der operativen Controlling-Instrumente sowie die Investitionsplanung zuständig. Konzerncontroller in einer Finanzholding beschränken sich dagegen auf die Grobkontrolle des laufenden Ergebnis-Reportings und die Bewertung und Kontrolle strategischer Geschäftsfelder. Nach der Verteilung der Aufgaben auf das zentrale und dezentrale Controlling ist die fachliche und disziplinarische Unterstellung zwischen zentralem und dezentralem Controlling sowie zwischen Controlling und Management einer Organisationseinheit festzulegen. Dabei gibt es grundsätzlich diese Möglichkeiten: 99 fachliche und disziplinarische Unterstellung des dezentralen Controllers unter das Zentralcontrolling, fachliche und disziplinarische Unterstellung des dezentralen Controllers unter die Bereichsführung und Aufteilung der fachlichen und disziplinarischen Unterstellung des dezentralen Controllers zwischen Zentralcontrolling und der Bereichsführung (Dotted-line- Prinzip). Eine fachliche und disziplinarische Unterstellung des dezentralen Controllings unter das Zentralcontrolling stellt zwar sicher, dass die Controlling-Instrumente einheitlich angewendet werden und das dezentrale Controlling von der jeweiligen Bereichsleitung unabhängig ist, führt jedoch zu Akzeptanzproblemen des dezentralen Controllings im eigenen Unternehmensbereich. Als Lösung wird daher das Dotted-Line- Prinzip vorgeschlagen, um die Vorteile beider Unterstellungsvarianten zu kombinieren. Dies birgt jedoch die Gefahr eines Dauerkonflikts, da der dezentrale Controller „zwei Herren zu dienen hat“. Unterstellung Linieninstanz Unterstellung Zentralcontroller Dotted-Line-Prinzip Vorteile • hohe Kooperationsbereitschaft der dezentralen Bereiche, guter Informationszugang • gute Entscheidungsunterstützung der Linie • hohe Akzeptanz der Linie • Einheitlichkeit des Controllings • Betonung der Koordinationsfunktion • schnelle Umsetzung von Controlling- Instrumenten • schnelle Information der Zentrale • höhere Akzeptanz der Linie • Verbindung von Linienerfordernissen mit Controlling- Notwendigkeiten • flexible Einflussnahme auf Spezialcontroller 98 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 169. 99 Vgl. Henselmann (2002), S. 1363, Friedl (2013), S. 83 f., Küpper et al. (2013), S. 691 ff. <?page no="71"?> 1.4 Organisation des Controllings 71 • Unabhängigkeit gegenüber der Linie Nachteile • Vernachlässigung des Controlling- Gesamtkonzepts • Verstärkung des Partikularismus der dezentralen Bereiche • Vernachlässigung der Berichterstattung an Zentralcontroller • mangelnde Distanz und Objektivität zu Linienaktivitäten • Wahrnehmung des dezentralen Controllers als Spion der Zentrale • keine Beachtung dezentraler Besonderheiten • geringe Kooperationsbereitschaft der dezentralen Bereiche, ggf. Gefahr von Informationsblockaden • geringe Akzeptanz der Linie • geringere Unabhängigkeit von der Bereichsleitung • Dauerkonflikte durch Doppelunterstellung des dezentralen Controllers • keine Objektivität und Neutralität des dezentralen Controllers Abb. 28: Vor- und Nachteile der Unterstellung des dezentralen Controllings (Quelle: Friedl (2013); S. 84; Horváth et al. (2015), S. 368; Weber/ Schäffer (2016), S. 472; Küpper et al. (2013), S. 693) In der Unternehmenspraxis ist das dezentrale Controlling disziplinarisch i.d.R. dem dezentralen Management unterstellt, während sich die fachliche Unterstellung erst allmählich vom dezentralen Management auf das zentrale Controlling verlagert. 100 Unter dem Aspekt Kompetenzen werden sowohl die Kompetenzausstattung von Controller-Stellen sowie die notwendigen persönlichen Fähigkeiten von Controllern zur Übernahme bestimmter Controlling-Aufgaben subsummiert. Die Kompetenzausstattung 101 von Controller-Stellen umfasst Anordnungs-, Verfügungs- oder Entscheidungskompetenzen, z.B. bei der Gestaltung des Planungssystems, Auftrags-, Vorschlags- und Mitsprachekompetenzen, z.B. bei der inhaltlichen Gestaltung von Datenbanken, und Informations- und Beratungskompetenzen, z.B. bei der strategischen Planung. Nach den zugeordneten Kompetenzen werden drei Gestaltungsalternativen unterschieden: 102 Das Controlling wird als Linienstelle mit Entscheidungsaufgaben eingerichtet. Dann werden den Controllern Antrags-, Entscheidungs-, Anordnungsbzw. Weisungs-, Mitsprache- und Kontrollkompetenzen eingeräumt. Das Controlling wird als Stabsstelle zur Entscheidungsvorbereitung mit Informations-, Beratungs-, Verfügungssowie Ausführungskompetenzen eingerichtet. Das Controlling wird als Querschnittsbereich mit Kompetenzen einer Stabsstelle 100 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 170. 101 Bei den Kompetenzen einer Stelle handelt es sich um Handlungsrechte zur Bewältigung einer Aufgabe. 102 Vgl. auch im Folgenden Henselmann (2002), S. 1362 f., Friedl (2013), S. 89 ff., Horváth et al. (2015), S. 389 ff., Küpper et al. (2013), S. 681 ff. <?page no="72"?> 72 1 Grundlagen des Controllings sowie Entscheidungs- und Anordnungskompetenzen innerhalb des eigenen Bereichs und fachlichen Anordnungs- und Kontrollkompetenzen gegenüber anderen Bereichen ausgestattet. Die Kompetenzausstattung von Controlling-Stellen hängt von den Controlling-Aufgaben ab. Während die Servicefunktion die Einrichtung des Controllings als Stabsstelle impliziert, erfordern die Koordinations- und Informationsfunktion Anweisungsrechte und somit einen Liniencharakter des Controllings. Insbesondere bei der Beratung der Unternehmensführung beim Aufbau des Informationsversorgungssystems sind Stabskompetenzen für den Controller ausreichend. Linienkompetenzen sind dagegen bei der Gestaltung des Planungs- und Kontrollsystems, der Koordination von Teilplänen zu einem Gesamtplan, der Entscheidung über die Anwendung von Problemlösungsverfahren, der Korrektur von Planansätzen sowie bei Konflikten mit operativen Bereichen notwendig. Daher haben Controller-Stellen häufig einen Mischcharakter zwischen Stabs- und Linienfunktionen. Vorteile Nachteile • Entlastung der Abteilung von direkten Führungsaufgaben • größere Objektivität und Neutralität • Zwang zur Erarbeitung von mehrheitsfähigen Lösungen • Controller benötigt teilweise Entscheidungskompetenzen • Autoritätsprobleme des Controllings • geringer Einfluss auf die informationsliefernden Stellen Abb. 29: Vor- und Nachteile einer Controlling-Stabsstelle (Quelle: In Anlehnung an Friedl (2013), S. 89 ff.) In den letzten Jahren hat sich die Aufbauorganisation des Controllings in vielen Unternehmen stark verändert. So wurden Controlling-Bereiche als Center of Excellence (CoE) oder Shared Service Center (SSC) organisiert, um Know-how- oder Kostenvorteile zu realisieren. Dabei sind die Begriffsabgrenzungen in der Literatur uneinheitlich. Hier wird der Begriff des Shared Service Centers (SSC) als Oberbegriff gewählt. Durch ein SCC werden Aktivitäten und Prozesse eines Unternehmens zentral gebündelt, um eine stärkere Standardisierung zu erreichen und damit Synergien, Effizienzgewinne oder eine höhere Qualität zu realisieren. Spezialisten für die einzelnen Controlling-Aktivitäten und -Prozesse übernehmen Aufgaben für alle Unternehmensgesellschaften und bündeln das Know-how an einem zentralen Ort. SSC gibt es für alle Verwaltungsfunktionen eines Unternehmens, so auch für das Controlling. 103 SSC werden nach folgenden Kriterien systematisiert: 104 [1] Nach ihrem Standort kann zwischen onshore, nearshore und offshore SSCs unterschieden werden. Onshore SSC sind im Heimatland des Unternehmens angesiedelt, während nearshore SSC zumindest eine räumliche Nähe aufweisen. Offshore SSC sind dagegen in weitentfernten Ländern angesiedelt. Beispiele für 103 Vgl. KPMG (2013); Steuer/ Westeppe (2015), S. 9. 104 Vgl. Fries/ Noldus (2016), S. 48. <?page no="73"?> 1.4 Organisation des Controllings 73 nearshore Standorte sind osteuropäische Länder, während offshore SSC häufig in asiatischen Ländern wie Indien angesiedelt sind. [2] Nach ihrer Organisationsform können SSC intern, extern oder als Joint Venture organisiert sein. [3] Es können sowohl transaktionale als auch wertschöpfende Aktivitäten an ein SSC ausgelagert werden. [4] SSC dienen generell der Effizienzverbesserung der ausgelagerten Aktivitäten. Als Effizienzhebel für SSC werden die Automatisierung, Standardisierung sowie Harmonisierung der ausgelagerten Aktivitäten unterschieden. In der Literatur werden folgende Arten von SSC für das Controlling unterschieden: 105 Center of Scale (CoS) werden für transaktionale, d.h. standardisierbare und operativ-repetitive, Controlling-Aktivitäten mit hohem Volumen und hohem Ressourceneinsatz eingerichtet. Sie haben die Realisierung von Skaleneffekten und damit Kosteneinsparungen zum Ziel, z.B. für das standardisierte Kosten- und Leistungs- Reporting. 106 CoSs sind häufig an einem kostenoptimalen Standort im Ausland angesiedelt. Center of Expertise (CoE) übernehmen wissensintensive Controlling-Aktivitäten, die von mehreren Leistungsempfängern in einer Organisation benötigt werden, z.B. Investitions-, FuE- oder Projektkalkulationen. Sie folgen dem Kompetenzcenter-Ansatz, bei dem Spezialwissen des Controllings - häufig am Standort des Hauptquartiers - zentralisiert wird. Eine Spezialform sind sogenannte Center of Excellence. Durch CoE wird sichergestellt, dass jeder Unternehmensbereich Zugang zu erforderlichem Spezialwissen hat. Ein erster Schritt zur Errichtung eines CoE ist die Auslagerung des Berichtswesens in ein Reporting-Center. Darauf aufbauend können dann Ad-hoc-Analysen, das Forecasting und das Management von Planungsprozessen übernommen werden. 107 CoE haben vor allem eine Verbesserung der Daten- und Prozessqualität und -sicherheit sowie den Aufbau von Spezial-Know-how zum Ziel. 108 Die Auslagerung von Controlling-Aktivitäten an SSC wird über festgelegte Verrechnungspreise und Qualitätsvereinbarungen organisiert. Bisher haben ca. 36% der Großunternehmen in der DACH-Region SSC für einzelne Controlling-Aktivitäten und -Prozesse eingerichtet, weitere 16% planen eine Einrichtung. Dabei wird angenommen, dass aufgrund des wissensintensiven und wenig repetitiven Charakters vieler Controlling-Aktivitäten für das Controlling eher CoEs relevant sind. 109 Die folgende Abbildung zeigt eine mögliche Zuordnung von Controlling- Aktivitäten zum Konzern-Controlling, zum dezentralen Controlling sowie zu SSC. 105 Vgl. Steuer/ Westeppe (2015), S. 12 ff.; Fischer et al. (2015), S. 50; Weber/ Schäffer (2016), S. 474 ff. 106 Vgl. KPMG (2013), S. 17. 107 Vgl. Fach/ Lawrenz (2016), S. 62 f. 108 Vgl. KPMG (2013), S. 17. 109 Vgl. KPMG (2013), S. 15 ff. <?page no="74"?> 74 1 Grundlagen des Controllings Konzern-Controlling Shared Service Center / Center of Expertise Lokales Controlling / Business Partner 1. Aktivitäten mit hoher strategischer Ausrichtung, z.B. Benchmarking 2. Kernaktivitäten des Financial Controllings, z.B. Beteiligungs- Controlling 3. Ad-hoc-Reporting und Wirtschaftlichkeitsanalysen für das Top- Management 4. Definition und Einführung von Top KPIs, Standards und Richtlinien 1. Aktivitäten mit hoher Anzahl von Mitarbeitern und Kosten 2. Großes Potenzial der Standardisierung und Automatisierung 3. Hoher Anteil von transaktionalen Aktivitäten und Aktivitäten mit geringem Bezug zum Business 4. Aktivitäten mit geringer Anzahl an Schnittstellen zum Business 1. Aktivitäten, bei denen direkter Kontakt zum Business erforderlich ist 2. Lokales Wissen in Bezug auf das Business, die Sprache oder die Kultur 3. Aktivitäten, die eine Real-Time- oder Adhoc-Unterstützung des lokalen Managements erfordern 4. Aktivitäten mit geringer Anzahl von Mitarbeitern und limitierten Skaleneffekten Abb. 30: Schlüsselkriterien zur Identifizierung von Aktivitäten für das Konzern-Controlling, Shared Services, Center of Expertise oder Local Controlling (Quelle: Steuer/ Westeppe (2015), S. 10) Neben der aufbauorganisatorischen Gestaltung und Eingliederung des Controllings wird seit einiger Zeit auch verstärkt das Thema der Ablauforganisation diskutiert. So hat beispielsweise die I NTERNATIONAL G ROUP OF C ONTROLLING (ICG) ein Controlling-Prozessmodell. Primäres Ziel von Prozessmodellen ist die Standardisierung von Abläufen im Controlling einschließlich der Zuordnung von Tätigkeiten, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Dadurch sollen eine stärkere Prozessorientierung im Controlling, ein einheitliches unternehmensweites Controlling-Verständnis sowie mehr Effizienz und eine höhere Qualität im Controlling erreicht werden. 110 Die nachstehende Abbildung 31 zeigt das Controlling-Prozessmodell 2.0 der ICG. Das Modell weist eine zweidimensionale Strukturierung auf. Die 1. Dimension umfasst den äußeren Management-Kreislauf von Zielfestlegung, Planung und Steuerung. Dieser wird durch die zehn Hauptprozesses des Controllings unterstützt, die als 2. Dimension im Inneren des Modells abgebildet sind. Die Controlling-Prozesse werden in Kernprozesse, z.B. die operative Planung und Budgetierung, relevante Prozesse in Kooperation mit anderen Funktionen, z.B. Risikocontrolling, und Weiterentwicklungsprozesse differenziert. Jeder Hauptprozess lässt sich durch seine Zielsetzung und Inhalte sowie seinen Prozessanfang, -ende, -input und -output beschreiben. Zudem werden analytische Verfahren (Analytics) eingesetzt, um die Controlling- Prozesse IT-technisch zu unterstützen. 110 Vgl. International Group of Controlling (2017); Möller/ Illich-Eldlinger (2018), S. 55 ff. <?page no="75"?> 1.4 Organisation des Controllings 75 Abb. 31: Controlling-Prozessmodell 2.0 (Quelle: in starker Anlehnung an International Group of Controlling (2017)). Lösungshinweise zum Einstiegsfall Aufgrund der Wachstumsstrategie der Grunwaldt GmbH schlagen Sie eine Institutionalisierung des Controllings in Form einer zentralen Controlling- Abteilung vor. Zudem soll in jeder Tochtergesellschaft eine dezentrale Controller-Stelle eingerichtet werden. Aufgaben des zentralen Controllings sind u.a. die Konzeption, Umsetzung und Dokumentation eines Planungs-, Kontroll- und Informationsversorgungssystems, die Vorgabe von Planungsprämissen und -formaten an die Tochtergesellschaften, die Konsolidierung der Teilplanungen, die Durchführung von Sonderanalysen für Herrn Grunwaldt und die Koordination der dezentralen Controller. Die dezentralen Controller sind für die operative Planung der Tochtergesellschaften verantwortlich, versorgen das dezentrale Management mit Informationen und führen Sonderanalysen durch. <?page no="76"?> 76 1 Grundlagen des Controllings Das zentrale Controlling bzw. die dezentralen Controller-Stellen werden in die 2. Hierarchieebene der Grunwaldt GmbH bzw. der jeweiligen Tochtergesellschaft eingeordnet. Der Leiter des zentralen Controllings wird fachlich und disziplinarisch direkt Herrn Grunwaldt unterstellt. Die dezentralen Controller werden fachlich dem Leiter des zentralen Controllings und disziplinarisch dem Geschäftsführer der jeweiligen Tochtergesellschaft unterstellt (Dotted-line-Prinzip). Das zentrale Controlling wird aufgaben- und objektorientiert gegliedert. Sowohl das zentrale als auch das dezentrale Controlling werden als Mischform zwischen Stabsstelle und Linieninstanz organisiert. Das zentrale Controlling erhält u.a. Anordnungs- und Entscheidungskompetenzen bei der Gestaltung des operativen Planungs-, Kontroll- und Informationsversorgungssystems sowie bei der Durchführung der Jahresplanung, Auftrags-, Vorschlags- und Mitsprachekompetenzen bei der IT-Umsetzung der Budgetierung und Informations- und Beratungskompetenzen bei der Festlegung der jährlichen Planziele. Das dezentrale Controlling erhält u.a. Anordnungs- und Entscheidungskompetenzen bei der Umsetzung der operativen Planung in den Tochtergesellschaften, Vorschlags- und Mitsprachekompetenzen bei der Gestaltung des Planungs-, Kontroll- und Informationsversorgungssystems und Informations- und Beratungskompetenzen bei der IT-Umsetzung der Budgetierung. 1.5 Kritische Würdigung und Ausblick Controlling ist als betriebliche Funktion in der Unternehmenspraxis und als betriebswirtschaftliche Disziplin in der Wissenschaft etabliert. Dennoch gibt es keine allgemein anerkannte Controlling-Konzeption, wobei Einigkeit darüber besteht, dass das Controlling zentrale Funktionen wie z.B. die Informationsversorgung und die Entscheidungsunterstützung erfüllt. Schwerpunkte der Controlling-Forschung sind neben theoriegeleiteten Ansätzen die Entwicklung von Lösungsmethoden für Praxisprobleme. Daher ist das Lehr- und Forschungsgebiet des Controllings stark auf Controlling-Instrumente ausgerichtet. So beschäftigt sich über die Hälfte der Controlling- Publikationen zwischen 1970 und 2003 in deutschsprachigen Zeitschriften mit Controlling-Instrumenten. 111 Es wird erwartet, dass die Digitalisierung das Controlling und die Controller-Rollen zukünftig stark verändern werden. So wurden bei der dritten WHU-Zukunftsstudie aus dem Jahr 2017 zahlreiche digitale Themen unter den Top 10-Zukunftsthemen genannt. 111 Vgl. Weißenberger (2002), S. 392 ff.; Binder/ Schäffer (2005), S. 608 ff.; Schäffer et al. (2006), S. 395 ff.; Wall (2008), S. 471. <?page no="77"?> 1.5 Kritische Würdigung und Ausblick 77 Abb. 32: Rangfolge der Zukunftsthemen des Controllings nach erwarteter Bedeutung für 2022 (Quelle: Schäffer/ Weber (2018), S. 43) Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren zu wesentlichen Änderungen in der Produktion geführt, die unter der Bezeichnung Industrie 4.0 112 subsummiert werden. Industrie 4.0 als übergeordnetes Konzept für Elemente und Begriffe wie die Smart Factory, das Internet der Dinge (IoT) oder cyber-physische Systeme (CPS) beschreibt die Entwicklung und Integration von innovativen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in die industrielle Leistungserstellung. Hierbei werden Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel intelligent miteinander vernetzt, so dass sie Informationen in Echtzeit austauschen und ggf. auch eigenständig Handlungsmaßnahmen einleiten können. 113 112 Der Begriff 4.0 zielt darauf ab, dass es sich bei den durch die Digitalisierung ausgelösten Änderungen um die vierte industrielle Revolution nach der Mechanisierung, Elektrifizierung und Automatisierung handelt. 113 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2014), S. 13; Sejdic (2015), S. 132 f. Cyber-physische Systeme (CPS) sind Objekte, die über Sensoren physikalische <?page no="78"?> 78 1 Grundlagen des Controllings Die Digitalisierung ist ein langfristig angelegter Veränderungsprozess, der viele Unternehmen in den nächsten Jahren stark beschäftigen wird. Allerdings zeigt eine Studie, dass sehr viele Unternehmen bisher über keine Digitalisierungsstrategie und kein eigenständiges Digitalisierungsbudget verfügen. 114 Die Digitalisierung der Wertschöpfungskette, die Generierung digitaler Produkte oder die Digitalisierung ganzer Geschäftsmodelle haben große Auswirkungen auf das Controlling und die Controller-Rollen. Die Würdigung dieser Auswirkungen erfolgt anhand der Agenda für das digitale Controlling von S CHÄFFER und W EBER . Abb. 33: Agenda für das digitale Controlling (Quelle: Schäffer/ Weber (2016a), S. 10) Aufgrund dieser digitalen Agenda ist davon auszugehen, dass bestimmte Tätigkeiten im Controlling an Bedeutung verlieren werden. Hierzu zählen u.a. die Datenerhebung und -aufbereitung, das Berichtswesen sowie das klassische Forecasting. Hier wird das Controlling künftig eine wichtige Qualitätssicherungs- und Kommunikationsfunktion wahrnehmen, aber die hohe Verfügbarkeit der Informationen und die Automatisierung der Prozesse werden die Effizienz von Standardtätigkeiten im Controlling deutlich erhöhen. Einige Studien prognostizieren sogar einen deutlichen Rückgang der Controller-Stellen. 115 Des Weiteren hat das Effizienzstreben der Unternehmen im Controlling bereits zu einer weitgehenden Standardisierung und Industrialisierung der Daten erheben, in digitale Signale umwandeln, mittelst Kleinstcomputern verarbeiten und weiterleiten. Vgl. Kagermann et al. (2013), S. 17 ff. 114 Vgl. Schäffer/ Weber (2018), S. 44 f. 115 Vgl. Weber/ Schäffer (2016a), S. 9 ff., Schäffer/ Weber (2018), S. 47. <?page no="79"?> 1.5 Kritische Würdigung und Ausblick 79 Prozesse und der Einführung von SSC-Strukturen - zumindest in Großunternehmen - geführt. 116 Daher gewinnen die Themen Self-Controlling und Self Service-Reporting zukünftig an Bedeutung. 117 Beim Thema Digitalisierung werden schwerpunktmäßig zumeist Prozesse in der Produktion, im Vertrieb, im Einkauf oder im Marketing betrachtet. Bei einer Erweiterung auf das Thema Controlling werden Aussagen darüber, was Digitalisierung im Controlling bedeutet, tendenziell ungenauer. H ORVATH & P ARTNERS haben dazu Untersuchungen durchgeführt und ein strukturiertes Bewertungsradar mit vier Clustern aufgestellt, die den Digitalisierungsreifegrad des Controllings darstellen. 118 Die vier Cluster Digital Impacts, Digital Operations, Digital Enablers und Digital Capabilities benennen vier verschiedene Bereiche des Controllings, die der digitalen Transformation unterliegen. Abb. 34: Cluster des digitalisierten Controllings (Quelle: Kirchberg/ Müller (2016), S. 83) Digital Impacts verdeutlicht die steigende Bedeutung des Datenmanagements und der Datenanalyse, wodurch das Reporting in Zukunft viel stärker prognoseorientiert aufgestellt sein wird. Durch die Ableitung von Vergangenheitswerten unter Einbeziehung von zukunftsorientierten Key Performance Indicators (KPIs) können viele Leistungen automatisiert vor- und aufbereitet werden. Das Cluster Digital Operations spricht den Controlling-Prozess an. Einerseits werden Prozesse im Zuge der Digitalisierung automatisiert. Anderseits gewinnen die Shared Service Center, in denen Controlling-Leistungen als Dienstleistung angeboten werden, zunehmend an Bedeutung. Das hat zur Folge, dass auf der einen Seite die traditionellen Controlling- 116 Vgl. KPMG (2013), S. 12 ff. 117 Vgl. Schwarz/ Weber (2014), S. 21. 118 Vgl. auch im Folgenden Kirchberg/ Müller (2016), S. 81 ff. <?page no="80"?> 80 1 Grundlagen des Controllings Abteilungen verschlankt werden und auf der anderen Seite, durch die Automatisierung der Prozesse, die Gesamt-Headcounts bei den SCC reduziert werden. 119 Wesentliche Voraussetzung für die digitale Transformation des Controllings stellt die Einführung der IT und der entsprechenden Tools dar. Diese Instrumente (Digital Enablers) werden im digitalisierten Controlling eine zentrale Rolle spielen und beim operativen Geschäft mit Echtzeit-Informationen unterstützen. Digital Capabilities beschreibt die veränderte Rolle des Controllers im digitalisierten Controlling. Die Mitarbeiter sind wichtig für die Einführung neuer Technologien und Automatisierungstechniken sowie für die Bereitstellung neuer Berichte und Auswertungstools. Jedoch entstehen auch neue Anforderungen an den Controller - sie müssen die neuen Technologien beherrschen und anwenden können. Außerdem ist auch ein Bewusstsein über die Möglichkeiten der Tools für neue Analysewege wichtig. Darüber hinaus wird diskutiert, inwieweit sich durch die Digitalisierung die Rolle des Controllers ändern wird. Als Business Partner muss sich der Controller künftig noch stärker auf die fachlich hochwertigen Tätigkeiten fokussieren. Zudem unterstützt er den gesamten Prozess der digitalen Transformation, die Flexibilisierung des Geschäftsmodells sowie die Implementierung einer neuen Unternehmenskultur. 120 Die Digitalisierung führt außerdem zu einem starken Anstieg der auswertbaren Datenmenge und -vielfalt. Dieses Phänomen wird auch als Big Data bezeichnet und erfordert die Anwendung komplexer statischer und mathematischer Auswertungsmethoden, die unter dem Oberbegriff Business Analytics 121 zusammengefasst werden. Insgesamt werden zusätzliche Kompetenzen von Controllern erwartet, z.B. der Umgang mit komplexen Datenstrukturen, IT-Affinität sowie tiefergehende Kenntnisse der Statistik, Datemodellierung und von Prognoseverfahren. 122 Daher wird diskutiert, ob der Controller zukünftig die Rolle des Data Scientist übernehmen wird oder ob dieser als eigene Stelle in Koexistenz zum bisherigen Aufgabenbereich des Controllers tätig wird. Die Aufgabe des Data Scientist besteht vor allem in der Extraktion, Analyse und Interpretation der für das Management relevanten Informationen aus einem großen und unstrukturierten Datenpool. Der Data Scientist muss demzufolge über gute statistische und mathematische Kenntnisse sowie hohe analytische Fähigkeiten verfügen. Für die Datenmodellierung benötigt er ein profundes Geschäftsverständnis sowie IT-Qualifikationen. Daher wird angenommen, dass zunächst Data Scientist und Controller eher komplementäre Rollen besetzen und daher eng zusammenarbeiten werden. 123 119 Vgl. Kirchberg/ Müller (2016), S. 85 ff. 120 Vgl. Weber/ Schäffer (2016a), S. 14 ff.; Weber/ Schäffer (2017), S. 59. 121 Für detaillierte Informationen zu Business Analytics vgl. Abschnitt 3.3. 122 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2014); Sejdic (2015), S. 132 f.; Becker et al. (2018), S. 84 ff. 123 Vgl. Davenport/ Patil (2012), S. 70 ff.; Baumöl et al. (2017), S. 43 f. <?page no="81"?> Wiederholungsfragen 81 Wiederholungsfragen 1. Nennen und erläutern Sie drei Argumente, weshalb Controlling zur Unterstützung und Qualitätssicherung von Managemententscheidungen notwendig ist. 2. Erläutern Sie den Begriff der Rationalität als Qualitätskriterium für Managemententscheidungen. 3. Erläutern Sie am Beispiel einer Investitionsentscheidung, durch welche Faktoren die Rationalität von Managemententscheidungen eingeschränkt werden kann. 4. Was ist eine Controlling-Konzeption? Nennen und erläutern Sie wesentliche Konzeptionselemente sowie Anforderungen an eine Controlling-Konzeption. 5. Erläutern Sie das Ziel und wesentliche Funktionen eines entscheidungsorientierten Controlling-Ansatzes? 6. Wie kann das Controlling die Rationalität von Entscheidungsprozessen verbessern? Zeigen Sie konkrete Ansätze für Investitionsentscheidungen auf! 7. Erläutern Sie die grundlegenden Controlling-Aufgaben und geben Sie je ein Beispiel! 8. Grenzen Sie die verschiedenen Controlling-Konzeptionen nach geeigneten Kriterien voneinander ab. 9. Nennen Sie jeweils eine Controller-Rolle, welche der informations-, der koordinations- und der rationalitätsorientierten Controlling-Konzeption in besonderem Maße gerecht wird. 10. Warum gibt es verschiedene Controller-Rollen in der Unternehmenspraxis? 11. Grenzen Sie die wesentlichen Rollen des Reporters, Kontrolleurs, Navigators und Business Partners anhand von drei Kriterien voneinander ab. 12. Welche Rollenkonflikte bestehen im Controlling? 13. Diskutieren Sie Vor- und Nachteile einer eigenständigen Controller-Stelle. 14. Wie kann das Controlling vom (externen) Rechnungswesen, dem Finanzmanagement und der Revision abgegrenzt werden? 15. Wie lässt sich das Controlling in die Unternehmenshierarchie einordnen? 16. Erläutern Sie die Aufgabenverteilung zwischen zentralem und dezentralem Controlling. 17. Was versteht man dem Dotted-Line-Prinzip? Was spricht für und was gegen das Dotted-Line-Prinzip? 18. Über welche Kompetenzen sollte ein Controller verfügen? <?page no="82"?> 82 1 Grundlagen des Controllings 19. Erläutern Sie die Funktionsweise und die Vor- und Nachteile von Shared Service Centern (SSC) im Controlling. Welche Controlling-Aktivitäten können in einem SSC durchgeführt werden? 20. Beschreiben Sie basierend auf den Ergebnissen der dritten WHU Zukunftsstudie aus dem Jahr 2017 acht Herausforderungen der „Agenda für ein digitales Controlling“. Lösungshinweise … finden Sie online unter www.uvk.digital/ 9783 8252 8732 0 <?page no="83"?> 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Planung und Kontrolle Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie zwischen verschiedenen Zielarten unterscheiden, beschreiben, wie Unternehmen ihre Ziele bilden und das Zielausmaß festlegen, die Notwendigkeit und Ansätze der Integration von Risiken in das Zielsystem erklären und die Aufgaben des Controllers bei der Zielbildung und -festlegung erläutern. Einstiegsfall: Ziele und Kennzahlen der Konzernstrategie im V OLKS - WAGEN -Konzern Dem Geschäftsbericht des V OLKSWAGEN -Konzerns für 2016 entnehmen Sie folgende Aussagen: „Mit den strategischen Initiativen beschreiben wir den Weg, wie wir unsere Vision erreichen wollen, ein weltweit führender Anbieter nachhaltiger Mobilität zu sein. Dafür haben wir vier Zieldimensionen Begeisterte Kunden, Exzellenter Arbeitsgeber, Vorbild bei Umwelt, Sicherheit und Integrität sowie Wettbewerbsfähige Ertragskraft definiert.“ Die Zieldimensionen werden dabei folgendermaßen konkretisiert: Zieldimension Beschreibung (Auswahl) Strategische Kennzahlen (Auswahl) Begeisterte Kunden Übertreffen der Kundenerwartungen, Generierung eines optimalen Kundennutzens, Gewinnung neuer Kunden und Bindung derzeitiger Kunden Loyalitätsrate, Eroberungsrate, Liegenbleiber Exzellenter Arbeitgeber Förderung der Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter, geringe Fluktuation, Gewinnung neuer Mitarbeiter Interne und externe Arbeitgeberattraktivität, Gleichstellungsindex Vorbild bei Umwelt, Sicherheit und Integrität Verringerung der Schadstoffemissionen, Verbesserung des Carbon Footprints, Verbesserung der Produktsicherheit, Wiederherstellung der öffentlichen Wahrnehmung Dekarbonisierungsindex, Messgrößen zu Emissionen sowie Regeleinhaltung, Prozesssicherheit und Fehlerkultur <?page no="84"?> 84 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Wettbewerbsfähige Ertragskraft Profitables Wachstum, Generierung einer angemessenen Dividende, Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen Operative Rendite, FuE- Quote, Sachinvestitionsquote, Netto-Cash Flow Abb. 35: Ziele des Volkswagen-Konzerns (Quelle: Eigene Erstellung auf der Grundlage von Volkswagen (2017), S 51 ff.) Fragen - Wie kommt der V OLKSWAGEN -Konzern zu seinen Unternehmenszielen? - Um welche Zielarten handelt es sich? - Welche Beziehungen lassen sich zwischen den einzelnen Zielen identifizieren? - Welche Aufgaben übernimmt das Controlling bei der Zielableitung? - Diskutieren Sie anhand des obigen Beispiels das Problem der Glaubwürdigkeit von Unternehmenszielen? - Inwieweit sind derartige Ziele auch für spezialisierte Wettbewerber wie T ESLA , die innerhalb der Branche völlig neue Geschäftsmodelle verfolgen, geeignet? 2.1.1 Begriff, Funktionen und Arten von Zielen Unternehmensziele beschreiben einen anzustrebenden Zukunftszustand einer Organisation. Sie haben folgende Funktionen: 124 Sie sind Ausdrucks des Willens der Shareholder bzw. Stakeholder und damit Kriterien für die Beurteilung des Erfolgs von Managemententscheidungen. Sie dienen der Kommunikation und sind damit Mittel zur Durchsetzung des Willens auf den unterschiedlichen Ebenen der Unternehmenshierarchie. Aus ihnen lassen sich konkrete Handlungsvorhaben für die Manager und Mitarbeiter ableiten und damit deren Verhalten beeinflussen. Dadurch werden die Maßnahmen und Aktivitäten der dezentralen Manager sowie der Mitarbeiter im Unternehmen koordiniert. Sind die Ziele eindeutig operationalisiert und erachten die Mitarbeiter das Zielausmaß als angemessen, können Ziele die Motivation der Mitarbeiter positiv beeinflussen. 125 Sind Ziele durch Kennzahlen operationalisiert, stellen sie eine Grundlage für die Kontrolle und Leistungsbeurteilung des Managements und der Mitarbeiter dar. Die Kontrolle der Zielerreichung bildet ebenfalls die Basis für organisationales Lernen, indem Ursachen von Abweichungen der Zielerreichung analysiert werden. 124 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 70. 125 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 74 ff. <?page no="85"?> 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Planung und Kontrolle 85 Es gibt unterschiedliche Arten von Zielen. Nach ihrem Inhalt lassen sich Sachziele, die konkrete Handlungen bei der Ausübung der verschiedenen Unternehmensfunktionen beschreiben und damit der operativen Unternehmenssteuerung dienen, und Formalbzw. Erfolgsziele, die das übergeordnete Unternehmensziel beschreiben und damit der Bewertung des unternehmerischem Erfolgs dienen, unterscheiden. Es gibt zahlreiche Sach- und Formalziele, wie der folgenden Abbildung zu entnehmen ist: Abb. 36: Übersicht Zielkategorien (Quellen: Thommen et al. (2017), S. 47) Für privatwirtschaftliche Unternehmen stellen i.d.R. Formalzieledie Oberziele da, an denen sich die Sachziele auszurichten haben. Da grundsätzlich eine Knappheit der Ressourcen zur Zielerreichung unterstellt werden kann, lässt sich der Erfolg eines Unternehmens an seiner Wirtschaftlichkeit festmachen. Je nach Betrachtungsebene lässt sich das Wirtschaftlichkeitsziel unterschiedlich konkretisieren. Abb. 37: Facetten der Wirtschaftlichkeit (Quelle: Dellmann/ Pedell (1994), S. 2) <?page no="86"?> 86 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Auf der finanzwirtschaftlichen Ebene lässt sich die Wirtschaftlichkeit durch den Kapitalwert konkretisieren. Der Kapitalwert ist der abgezinste, durch ein Bewertungsobjekt z.B. eine Maschine verursachte Zahlungsstrom- Somit unterstellt der Kapitalwert eine mehrperiodige Betrachtung. Aus güterwirtschaftlicher Sicht wird dagegen i.d.R. eine einperiodige Sichtweise angenommen und Wirtschaftlichkeit als Unternehmensergebnis operationalisiert. Das Unternehmensergebnis lässt sich im externen Rechnungswesen als Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen bzw. in der internen Kosten- und Leistungsrechnung als Differenz zwischen Leistungen und Kosten ermitteln. Auf der Handlungsebene einzelner Prozesse oder Produkte wird Wirtschaftlichkeit durch Produktivitäten oder spezifische Maße wie z.B. Preise, gemessen. Stehen bei der Ableitung der Formalziele die Interessen der Unternehmenseigentümer stark im Vordergrund, so lässt sich noch eine wertorientierte Sichtweise mit dem Unternehmenswert als weiterer Facette der Wirtschaftlichkeit in der obigen Abbildung ergänzen. Dabei basiert der Unternehmenswert auch auf einer finanzwirtschaftlichen Mehrperiodenbetrachtung (vgl. Abschnitt 4.3). Nach dem Ausmaß der Zielverfolgung wird zwischen Extremal- und Satisfizierungszielen unterschieden. Extremalziele lassen sich in Maximierungsziele z.B. Gewinnmaximierung und Minimierungsziele z.B. Kostenminimierung unterteilen. In der Praxis verfolgen Unternehmen aufgrund des Zeitdrucks von Entscheidungen, fehlender Informationen zu Einflussfaktoren auf die Zielerreichung und fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz eher Satisfizierungsziele wie z.B. ein Gewinnwachstum von mindestens 10%. 126 Außerdem lassen sich Ziele nach ihrem organisatorischen Geltungsbereich in Unternehmens-, Bereichs- und Mitarbeiterziele und nach ihrem zeitlichen Bezug in strategische, taktische und operative Ziele unterscheiden. Strategische Ziele weisen häufig einen Zeithorizont von vier Jahren und mehr auf, taktische Ziele beziehen sich auf einen Zeitraum von mehr als einem bis zu vier Jahren und operative Ziele sind häufig Jahresziele. 2.1.2 Prozess der Zielbildung und -festlegung Der Prozess der Zielbildung und -festlegung erfolgt in mehreren Schritten Abb. 38: Prozess der Zielbildung und -festlegung 126 Vgl. Rieg (2015), S. 27 f. <?page no="87"?> 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Planung und Kontrolle 87 Nachfolgend werden die einzelnen Schritte des Prozesses erläutert: 127 [1] Zunächst müssen die relevanten Sach- und Formalziele für das Unternehmen ausgewählt werden. Dabei können zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt werden: 128 • Shareholder-Ansatz: Hier werden die Ansprüche der Eigenkapitalgeber als dominant gegenüber denen der anderen Stakeholder erachtet. Es gibt somit eine Dominanz des Gewinnbzw. Wertziels. • Stakeholder-Ansatz: Hier ist die Befriedigung der Interessen aller Anspruchsgruppen gleichermaßen relevant. Zentrale Stakeholder privatwirtschaftlicher Unternehmen sind neben den Eigentümern das Management und die Mitarbeiter. Darüber hinaus gibt es Satellitengruppen, wie z.B. Banken, Kunden oder Gewerkschaften. Alle diese Stakeholder verfolgen unterschiedliche Interessen und haben damit verschiedene Ansprüche an das Unternehmen. Es gibt kein dominantes Unternehmensziel, sondern es liegt eine Zielpluralität mit unterschiedlich gewichteten Sach- und Formalzielen vor. Während öffentliche Unternehmen durch ihren öffentlichen Auftrag i.d.R. in ihrer Zielauswahl eingeschränkt sind, können sich privatwirtschaftliche Unternehmen ihre Ziele grundsätzlich selbst setzen. Dabei sind Mehrfachzielsetzungen in der Unternehmenspraxis üblich, wobei auch nicht zu viele Ziele parallel verfolgt werden sollten. Selbst in börsennotierten Großkonzernen wie dem V OLKSWA- GEN -Konzern reicht eine Fokussierung auf die Shareholder zur Unternehmensführung nicht mehr aus, um sinnstiftend für die Stakeholder zu agieren. Daher wird oft ein Erfolgs- oder Wertziel als Oberziel sowie soziale und ökologische Ziele als Nebenbedingungen festgelegt. [2] Bei Mehrfachzielsetzungen müssen die Zielbeziehungen bestimmt und die Ziele in einer Zielhierarchie geordnet werden. Dabei wird grundsätzlich zwischen neutralen, komplementären und konfliktären Zielen unterschieden. Ziele mit neutraler Beziehung werden auch als indifferente Ziele bezeichnet. Sie liegen vor, wenn sich Ziele nicht gegenseitig beeinflussen. Bei komplementären Zielen unterstützt die Erreichung eines Ziels die Erfüllung eines anderen. So kann z.B. eine Verbesserung der Servicequalität zu einer höheren Kundenzufriedenheit führen. Oft liegen Mittel-Zweck-Beziehungen zwischen diesen Zielen vor. Bei konfliktären Zielen bewirkt die Erreichung eines Ziels die Minderung eines anderen. So kann eine Verbesserung der Servicequalität zu einer Kostenerhöhung führen. Ist dies der Fall, müssen die Ziele nach ihrer Relevanz für das Unternehmen gewichtet werden. 129 Anschließend müssen die Ziele in einer Zielhierarchie geordnet werden. Dabei können Unterziele zu einem Oberziel zusammengefasst oder Oberziele in Unterziele aufgelöst werden. Zielhierarchien sollten vollständig, überschneidungsfrei und einfach aufgebaut sein. 130 127 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 70 ff.; Thommen et al. (2017), S. 44 ff. 128 Vgl. Fischer et al. (2015), S. 3 f. 129 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 51; Wall (2016), S. 840 ff.; Thommen et al. (2017), S. 48 f. 130 Vgl. Eisenführ et al. (2010), S. 68 f.; Küpper et al. (2013), S. 141 ff. <?page no="88"?> 88 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Problematisch ist, dass Zielbeziehungen auch mit einer zeitlichen Verzögerung auftreten können und nicht immer zeitlich stabil sind. So weisen Aufwendungen für Produktinnovationen zunächst eine konfliktäre Beziehung zum Gewinnziel eines Unternehmens auf, die sich aber bei einer erfolgreichen Markteinführung der Innovation zu einer komplementären Beziehung entwickeln kann. 131 [3] Anschließend müssen der Zielmaßstab und das Zielausmaß bestimmt werden. Der Zielmaßstab legt die Messung der ausgewählten Ziele fest, wobei dazu Kennzahlen und Indikatoren verwendet werden können (vgl. Abschnitt 3.4.4). Für die Messung der Formalziele gibt es i.d.R. geeignete finanzielle Kennzahlen, z.B. den Jahresüberschuss oder die Eigenkapitalrendite, während für die Sachziele nicht-finanzielle Indikatoren i.d.R. nicht in standardisierter Form vorliegen und daher erst definiert werden müssen. So kann z.B. die Kundenzufriedenheit durch die Reklamationsquote oder die Durchschnittsbewertung bei einer Kundenbefragung gemessen werden. Eine mangelnde Zieloperationalisierung birgt die Gefahr der unzureichenden Motivation und des opportunistischen Verhaltens der Manager und Mitarbeiter. 132 Nach der Festlegung des Zielmaßstabs sind für Satisfizierungsziele das angestrebte Ausmaß sowie der zeitliche und organisatorische Bezug festzulegen. Zur Festlegung des Zielausmaßes stehen unterschiedliche Ansätze zur Verfügung: 133 - Zielvorgaben können auf der Fortschreibung von Vergangenheitswerten basieren. Beispielsweise lassen sich die Absatzziele für das Folgejahr aus den realisierten Verkäufen des laufenden Jahres ableiten. Dieses Verfahren ist einfach. Allerdings ist unklar, ob die Zielhöhe in der Vergangenheit angemessen war und keine Puffer eingeplant wurden. Zudem haben Vergangenheitswerte in dynamischen Märkten wenig Aussagekraft für zukünftige Entwicklungen. - Ziele können auf Prognosen basieren (zu Prognoseverfahren vgl. Abschnitt 2.3.5). So könnten die Absatzziele auch aus der prognostizierten Kundennachfrage für das Folgejahr abgeleitet werden. Dafür müssen ein Prognosemodell entwickelt und ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Prognose- und der Zielgröße bekannt sein. Daher ist das Verfahren aufwändig. Zudem ist unklar, inwieweit die Modelle noch für die Zukunft gültig sind. - Ziele können anhand von Vergleichswerten (Benchmarks) anderer Unternehmen abgeleitet werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht ein Lernen von anderen Unternehmen und bietet somit Schutz vor Betriebsblindheit. Allerdings sind Zielgrößen anderer Unternehmen nicht immer verfügbar. Zudem ist vielfach nicht klar, inwieweit die Benchmarks wirklich als Zielvorgaben auf das eigene Unternehmen übertragen werden können (zum Benchmarking vgl. 3.4.5). - Falls die erstgenannten drei Ansätze nicht möglich sind, kann die Zielhöhe auch normativ durch das Management festgelegt werden. Ziele sind dann eher als Visionen aufzufassen, die Manager und Mitarbeiter zu besonderen Leistungen motivieren sollen. Allerdings sind aufgrund des Fehlens objektiver 131 Vgl. Rieg (2015), S. 29. 132 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 75 ff. 133 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 71 ff. <?page no="89"?> 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Planung und Kontrolle 89 Herleitungsgrundlagen Rationalitätsdefizite wahrscheinlicher als bei den anderen Ansätzen. Wird das Zielausmaß zu hoch oder zu niedrig festgelegt, kann dies negative Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation haben. Für eine höhere Akzeptanz der Ziele ist es zudem günstig, die Mitarbeiter bei der Festlegung des Zielausmaßes zu beteiligen. Abb. 39: Motivationshöhe der Zielhöhe (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 76) Abschließend müssen noch der Zeit- und der Organisationsbezug für die Ziele festgelegt werden. Der Zeitbezug umfasst die Festlegung des Zieltermins, während der Organisationsbezug den Verantwortlichen für die Zielerreichung und den regionalen bzw. organisatorischen Geltungsbereich des Ziels bestimmt. Die folgende Abbildung fasst die wichtigsten Kriterien zur Zielfestlegung zusammen. Zielmerkmale Fragestellung Beispiel Zielinhalt Was soll erreicht werden? Erhöhung des Marktanteils Zielmaßstab Wie soll das Ziel gemessen werden? Eigener Umsatz in Relation zum Marktvolumen Zielausmaß Wie viel soll erreicht werden? +5% Zieltermin Wann soll es erreicht werden? Bis Dezember 2017 Zielverantwortung Wer ist für die Zielerreichung verantwortlich? Geschäftsleiter Vertrieb Zielort Wo soll das Ziel erreicht werden? Ländermarkt China Abb. 40: Merkmale operationalisierter Ziele (Quelle: Friedl (2013), S. 253; Dillerup/ Stoi (2016), S. 126) <?page no="90"?> 90 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Die Unternehmensziele werden in einem Zielsystem verdichtet und kommuniziert. 2.1.3 Integration von Risikozielen in die Zielhierarchie Da in der Unternehmenspraxis Entscheidungen durch eine Vielzahl unsicherer Faktoren beeinflusst und damit i.d.R. unter Unsicherheit getroffen werden, ist auch die Erreichung von geplanten Zielen unsicher. Das Controlling entwickelt i.d.R. Prognosen für die unsicheren Einflussfaktoren, die dann als Prämissen in den Entscheidungsprozess eingehen. Negative Abweichungen von diesen Prämissen können jedoch die Erreichung der geplanten Ziele gefährden und stellen somit Risiken für das Unternehmen da. Positive Abweichungen sind Chancen, die vom Unternehmen erkannt und wahrgenommen werden müssen. Ein für die Erreichung eines Ziels verantwortlicher Manager muss also im Rahmen der Zielfestlegung bestimmen, welches Anspruchsniveau er an die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zielerreichung erhebt und welche potenziellen Zielabweichungen er akzeptiert. Dabei besteht ein Trade-off zwischen dem geplanten Zielausmaß, der Eintrittswahrscheinlichkeit der Zielerreichung und der Höhe möglicher Zielabweichungen. Die Festlegung der Eintrittswahrscheinlichkeit der Zielerreichung und die Höhe der akzeptierten Zielabweichung sind dabei abhängig von der Risikoneigung des Entscheiders. 134 Das folgende Beispiel soll die Zusammenhänge verdeutlichen: Fallbeispiel Ein Manager hat die Auswahl zwischen zwei Investitionsalternativen A und B. Die folgende Tabelle gibt zentrale Kennzahlen beider Investitionsalternativen wieder: Kennzahl Alternative A Alternative B Geplanter Kapitalwert 1.000.000 € 1.500.000 € Eintrittswahrscheinlichkeit 50% 40% Kapitalwert (worst case) 800.000 € -100.000 € Kapitalwert (best case) 1.100.000 € 2.000.000 € Abb. 41: Vergleich zweier Investitionsalternativen Wird als alleiniges Entscheidungskriterium der geplante Kapitalwert herangezogen, werden alle Entscheider die Alternative B der Alternative A vorziehen. Unklar ist aber, ob der Kapitalwert, der auf unsicheren Ein- und Auszahlungen basiert, überhaupt erreicht werden kann. Die Eintrittswahrscheinlichkeit gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Entscheider mit der tatsächlichen Realisation des geplanten Kapitalwertes rechnet. Dem Beispiel ist zu entnehmen, dass der geplante Kapitalwert der Alternative A mit einer höheren Eintrittswahrscheinlichkeit im Vergleich zur Alternative B realisiert werden kann. 134 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 141. <?page no="91"?> 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Planung und Kontrolle 91 Das Risiko, den geplanten Kapitalwert nicht zu erreichen, ist also bei A geringer als bei B. Ist darüber hinaus der Kapitalwert in der schlechtesten Konstellation der Einflussfaktoren (worst case) sowie in der besten Konstellation (best case) bekannt, ergibt sich ein differenziertes Bild. Für Alternative B sprechen der höhere erwartete Kapitalwert und die Chance auf eine positive Abweichung vom geplanten Kapitalwert von 500.000 €, für Alternative A die höhere Eintrittswahrscheinlichkeit des geplanten Kapitalwertes sowie die Vermeidung eines negativen Kapitalwerts im worst case. Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit der Alternativen hängt von der Risikoneigung des Managers ab. Eher risikoscheue Entscheider werden Alternative A bevorzugen, wogegen risikofreudige Manager von den mit B verbundenen Chancen profitieren möchten. Zudem hängt die Auswahl von der Risikotragfähigkeit des Unternehmens ab, da der mit Alternative B verbundene Verlust nicht zu einer Insolvenz des Unternehmens führen darf. Abb. 42: Risikobegriff (Quelle: Vanini/ Weinstock (2006), S. 380) Zur Ableitung von Kriterien für die Beurteilung unsicherer Ziele müssen folglich Risikoziele in das Zielsystem integriert werden. Ein Risiko ist die Möglichkeit einer positiven (Chance) oder negativen Abweichung (Risiko i.e.S.) von den geplanten Zielen eines Unternehmens aufgrund eines Ereignisses oder einer Entscheidung des Managements. Dabei kann es sich sowohl um finanzielle Ergebnisziele, z.B. den Jahresüberschuss, das Betriebsergebnis oder den Cash Flow, als auch nicht-finanzielle <?page no="92"?> 92 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Sachziele, z.B. das Unternehmens-Image, handeln. Risiken können durch ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und ihre möglichen Abweichungen vom geplanten Zielwert (Schadensausmaß) beschrieben werden. 135 Wenn im Folgenden von Risiken gesprochen wird, wird stets ein Risikobegriff i.w.S. verwendet. Die Elemente des Risikobegriffs werden in der vorangegangenen Abbildung 42 zusammengefasst. Die o.g. Definition berücksichtigt, dass Risiken bewusst eingegangen werden, um Chancen zu realisieren. Daher ist es für die Unternehmensführung notwendig, bei einer Entscheidung Chancen und Risiken abzuwägen. Die Vernachlässigung von Chancen birgt die Gefahr der übermäßigen Risikovermeidung. Dies kann dazu führen, dass Chancen nicht erkannt und damit nicht ergriffen werden, was wiederum den zukünftigen Erfolg und damit die Existenz des Unternehmens gefährden kann. Zudem stellt die Definition auf die Messbarkeit von Risiken ab, da die Risikobewertung anhand von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß eine wichtige Voraussetzung für die Risikosteuerung ist. Die Notwendigkeit zur Integration von Risikozielen in das Zielsystem des Unternehmens lässt zumindest für das Top-Management von Kapitalgesellschaften darüber hinaus aus zahlreichen gesetzlichen und quasi-gesetzlichen Anforderungen ableiten: 136 So fordert das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) im § 91 Abs. 2 AktG vom Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit bestandsgefährdende Entwicklungen eines Unternehmens rechtzeitig erkannt werden. Dabei ist der Bestand eines Unternehmens durch bei Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gefährdet. Zudem muss die Geschäftsführung gemäß § 93 Abs. 1 AktG ihre Entscheidungen auf angemessene Informationen basieren, um persönliche Haftungrisiken auszuschließen (Business Judgement Rule). Bei Entscheidungen unter Unsicherheit müssen daher Risikoinformationen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Der Prüfungsstandard IDW PS 340 des Instituts der Wirtschaftsprüfer nennt die Ableitung einer Risikostrategie als wesentlichen Bestandteil des Risikomanagementsystems (RMS) eines Unternehmens. In der Risikostrategie wird ausgehend von der Risikotragfähigkeit des Unternehmens dessen Risikoappetit sowie -toleranz festgelegt. Während die Risikotragfähigkeit die maximale Höhe möglicher Risiken beschreibt, die gerade nicht zur einer Bestandsgefährdung des Unternehmens führen, messen der Risikoappetit die Bereitschaft des Unternehmens zur Risikoübernahme und die Risikotoleranz die maximal tolerierten Abweichungen von den geplanten Unternehmenszielen. Risikoziele lassen sich gleichberechtigt als Hauptziele neben die Formalziele in das Zielsystem integrieren. Alternativ können sie entsprechend des Ziels der Liquiditätssicherung als strenge Nebenbedingung für die Erreichung der Hauptziele formu- 135 Vgl. Vanini (2012), S. 10. 136 Vgl. Gleißner/ Wolfrum (2017), S. 77 f.; Gleißner (2018a), S. 2769 ff. <?page no="93"?> 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Planung und Kontrolle 93 liert werden. Zudem müssen die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß möglicher positiver wie negativer Zielabweichungen abgeschätzt werden, um dem Management eine möglichst vollständige Entscheidungsgrundlage zu liefern. Anhaltspunkte für das zulässige Zielausmaß sind das vorhandene Risikodeckungspotenzial des Unternehmens zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit und das angestrebte Risiko-Chancen- Profil, das sich u.a. aus den Erfolgszielen und der Risikoneigung der Unternehmenseigentümer herleiten lässt. 137 Abb. 43: Integration von Risikozielen in die Unternehmenssteuerung (Quelle: Kremers (2002), S. 75). Anschließend sind die Risikoziele durch geeignete Kennzahlen messbar zu machen (zu möglichen Risikokennzahlen vgl. Abschnitt 3.4.4.4.). 2.1.4 Aufgaben des Controllers bei der Zielbildung und -festlegung Zunächst gingen Controlling-Konzeptionen davon aus, dass der Controller sich - auch aufgrund seiner historischen Entwicklung aus dem Rechnungswesen auf die Festlegung, Planung und Kontrolle der Formalziele fokussiert. H ORVÁTH spricht in diesem Zusammenhang auch von der Ergebniszielorientierung des Controllings. Da sich Controlling auch in öffentlichen Unternehmen und Non-Profit-Unternehmen etabliert hat 138 und zudem in vielen privatwirtschaftlichen Unternehmen aufgrund einer zunehmenden Stakeholder-Orientierung neben die Formalziele auch soziale und ökologische Ziele getreten sind, unterstützt der Controller nach moderner Auffassung das Management sowohl bei der Steuerung klassischer Formalziele wie auch nicht-finanzieller Sachziele. 139 Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung eines Nachhaltigkeitscontrollings und einer Berichterstattung im Geschäftsbericht vieler 137 Vgl. Vanini (2012), S. 114 ff.; Vanini (2016a), S. 291 f. 138 Aufgrund des medizinischen Fortschritts, des demografischen Wandels und knapper Ressourcen spielt das Controlling z.B. im Gesundheitswesen eine große Rolle. Vgl. u.a. Lachmann et al. (2016). Auch kirchliche Einrichtungen und Köster implementieren mittlerweile ein Controlling. Vgl. Feldbauer-Durstmüller/ Niederwimmer (2016). 139 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 51. <?page no="94"?> 94 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe großer Konzerne, wie z.B. L UFTHANSA oder DHL. 140 Dabei treten ökologische und soziale Ziele gleichberechtigt neben die ökonomischen Ziele des Unternehmens (Triple-Bottom-Line-Ansatz). Eine nachhaltige Zielerreichung ist nur dann gegeben, wenn alle drei Zieldimensionen dauerhaft erfüllt werden. 141 Die Entscheidungsunterstützungsaufgaben des Controllers können anhand des Prozesses der Zielbildung und -festlegung wie folgt strukturiert werden: [1] Während der Zielbildung führt der Controller Shareholder- und Stakeholderanalysen durch, um die Ziele der diversen Interessensgruppen zu ermitteln und daraus Unternehmensziele abzuleiten. [2] Anschließend analysiert und identifiziert er komplementäre Zielbeziehungen und Zielkonflikte. Bei Zielkonflikten gibt es mehrere Lösungsansätze: 142 - Ein Ziel wird zum dominanten Ziel erklärt und die konfliktären Ziele werden vernachlässigt (Zielunterdrückung). - Es wird ein Anspruchsniveau für ein Ziel festgelegt. Das Zielausmaß des konkurrienden Ziels wird dann unter der Nebenbedingung der Sicherstellung des Anspruchsniveaus optimiert. - Die konfliktären Ziele werden nach ihrer Relevanz gewichtet (Zielkompromiss). [3] Anschließend erarbeitet der Controller Vorschläge für Zielhierarchien. Dabei bilden die komplementäre Ziele Ansatzpunkte zur Ableitung von Mittel-Zweck- Hierarchien. Beispielsweise trägt das Ziel der Kosteneinsparung zum Ziel der Gewinnsteigerung bei, die Zielerreichung einzelner Geschäftsbereiche unterstützt die Zielerreichung des gesamten Unternehmens. 143 Die Aufstellung von Zielhierarchien ist insbesondere bei einem Stakeholder-orientierten Ansatz aufgrund der Mehrfachzielsetzung ein komplexes Unterfangen. 144 Die Auswahl einer Zielhierarchie erfolgt dann durch das Top-Management gemeinsam mit den rechtsformspezifischen Kontrollorganen, z.B. dem Aufsichtsrat. Zur Sicherstellung der Rationalität überprüft der Controller, ob die ausgewählte Zielhierarchie die Qualitätskriterien der Vollständigkeit, Operationalität, Überschneidungsfreiheit bzw. Widerspruchsfreiheit sowie Einfachheit und Strukturiertheit erfüllt. 145 Abschließend bricht der Controller die Zielhierarchie auf einzelne Organisationseinheiten im Unternehmen herunter, damit diese die Ziele auch im Rahmen ihrer Planung und Steuerung verwenden können. Zudem muss die Aktualität der Zielhierarchie regelmäßig überprüft werden. [4] Anschließend sind die Formal- und Sachziele durch geeignete Kennzahlen und Indikatoren messbar zu machen, damit für diese im Rahmen der Planung Sollwerte für zukünftige Perioden festgelegt und im Rahmen der Kontrolle die 140 Vgl. ICV (2011), S. 32 f. 141 Vgl. Vollmar (2016), S. 804 ff. 142 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 143 ff. 143 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 34 ff. 144 Zu Aufgaben und Ansätze eines Stakeholder-Controllings vgl. Wall (2016). 145 Vgl. Rieg (2015), S. 29. <?page no="95"?> 2.1 Ziele als Ausgangspunkt der Planung und Kontrolle 95 Zielerreichung auch überprüft werden kann (zur Ableitung von Kennzahlen vgl. Abschnitt 3.4.4.). Die Festlegung des Zielausmaßes erfolgt im Rahmen der strategischen und operativen Unternehmensplanung und Budgetierung (vgl. Abschnitt 2.3.6). Daher werden typische Controller-Aufgaben auch dort erläutert. Insgesamt sollten Ziele die sogenannten SMART-Kriterien erfüllen, d.h. sie sollten spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch und terminiert sein. 146 [5] Abschließend überprüft der Controller im Rahmen der Rationalitätssicherung, ob für einzelne Managemententscheidungen die relevanten Entscheidungskriterien aus dem Zielsystem des Unternehmens abgeleitet wurden bzw. zu diesem konsistent sind. Lösungshinweise zum Einstiegsfall Der V OLKSWAGEN -Konzern verwendet verschiedene Dimensionen in seinem Zielsystem. Daher verfolgt er einen Stakeholder-orientierten Ansatz zur Ableitung seiner Unternehmensziele. In der Zieldimension „wettbewerbsfähige Ertragskraft“ verwendet V OLKS- WAGEN hauptsächlich Formalziele, z.B. profitables Wachstum oder Generierung einer angemessenen Rendite. In den anderen Dimensionen werden dagegen vor allem Sachziele eingesetzt, z.B. Übertreffen der Kundenerwartungen oder Förderung der Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter. Es gibt sowohl komplementäre Zielbeziehungen wie z.B. die Gewinnung neuer Kunden und profitables Wachstum, als auch konfliktäre Zielbeziehungen, z.B. die Verringerung der Schadstoffemissionen und eine angemessene Dividende. Der Controller unterstützt in allen Phasen der Zielbildung und -festlegung. Im Rahmen der Zielauswahl führt er beispielsweise Stakeholder-Analysen durch, analysiert Zielbeziehungen und macht Vorschläge für Zielhierarchien. Bei der Bestimmung des Zielmaßstabs und -ausmaßes schlägt er geeignete Kennzahlen zur Zieloperationalisierung vor, bricht diese auf die gesamte Organisation herunter und unterstützt das Management bei der Planung des Zielausmaßes. Ziele müssen glaubwürdig sein, um die Stakeholder eines Unternehmens positiv zu beeinflussen. Glaubwürdigkeit heißt in diesem Zusammenhang, dass das Unternehmen Maßnahmen zur Zielerreichung durchführt. Das Beispiel V OLKSWAGEN zeigt, dass die Glaubwürdigkeit ausgewählter Ziele, z.B. für die Dimension „Vorbild bei Umwelt, Sicherheit und Integrität“, v.a. anhand der praktischen Umsetzung zu messen ist. Unternehmensziele hängen von Faktoren wie den rechtlichen Rahmenbedingungen, der Eigentümerstruktur oder dem Geschäftsmodell ab und müssen unternehmensindividuell festgelegt werden. Daher lassen sich Unter- 146 Vgl. Dillerup/ Stoi (2016), S. 128. <?page no="96"?> 96 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe nehmensziele auch innerhalb einer Branche nicht ohne weiteres auf andere Unternehmen übertragen werden. So verfolgt ein relativ junges Unternehmen wie T ESLA mit einem anderen Geschäftsmodell vor allem Wachstumsziele, wie z.B. die Gewinnung neuer Kundengruppen und den Aufbau einer stabilen und effizienten Massenproduktion. 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Begriffe Planung und Kontrolle definieren und verschiedene Arten voneinander abgrenzen, wesentliche Funktionen der Planung und Kontrolle erklären, die Inhalte eines Plans beschreiben, Planungs- und Kontrollträger benennen und die Aufgaben des Controllers bei der Planung und Kontrolle erläutern. 2.2.1 Begriffsabgrenzung, Prozess, Funktionen und Arten der Planung Einstiegsfall: Unternehmensplanung bei der Grunwaldt GmbH Bis jetzt werden die künftigen Aktivitäten der Grunwaldt GmbH weder systematisch geplant noch kontrolliert. Daher schlagen Sie Herrn Grunwaldt vor, ein Planungs- und Kontrollsystem zur systematischen Umsetzung seiner Wachstumsstrategie zu implementieren. Herr Grunwaldt ist skeptisch und meint: „Planung ersetzt den Zufall durch Irrtum.“ Erläutern Sie Herrn Grunwaldt, was unter Planung zu verstehen ist und überzeugen Sie ihn vom Nutzen einer Planung. Welche Planungen würden Sie in der Grunwaldt GmbH einführen? Durch eine Planung werden Handlungsalternativen, z.B. die Produktionsmenge des Folgejahres, die sie begrenzenden internen und externen Rahmenbedingungen und ihre Wirkung auf die Unternehmensziele systematisch analysiert. Interne Rahmenbedingungen sind z.B. die Produktionskapazitäten eines Unternehmens, externe Rahmenbedingungen sind die Nachfrageentwicklung und das Wettbewerbsverhalten. Durch die Planung wird die Alternative mit dem höchsten Zielerreichungsbeitrag ausgewählt. 147 147 Vgl. Hahn/ Hungenberg (2001), S. 45 sowie S. 61, Delfmann/ Reihlen (2002), S. 1440, Küpper et al. (2013), S. 131. <?page no="97"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 97 Aktiengesellschaften sind durch § 90 AktG zur Unternehmensplanung gesetzlich verpflichtet, da der Vorstand den Aufsichtsrat über die Grundlagen der Finanz-, Investitions- und Personalplanung sowie die Ergebnisentwicklung informieren muss. Existiert bei Unternehmen mit anderen Rechtsformen ein dem Aufsichtsrat entsprechendes Kontrollorgan, ist ebenfalls von einer Rechtspflicht zur Unternehmensplanung auszugehen. Zudem ist die Unternehmensplanung eine notwendige Voraussetzung für die Erstellung des Prognose- und Risikoberichts in der Lageberichterstattung sowie für die Kapitalmarktkommunikation mit Investoren und Kreditgespräche mit Banken. 148 Die Planung weist folgende Merkmale auf: 149 Sie dient der Festlegung zukünftiger Sollzustände des Unternehmens und ist damit die Grundlage für die Unternehmenssteuerung (Zielorientierung der Planung). Sie basiert auf Informationen über das Unternehmen und seine Umwelt (Informationscharakter der Planung). Sie ist unsicher, da sich die Informationen auf die Zukunft beziehen und daher prognostiziert werden müssen (Unsicherheit der Planung). Sie ist ein komplexer Informationsverarbeitungs- und Problemlösungsprozess und folgt einem Phasenschema (Prozesscharakter der Planung). Sie versucht, Probleme bei der Erreichung der geplanten Unternehmensziele zu erkennen und Lösungsalternativen zu entwickeln (Gestaltungscharakter der Planung). Sie basiert auf Reflexion, d.h. die unterschiedlichen Handlungsalternativen werden systematisch analysiert und bewertet (Rationalität der Planung). Sie dient der Willensdurchsetzung, da sie die Grundlage für die Aufgabenübertragung durch Zielvorgaben oder Arbeitsanweisungen ist (Führungscharakter der Planung). Sie muss selbst geplant werden (Meta-Planung). Der Planungsprozess hat mehrere Phasen (vgl. Abb. 44): 150 Zunächst muss die Planung selbst geplant werden (Meta-Planung). Dabei werden die Pläne und Planinhalte, die Planungsverantwortlichen (Planungsträger), der Planungsprozess und die Planungsinstrumente festgelegt. Zu dieser Phase kommt es nur, wenn eine Planung im Unternehmen eingeführt oder überarbeitet wird. Anschließend werden die Unternehmensziele festgelegt (Zielplanung). Jetzt werden die Ziele, die angestrebte Zielhöhe sowie der zeitliche Bezug definiert. Bei Mehrfach- 148 Vgl. Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) (2009), S. 9 f.; Fischer et al. (2015), S. 76 f. 149 Vgl. Hirsch et al. (2005), S. 251 f.; Friedl (2013), S. 119; Küpper et al. (2013), S. 131; Horváth et al. (2015), S. 69; Weber/ Schäffer (2016), S. 269 f. 150 Vgl. Delfmann/ Reihlen (2002), S. 1442 ff.; Friedl (2013), S. 123 ff.; Küpper et al. (2013), S. 132 ff.; Horváth et al. (2015), S. 70. <?page no="98"?> 98 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 44: Planungsphasen zielen werden Zielkonflikte aufgezeigt und die Ziele in ein Zielsystem eingeordnet (vgl. Abschnitt 2.1). Dann werden die externen und internen Rahmenbedingungen, die das Unternehmen während der Planungsperiode nicht beeinflussen kann, bestimmt (Planungsprämissen). Es werden Planalternativen entwickelt und auf ihre Realisierbarkeit analysiert (Alternativenplanung). Danach werden die Auswirkungen der Planalternativen auf die Ziele untersucht, die notwendigen Ressourcen und ihre Realisierungsdauer analysiert sowie Umsetzungsverantwortliche festgelegt. Dabei müssen auch die Risiken der verschiedenen Planalternativen untersucht werden. Es wird eine Rangfolge der Alternativen aufgestellt und die Alternative mit dem höchsten Zielbeitrag ausgewählt (Alternativenbewertung). Werden die Unternehmensziele durch keine Alternative erreicht, muss das Zielausmaß angepasst werden. Die Planung hat zahlreiche Funktionen (vgl. Abb. 45). Funktion Erläuterung Komplexitätsreduktion Durch Planungen werden mögliche Umweltentwicklungen auf bestimmte Erwartungen verdichtet und die Zahl der Planalternativen reduziert. Dokumentations- und Informationsfunktion Die Planung dokumentiert den Willen der Unternehmensführung über die zu erreichenden Ziele und die notwendigen Maßnahmen und Ressourcen. Sie dient somit der Information der Mitarbeiter. <?page no="99"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 99 Prognosefunktion Durch die Planung wird die voraussichtliche Unternehmensentwicklung vorhergesagt. Zielsetzungs- und Steuerungsfunktion Die Planvorgaben dienen den verantwortlichen Mitarbeitern als Zielwerte. Sie richten ihr Handeln nach ihnen aus. Anreiz- und Motivationsfunktion Die Planung stimmt die individuellen Ziele der Mitarbeiter mit denen des Unternehmens ab. Realistische Ziele motivieren die Mitarbeiter. Sind die Planziele Teil des Vergütungssystems, übt die Planung zudem eine Anreizfunktion aus. Koordinationsfunktion Bei der Planerstellung müssen sich die Manager über Abteilungen und Hierarchieebenen hinweg z.B. in Bezug auf die Verwendung der knappen Ressourcen abstimmen. So werden Bereichsegoismen vermieden. Risikoreduktions bzw. Flexibilitätserhöhung Durch die Planung werden mögliche Planverfehlungen (Risiken) frühzeitig erkannt, Gegenmaßnahmen angestoßen und somit Handlungsspielräume für das Management geschaffen. Optimierungsfunktion Die Planung unterstützt die Auswahl der Alternative, die die Unternehmensziele am besten erfüllt. Abb. 45: Funktionen der Planung (Quelle: In Anlehnung an Friedl (2013), S. 121 f.; Horváth et al. (2015), S. 69; Fischer et al. (2015), S. 65 f.) Es gibt unterschiedliche Arten von Planungen. Kriterium Ausprägungen Planungsinhalt Sachzielplanung Formalzielplanung Planungsbezug Unternehmensplanung Teilbereichsplanung Projektplanung Flexibilität bei der Plananpassung starre Planung flexible Planung Planungstiefe Grobplanung Feinplanung Planungszeitraum langfristige Planung mittelfristige Planung kurzfristige Planung Wirkungsreichweite strategische Planung taktische Planung operative Planung Abb. 46: Systematisierung von Planungen Nach dem Planungsinhalt können Sach- und Formalzielplanungen unterschieden werden. Sachzielplanungen sind Planungen nicht-monetärer Unternehmensziele, wie z.B. von Beschaffungs-, Absatz- und Produktionsmengen, während Formalzielplanungen die monetären Wirkungen, z.B. Umsätze oder Kosten, quantifizieren. Der Planungsbezug legt fest, auf welchen Unternehmensbereich sich die Planung bezieht, z.B. das Unternehmen, Teilbereiche oder Projekte. <?page no="100"?> 100 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Nach der Flexibilität bei der Plananpassung wird zwischen starrer und flexibler Planung unterschieden. Bei einer starren Planung wird unabhängig von der tatsächlichen Umweltentwicklung ein einziger Plan aufgestellt und bis zum Ende der Planperiode beibehalten. Auch bei veränderten Umweltbedingungen, z.B. einem Nachfrageeinbruch, und damit nicht mehr gültigen Prämissen wird der Plan nicht angepasst. Bei flexiblen Plänen werden die Zielgrößen als Funktion der Planungsprämissen geplant. Der Plan wird dann an die tatsächliche Entwicklung der Rahmenbedingungen angepasst. So kann z.B. der Absatzplan als Funktion der Nachfrage aufgestellt werden. 151 Zum Nachdenken! Würden Sie als Controller der Grunwaldt GmbH der Unternehmensleitung eine flexible oder eine starre Planung empfehlen? Welche Argumente sprechen für die eine oder für die andere Planungsart? Zu welchem Schluss kommen Sie? Bei der Planungstiefe wird zwischen Grob- und Feinplanung unterschieden. 152 Während bei einer Feinplanung alle Aspekte des Planungsproblems detailliert festgelegt werden, ist der Detaillierungsgrad bei der Grobplanung eher gering. Beim Planungszeitraum wird zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Planungen unterschieden, wobei kurzfristig einen Planungszeitraum von einem Jahr, mittelfristig einen Zeitraum bis zu fünf Jahren und langfristig einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren umfasst. Der Planungszeitraum ist nicht mit der Wirkungsreichweite identisch. Es besteht aber ein Zusammenhang zwischen den Größen. 153 Bei der Wirkungsreichweite wird zwischen strategischer, taktischer und operativer Planung unterschieden. Bei der strategischen Planung werden die grundsätzliche Entwicklung des Unternehmens über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren geplant und Grundsatzziele sowie Mittel festgelegt, wie die unternehmenseigenen Ressourcen und Kompetenzen in marktfähige Produkte und Dienstleistungen transformiert werden sollen. Ziel der strategischen Planung ist es, langfristig den Unternehmensfortbestand und -erfolg zu sichern. Dabei soll ein strategischer Fit zwischen den Anforderungen der Unternehmensumwelt und den Kernkompetenzen und Strukturen des Unternehmens hergestellt werden. Beispiele für strategische Planungsentscheidungen sind die Entwicklung der Kernkompetenzen, die grundsätzliche Gestaltung der eigenen Wertschöpfungskette sowie die Wahl einer Markt- und Produktstrategie. Die strategische Planung ist die oberste hierarchische Ebene des betrieblichen Planungssystems. Sie gehört zu den originären, nicht delegierbaren Führungsentscheidungen und ist die Grundlage für alle Entscheidungen auf der taktischen und operativen Ebene. Während eine Langfristplanung auf der Struktur und den Inhalten der Mittelfristplanung basiert und diese im Extremfall lediglich über einen längeren 151 Vgl. Scholl et al. (2004), S. 158. 152 Vgl. Hahn/ Hungenberg (2001), S. 80. 153 Vgl. Egger (2002), S. 1450 f. <?page no="101"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 101 Zeitraum fortschreibt, unterscheiden sich strategische und taktische Planung durch Inhalt und Aufbau. 154 Die taktische Planung wird aus der strategischen Planung abgeleitet. Dabei werden operationale Ziele für das Unternehmen und seine Teilbereiche sowie Maßnahmen und Ressourcen zur Umsetzung der Unternehmensstrategie bestimmt. Beispiele für taktische Planungen sind die Festlegung des Produktionssowie des Investitions- und Finanzierungsprogramms sowie die Planung der Kapazitätsauslastung. Im Gegensatz zur strategischen und operativen Planung gibt es kaum Literatur zur taktischen Planung. Teilweise werden die Begriffe Mittelfristplanung und taktische Planung synonym verwendet. Zwar erstreckt sich die taktische Planung auch auf einen Planungshorizont bis zu fünf Jahren, wird aber aus der strategischen Planung abgeleitet, während die Mittelfristplanung lediglich die operative Planung und Budgetierung fortschreibt. 155 Die operative Planung konkretisiert die taktische Planung und legt die Betriebsabläufe des Planjahres im Rahmen der Kapazitäten fest. Die operative Planung besteht aus unterschiedlichen Sachzielplanungen, z.B. der Absatz-, Produktions- und Beschaffungsplanung, und daraus abgeleiteten Formalzielplanungen, z.B. der Budgetierung. Die Ergebnisse der operativen Planung sind die Planerfolgsrechnung, die Planbilanz sowie der Finanz- und Liquiditätsplan. Die Jahresplanung ist in Teilperioden zu zerlegen, die die Grundlage für die unterjährige Kontrolle bilden. 156 Die folgende Abbildung fasst wesentliche Merkmale der strategischen, taktischen und operativen Planung zusammen. Merkmale Strategische Planung Taktische Planung Operative Planung Entscheidungsebene Unternehmensführung Mittleres Management Unteres Management Zielgrößen (Beispiele) überwiegend qualitative Ziele • Erfolgspotenziale • Bestimmungsgrößen des Gewinns eher quantitative Ziele • Produktziele • Zahlungsfähigkeit • mehrperiodige Erfolgsziele, z.B. Kapitalwerte quantitative Ziele • Produktions- und Absatzziele, z.B. Auslastung • einperiodige Erfolgs- und Kostenziele • Liquiditätsziele Planungshorizont langfristig, häufig fünf bis zehn Jahre mittelfristig, häufig zwei bis fünf Jahre kurzbis mittelfristig (ein Jahr) Unsicherheit relativ hoch mittel relativ gering 154 Vgl. Delfmann/ Reihlen (2002), S. 1447; Egger (2002), S. 1451; Küpper et al. (2013), S. 136 f.; Horváth et al. (2015), S. 107 ff.; Fischer et al. (2015), S. 61; Weber/ Schäffer (2016), S. 274 ff. 155 Vgl. Hirsch et al. (2005), S. 249 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 275. 156 Vgl. Delfmann/ Reihlen (2002), S. 1447; Egger (2002), S. 1452 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 275. <?page no="102"?> 102 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Variablen und Alternativen (Beispiele) • Produkt- und Marktstrategien inklusive Marktanteile • Geschäftsfelder • Standorte • Kernkompetenzen • Produktionsprogramm • Investitions- und Finanzierungsprogramme • Personalausstattung • Kapazitätsausstattung • Ablaufplanung • Losgrößenplanung • Bestellmengenplanung • Budgetierung charakteristische Merkmale • gesamtunternehmensbezogen • hohes Abstraktionsniveau • hoher Planungsumfang, geringe Detaillierung und Vollständigkeit • funktionsbezogen • mittleres Abstraktionsniveau • mittlerer Planungsumfang, zunehmende Detaillierung und Vollständigkeit • durchführungsbezogen • niedriges Abstraktionsniveau • geringer Planungsumfang, starke Detaillierung, weitgehende Vollständigkeit Abb. 47: Merkmale der strategischen, taktischen und operativen Planung (Quelle: Egger (2002), S. 1453 f.; Küpper et al. (2013), S. 137; Fischer et al. (2015), S. 61 f.) Zur Unterstützung der verschiedenen Planungsarten werden unterschiedliche Controlling-Instrumente eingesetzt. So sind beispielsweisen Lebenszyklus- und Portfolioanalysen Grundlage der strategischen Planung, während die taktische Planung durch Investitionsrechnungen und die operative Planung durch Break-even-Analysen unterstützt. Am Ende der Planung steht der der Plan, der über die Ergebnisse der Planung informiert und ein Instrument der Willensdurchsetzung ist (vgl. Abb. 48). Elemente Definition Frage Bestimmung durch Beispiel Ziele angestrebtes Ergebnis und der Zeitpunkt, wann es erreicht wird Was? Bis wann? Entscheidung Formalziel: Gewinn des Folgejahres Sachziel: Absatzmenge des Folgequartals Annahmen externe und interne Einflussgrößen auf Ziele und Zulässigkeit von Alternativen Unter welchen Bedingungen? Prognose externe Einflussgrößen: prognostizierte Nachfrage Interne Einflussgrößen: Produktionskapazitäten Maßnahmen Aktionen zur Erreichung der geplanten Ziele Wie? Entscheidung Werbebudgets zur Erreichung der Absatzziele <?page no="103"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 103 Ressourcen Personal, Sach- und Finanzmittel zur Maßnahmenrealisation Womit? Prognose, Entscheidung Anzahl und Qualifikation der benötigten Mitarbeiter Termine Realisationszeitpunkte der Maßnahmen Wann? Prognose, Entscheidung Zeitpunkt bis zur Durchführung geplanter Schulungen Träger Verantwortlichkeiten für die Maßnahmen und Ziele Wer? Prognose, Entscheidung Vertriebsleiter für die Absatzziele Ergebnisse Wirkungen der Maßnahmen auf die Ziele Welche Wirkung? Prognose Steigerung des Marktanteils um 10% Abb. 48: Planbestandteile (Quelle: In Anlehnung an Friedl (2013), S. 120 f.; Horváth et al. (2015), S. 70) Lösungshinweise zum Einstiegsfall Damit können Sie Herrn Grunwaldt mitteilen: Durch eine Planung werden die Unternehmensziele, die begrenzenden Umwelt- und Unternehmensentwicklungen, die personellen und finanziellen Ressourcen sowie die Verantwortlichkeiten und Termine analysiert und festgelegt. Durch die Planung werden die Komplexität und Unsicherheit der Unternehmenssteuerung reduziert. Die Planung wirkt sich auf die Informationsweitergabe, die Zielsetzung, die Koordination und die Motivation der Manager aus. Insgesamt trägt die Planung zu einer besseren Zielerreichung bei. Sie empfehlen Herrn Grunwaldt, eine strategische und eine operative Planung in der Grunwaldt GmbH zu implementieren. Aufgrund der Unternehmensgröße schlagen Sie vor, auf eine taktische Planung zu verzichten. 2.2.2 Begriffsabgrenzung, Prozess, Funktionen und Arten der Kontrolle Einstiegsfall: Kontrolle in der Grunwaldt GmbH Nachdem Sie Herrn Grunwaldt von der Notwendigkeit der Unternehmensplanung überzeugt haben, erörtern Sie mit ihm Ansätze für Kontrollen. Der Vertriebsleiter, Herr Schröder, kommt vor der Sitzung der Abteilungsleiter mit Herrn Grunwaldt auf Sie zu und meint, dass eine Kontrolle seines Bereichs überflüssig sei, da seine Vertriebsmitarbeiter die aktuellen Verkaufsleistungen intuitiv überblicken würden. <?page no="104"?> 104 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Erklären Sie Herrn Schröder, was Sie unter Kontrolle verstehen und weshalb regelmäßige Kontrollen notwendig sind. Sollten Sie als Controller die Vertriebsleistung der Grunwaldt GmbH kontrollieren? Planung erfordert stets, dass die Zielerreichung kontrolliert wird. Bei der Kontrolle wird eine Prüfgröße mit einer Maßstabs- oder Normgröße verglichen. Die Prüfgröße ist häufig der Ist-Wert einer Zielgröße, z.B. die Ist-Produktionsmenge einer Periode, während die Maßstabs- oder Normgröße Soll-, Ist- oder Wird-Werte umfassen kann. Die Vergleichsrechnung wird vereinfachend als Soll-Ist-Vergleich bezeichnet. Die Darstellung der Abweichungen kann absolut, relativ oder als Ampelgrafik erfolgen. Keine Planabweichungen werden durch grüne, akzeptable Abweichungen durch gelbe und nicht-tolerierbare Abweichungen durch rote Kennzeichnungen sichtbar gemacht, wobei die Toleranzbereiche unternehmensspezifisch festgelegt werden müssen. 157 Zur Kontrolle gehört auch die Abweichungsanalyse. Dabei interpretiert der Controller gemeinsam mit dem verantwortlichen Manager die Ursachen der Abweichung. Es muss untersucht werden, ob die Abweichung von der Führungskraft zu verantworten oder auf Ursachen außerhalb ihres Einflussbereichs zurückzuführen ist. Abb. 49: Kontrollumfang (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 270) 157 Vgl. Delfmann/ Reihlen (2002), S. 1440; Küpper et al. (2013), S. 254 f.; Horváth et al. (2015), S. 71 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 270 f. Teilweise werden die Begriffe Überwachung, Prüfung und Kontrolle synonym verwendet. Überwachung ist jedoch ein Oberbegriff und ist als Vergleich eines Ist-Objekts mit einer Normgröße sowie der Bewertung der Normentsprechung definiert. Wird eine Überwachung von prozessabhängigen Personen durchgeführt, handelt es sich um Kontrolle. Prüfungen werden von prozessunabhängigen Personen durchgeführt. Vgl. Lenz (2002), S. 976 f. <?page no="105"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 105 Anhand der Abweichungsanalyse werden Handlungsvorschläge abgeleitet. Dabei werden die Zielvorgaben und der Handlungsrahmen nicht geändert, wenn sich die Planung als realistisch erwiesen hat. Wurde jedoch festgestellt, dass die Planannahmen falsch sind oder die Ressourcen nicht ausreichen, muss die Planung angepasst werden (Änderung des Handlungsrahmens). 158 Die Kontrolle erfüllt unterschiedliche Funktionen (vgl. Abb. 50). Funktion Erläuterung Dokumentationsfunktion Durch Kontrollen werden Abweichungen zwischen Vergleichswerten als Grundlage für die weiteren Kontrollfunktionen ermittelt und gespeichert. Zudem werden gesetzliche Dokumentationsvorschriften erfüllt. Erkenntnis- und Lernfunktion Durch Kontrollen wird die Qualität der Planungsprämissen, der prognostizierten Zielwirkungen und Ressourcen überprüft. Dadurch kann die Planung verbessert werden. Entscheidungsunterstützungsfunktion Durch Kontrollen werden Informationen für Entscheidungen gewonnen, z.B. können bei negativer Soll-Ist- Abweichung alternative Maßnahmen zur Zielerreichung entwickelt werden. Verhaltensbeeinflussungsfunktion Kontrollen beeinflussen das Verhalten der kontrollierten Mitarbeiter. Bei realistisch ausgewählten Planvorgaben (Soll-Werten) steigern Kontrollen die Motivation zur Zielerreichung. Abb. 50: Funktionen der Kontrolle (Quellen: Betz (2002), S. 988; Lenz (2002), S. 977; Küpper et al. (2013), S. 254 f.) Es gibt unterschiedliche Arten von Kontrolle: Kriterium Ausprägungen Kontrollobjekt Verhaltenskontrolle Verfahrenskontrolle Teilergebniskontrolle Endergebniskontrolle Komponenten des Planungsprozesses Zielkontrolle Prämissenkontrolle Planfortschrittskontrolle Realisationskontrolle Kontrollträger Selbstkontrolle Fremdkontrolle Informationen Ist-Ist- Kontrolle Soll-Soll- Kontrolle Soll-Ist- Kontrolle Soll-Wird- Kontrolle Wird-Ist- Kontrolle Wird- Wird- Kontrolle Abb. 51: Systematisierung von Kontrolle (Quelle: In Anlehnung an Küpper et al. (2013), S. 259) 158 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 270 f. <?page no="106"?> 106 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Beim Kontrollobjekt wird zwischen Verhaltens-, Verfahrens- und Ergebniskontrollen unterschieden. Bei Verhaltenskontrollen wird überprüft, ob der verantwortliche Manager geeignete Maßnahmen zur Zielerreichung ergriffen hat. Verfahrenskontrollen vergleichen den angewandten mit dem vorgeschriebenen Planungsprozess. Bei Teilbzw. Endergebniskontrollen wird die tatsächliche Zielerreichung überprüft. 159 Nach den Komponenten des Planungsprozesses wird zwischen Ziel-, Prämissen-, Planfortschritts- und Realisationskontrollen unterschieden. Die Zielkontrolle gibt darüber Auskunft, wie realistisch die Ziele waren und ob Zielkonflikte vorliegen. Durch die Prämissenkontrolle werden falsche Einschätzungen der externen und internen Rahmenbedingungen korrigiert. Planfortschrittskontrollen überprüfen die Umsetzung einzelner Planbestandteile während der Planperiode. In Realisationsbzw. ex post-Ergebniskontrollen werden dagegen Endergebnisse überprüft. Sie sind erst nach Ende der Planperiode möglich und erlauben keine Korrektur des Realisationsprozesses mehr. Realisationskontrollen gibt es vor allem in der operativen Planung, da deren Realisationsprozesse relativ kurz sind. Teilbereiche der Planfortschritts- und Realisationskontrolle sind die Maßnahmenkontrolle zur Überwachung der Zweckmäßigkeit der Maßnahmen und die Mittelkontrolle, die die Eignung und Verfügbarkeit der Ressourcen analysiert. 160 Kontrollträger ist derjenige, der die Kontrolle ausübt und die Verantwortung für sie übernimmt. Kontrollträger können Manager, spezielle Abteilungen, z.B. das Controlling, Kontrollausschüsse, z.B. der Aufsichtsrat, oder ein externer Kontrollbeauftragter, z.B. ein Wirtschaftsprüfer, sein. Im ersten Fall spricht man von Selbstkontrolle, in den anderen Fällen von Fremdkontrolle. Für die Fremdkontrolle durch Controller spricht neben der Arbeitsentlastung des Managements, dass die Effizienz und Effektivität der Kontrolltätigkeit durch die Spezialisierung des Controllers verbessert werden. Darüber hinaus sind Controller neutral und können somit eine Filterfunktion übernehmen. Andererseits können Kontrollen zu Akzeptanzproblemen bei den kontrollierten Mitarbeitern führen. Zudem kann durch eine Selbstkontrolle auf das für die Abweichungsanalyse erforderliche geschäftsspezifische Wissen der dezentralen Bereiche zugegriffen werden. Auch der hohe Zeitdruck, unter dem das Management oft steht, spricht für eine Selbstkontrolle. Voraussetzungen für eine Selbstkontrolle sind entsprechende kognitive und motivationale Fähigkeiten des Managers und eine methodische Unterstützung durch den Controller. 161 Kontrollen können ferner nach den verglichenen Informationen unterteilt werden. Ist-Werte sind realisierte Werte, Soll-Werte entsprechen den geplanten Werten und Wird-Werte den prognostizierten Werten einer Zielgröße. Bei Ist-Ist-Vergleichen werden zwei realisierte Größen in einem Zeit- oder Betriebsvergleich miteinander verglichen. Ebenfalls zu den Ex-post-Kontrollen zählen Soll-Ist- und Wird-Ist-Vergleiche, durch die die Realisation eines Ziels oder die Güte einer Prognose überprüft 159 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 257. Lenz (2002), S. 979 f. unterscheidet nur Verfahrens- und Ergebniskontrollen. 160 Vgl. Betz (2002), S. 987 ff.; Küpper et al. (2013), S. 257 f. 161 Vgl. Schäffer (2001), S. 208; Schäffer (2003), S. 159 f.; Küpper et al. (2013), S. 256. <?page no="107"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 107 werden. Ex-ante-Kontrollen umfassen Soll-Soll-, Soll-Wird- und Wird-Wird-Vergleiche. Soll-Soll-Vergleiche decken Zielkonflikte und Widersprüche in den Zielvorgaben auf, während Soll-Wird-Kontrollen die Realitätsnähe einer Planung überprüfen und Wird-Wird-Vergleiche Prognosen durch den Vergleich mit alternativen Prognoseverfahren absichern. 162 Bestimmte Informationen ermöglichen bestimmte Arten von Kontrollen, wie die folgende Abbildung zeigt. Kontrollgröße Vergleichsgröße Ist-Größe Wird-Größe Soll-Größe Ist-Größe Ex post-Kontrolle: Kontrolle von realisierten Ist-Größen Prämissenkontrolle: Kontrolle der Antizipation von Ausgangsannahmen Ex post-Ergebniskontrolle: Kontrolle der Zielerreichung Wird-Größe Prognosekontrolle: Verträglichkeitsprüfung von prognostizierten Größen Planfortschrittskontrolle Soll-Größe Zielkontrolle: Überprüfung von Soll- Größen auf Plausibilität und Verträglichkeit Abb. 52: Zusammenhang zwischen Kontroll- und Vergleichsgrößen bei verschiedenen Kontrollarten (Quelle: In starker Anlehnung an Fischer et al. (2015), S. 83) Lösungshinweise zum Einstiegsfall Bei Kontrollen werden Ist-, Soll- oder Wird-Werte einer Zielgröße mit einer Vergleichsgröße verglichen, Abweichungen zwischen diesen Größen analysiert sowie Gegenmaßnahmen mit und ohne Planänderung abgeleitet. Kontrollen sind notwendig, um Manager über die Zielerreichung zu informieren, Maßnahmen zur Zielerreichung abzuleiten, die Mitarbeiter zu motivieren und die Planung zu verbessern. Kontrollen können durch Mitarbeiter oder Manager (Selbstkontrolle), spezielle Abteilungen, z.B. das Controlling, Kontrollausschüsse oder externe Kontrollbeauftragte (Fremdkontrolle), ausgeübt werden. Aufgrund der Akzeptanzprobleme und des Knowhows der dezentralen Bereiche sollte der Controller aufgrund seines Überblickswissens nur so viel Fremdkontrolle wie nötig zur Sicherung der Objektivität ausüben. 162 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 258 ff. <?page no="108"?> 108 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe 2.2.3 Aufgaben des Controllers bei der Planung und Kontrolle Einstiegsfall: Operative Unternehmensplanung bei der Grunwaldt GmbH Nachdem Sie Herrn Grunwaldt von der Notwendigkeit einer Unternehmensplanung überzeugt haben, bittet er Sie, umgehend eine operative Planung für das folgende Geschäftsjahr zu erstellen. Entwerfen Sie die Grundzüge eines operativen Planungs- und Kontrollsystems für die Grunwaldt GmbH. Welche Aufgaben übernehmen Sie als Controller in der operativen Unternehmensplanung? Planung zählt zu den Führungsfunktionen und ist daher Aufgabe der Führungskräfte. Insbesondere die Vorgabe von Planwerten für die Zielgrößen, die Ableitung von Maßnahmenvorschlägen zur Zielerreichung, die Planverabschiedung und die Ableitung von Maßnahmen aus der Plankontrolle sind originäre Führungsaufgaben und können nicht delegiert werden. Das Management wird bei der Planung und Kontrolle jedoch durch Controller unterstützt, da diese über die notwendigen Fach- und Methodenkompetenzen - insbesondere bei der monetären Bewertung von Planungsalternativen verfügen. Da Controller zudem nicht in Linienpositionen arbeiten, ist die Abstimmung leichter und die Gefahr des opportunistischen Verhaltens geringer. Controller können daher das Management entlasten und unterstützen. 163 Der Controller erfüllt bei der Planung und Kontrolle verschiedene Aufgaben: 164 Zunächst konzipiert und implementiert er das Planungs- und Kontrollsystem (Metaplanung). Weiterhin übernimmt er planungsunterstützende Aufgaben für das Management und führt die Planentstehungskontrolle durch. Darüber hinaus steuert er den Planungsprozess (Planungsmanagement). Er führt Kontrollaufgaben durch. Als neuere Aufgaben des Controllers werden in der Literatur auch das Debiasing des Managements sowie die Übernahme des kritischen Counterparts zum Management genannt, z.B. durch das Hinterfragen von Planannahmen des Managements. 165 Diese neuen Aufgaben werden der Planentstehungskontrolle zugeordnet. 163 Vgl. Hahn/ Hungenberg (2001), S. 285; Fischer et al. (2015), S. 67 f. 164 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 138 ff.; Horváth et al. (2015), S. 87 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 280 ff. 165 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 287 ff. <?page no="109"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 109 2.2.3.1 Gestaltung des Planungs- und Kontrollsystems In einem Unternehmen gibt es i.d.R. mehrere Planungen, z.B. eine strategische und eine operative Planung. Das Planungs- und Kontrollsystem (PuK-System) besteht aus allen Plänen und Kontrollen, Planungs- und Kontrollorganen und -aktivitäten. Das PuK-System legt die Teilpläne, deren Inhalte und die Planungs- und Kontrollträger fest und soll folgende Anforderungen erfüllen: 166 Die Planung und Kontrolle müssen sämtliche Informationen verarbeiten, die für die Unternehmenssteuerung nützlich sind (Vollständigkeit). Die Planung und Kontrolle müssen sich auf wirtschaftlich relevante Informationen beschränken (Relevanz). Die Planungs- und Kontrollergebnisse müssen genau, zeitnah und objektiv sein. Subjektive Prämissen sind zu kennzeichnen (Genauigkeit, Aktualität und Objektivität). Die Planung muss die Umweltdynamik, z.B. durch die Vorgabe von Bandbreiten für Zielgrößen sowie die Aufstellung von Eventualplänen, berücksichtigen (Flexibilität). Die Pläne sollen übersichtlich und der jeweiligen Führungsstufe angepasst formuliert werden (Klarheit). Die Sollwerte sollen möglichst realistisch sein, um dysfunktionales Verhalten wie eine Überforderung der Mitarbeiter zu vermeiden (Realisierbarkeit). Die Inhalte der Pläne und Kontrollen müssen aufeinander abgestimmt werden (Konsistenz). Planung und Kontrolle müssen in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen (Wirtschaftlichkeit). PuK-Systeme können verschiedene Gestaltungsparameter aufweisen (vgl. Abb. 53). Inhaltliche Gestaltungsparameter Organisatorische Gestaltungsparameter Methodische Gestaltungsparameter Formale Gestaltungsparameter • Zielorientierung • Planungs- und Kontrollumfang: Gegenstand und Inhalt der Pläne sowie Kontrollen • Planungsfristigkeit: Zeithorizont der Planung • Flexibilität der Planung • Organisationsgrad • Aufbauorganisation: Verteilung der Planungs- und Kontrollaufgaben und Kompetenzen • Ablauforganisation: Festlegung der Reihenfolge der Planungs- • Instrumente und Modelle der Planung und Kontrolle • IT-Unterstützung • Standardisierung • Dokumentation 166 Vgl. Delfmann/ Reihlen (2002), S. 1445; Küpper et al., (2013), S. 134 f.; Thommen et al. (2017), S. 500 f. <?page no="110"?> 110 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe • Kontrollhäufigkeit • Integrationsgrad und Kontrollaktivitäten Abb. 53: Gestaltungsparameter von PuK-Systemen (Quelle: Friedl (2013), S. 130; Küpper et al. (2013), S. 136) Ausgangspunkt bei der inhaltlichen Gestaltung des PuK-Systems ist die funktionale Analyse der Planungs- und Kontrollaufgaben des Unternehmens und deren Beziehungen zueinander. Dabei geht es um die Frage, welche Pläne erstellt und kontrolliert (Gegenstand der Planung und Kontrolle) und welche Inhalte geplant und kontrolliert (Planungs- und Kontrollinhalte) werden. Bei der Festlegung des Gegenstands der Planung und Kontrolle werden die einzelnen Teilpläne und -kontrollen abgestimmt. So lässt sich beispielsweise ein PuK-System nach den betrieblichen Funktionen in eine Beschaffungs-, Produktions-, Absatz-, Personal- und Finanzplanung, nach der Unternehmensorganisation oder nach dem Zielbezug in eine sachziel- und eine formalzielorientierte Planung unterteilen. 167 Im Anschluss müssen für die einzelnen Pläne konkrete Planungs- und Kontrollinhalte bestimmt werden. Dabei gilt das Controllability-Prinzip. Einem Manager darf nur die Verantwortung für Plangrößen übertragen werden, die er vollständig beeinflussen kann. Alternativ muss der Ist-Wert einer Plangröße um die Wirkung nicht beeinflussbarer Kontextfaktoren, z.B. der Konjunkturentwicklung, bei der Kontrolle bereinigt werden, um die tatsächliche Leistung des Managements abzubilden. Das Prinzip der bedingten Controllability orientiert sich dagegen am Informationsgehalt einer Zielgröße. Danach ist ein Manager für eine Zielgröße verantwortlich, wenn diese eine zusätzliche Information über den Erfolg seiner Tätigkeit beinhaltet. Nach dem Prinzip der bedingten Controllability ist die Vorgabe relativer Ziele im Vergleich zum Wettbewerb sinnvoll, da die Zielerreichung des Wettbewerbs die Benchmark für die realisierbare Zielerfüllung darstellt. 168 Mögliche Planungs- und Kontrollinhalte der operativen Planung zeigt Abbildung 54. Formalziel-orientierte PuK-Inhalte Sachziel-orientierte PuK-Inhalte • Umsatz • Umsatzentwicklung • Investitionen • Ergebnisentwicklung • Kosten- und Erlösschmälerungen • u.a. • Marktvolumen und Absatz • Produktions- und Beschaffungsmengen • Kapazität und Kapazitätsauslastung • Mitarbeiter • Produktivität • Varianten • Einführung neuer Produkte 167 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 88 ff. 168 Für die Herleitung des Controllability-Prinzips vgl. Antle/ Demski (1988). Vgl. auch Isensee (2009), S. 61 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 277 f. <?page no="111"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 111 • Qualität • Bestände • Fertigungstiefe • Werbung und Verkaufsförderung • u.a Abb. 54: Planungs- und Kontrollinhalte einer operativen Planung (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 307) Neben dem Planungsgegenstand und den Planinhalten muss der Zeithorizont der Planung festgelegt werden. Dabei werden die Planungsreichweite (z.B. 6 Monate) und ein Planungszeitraum (z.B. Januar bis Juni) festgelegt. Die Länge des Planungshorizonts wird durch die zeitliche Reichweite der gesetzten Ziele sowie der Wirkungsreichweite der geplanten Maßnahmen bestimmt. Die Wirkungsreichweite ist der Zeitraum, bis die Maßnahmen erste Auswirkungen auf die Ziele zeigen. Dabei entsteht ein Spannungsfeld: 169 Je länger die Planungsreichweite ist, desto umfassender lassen sich zeitliche Interdependenzen zwischen den Teilplänen berücksichtigen. Beispielsweise führen Investitionen in eine Produktionsanlage zu einer Kapazitätserhöhung, aber auch zu geringeren finanziellen Ressourcen und Handlungsspielräumen. Mit zunehmender Reichweite sinkt die Prognosequalität, da die Informationen unsicherer werden. Die Prognose- und Informationskosten steigen entsprechend. Darüber hinaus ist die Flexibilität der Planung festzulegen. Maßnahmen zur Flexibilisierung des PuK-Systems sind: 170 Systemgestaltung nach dem Prinzip der rollierenden Planung: Bereits aufgestellte Pläne werden überarbeitet und präzisiert. Z.B. kann ein Unternehmen über einen Planungszeitraum von 5 Jahren planen, wobei das erste Jahr detailliert und die folgenden vier Jahr nur grob geplant werden. Nach einem Jahr wird das erste Jahr der Grobplanung überarbeitet und detailliert geplant, die verbleibenden drei Jahre angepasst und um ein zusätzliches Jahr ergänzt. Insgesamt wird so der Planungshorizont schrittweise verschoben und der Plan fortgeschrieben. In der Literatur wird synonym von rollierender, revidierender, revolvierender, überlappender und gleitender Planung gesprochen. Teilweise wird zwischen rollierender Planung (Planfortschreibung ohne Anpassung des bisherigen Plans) und revolvierender Planung (Fortschreibung mit Anpassung des bisherigen Plans) unterschieden. Bei der rollierenden Planung entstehen ein größerer Informationsbedarf und ein erhöhter Aufwand. Zudem besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter das Vertrauen in die Planung verlieren. Vorsehen von Planreserven: In einer dynamischen Umwelt sind Planreserven, z.B. bei den Kapazitäten, zweckmäßig, um den Plan bei veränderten Umweltbedingungen nicht ständig anpassen zu müssen. 169 Vgl. Scholl et al. (2004), S. 153 ff. 170 Vgl. Scholl et al. (2004), S. 155 f.; Horváth et al. (2015), S. 90 ff. <?page no="112"?> 112 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Alternativbzw. Szenarioplanung: Jeder Plan beruht auf unsicheren Zukunftserwartungen. Bei hoher Unsicherheit ist es sinnvoll, Eventualpläne für alternative Zukunftsentwicklungen (Szenarien) festzulegen. Möglichkeit der Planänderung bzw. Planrevision: Falls sich die Planungsprämissen einschneidend ändern, ist es notwendig, den Plan zu ändern bzw. eine Neuplanung vorzunehmen, was allerdings mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Von Fall zu Fall-Planung: Bei großen Diskontinuitäten ist es sinnvoll, erst zu planen, wenn bestimmte Umweltentwicklungen, z.B. Gesetzesänderungen, feststehen. Neben dem Kontrollinhalt wird auch die Kontrollhäufigkeit bei der Gestaltung des PuK-Systems festgelegt. Dabei wird zwischen einmaligen, sporadischen, periodischen und laufenden Kontrollen unterschieden, die zudem in unterschiedlichen Zeitabständen (monatlich, quartalsweise, jährlich etc.) erfolgen können. Außerdem können Kontrollen ausgelöst werden, wenn Toleranzgrenzen eines Ist-Wertes überschritten werden. Dabei ist zu beachten, dass zu häufige Kontrollen negative Verhaltenseffekte bei den kontrollierten Mitarbeitern auslösen können. 171 Als letzter Punkt der inhaltlichen Gestaltung wird die Integration der Teilplanungen und Kontrollen festgelegt. Planung und Kontrolle werden inhaltlich und zeitlich abgestimmt und möglichst einheitlich gestaltet. Kompatible IT-Systeme sind notwendig, damit die Plandaten unmittelbar als Normgrößen für die Kontrolle verwendet und auch die Soll-Ist-Abweichungen direkt in den Planungsprozess zurückgeführt werden können. 172 Danach muss das PuK-System organisatorisch umgesetzt werden. Dabei ist zu klären, wer die Pläne erstellt und kontrolliert (Planungsbzw. Kontrollträger) und wie der Planungs- und Kontrollprozess räumlich und zeitlich strukturiert wird (Ablauforganisation). Planungsträger sind Stellen mit inhaltlichen Planungsaufgaben, z.B. das Management, Stellen mit Planungsmanagementaufgaben, z.B. die Controlling- Abteilung, und Stellen mit gemischten Planungsaufgaben, z.B. Planungsausschüsse. Insbesondere sind diese Fragen zu klären: 173 Inwieweit delegiert die Unternehmensleitung Planungsaufgaben? In welchem Umfang werden die verschiedenen Stellen an der Planung beteiligt? Welche Stellen übernehmen welche Planungsaufgaben? Welche Kompetenzen erhalten die Stellen, um ihre Planungsaufgaben zu erfüllen? Die verschiedenen Teilplanungen werden i.d.R. kalenderabhängig initiiert und periodisch wiederholt. Voraussetzung ist eine möglichst genaue Terminierung der einzelnen Planungs- und Kontrollaktivitäten im Rahmen einer Ablaufplanung. Dafür werden zunächst alle Planungs- und Kontrollobjekte und -aktivitäten zu Komplexen 171 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 350 ff. 172 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 266 ff. 173 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 98 ff. Zu Planungsträgern vgl. Hahn/ Hungenberg (2002), S. 1458 f. <?page no="113"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 113 entsprechend des Aufbaus des PuK-Systems zusammengefasst. Dabei besteht das Dilemma, dass die Planung einerseits mit einem ausreichenden Vorlauf stattfinden muss, um die Pläne umzusetzen. Andererseits ist es sinnvoll, die Planung möglichst spät vorzunehmen, damit aktuelle Informationen verwendet werden können. 174 Abb. 55: Beispiel einer Aufgabenteilung zwischen Managern und Controllern in einem operativen Planungsprozess (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 283). Zudem wird zwischen einer simultanen und einer sukzessiven Planung unterschieden. Bei einer simultanen Planung werden alle Pläne gleichzeitig erstellt und mit Hilfe von optimierenden Entscheidungsverfahren wie der linearen Programmierung so aufeinander abgestimmt, dass die Erreichung der Unternehmensziele optimiert wird. Simultane Planungen werden in der Unternehmenspraxis aufgrund ihrer Komplexität durch die Modellierung der zahlreichen Abhängigkeiten zwischen Teilplänen i.d.R. nur für Unternehmensteilbereiche eingesetzt. Im Rahmen einer sukzessiven Planung wird eine Reihenfolge der Teilpläne in Abhängigkeit von ihren zeitlichen und sachlichen Abhängigkeiten festgelegt, z.B. folgt der Beschaffungsplan dem Produktionsplan. Nach dem Ausgleichsgesetz der Planung wird dabei mit dem Teilplan gestartet, der den Engpass im Unternehmen darstellt. Häufig ist das der Absatzplan. Das bedeutet, dass zunächst die Absatzmengen und -preise geplant werden, die das Produktionsprogramm bestimmen, wodurch wiederum der Beschaffungsplan festgelegt wird. Die sukzessive Planung ist in der Unternehmenspraxis üblich. 175 Abschließend erfolgt die methodische Gestaltung der Planung und Kontrolle. Insbesondere werden die Planungs- und Kontrollmodelle und -instrumente ausgewählt. 176 Hier ist z.B. festzulegen, welchen Genauigkeitsgrad die Modelle haben sollen, inwieweit zeitliche Interdependenzen z.B. zwischen strategischer und operativer 174 Vgl. Hahn/ Hungenberg (2002), S. 1464 f.; Scholl et al. (2004), S. 153 f. 175 Vgl. Dillerup/ Stoi (2016), S. 367 f. 176 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 104 f. <?page no="114"?> 114 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Planung und wie die Umweltunsicherheit in der Planung berücksichtigt werden sollen. 177 Das Ergebnis der Meta-Planung wird in einem Planungshandbuch dokumentiert. Ein Planungshandbuch gehört zu den formalen Gestaltungselementen des PuK- Systems. Kapitel Inhalt 1. Einleitung • Erläuterung der Funktionen des Handbuchs • Autorisierung durch die Geschäftsleitung 2. Allgemeine Hinweise zum Planungshandbuch • Erläuterung des Aufbaus und der Handhabung des Handbuchs • Hinweise zum Änderungsdienst 3. Allgemeine Hinweise zu Planung und Kontrolle • Erläuterung der Planungs- und Kontrollphilosophie • Erläuterung der Planungs- und Kontrollfunktionen 4. Planungs- und Kontrollsystem • Darstellung der hierarchischen Gesamtarchitektur der Pläne und Kontrollen • Erläuterung der Einzelpläne hinsichtlich ihrer Zielsetzung, der Input- und Outputdaten, Planprämissen etc. 5. Planungsorgane • Erläuterung der Planungs- und Kontrollträger mit ihren konkreten Aufgaben und Kompetenzen 6. Planungskalender • Zeitplan für die Planungs- und Kontrollaktivitäten • Festlegung des Anfangs- und Abgabetermins, der Gültigkeitsdauer und der Fristigkeit eines Plans 7. Planungsinstrumente • Übersicht über die zur Verfügung stehenden Planungs- und Kontrollinstrumente in systematischer Form 8. Planungslexikon • alphabetisch geordnete Erläuterung zentraler Begriffe der Planung und Kontrolle Abb. 56: Aufbau eines Planungshandbuchs (Quelle: In Anlehnung an Horváth et al. (2015), S. 105) Das Planungshandbuch wird vom Controller erstellt, von der Unternehmensführung in Kraft gesetzt und allen Planungsträgern zur Verfügung gestellt. Es koordiniert die Planungs- und Kontrollaktivitäten, hilft bei ihrer Durchsetzung innerhalb des Unternehmens und speichert planungsrelevantes Knowhow. 177 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 136. <?page no="115"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 115 2.2.3.2 Planungsunterstützung und Planentstehungskontrolle Aufgrund seiner Methodenkompetenzen übernimmt der Controller unterstützende Aufgaben im Planungsprozess. Aufgrund der größeren Problemnähe erfolgt die Festlegung von Planwerten grundsätzlich durch das Management. Der Controller übernimmt primär Aufgaben der Informations- und Methodenversorgung, indem er planungsrelevante Informationen beschafft und aufbereitet. Darüber hinaus stellt er Planungshandbücher und Planungstools zur Verfügung und bietet Schulungen zur PuK an. Insgesamt können diese unterstützenden Aufgaben vom Controlling übernommen werden: 178 Erarbeiten von Planungs- und Kontrolltechniken und -methoden, z.B. der Budgetierung, Suche nach und Aufbereitung von entscheidungsrelevanten Informationen, z.B. durch die Simulation von Kosten-, Erlös- und Risikowirkungen einzelner Planalternativen, Ausarbeiten von Planungsalternativen im Rahmen der operativen Unternehmensplanung, Hinterfragen von Planungsprämissen und Bandbreiten der geplanten Ziele durch geeignete Controlling-Instrumente (Planentstehungskontrolle), Vorab-Überprüfung der Machbarkeit und Durchsetzbarkeit von Planungsalternativen, monetäre Bewertung von vorliegenden Planungsalternativen, Durchführung der Kontrollrechnungen und Aus- und Weiterbildung der Planungsträger. Die Planentstehungskontrolle ist notwendig, um Wollens- und Könnensdefizite des Managements bei der Planung einzuschränken. Dabei beurteilt der Controller die Planansätze auch inhaltlich, um opportunistisches Verhalten zu vermeiden und kognitive Begrenzungen des Managements und damit falsche Planansätze zu erkennen. Typische Entscheidungsdefekte sind z.B. eine unklare Zielfestlegung, die Annahme einer linearen oder gar exponentiellen Zukunftsentwicklung zentraler Zielgrößen, z.B. des Umsatzes, nicht explizit genannte oder falsche Planungsprämissen oder die Bezeichnung einer Alternative als strategisch, um nicht auch nicht wirtschaftliche Entscheidungen durchzusetzen. Mögliche Maßnahmen des Controllers bei der Planentstehungskontrolle sind eine aktive Begleitung des gesamten Prozesses der Planerstellung in den operativen Bereichen, das kritische Hinterfragen von Planungsprämissen sowie die Durchführung von Szenario- und Sensitivitätsanalysen. 179 S CHÄFFER und W EBER (2016) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Debiasing des Managements. Unter Debiasing werden Techniken zur Reduktion von kognitiven Verzerrungen zusammengefasst. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick. Dabei finden sich mögliche Debiasing-Techniken des Controllers im Zentrum der Abbildung, während vier zentrale Voraussetzungen für den Einsatz dieser Techniken den Rahmen bilden. 178 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 280 f. 179 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 281 f. <?page no="116"?> 116 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 57: Debiasing-Techniken im Überblick (Quelle: Schäffer/ Weber (2016), S. 11) Eine Entpersonalisierung von Diskussionen und eine stärkere Formalisierung von Entscheidungsprozessen können z.B. dadurch unterstützt werden, dass im Unternehmen festgelegt wird, für bestimmte Entscheidungen, z.B. Investitionen, zwingend bestimmte Informationen, z.B. Kapitalwerte sowie Sensitivitätsanalysen, zu nutzen. Diese Informationen werden dann vom Controller zur Verfügung gestellt sowie in Entscheidungsvorlagen eingearbeitet. Zudem kann der Controller durch Simulations- und Szenarioanalysen neue Perspektiven in eine Diskussion einbringen und durch die Verwendung von Risikoindikatoren auch die Auswirkungen eines Scheiterns sichtbar machen. 2.2.3.3 Planungsmanagement Schließlich übernimmt der Controller auch Aufgaben des Planungsmanagements, also der Planung, Organisation und Steuerung des Planungsprozesses. So veranlasst der Controller die Planerstellung, terminiert und überwacht Planungsarbeiten. Er sammelt, kommentiert und sichert die Qualität von Planentwürfen verschiedener Unternehmensbereiche. Der Controller bereitet Planentwürfe für Entscheidungsträger auf, koordiniert die Pläne und integriert sie zu einem Unternehmensgesamtplan. 180 Die Koordination der Teilpläne erfordert, dass sie nach einheitlichen Kriterien erstellt sowie sachlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden: Durch die Integration werden sie dann zu einem Gesamtplan zusammengefasst. Die Koordination der Planung kann unterteilt werden in 180 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 94.; Weber/ Schäffer (2016), S. 280 f. <?page no="117"?> 2.2 Grundlagen der Planung und Kontrolle 117 eine zeitliche Koordination der strategischen, taktischen und operativen Planung, z.B. mittels rollierender Planung, eine vertikale Koordination der einzelnen Teilpläne mit den Unternehmenszielen, z.B. zwischen geplanten Vertriebszielen und dem Umsatz, und eine horizontale Koordination hierarchisch gleichgelagerter Teilpläne insbesondere bei der operativen Planung, z.B. von Plänen der Leistungserstellung, der Leistungsverwertung und der Finanzierung. Eine Koordination sowie Integration der Teilpläne zu einem Unternehmensgesamtplan kann top-down, bottom-up oder im Gegenstromverfahren erfolgen: 181 Bei der Top-down-Planung legt die Unternehmensleitung unternehmensweite Ziele, z.B. für die Rentabilität und das Wachstum, fest, welche die Rahmenbedingungen für die Teilpläne der dezentralen Verantwortungsbereiche bilden. Die folgenden Führungsebenen konkretisieren die Zielvorgaben dann sukzessive. Eine Top-down-Planung ist sinnvoll, wenn vor allem die Unternehmensführung über planungsrelevantes Wissen verfügt. Die zentrale Vorgabe von Planwerten kann jedoch zu einer Demotivation des dezentralen Managements führen. Die Top-down-Planung wird auch als retrograde Planung bezeichnet. Bei der Bottom-up-Planung planen die untersten Führungskräfte ihre Zielerreichung unabhängig voneinander. Auf der übergeordneten Instanzenebene werden die Pläne abgestimmt und zusammengefasst, bis auf der obersten Führungsebene der Unternehmensgesamtplan entsteht. Eine Bottom-up-Planung ist sinnvoll, wenn die dezentralen Unternehmensbereiche über planungsrelevantes Wissen verfügen. Die Unternehmensleitung koordiniert die dezentral entwickelten Pläne und moderiert entsprechende Abstimmungen zwischen den Bereichen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Planungsverantwortlichen sich keine anspruchsvollen Ziele setzen, sondern lediglich Vergangenheitswerte fortschreiben. Die Bottom-up-Planung wird auch als progressive Planung bezeichnet. Das Gegenstromverfahren mit Top-down- oder Bottom-up-Eröffnung kombiniert die retrograde und die progressive Planung. Zunächst werden vorläufige Oberziele durch die oberste Führungsebene vorgegeben und durch das untere Management schrittweise mittels Teilplänen konkretisiert, die dann zu einem Gesamtplan zusammengefasst werden. Bei Problemen mit der Realisierbarkeit der Zielvorgaben kann die Geschäftsführung diese korrigieren. Ist das planungsrelevante Wissen über die ganze Hierarchie verteilt, nutzt die Unternehmensspitze ihr Überblickswissen, um strategische Leitlinien und zentrale Formalziele, z.B. eine Mindestrendite, vorzugeben. Die dezentralen Planungsinstanzen bringen ihr Detailwissen ein und formulieren daraus Bottom-up-Planvorstellungen, die mit den Top-down-Zielvorgaben abgestimmt werden. Durch das Gegenstromverfahren können die Akzeptanz der Planung in den unteren Hierarchieebenen und die Realitätsnähe der Planziele verbessert werden. Allerdings sind die erforderlichen Abstimmungsprozesse über die Hierarchieebenen hinweg sehr aufwändig. 182 181 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 276 f.; Horváth et al. (2015), S. 99 f.; Fischer et al. (2015), S. 72 ff. 182 Vgl. Hebeler (2005), S. 516. <?page no="118"?> 118 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Kriterien Top-down- Planung (retrograde Planung) Bottom-up- Planung (progressive Planung) Gegenstromverfahren Planungsprinzip Planung erfolgt in der Organisation von oben nach unten. Planung erfolgt in der Organisation von unten nach oben. Die Planung vereinigt beide Prinzipien. Erforderliches Planungswissen Unternehmensführung verfügt über hohes planungsrelevantes Wissen. Die dezentralen Unternehmensbereiche verfügen über hohes planungsrelevantes Wissen. Es werden das Überblickswissen der Unternehmensführung und das problemspezifische Wissen der dezentralen Bereiche genutzt. Planungsmotivation Vorgabecharakter beeinträchtigt die Planungsmotivation unterer Hierarchieebenen. Die Fortschreibung alter Ziele beeinträchtigt die Planungsmotivation. Das Abstimmungsverfahren und die Beteiligung der dezentralen Bereiche wirken motivierend. Koordinationsmöglichkeiten Koordinationserfordernisse häufig nicht erkennbar. Die horizontale Koordination ist nicht gegeben. Die vertikale und horizontale Koordination sind gegeben. Kommunikationserfordernisse Es bestehen Informationsprobleme der Unternehmensführung bei der Planerstellung. Es bestehen Abstimmungsprobleme auf derselben Planungsstufe. Die Information und Abstimmung erfolgen über die verschiedenen Planungsstufen. Arbeits- und Zeitaufwand Arbeits- und Zeitaufwand sind eher gering, höherer Aufwand bei Rückkopplungen. Rückfragen aufgrund der fehlenden horizontalen Abstimmung sind arbeits- und zeitaufwändig. Aufgrund der zahlreichen Abstimmungen ist das Verfahren arbeits- und zeitaufwändiger. Abb. 58: Verfahren zur Plankoordination und -integration (Quelle: In Anlehnung an Horváth et al. (2015), S. 100) Lösungshinweise zum Einstiegsfall Sie schlagen vor, das PuK-System der Grunwaldt GmbH auf der 1. Ebene nach aufbauorganisatorischen Kriterien und auf der 2. Ebene nach funktionalen Kriterien zu gliedern, d.h. der Gesamtunternehmensplan ergibt sich aus den Teilplänen der drei Tochtergesellschaften Grunwaldt Kindermöbel GmbH, Grunwaldt Studiflex GmbH und Grunwaldt International GmbH. Die Tochtergesell- <?page no="119"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 119 schaften leiten ihren Unternehmensplan wiederum aus ihren Absatz-, Produktions-, Beschaffungs- und Personalplänen ab. Ferner sollen sowohl Sachziele, z.B. Absatz-, Produktions- und Beschaffungsmengen, wie auch Formalziele, z.B. Umsatz- und Kostenziele, geplant werden. Darüber hinaus werden die groben Zielvorgaben der operativen Planung aus der strategischen Planung abgeleitet. Die Pläne werden quartalsweise kontrolliert. Für die Planung und Kontrolle der Tochtergesellschaften sind deren Geschäftsführer verantwortlich und können durch das Controlling unterstützt werden. Der Planungsprozess ist auf drei Monate ausgelegt und startet mit der Vorgabe grober Zielwerte für den Umsatz und die Kosten von Herrn Grunwaldt an die Tochtergesellschaften. Zudem stellen Sie als Controller die notwendigen Planungsprämissen, -richtlinien und -formate zur Verfügung. Die Geschäftsführer brechen dann ihre Ziele auf ihre Funktionsbereiche runter, wobei der Ausgangspunkt der dezentralen Planungen im Vertrieb erfolgt. Auf der Grundlage des Absatzplans werden der Produktions-, der Beschaffungs- und der Personalplan erstellt. Die Pläne werden dann zum Unternehmensgesamtplan zusammengefasst. Sie erläutern Herrn Grunwaldt, dass Sie als Controller keine Planungsaufgaben übernehmen. Diese werden von der Unternehmensleitung für die strategische Planung und den Führungskräften für die operative und taktische Planung erledigt. Ihre Aufgaben sind: die Entwicklung und Implementierung des PuK-Systems, die Wahrnehmung unterstützender Aufgaben wie die Versorgung des Managements mit planungsrelevanten Informationen und die Steuerung des Planungs- und Kontrollprozesses sowie die Abstimmung und Integration der Teilpläne zu einem Unternehmensgesamtplan. 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 2.3.1 Überblick Es gibt zahlreiche Systematisierungsansätze der Controlling-Instrumenten (vgl. Abb. 59), die jedoch keine eindeutige Zuordnung der Instrumente zulassen. Kriterium Systematisierung Rechnungszweck Entscheidungs-, Kontroll- und Koordinationsinstrumente Führungsfunktion Planungs-, Kontroll- und Informationsinstrumente Planungshorizont strategische und operative Instrumente Funktionsbereiche Instrumente des Beschaffungs-, Produktions-, Absatzbzw. Vertriebs-, Forschungs- und Entwicklungs-, Finanz-, Investitions- und Personalcontrollings Organisation Instrumente des Funktionssowie des Divisionscontrollings Abb. 59: Systematisierungsansätze von Controlling-Instrumenten (Quelle: In Anlehnung an Wall (2008), S. 472) <?page no="120"?> 120 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Hier wird der in der Literatur gängigen Unterteilung nach den Führungsfunktionen gefolgt. Dabei werden Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle gemeinsam behandelt, wobei zwischen Instrumenten der strategischen Planung und Kontrolle und Instrumenten der operativen Planung und Kontrolle unterschieden wird. Die strategische und die operative Planung und Kontrolle stellen zwar unterschiedliche Informationen zur Unternehmenssteuerung zur Verfügung, weisen jedoch hinsichtlich ihrer Rechnungszwecke und Zielgrößen zahlreiche Schnittstellen auf, wie Abbildung 60 zeigt. Abb. 60: Abgrenzung von operativ finanzieller, operativ erfolgswirksamer und strategischer Unternehmensführung (Quelle: Reichmann et al. (2017), S. 585) <?page no="121"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 121 Die operative finanzielle Planung und Kontrolle zielt auf die Sicherstellung der Liquidität des Unternehmens ab. Da gemäß § 17 Insolvenzordnung die Zahlungsunfähigkeit ein Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, hat die Geschäftsführung die jederzeitige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen und zu überwachen. Des Weiteren nutzen viele Unternehmen Maßnahmen des Working Capital Managements, um den Liquiditätsbestand und die Kapitalbindung auch unter Ertragsaspekten zu optimieren und mögliche Zahlungsspitzen ausgleichen zu können. Wesentliche Rechengrößen sind Einnahmen sowie Ausgaben bzw. Ein- und Auszahlungen. Die operative Planung und Kontrolle des Unternehmenserfolgs versucht dagegen auf der Grundlage der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und der Bilanz sowie der Kostenrechnung den kurzbis mittelfristigen Gewinn zu steuern. Wesentliche Größen sind hier der Aufwand und der Ertrag bzw. die Kosten und Leistungen einer oder mehrerer Abrechnungsperioden. Die strategische Planung und Kontrolle zielt auf den Aufbau und Erhalt von Erfolgspotenzialen und damit auf die nachhaltige Existenzsicherung des Unternehmens ab. Die strategische Planung und Kontrolle bildet den Rahmen für die operative Planungs- und Kontrollrechnungen. Daher werden im nächsten Abschnitt zunächst Instrumente der strategischen Planung und Kontrolle behandelt, bevor anschließend wesentliche Instrumente der der operativen Planung und Kontrolle vorgestellt werden. 183 Abbildung 61 zeigt gängige Controlling-Instrumente der strategischen und operativen Planung und Kontrolle. Führungsfunktion Controlling-Instrumente Strategische Planung und Kontrolle • Instrumente zur Zielfestlegung • Umwelt- und Unternehmensanalysen, z.B. SWOT-Analysen • Strategische Frühaufklärung • Portfolio-Modelle • Prämissen- und Durchführungskontrolle, strategische Überwachung Operative Planung und Kontrolle • Balanced Scorecard (BSC) • Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung • Forecasting • Budgetierung • Operative Kontrolle und Abweichungsanalyse Abb. 61: Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 183 Vgl. Buchholz (2013). S. 39 f. <?page no="122"?> 122 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe 2.3.2 Strategische Planung und Kontrolle Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie den Begriff und die Aufgaben des strategischen Controllings voneinander abgrenzen, die einzelnen Phasen strategischen Controllings beschreiben, wesentliche Instrumente des strategischen Controllings sowie ihre Anwendungsvoraussetzungen und grundsätzliche Funktionsweise erklären, die Berücksichtigung von Risiken im strategischen Controlling beschreiben, Nutzen und Probleme der Instrumente des strategischen Controllings kritisch diskutieren sowie den Umsetzungsstand des strategischen Controllings in der Unternehmenspraxis erläutern. 2.3.2.1 Definitionen und Funktionen Die strategische Planung und Kontrolle werden durch das strategische Controlling unterstützt. Dabei sind die Ableitung strategischer Ziele sowie die strategische Frühaufklärung dem eigentlichen Planungsprozess vorgelagert, während die strategische Kontrolle parallel zum Planungsprozess durchgeführt wird. 184 Abb. 62: Soll-Konzept des strategischen Controllings (Quelle: In Anlehnung an Günther/ Breiter (2007), S. 7) 184 Vgl. Günther (2002), S. 1903 ff.; Baum et al. (2013), S. 16 f.; Horváth et al. (2015), S. 108 f. <?page no="123"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 123 Das strategische Management erfolgt in mehreren Phasen: 185 In der Phase der Zielbildung formuliert die Unternehmensführung die Unternehmenspolitik und das Leitbild und leitet daraus strategische Ziele ab. In der Phase der strategischen Analyse werden Unternehmens- und Umweltanalysen durchgeführt sowie wesentliche Umweltentwicklungen und deren Auswirkungen im Rahmen einer strategischen Frühaufklärung prognostiziert. Während der Phase der Strategieableitung werden Strategien entwickelt, bewertet und ausgewählt. Eine Strategie beschreibt einen Weg, um die Unternehmensziele langfristig umzusetzen, und umfasst ein Bündel von operativen Maßnahmen. 186 Zur Phase der Strategieableitung zählt vor allem die strategische Planung. In der Phase der Strategieumsetzung werden operative Maßnahmenprogramme abgeleitet und strategische Kontrollen durchgeführt. Daraus ergeben sich folgende Aufgaben des strategischen Controllings: . Phase Aufgaben Zielbildung • Unterstützung bei der Ableitung eines strategischen Zielsystems strategische Analyse • Durchführung einer strategischen Früherkennung zur Identifizierung von Chancen und Risiken aus der Unternehmensumwelt • Durchführung einer Stärken-Schwächen-Analyse zur Identifizierung der eigenen Stärken und Schwächen sowie Prognose von Chancen und Risiken Strategieableitung • Überprüfung der Notwendigkeit und der Planbarkeit von Strategien • Durchführung der strategischen Planung Strategieumsetzung • Unterstützung der Strategieumsetzung in konkrete Maßnahmen • Entwicklung eines strategischen Anreizsystems zur Ausrichtung der Mitarbeiter an der langfristigen Unternehmensentwicklung • Durchführung der strategischen Kontrolle (Prämissen- und Durchführungskontrolle sowie strategische Überwachung) Abb. 63: Aufgaben des strategischen Controllings (Quelle: In Anlehnung an Günther (2002), S. 1906 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 403 ff.) Die Unterstützung des Managements bei der Wahl strategischer Ziele und die Gestaltung strategischer Anreizsysteme werden in der Literatur kaum behandelt. 187 Während der strategischen Analyse werden die Risiken und Chancen des Unternehmensumfel- 185 Vgl. Al-Laham/ Welge (2003), S. 227 f.; Baum et al. (2013), S. 16 ff. 186 Vgl. Baum et al. (2013), S. 2; Deimel (2008), S. 282 f. 187 Für weitere Informationen vgl. Hahn/ Hungenberg (2001), S. 341 ff. <?page no="124"?> 124 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe des analysiert und mit den Stärken und Schwächen des Unternehmens abgeglichen (Umfeld-System-Fit). Zudem wird untersucht, ob die Unternehmensstrukturen die Umsetzung der Unternehmensziele und -strategien unterstützen (Intra-System-Fit). Die strategische Analyse schafft somit die Datengrundlage für die Strategiefindung. 188 Die strategische Planung umfasst die markt- oder ressourcenorientierte Suche nach strategischen Alternativen (Strategiefindung) und deren Bewertung (Strategiebewertung). Sie ist eine systematische, formalisierte, langfristige Planung künftiger Erfolgspotenziale wie z.B. Technologien oder Kernkompetenzen und nicht-delegierbare Aufgabe der Unternehmensleitung. Die strategische Planung besteht aus diesen Elementen: 189 Wettbewerbsstrategien formulieren Grundverhaltensweisen des Unternehmens gegenüber Konkurrenten. Häufig verwendete Strategien sind die Kostenführerschaft, die Differenzierung z.B. in Bezug auf den Innovationsgrad der eigenen Leistungen und Produkte oder Fokussierung auf spezielle Segmente und Branchen. Zudem wird zwischen Wachstums-, Stabilisierungs- oder Schrumpfungsstrategien unterschieden. Erfolgspotenziale sind abgrenzbare Produkt-, Markt- oder Kundensegmente, die einem Unternehmen längerfristig die Möglichkeit zur Erfolgserzielung bieten. Fähigkeitenpotenziale beschreiben die Fähigkeit eines Unternehmens, Erfolgspotenziale zu erschließen und zu nutzen, z.B. das Beherrschen innovativer Technologien. Abb. 64: Verbreitung von Strategietypen bei führenden deutschen Unternehmen (Quelle: Günther/ Schäfer (2012), S. 22) 188 Vgl. Baum et al. (2013), S. 29 f. 189 Vgl. Franz (2000), S. 319; Hungenberg (2002), S. 1888 ff.; Baum et al. (2013), S. 29 ff. <?page no="125"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 125 Die vorangegangene Abbildung 64 zeigt, dass bei führenden deutschen Unternehmen vor allem der Fokus aus der Qualitätsführerschaft und der Innovationsführerschafts liegt. Die strategische Planung erfolgt auf Unternehmensbzw. Geschäftsfeldebene, da für größere Unternehmen aufgrund der Vielfalt ihrer Leistungen und der Anforderungen der Unternehmensumwelt oft keine einheitliche Unternehmensstrategie abgeleitet werden kann. Das Problem der strategischen Planung ist, dass die langfristige Entwicklung des Unternehmens ungewiss ist und sich deshalb einer Detailplanung entzieht. Weniger relevante Umweltzustände werden deshalb bei der strategischen Planung ausgeblendet, was das Planungsrisiko erhöht. Während der Strategieumsetzung ist daher eine strategische Kontrolle der Anpassungsfähigkeit des Unternehmens sowie der Gültigkeit und der Realisierung der strategischen Planung wichtig. 190 Die strategische Kontrolle besteht aus: einer Zielkontrolle zur Überprüfung der Vision, des Leitbilds und der strategischen Ziele, einer Prämissenkontrolle, um die Gültigkeit der Planungsannahmen und die Verfügbarkeit der Ressourcen zu überprüfen, einer Planentstehungskontrolle, um die Effektivität und Effizienz des Planungsprozesses sowie die inhaltliche Konsistenz der strategischen Planung zu überprüfen, einer Durchführungskontrolle, um die der Ergebnisse der strategischen Maßnahmen zu überprüfen und Risiken für die Strategieumsetzung zu identifizieren, sowie einer strategischen Überwachung zur Absicherung der gewählten Geschäftsfelder und Wettbewerbskonzeptionen. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale zwischen der strategischen und der traditionellen Kontrolle lassen sich der folgenden Abbildung entnehmen. Merkmale traditionelle Kontrolle strategische Kontrolle Kontrollinhalte Zielerreichungskontrolle, ergänzt um eine Abweichungsanalyse Zielerreichungs-, Prämissen- und Planfortschrittskontrolle sowie strategische Frühaufklärung Kontrollgrößen i.d.R. monetäre Größen auch nicht-monetäre Größen Kontrollausrichtung unternehmensintern ausgerichtete und punktuell fixierte Kontrolle auf interne und externe Erfolgsfaktoren ausgerichtete Kontrolle Kontrollzeitpunkt einmalig nach der Ergebnisrealisierung (ex post) kontinuierlich, parallel zur Planung und Realisierung (ex post und ex ante) Abb. 65: Merkmale der traditionellen und strategischen Kontrolle (Quelle: Becker/ Piser (2004), S. 445; Baum et al. (2013), S. 360 in Anlehnung an Bea/ Haas (2013), S. 242) 190 Vgl. Hahn/ Hungenberg (2001), S. 361 ff.; Hungenberg (2002), S. 1892 ff.; Budde (2002), S. 1880 ff.; Becker/ Piser (2004), S. 445; Weber/ Schäffer (2016), S. 403 ff. <?page no="126"?> 126 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe 2.3.2.2 Instrumente Es gibt eine Vielzahl von Instrumenten der strategischen Planung und Kontrolle, die in enger Beziehung zueinanderstehen, sich manchmal nur geringfügig unterscheiden und auch dem strategischen Management oder Marketing zugeordnet werden können. Die Abgrenzung und Systematisierung der Instrumente stößt auf Schwierigkeiten. 191 In Abbildung 66 werden die Instrumente den Phasen des strategischen Planungs- und Kontrollprozesses zugeordnet. Instrument strategische Analyse Strategiefindung Strategiebewertung strategische Kontrolle Erfolgsfaktorenanalyse x x SWOT-Analyse x x (x) Produkt-Lebenszyklus-Analyse x x Erfahrungskurvenkonzept x x (x) Wertschöpfungsketten-Analyse x x strategische Früherkennung x x x Portfolio-Analysen x x x (x) x = zur Unterstützung der Phase geeignet, (x) = zur Unterstützung der Phase eingeschränkt geeignet Abb. 66: Instrumente der strategischen Planung und Kontrolle Einige Autoren zählen die Früherkennung, Benchmarking, Target Costing und die Prozesskostenrechnung ebenfalls zu den Instrumenten der strategischen Analyse. Da diese Instrumente auch zur operativen Informationsversorgung bzw. zum Risikocontrolling verwendet werden, werden sie in den folgenden Kapiteln diskutiert. Instrumente der strategischen Analyse Die Erfolgsfaktorenanalyse identifiziert interne und externe Faktoren, die den Unternehmenserfolg maßgeblich beeinflussen. Strategische Erfolgsfaktoren werden systematisch aus der statistischen Auswertung empirischer Unternehmensdaten, z.B. im Rahmen von PIMS 192 -Studien, abgeleitet. Strategische Erfolgsfaktoren sind immer im Kontext mit dem jeweiligen Geschäftsmodell des Unternehmens zu betrachten. 193 In SWOT-Analysen werden die Stärken (Strengths), Schwächen (Weaknesses), Chancen (Opportunities) und Gefahren (Threats) eines Unternehmens im Vergleich 191 Vgl. Kaland/ Wömpener (2007), S. 32. 192 PIMS steht für Profit Impact of Market Strategy. 193 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 602 f. <?page no="127"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 127 zum Wettbewerb analysiert und in eine Matrix eingeordnet. Die Erfolgsfaktoren werden durch ein internes Analyseteam bewertet. Anschließend werden anhand der Matrixposition Normstrategien abgeleitet. 194 Ergebnisse der Unternehmensanalyse Stärken (Strength) Schwächen (Weaknesses) Ergebnisse der Umweltanalyse Chancen (Opportunities) Einsatz der Stärken des Unternehmens zur Ausnutzung der Chancen (Wachstumsstrategie) Überwindung der Schwächen des Unternehmens durch die Ausnutzung der Chancen Risiken (Threats) Einsatz der Stärken des Unternehmens zur Minimierung der Risiken Minimierung der Schwächen des Unternehmens und der Risiken (Defensivstrategie) Abb. 67: SWOT-Matrix (Quelle: Baum et al. (2013), S. 99 in Anlehnung an David (1986), S. 207) Die folgende Abbildung zeigt eine SWOT-Analyse für ein fiktives Produktionsunternehmen. Abb. 68: SWOT-Analyse eines fiktiven Beispielunternehmens Produktlebenszyklus-Analysen gelten als wesentliche Instrumente der strategischen Planung, da viele Produkte und Dienstleistungen einem Lebenszyklus folgen und je nach Zyklusphase in unterschiedlichem Ausmaß Erträge generieren und Auf- 194 Vgl. Baum et al. (2013), S. 99 ff. Für einen Überblick möglicher Umwelt- und Unternehmensanalysen vgl. Horváth et al. (2015), S. 190 ff. sowie Hahn/ Hungenberg (2001), S. 320. <?page no="128"?> 128 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe wände verursachen. 195 In einer Produktlebenszyklusanalyse werden die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens anhand quantitativer, z.B. dem Umsatzwachstum, und qualitativer Merkmale, z.B. der Wettbewerbsintensität, in einen Lebenszyklus eingeordnet und Normstrategien für das Produktmanagement abgeleitet. Ein Produkt-Lebenszyklus bildet einen idealtypischen Diffusionsprozess ab und hat vier Phasen: (Markt-)Einführung, Wachstum, Reife sowie Sättigung (vgl. Abb. 69). Merkmale Einführung Wachstum Reife Sättigung Wachstumsrate unbestimmt hoch gering null/ negativ Marktpotenzial unklar klarer überschaubar bekannt Anzahl der Wettbewerber klein erreicht den Höchstwert Konsolidierung, Grenzanbieter scheiden aus weitere Verringerung Verteilung der Marktanteile nicht abschätzbar Konzentration Konzentration Konzentration Kundentreue gering höher abnehmend höher Stabilität der Marktanteile gering höher hoch hoch Markteintrittsmöglichkeiten gut noch gut geringer meist uninteressant Rolle der Technologie hoher Einfluss hoher Einfluss Verschiebung zur Prozesstechnologie Technologie ist bekannt, verbreitet und stagniert Abb. 69: Merkmale der Produkt-Lebenszyklus-Phasen (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 415) In der Einführungsphase müssen vor allem neue Kunden, z.B. durch Werbung, gewonnen werden. Dabei ist der Cash Flow aufgrund hoher Investitionen in die Produktion und Distribution häufig negativ. In der Wachstumsphase steigt der Umsatz kontinuierlich an. Falls eine echte Innovation vorliegt, können aufgrund des geringen Wettbewerbs hohe Gewinne realisiert werden. In der Reifephase nimmt das Umsatzwachstum aufgrund von Sättigungseffekten ab. Zudem kommt es durch den intensiveren Wettbewerb und eine effizientere Produktion zu einem Preisverfall, womit die Rentabilität des Produkts sinkt. In der Sättigungsphase gehen Umsatz, Rentabilität und Cash Flow des Produkts aufgrund einer Sättigung und von Substitutionsprodukten zurück. Möglicherweise wird das Produkt auch komplett vom Markt verdrängt. 196 195 Vgl. Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) (2009), S. 16. 196 Vgl. Baum et al. (2013), S. 118 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 414 ff. <?page no="129"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 129 Die Erfahrungskurve analysiert den Zusammenhang zwischen der kumulierten Produktionsmenge eines Produkts und seinen Stückkosten. Empirische Analysen belegen, dass in bestimmten Märkten mit jeder Verdoppelung der Produktionsmenge die Stückkosten eines Produkts um 20 bis 30% reduziert werden können, falls entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. 197 Erfahrungskurveneffekte werden auf diese Ursachen zurückgeführt: Fixkostendegression, da die Fixkosten mit steigender Produktionsmenge auf eine größere Stückzahl verteilt werden, Economies of Scale aufgrund einer größeren Marktmacht bei steigender Betriebsgröße, Lerneffekte bei den Mitarbeitern, technischer Fortschritt, der eine effizientere Produktion ermöglicht, Rationalisierungsmaßnahmen zur Optimierung betrieblicher Strukturen und Prozesse und Economies of Scope durch eine stärkere Standardisierung der Produkte. Die Erfahrungskurve ist ein Beschreibungsmodell für die Kostenpositionierung bzw. -prognose. Zudem lässt sich ableiten, dass Wachstumsstrategien auf Märkten mit hohen Wachstumsraten sinnvoll sind. Unternehmen sollten sich auf Märkte konzentrieren, in denen sie die Markt- und damit die Kostenführerschaft erreichen können. 198 Strategische Frühaufklärung Die strategische Frühaufklärung kombiniert Ansätze der Zukunfts- und Trendforschung und soll eine rechtzeitige Identifikation potenzieller Bedrohungen, Risiken und Chancen und Ableitung von Strategien und Maßnahmen zur Risikobewältigung und Chancennutzung ermöglichen. Methodisch basiert die Frühaufklärung auf dem Konzept der schwachen Signale von Ansoff sowie der Diffusionstheorie. Schwache Signale sind relativ unstrukturierte und qualitative Informationen, z.B. das Auftreten neuer Gedankenströmungen oder Bedürfnisse, die Ablehnung traditioneller Gewohnheiten, die Veränderung von Grundeinstellungen oder auch radikale technologische Innovationen. 199 Beispiele für schwache Signale und ihre Konsequenzen lassen sich Abb. 70 entnehmen. Schwaches Signal Ergebnis Fortschritte in der Festkörperphysik in den 1940er Jahre Ablösung der Röhre durch den Transistor Zunehmende Leistungsfähigkeit und Standardisierung von Mikroprozessoren Ablösung von Großrechenanlagen durch Personalcomputer 197 Vgl. Baum et al. (2013), S. 124 ff. 198 Vgl. Baum et al. (2013), S. 131 ff. 199 Vgl. auch im Folgenden Krystek (2007), S. 53 ff.; Baum et al. (2013), S. 371 ff.; Diederichs (2018), S. 125 ff. <?page no="130"?> 130 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Glasnost und Perestroika in der ehemaligen Sowjetunion Zusammenbruch des Ostblocks und Öffnung der Märkte in Osteuopa Versuche mit Laserantrieb für Weltraumraketen Noch unbekannt, allerdings ist die bisherige Raketenantriebstechnologie 1.000 mal teurer Entwicklung des World Wide Web Veränderung der privaten und betrieblichen Kommunikation; Wegfall traditioneller und Entstehen neuer Geschäftsmodelle Abb. 70: Beispiele für schwache Signale (Quelle: Baum et al. (2013), S. 381) Mögliche Quellen für schwache Signale sind das Internet, Social Media Communities und Diskussionsbzw. Expertenforen, Publikationen in Fachzeitschriften, Rechtsprechungstendenzen, Ankündigungen zu Änderungen in der Gesetzgebung, Patente, Tagungs- und Konferenzbeiträge etc. Schwache Signale sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Unternehmen zunächst nicht eindeutig, verdichten sich jedoch im Zeitablauf. Die Diffusionstheorie befasst sich mit der Verbreitung neuer Erkenntnisse, Auffassungen und Verhaltensweisen und erklärt die Diffusion schwacher Signale. Je früher die Relevanz schwacher Signale erkannt wird, desto mehr Handlungsmöglichkeiten hat ein Unternehmen. Abb. 71: Zusammenhang zwischen der kumulierten Häufigkeit schwacher Signale und der Zahl der Handlungsmöglichkeiten (Quelle: Hahn/ Krystek (2000), S. 87) Schwache Signale sollen durch ein 360°-Radar (strategisches Radar) aufgefangen werden. Ziel ist dabei weniger die Identifikation konkreter Risiken sondern das Erkennen von Strukturbrüchen in der Umweltentwicklung (Diskontinuitäten) und der Abschätzung ihrer Auswirkungen auf das Unternehmen. Scanning bezeichnet dabei den Prozess des ungerichteten Abtastens der Unternehmensumwelt nach schwachen Signalen. Verdichten sich schwache Signale zu einem Trend, müssen diese durch ein Monitoring laufend überwacht werden, um ihr Ausbreitungsmuster, ihre <?page no="131"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 131 Ursachen und ihre Auswirkungen für das Unternehmen abzuschätzen und ggf. entsprechende Reaktionsstrategien abzuleiten. 200 Portfolio-Modelle Ein in der Praxis häufig angewandtes Controlling-Instrument der strategischen Analyse und Planung sind Portfolio-Modelle. Das Ziel von Portfolio-Modellen ist es, die Ist-Position der strategischen Geschäftsfelder eines Unternehmens in Bezug auf zwei relevante Erfolgsfaktoren zu analysieren und Normstrategien abzuleiten, um die finanziellen Ressourcen in die Geschäftsfelder mit dem höchsten Erfolgspotenzial zu lenken. Bei den Erfolgsfaktoren handelt es sich um eine vom Unternehmen beeinflussbare Größe und eine externe und daher nicht beeinflussbare Größe. Hier wird exemplarisch das Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio der Boston Consulting Group (BCG-Portfolio) dargestellt. Daneben gibt es zahlreiche weitere Portfolio- Modelle, z.B. das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio von McKinsey. 201 Alle strategischen Geschäftseinheiten (SGEs) eines Unternehmens werden anhand ihres relativen Marktanteils im Vergleich zum stärksten Wettbewerber (interner Faktor) und ihres Marktwachstums (externer Faktor) in ein Portfolio eingeordnet. Das Erfahrungskurvenkonzept verdeutlicht dabei die Bedeutung des relativen Marktanteils und des Marktwachstums für die strategische Positionierung. Die Höhe des Marktanteils ist ein Indikator für die kumulierte Produktionsmenge, so dass der Wettbewerber mit dem höchsten relativen Marktanteil über die größte kumulierte Produktionsmenge und damit - unter der Annahme einer identischen Erfahrungskurve für alle Unternehmen eines Marktsegments - über die niedrigsten Stückkosten verfügt. Zudem lassen sich bei hohem Marktwachstum schnell Erfahrungskurveneffekte realisieren. 202 Nach ihrer Einordnung werden die SGEs als Nachwuchsprodukte (Question Marks), Stars, Milchkühe (Cash Cows) und Problemprodukte (Poor Dogs) klassifiziert. Die SGEs werden als Kreise dargestellt, deren Größe ihren Umsatz oder Deckungsbeitrag symbolisiert. Die Achse des relativen Marktanteils wird bei einem Wert von 1,0 geteilt, da ein Unternehmen ab diesem Wert Marktführer ist. Für die Unterteilung der Marktwachstumsachse gibt es keine Norm. Stattdessen muss das Unternehmen hier selbständig einen sinnvollen Wert festlegen. Aus dem Ist-Portfolio werden Normstrategien für die SGEs abgeleitet. Die Nachwuchsprodukte stehen i.d.R. am Anfang ihres Lebenszyklus und versprechen ein starkes Wachstum. Hier ist zu prüfen, ob eine Marktanteilsausweitung vorteilhaft ist, um vom Erfahrungskurveneffekt zu profitieren. Die Stars bringen häufig Gewinne hervor, die in die Sicherung ihrer Marktposition investiert werden sollten (Erhaltungsstrategie), während die Cash Cows sich in der Reifebzw. Sättigungsphase befinden. Aufgrund ihres hohen Marktanteils und den daraus resultierenden Kostenvorsprüngen tragen diese SGEs wesentlich zum Unternehmenserfolg bei und dienen der Finanzierung der Nachwuchsprodukte und der Stars. Aufgrund der Zukunftsaussichten sollen jedoch nur die notwendigen Er- 200 Vgl. Burger/ Buchhart (2002), S. 78 f; Krystek (2007), S. 54 f. 201 Vgl. Schrader/ Binder (2002), S. 1477 ff.; Baum et al. (2013), S. 230 ff. 202 Vgl. hier und im Folgenden Schrader/ Binder (2002), S. 1480 ff.; Baum et al. (2013), S. 224 f. <?page no="132"?> 132 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe satzinvestitionen durchgeführt werden. Poor Dogs befinden sich in der Sättigungsphase und sollten ggf. desinvestiert werden. Ein optimales Portfolio besteht aus wenigen Nachwuchsprodukten, einigen Cash Cows und vielen Stars. Abb. 72: BCG-Portfolio (Quelle: Drews (2008), S. 42; Baum et al. (2013), S. 226; Hinterhuber (1996), S. 162) 203 Der Portfolio-Ansatz ist in der Unternehmenspraxis weit verbreitet, indes wird das Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio zunehmend kritisch betrachtet, da bezweifelt wird: 204 ob in der Unternehmenspraxis die Cash Flow-Annahmen den vier Quadranten wirklich entsprechen, wie wichtig ausgeglichene Cash Flows im Sinne einer Innenfinanzierung für erfolgreiche Unternehmen sind, inwieweit der Marktanteil und der RoI von Unternehmen tatsächlich korrelieren, ob die Handlungsempfehlungen für die Cash Cows und Poor Dogs in der Praxis umgesetzt werden, welche Schwellenwerte zur Abgrenzung für die 4-Felder-Typologie genutzt werden und inwieweit das Modell der Komplexität der strategischen Planung gerecht wird. Das Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio sollte daher nur als ein ergänzendes Instrument zur Analyse der strategischen Ausrichtung der Unternehmensführung betrachtet werden. Des Weiteren hat die Boston Consulting Group als Reaktion auf 203 Vgl. auch die originären Quellen Hedley (1977), S. 9 ff. und Henderson (1973), S. 1 ff. 204 Vgl. auch im Folgenden Drews (2008), S. 39 ff. <?page no="133"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 133 die kritische Diskussion das klassische BCG-Portfolio in den 90er Jahren zu einem „Wertbeitrags-Portfolio“ weiterentwickelt, in dem als Achsenbezeichnungen der Cash Flow Return on Investment und das Umsatzwachstum der betrachteten Segmente einfließen. Als Trennlinien dienen hinsichtlich der Rentabilität die Kapitalkosten und bzgl. des Umsatzwachstums der Durchschnitt der jeweiligen Branche. 205 Wertschöpfungsketten-Analysen In Wertschöpfungsketten-Analysen werden alle Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens und wichtiger Lieferanten und Kunden analysiert und im Hinblick auf die Gesamtstrategie, z.B. durch Outsourcing-Entscheidungen oder Prozessgestaltung, optimiert. Wertschöpfende Aktivitäten sind alle Tätigkeiten mit einem Nutzen für die Abnehmer. Im Unternehmen sollen nur Prozesse verbleiben, die Kernaktivitäten darstellen oder bei denen es Spezialisierungsvorteile hat. 206 Abb. 73: Grundstruktur einer Wertkette (Quelle: Porter (2010), S. 66) Die Abbildung zeigt, dass Unternehmensaktivitäten in primäre und sekundäre Aktivitäten unterschieden werden können. Die primären Aktivitäten betreffen die einzelnen Unternehmensbereiche zur Versorgung des Marktes mit Produkten und Dienstleistungen. 207 Die sekundären Aktivitäten dienen der Unterstützung der primären Aktivitäten. Hierzu zählen u.a. Tätigkeiten der Unternehmensinfrastruktur, z.B. des Rechnungswesens oder des Controllings, der Technologieentwicklung und der Beschaffung. 208 Die folgende Abbildung fasst den Nutzen und die Probleme der diskutierten Instrumente der strategischen Planung und Kontrolle zusammen. Instrument Nutzen Probleme Erfolgsfaktorenanalyse • empirisch belegt • Grundlage strategischer Diskussionen im Unternehmen • vergangenheitsorientiert • Gefahr der Nichtbetrachtung wesentlicher Erfolgsfaktoren • Verlust der Differenzierungskraft 205 Vgl. im Folgenden Drews (2008), S. 53; Lewis (1995), S. 78 ff. 206 Vgl. Porter (2010), S. 66 ff.; Baum et al. (2013), S. 91 ff. 207 Vgl. Baum et al. (2013), S. 90. 208 Vgl. Baum et al. (2013), S. 91 f. <?page no="134"?> 134 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe SWOT- Analyse • Berücksichtigung der Konkurrenzsituation • Förderung der strategischen Kommunikation • flexibel einsetzbar • Gefahr der Beliebigkeit Produkt- Lebenszyklus- Analyse • anschaulich und verständlich • Vernachlässigung von konjunkturellen und strukturellen Einflüssen • keine eindeutige Abgrenzung von Produktinnovation und -variation • zu grobe Phaseneinteilung, keine eindeutigen Kriterien für Einteilung • Lebenszyklus nicht für alle Produkte Erfahrungskurvenkonzept • empirisch belegt • Instrument der Preispolitik • Realisierungsmaßnahmen notwendig • nur für homogene und preissensitive Güter auf Wachstumsmärkten • keine Einbeziehung von Synergieeffekten und technologischem Fortschritt • Gefahr des Aufbaus von Überkapazitäten in der Produktion strategische Früherkennung • rechtzeitiges Erkennen von Trendänderungen und -brüchen • konsequente Analyse von Umweltinformationen • Identifizierung geeigneter Datenquellen für schwache Signale • Identifizierung der relevanten schwachen Signale, Gefahr der Informationsüberflutung • Prognose der Wirkung der schwachen Signale für das Unternehmen Portfolioanalysen • systematisches, anschauliches und pragmatisches Vorgehen • Komplexitätsreduktion bei der Strategieableitung • Fokussierung auf vorhandene Geschäftsfelder sowie zwei Dimensionen • Pauschalität der Normstrategien • Abgrenzung des relevanten Marktes, Messung des relativen Marktanteils, Prognose des Marktwachstums problematisch Wertschöpfungsketten- Analysen • systematische Analyse aller Tätigkeiten unter Einbeziehung von Kunden und Lieferanten • aufwändiges Verfahren • Gefahr der Vernachlässigung von Verbundeffekten einzelner Tätigkeiten Abb. 74: Nutzen und Probleme der Instrumente des strategischen Controllings (Quelle: In Anlehnung an Baum et al. (2013), S. 78 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 412 ff.) <?page no="135"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 135 2.3.2.3 Integration von Risikoaspekten in das strategische Controlling Wie in Kapitel 2.1.3. beschrieben, müssen Risiken in das Zielsystem des Unternehmensintegriert werden. Durch die Unternehmensplanung müssen dann geeignete Zielwerte für die Risikoziele abgeleitet werden. Im Rahmen der strategischen Planung geht es dabei insbesondere um die Operationalisierung und Festlegung der Risikotragfähigkeit, der Risikotoleranz, des Risikoappetits und des Risikodeckungspotenzials, da diese den Rahmen für die Ableitung von Maßnahmen der strategischen und der operativen Planung bilden. Ausgangspunkt ist die Ableitung der Risikotragfähigkeit. Die Risikotragfähigkeit beschreibt das maximale Risikoausmaß, welches das Unternehmen ohne Gefährdung seines Fortbestands tragen kann. Die Bestandsgefährdung kann dabei aus der finanziellen Situation z.B. durch eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit aber auch aus anderen regulatorischen oder geschäftlichen Anforderungen wie dem Verlust der Zulassung wichtiger Produkte oder des Zugangs zu wichtigen Märkten resultieren. 209 Der Fortbestand ist gefährdet, wenn das Eigenkapital aufgezehrt ist (Überschuldung), das Unternehmen zahlungsunfähig wird, ein zur Finanzierung notwendiges Mindestrating unterschritten oder Kreditvereinbarungen (Covenants) nicht eingehalten und daher Kredite durch die kreditgewährenden Banken gekündigt werden. 210 Aufgrund der großen Bedeutung der Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund wird zur Feststellung des Ausmaßes der Bestandsgefährdung die durch das Unternehmensrating gemessene Insolvenzwahrscheinlichkeit (probability of default PD) vorgeschlagen. 211 Die folgende Abbildung zeigt die mit den Ratingklassen verschiedener Kreditinstitute verbundenen Risikoklassen und deren PD. Unternehmen Risikoklassen I II III IV V VI Bonität sehr gut bis gut gut bis zufriedenstellend befriedigend erhöhtes Risiko hohes Risiko sehr hohes Risiko PD bis 0,3% 0,3 bis 0,7% 0,7 bis 1,5% 1,5 bis 3% 3 bis 8% ab 8% Creditreform Rating AG AAA - BBB BBB - BB+ BB+ - BB BB - B+ B+ - Bab B- Commerzbank 1,0-2,4 2,4-3,0 3,0-3,4 3,4-4,0 4,0-4,8 ab 4,8 KFW-Bankengruppe BK1 - BK2 BK2 - BK3 BK3 - BK4 BK4 - BK6 BK6 - BK7 BK7 209 Vgl. IDW PS 981 A 22. 210 Vgl. Gleißner/ Wolfrum (2017), S. 78. 211 Vgl. Gleißner (2018b), 10 f. <?page no="136"?> 136 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Sparkassen Finanzgruppe 1 - 4 4 - 6 6 - 8 8 - 10 10 -12 ab 12 Standard & Poors AAA - BBB BBB - BB+ BB+ - BB BB - B+ B+ - Bab B- Abb. 75: Rating und Insolvenzwahrscheinlichkeit (in starker Anlehnung an https: / / www.creditreform.de/ microsites/ creditreform-ratingmap-deutschland.html, heruntergeladen am 13.03.2018) Neben der Insolvenzwahrscheinlichkeit werden durch das Zielbzw. das Mindestrating die Kapitalkosten des Unternehmens bestimmt. Dabei gilt, dass mit steigendem Risiko sowohl die Eigenwie auch die Fremdkapitalkosten eines Unternehmens ansteigen. Die Risikotragfähigkeit wird als gegeben angesehen, wenn das vorhandene Risikodeckungspotenzial eines Unternehmens größer als seine aggregierten Gesamtrisiken ist. Das finanzielle Risikodeckungspotenzial federt die Auswirkungen von eingetretenen Risiken auf die Liquidität und damit die Zahlungsfähigkeit ab. Es hängt von den zukünftigen überschüssigen Cash Flows, den verfügbaren Kreditlinien und leicht liquidierbaren Vermögenswerten des Unternehmens ab. Durch das erfolgsrechnerische Risikodeckungspotenzial werden die Auswirkungen von Risiken auf die GuV und damit auf den Gewinnausweis aufgefangen. Es ist von der Ertragskraft bzw. dem geplanten Gewinn eines Unternehmens, seinen offenen und stillen Reserven und seinem Eigenkapital abhängig. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei den einzelnen Positionen teilweise um Planwerte aus der Gewinn- und Liquiditätsplanung handelt. Der geplante Gewinn des Folgejahres wird üblicherweise in einen Mindestgewinn und einen Residual- oder Übergewinn aufgeteilt. Der Mindestgewinn resultiert z.B. aus geplanten Dividendenzahlungen an die Eigentümer oder eine geplante Zuführung zu den Gewinnrücklagen. Die Verwendung des Übergewinns steht i.d.R. noch nicht fest. Nach ihrer Verfügbarkeit werden unterschiedliche Klassen des Risikodeckungspotenzials unterschieden. 212 Stufe der Risikodeckung Finanzielle Risikodeckungspotenziale Erfolgsrechnerische Risikodeckungspotenziale Risikodeckungspotenzial 1. Klasse Liquiditätswirksamer Zufluss aus in die Absatzpreise einkalkulierte Risikozuschläge überschüssige Cash Flows (nach Fremdkapitalzinsen, Dividenden, geplanten Investitionen und sonstigen geplanten Ausgaben) in Absatzpreise einkalkulierte Risikozuschläge Übergewinn für erwartete Verluste gebildete Rückstellungen 212 Vgl. Giebel (2011), S. 56 ff. <?page no="137"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 137 Risikodeckungspotenzial 2. Klasse nicht ausgeschöpfte Kreditlinien Neukreditaufnahme leicht liquidierbare Finanzanlagen veräußerbare Forderungen Mindestgewinn stille Reserven Risikodeckungspotenzial 3. Klasse Abbau Working Capital sonstige liquidierbare Vermögensgegenstände sonstige Liquiditätszuflüsse offene Rücklagen Grund-/ Stammkapital Abb. 76: Klassen des Risikodeckungspotenzials (Quelle: In Anlehnung an Hölscher (2002), S. 24) Nach dem Prinzip der Unternehmensfortführung sollten für die weitere Existenz des Unternehmens unverzichtbare Aktiva nicht ins Risiko gestellt werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich im Krisenfall das Verhalten der Umwelt ändern kann, z.B. kann es zu einer temporären Kürzung von Kreditlinien kommen oder die geplanten überschüssigen Cash Flows können aufgrund von ungünstigen Marktentwicklungen nicht realisiert werden. Das Risikodeckungspotenzial 1. Klasse kann sofort und ohne zusätzlichen Aufwand eingesetzt werden, während der Einsatz des Risikodeckungspotenzials 2. Klasse mit Aufwand verbunden ist und einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigt. Beispielsweise erfordert eine Neukreditaufnahme Verhandlungen mit der Hausbank. Der Zugriff auf das Risikodeckungspotenzial 3. Klasse verursacht neben zusätzlichem Aufwand auch eine negative Öffentlichkeitswirkung, wenn z.B. die Gewinnrücklagen aufgelöst oder das Eigenkapital angegriffen werden müssen. Abb. 77: Zusammenhang zwischen Risikotragfähigkeit, -toleranz und -appetit (Quelle: Gleißner/ Wolfrum (2017), S. 78) <?page no="138"?> 138 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Aufgrund der überrragenden Bedeutung der Zahlungsunfähigkeit als Grund für die Bestandsgefährdung eines Unternehmens kann die Risikotragfähigkeit auch als der maximal zulässige Verlust eines Unternehmens unter Beibehaltung eines für die Liquiditätssicherung notwendigen Mindest-Ratings verstanden werden. 213 Da üblicherweise nicht das gesamte Risikodeckungspotenzial zur Risikodeckung verwendet wird, sind die Risikotoleranz und der Risikoappetit von der Risikotragfähigkeit abzugrenzen. Während der Risikoappetit die grundsätzliche Bereitschaft der Unternehmensleitung beschreibt, zur Erreichung der geplanten Unternehmensziele Risiken einzugehen, umfasst die Risikotoleranz „die maximal tolerierte Abweichung in Bezug auf die angestrebte Zielsetzung. Diese wird i.d.R. in Form konkreter quantitativer Wesentlichkeitsgrenzen oder auch qualitativer Kriterien umgesetzt, welche meist mit dem gleichen Maßstab wie die Zielerreichung gemessen werden.“ 214 Der Riskoappetit lässt sich somit als schwächere Form der Risikotragfähigkeit interpretieren und kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten gemessen werden: 215 Der Risikoappetit A umfasst das Ausmaß der als zulässig tolerierten negativen Planabweichungen in einer bestimmten Periode. Der Risikoappetit B lässt sich als geforderter zusätzlicher Ertrag für eine Einheit zusätzlich übernommenen Risikos und damit als gewünschtes Ertrags-Risiko- Profil einer Alternative definieren. Dagegen misst die Risikotoleranz ausgehend von Ist-Zustand des Unternehmens und der notwendigen Mindestzielerreichung, z.B. zur Sicherstellung eines gewünschten Zielratings, die maximal tolerierte Zielabweichung. Risikotragfähigkeit, -toleranz und -appetit einschließlich des geplanten Zielsowie Mindestratings sind von der Geschäftsführung in einer Risikostrategie zu festzulegen und jährlich zu überprüfen. Zudem müssen im Rahmen einer integrierten erfolgs- und risikoorientierten Unternehmenssteuerung sämtliche Entscheidungsalternativen auf Basis ihres Beitrags zu den Erfolgs- und Risikozielen analysiert und der Zielerreichungsbeitrag in den entsprechenden Entscheidungsvorlagen dokumentiert werden (vgl. Abb. 78). 216 Zielgröße Status quo Handlungsoption: Auslandsexpansion Ertrag (EBIT, Plan 2017) 16 Mio. € 18,5 Mio. € deutlicher Ertragsanstieg Risiko (Variationskoeffizient) 19% 21% moderat erhöhes Risiko 213 Vgl. Gleißner/ Wolfrum (2017), S. 79. 214 IDW PS 981 A 22. 215 Vgl. Gleißner/ Wolfrum (2017), S. 78 f. 216 Für weitere Informationen zur Messung von Unternehmenszielen durch Kennzahlen vgl. Kapitel 2.1 sowie Küpper et al. (2013), S. 472 ff. <?page no="139"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 139 Kapitalkostensatz (WACC) 5,5% 5,7% moderat erhöhte Kapitalkosten Ratingprognose (Plan) BB+ BB+ keine Veränderung Unternehmenswert 153 Mio. € 168 Mio. € klare Wertsteigerung Strategisches Fitting Kompetenzen vorhanden Abb. 78: Bewertung einer strategischen Handlungsoption (Fallbeispiel) (Quelle: In starker Anlehnung an Gleißner (2015), S. 8) Das strategische Controlling unterstützt zum einen die Unternehmensführung bei der Festlegung der Größen Risikotragfähigkeit, -appetit und -toleranz, in dem es beispielweise die zur Verfügung stehenden Risikodeckungspotenziale analysiert sowie Kennzahlen von den Erfolgs- und Risikozielen entwickelt. Zudem tritt die Risikobewertung als gleichberechtigte Aufgabe neben die Erfolgsbewertung des Controllings. 217 2.3.2.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Es gibt einige Studien zum Umsetzungsstand und zum Erfolg von strategischer Analyse, Planung und Kontrolle in deutschen Unternehmen (vgl. Abb. 79). Studie Autor/ Erscheinungsjahr Erhebung/ Datenbasis Studie 1 PWC-Studie (2010) Telefonische Interviews mit 423 Führungskräften deutscher Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern Studie 2 Schäffer/ Weber (2015) Panelbefragung von rd. 1.000 Unternehmen, durchschnittliche Rücklaufquote rd. 50% Studie 3 Becker et al. (2015) schriftliche Befragung von über 500 Unternehmen, Rücklaufquote 5,6% Abb. 79: Studien zum strategischen Controlling Die PWC-Studie differenziert zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen. Der Unternehmenserfolg wird mit Hilfe der Entwicklung des Umsatzes, des Betriebsergebnisses und der Eigenkapitalrendite gemessen. 218 Dabei zeigt sich, dass 74% der erfolgreichen Unternehmen stärker strategisch planen, während die weniger erfolgreichen Unternehmen dies nur zu 61% tun. Die strategische Planung ist demzufolge mitentscheidend für den Unternehmenserfolg. Des Weiteren zeigt sich ein deutlicher Unterschied bei der Umsetzungsqualität der strate- 217 Vgl. Gleißner (2015), S. 4 ff. 218 Vgl. hier und im Folgenden PWC (2010), S. 9 ff. <?page no="140"?> 140 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe gischen Planung. So wird diese bei den weniger erfolgreichen Unternehmen deutlich schlechter beurteilt und als Gründe werden vor allem die Mitarbeiterfluktuation, die fehlende Kommunikationskultur und die mangelnde IT-Kapazitäten genannt. Des Weiteren zeigt die PWC-Studie einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und dem Einsatz der Instrumente der strategischen Planung. So setzten vor allem Großunternehmen mit mindestens 5.000 Mitarbeitern strategische Planungsinstrumente ein. Die Panelbefragung (Studie 2) zeigt, dass der Mittelwert des Planungshorizonts der strategischen Planung bei rd. fünf Jahren liegt. 219 Zudem weisen größere und erfolgreichere Unternehmen einen höheren Formalisierungsgrad ihres Strategieprozesses auf (vgl. Abb. 80). Des Weiteren zeigt die Studie insgesamt eine positive Beurteilung des Strategieprozesses im Hinblick auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. 220 Abb. 80: Grad der Formalisierung des Strategieprozesses (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 78) Auch die dritte Studie bestätigt den Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und dem Einsatz strategischer Planungsinstrumente. 221 219 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 50. 220 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 78. 221 Vgl. Becker et al. (2015), S. 35f. <?page no="141"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 141 2.3.2.5 Probleme und Weiterentwicklung Diese Kernprobleme der strategischen Planung und Kontrolle werden in der Literatur genannt: 222 fehlende bzw. unscharfe Formulierung des Unternehmensleitbilds und der Mission des Unternehmens, die problematische Messung (Operationalisierung) von strategischen Zielen und damit das Fehlen eindeutiger Unternehmenszielen und Kontrollmaßstäben, eine unzureichende Prämissenkontrolle, unzureichendes Commitment v.a. auf der mittleren und unteren Führungsebene, Defizite bei der langfristigen Ausgestaltung von Anreizsystemen sowie eine mangelhafte Abstimmung der Strategie mit der jeweiligen Unternehmenskultur. Daher werden u.a. diese Weiterentwicklungsansätze vorgeschlagen: 223 Die strategischen Planungsaktivitäten sollten stärker formalisiert werden. Dies gilt insbesondere für den Planerstellungsprozess. Die Ziele der strategischen Planung sind durch geeignete Kennzahlen messbar zumachen, ebenso sind die Zielwirkungen der verschiedenen Strategien -soweit möglich - zu quantifizieren. Die Unsicherheit der strategischen Planung sollte durch Szenarionalysen und Simulationsrechnungen abgebildet werden. Die Umsetzung der strategischen Planung in konkrete Maßnahmen sollte stärker beachtet werden. Die Unternehmensleitung sollte eine offene und kritische Unternehmenskultur und einen intensiven Dialog über strategierelevante Themen fördern. Die strategischen Kompetenzen der Mitarbeiter sollten systematisch aufgebaut bzw. gefördert werden. Zusammenfassung Das strategische Controlling unterstützt das Management dabei, das Unternehmen an die Unternehmensumwelt anzupassen. Ziel des strategischen Controllings ist die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolgs und damit der Unternehmensexistenz. Das strategische Controlling unterstützt das Management bei der Ableitung eines strategischen Zielsystems, der strategischen Analyse, Planung und Kontrolle. Instrumente des strategischen Controllings sind strategische Früherkennungssysteme, Erfolgsfaktoren-, SWOT-, Produkt-Lebenszyklus-, Wertschöpfungsketten- und Portfolio-Analysen sowie das Erfahrungskurvenkonzept. 222 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 392 f. 223 Vgl. von der Oelsnitz (2007), S. 682 f., Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) (2009), S. 15 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 392 f. und S. 426 f. <?page no="142"?> 142 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Das strategische Controlling unterstützt die Unternehmensleitung bei der Bestimmung der Risikotragfähigkeit, der Risikotoleranz und des Risikoappetits und damit bei der Festlegung der Risikostrategie. Die Umsetzung der strategischen Planung und Kontrolle korreliert in deutschen Unternehmen stark mit dem Unternehmenserfolg und der Unternehmensgröße. 2.3.3 Balanced Scorecard (BSC) Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Funktion der Balanced Scorecard (BSC) als Klammer zwischen der strategischen und der operativen Planung des Unternehmens erläutern, den Aufbau und die Inhalte der vier klassischen Perspektiven der BSC beschreiben, den Prozess der Ableitung einer BSC erklären und den Nutzen und die Probleme der Anwendung der BSC in der Unternehmenspraxis kritisch reflektieren. Einstiegsfall: Entwicklung einer Balanced Scorecard (BSC) für den Deutschen Fußball Bund (DFB) Der Deutsche Fußballbund (DFB) hat basierend auf der in der DFB- Satzung definierten „3-Säulen-Theorie“ (Elitefußball, Breitenfußball, Soziale Verantwortung) im DFB-Fußballentwicklungsplans 2007 die folgenden fünf Leitziele definiert: 224 1. Erfolgreiche und imagefördernde National- und Auswahlmannschaften 2. Sportlich und wirtschaftlich erfolgreicher Berufsfußball 3. Zukunftsfähiger Amateur-/ Jugend-Vereinsfußball 4. Leistungsfähige Organisationsebenen als Dienstleister der Fußballvereine 5. Aktive Wahrnehmung gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung Aus diesen Leitzielen haben H UTH und B ÖSE die Grundstruktur einer möglichen BSC für den DFB entwickelt, die fünf Perspektiven beinhaltet: 224 Vgl. DFB (2007), S. 15. <?page no="143"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 143 Abb. 81: Mögliche Perspektiven der BSC für den DFB (Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Huth/ Böse (2015), S. 59) Fragen - Warum verwendet der DFB fünf Perspektiven für seine BSC? - Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den Perspektiven? - Welche strategischen Ziele des DFB würden Sie den fünf Perspektiven zuordnen? - Durch welche Kennzahlen würden Sie die strategischen Ziele messen? 2.3.3.1 Definition und Funktionen Bei der Umsetzung von Unternehmensstrategien treten zwei Probleme auf: 225 Zum einen konzentriert sich das Management häufig auf den kurzfristigen finanziellen Erfolg. Nicht-finanzielle Erfolgspotenziale, z.B. das Humankapital, werden nicht betrachtet, so dass Fehlentwicklungen wie die Abwanderung von qualifiziertem Personal zu spät erkannt und die Ursachen nicht identifiziert werden. Zum anderen werden Strategien oft nur unzureichend im Unternehmen kommuniziert und die strategische und operative Planung nicht integriert, so dass für die Strategieumsetzung keine Ressourcen in der operativen Planung eingeplant werden. Zur Lösung der genannten Probleme wurde in den 1990er Jahren die Balanced Scorecard (BSC) entwickelt. Die BSC ist ein „System multipler, qualitativer, quantitativer, subjektiver und objektiver sowie strategischer und operativer Kennzahlen“, das eine „integrierte und ausgewogene Darstellung verschiedener strategisch bedeutsamer Unternehmensperspektiven“ 226 ermöglicht. 225 Vgl. Kaplan/ Norton (1997), S. 20 ff. sowie S. 186 ff.; Horváth/ Gaiser (2000), S. 19 f.; Zimmermann/ Jöhnk (2001), S. 517 f.; Kunz/ Pfeiffer (2002), S. 104 ff.; Weber et al. (2006), S. 11. 226 Kunz/ Pfeifer (2002), S. 102. Vgl. auch im Folgenden Kaplan/ Norton (1997), S. 46 ff.; Baum et al. (2013), S. 415 ff.; Hoque (2014), S. 33 ff. <?page no="144"?> 144 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Perspektive Fragestellung Finanzen Wie sollen wir gegenüber unseren Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben? Kunden Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen? interne Prozesse In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die Besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen? Lernen und Entwicklung Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotenziale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen? Abb. 82: Perspektiven der BSC Die Finanzperspektive umfasst alle Ziele der Kapitalgeber eines Unternehmens und gibt darüber Aufschluss, ob die Strategie das finanzielle Ergebnis verbessert. Finanzielle Ziele haben eine Doppelfunktion: Zum einen definieren sie die finanzielle Leistung, die durch die Strategie erreicht werden soll. Zum anderen sind sie Oberziele für die anderen Perspektiven der BSC. Die Kundenperspektive gibt wider, wie die Kunden das Unternehmen und seine Marktleistungen bewerten. Sie umfasst die Ziele des Absatzmarktes, die erreicht werden müssen, um die finanziellen Ziele zu erfüllen. Die interne Prozessperspektive bildet notwendige Anforderungen an den internen Wertschöpfungsprozess ab, um die Ziele der Kunden- und Finanzperspektive zu erreichen. Die Lern- und Entwicklungsperspektive informiert über die Innovationsfähigkeit des Unternehmens. Sie spiegelt die Infrastruktur für die Umsetzung der Ziele der anderen Perspektiven wider. Die Infrastruktur wird in die Kategorien: Qualifikation der Mitarbeiter, Leistungsfähigkeit des Informationssystems sowie Motivation und Zielausrichtung der Mitarbeiter unterteilt. Abb. 83: Alternative Bezeichnungen der Perspektiven (Quelle: Greiner (2012), S 79) <?page no="145"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 145 Wie der Einstiegsfall zeigt, ist die Verwendung der Perspektiven des Grundmodells nicht zwingend, sondern kann unternehmensspezifisch angepasst, damit die strategischen Ziele weiterer Stakeholder integriert werden können. Einige Unternehmen erweitern daher die BSC um zusätzliche Perspektiven. Des Weiteren werden oftmals andere Bezeichnungen für die vier Perspektiven der BSC in der Praxis verwendet (vgl. Abb. 83). Die Abbildung 83 zeigt alternative Bezeichnungen in der Praxis. Die vier Perspektiven sind nicht unabhängig voneinander, sondern durch Ursache- Wirkungs-Beziehungen verbunden. Ursache-Wirkungs-Beziehungen sind Wenndann-Aussagen, durch die die einzelnen Ziele verbunden sind, z.B. kann eine höhere Kundenzufriedenheit zu einer Steigerung der Absatzmenge führen. Eine BSC übersetzt die Strategie in eine Kette von Wenn-dann-Aussagen und somit in ein Geschäftsmodell. 227 Die BSC hat eine Doppelnatur: 228 Zum einen ist die BSC ein Managementsystem zur Unternehmenssteuerung, das die Strategieentwicklung und -umsetzung verbindet. Zum anderen ist die BSC ein Kennzahlensystem, durch das die Strategie messbar und damit auch steuerbar gemacht wird. Abbildung 84 zeigt wichtige Funktionen der BSC. Funktion Erläuterung Kommunikationsförderung Das durch die Strategie implizierte Geschäftsmodell wird durch die Strategy Map sichtbar gemacht. Indem die Strategie durch Ziele konkretisiert wird, wird sie für die Mitarbeiter verständlich. Erfolgspotenzialsteuerung Die BSC informiert über die Entwicklung qualitativer Erfolgsfaktoren und unterstützt ihre Steuerung. Anstoßen organisationaler Lernprozesse Die BSC bewirkt Lernprozesse, weil die Unternehmensführung ein Geschäftsmodell sowie Interaktionsbeziehungen zwischen Unternehmensperspektiven entwickelt und kommuniziert. Unterstützung der externen Berichterstattung Die BSC kann die externe Berichterstattung ergänzen, indem nicht-monetäre Erfolgsfaktoren an externe Adressaten kommuniziert werden. Abb. 84: Funktionen der BSC (Quelle: Kunz/ Pfeiffer (2002), S. 105 f.) 227 Vgl. Kaplan/ Norton (1997), S. 143; Horváth/ Gaiser (2000), S. 26. 228 Vgl. Kaplan/ Norton (1997), S. 8; Weber/ Schäffer (2016), S. 203. <?page no="146"?> 146 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe 2.3.3.2 Ableitung Die Ableitung einer BSC umfasst die folgenden Schritte: 229 [1] Strategie, Ziele und Ursache-Wirkungs-Beziehungen entwickeln, [2] Leistungstreiber und Kennzahlen bestimmen, [3] Maßnahmen und Verantwortlichkeiten festlegen, [4] die BSC-Steuerung mit Regelprozessen verzahnen und [5] Feedback- und Lernprozess verankern. Zunächst werden aus der Unternehmensstrategie strategische Ziele abgeleitet, einzelnen Perspektiven zugeordnet und durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu einem Geschäftsmodell verknüpft. Das Geschäftsmodell wird mithilfe einer Strategy Map sichtbar gemacht, um die Kommunikation der BSC im Unternehmen zu erleichtern. 230 Abbildung 85 zeigt ein Beispiel für eine Ursache-Wirkungs-Kette. Abb. 85: Vereinfachte Ursache-Wirkungs-Kette einer BSC (Quelle: Kaplan/ Norton (1997), S. 29) Das finanzielle Oberziel der BSC ist hier die Kapitalrendite (Return on Capital Employed ROCE). Insbesondere für börsennotierte Unternehmen kann alternativ der Economic Value Added (EVA) verwendet werden. 231 Im Beispiel ist die Kunden- 229 Vgl. Weber et al. (2006), S. 16 auf der Grundlage von Kaplan/ Norton (1997), S. 262 ff. sowie DeBusk/ Crabtree (2006), S. 44 f. 230 Vgl. Horváth/ Gaiser (2000), S. 26; Horváth et al. (2015), S. 118 f.; Baum et al. (2013), S. 422 f. 231 Vgl. DeBusk/ Cabtree (2006), S. 45. Zum EVA vgl. 4.3. <?page no="147"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 147 treue eine wesentliche Einflussgröße auf den ROCE, da treue Kunden erneut kaufen und zudem weniger preissensitiv sind. Die Kundentreue hängt u.a. von der termintreuen Lieferung ab. Um eine hohe Termintreue zu erreichen, muss das Unternehmen seine Vertriebs- und Logistikprozesse optimieren und die Durchlaufzeiten verkürzen. Eine Voraussetzung dafür sind qualifizierte Mitarbeiter. Anschließend werden die strategischen Ziele durch Kennzahlen operationalisiert. 232 Je Ziel werden ein bis zwei Kennzahlen bestimmt, wobei eine BSC maximal 20 bis 30 Kennzahlen umfassen sollte. Die Kennzahlen müssen diese Anforderungen erfüllen: 233 Eine Kennzahl muss eindeutig definiert und verständlich sein und das zu messende strategische Ziel möglichst genau abbilden. Output-Kennzahlen sind gegenüber Input-Kennzahlen zu bevorzugen. Die Kennzahlen decken die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens ab und beziehen sich auch auf unternehmensexterne Bereiche. Die Kennzahl kann vom Nutzer bzw. Empfänger beeinflusst werden (Controllability-Prinzip). Die Kennzahl ermöglicht eine Ableitung von Zielvorgaben, z.B. durch ein Benchmarking. Die Kennzahlen sind mit einem angemessenen Erhebungsaufwand zu berechnen und stehen zeitnah und mit guter Datenqualität zur Verfügung. Darüber hinaus ergeben sich weitere Anforderungen an die Zusammenstellung der Kennzahlen, da die BSC ein ausgewogenes Kennzahlensystem sein soll: 234 Die Kennzahlen sollen eine Mischung aus internen Indikatoren, die den Zustand des Unternehmens beschreiben (z.B. Durchlaufzeiten), und externen Messgrößen bilden, um die Wirkung des Unternehmens nach außen zu erfassen (z.B. Qualitätsbewertungen durch Kunden). Zudem sollten objektive und subjektive Kennzahlen verwendet werden, da viele strategische Ziele, z.B. die Mitarbeiterzufriedenheit, nur subjektiv gemessen werden können. Es sollen sowohl finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen sowie Spätindikatoren zur Abbildung des finanziellen Ergebnisses einer Strategie und Frühindikatoren bzw. Leistungstreiber, die sich erst mit einer zeitlichen Verzögerung auf das Ergebnis auswirken, berücksichtigt werden. Die finanzwirtschaftlichen Ziele sind auf jeder Stufe des Lebenszyklus eines Unternehmens bzw. einer Geschäftseinheit unterschiedlich (vgl. Abb. 86). 232 Vgl. auch im Folgenden Weber et al. (2006), S. 41 ff.; DeBusk/ Crabtree (2006), S. 44. 233 Vgl. Bodmer/ Völker (2000), S. 481; Weber et al. (2006), S. 43; Weber/ Schäffer (2016), S. 210 ff 234 Vgl. Kaplan/ Norton (1997), S. 30 ff.; Bodmer/ Völker (2000), S. 480; Kunz/ Pfeiffer (2002), S. 103; Baum et al. (2013), S. 369; Weber/ Schäffer (2016), S. 201 ff. <?page no="148"?> 148 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Phase Merkmale Kennzahlen Wachstum • Aufbau und Ausweitung von Produktionsstätten • Gestaltung von Prozessen • Investitionen in Systeme, Infrastruktur und Vertriebsnetze • Aufbau eines Kundenstamms • Umsatzwachstumsraten in Zielmärkten, -kundensegmenten und -regionen • Ergebniswachstumsraten Reife • Ausbau bzw. Halten des Marktanteils • Überbrückung von Engpässen • Kapazitätserweiterung • kontinuierliche Verbesserung • Rentabilitätskennzahlen, z.B. ROI, ROCE, EVA • Betriebsergebnis • Deckungsbeiträge Ernte • Nutzung vorhandener Potenziale • Verzicht auf Neuinvestitionen • Operating Cash Flow • Working Capital Abb. 86: Finanzielle Kennzahlen in Abhängigkeit von der Lebenszyklusphase (Quelle: Eigene Erstellung auf der Grundlage von Kaplan/ Norton (1997), S. 47 f.) In der Wachstumsphase sind eher umsatzorientierte Zielgrößen zweckmäßig, dagegen finden in der Reifephase die klassischen Ergebnisziele Anwendung. In der Erntephase sollte auf Neuinvestitionen verzichtet und der Cash Flow einer Geschäftseinheit maximiert werden. Bei der Kundenperspektive geht es darum, wettbewerbsrelevante Kunden- und Marktsegmente zu identifizieren und durch Kennzahlen zu messen. Dabei werden der Marktanteil sowie die Kundenrentabilität durch die Akquisition von Neukunden und die Treue der Bestandskunden beeinflusst. Zentraler Leistungstreiber ist die Kundenzufriedenheit, die sich positiv auf die Kundentreue und auf die Neukundenakquisition auswirkt. Zudem sind zufriedene Kunden weniger preissensitiv. Abb. 87: Kernziele der Kundenperspektive (Quelle: Kaplan/ Norton (1997), S. 66) Die Kernziele der Kundenperspektive werden beispielhaft in Abbildung 88 dargestellt. <?page no="149"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 149 Ziel Beschreibung Kennzahl (Beispiel) Marktanteil Umfang eines Geschäfts auf einem Markt eigener Umsatz/ Gesamtumsatz des Marktes in % Kundenakquisition Ausmaß, in dem eine Geschäftseinheit neue Kunden gewinnt Anzahl Neukunden/ Bestandskunden in % Kundentreue Ausmaß, in dem eine Geschäftseinheit dauerhafte Kundenbeziehungen unterhält durchschnittliche Dauer der Kundenbeziehungen in Jahren Kundenzufriedenheit Zufriedenheitsgrad der Kunden hinsichtlich spezifischer Leistungskriterien Kundenzufriedenheitsindex Kundenrentabilität durchschnittlicher Nettogewinn eines Kunden oder einer Kundengruppe Deckungsbeitrag je Kunde oder Kundengruppe in Euro Abb. 88: Kennzahlen der Kundenperspektive (Quelle: In Anlehnung an Kaplan/ Norton (1997), S. 66) Für die interne Prozessperspektive definiert das Management eine Wertschöpfungskette und operationalisiert diese durch geeignete Kennzahlen. Während des Innovationsprozesses entwickelt das Unternehmen auf der Grundlage von Kundenanforderungen neue Produkte und Dienstleistungen. Im Betriebsprozess werden die Leistungen hergestellt und an die Kunden ausgeliefert. Kundendienstprozesse umfassen Serviceleistungen für den Kunden nach dem Kauf, z.B. Schulungen bei technisch komplexen Maschinen. 235 Abb. 89: Das Wertkettenmodell der internen Prozessperspektive (Quelle: In Anlehnung an Kaplan/ Norton (1997), S. 93) Für die Kernziele der internen Prozessperspektive müssen geeignete Prozesskennzahlen definiert werden. So lässt sich beispielsweise die Effizienz von Innovationsprozessen durch die durchschnittliche Entwicklungsdauer neuer Produkte (Time-to- Market), die Qualität von Betriebsprozessen durch eine Ausschussquote und die 235 Vgl. Kaplan/ Norton (1997), S. 89 ff. <?page no="150"?> 150 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Wirtschaftlichkeit von Serviceprozessen durch die durchschnittlichen Kosten je Kundenreklamation messen. Bei der Lern- und Entwicklungsperspektive geht es um die Messung und Steuerung der Wachstumspotenziale eines Unternehmens. Nach K APLAN und N ORTON sind die Mitarbeiterzufriedenheit, die Mitarbeitertreue und die Mitarbeiterproduktivität die Leistungstreiber dieser Perspektive. Um die Produktivität, die Qualität und den Kundenservice zu verbessern, bedarf es zufriedener Mitarbeiter. Durch die Mitarbeitertreue sollen besonders wichtige Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen gebunden werden, um deren Knowhow nicht zu verlieren. Die Mitarbeiterproduktivität ist dagegen eine Ergebniskennzahl, die ausdrückt, wieweit sich eine Steigerung der Mitarbeiterfähigkeiten auf Innovationen, die Prozessqualität und die Kundenzufriedenheit auswirkt. Um die Mitarbeiterzufriedenheit zu verbessern, empfehlen K A- PLAN und N ORTON eine gezielte Weiterbildung, den Ausbau der betrieblichen Informationssysteme sowie eine gezielte Mitarbeiterführung durch Motivation, Empowerment und Zielorientierung. 236 Abb. 90: Rahmen für die Kernziele der Lern- und Entwicklungsperspektive (Quelle: Kaplan/ Norton (1997), S. 124) Typische Kennzahlen für die Mitarbeitertreue, -produktivität und -zufriedenheit sind die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit, Fluktuations- und Krankheitsquoten, die Zahl der Verbesserungsvorschläge im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens oder der Deckungsbeitrag je Mitarbeiter. Zum Nachdenken! Ist die Krankheitsquote eine geeignete Kennzahl zur Messung der Mitarbeitermotivation? Diskutieren Sie mögliche Vor- und Nachteile. Die Kennzahlen der BSC sind über Ursache-Wirkungs-Beziehungen miteinander verbunden. Häufig liegt keine mathematische Beziehung zwischen Kennzahlen vor, 236 Vgl. Kaplan/ Norton (1997), S.121 ff. <?page no="151"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 151 sondern sie werden auf der Grundlage von Plausibilitätsüberlegungen, Expertenbefragungen oder Vergangenheitsdaten verknüpft. Anschließend müssen Planvorgaben für die einzelnen Kennzahlen, z.B. durch ein Benchmarking, festgelegt werden. 237 Nach der Operationalisierung der BSC sind Maßnahmen und Verantwortlichkeiten, um die Ziele zu erreichen, festzulegen. Zudem müssen auch bereits bestehende Projekte ihren Beitrag zur Zielerreichung nachweisen. Anschließend muss die BSC in die Unternehmenssteuerung integriert werden. Beispielsweise müssen die Zielwerte der Kennzahlen aus der BSC in die operative Planung übernommen werden. Weitere Schnittstellen ergeben sich zur strategischen Planung, Budgetierung, Projektplanung, zu Anreizsystemen und Zielvereinbarungsprozessen. 238 Lösungshinweise zum Einstiegsfall Die folgende Abbildung zeigt die strategischen Ziele des DFB differenziert nach den fünf Perspektiven von H UTH und B ÖSE : Abb. 91: Strategische Ziele des Deutschen Fußball-Bundes (Quelle: Eigene Abbildung basierend auf Huth/ Böse (2015), S. 60; DFB (2007), S. 14 ff.) 237 Vgl. Horváth/ Gaiser (2000), S. 28; Bodmer/ Völker (2000), S. 480; Wall (2001), S. 67 ff.; Baum et al. (2013), S. 418 ff. 238 Vgl. Horváth/ Gaiser (2000), S. 28 ff.; Weber et al. (2006), S. 48 ff. <?page no="152"?> 152 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe 2.3.3.3 Integration von Risikoaspekten in die BSC Grundsätzlich gilt die BSC aufgrund ihrer Flexibilität und ihrer Einsatzmöglichkeiten als Planungs-, Steuerungs-, Kontroll- und Informationsinstrument als geeignet zur Integration von Risiken in die Unternehmenssteuerung, 239 wobei es grundsätzlich vier Integrationsansätze gibt: 240 Zum einen werden den strategischen Zielen der BSC zusätzlich Risiken und dahinter stehende Einflussfaktoren zugeordnet. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die BSC plus von Weber et al. (1999). Dieser Ansatz gilt als verhältnismäßig einfach umsetzbar und erlaubt zudem eine Gegenüberstellung von Risiken und Chancen. Allerdings ist nicht gewährleistet, dass alle Risiken bewertet werden, wenn sich nicht alle identifizierten Risiken auch strategischen Ziele zuordnen lassen. Zudem kann den vier Grundperspektiven der BSC eine zusätzliche Risikoperspektive hinzugefügt werden. In dieser Perspektive sind dann wesentliche Zielgrößen des Risikomanagements enthalten. Dieser Ansatz findet vor allem in der Finanzbranche Anwendung und wird z.B. von Meyer und Köhnle (2000) vorgeschlagen. Auch dieser Ansatz ist relativ einfach umsetzbar. Zudem ist die Vollständigkeit der erfassten Risiken durch die Zuordnung zu einer eigenen Perspektive gewährleistet. Aufgrund der Trennung zwischen Erfolgs- und Risikogrößen wird jedoch eine integrierte Unternehmenssteuerung wesentlich erschwert. Reichmann und Form (2000) ersetzen die traditionellen Perspektiven einer BSC durch strategische Erfolgsfaktoren. Für jeden Erfolgsfaktor werden dann nicht nur die Chancen sondern auch Risiken ermittelt und durch geeignete quantitative und qualitative Kennzahlen gemessen Zudem werden die Erfolgsfaktoren einer Perspektive zugeordnet und in einer Balanced Chance & Risk Card (BCR) gemeinsam mit den Risiken dargestellt. Durch die Identifikation geeigneter Erfolgsfaktoren ist dieser Ansatz aufwändiger, erlaubt aber eine integrierte Betrachtung und Steuerung der Chancen und Risiken für die einzelnen Erfolgsfaktoren. 241 Zudem kann eine separate Risk-Scorecard entwickelt werden. Hier werden Risikoziele für jedes einzelne strategische Ziel identifiziert und in einer eigenen BSC dargestellt. Dieser Ansatz ist der aufwändigste in der praktischen Umsetzung. 242 Aufgrund der hohen Flexibilität sowie der Verknüpfung von Unternehmensstrategie und -wert wird die BCR von Teilen der Literatur favorisiert. 243 Allerdings wird die BSC bei 20 und mehr Zielen dann sehr komplex. Die folgende Abbildung 92 zeigt lediglich einen Ausschnitt, der auf vier strategische Ziele der Finanzperspektive begrenzt ist. 239 Vgl. Pedel/ Schwihel (2004), S. 151 f.; Hunziker et al. (2018), S. 54 f. 240 Vgl. Pedell/ Schwihel (2004), S. 151. 241 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 660 ff. Für eine ausführliche Beschreibung vgl. auch Diederichs (2018), S. 247 ff. 242 Vgl. Calandro/ Iane (2006), S. 31 ff. 243 Vgl. Hunziker et al. (2018), S, 57 f. <?page no="153"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 153 Abb. 92: Beispiel für einen Balanced Chance & Risk Card (Quelle: Reichmann et al. (2017), S. 662) 2.3.3.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Die BSC wird weltweit von vielen Unternehmen und Non-Profit-Organisationen eingesetzt. Zudem existieren viele Publikationen zu den Einsatzmöglichkeiten und Problemen der BSC, so dass die BSC zu den am meisten diskutierten Managementkonzepten der letzten Jahre zählt. 244 Neben dem Nutzen der BSC ist zu beachten, dass die Einführung der BSC meist mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. So lassen sich Unternehmen bei der Einführung einer BSC häufig von Beratungsgesellschaften unterstützen. Zudem müssen meist entsprechende IT-Systeme implementiert werden, um das neue Kennzahlensystem abbilden zu können. 245 Hier werden einige Befunde ausgewählter Studien zum Umsetzungsstand und Erfolg der BSC vorgestellt (vgl. Abb. 93). Studie Autor/ Erscheinungsjahr Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Horváth & Partners (2008) Befragung von 123 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum Studie 2 Vanini/ Bertram (2012) Befragung von 642 norddeutschen Familienunternehmen, Rücklaufquote: 8,1% Studie 3 Scholtz et al. (2012) Befragung südafrikanischer Unternehmen, Rücklauf: 148 Unternehmen Studie 4 Rieg/ Esslinger (2012) Literaturüberblick über 21 Studien zum Erfolg von BSCs Abb. 93: Studien zur BSC 244 Vgl. Ahn (2005), S. 122 ff.; Baum et al. (2013), S. 415 f.; Biel (2017), S. 4 ff. 245 Vgl. DeBusk/ Crabtree (2006), S. 46. <?page no="154"?> 154 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Die Studie von H ORVÁTH & P ARTNERS zeigt dass die BSC über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg eingesetzt wird. Die BSC-Aktivitäten werden dabei vor allem von der Stelle Controlling & Finanzen (54%) wahrgenommen und nur zu 31% von der Strategieateilung bzw. zu 4% von der Geschäftsführung. 246 Neben möglichen Vorteilen bei der Strategiedefinition wird die BSC vor allem bei der Strategieumsetzung positiv beurteilt. So korreliert die Intensität der BSC-Anwendung bei den befragten Unternehmen positiv mit der Strategieumsetzungsstärke (vgl. Abb. 94). Abb. 94: Korrelation von Strategieumsetzung und Intensität der BSC Nutzung (Quelle: Greiner (2012), S. 72) Die BSC kann als reines Kennzahlensystem konzipiert sein oder neben den Kennzahlen sowohl verbale Zielformulierungen als auch Aktionen beinhalten. Demzufolge werden vier BSC-Typisierungen unterschieden. Des Weiteren wird häufig eine Strategy Map bei der Entwicklung und Implementierung einer BSC verwendet. Die folgende Abbildung zeigt die Verbreitung der vier BSC-Typen sowie den Einsatz der Strategy Map. Abb. 95: Verbreitung der BSC-Typen (Quelle: Greiner (2012), S. 73) 246 Vgl. Greiner (2012), S. 69 f. dabei Einsatz Strategy Map <?page no="155"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 155 In der Studie 2 wurde der Einsatz von Kennzahlen und Kennzahlensystemen in norddeutschen Familienunternehmen analysiert. Dabei zeigt sich, dass im Jahr 2012 rd. 17% der befragten mittelständischen Familienunternehmen eine BSC nutzen und weitere rd. 14% eine BSC bereits entwickeln. Allerdings geben auch 14% der Top- Manager an, dass sie das Konzept der BSC nicht kennen. Weitere 56% planen auch zukünftig keine Nutzung der BSC. Des Weiteren wurde die Häufigkeit der Berichterstattung über Kennzahlen, differenziert nach den klassischen Perspektiven, analysiert. Die meisten Kennzahlen werden monatlich berichtet. 247 Die Studie von Scholtz et al. analysiert u.a. den Einsatz von BSC in der Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgewählter südafrikanischer Unternehmen. Sie zeigen, dass der BSC im Rahmen dieser Studie keine Bedeutung zukommt. 248 Abschließend fassen R IEG und E SSLINGE R (2012) die Ergebnisse mehrerer internationaler Studien zur Wirksamkeit einer BSC in der Unternehmenssteuerung zusammen. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Strategieumsetzung durch eine BSC besser kommunizieren und messen lässt. Zudem sind die Unternehmen insgesamt mit ihrem BSC-Einsatz zufrieden. Unternehmen, die darüber hinaus ihre BSC besonders stark an ihrer Strategie ausrichten, sind zudem erfolgreicher als Unternehmen, die die BSC nur als Kennzahlensystem einsetzen. 249 2.3.3.5 Probleme und Weiterentwicklung Der Nutzen einer BSC besteht vor allem darin, dass die Unternehmensstrategie durch Ziele messbar und damit umsetzbar gemacht und dass das Geschäftsmodell vereinfacht dargestellt und damit den Mitarbeitern kommuniziert werden kann. 250 Es gibt jedoch auch Kritik an der Konzeption und der Umsetzung der BSC. Problembereiche Erläuterung 1. Kritik am BSC-Konzept Auswahl der Perspektiven ist unklar Es gibt keine theoretische Begründung für die Auswahl der vier klassischen BSC-Perspektiven. keine Berücksichtigung nicht durch Kennzahlen messbarer Erfolgsfaktoren Das Geschäftsmodell wird durch eine BSC nur unvollständig abgebildet, da nicht alle Ziele durch Kennzahlen gemessen und nicht alle Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Strategy Map dargestellt werden können. kein empirischer Beleg der Wirkung nichtfinanzieller Faktoren Der Erfolgsbeitrag nicht-finanzieller Einflussfaktoren ist empirisch nicht durchgängig bestätigt. 247 Vgl. Vanini/ Bertram (2012), S. 24. 248 Vgl. Scholtz et al. (2012), S. 10 ff. 249 Vgl. Rieg/ Esslinger (2012), S. 571 f. 250 Vgl. Zimmermann/ Jöhnk (2001), S. 524; Baum et al. (2013), S. 415 ff. <?page no="156"?> 156 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe keine Berücksichtigung von Timelags Unterschiedliche zeitliche Wirkungen, Rückkopplungen und Vernetzungen von strategischen Zielen werden nicht berücksichtigt. unzureichende Verlässlichkeit der BSC Die BSC unterliegt keiner handelsrechtlichen Prüfung. Dadurch entstehen Probleme bei der Kommunikation an externe Adressaten. 2. Kritik an der Umsetzung der BSC Auftreten von Zielkonflikten Zielkonflikte erschweren die Ableitung widerspruchsfreier Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Zielen. Fehlende Vergangenheitswerte zu Ursache- Wirkungs-Beziehungen Bei fehlenden Vergangenheitswerten werden Ursache- Wirkungs-Zusammenhänge häufig anhand von Plausibilitätsvermutungen und Erfahrungswissen ohne empirische Überprüfung abgeleitet. Verknüpfung der BSC mit dem Anreizsystem führt zu Fehlanreizen Es ist unklar, inwieweit die Zielerreichung mit dem Anreizsystem verknüpft werden sollte. Es ist oft unklar, wie quantitative und qualitative Kennzahlen zu einer Bemessungsgrundlage für ein Anreizsystem zusammengefasst werden können. Informationsüberflutung Zu viele Ziele und Kennzahlen können zu einer Informationsüberlastung der Mitarbeiter führen. Vernachlässigung der strategischen Kontrolle Es werden häufig weder die Prämissen noch die Ziele, Kennzahlen und Ursache-Wirkungs-Beziehungen überprüft. Abb. 96: Problembereiche der BSC (Quelle: In Anlehnung an Wall (2001), S. 69 ff.; Kunz/ Pfeiffer (2002), S. 106 f.; Ahn (2005), S. 124 ff.; Baum et al. (2013), S. 372 f.) Zur Weiterentwicklung der BSC werden folgende Aspekte genannt: 251 die Strukturierung eines immer komplizierteren Zielsystems der Unternehmen (nunmehr bestehend aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen), die Konzipierung der Entscheidungshierarchien bzw. Entscheidungsbäume sowie die Unterstützung von Innovationen in der Steuerungskennzahlentwicklung. Darüber hinaus sollten die Ziele der BSC stärker mit der variablen Vergütung der Mitarbeiter verknüpft werden. So zeigt eine Studie von H ORVÁTH & P ARTNER , dass „Anreizsysteme, die explizit an der Balanced Scorecard (BSC) anknüpfen, […] anderweitigen Anreizsystemen überlegen“ 252 sind. Außerdem sind neue Anwendungsfelder für die BSC denkbar, so könnte sie künftig in die Nachhaltigkeitsberichterstattung integriert werden. Zusätzlich wird die BSC vor allem in Branchen an Bedeutung 251 Vgl. Biel (2017), S. 6. 252 Schwertner (2017). <?page no="157"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 157 gewinnen, in denen neben der Finanzperspektive die anderen Perspektiven eine gleichberechtige Rolle spielen. So wird der Einsatz der BSC u.a. in der Gesundheitswirtschaft diskutiert und deren Umsetzungstand in empirischen Analysen erhoben. 253 Zusammenfassung Die BSC ist ein Management- und ein Kennzahlensystem. Im Ursprungsmodell besteht sie aus vier Perspektiven, die aber in der Unternehmenspraxis modifiziert werden. Sie dient der Integration von strategischer und operativer Planung. Aus der Unternehmensstrategie werden strategische Ziele abgeleitet, den verschiedenen Perspektiven der BSC zugeordnet und durch Ursache- Wirkungsbeziehungen verknüpft. Anschließend werden die Ziele durch geeignete Kennzahlen operationalisiert und es werden Zielverantwortliche benannt. Die Ziele, Kennzahlen und Maßnahmen zur Zielerreichung hängen u.a. von der Branche und der Lebenszyklusphase des Unternehmens ab. Risiken können über Risikokennzahlen oder eine eigene Risikoperspektive in eine BSC integriert werden. Die BSC gewinnt in Non-Profit-Sektoren zunehmend an Bedeutung. Unternehmen, die ihre Strategieumsetzung konsequent durch eine BSC unterstützen, sind dabei erfolgreicher als Unternehmen ohne BSC. 2.3.4 Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie anhand eines Beispielunternehmens die Prämissen der operativen Finanz- und Erfolgsplanung definieren, erklären, wie eine indirekte Finanzplanung aus der Plan-GuV, Plan- Investitionsrechnung, Plan-Bilanz und Plan-Kapitalflussrechnung entwickelt werden kann, die Notwendigkeit der vollständigen Integration einer Planungsrechnung erläutern, Risiken durch eine Monte Carlo-Simulation in die Finanz- und Erfolgsplanung integrieren und Herausforderungen einer Planungsrechnung kritisch diskutieren. 253 Vgl. Maier (2012), S. 149 ff.; Aidemark et al. (2010). S. 363 ff. <?page no="158"?> 158 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe 2.3.4.1 Begriff und Struktur einer integrierten Finanz- und Erfolgsplanung Das externe Rechnungswesen dient vor allem der Erstellung des steuerrechtlichen Jahresabschlusses sowie des Geschäftsberichts. Die Geschäftsberichtsadressaten sind die Stakeholder des Unternehmens, insbesondere die Eigen- und Fremdkapitalgeber. Wesentliche Rechenwerke des externen Rechnungswesens sind die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) sowie die Kapitalflussrechnung, wesentliche Rechengrößen sind die Erträge und Aufwendungen des Unternehmens, auf deren Grundlage in der GuV der Periodenerfolg ermittelt wird, sowie der Cash Flow. Zudem wird zwischen einem steuerrechtlichem und einem handelsrechtlichem Jahresabschluss unterschieden. 254 Abb. 97: Teilgebiete und Rechengrößen des Rechnungswesens (Quelle: In Anlehnung an Coenenberg et al. (2014), S. 8) Das interne Rechnungswesen dient der internen Unternehmenssteuerung. Adressaten sind Manager auf den unterschiedlichen Hierarchiebenen. Dabei ist die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) als maßgebliches Rechenwerk hervorzuheben. Die KLR dient der internen Erfolgsermittlung. Dabei werden die Kosten von den monetär bewerteten Leistungen abgezogen. Kosten sind als bewerteter Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen, welche für die Herstellung und den Absatz der betrieblichen Leistungen sowie zur Aufrechterhaltung der entsprechenden Kapazitäten verwendet werden, definiert. Sie stimmen nur teilweise mit den Aufwendungen überein. So bestehen Unterschiede bei den kalkulatorischen Kosten, die sowohl 254 Vgl. Däumler/ Grabe (2013), S. 7 ff.; Coenenberg et al. (2012), S. 10 ff. <?page no="159"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 159 Anderskosten z.B. kalkulatorische Abschreibungen als auch Zusatzkosten z.B. der kalkulatorische Unternehmerlohn umfassen. 255 Des Weiteren ist die Investitions- und Finanzierungrechnung ein wesentlicher Bestandteil der internen Rechnungslegung. Bei der Investitionsrechnung werden die wesentlichen Investitionsentscheidungen analysiert. Neben den statischen Verfahren kommen dabei dynamische Verfahren wie das Kapitalwertverfahren zum Einsatz. 256 Grundlage für die Finanzierungsrechnung sind die Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens. Die Finanzplanung basiert auf den Einzahlungen und Auszahlungen und erfolgt zumeist auf der Ebene von Kalenderwochen. Sie dient der vollständigen Erfassung der Cash Flows und der Liquiditätssteuerung des Unternehmens. 257 Bei einer integrierten Finanz- und Erfolgsplanung werden die Rechengrößen und -werke des externen und interen Rechnungswesens für die Folgeperiode(n) geplant und zu einem abgestimmten Gesamtplan zusammengeführt. In der Plan-GuV werden die künftigen Umsätze und sonstigen betrieblichen Erträge des Unternehmens sowie die entsprechenden Aufwendungen geplant. Als letzte GuV-Position ergibt sich aus der Saldierung von Erträgen und Aufwendungen ein Gewinn (Jahresüberschuss) bzw. Verlust (Jahresfehlbetrag). Die GuV kann dabei nach dem Gesamtkosten- oder dem Umsatzkostenverfahren aufgestellt werden. Beim Gesamtkostenverfahren werden sämtliche Erträge und Aufwendungen einer Periode gegenübergestellt. Dabei werden Bestandserhöhungen den Erträgen hinzugerechnet und zusammen mit dem Umsatz als Gesamtleistung des Unternehmens in einer Periode erfasst. Beim Umsatzkostenverfahren werden nur Aufwendungen und Erträge erfasst, die aus verkauften Produkten und Dienstleistungen einer Periode resultieren. Bestandsänderungen des Lagerbestands und deren Aufwendungen werden ergebnisneutral verbucht. Im Endergebnis führen beide Verfahren zum identischen Gewinn. 258 Die GuV und die Bilanz sind über das Eigenkapital verbunden. So führt ein Gewinn zu einer Eigenkapitalmehrung, während ein Verlust das Eigenkapitel mindert. Zudem sind erfolgsneutrale Veränderungen des Eigenkapitals, z.B. durch eine Gesellschaftereinlage, möglich und im Eigenkapitalspiegel erkennbar. Die Kapitalflussrechnung (KFR) ist ebenfalls mit der Bilanz verknüpft. So weist die Kapitalflussrechnung die Gründe für die Veränderung der Aktivposition Kasse/ Bank, differenziert nach den drei Cash Flow-Positionen Cash Flows aus operativer Tätigkeit, Cash Flows aus Investitionstätigkeit und Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit aus. Erfolgreiche Unternehmen haben häufig positive Cash Flows aus operativer Tätigkeit und negative Cash Flows aus Investitionstätigkeit. Als Zwischensummen aus dem operativem Cash Flow und dem Cash Flow aus Investitionstätigkeit für die einzelnen zukünftigen Perioden ergeben sich die Free Cash Flows (FCF). Sofern die FCF des Unternehmens nachhaltig positiv sind, werden sowohl die Eigenkapitalgeber als auch die Fremdkapitalgeber bereit sein, 255 Vgl. Däumler/ Grabe (2013), S. 16 ff.; Coenenberg et al. (2012), S. 24 ff. 256 Zum Investitionscontrolling vgl. Abschnitt 3.4.6. 257 Vgl. Coenenberg et al. (2012), S. 15 ff. 258 Vgl. Binder/ Högsdal (2017), S. 44 ff. <?page no="160"?> 160 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe weiteres Eigenkapital bzw. Fremdkapital zur Verfügung zu stellen und damit die Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit positiv zu gestalten. Die Kapitalflussrechnung dokumentiert sämtliche Einzahlungen und Auszahlungen des Unternehmens. Einzahlungen und Auszahlungen beschreiben den Zugang bzw. den Abgang liquider Mittel innerhalb einer Periode. 259 Die folgende Abbildung visualisiert die Verknüpfung der einzelnen Rechenwerke des externen Rechnungswesens. Abb. 98: Zusammenhang zwischen Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung (Quelle: Coenenberg et al. (2014), S. 21) 2.3.4.2 Ablauf einer integrierten Finanz- und Erfolgsplanung Die Überwachung und Steuerung der Liquidität kann durch eine direkte Liquditätsplanung, in die alle Zahlungsmitteleingänge und -ausgänge eingehen, oder durch eine indirekte Liquiditätsplanung erfolgen. Bei der indirekten Liquiditätsplanung wird eine integrierte Unternehmensplanung erstellt, d.h. aus der Plan-GuV, der Plan-Investitionsrechnung und der Plan-Bilanz wird eine Plan- Kapitalflussrechnung erstellt. 260 Die geplanten operativen Cash Flows basieren auf dem geplanten Jahresüberschuss, den geplanten Abschreibungen sowie den geplanten Veränderungen der Rückstellungen und des Net Working Capitals. Die wesentlichen Net Working Capital- Positionen sind die Vorräte, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen abzüglich der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie die erhaltenen Anzahlungen. Sie werden zumeist mit Hilfe von durchschnittlichen Reichweiten fortgeschrieben. Die Veränderungen dieser Werte in der Bilanz im Vergleich zur Vorperiode werden dann in die Cash Flow-Rechnung überführt. Die investiven Cash Flows dokumentieren die geplanten negativen Cash Flows für Investitionen bzw. positiven Cash Flows aus Desinvestitionen und haben damit einen 259 Vgl. Däumler/ Grabe (2013), S. 7 ff.; Coenenberg et al. (2012), S. 815 ff. 260 Vgl. auch im Folgenden Coenenberg et al. (2012), S. 815 ff. <?page no="161"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 161 direkten Einfluss auf das künftige Sachanlagevermögen in der Plan-Bilanz. Die geplanten Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit berücksichtigen u. a. Kapitalerhöhungen bzw. die Aufnahme von Krediten als positive Cash Flows bzw. Kapitalherabsetzungen und Kredittilgungen als negative Cash Flows. Abb. 99: Zusammenhang zwischen Finanzrechnung, Cashflow und Kapitalflussrechnung (Quelle: Coenenberg et al. (2012), S. 15) Die Planungsprämissen sind sehr wichtig für die Qualität der Finanzplanung. Für die Validierung der Finanzplanung werden Informationen der Vergangenheit z. B. der früheren Geschäftsentwicklung und aktuelle Informationen z. B. öffentlich zugängliche Benchmarks der Wettbewerber verwendet. Im Folgenden wird der Planungsprozess anhand eines fiktiven Beispielunternehmens KTG Kieler Tank GmbH (KTG) erläutert. Die KTG betreibt zwei Tankstellen für LKW im Hafen von Kiel und verkauft Dieselkraftstoff und Motoröl. Die folgenden Abbildungen 100 bis 102 zeigen die Bilanzen und die Gewinn- und Verlustrechnungen der KTG für die drei vergangenen Geschäftsjahre (GJ 2016 bis 2018). Die Abbildung 102 zeigt, dass die KTG in den vergangenen drei GJ sehr erfolgreich war. So konnten die Umsatzerlöse um 5% und die sonstigen betrieblichen Erträge um 3% p.a. gesteigert werden. Analog zu dieser Entwicklung ist der Personalaufwand jährlich um 3% und der Materialaufwand um 5% p.a. gestiegen. Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen (sbA) sind nur zu 50% variabel, demzufolge sind die sbA jährlich nur um 2,5% gestiegen. Die Steuerquote beträgt 35%. Da keine Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten bestehen, fällt ab dem GJ 2018 kein Zinsaufwand an. Der Jahresüberschuss steigt von rd. 99,6 TEUR (GJ 2016) auf rd. 230,9 TEUR (GJ 2018). <?page no="162"?> 162 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 100: Aktiva der KTG für die GJ 2016 bis 2018 (alle Werte in €) Abb. 101: Passiva der KTG für die GJ 2016 bis 2018 (alle Werte in €) <?page no="163"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 163 Abb. 102: GuV der KTG für die GJ 2016 bis 2018 (alle Werte in €) Abb. 103: Verkaufsmengen an Dieselkraftstoff und Motoröl sowie Preisgerüst der KTG für die GJ 2016 bis 2018 (alle Werte in Litern, beim Preisgerüst gerundete Werte in €) <?page no="164"?> 164 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Die Analyse der Verkaufsmengen an Dieselkraftstoff und Motoröl sowie des Preisgerüstes für die KTG für die GJ 2016 bis 2018 zeigt, dass der Umsatzanstieg i.H.v. 5% p.a. zu 3% auf einem Mengenwachstum und zu 2% auf einem Preiswachstum beruht. Die Entwicklung der Aufwandspositionen entspricht den Vorjahren. Aufgrund der aktuellen Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) werden die bereits in der Vergangenheit unwesentlichen Zinserträge der KTG künftig mit Null Prozent geplant. Zinsaufwendungen fallen ebenfalls nicht mehr an. Des Weiteren wird die Vollausschüttungshypothese zugrunde gelegt, d.h., der Jahresüberschuss wird in voller Höhe an die Gesellschafter ausgeschüttet. Abbildung 104 zeigt die Plan-GuV der nächsten drei Jahre. Abb. 104: Plan-GuV der KTG für die GJ 2019 bis 2021 (alle Werte in €) Für die Erstellung der Plan-Bilanz werden Plan-Investitionen i.H.v. 10 TEUR für die GJ 2019 und 2020 und von 50 TEUR im letzten GJ 2021 zugrunde gelegt. Die Abschreibungen betragen für alle GJ 50 TEUR. Des Weiteren ist für die Fortschreibung der Net Working Capital-Positionen die Ermittlung der Reichweiten (in Tagen) erforderlich. Diese werden ebenfalls aus den vergangenen drei GJ errechnet (vgl. Abb. 101). Bei der Forderungsreichweite (Days Sales Outstanding, DSO) werden die Forderungen in Relation zu den Umsatzerlösen gesetzt und dann <?page no="165"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 165 mit 365 261 Tagen multipliziert. Die Vorratsreichweite (Days Inventory Outstanding, DIO) wird anhand des Bestands an Vorräten am Ende des Jahres in Relation zum Materialaufwand multipliziert mit 365 Tagen berechnet. Die Verbindlichkeitsreichweite (Days Payables Outstanding, DPO) setzt die Verbindlichkeiten am Jahresende zum Materialaufwand ins Verhältnis und multipliziert diese mit 365 Tagen. Abb. 105: Net Working Capital-Kennzahlen der KTG Kieler Tank GmbH für die GJ 2016 bis 2018 (alle Werte in Tagen, Durchschnittswerte auf volle Tage gerundet) Für die Erstellung der Plan-Bilanz werden die Durchschnittwerte zugrunde gelegt. Diese betragen für die Vorratsreichweite und die Forderungsreichweite jeweils 7 Tage und für die Verbindlichkeitsreichweite 12 Tage. Die Net Working Capital-Lücke beträgt somit 2 Tage (7+7-12 = 2). Abb. 106: Plan-Aktiva der KTG Kieler Tank GmbH für die GJ 2019 bis 2021 (alle Werte in €) 261 Teilweise werden in der Literatur auch 360 Tage verwendet. <?page no="166"?> 166 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 107: Plan-Passiva der KTG Kieler Tank GmbH für die GJ 2019 bis 2021 (alle Werte in €) Aus der Verknüpfung der Plan-GuV, der Plan-Investitionsrechnung und der Plan- Bilanz wird im letzten Schritt die Plan-Kapitalflussrechnung erstellt. Abb. 108: Plan-Kapitalflussrechnung der KTG Kieler Tank GmbH für die GJ 2019 bis 2021 (alle Werte in €) <?page no="167"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 167 Die Plan-Kapitalflussrechnung für die GJ 2019 bis 2021 zeigt, dass die prognostizierten operativen Cash Flows nachhaltig sind. Darüber hinaus sind die prognostizierten Investitionsausgaben (Cash Flows aus Investitionstätigkeit) sehr niedrig, so dass das Unternehmen hohe FCF generiert. Die Gewinne werden gemäß der Vollausschüttungshypothese vollständig ausgeschüttet. Diese integrierte Finanz- und Erfolgsplanung könnte in nächsten Schritt noch auf die Kalendermonate heruntergebrochen werden. Da die meisten Unternehmen ihre Plan- GuV für das laufende Geschäftsjahr auf Monatsebene erstellen, ist dann die Erstellung einer Plan-Investitionsrechnung sowie einer Plan-Bilanz auf Monatsbasis erforderlich, um eine monatsfeine Plan-Kapitalflussrechnung erstellen zu können. 2.3.4.3 Integration von Risiken in die Finanz- und Erfolgsplanung Die einwertige Unternehmensplanung, die genau einen Planwert für jede Planungsvariable festlegt, ist den meisten Unternehmen Standard. Aufgrund der Umweltdynamik und Komplexität vieler Unternehmen lassen sich exakte Planwerte jedoch zunehmend schwerer bestimmen. Es geht vielmehr um die Frage, welche Bandbreite einer Zielgröße zu erwarten ist. Daher sollte mit Szenarien in der Unternehmensplanung gearbeitet werden. Wie das vorherige Fallbeispiel zeigt, lässt sich jeder Planwert einer Bilanz-, GuV- oder Cash Flow-Position auf bestimmte unsichere Annahmen zur zukünftigen Entwicklung des Unternehmens und seiner Umwelt zurückführen. So kann beispielsweise vermutet werden, dass bei exportorientierten Unternehmen der Produktabsatz von der zukünftigen Entwicklung der Wechselkurse abhängt. Aus jeder dieser Planannahmen ergibt sich somit ein Risiko für das Unternehmen, denn wenn sich die Annahmen nicht in der angenommenen Form erfüllen, werden die Planwerte nicht erreicht. Risiken lassen sich dabei als mögliche negative Abweichungen, Chancen als positive Abweichungen von den geplanten Unternehmenszielen interpretieren. Controller können zur Risikoidentifikation beitragen, indem sie Plan-Ist-Abweichungen sowie deren Ursachen analysieren. So werden für bestimmte Plangrößen Zeitreihen historischer Planabweichungen aufgebaut, die dann mittels statistischer Risikomaße ausgewertet werden können. Dadurch lassen sich besonders risikobehaftete Plangrößen sowie mögliche Bandbreiten und Verteilungen ihrer Wertentwicklung ermitteln. Durch die Ursachenanalysen können kritische Planungsprämissen (Risikofaktoren) identifiziert und analysiert werden. 262 Das Controlling muss dann geeignete Früherkennungsindikatoren, z.B. Reklamationsquoten oder Auftragseingänge, für Veränderungen der relevantesten Planannahmen definieren und diese regelmäßig überwachen, um bei Überschreiten zuvor definierter Toleranzgrenzen Risiken und Chancen rechtzeitig zu identifizieren und dem Management zu kommunizieren. 263 Zur Bestimmung der Chancen und Risiken sollte die Unternehmensplanung um stochastische Komponente erweitert werden. Im einfachsten Fall lassen sich Worst Case- und Best Case-Szenarien sowie Bandbreiten 262 Vgl. Gleißner/ Romeike (2008), S. 205 ff. 263 Vgl. Gleißner/ Grundmann (2003), S. 460 f.; Gleißner/ Romeike (2008), S. 195 ff., Gleißner/ Kalwait (2010), S. 24 ff. <?page no="168"?> 168 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe zentraler Planungsgrößen durch Szenarioanalysen ermitteln. Für die Aggregation der Einzelrisiken zu einem Gesamtrisiko unter Berücksichtigung von Risikointerdependenzen sind dagegen Simulationsansätze, wie z.B. die Monte Carlo-Simulation, notwendig. 264 Ein Szenario beschreibt eine mögliche Zukunftskonstellation der relevanten Umwelt- und Unternehmensfaktoren sowie ihrer Zusammenhänge. Szenarien haben die Funktion, Entwicklungspfade von Einflussfaktoren auf die Unternehmensentwicklung, z.B. den Ölpreis, abzuleiten, mögliche Chancen und Risiken dieser Entwicklungen zu analysieren, Handlungsalternativen dazu zu entwickeln und die Kommunikation während des Strategieprozesses zu fördern. 265 Szenarien sind erst ab einem bestimmten Unsicherheitsgrad notwendig: Bei einer weitgehend sicheren Zukunft ist eine Fortschreibungsplanung zweckmäßig. Die Entwicklung von Szenarien wäre in diesem Fall zu aufwändig. Allerdings sind sichere Zukunftserwartungen eher die Ausnahme. Bei einer begrenzten Zahl möglicher Entwicklungen, z.B. der Bedeutung verschiedener Antriebstechniken für Autos in 2030, ist es zweckmäßig, ebenso viele Szenarien zu entwickeln. I.d.R. sind die Szenarien unabhängig voneinander, haben eigene Schwerpunkte und eine ähnliche Eintrittswahrscheinlichkeit. Es geht darum, für jede wahrscheinliche Zukunftskonstellation Informationen über die jeweiligen Voraussetzungen und die wichtigsten Determinanten zu gewinnen, eine Strategie für die wahrscheinliche Entwicklung zu formulieren und geeignete Handlungsoptionen abzuleiten. Ist die Bandbreite möglicher Entwicklungen sehr groß, z.B. die Nachfrage nach Autos in 2030, sind Trend-, Best-Case- und Worst-Case-Szenarien zweckmäßig. Dabei soll die Bandbreite möglicher Auswirkungen auf die Unternehmensziele untersucht werden. Im Folgenden wird eine Monte Carlo-Simulation im Rahmen der GuV-Planung dargestellt. Ausgangspunkt ist die integrierte Erfolgs- und Finanzplanung des Unternehmens. Wesentliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Planungsgrößen, z.B. der Höhe des Anlagevermögens und den Abschreibungen, sowie zwischen Planungsgrößen und Prämissen bzw. Entscheidungsvariablen, z.B. dem Umsatz, der prognostizierten Marktentwicklung und den Verkaufspreisen, müssen dabei mathematisch modelliert werden (vgl. Abb. 109). Der Zusammenhang zwischen diesen Größen kann durch Sensitivitäten abgebildet werden, die bei ausreichender Datenlage durch Regressionsanalysen aus historischen Zeitreihen bestimmt oder alternativ durch Experten geschätzt werden. 264 Vgl. hier und im Folgenden Bleuel (2006), S. 372 ff.; Burger/ Buchhart (2002), S. 243 ff. Für eine praktische Anwendung vgl. Steinke/ Löhr (2014), S. 617 ff. 265 Vgl. auch im Folgenden Weber et al. (2005), S. 19; Jenner (2006), S. 651 f.; Heinzelbecker (2007), S. 60 ff. <?page no="169"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 169 Abb. 109: Risikosimulation mit GuV-Daten (Quelle: Burger/ Buchhart (2002), S. 246) Anschließend werden Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die zukünftige Entwicklung einzelner Planungsgrößen, Prämissen und Entscheidungsvariablen, die als Berechnungsinputs in das Modell eingehen, festgelegt. Dabei erfolgt eine Unterscheidung in qualitative Risiken, Ereignisrisiken und Verteilungsrisiken. 266 So kann beispielsweise häufig eine Normalverteilung der Absatzmenge unterstellt werden. Außerdem können ereignisorientierte Risiken wie z.B. eine Betriebsunterbrechung durch Feuer in den Aufwand einbezogen werden. 267 Es wird empfohlen, dabei zunächst den Wertebereich der einzelnen Planungsvariablen festzulegen und dann anhand von Häufigkeitsverteilungen der Vergangenheitsdaten oder anhand von Plausibilitätsüberlegungen eine geeignete Verteilung zu bestimmen. Einen Überblick über mögliche Verteilungsformen, ihre Einsatzvoraussetzungen und Anwendungsbeispiele gibt die folgende Abbildung 110. Anschließend müssen anhand von Korrelationsanalysen historischer Daten oder Plausibilitätsüberlegungen stochastische Abhängigkeiten zwischen den Modellgrößen festgelegt werden. So kann beispielsweise eine positive Korrelation zwischen den Material- und den Energiekosten angenommen werden, wenn für die Fertigung eines Produkts ein wesentlicher Energiekostenanteil anfällt. Nach Abschluss der Modellierung und Parametrisierung wird die eigentliche Monte Carlo-Simulation durchgeführt. Dazu wird aus jeder Verteilung zufällig eine Realisation jeder Inputgröße gezogen und das Planungsmodell einmal durchgerechnet. Bei jedem Simulationslauf ergibt sich dann eine andere Kombination von realisierten Plangrößen und realisiertem Wert der Zielgröße (vgl. Abb. 111). Die Zahl der notwendigen Simulationsläufe ist kontextabhängig. 266 Vgl. Steinke/ Löhr (2014), S. 618 f. 267 Zur Risikoanalyse und -quantifizierung vgl. Gleißner (2017), S. 99 ff. <?page no="170"?> 170 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 110: Häufige Verteilungsformen (Quelle: Bleuel (2006), S. 373) Abb. 111: Vorgehensweise bei der CFaR-Ermittlung (Quelle: Diederichs (2018), S. 167) Die Gesamtheit aller Simulationsläufe liefert eine repräsentative Stichprobe möglicher Ausprägungen der Zielgröße, z.B. des Jahresüberschusses oder des Cash Flows, als Wahrscheinlichkeitsverteilung, die dann durch statistische Kennzahlen ausgewertet <?page no="171"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 171 wird. 268 Die folgende Abbildung zeigt eine Verteilung des geplanten EBIT der Folgeperiode. Abb. 112: Ergebnis einer Monte Carlo-Simulation des EBIT (Quelle: Vanini/ Heise (2017), S. 555) Die Monte Carlo-Simulation liefert somit Informationen darüber, welchen Erwartungswert und welche Bandbreite die unternehmerische Zielgröße (hier: EBIT) in der Folgeperiode annehmen kann, ob es sich um eine eher optimistische oder eine pessimistische Planung handelt, da im ersten Fall der geplante EBIT größer als der erwartete EBIT ist, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein negativer EBIT möglich ist und in welchem Umfang Risikodeckungspotenzial für dessen Deckung vorzuhalten ist und welche erwartete Rendite in Anbetracht der eingegangenen Risiken für bestimmte Maßnahmen im Rahmen der Unternehmensplanung angemessen ist. Zudem können mittels Sensitivitätsanalyse mögliche Abhängigkeiten der Zielgrößen von Plannahmen systematisch analysiert werden. Durch die Monte Carlo-Simulation werden das gesamte Risiko und damit der notwendige Eigenkapitalbedarf des Unternehmens für eine Vielzahl möglicher Szenarien bestimmt. Von besonderer Relevanz ist dabei der Anteil der simulierten Szenarien, bei denen das Eigenkapital negativ und das Unternehmen damit insolvent wird. Über die Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit ist es möglich, dass Unternehmen in eine Ratingklasse einzuordnen. Durch den ermittelten Eigenkapital-Bedarf und die Rating-Einschätzung lassen sich wiederum die Kapitalkosten des Unternehmens bestimmen. 269 268 Vgl. Gleißner (2017), S. 167 ff. 269 Vgl. Gleißner/ Romeike (2008), S. 199 f.; Berger/ Gleißner (2013), S. 525 f. <?page no="172"?> 172 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich aus Sicht des Controllings die Aussagekraft der Unternehmensplanung durch die Hinzunahme von Risikoinformationen wesentlich verbessern lässt. Die Unsicherheit einer Planungsprämisse und damit auch der Erfolg unterschiedlicher Planalternativen ergeben sich aus der Bandbreite ihrer Auswirkungen auf die geplanten Unternehmensziele. Diese Unsicherheit muss vom Controlling entsprechend berücksichtigt werden. Planwerte ohne ergänzende Risikoinformationen sind damit wenig aussagekräftig. 270 2.3.4.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Der Umsetzungsstand der integrierten Finanzbzw. Erfolgsplanung ist Gegenstand diverser Studien. Die folgende Tabelle zeigt wesentliche Merkmale ausgewählter Studien. Studie Autor/ Jahr Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Krolak et al. (2011) schriftliche Befragung von 700 norddeutschen Familienunternehmen, Rücklaufquote: rd. 9% Studie 2 Horváth & Partners (2015) Schriftliche Befragung von ca. 2.500 Unternehmen der Dach-Region, Rücklauf: 200 Studie 3 Schäffer/ Weber (2015) WHU Controller Panel: Befragung von 1.080 Teilnehmern, Rücklaufquote 44% Studie 4 Fuchs/ Tischler (2016) BARC-Anwenderstudie: Online-Befragung von 223 Unternehmen (davon 218 auswertbare Fragebögen) Abb. 113: Ausgewählte Studien zur integrierten Finanzbzw. Erfolgsplanung Abb. 114: Einsatz operativer Controllingsinstrumente in Familienunternehmen (Quelle: Krolak et al. (2011), S. 23) 270 Vgl. Gleißner/ Kalwait (2010), S. 25 f. <?page no="173"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 173 Die Studie 1 zeigt, dass die meisten Familienunternehmen auf eine erfolgswirksame Unternehmenssteuerung fokussiert sind. So erstellen 71% der Unternehmen eine Plan-GuV, während nur 31% eine Plan-Kapitalflussrechnung aufstellen. Die künftige Bedeutung der Plan-Kapitalflussrechnung nimmt indes deutlich zu. Die Dominanz finanzieller Planungsgröße wird von Studie 3 bestätigt, wie die folgende Abbildung zeigt. Abb. 115: Bedeutung finanzieller Größen in der Unternehmensplanung (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 48) 80% der Unternehmen verwenden zur Integration ihrer Teilpläne das Gegenstromverfahren, bei 12% erfolgt die Zielvorgabe top-down und bei 8% bottom-up. 271 Des Weiteren werden in den Studien der Einsatz von Planungsmodellen sowie Simulationen bzw. Szenariorechnungen in der Unternehmensplanung analysiert. Die folgende Abbildung zeigt, dass die meisten Unternehmen (39%) Simulationen bzw. Szenariorechnungen im Bedarfsfall (ad hoc) nutzen. Die Anwendung von Simulationen als fester Bestandteil des Planungsprozesses (12%) bzw. in Teilbereichen (17%) ist noch ausbaufähig. 272 271 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 45. 272 Vgl. Fuchs/ Tischler (2016), S. 28 f. <?page no="174"?> 174 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 116: Anwendung von Simulationen sowie Szenariorechnungen im Planungsprozess (Quelle: Fuchs/ Tischler (2016), S. 28). Allerdings sind Unternehmen, die Szenarien und Simulationen bei ihrer Zielwertfestlegung verwenden, deutlich zufriedener als Unternehmen, die darauf verzichten. 273 Wesentlicher Kritikpunkt ist vor allem die mangelnde Integration der einzelnen Teilpläne in die Gesamtplanung. Abb. 117: Welche Teilpläne werden in die Ergebnisplanung integriert (Bilanz, GuV, Liquidität/ Cash Flow)? (Quelle: Fuchs/ Tischler (2016), S. 26) In Studie 4 wird darüber hinaus der Reifegrad der integrierten Unternehmensplanung, differenziert nach der fachlichen Integration, der technischen Unterstützung und der Organisation der Planung, analysiert. 274 Für jede dieser drei Dimensionen werden 273 Vgl. Horváth & Partners (2015), S. 9. 274 Vgl. Fuchs/ Tischler (2016), S. 15. <?page no="175"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 175 jeweils fünf Stufen definiert, wobei die Stufe 5 den höchsten Reifegrad abbildet. 275 Die Befragung der Teilnehmer zeigt im Durchschnitt eine mittlere Bewertung, wobei die fachliche Dimension am kritischsten und die Organisation insgesamt am besten bewertet wird. Abb. 118: Reifegrad in den drei Dimensionen des iCPM2 nach Best-in-Class, Durchschnitt und Nachzügler (Quelle: Fuchs/ Tischler (2016), S. 16) 2.3.4.5 Probleme und Weiterentwicklung Einstiegsfall: Probleme der Wirtschaftsplanung in der B OSCH -Gruppe Die B OSCH -Gruppe ist ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen, das aus mehreren Geschäftsbereichen (Kraftfahrzeug-, Industriegüter- und Energie- und Gebäudetechnik sowie Gebrauchsgütern) besteht. Vor Einführung des aktuellen Planungsprozesses war die Wirtschaftsplanung durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Mehrstufiger interaktiver Planungsprozess im Gegenstromverfahren mit Top-down-Eröffnung Festlegung der strategischen Ziele der Geschäftsbereiche über mindestens acht Jahre und drei Produkt- und Technologiegenerationen durch die Geschäftsführung Kaskadenförmiges Herunterbrechen der strategischen Ziele auf sämtliche Gesellschaften, Werke, Abteilungen und Produktgruppen Konkretisierung der strategischen Planung durch die Wirtschaftsplanung mit einem Planungshorizont von drei Jahren Detaillierte Planung der Herstellkosten der Werke, der Kosten und Erlöse der Geschäftsbereiche sowie der anteiligen Konzernumlage auf Basis einer 275 Vgl. Fuchs/ Tischler (2016), S. 9. <?page no="176"?> 176 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Kalkulation einer halben Millionen Sachnummern und einer Materialplanung auf Materialnummernebene für den gesamten Planungszeitraum Aggregation der Einzelpäne zum Konzerwirtschaftsplan Keine Plananpassungen bei geänderten Planungsprämissen Einjährige Planungsdauer Quelle: Stoi et al. (2015), S. 16 ff. Fragen - Welche Probleme birgt das PuK-System der B OSCH -Gruppe? - Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsplanung empfehlen Sie? Insgesamt lassen sich die Probleme der Unternehmensplanung in zwei Kategorien unterteilen: Zum einen gibt es grundsätzliche Kritik an der Planung und Kontrolle. Zudem werden handwerkliche Fehler bei der Umsetzung von PuK-Systemen genannt. Zu den grundsätzlichen Problemfeldern der Planung und Kontrolle zählen: 276 die Unsicherheit der Planung, da diese immer auf Prognosen basiert und damit vor allem bei hoher Umweltdynamik die Gefahr von Fehlentscheidungen birgt, Zielkonflikte zwischen den Planungsfunktionen, da die Koordinations- und die Prognosefunktion zu eher realistischen Planwerten, die Motivationsfunktion dagegen zur Vorgabe hoher Planwerte führen, die Komplexität der Planung aufgrund vielfältiger inhaltlicher und zeitlicher Verflechtungen zwischen Umwelt und Unternehmen, die in der Planung nur unzureichend abgebildet wird und damit deren Aussagekraft einschränkt, und die Subjektivität der Planung durch die Abhängigkeit von unterschiedlichen Werten, Wissen, Erfahrungen und Durchsetzungsvermögen der an der Planung beteiligten Mitarbeiter. Zudem werden folgende Probleme bei der Umsetzung von Planung und Kontrolle in der Unternehmenspraxis genannt: 277 Planzahlen sind begrenzt aussagefähig, da sie oft finanzorientiert sind, nicht anhand von Marktvorgaben, z.B. den Verkaufszahlen des Wettbewerbs, abgeleitet werden und durch Planungspuffer verzerrt sind. Zudem bleiben oft Risiken in der Planung unberücksichtigt. Es werden ungeeignete Verfahren, z.B. die Fortschreibungsplanung, eingesetzt. Da häufig zu detailliert geplant wird und der Planungsprozess ineffizient gestaltet ist, ist die Planung sehr aufwändig. 276 Vgl. Hahn (2003), S. 93 ff.; Scholl et al. (2004), S. 153; Reiß/ Bernecker (2006), S. 5 ff.: Nevries et al. (2008), S. 73 f.; Hoefle et al. (2008), S. 234 f. 277 Vgl. Gleich/ Kopp (2001), S. 429 ff.; Hahn (2003), S. 96 ff.; Tigges/ Schmid (2004), S. 690 f.; Hoefle et al. (2008), S. 235 ff.; Homburg et al. (2008), S. 638 f. <?page no="177"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 177 Die strategische und die operative Planung sind häufig nicht integriert, so dass die operative Planung nicht zur Strategieumsetzung beiträgt. Zudem sind die Teilplanungen, z.B. die GuV-, Bilanz- und Cash-Flow-Planung, nicht immer abgestimmt, was zu Konsistenzfehlern führen kann. Der Planungsprozess ist zu lang und kann zu veralteten Planungsprämissen führen. Die geringe Verbreitung integrierter Planungssoftware verursacht Probleme beim Aufbau eines konsistenten Datenbestandes und eines durchgängigen Datenmodells und erlaubt nur eine unzureichende Unterstützung bei der Steuerung der Planung. Unternehmen haben vielfach kein Planungshandbuch, was zu Ineffizienzen im Planungsprozess und zum Verlust von planungsrelevantem Wissen führen kann. Die Planung ist häufig nicht flexibel, so dass sie innerhalb der Planerperiode nicht an geänderte Umweltbedingungen angepasst werden kann. Diese Probleme führen zu einer Scheingenauigkeit und fehlender Akzeptanz der Planung mit der Folge, dass Termine im Planungsprozess nicht eingehalten, die Motivation zur Planerfüllung eingeschränkt und der Verbindlichkeitsgrad der verabschiedeten Pläne von den Planungsverantwortlichen unterschiedlich ausgelegt werden. Zur Lösung der Probleme bei der Umsetzung eines PuK-Systems in der Unternehmenspraxis sind zahlreiche Vorschläge erarbeitet worden: 278 Problembereich Lösungsvorschläge fehlende Aussagekraft der Planzahlen • zusätzliche Verwendung von nicht-monetären, prozessorientierten Planungsgrößen, z.B. Qualitätsgrößen • Orientierung der Zielvorgaben an externen Benchmarks Keine Berücksichtigung von Risiken in der Planung • Bandbreitenbzw. Szenarioplanung • Erweiterung der Planung um Simulationen ungeeignete Planungsverfahren • Verzicht auf Fortschreibungsplanung und Einsatz analytischer Planungsverfahren soweit möglich übermäßige Ressourceninanspruchnahme • Verringerung des Detaillierungsgrades der Planung • Konzentration auf wesentliche Erfolgsgrößen fehlende Verbindung von strategischer und operativer Planung • Implementierung einer integrierten Planung durch den Einsatz der Balanced Scorecard (vgl. Abschnitt 2.3.3) fehlende Integration der Einzelpläne • Verwendung eines Gegenstromverfahrens mit Top- Down-Eröffnung geringe Verbreitung von Planungssoftware • Verwendung einer integrierten Planungssoftware 278 Vgl. u.a. Gleich/ Kopp (2001), S. 431 ff.; Friedl (2013), S. 142 ff.; Tigges/ Schmid (2004), S. 692; Masa/ Noeske (2008), S. 85 f.; Hoefle et al. (2008), S. 241 ff.; Mäder (2015), S, 8 ff. <?page no="178"?> 178 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe übermäßige Dauer des Planungsprozesses • Standardisierung des Planungsprozesses und Dokumentation durch Planungshandbuch • Definition und Einhaltung klarer Prozessvorgaben • angemessener Detaillierungsgrad • weniger Abstimmungsrunden • Verwendung einer integrierten Planungssoftware fehlende Flexibilität der Planung • Vorgabe von relativen Zielen zu ausgewählten Benchmarks • Implementierung einer analytischen Planung • Vorsehen von Planreserven • Entwicklung von Alternativplänen für bestimmte Szenarien • unterjährige Plananpassungen bei Prämissenänderung Akzeptanz • Coaching der Planungsverantwortlichen Abb. 119: Lösungsansätze für Planungs- und Kontrollprobleme Neben der Verbesserung der Planung durch den Einsatz neuer statistischer Methoden, einer leistungsstärkeren IT, einer besseren Datenverfügbarkeit und einer besseren Organisation sind die persönlichen Faktoren bei der Unternehmensplanung zu berücksichtigen. So sollten kognitive Verzerrungen reduziert und eine opportunistische Unternehmensplanung durch geeignete Anreizsysteme minimiert werden. 279 Zusammenfassung Aus der Jahresabschlussanalyse der Vorperioden lassen sich Prämissen für eine integrierte Finanz- und Erfolgsplanung eines Unternehmens ableiten, sofern keine Strukturbrüche vorliegen. Ergänzend sollten die Prämissen anhand von Benchmarks der Wettbewerber überprüft werden, sofern diese verfügbar sind. Die Plan-GuV dient der Erfolgsplanung des Unternehmens. Auf Basis der Plan-GuV und der Plan-Investitionsrechnung kann dann die Plan-Bilanz des Unternehmens abgeleitet werden. Aus der Plan-GuV, Plan-Investitionsrechnung und Plan-Bilanz wird im letzten Schritt die Plan-Kapitalflussrechnung abgeleitet. Für die operative Unternehmensteuerung sollten die vier Rechenwerke auf Kalendermonate bzw. Kalenderwochen heruntergebrochen werden. Durch eine Szenarioanalyse sowie Simulationsrechnungen können Risiken in die Unternehmensplanung integriert werden. Studien zeigen, dass die erfolgsorientierte Planung mittels Plan-GuV in der Unternehmenspraxis dominiert. Eine moderne Unternehmenssteuerung 279 Vgl. Rieg (2013b), S. 5 ff.; Schäffer/ Weber (2016), S. 18; Satzger et al. (2018), S. 47 ff. <?page no="179"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 179 sollte jedoch Cash Flow-orientiert sein und auf der Plan-Kapitalflussrechnung aufsetzen. 2.3.5 Forecasting Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Begriffe Forecast, Forecasting und Prognose voneinander abgrenzen, die Bedeutung des Forecasting in der Planung und Budgetierung einschätzen, Anforderungen an Prognoseverfahren erläutern, qualitative und quantitative Prognoseverfahren unterscheiden, ausgewählte qualitative und quantitative Prognoseverfahren anwenden und deren Ergebnisse interpretieren, die Vorgehensweisen von rollierenden Forecasts sowie von Predictive Analytics beschreiben, den Umsetzungsstand des Forecastings in der Unternehmenspraxis erläutern sowie Umsetzungsprobleme und Zukunftsentwicklungen diskutieren. Einstiegsfall: Forecast bei B AYER M ATERIAL S CIENCE B AYER M ATERIAL S CIENCE , ein Tochterunternehmen des B AYER -Konzerns, gehört zu den weltweit größten Herstellern von Hightech-Werkstoffen. Aufgrund der Veränderungen im petrochemischen Umfeld, z.B. durch den Markteintritt aggressiver neuer Bewerber mit niedrigen Kostenstrukturen sowie einem starken Anstieg der Preisvolatilität für petrochemische Rohstoffe, hat sich die Marktsituation für B AYER M ATERIAL S CIENCE drastisch geändert. Um auf das dynamische Umfeld adäquat reagieren zu können, bedurfte es der Einführung angepasster Planungs- und Steuerungsinstrumente. Die Grundphilosophie des in 2009 überarbeiteten Planungs- und Forecastingprozesses zeigt Abbildung 120: <?page no="180"?> 180 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 120: Kombiniertes Planungs- und Forecastingmodell der B AYER M ATERIAL- S CIENCE (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Becker et al. (2013), S. 135 ff.) Fragen - Was ist ein Forecast und wie grenzt er sich von der Planung ab? - Wie wird der unterjährige Forecast aus der 1bis 3-jährigen Mittelfristplanung abgeleitet? - Wie wird der ergänzende rollierende Forecast generiert und welche Zielsetzung wird damit verfolgt? 2.3.5.1 Definitionen und Funktionen Eine der zentralen Aufgaben des Managements besteht in der Erreichung der geplanten Unternehmensziele. Zwei wesentliche Problemfelder der Planung resultieren aus ihrer Komplexität aufgrund vielfältiger inhaltlicher und zeitlicher Verflechtungen zwischen Umwelt und Unternehmen und ihrer systemimmanenten Unsicherheit, die vor allem bei hoher Umweltdynamik die Gefahr von Fehlentscheidungen birgt. 280 In diesem Zusammenhang ist das Thema Forecast anzusiedeln. Der Begriff des Forecasts ist in der Literatur nicht einheitlich definiert. 281 Teilweise werden die Begriffe Forecast und Prognose auch synonym verwendet. 282 Hier werden Forecasts als Vorhersagen wesentlicher ökonomischer Parameter und Zielgrößen eines Unternehmens für einen bestimmten Zukunftszeitraum verstanden. Forecasts können sowohl auf subjektiven Managementeinschätzungen als auch auf auf qualitativen und quantitativen Prognoseverfahren basieren. Insofern ist der Begriff des Forecasts 280 Hier und im Folgenden gilt ein besonderer Dank Michael Braunert und Lutz David Molkenbur, die im Rahmen ihrer Hausarbeit im Master Unternehmensentwicklung an der Hochschule Hannover wertvolle Beiträge zu diesem Kapitel geleistet haben. 281 Vgl. auch im Folgenden Hövelborn (2014), S. 666; Gassner/ Krol (2015), S. 75. 282 Vgl. z.B. Kühnapfel (2015b), S. 638 ff. <?page no="181"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 181 methodisch weitergefasst als der Prognosebegriff. Allerdings können verschiedene Prognoseverfahren auch zu unterschiedlichen Vorhersagen derselben Zielgröße führen und bedürfen daher der kritischen Diskussion und Interpretation durch den Controller. Unter Forecasting wird dann der Prozess der Ableitung eines Forecasts verstanden. Ziel von Forecasts ist es, frühzeitig eine Einschätzung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung und deren Auswirkung und somit Informationen über mögliche Zielabweichungen zu erhalten, Maßnahmen zur Schließung dieser Ziellücken zu entwickeln sowie zeitnahe Anpassungen von Zielgrößen zu initiieren. Forecasts sind somit ein Bindeglied zwischen der operativen Planung und Budgetierung und dem laufenden Reporting der Ist-Zielerreichung. Außerdem sind Forecasts auch ein Instrument zur Risikoidentifikation, da sie die Erkennung von Zielabweichungen unterstützen. 283 Wesentliche Gestaltungsmerkmale eines Forecasts sind die Häufigkeit seiner Durchführung, der Detaillierungsgrad und die Ableitungsrichtung. Je dynamischer die Unternehmensumwelt ist, desto häufiger sollte ein Forecast erstellt werden. Der Detaillierungsgrad bestimmt die Zahl der Forecastgrößen und damit die Komplexität und den Aufwand des Forecasts, während die Ableitungsrichtung festlegt, ob der Forecast top-down oder bottom-up durchgeführt wird. Zudem wird zwischen einem klassischen Jahresend-Forecast und einem rollierenden Forecast unterschieden. 284 Abb. 121: Ablauf eines rollierenden Forecasts (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Brenner/ Leyk (2004), S. 106 ff.) 283 Vgl. Shim (2009), S. 12. 284 Vgl. Hövelborn (2014), S. 666 f.; Speth (2016), S. 709. <?page no="182"?> 182 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Beim Jahresend-Forecast stimmt der Prognosehorizont mit dem Geschäftsjahr und damit i.d.R. mit dem Planungshorizont überein, während der rollierende Forecast über einen festen Zeitraum und damit auch über das Jahresende hinaus durchgeführt wird. 285 Beispielsweise könnte ein rollierender Forecast alle drei Monate über einen Prognosezeitraum von einem Jahr durchgeführt werden. Nach drei Monaten wird ein erneuter Forecast erstellt, der sowohl die restlichen neun Monate des Geschäftsjahres als auch die ersten drei Monate des Folgejahres umfasst. Dadurch können aktuelle Informationen laufend in den Forecast einfließen. Folgendes Beispiel zeigt die Integration aktueller Informationen in einen rollierenden Forecast am Beispiel des Vertriebs. Der rollierende Forecast wird für Vertriebsprognosen der verschiedenen Produkte eines Unternehmens genutzt. Dabei müssen die Außendienstmitarbeiter ihre Vertriebsgespräche, den möglichen Auftragswert sowie dessen Eintrittswahrscheinlichkeit in einer Kundendatenbank dokumentieren. Durch Multiplikation des Auftragswertes mit der Eintrittswahrscheinlichkeit ergibt sich der erwartete Auftragswert, der als Forecast-Wert verwendet wird. Addiert man nun die einzelnen Forecast-Werte, ergibt sich die erwartete Auftragssumme und damit der erwartete Umsatz. Sofern ein Auftrag abgeschlossen ist, wird dieser aus der Planung gelöscht. Nachteilig bei diesem Vorgehen ist, dass die erwartete Auftragssumme mit zunehmender Anzahl von Aufträgen ungenauer wird. Außerdem kann ein großes Auftragsvolumen die Darstellung zunehmend unübersichtlich machen. Eine Berücksichtigung von Teamarbeit ist nicht möglich, da die einzelnen Aufträge nur über die verantwortlichen Mitarbeiter gesteuert werden. 286 Verkäufer Produkt Auftragswert Eintrittswahrscheinlichkeit Forecast- Wert A B C A … 1 2 1 2 … 100 € 150 € 100 € 150 € … 40% 70% 10% 25% .. 40 € 105 € 10 € 37,50 … Summe Abb. 122: Beispiel eines rollierenden Forecasts (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kühnapfel (2015a), S. 219) Dem Controlling kommen beim Forecasting folgende Aufgaben zu: Festlegung der Gestaltungsmerkmale des Forecasts, Auswahl einer geeigneten Prognosemethode, Durchführung und Interpretation der Prognose, Erstellung und Kommunikation des Forecasts an das Management sowie 285 Vgl. auch im Folgenden Speth (2016), S. 708 ff. 286 Vgl. o.V. (2017). <?page no="183"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 183 Unterstützung des Managements bei der Ableitung von Maßnahmen zur Zielerreichung bzw. zur Anpassung der Ziele. Insbesondere die Auswahl einer geeigneten Prognosemethode(n) ist von wesentlicher Bedeutung für einen qualitativ guten Forecast. Für die Auswahl eines Prognoseverfahrens gibt es verschiedene Kriterien, wie z.B. die Art des Prognoseproblems oder die vorhandene Datenhistorie. 287 Nachfolgend werden gängige Prognosemethoden erläutert, bevor deren Einsatz in der Unternehmenspraxis untersucht wird. 2.3.5.2 Prognoseverfahren Grundlagen Um die mit dem Einsatz von Forecasts verfolgten Ziele möglichst gut zu erreichen, müssen Prognoseverfahren bestimmten Anforderungen genügen: 288 Die Vorhersagen sollten möglichst zutreffend sein, d.h. das Verfahren sollte eine hohe Prognosegenauigkeit aufweisen. Sie sollten frühzeitig Informationen über mögliche Zielabweichungen bereitstellen (Zielkongruenz). Sie sollen die Identifikationen von Strukturbrüchen und Diskontinuitäten unterstützen. Sie unterliegen daher dem Anspruch einer sachlichen und zeitlichen Entscheidungsverbundenheit. Sachliche Entscheidungsverbundenheit bezieht sich auf die Qualität der zur Verfügung gestellten Informationen. Eng verbunden ist hiermit die Reliabilität der Methode im Sinne einer Freiheit von Zufallsfehlern. Eine zeitliche Entscheidungsverbundenheit liegt vor, wenn die Informationen so zeitnah zur Verfügung stehen, dass sich daraus Handlungsoptionen rechtzeitig ableiten lassen. Sie sollen das Kriterium der Kommunizierbarkeit sowohl innerhalb des Unternehmens als auch extern gegenüber den relevanten Stakeholdern erfüllen. Eine weitere Anforderung betrifft die Objektivität und Verständlichkeit. Eine Prognosemethode ist umso objektiver, je weniger sachlich nicht nachprüfbare Parameter die Vorhersage beeinflussen. Da die Ergebnisse von Prognosen Grundlage für Entscheidungen sind, ist ihre Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit für die Entscheidungsträger von großer Bedeutung. Sie müssen wirtschaftlich sein. Den idealtypischen Ablauf eines Prognoseprozesses zeigt die folgende Abbildung: Abb. 123: Ablauf einer Prognose (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Rieg (2013), S. 9; Kühnapfel (2015a), S. 47 ff.) 287 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 125. 288 Vgl. Horster/ Knauer (2012), S. 118; Egle (2013), S. 262. <?page no="184"?> 184 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Prognosemethoden im Überblick In Theorie und Praxis kommen verschiedene Prognosemethoden zum Einsatz, die sich ihrerseits nach unterschiedlichen Kriterien differenzieren lassen (vgl. Abb. 124). Kriterium Prognosetypen Modellaufbau Differenzierung in statische Modelle (alle Variablen beziehen sich auf eine Beobachtungsperiode) und dynamische Modelle (zeitliche Verzögerungen von Variablen über mehrere Beobachtungsperioden werden berücksichtigt) Prognosegegenstand Unterscheidung nach Art bzw. Inhalt der zu prognostizierenden Variablen Prognosezeitraum Unterscheidung in kurz-, mittel- und langfristige Prognosen Bedingtheit Differenzierung in unbedingte Prognosen (Effektivprognosen) und bedingte Prognosen (Eventualprognosen). Bei bedingten Prognosen wird die Aussage in Abhängigkeit von bestimmten Sachverhalten getroffen (Wenn-dann-Aussage). Prognosewirkungen Unterscheidung in direkte und indirekte Prognosewirkungen. Die direkte Prognosewirkung besteht darin, eine Entscheidung zu treffen, während indirekte Prognosewirkungen auf die Verwendung der Prognose zur Verhaltensbeeinflussung Dritter abzielen. Art der verwendeten Informationen Differenzierung nach qualitativen und quantitativen Prognoseverfahren. Während sich qualitative Prognoseverfahren auf das subjektive Wissen bzw. die Erfahrung von Experten stützen, verwenden quantitative Methoden mathematischstatistische Verfahren. Abb. 124: Kriterien zur Differenzierung von Prognosen (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Horváth et al. (2015), S. 199) 289 Im Folgenden wird auf die Unterteilung in qualitative und quantitative Prognosemethoden eingegangen. 290 289 Zu verschiedenen Systematisierungskriterien vgl. auch Kühnapfel (2017), S. 48 ff.; Kühnapfel (2015a), S.139 ff. 290 Zur Differenzierung in qualitative und quantitative Verfahren vgl. auch Schreiber/ Schulte (2018), S. 70 ff.; Vogel (2015), S. 11; Horváth et al. (2015), S. 199 ff.; Kühnapfel (2017), S. 409. <?page no="185"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 185 Abb. 125: Qualitative und quantitative Prognosemethoden (Quelle: In Anlehnung an Horváth et al. (2015), S. 199 ff.; Kühnapfel (2017), S. 409; Schreiber/ Schulte (2018), S. 70 ff.) Qualitative Prognosemethoden Qualitative Methoden basieren auf Informationsquellen wie Befragungen, Stimmungsindikatoren, Studien von Forschungsinstituten oder Wirtschaftsverbänden und stützen sich somit vorwiegend auf das subjektive Wissen und die Erfahrung von Experten. Sie werden eingesetzt, sofern menschliches Urteilsvermögen benötigt wird, um qualitative Informationen zur Entwicklung der vorherzusagenden Zielgrößen in quantitative Informationen umzuwandeln. Demzufolge weisen sie auch einen höheren Grad an Subjektivität auf als quantitative Verfahren, wobei ihr Formalisierungsgrad und ihre Systematik sehr stark variieren können. 291 Im Folgenden werden mit der Delphi-Methode und der Szenario-Analyse zwei gängige qualitative Prognoseverfahren erläutert. Die in den 60-er Jahre entwickelte Delphi-Methode entspricht im Kern einer schriftlichen Expertenbefragung, bei der die Teilnehmer in mehreren Durchgängen hinsichtlich ihrer Einschätzung zukünftiger Entwicklungen bestimmter Faktoren befragt werden. S CHULZ und R ENN unterscheiden fünf Phasen eines Delphi- Verfahrens: 292 [1] Zunächst wird ein standardisierter Fragebogen zum Gegenstand der Untersuchung, z.B. der Entwicklung des zukünftigen Marktpotenzials für Hybridfahrzeuge in Asien, entwickelt. Typische Inhalte sind hierbei die zu erwartenden 291 Vgl. Runia/ Wahl (2015), S. 75 ff. Von subjektiven Schätzungen unterscheiden sie sich insbesondere dadurch, dass sie einen nachvollziehbaren Aufbau und Ablauf aufweisen. 292 Vgl. Schulz/ Renn (2007), S. 12. <?page no="186"?> 186 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Konsequenzen einer Entwicklung sowie eine Einschätzung der subjektiven Sicherheit des Befragten hinsichtlich ihrer Antworten. [2] Der Fragebogen wird an die Befragungsteilnehmer gesandt. Die Teilnehmer sollten über ausreichend Expertise zum Untersuchungsgegenstand verfügen. [3] Die mit der Durchführung der Delphi-Befragung beauftragte Institution berechnet Durchschnitts-, Extrem- und Streuungswerte der jeweiligen Antworten. [4] Die Experten erhalten dann ihren ursprünglichen Fragebogen zusammen mit den Auswertungen zurück. Die Experten bleiben hier anonym, damit sich kein Befragter im weiteren Prozess von den Angaben eines besonders renommierten Experten beeinflussen lässt. Es erfolgt eine zweite Beantwortung des Fragebogens, dieses Mal unter Berücksichtigung der ersten Auswertung. So sollen die Varianz der Antworten minimalisiert und die kollektive Urteilssicherheit gefördert werden. [5] Die Schritte 2, 3 und 4 werden solange wiederholt, bis die Experten keine Änderungen ihrer Angaben mehr vornehmen. Typische Anwendungsbereiche der Delphi-Methode im Unternehmenskontext ist die Vorhersage von langfristigen Marktpotenzialen und Absatzmöglichkeiten für neue Produkte oder von technologischen Entwicklungen. 293 Wesentliche Vorteile der Delphi-Methode sind, dass das Wissen einer Vielzahl von Experten genutzt und damit einer hohen Komplexität eines Prognoseproblems Rechnung getragen werden kann. Durch die Anonymität der Befragung kann Gruppendruck vermieden werden. Gleichzeitig wird durch die Feedbackrunden eine gewisse Konvergenz der Ergebnisse erzielt. Die Einschätzungen und Prognosen sind demzufolge frei von Extremwerten, allerdings ist nachteilig eine klare Tendenz zum Mittelwert zu erkennen. Eine Schwierigkeit der Delphi-Methode besteht in der Auswahl der Experten. Ein weiterer Nachteil des Delphi-Verfahrens ist der hohe Zeitaufwand. 294 Wie Delphi-Prognosen sind Szenario-Analysen 295 eine Methode der strategischen Frühaufklärung und daher für die strategische Unternehmensplanung von besonderer Relevanz. 296 Grundlage der Szenarioableitung ist eine Trend- und Unsicherheitsanalyse wesentlicher Einflussfaktoren auf die zu prognostizierende Zielgröße. 297 So können beispielsweise durch eine Expertenbefragung wesentliche Einfussfaktoren auf die Entwicklung eines Marktes ermittelt sowie deren Unsicherheit evaluiert werden. Ziel ist die Identifikation von Trends, die sich durch einen starken Einfluss und eine geringe Unsicherheit auszeichnen, sowie von kritischen Unsicherheiten. Die folgende Abbildung zeigt die Aufbereitung einer derartigen Befragung für den Markt der Unterhaltungselektronik. 293 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 200. 294 Vgl. Link/ Weiser (2011), S. 140; Kühnapfel (2015a), S. 146. 295 Zu Szenario-Analysen vgl. Vogel (2015), S. ff.; Kühnapfel (2017), S. 111 ff.; Runia/ Wahl (2015), S. 76 f. 296 Vgl. Runia/ Wahl (2015), S. 76. 297 Vgl. auch im Folgenden Wulf/ Stubner (2012), S. 523 ff. <?page no="187"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 187 Abb. 126: Vereinfachte Trend- und Unsicherheitsanalyse (Quelle: Wulf/ Stubner (2012), S. 525) Anschließend werden die Trends und kritischen Unsicherheiten zu Szenarien verdichtet. Abb. 127: Zukunftsszenarien für den Markt für Unterhaltungselektronik in Deutschland (Quelle: Wulf/ Stubner (2012), S. 525) <?page no="188"?> 188 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abschließend wird anhand von Einflussdiagrammen analysiert, welche Auswirkungen das Eintreten der Szenarien auf zentrale Zielgrößen des Unternehmens hätte. Zur graphischen Darstellung der Zielwirkungen verschiedener Szenarien wird häufig ein Szenario-Trichter verwendet. Je weiter das Szenario in der Zukunft liegt, desto unsicherer wird die Prognose und desto breiter öffnet sich der Trichter. Zur Komplexitätsreduzierung werden bei dieser Technik häufig Best Case- und Worst Case- Szenarien erstellt. Das wahrscheinlichste Szenario wird als Trend- oder Real Case- Szenario bezeichnet. Abb. 128: Szenario-Analyse (Quelle: Link/ Weiser (2011), S. 142; Runia/ Wahl. (2015), S. 77; Vogel (2015), S. 14) Szenario-Analysen sind für die Unternehmensplanung von besonderer Bedeutung und erfreuen sich daher in der Unternehmenspraxis einer breiten Anwendung. 298 Ein Grund hierfür ist darin zu sehen, dass insbesondere die aus einer weiter zunehmenden Komplexität und Dynamik der Unternehmensumwelt resultierenden Unsicherheitsfaktoren sich mit Hilfe von Szenario-Analysen systematisch offenlegen sowie Zusammenhänge und gegenseitige Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren veranschaulichen lassen. Szenario-Analysen fördern das Denken in Alternativen und stehen somit der Annahme einer eindimensionalen Zwangsläufigkeit der Zukunft entgegen. Im Vordergrund steht dabei weniger die exakte Vorhersage zukünftiger Entwicklungen sondern eher die bewusste Auseinandersetzung mit potentiellen Einflussgrößen. Als problematisch wird der Sachverhalt gewertet, dass die Prinzipien für das Erstellen von Szenarien eher allgemeiner Natur sind. Qualität und Erfolg der Szenario-Analyse hängen daher wesentlich von der Kompetenz, der Erfahrung und der Sorgfalt der Anwender ab, wobei die größte Gefahr darin besteht, dass wesentliche Einflussfaktoren und daraus resultierende negative Konsequenzen für die Strategieentwicklung nicht berücksichtigt werden. Je nach Ausgestaltung der 298 Vgl. Runia/ Wahl (2015), S. 76. <?page no="189"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 189 Szenario-Analyse sind mit der Durchführung des Verfahrens ein hoher Zeitaufwand und eine hohe Komplexität verbunden. 299 Quantitative Prognosemethoden Quantitative Methoden zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf numerischen Grunddaten beruhen und mathematisch-statistische Methoden zur Ermittlung der Prognosewerte verwenden. 300 Quantitative Methoden lassen sich in Zeitreihenanalysen, z.B. Trendextrapolationen und Kausalmethoden, z.B. Regressionen, unterscheiden. Zeitreihenanalysen versuchen auf der Grundlage historischer Zeitreihen der zu prognostizierenden Zielgrößen deren zukünftige Entwicklung vorherzusagen, während Kausalmodelle Prognosen anhand der Entwicklung zentraler Einflussfaktoren ableiten. 301 Im Folgenden werden der naive Forecast, die Methoden der gleitenden Durchschnitte und die exponentielle Glättung als Beispiele für Zeitreihenanalysen sowie einfache und multiple Regressionen als Beispiele für Kausalmethoden erläutert. Der naive Forecast wird von vielen Unternehmen als quantitatives Basismodell der Prognose genutzt. 302 Dabei wird angenommen, dass der Prognose-Wert der kommenden Periode 𝑌𝑌 𝑡𝑡+1 dem Ist-Wert einer Zielgröße 𝑌𝑌 𝑡𝑡 entspricht: 303 (1) 𝑌𝑌 𝑡𝑡+1 = 𝑌𝑌 𝑡𝑡 Diese Vorgehensweise wird exemplarisch in Abbildung 129 gezeigt. Die geringe Schwankungsbreite im Volumen der Auftragseingänge führt dazu, dass trotz des geringen Aufwands dieser Methode eine relativ genaue Prognose möglich ist. Sollten die Werte der realisierten Auftragseingänge für den neuen Monat noch nicht gegen Ende des Vormonats zur Verfügung stehen, kann der Vormonatswert verwendet werden. Alternativ kann auch der Durchschnitt der letzten verfügbaren Werte für die Prognose genutzt werden. 304 Abb. 129: Basismodell naiver Forecast und naiver Forecast mit zwei Monats-Zyklus (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kühnapfel (2015), S. 167) 299 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 268 f.; Runia/ Wahl (2015), S. 76; Horváth et al. (2015), S. 200. 300 Vgl. Mertens/ Rässler (2012), S. 539. 301 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 201 f. Vgl. auch im Folgenden Runia/ Wahl (2015), S. 74 ff. 302 Vgl. Dalrymple (1987), S. 140. 303 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 166; Egle (2013), S. 262. 304 Vgl. Claus et al. (2015), S. 158. <?page no="190"?> 190 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Der naive Forecast lässt sich unter folgenden Bedingungen sinnvoll anwenden: [1] Die Planungszeiträume umfassen kurze Perioden (Tages- oder Wochenrhythmen). [2] Es treten nur geringe Schwankungen des Geschäftsumfelds in den Prognosezeiträumen auf. Der naive Forecast ist für Prognosen eines stark saisonalen Geschäfts wie in der Baubranche oder bei einem Süßwarenhersteller ungeeignet. Hier können die Prognose-Werte sehr stark variieren. Die Ausreißer würden somit die Ergebnisse des Forecasts signifikant verfälschen. Dennoch können die durch den naiven Forecast generierten Werte als Benchmark für weitere Prognoseverfahren genutzt werden. 305 Das Basismodell lässt sich durch einfache mathematische Verfahren erweitern. 306 Ausgehend vom Ist-Wert gibt es drei Varianten zur Kalkulation des Prognose- Wertes: 307 [1] Der Prognose-Wert entspricht dem Ist-Wert unter Berücksichtigung der letzten Veränderung (einfache Trendfortschreibung). [2] Der Prognose-Wert entspricht dem Ist-Wert unter Berücksichtigung eines mittel- und langfristigen Trends. [3] Der Prognose-Wert entspricht dem Ist-Wert unter Berücksichtigung der gleichen Periode der letzten Saison (Saisonaler Random Walk). Bei der einfachen Trendfortschreibung wird die eingetretene Veränderung zum Vormonat zum Prognose-Wert des Basismodells addiert. So wird ein Wachstum bzw. Rückgang des Auftragseingangs aus dem Vormonat auch für die folgende Periode unterstellt: 308 (2) 𝑌𝑌 𝑡𝑡+1 = 𝑌𝑌 𝑡𝑡 + (𝑌𝑌 𝑡𝑡 − 𝑌𝑌 𝑡𝑡−1 ) Dem hingegen wird bei Variante 2 ein mittelbis langfristiger Trend aus Vergangenheitswerten der letzten Jahre angenommen. (3) 𝑌𝑌 𝑡𝑡+1 = 𝑌𝑌 𝑡𝑡 + 1 𝑛𝑛 � (𝑌𝑌 𝑡𝑡 − 𝑌𝑌 𝑡𝑡−1 ) −𝑛𝑛+1 𝑡𝑡=0 Die folgende Abbildung verdeutlicht die Vorgehensweise von Variante 2. 305 Vgl. Mertens/ Rässler (2012), S. 436. 306 Vgl. Bruhn (2010), S. S. 122. 307 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 166 ff.; Egle (2013), S. 262 f. 308 Vgl. Carnot et al. (2011), S. 399. <?page no="191"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 191 Abb. 130: Basismodellerweiterung durch mittelfristige Trendfortschreibung (Variante 2) (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kühnapfel (2015a), S. 168) Durch die Berücksichtigung der Durchschnittswerte werden die Prognose-Werte in diesem Beispiel für April und August genauer und passen sich dem realisierten Auftragseingang an. Jedoch ist in den Monaten Mai und Juli eine schlechtere Übereinstimmung in Relation zum realisierten Auftragseingang zu erkennen. Ausschlaggebend dafür sind die negativen Veränderungen (z.B. Umsatzrückgänge), die in die Durchschnittsbewertung eingehen. Diese führen letztendlich zu ungenaueren Ergebnissen, da die Trendlinie unterbrochen und erst bei Berechnung der folgenden Periode geglättet wird. Durch Variante 3 soll das Problem des Saisongeschäfts behoben werden. Die Prognosewerte können hierbei auf Basis der Schwankungen der Vorjahre berechnet und angepasst werden, falls diese zuverlässig aus dem Zeitverlauf beobachtet worden sind. Ferner lässt sich der saisonale Random Walk mit der Variante 2 kombinieren, indem zusätzlich ein Trendfaktor in die Kalkulation einbezogen wird. 309 Das Verfahren der gleitenden Durchschnitte wird für die Ermittlung des Trends einer Zeitreihe genutzt. Ziel dieses Prognose-Verfahrens ist es, anhand einer Mittelwertbildung von historischen Daten einen Prognose-Wert für die nahe Zukunft zu kalkulieren. Dabei werden Ausreißer in einzelnen Perioden eliminiert und die Zeitreihe entsprechend geglättet. Prinzipiell beschreibt das Verfahren somit eine Methode der Zeitreihenanalyse, bei der zufällige Schwankungen, die den Trend der Zeitreihe überlagern, eliminiert werden, indem die Zeitreihenwerte an das durchschnittliche Niveau angeglichen werden. Daraus resultieren eine erkennbare Grundrichtung der Zeitreihe und folglich eine Orientierungsgröße für einen Forecast des nächsten Wertes der Zeitreihe. 310 Der in der Statistik gängige Sammelbegriff für diese Art von Verfahren lautet Extrapolation. Ein Beispiel ist die erste Hochrechnung der Ergebnisse bei Wahlen. Abbildung 131 zeigt eine vereinfachte Darstellung der Methode: 309 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 166 ff. 310 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 191. <?page no="192"?> 192 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 131: Basismodell des gleitenden Durchschnitts Die durchgezogene Linie zeigt die Entwicklung des Umsatzes über den Zeitraum von zwölf Perioden, die gestrichelte Linie den gleitenden Durchschnitt. Die Spannbreite der Zeitreihenwerte ist in diesem Beispiel vergleichsweise gering. Die Berechnung des gleitenden Durchschnitts basiert auf dem Verfahren der ungeraden Ordnung, welches eine Mittelwertbildung durch die Verrechnung der Daten von drei aufeinander folgenden Perioden vorsieht. Erkennbar ist, dass positive wie negative Ausreißer durch die Durchschnittsbildung normalisiert werden. 311 Um nun auf Basis der berechneten gleitenden Durchschnitte eine Prognose erstellen zu können, muss in einem nächsten Schritt eine Trendextrapolation durchgeführt werden. Zu diesem Zweck werden die berechneten Daten in die Zukunft fortgeschrieben. 312 (4) 𝑌𝑌 𝑡𝑡+1 = 1 𝑘𝑘 � 𝑌𝑌 𝑗𝑗 𝑡𝑡 𝑗𝑗=𝑡𝑡−𝑘𝑘+1 Der Parameter k wird auch als Ordnung bezeichnet und legt die Zahl der bei der Durchschnittsbildung einzubeziehenden Vorjahresperioden fest. Im Unterschied zur exponentiellen Glättung werden dabei alle k Vorperiode-Werte gleich gewichtet. Das Prognose-Verfahren der exponentiellen Glättung ist ebenfalls eine Form der Zeitreihenanalyse. Aus den verfügbaren Werten der Zeitreihe wird hierbei das arithmetische Mittel zur Prognostizierung der künftigen Werte gebildet. Eine Besonderheit des Verfahrens zur exponentiellen Glättung ist die Einbeziehung des Gewichtungsfaktors α, der festlegt, wie stark jüngere Zeitwerte bei der Berechnung berücksichtigt werden. Je niedriger der Glättungsfaktor α ist, desto stärker werden ältere Werte berücksichtigt und umgekehrt. 313 Die Spannbreite des Gewichtungsfaktors liegt hierbei zwischen 0 und 1. In der Praxis haben sich eher kleine Schätzwerte im 311 Vgl. Bourier (2018), S. 159 ff. 312 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 195. 313 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 200 f; Claus et al. (2015), S. 103., Vogel (2015), S. 43 ff. <?page no="193"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 193 Bereich zwischen 0,1 und 0,3 etabliert. 314 (5) 𝑌𝑌 𝑡𝑡+1 = 𝛼𝛼 �(1 − 𝛼𝛼) 𝑖𝑖 𝑌𝑌 𝑡𝑡−1 + (1 − 𝛼𝛼) 𝑡𝑡 𝑡𝑡−1 𝑖𝑖=0 Es wird also aus den vorgegebenen Datenreihen (beispielsweise den Umsätzen des letzten Jahres) und den geglätteten Werten eine rekursive Zeitreihe aufgebaut. Der Vorteil des Prognose-Verfahrens durch exponentielle Glättung liegt darin, dass nur wenige Informationen benötigt werden, um einen Prognose-Wert zu errechnen. Zudem kann durch die Veränderung eines einzigen Parameters der Einfluss von älteren und gegenwärtigen Daten auf die Kalkulation angepasst werden. 315 Demgegenüber ist die Wahl des Alpha-Wertes jedoch subjektiv, was den Forecast-Wert bei falschen Annahmen entsprechend verzerren kann. Zudem reagiert das Basismodell der exponentiellen Glättung bei einem anhaltenden Trend zeitverzögert und ist somit nicht mehr zu Prognose-Zwecken geeignet. 316 Für solche Prognose-Fehler im Basismodell der exponentiellen Glättung gibt es in der Praxis noch andere Varianten des Verfahrens, die z.B. in der Lage sind, Trends zu erkennen und resultierende Schwankungen auszugleichen. 317 Die Schwäche der Zeitreihenverfahren besteht vor allem darin, dass sie lediglich den Faktor Zeit als Einflussvariable zulassen. Besser wäre es, Einflussvariablen auf die vorherzusagende Zielgröße zu ermitteln und anhand ihrer Entwicklung die Zielgröße zu prognostizieren. So können beispielsweise Kausalmodelle formuliert werden, wenn die Beziehungen zwischen Prognosegrößen und anderen Faktoren bekannt sind. 318 Regressionsansätze lassen sich den Kausalmodellen zuordnen. Anhand einer oder mehrerer erklärender Variablen wird die Entwicklung einer zu erklärenden Variablen, z.B. der Absatz, geschätzt. Ein Beispiel ist die Untersuchung des Zusammenhangs des monatlichen Haushalts-Nettoeinkommens (kausale oder erklärende Variable) und den Ausgaben für höherpreisige Konsumartikel (erklärte oder abhängige Variable). Existiert ein Zusammenhang zwischen beiden Größen, lassen sich auf Grundlage der zukünftigen Entwicklung des monatlichen Haushalts-Nettoeinkommens die langfristigen monatlichen Ausgaben für höherpreisige Konsumartikel schätzen. 319 Zur Nutzung der linearen Regression bedarf es bestimmter Grundvoraussetzungen: So muss zunächst zwischen der erklärten Variable und der erklärenden Variable ein linearer kausaler Zusammenhang bestehen. Darüber hinaus werden historische Werte für beide Variablen benötigt. 320 314 Vgl. Vogel (2015), S. 50. 315 Vgl. Mertens/ Rässler (2012), S. 27. 316 Vgl. Vogel (2015), S. 52. 317 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 206 ff. 318 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 199. 319 Vgl. Curwin/ Slater (1996), S. 379; Kühnapfel (2015a), S. 143 sowie S. 166 ff. 320 Vgl. Neubauer (1994), S. 227; Mertens/ Rässler (2012), S. 135. Zur einfachen und multiplen Regression vgl. im Detail Backhaus et al. (2018), S. 57 ff. <?page no="194"?> 194 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Für eine beispielhafte Illustration der linearen Regression wird angenommen, dass ein Unternehmen über mehrere Daten einer erklärenden Variable x (z.B. Marketingaufwendungen in Mio €) und einer erklärten Variable y (z.B. Umsatzerlöse in Mio €) verfügt. x y 35 192 59 194 73 197 88 202 110 210 126 235 135 252 139 290 151 317 169 353 169 366 182 370 Abb. 132: Ausgangsdaten Regression Anhand der vorliegenden Werte lässt sich zunächst der Korrelationskoeffizient kalkulieren. Grundsätzlich ist hierbei zu erwarten, dass der Koeffizient einen Wert zwischen -1 und 1 annimmt. Dabei gilt, je näher er sich am jeweiligen Extrem befindet, desto stärker ist die Abhängigkeit der beiden Variablen voneinander und desto eher sind die Werte für einen Forecast geeignet. Ein Korrelationskoeffizient von 0,4 wäre z.B. ein Indikator für einen schwachen positiven Zusammenhang. 321 Für das vorliegende Beispiel liegt der Wert des Korrelationskoeffizienten bei 0,92. Eine tragfähige Prognose erscheint daher möglich. Abb. 133: Einfache Regressionsgerade 321 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 213 ff. <?page no="195"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 195 Der nächste Schritt ist die Darstellung der beiden Variablen in einem Streuungsdiagramm, das die Verteilung der Werte-Paare visualisiert. Das Ziel der linearen Regression liegt nun darin, eine Gerade so durch diese Punkte-Wolke zu führen, dass sie an jeder Stelle optimal an den Verlauf der Beobachtungspaare angepasst ist. 322 Unter der Annahme, dass die aktuelle Abhängigkeit der Variablen auch in Zukunft gilt, lässt sich so für jeden künftig verfügbaren Wert von x anhand der u.g. Regressionsgleichung auch der Wert der Variable y kalkulieren. 323 Bei Forecasts auf Grundlage multipler Regression gibt es statt einer einzelnen mehrere erklärende Variablen. 324 Beispielsweise könnte man annehmen, dass die Absatzmenge eines Produkts (MENGE) von seinem Preis (PREIS), den Ausgaben für seine Verkaufsförderungen (AUSGABEN) und der Zahl der Besuche von Außendienstmitarbeitern (BESUCHE) abhängt. 325 Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Ergebnisse eine Regressionsanalyse auf Basis eines historischen Datensatzes. Koeffizienten Modell nicht standardisierte Koeffizienten standardisierte Koeffizienten T Signifikanz B Standardfehler Beta (Konstante) 763,650 223,946 3,410 0,002 PREIS -45,177 16,102 -0,191 -2,806 0,008 AUSGABEN 0,0551 0,050 0,753 10,925 0,000 BESUCHE 9,705 1,658 0,404 5,854 0,000 Abb. 134: Ergebnisse einer multiplen Regression (Quelle: In starker Anlehnung an Backhaus et al. (2018), S. 102) In diesem Beispiel beträgt das Bestimmtheitsmaß R²=0,85, das korrigierte Bestimmtheitsmaß 0,833 sowie das Signifikanzniveau des dazugehörigen F-Tests p=0,000. Das bedeutet, dass die Variation der Absatzmenge zu 85% durch die drei unabhängigen Variablen erklärt wird und diese somit einen hohen Erklärungs- und Prognosewert besitzen. Zudem liegt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein systematischer und kein zufälliger Zusammenhang vor. Aus Abbildung 134 lassen sich die Erklärungskraft und die Signifikanz der einzelnen unabhängigen Variablen entnehmen. Die nicht-standardisierten Regressionskoeffizienten können für die Regressionsgleichung und zur Prognose verwendet werden: (6) 𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 = 763,65 + 9,71 ∙ 𝐵𝐵𝐵𝐵𝐵𝐵𝐵𝐵𝐵𝐵ℎ𝐵𝐵 − 45,18 ∙ 𝑃𝑃𝑃𝑃𝑀𝑀𝑃𝑃𝑃𝑃 + 0,55 ∙ 𝐴𝐴𝐴𝐴𝑃𝑃𝑀𝑀𝐴𝐴𝐵𝐵𝑀𝑀𝑀𝑀 322 Vgl. Schmidt/ Trenkler (2015), S. 186. 323 Vgl. Curwin/ Slater (1996), S. 379. 324 Vgl. Neubauer (1994), S. 227; Kühnapfel (2015a), S. 213 ff. 325 Das Beispiel stammt aus Backhaus et al. (2018), S. 100 ff. <?page no="196"?> 196 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Anhand der geplanten Marketing- und Vertriebsmaßnahmen lässt sich dann die die Absatzmenge der Folgeperiode prognostizieren. Der standardisierte Regressionskoeffizient Beta ist ein Maß für die Stärke des Einflusses einer unabhängigen auf die abhängige Variable. Abbildung 134 zeigt, dass die Ausgaben für Verkaufsförderung den größten Einfluss haben. Ökonometrische Modelle stellen ein System von gegenseitig abhängigen Regressionsgleichungen dar, die den zu analysierenden Bereich gemeinsam beschreiben. In der Regel erfolgt dabei die Schätzung der kausalen Größen simultan. Typische Anwendungsbereiche für den Einsatz ökonometrischer Modelle ist die Prognose von Marktentwicklungen, insbesondere zusammenhängender Makrogrößen, wie z.B. das Investitionsvolumen oder die Konsumausgaben. Ökonometrische Modelle sind zur Prognose von relevanten Wendepunkten in zukünftigen Entwicklungen geeignet. 326 Zu den Problemen beim Einsatz ökonometrischer Modelle gehören Schwierigkeiten bei der Identifikation sämtlicher Einflussfaktoren, weil entweder deren Quelle unbekannt ist oder keine Kenntnis über deren Existenz besteht. Weitere Probleme betreffen den hohen Zeitaufwand für die Messung der Faktoren oder den Tatbestand, dass die Ergebnisse der Bewertung nicht rechtzeitig genug verfügbar sind, um in die Forecasts mit einbezogen zu werden. 327 Die vorgestellten Prognoseverfahren unterscheiden sich wesentlich in ihrer Komplexität. Es wird empfohlen, komplexere Prognoseverfahren nur dann zu wählen, wenn diese zu signifikant besseren Ergebnissen führen. 328 Die folgende Abbildung visualisiert wesentliche Einflussfaktoren auf die Auswahl eines Prognosemodells. Abb. 135: Anwendungsbedingungen von Prognosemodellen (Quelle: BARC-Anwenderstudie Fuchs/ Tischler (2016), S. 28) Zusammenfassung Es gibt eine Vielzahl von Instrumenten zur Unterstützung eines Forecasts, die zur Prognose wesentlicher ökonomischer Zielgrößen verwendet werden können. Die einfachste Variante ist der naive Forecast. 326 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 201. 327 Vgl. Kühnapfel (2015a), S. 212. 328 Vgl. Rieg (2013b), S. 1 f.; Becker et al. (2013), S. 115 f. <?page no="197"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 197 Forecastmethoden werden in qualitative und quantitative Verfahren unterteilt. Während qualitative Verfahren auf Expertenwissen beruhen, verwenden quantitative Prognoseverfahren mathematisch-statistische Methoden zur Ermittlung der Prognosewerte und beruhen auf numerischen Grunddaten. Die Delphi-Methode sowie Szenarioanalysen sind in der Praxis häufig verwendete qualitative Prognoseverfahren. Zu den quantitativen Forecasts-Methoden gehören die Methoden der gleitenden Durchschnitte oder der exponentiellen Glättung sowie die lineare Regression, welche auf Extrapolationen von historischen Zeitreihen der Prognosegröße aufbauen. Die multiple Regression erweitert diese Methoden durch Einbeziehung mehrerer erklärender Variablen Die anspruchsvollste Forecast-Methode ist die Anwendung eines ökonometrischen Modells. Während quantitative Verfahren in einem gut strukturierten Planungsumfeld anwendbar sind, eigenen sich qualitative Verfahren vorwiegend für Situationen, in denen die Problemstruktur noch nicht abschließend identifiziert ist. Häufig wird daher eine Kombination beider Verfahren für einen Forecast angewandt. 2.3.5.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Hinsichtlich der Frage, inwieweit der Forecast als Steuerungsinstrument in der deutschsprachigen Unternehmenspraxis umgesetzt wird, werden Ergebnisse ausgewählter Studien vorgestellt. Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Schäffer et al. (2013) Schriftliche Befragung von 969 deutschen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung, Rücklaufquote: 46% Studie 2 Leyk/ Kappes (2013) Schriftliche Befragung von ca. 1.000 Unternehmen im deutschsprachigen Raum aus den Branchen, Industrie, Handel und Dienstleistung Rücklaufquote: 25% Studie 3 Schäffer/ Weber (2016b) Schriftliche Befragung von 1.080 deutschen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung, Rücklaufquote: 44%, Auswertung von 448 Unternehmen mit mittlerer bis intensiver Involvierung in das Forecasting Abb. 136: Ausgewählte Studien zur Umsetzung des Forecasts Bezüglich der Anwendung des rollierenden (Finanz-)Forecasts kommen die drei Studien teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Gemäß Studie 3 erstellen 91% der teilnehmenden Unternehmen einen unternehmensweiten Finanzforecast, hiervon allerdings nur 20% einen rollierenden Forecast. Dieses Ergebnis widerspricht den <?page no="198"?> 198 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Befunden von Studie 1, nach der 38% der Unternehmen einen rollierenden Forecast nutzen. Ein teilrollierender Forecast wird von 13% der teilnehmenden Unternehmen, ein unterjähriger Forecast von 67% der Unternehmen ermittelt. Gemäß Studie 2 setzen sogar nur ca. 14% einen rollierenden Forecast ein. 329 Gemäß Studie 3 werden in 42% der Unternehmen Forecast-Zahlen explizit als Ziele angesehen. 79% der teilnehmenden Unternehmen gaben an, dass die wesentliche Aufgabe des Forecasts darin besteht, die wahrscheinliche Geschäftsentwicklung zu ermitteln, knapp gefolgt (76%) von der Anforderung, einen möglichst genauen Forecast zu prognostizieren. Den Forecast als Instrument zur schnellen Reaktion auf neue Entwicklungen gaben 62% der teilnehmenden Unternehmen an. 330 In Bezug auf die Forecastmethoden ist im Zeitablauf ein Anstieg in der Nutzung statistischer Verfahren zu verzeichnen. Während gemäß Studie 2 lediglich 24% der Unternehmen statistische Methoden bzw. Trendfortschreibungen nutzen, 331 findet Studie 3, dass subjektive Einschätzungen von 75% der Unternehmen intensiv genutzt werden. Quantitative Zeitreihenmodelle werden dagegen zu 56%, kausale Modelle zu 24% eingesetzt. Ca. ein Drittel der Unternehmen nutzt alle drei Methoden zur Forecasterstellung. 332 Abb. 137: Methodennutzung bei Erstellung der Forecasts (Quelle: Schäffer/ Weber (2016b), S. 16) Einig sind sich die Studien dagegen mit der Beurteilung der Forecastqualität. Gemäß Studie 2 sind über zwei Drittel der Unternehmen voll (10%) bzw. eher (57%) zufrieden mit der Forecastqualität. 333 Studie 3 kommt zu dem Ergebnis, dass in 65% der Unternehmen die erreichte Genauigkeit des Forecasts innerhalb der akzeptablen Bandbreite liegt. Als akzeptable Abweichung zwischen realisiertem Umsatz und Forecast geben knapp 80% der Unternehmen maximal einen Wert von 5% an. 334 329 Vgl. Leyk/ Kappes (2013), S. 4; Schäffer et al. (2013), S. 15. 330 Vgl. Leyk/ Kappes (2013), S. 4; Schäffer/ Weber (2016b), S. 15. 331 Vgl. Leyk/ Kappes (2013), S. 4. 332 Vgl. Schäffer/ Weber (2016b), S. 16. 333 Vgl. Leyk/ Kappes (2013), S. 4 f. 334 Vgl. Schäffer/ Weber (2016b), S. 17. <?page no="199"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 199 Als Gründe für systematische Verzerrungen von Forecasts nennt Studie 3 kognitive Verzerrungen, z.B. die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten oder die selektive Wahrnehmung von Informationen, gefolgt von bewusst zu pessimistisch bzw. zu optimistisch gestalteten Prognosen. 335 Gemäß Studie 3 werden vor allem eine Verbesserung der IT-Unterstützung (46%), eine stärkere Automatisierung der Planung (43%) sowie eine intensivere Berücksichtigung von Simulationen und Szenarien (40%) als Hebel zur Effizienzsteigerung von Forecasts gesehen. 336 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Einsatz von Forecastmethoden in der Praxis zwar weit verbreitet, deren konkreter Einsatz jedoch sehr unterschiedlich ausgestaltet ist. Ein Großteil der Unternehmen ist mit Planung und Forecast überwiegend zufrieden. Verbesserungspotenzial sehen die Unternehmen in einer stärkeren IT-Unterstützung sowie Automatisierung des Forecastings. 337 2.3.5.4 Probleme und Weiterentwicklung Forecasts sind häufig die Grundlage der operativen Finanz- und Ergebnisplanung. 338 Insbesondere bei Vorliegen dynamischer Märkte, agilem Wettbewerbsumfeld oder stark schwankender Nachfrage besteht die Notwendigkeit einer qualitativ hochwertigen Planung, die ggf. rasch an sich ändernde Umweltbedingungen angepasst werden kann. Allerdings unterliegen die Planung und das Forecasting in den letzten zehn Jahren einem relativ großen Wandel. Die Bedeutung traditioneller bottom-uporientierter Verfahren ist gesunken; dagegen gewinnen deutlich flexiblere Ansätze an Relevanz. Mit Hilfe dieser Verfahren sollen Effektivität und Effizienz verbessert sowie ein höheres Commitment beim Management erzielt werden. Es bedarf der Hinwendung zu einem fokussierten Forecast der wesentlichen steuerungsrelevanten Größen, da der Planungs- und Forecasting-Prozess in vielen Unternehmen sehr zeitaufwändig ist. Langwierige Abstimmungsschleifen haben zur Folge, dass einige Prämissen nicht mehr aktuell sind. Insbesondere widerspricht diese Vorgehensweise dem Ziel, aus einer möglichst aktuellen Gesamtunternehmensperspektive heraus konkrete Maßnahmen und Aktivitäten zu initiieren. 339 Die folgende Abbildung fasst typische Probleme bei der Erstellung zusammen. Prognoseprobleme Beschreibung Fortschreibung von Vergangenheitsdaten in die Zukunft Die Extrapolation von Vergangenheitsdaten erlaubt keine Identifikation von Strukturbrüchen. Zudem ist i.d.R. unklar, wie lang der Vergangenheitszeitraum gewählt werden soll. 335 Vgl. Schäffer/ Weber (2016b), S. 18. 336 Vgl. Leyk/ Kappes (2013), S. 5. 337 Vgl. Leyk/ Kappes (2013), S. 5. 338 Vgl. Kühnapfel (2017), S. 396. 339 Vgl. Ehlken/ Schäffer (2017), S. 35 ff. <?page no="200"?> 200 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Anwendung subjektiver Judgemental-Forecasting-Methoden Erstellung von Prognosen entweder aufgrund subjektiver Einschätzungen oder subjektive Anpassung maschinell erstellter Prognosen. Dabei tritt das Problem auf, dass Anpassungen im Sinne von (vermeintlichen) Verbesserungen nicht objektiv sichergestellt werden können. Wahl ungeeigneter Prognoseverfahren Anwendung insbes. einfacher Verfahren, die zwar für eine stabile Umwelt und einen kurzen Zeitraum geeignet sind, jedoch bei langfristigen Forecasts - teilweise aufgrund fehlender Kenntnisse der Entscheidungsträger - versagen. Angemessene Behandlung von Ausreißern Fehlende angemessene Differenzierung zwischen einmaligen trendverzerrenden Einflüssen, Saisoneffekten, Diskontinuitäten etc. Überprüfung der Prognosegüte Fehlende regelmäßige Überprüfung der Prognosegüte im Rahmen eines Back-Testings Abb. 138: Probleme bei der Anwendung des Forecastings (Quelle: Eigene Erstellung auf der Grundlage von Becker et al. (2013), S. 116 ff. sowie Kühnapfel (2015b), S. 641 ff.) An dieser Stelle sei auf die in jüngerer Zeit entwickelten Methoden der Predictive Forecasts verwiesen. Deren wesentliches Ziel ist, mit Hilfe von Methoden aus der Statistik, dem Data Mining und Operations Research sehr große, unstrukturierte Datenmengen systematisch und voll automatisiert auszuwerten. 340 Die Anwendung von Predictive Forecasts ermöglicht es, den Zeitaufwand für die Planung durch eine voll automatisierte Generierung der Forecastdaten erheblich zu reduzieren und gleichzeitig die Planungsqualität zu verbessern, da Vorhersagen permanent auf Basis der neuesten Informationen aktualisiert werden können (Realtime-Forecasting). . Dem Erfordernis einer adäquaten Berücksichtigung von Unsicherheit und Dynamik in einem komplexen Unternehmensumfeld kann damit ebenfalls besser Rechnung getragen werden. 341 Anhand eines konkreten Anwendungsfalls wird nachfolgend gezeigt, wie innovative Umsatzprognosen mit Hilfe von Predictive Analytics im IBM-Konzern etabliert wurden. 342 Grundlage für die Entwicklung eines solchen Prognosetools waren einige Schwachstellen hinsichtlich Qualität und Verwendbarkeit von Prognosen, mit denen sich insbesondere Großunternehmen häufig konfrontiert sehen. Hierzu zählt z.B. der hohe zeitliche und ressourcenbezogene Aufwand für das Forecasting. Ist-Daten wurden durch die Unternehmenseinheiten unter Anwendung verschiedener Verfahren analysiert, um dann wiederum die erhaltenen Informationen zu neuen Prognosen 340 Vgl. Feindt/ Grüßing (2014), S. 181 f. 341 Vgl. Ehlken/ Schäffer (2017), S. 38. Predictive Forecasting gehört zu den Business Analytics-Methoden. Vgl. hierzu auch Abschnitt 3.3. Zum Thema Controlling und Big Data sind zahlreiche Veröffentlichungen erschienen. Zu Predictive Analytics bzw. Predictive Forecasting vgl. Feindt/ Grüßing (2014), S. 177 ff.; Brunow et al. (2014), S. 13 ff. 342 Vgl. hier und im Folgenden Satzger et al. (2018), S. 49 ff. <?page no="201"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 201 zu verdichten. Diese wiederum werden in mehrstufigen Prozessen über mehrere Hierarchieebenen aggregiert, evaluiert und adaptiert. Eine Vielzahl von Finanzmitarbeitern ist in diesen Prozess involviert, wobei der Aufwand tendenziell mit der Anzahl der zu prognostizierenden Zeiträume zunimmt. Ein weiterer Problembereich betrifft die mangelhafte Präzision, die ebenfalls durch die Vielzahl und oft fehlende Konsistenz der verwendeten Prognosen hervorgerufen wird. Zudem werden Prognosen von Unternehmenseinheiten teilweise für poltische Maßnahmen missbraucht, wenn beispielsweise einzelne Einheiten trotz sichtbarerer Risiken an ihren ursprünglichen Planzahlen festhalten. 343 Auf dieser Grundlage wurden bei IBM Methoden und Werkzeuge (Statistical Tracking and Assessment of Revenue (STAR)) entwickelt, die eine schnelle, effiziente und genaue Umsatzprognose für die Folgemonate ermöglichen und elementarer Bestandteil des Controllingzyklus sind. Abb. 139: Advanced Analytics Prognosesystem STAR bei IBM (Quelle: Satzger et al. (2018), S. 49) Grundlage für die Entwicklung war die Beobachtung, dass jede einzelne Unternehmenseinheit Prognosen auf Basis verfügbarer Daten (z.B. Auftragsbestand, Bestellungen, Rechnungen, Umsätze) erstellt, aber nicht in der Lage ist, diese vollständig und methodisch einheitlich auszuwerten. Darauf basierend wurden mit den Unternehmensbereichen die jeweiligen Datenquellen analysiert und systematisch verfügbar gemacht. Monatlich werden der Datenbasis mit einem gesamten zugreifbaren Datenvolumen von ca. vier Terabyte mehrere Millionen Datensätze hinzugefügt. Zudem sind in STAR 30 verschiedene Prognosemodelle unterschiedlicher Komplexität verfügbar. Da die Modelle eine unterschiedliche Aussagekraft zu verschiedenen Zeitpunkten besitzen, hängt deren Gewichtung wesentlich vom Prognosezeitraum ab: So sind Bestell- und Rechnungsdaten für kurzfristige Betrachtungen von Bedeutung, während längerfristige Prognosen eher durch solche Daten geprägt werden, die neue Geschäftspotenziale repräsentieren und damit von strategischer Relevanz sind. Das System besitzt lernende Komponenten, so dass durch die Rückmeldung der Präzision nach Vorliegen der Ist-Werte die Gewichtungen der Modelle sich dynamisch anpassen. Eine jederzeitige Ermittlung von Prognosen - sowohl für einzelne Unterneh- 343 Vgl. auch im Folgenden Satzger et al. (2018), S. 49 ff. <?page no="202"?> 202 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe menseinheiten als auch für beliebig viele Hierarchiestufen - ist voll automatisiert, verwendet konsistente Methoden und ist gleichzeitig für verschiedene Zeiträume möglich. Insgesamt wird es auch zukünftig die Aufgabe des Controllings sein, geeignete Forecastmethoden zur Unterstützung einer effektiven und effizienten Unternehmenssteuerung zieladäquat auszuwählen, zu implementieren, die Ergebnisse auszuwerten und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. Gleichzeitig muss das Controlling Chancen und Risiken, die sich durch weitere komplexere Prognoseverfahren wie Neuronale Netze und Data Mining ergeben, erkennen und diese Verfahren ggf. implementieren. 2.3.6 Budgetierung Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Bedeutung der Budgetierung für die Unternehmensplanung einschätzen, die verschiedenen Ausprägungen und Funktionen von Budgets sowie die verschiedenen Phasen der Budgetierung erläutern, Budgetierungsverfahren nach verschiedenen Kriterien differenzieren, für verschiedene Budgetierungsprobleme anwenden und die Ergebnisse interpretieren, den Umsetzungsstand in der Unternehmenspraxis beurteilen, Probleme bei der Umsetzung der traditionellen Budgetierung diskutieren sowie Konzepte zur Neugestaltung der Budgetierung erläutern. 2.3.6.1 Definition, Funktionen und Arten Weder in der Literatur noch in der Praxis findet sich eine einheitliche Definition des Begriffs Budget. 344 Ein Budget wird hier als ein schriftlich fixierter und in Geldeinheiten bewerteter Plan definiert, der einem Verantwortungsbereich für eine Periode verbindlich vorgegeben wird und für diesen einen Handlungsrahmen darstellt, innerhalb dessen der Budgetverantwortliche eigenständig Entscheidungen treffen kann. Budgets sind somit monetäre Zielvereinbarungen zwischen Unternehmenseinheiten. 345 Es gibt unterschiedliche Budget-Arten (vgl. Abb. 140). Input-bezogene Budgets geben die finanziellen Ressourcen einer Entscheidungseinheit für eine Budgetperiode vor, wobei als Entscheidungseinheiten Unternehmen, Bereiche, Abteilungen, Kostenstellen, Prozesse und Funktionen festgelegt werden können. Input-bezogene Budgets 344 Vgl. Weber/ Linder (2005), S. 218; Friedl (2013), S. 915; Horváth et al. (2015), S. 119. 345 Vgl. Krey/ Schentler (2007), S. 416; Horváth et al. (2015), S. 120. <?page no="203"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 203 sind häufig Kostenbudgets. Output-bezogene Budgets geben dagegen ein zu erreichendes Ergebnis, z.B. einen Deckungsbeitrag, vor. Flexible Budgets werden an Änderungen externer Einflussgrößen angepasst, während starre Budgets während der Budgetperiode nicht geändert werden. Nach dem Verbindlichkeitsgrad werden Budgets mit festen Ober- und Untergrenzen, Budgets mit Toleranzgrenzen und Budgets, die lediglich als Orientierung dienen, unterschieden. In der Praxis werden Budgets häufig als Quartals- oder Jahresbudget formuliert. Es gibt aber auch Mehrjahres- und Monatsbudgets. Je nach Planungshorizont wird zwischen strategischen, taktischen und operativen Budgets unterschieden. Kriterium Ausprägungen Vorgabegröße Input-bezogene Budgets Output-bezogene Budgets Wertgröße Kostenbudgets Ausgabenbudgets Umsatzbudgets Deckungsbeitragsbudgets Entscheidungseinheit Unternehmensbudgets Bereichsbudgets Abteilungsbudgets Kostenstellenbudgets Prozessbudgets Funktionsbudgets Flexibilität starre Budgets flexible Budgets Verbindlichkeit Budgets mit festen Oberbzw. Untergrenzen Budgets mit Toleranzgrenzen Budgets mit Vorgabe einer Orientierungsgröße Geltungsdauer Monatsbudgets Quartalsbudgets Jahresbudgets Mehrjahres- Budgets Bezugsperiode strategische Budgets taktische Budgets operative Budgets Abb. 140: Systematisierung von Budgets (Quelle: Friedl (2013), S. 196 ff., Horváth et al. (2015), S. 120 ff.; Schreiber/ Schulte (2018), S. 63) Budgets haben zahlreiche Funktionen, die in Abbildung 141 erläutert werden. Funktion Erläuterung Motivation Durch die Gewährung von Handlungsspielräumen bei der Budgeterfüllung soll die Leistungsbereitschaft der Budgetverantwortlichen gesteigert werden. Budgets können als Grundlage für die Leistungsbeurteilung und Bemessung der variablen Vergütung der Budgetverantwortlichen verwendet werden. Bewilligung und Allokation Durch das Budget werden den budgetverantwortlichen Bereichen ihre finanziellen Mittel verbindlich zugewiesen. Vorgabe Die Budgetplangrößen dienen als Zielvorgaben. Kontrolle Durch die Kontrolle wird der Umsetzungserfolg des budgetverantwortlichen Bereichs bewertet. Zudem soll die Kontrolle Lernprozesse auslösen. <?page no="204"?> 204 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Koordination Bei der Budgetfestlegung müssen sich die budgetverantwortlichen Bereiche abstimmen. Verbesserung der Effizienz Durch Budgets soll die Wirtschaftlichkeit im Unternehmen verbessert und die Verschwendung knapper finanzieller Ressourcen verhindert werden. Abb. 141: Budgetfunktionen (Quelle: In Anlehnung an Pfaff (2002), S. 233 f., Friedl (2013), S. 198 f., Küpper et al. (2013), S. 435 f.) Unter Budgetierung wird der gesamte Prozess der Aufstellung, Verabschiedung, Kontrolle sowie Abweichungsanalyse von Budgets verstanden. Die Budgetierung ist der operativen Planung zuzuordnen. Sie konkretisiert die Sachzielplanung monetär. Zudem lassen sich Budgets nur durch Maßnahmen realisieren und müssen deshalb in Maßnahmenpläne umgesetzt werden. Andererseits sollten Budgets aus mittelbis längerfristigen Maßnahmenplänen der strategischen und taktischen Planung hergeleitet werden. 346 Abbildung 142 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Sachzielplanung und der Budgetierung. Abb. 142: Zusammenhang zwischen Sach- und Formalzielplanung (Quelle: In Anlehnung an Weber/ Schäffer (2016), S. 274 f. sowie S. 307) Ausgangspunkt der operativen Planung sind produkt- und marktbezogene Absatz- und Umsatzpläne. Sie beruhen auf Forecasts und gehen in die Fertigungsplanung ein. Für diese liegen häufig analytisch ermittelte Arbeitsgangpläne vor, die für die 346 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 434 f.; Horváth et al. (2015), S. 121 sowie S. 129 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 274 f. sowie S. 336 ff. . <?page no="205"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 205 einzelnen Produkte den Fertigungsdurchlauf und die Einzeldaten, z.B. Bearbeitungszeiten, festlegen. Aus den Fertigungsplänen leiten sich Beschaffungs- und Bereitstellungspläne ab, für die ebenfalls eine analytisch bestimmte Datenbasis in Form von Stücklisten vorliegt. Deutlich ungenauer ist die Planungsbasis für die administrativen und dispositiven Leistungen beim Absatz, in der Produktionssteuerung und der Beschaffung. Planansätze werden hier aus Vergangenheitswerten abgeleitet. Gleiches gilt für die übergeordneten Verwaltungsfunktionen. 347 Die aus der Sachzielplanung resultierenden Erlös- und Kostenplanungen werden anschließend in Budgets überführt. Die Budgetierung lässt sich in mehrere Phasen unterteilen. Zunächst werden Budgetrichtlinien durch die Geschäftsleitung festgelegt, auf deren Grundlage Budgetentwürfe in den Budgetbereichen erarbeitet und mit der jeweils nächsthöheren Instanz bis zur Ebene der Unternehmensführung verhandelt werden. Der Controller stimmt die Teilbudgets ab, überprüft sie und aggregiert sie zum Unternehmensbudget. Abschließend werden die Budgets vom Top-Management genehmigt und den Budgetbereichen als Ziel vorgegeben. Außerdem überträgt die Unternehmensleitung den Budgetbereichen die Entscheidungskompetenz zur Budgetumsetzung. 348 Es gibt unterschiedliche Arten der Budgetierung: Kriteritum Ausprägung zeitliche Abstimmung periodische Budgetierung rollierende Budgetierung sachliche Abstimmung retrograde Budgetierung progressive Budgetierung hierarchische Abstimmung Top-down- Budgetierung Bottom-up- Budgetierung Gegenstrombudgetierung Abb. 143: Systematisierung der Budgetierung Bei der periodischen Budgetierung wird das Budget vor Beginn der Budgetperiode für eine festgelegte Periode (i.d.R. für ein Jahr) erstellt. Am Ende der Budgetperiode wird dann das Budget für die Folgeperiode erstellt. Jedes Budget schließt sich unmittelbar an das Budget der Vorperiode an. Die Budgets verschiedener Budgetperioden werden also nicht abgestimmt. Bei der rollierenden Budgetierung besteht das Budget aus Monatsbudgets z.B. für die ersten drei Monate des Budgetjahres, und Quartalsbudgets für die verbleibenden drei Quartale. Die Monatsbudgets werden detailliert, die Quartalsbudgets grob geplant. Nach Ablauf des ersten Monats wird der 1. Monat des 2. Quartals detailliert geplant. Ist das 1. Quartal abgelaufen, wird an die Budgetplanung ein neues Quartal angefügt. Die rollierende Budgetierung hat den Vorteil, dass die Monatsbudgets stets auf der Basis aktueller Informationen überprüft und ggf. angepasst werden. Da sie in ein Jahresbudget eingebettet sind, können Maßnahmen zur Anpassung an veränderte Unternehmens- und Umweltbedingungen frühzeitig initiiert werden. 349 Einen Überblick über den beispielhaften Grundaufbau einer so verstandenen rollierenden Planung und Budgetierung gibt die folgende Abbildung: 347 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 274. 348 Vgl. Friedl (2013), S. 206 ff. 349 Vgl. Friedl (2013), S. 208 f. <?page no="206"?> 206 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 144: Beispielhafter Grundaufbau einer rollierenden Planung und Budgetierung (Quelle: Rieg/ Bork (2015), S.66) 350 Bei der retrograden Budgetierung werden die Budgets der Unternehmensbereiche an einem vorgegebenen Erfolgsziel, bei der progressiven Budgetierung am Budget des Engpassbereichs ausgerichtet. Allerdings ist der Engpassbereich zu Beginn der Budgetierung häufig unbekannt. Zudem ist das Erfolgsziel keine Vorgabe-, sondern lediglich eine Restgröße und wird daher nicht zwangsläufig optimiert. 351 Nach der Partizipation bei der Budgeterstellung kann zwischen Top-down-Budgetierung, bei der die Budgetvorgabe durch die Geschäftsleitung erfolgt und anschließend über die Hierarchieebenen eines Unternehmens runtergebrochen wird, Bottom-up-Budgetierung, bei der die dezentralen Bereiche ihre Budgets festlegen, die dann zum Unternehmensbudget zusammengefasst werden, und der Gegenstrom- Budgetierung als Zielvereinbarungsprozess zwischen Unternehmensleitung und den Budgetverantwortlichen unterschieden werden. 352 Ein Budgetierungs- oder Budgetsystem besteht aus allen Budgets, Prozessen, Trägern, technischen Hilfsmitteln und Instrumenten zur Erstellung von Budgets. Die Aufgabe des Controllers ist es, ein Budgetierungssystem zu entwickeln und im Unternehmen einzuführen, das Management bei der Budgetierung zu unterstützen 350 Ähnlich vgl. auch Brenner/ Leyk (2004), S. 106 ff. 351 Vgl. Friedl (2013), S. 208. 352 Vgl. Ossadnik/ Barklage (2002), S. 247 f.; Friedl (2013), S. 210 f. <?page no="207"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 207 und den Budgetaufstellungsprozess zu koordinieren. Bei der Konzeption des Budgetierungssystems werden Zielgrößen, ein Budgetierungsverfahren, der Partizipationsgrad der Mitarbeiter, die geeignete IT-Unterstützung sowie ein Verfahren zur Budgetkontrolle ausgewählt. Zu den Unterstützungsaufgaben zählen u.a. die Zusammenfassung von Budgets und die Budgetkontrolle. 353 Zusammenfassung Ein Budget ist ein monetär bewerteter Plan, der einem Budgetbereich für eine Budgetperiode verbindlich vorgegeben wird. Budgets haben eine Vorgabe-, Allokations-, Koordinations-, Motivations- und Kontrollfunktion und dienen der kurzfristigen Effizienzsteigerung von Unternehmen. Die Budgetierung ist der Prozess der Budgetaufstellung, -verabschiedung und -kontrolle. Die Budgetierung ist ein wesentlicher Bestandteil der Formalzielplanung und zählt damit zum operativen PuK-System des Unternehmens. Der Controller konzipiert und implementiert das Budgetsystem, unterstützt das Management bei der laufenden Budgetierung und steuert die Budgetierung. 2.3.6.2 Budgetierungsverfahren Einstiegsfall: Budgetierung in der Grunwaldt GmbH 354 Die Grunwaldt Kindermöbel GmbH fertigt und verkauft derzeit das Kinderbett Ruhesanft, den Kinderstuhl Topolino und ein Regalsystem. Als Controller werden Sie mit der Budgetierung für die Grunwaldt Kindermöbel GmbH beauftragt. Dafür erhalten Sie diese Plandaten sowie Ist-Fertigungskosten des Vorjahres: Plandaten Vertrieb und Beschaffung/ Materialwirtschaft 2019 Produkt Ruhesanft Topolino Regalsystem Nettostückerlös 400,- € 400,- € 550,- € max. Absatzmenge 10.000 Stück 12.000 Stück 15.000 Stück Materialeinzelkosten (MEK)/ Stück 100,- €/ Stück 120,- €/ Stück 200,- €/ Stück 353 Zu den Planungs- und Kontrollaufgaben des Controllers im Rahmen der Budgetierung vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 280 ff. 354 Der Einstiegsfall und das Beispiel zum ZBB sind an Troßmann et al. (2003), S. 125 ff. angelehnt. <?page no="208"?> 208 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Ist-Kosten der Fertigung 2018 Abteilung H olzbea rbeitung M onta g e Polsterei Fixkosten in € variable Kosten/ Min. Kapazität in Stunden Fertigungszeit für • Ruhesanft • Topolino • Regalsystem 200.000,- € 3,- €/ Min. 15.000 Stunden 20 Min. 15 Min. 30 Min. 150.000,- € 4,- €/ Min. 12.000 Stunden 15 Min. 15 Min. 25 Min. 100.000,- € 5,- €/ Min. 4.500 Stunden 15 Min. 15 Min. 0 Min. Erweiterungsinvestitionen zur Produktions- und Absatzsteigerung lehnt Herr Grunwaldt wegen der problematischen Konjunkturentwicklung ab. Er nimmt lediglich einige Ersatzinvestitionen in den Investitionsplan auf und legt dafür das Investitionsbudget pauschal fest. Führen Sie die Budgetierung für 2019 durch. Die Auswahl eines Budgetierungsverfahrens wird durch das Budgetproblem bestimmt. Sind die Zusammenhänge zwischen externen Einflussfaktoren, z.B. Materialpreisen, internen Handlungsvariablen, z.B. der Bestellmenge eines Materials, und der Budgetgröße, z.B. den Beschaffungskosten, eindeutig bestimmbar, können problemorientierte Budgetierungsverfahren angewendet werden. Sind die Input-Output- Relationen dagegen unklar, werden verfahrensorientierte Budgetierungstechniken eingesetzt, die Verfahrensregeln für die Budgetierung vorgeben. 355 Abbildung 145 gibt einen Überblick über Budgetierungsverfahren. Abb. 145: Budgetierungsverfahren (Quelle: In Anlehnung an Küpper et al. (2013), S. 438 ff.) 355 Zu den verfahrensorientierten Budgetierungsverfahren vgl. Küpper et al. (2013), S. 446 ff. sowie Friedl (2013), S. 220 ff. <?page no="209"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 209 Zu den problemorientierten Budgetierungsverfahren 356 gehören die analytische Budgetierung und das Activity-Based-Budgeting. In der analytischen Budgetierung werden die Budgets aus den geplanten Absatzmengen und bekannten Produktions- und Kostenfunktionen für die Produkte abgeleitet, in dem die Kosten- und Ergebniswirkungen der geplanten Absatz-, Produktions- und Beschaffungsmengen prognostiziert werden. Das Activity-Based-Budgeting versucht, durch eine aktivitätsbzw. prozessorientierte Sichtweise die Gemeinkostenbereiche in die analytische Budgetierung einzubeziehen. Voraussetzung für ein Activity-Based-Budgeting ist eine Prozesskostenrechnung, da für die Budgetierung der einzelnen Aktivitäten bzw. Prozesse detaillierte Kosteninformationen benötigt werden. Ausgehend vom geplanten Output wird dann die Menge an benötigten Aktivitäten bzw. Prozessen und die dadurch verursachten Gesamtkosten ermittelt und dann auf die einzelnen Budgetbereiche, die diese Aktivitäten bzw. Prozesse bereitstellen, verteilt. Problemorientierte Budgetierungsverfahren sind für Prozesse der Leistungserstellung mit bekannten Input-Output-Relationen geeignet. 357 Verfahrensorientierte Budgetierungsverfahren formulieren Regeln für den Prozess der Budgetierung. Diese Verfahren werden für Budgetgegenstände eingesetzt, bei denen eine eindeutige Input-Output-Relation nicht formuliert, aber der notwendige Ressourcenbedarf geschätzt werden kann. Es werden input-orientierte Verfahren, die von einem gegebenen Output ausgehend und lediglich den bewerteten Ressourcenverbrauch je Budgetperiode bestimmen, und output-orientierte Verfahren, die die Leistung des zu budgetierenden Bereichs in einer Budgetperiode zur Ableitung des Budgets analysieren, unterschieden. 358 Verfahrensorientierte Budgetierungsverfahren werden zur Ableitung von Budgets für die Verwaltungs- und indirekten Leistungsbereiche des Unternehmens eingesetzt. Zu den input-orientierten Verfahren zählt die Fortschreibungsbudgetierung, bei der das Budget der Vorperiode übernommen und ggf. an geänderte Unternehmens- und Umweltbedingungen, z.B. Tariferhöhungen, angepasst wird. Bei der Fortschreibungsbudgetierung wird keine Planung durchgeführt, da die Input-Output-Beziehungen des Budgetbereichs nicht analysiert werden. Damit besteht die Gefahr, dass Unwirtschaftlichkeiten fortgeschrieben werden. Andererseits ist die Fortschreibungsbudgetierung ein sehr einfaches Verfahren. Sie wird auch als traditionelle Budgetierung bezeichnet. Zu den input-orientierten Verfahren gehört auch die Gemeinkostenwertanalyse (GWA). Durch die GWA sollen die Gemeinkosten in den indirekten Gemeinkostenbereichen reduziert werden. Zu den indirekten Gemeinkostenbereichen zählen alle Organisationseinheiten, in denen vorwiegend Gemeinkosten anfallen und die keine direkt für den Verkauf bestimmten Leistungen erstellen, z.B. Verwaltungsabteilungen. 359 356 Zu problemorientierten Verfahren vgl. stellvertretend Küpper et al. (2013), S. 439 ff. 357 Zum Activity-Based-Budgeting vgl. stellvertretend Joos (2014), S. 351 ff.; Fischer et al. (2015), S. 439 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 335 ff. 358 Vgl. auch im Folgenden Ossadnik/ Barklage (2002), S. 244 ff., Küpper et al. (2013), S. 448 ff. 359 Vgl. auch im Folgenden Küpper et al. (2013), S. 448 ff., Horváth et al. (2015), S. 139 ff. <?page no="210"?> 210 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Eine GWA durchläuft drei Phasen: In der Vorbereitungsphase werden die Mitarbeiter geschult, die Projektorganisation eingerichtet und das Projekt geplant. Hauptbeteiligte sind die Leiter der Gemeinkostenstellen, interne Abnehmer ihrer Leistungen, ein Team aus geschulten Führungskräften, der Controller als Moderator und externe Berater als Methodenspezialisten. In der Analysephase werden alle Leistungen der Gemeinkostenbereiche erfasst und ihre Kosten geschätzt. Die Leistungsempfänger bewerten dann den Nutzen der Leistungen. Anschließend werden Kosten und Nutzen für jede Leistung gegenübergestellt und Einsparideen für Leistungen mit schlechtem Kosten-Nutzen-Verhältnis entwickelt. Dabei wird häufig ein Einsparungsziel von 40% vorgegeben. Anschließend werden die Einsparungsvorschläge anhand von Wirtschaftlichkeits- und Risikokriterien bewertet und Aktionsprogramme zur Umsetzung der ausgewählten Vorschläge durch das Projektteam erarbeitet. In der Realisierungsphase werden die Aktionsprogramme umgesetzt. Diese Phase kann mehrere Jahre dauern. Die Kostenreduzierung liegt in der Praxis bei 12 bis 20%. Dabei wird auch häufig Personal abgebaut. Die GWA lässt sich in allen indirekten Gemeinkostenbereichen einsetzen und ist für repetitive und innovative Leistungen geeignet. Zudem handelt es sich um ein methodisch ausgereiftes, transparentes und gut strukturiertes Verfahren. Allerdings können die rigiden Kostensenkungsziele zu Akzeptanz- und Motivationsproblemen führen, da sie sich oft nur durch Entlassungen realisieren lassen. Zudem ist die GWA sehr arbeitsaufwändig und somit nicht für die laufende Budgetierung, sondern eher zur Lösung krisenhafter Situationen geeignet. Weitere input-orientierte Budgetierungsverfahren sind die administrative Wertanalyse, die Gemeinkosten-Aufwnd-Nutzen-Analyse und das Gemeinkosten-Systems-Engineering. 360 Abb. 146: Prozess des ZBB (Quelle: In Anlehnung an Küpper et al. (2013), S. 453 ff.) 360 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 449 f. <?page no="211"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 211 Bei output-orientierten Budgetierungsverfahren werden Budgets anhand der zu erbringenden Leistungen des Budgetbereichs abgeleitet. Das Zero-Based-Budgeting (ZBB) ist ein output-orientiertes Verfahren, das in drei Phasen durchgeführt wird (vgl. Abb. 146). Während der Vorbereitungsphase werden der Untersuchungsbereich des ZBB festgelegt, die Projektorganisation implementiert und die Mitarbeiter informiert. Der Untersuchungsbereich wird als Entscheidungseinheit bezeichnet und entspricht einer Abteilung oder Kostenstelle. 361 In der Analysephase des ZBB erfolgt eine Ist-Analyse der Qualität und der Menge der Leistungen einer Entscheidungseinheit unter der Annahme, dass alle Aktivitäten des Budgetbereichs neu geplant werden können. Die Leiter der Entscheidungseinheiten beschreiben ihre wesentlichen Aktivitäten und Arbeitsergebnisse, ordnen ihnen ihre Personal- und Sachkosten zu und geben die Leistungsempfänger an. Anschließend werden für die wesentlichen Leistungen Niveaus bestimmt. Unter einem Leistungsniveau ist das quantitative und qualitative Arbeitsergebnis einer Entscheidungseinheit zu verstehen, wobei drei Leistungsniveaus unterschieden werden: Leistungsniveau 1 ist zur Erhaltung des Geschäftsbetriebs zwingend notwendig (Minimalniveau), z.B. die gesetzlich vorgeschriebene Finanzbuchhaltung. Leistungsniveau 2 stellt das gegenwärtige Leistungsniveau der Entscheidungseinheit dar (Normalniveau), z.B. die Kostenrechnung als Zusatzleistung des Rechnungswesens. Leistungsniveau 3 definiert zusätzliche, für die strategische Entwicklung wünschenswerte Leistungen (Wachstumsniveau), z.B. die Einrichtung eines Management-Informationssystems. Für jedes Leistungsniveau werden Ziele und das zu seiner Realisierung wirtschaftlichste Verfahren festgelegt. Zu diesem Zweck müssen die Verantwortlichen für jedes Leistungsniveau wenigstens zwei alternative Verfahren vorschlagen und bewerten, z.B. Eigenbezug oder Fremderstellung. Dann werden für jedes Leistungsniveau Entscheidungspakete formuliert, die die Aufgaben und Ziele der Entscheidungseinheit sowie das Verfahren zur Zielerreichung einschließlich seiner Vor- und Nachteile und Auswirkungen auf andere Entscheidungseinheiten erläutern sowie die notwendigen finanziellen Mittel zur Umsetzung festlegen. Dabei werden die Einzelkosten der Leistungsniveaus 2 und 3 als Differenzkosten zum jeweils vorherigen Leistungsniveau ermittelt. Anschließend werden die Entscheidungspakete nach ihrem Zielbeitrag und ihren Kosten durch die Führungskräfte in eine Rangfolge gebracht. Danach wird das Gesamtbudget auf die Entscheidungspakete verteilt, wobei zunächst das Paket mit der höchsten Priorität Budgetmittel erhält. Anschließend erfolgt eine Mittelzuweisung an das Paket mit der zweithöchsten Priorität etc. Der Budgetschnitt erfolgt, wenn das genehmigte Gesamtbudget verbraucht ist. Zudem werden die Budgetvorgaben um Maßnahmen zur Realisierung des jeweiligen Leistungsniveaus ergänzt. 361 Vgl. hier und im Folgenden Joos (2014), S. 338 ff.; Küpper et al. (2103), S. 453 ff.; Horváth et al. (2015), S. 139 ff., Schreiber/ Schulte (2018), S. 179 f. <?page no="212"?> 212 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Das ZBB kann in allen indirekten Gemeinkostenbereichen eines Unternehmens eingesetzt werden. Es ist ein strukturiertes und methodisch ausgereiftes Instrument, das die Auswirkungen verschiedener Budgethöhen untersucht, und eine analytische, zielorientierte Neuplanung der Aktivitäten der Gemeinkostenbereiche ermöglicht. Außerdem wird das ZBB von den Mitarbeitern eher akzeptiert, da keine rigiden Kosteneinsparungsziele wie in der GWA formuliert werden. Allerdings ist das ZBB ebenfalls sehr aufwändig und kann nur in größeren Zeitabständen (ca. alle fünf Jahre) eingesetzt werden. Weitere output-orientierte verfahrensorientierte Budgetierungsverfahren sind die Programm- und die Projektbudgetierung. 362 Beispiel zum Zero-Base-Budgeting (ZBB) 363 Sie sollen für den Verwaltungsbereich der Grunwaldt GmbH ein ZBB durchführen. Für die Entscheidungseinheiten wurden folgende Gesamtkosten für die drei Leistungsniveaus ermittelt (alle Beträge in Tsd. €). Zudem steht ein Budget von 14 Mio. € zur Verfügung. Entscheidungseinheit Personal P Organisation O Marketing M Rechnungswesen RW IT Leistungsniveau 1 950 2.150 4.500 2.000 1.250 Leistungsniveau 2 1.250 3.000 5.250 2.300 2.000 Leistungsniveau 3 1.500 3.250 6.250 2.500 2.500 Herr Grunwaldt beschließt diese Rangordnung der Entscheidungspakete: M1, O1, IT1, RW1, P1, M2, IT2, O2, IT3, RW2, P2, M3, RW3, O3, P3. Zunächst werden die Einzelkosten für jedes Leistungsniveau ermittelt. Für die Abteilung Personal wird das Leistungsniveau 1 für 950 Tsd. € realisiert, Leistungsniveau 2 kostet zusätzlich 300 Tsd. €, Leistungsniveau 3 weitere 250 Tsd. €. Danach wird das Budget nach der Rangordnung verteilt. Entscheidungseinheit Leistungsniveau Einzelkosten des Niveaus Rang zugewiesenes Budget in Tsd. € kumuliertes Gesamtbudget in Tsd. € Personal 1 2 3 950 300 250 5 11 15 950 10.850 Organisation 1 2 3 2.150 850 250 2 8 14 2.150 3.000 6.650 13.200 362 Zur Beurteilung des ZBB vgl. stellvertretend Joos (2014), S. 351; Horváth et al. (2015), S. 142; Küpper et al. (2013), S. 457; Schreiber/ Schulte (2018), S. 180. 363 Das Beispiel ist angelehnt an Joos (2014), S. 344 ff. <?page no="213"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 213 Marketing 1 2 3 4.500 750 1.000 1 6 12 4.500 5.250 4.500 11.600 Rechnungswesen 1 2 3 2.000 300 200 4 10 13 2.000 2.300 9.900 14.000 IT 1 2 3 1.250 750 500 3 7 9 1.250 2.000 2.500 7.900 12.350 13.700 Der Budgetschnitt erfolgt bei Entscheidungspaket RW 2. Insgesamt können Leistungsniveau 1 beim Personal für 950 Tsd. €, Leistungsniveau 2 in der Organisation für 3.000 Tsd. €, im Marketing für 5.250 Tsd. € sowie im Rechnungswesen für 2.300 Tsd. € und Leistungsniveau 3 in der IT für 2.500 Tsd. € realisiert werden. Lösungshinweise zum Einstiegsfall 364 Die Budgetansätze werden durch eine analytische Budgetierung bestimmt. Zunächst wird überprüft, ob die Kapazitäten in der Fertigung ausreichen. Kapazität in Min. Ruhesanft (Plan) Topolino (Plan) Regalsystem (Plan) Gesamt- Plan Gesamt- Ist Holzbearbeitung 200.000 180.000 450.000 830.000 900.000 Montage 150.000 180.000 375.000 705.000 720.000 Polsterei 150.000 180.000 0 330.000 270.000 In der Polsterei tritt ein Engpass auf. Zur Fertigung der geplanten Absatzmengen werden 330.000 Minuten benötigt, es stehen jedoch nur 270.000 Minuten zur Verfügung. Die Produkte Ruhesanft und Topolino können deshalb nicht in dem geplanten Umfang produziert werden. Die endgültigen Fertigungsmengen werden daher anhand der relativen Deckungsbeiträge (DB) der Produkte bestimmt. DB-Bestandteile in € Ruhesanft Topolino Nettoerlös 400,- 400,- - MEK/ Stück 100,- 120,- = DB I 300,- 280,- 364 Weitere Fallbeispiele zur Erstellung eines Budgetsystems finden sich bei Brühl (2016), S. 278 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 307 ff. <?page no="214"?> 214 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe - Fertigungseinzelkosten (FEK) in Holzbearbeitung Montage Polsterei 60,- 60,- 75,- 45,- 60,- 75,- = DB II 105,- 100,- DB II je Min. Fertigungszeit Polsterei 7,- 6,67 Je Minute Fertigungszeit in der Polsterei wird durch die Produktion von Ruhesanft eine relativer DB II von 7,- € und von 6,67 € für Topolino erzielt. Daher empfehlen Sie der Geschäftsleitung zunächst die geplante Produktionsmenge von Ruhesanft zu realisieren, durch die 150.000 Minuten Fertigungszeit in der Polsterei in Anspruch genommen werden. Die restliche Fertigungskapazität von 120.000 Minuten reicht für die Produktion von 8.000 Topolinos aus. Als Umsatzbudget für den Vertriebsbereich ergeben sich unter Berücksichtigung der reduzierten Produktions- und Absatzmenge für den Topolino diese Budgetansätze: Produkt Ruhesanft Topolino Regal system Gesamt Umsatzbudget in Tsd. € 4.000 3.200 8.250 15.450 Als Kostenbudget für die Materialbeschaffung ergeben sich diese Budgetansätze: Produkt Ruhesanft Topolino Regalsystem Gesamt Materialkostenbudget in Tsd. € 1.000 960 3.000 4.960 Für den Fertigungsbereich ergibt sich das dieses Kostenbudget in Tsd. €: Abteilung Holzbearbeitung Montage Polsterei Gesamt Fixkosten in Tsd. € + Variable Kosten Tsd. € für - Ruhesanft - Topolino - Regalsystem 200 600 360 1.350 150 600 480 1.500 100 750 600 0 450 1.950 1.440 2.850 = Fertigungskostenbudget in Tsd. € 2.510 2.730 1.450 6.690 <?page no="215"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 215 2.3.6.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Abbildung 147 zeigt die Ergebnisse ausgewählter Studien zum Umsetzungsstand und Erfolg der Budgetierung in der deutschsprachigen Unternehmenspraxis. Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Schäffer et al. (2013) schriftliche Befragung von 969 deutschen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung, Rücklaufquote: 46% Studie 2 Leyk/ Kappes (2013) Schriftliche Befragung von ca. 1.000 Unternehmen im deutschsprachigen Raum aus den Branchen Industrie, Handel und Dienstleistung Rücklaufquote: 25% (auswertbare Rückläufer) Studie 3 Schäffer/ Weber (2016c) schriftliche Befragung von 1.080 deutschen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung, Rücklaufquote: 44% Studie 4 Nasca et al. (2018) Online-Befragung deutscher Unternehmen sämtlicher Branchen und Größen, Rücklaufquote: 109 Fragebögen. Abb. 147: Studien zur Budgetierung Einige zentrale Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt: Gemäß der Ergebnisse von Studie 3 wird in kleineren Unternehmen die Budgetierung eher zur Liquiditätssicherung verwendet wird, während in großen Unternehmen deren Nutzung vor allem für Kontrollfunktionen sowie zur Ressourcenallokation, Delegation von Verantwortung sowie Konfliktlösung erfolgt. 365 Wesentliche Budgetgrößen sind das Betriebsergebnis und die Umsatzentwicklung - gefolgt vom Cash Flow. Dagegen haben nicht-finanzielle Budgetgrößen, wie z.B. kunden-, innovations- und prozessorientierte Kennzahlen, eine eher geringe Bedeutung in der Budgetierung. Nur ca. 20 % der Befragten geben z.B. die Größen Kundenzufriedenheit, Umsatzverhältnis alte/ neue Produkte oder Durchlaufzeiten als sehr bedeutsame Budgetgröße an. 366 Bezüglich der Verwendung von Planungsmethoden kommen sowohl Studie 1 als auch Studie 2 zu dem Ergebnis, dass das Gegenstromverfahren das mit weitem Abstand am häufigsten verwendete Planungsverfahren darstellt, allerdings mit unterschiedlichen Gewichtungen. Gemäß Studie 1 definieren 51 % der befragten Unternehmen ihre Unternehmensziele nach dem Gegenstromverfahren, 31% eher topdown, 18% eher bottom-up. 367 Studie 2 kommt zu dem Ergebnis, dass 68% der Unternehmen das Gegenstromverfahren verwenden, 17% eher bottom-up, 15% eher top-down. 368 Die Hälfte der Unternehmen verwendet eine Fortschreibungsbudgetie- 365 Vgl. Schäffer/ Weber (2016c), S. 17. 366 Vgl. Schäffer et al. (2013), S. 23 f. 367 In der 2013 durchgeführten Untersuchung gaben 80% der Unternehmen an, das Gegenstromverfahren zu nutzen, während der reine top-down-Ansatz nur bei 12% vertreten war. Vgl. Schäffer et al. (2013), S. 20. 368 Vgl. Leyk/ Kappes (2013), S. 3. <?page no="216"?> 216 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe rung, die andere Hälfte plant ihr Budget stets neu. 369 In Abhängigkeit von ihrer Größe investieren die Unternehmen signifikante zeitliche Ressourcen in die Budgetableitung. 45% der großen Unternehmen benötigen mehr als 16 Wochen zur Budgeterstellung, bei kleinen sind es nur 12%. Je länger der Unternehmen für die Budgetierung benötigen, desto weniger häufig aktualisieren sie ihr Budget. 370 Insgesamt ist die Beteiligung der Controller an der Budgetierung sehr hoch, während die Manager vor allem inhaltliche Planungsaufgaben übernehmen. Abb. 148: Verteilung der Aufgaben zwischen Controllern und Managern (Quelle: Schäffer/ Weber (2016c), S. 18). Laut Studie 3 plant ein Drittel der Unternehmen Veränderungen der Budgetierung: Der Fokus liegt dabei insbesondere auf einer Prozessvereinfachung sowie einer verbesserten IT-Unterstützung. 371 Den Effizienzsteigerungsmaßnahmen „Verbesserung der IT-Unterstützung“ sowie „stärkere Automatisierung der Planung“ wurden auch in Studie 2 die höchste Priorität eingeräumt. 372 2.3.6.4 Probleme und Weiterentwicklung In der Literatur werden folgende Probleme der traditionellen Budgetierung genannt: 373 Die Plan-Budgetwerte werden teilweise Monate vor der Budgetperiode festgelegt. Das kann zu einer Fehlallokation finanzieller Ressourcen führen. Aufgrund ihrer Detaillierung ist die traditionelle Budgetierung sehr aufwändig. 369 Vgl. Schäffer/ Weber (2016c), S. 13. 370 Vgl. Schäffer/ Weber (2016c), S. 8 f. 371 Vgl. Schäffer/ Weber (2016c), S. 24. Vgl. auch Schäffer et al. (2013), S. 39. 372 Vgl. Leyk/ Kappes (2013), S. 5. 373 Zu den Probleme der traditionellen Budgetierung vgl. Fraser/ Hope (2001), S. 438 ff.; Hansen et al. (2003), S. 95; Greiner (2005), S. 499; Weber/ Linder (2005), S. 222 f.; Wömpener (2007), S. 456 f.; Friedl (2013), S. 222 f.; Horváth et al. (2015), S. 131 ff. <?page no="217"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 217 Der Budgetierungsaufwand steigt zudem mit wachsender Unternehmenskomplexität und Umweltdynamik überproportional an. Es wird geschätzt, dass die Budgetierung 20 bis 30% der Management-Ressourcen des Unternehmens bindet. Detaillierte Budgets schränken die Flexibilität und die Reaktionsschnelligkeit der Unternehmen auf dynamischen Märkten ein, da sie sich kaum an Umweltentwicklungen anpassen lassen und somit Veränderungen und Innovationen hemmen können. Budgetziele werden häufig nicht marktorientiert, sondern kosten- oder vergangenheitsorientiert abgeleitet. Zudem lenkt eine kostenbasierte Budgetierung die Aufmerksamkeit des Managements von strategischen Zielen ab. Durch die Fortschreibungsbudgetierung besteht die Gefahr, dass Unwirtschaftlichkeiten fortgeschrieben werden. Sie begünstigt die Budgetverschwendung, da die Vorjahresbudgets nicht hinterfragt werden. Vorjahresbudgets können jedoch Budgetreserven (Slacks) enthalten. Budgets fokussieren auf kurzfristigen Erfolgszielen und können zur Vernachlässigung von Investitionen und Innovationen als langfristig wertschöpfende Aktivitäten führen. Die traditionelle Budgetierung birgt die Gefahr von dysfunktionalen Verhaltensweisen der Budgetverantwortlichen. Beispiele sind die Budgetverschwendung bei einer Fortschreibungsbudgetierung am Ende der Budgetperiode („Dezemberfieber“), Abteilungsegoismus sowie die Einplanung von Budgetpuffern (Slacks). 374 Zur Neugestaltung der Budgetierung wurden das Better Budgeting, das Advanced Budgeting, das Beyond Budgeting sowie das Konzept der Modernen Budgetierung entwickelt. Unter Better Budgeting werden verschiedene Ansätze zur Weiterentwicklung der traditionellen Budgetierung zusammengefasst. Dabei wird die Budgetierung grundsätzlich beibehalten, allerdings durch vereinfachte Vereinbarungs- und Verabschiedungsprozesse auf drei Monate verkürzt. 375 Fokussierung der Budgetinhalte Optimierung des Budgetierungsprozesses • Konzentration auf erfolgskritische Prozesse und Reduzierung der erforderlichen Budgets und finanziellen Vorgabegrößen • Verzicht auf die taktische Planungsstufe • analytische Budgetierung anstelle der Fortschreibungsbudgetierung • Stärkung der Top-down-Budgetierung zur Aufwandsreduzierung • Durchführung einer rollierenden Budgetierung • Schnelle Vorschauinformationen statt detaillierter Prognoserechnungen • Reduzierung von Anzahl und Häufigkeit der Budgetkontrollen 374 Dysfunktionales Verhalten umfasst alle Handlungen von Mitarbeitern, die die Funktionen eines Controlling-Instruments behindern und die Unternehmensziele beeinträchtigen, vgl. Abschnitt 4.1. 375 Zum Better Budgeting vgl. stellvertretend Weber/ Schäffer (2016), S. 312 ff.; Horváth et al. (2015), S. 131 f. <?page no="218"?> 218 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe • Ableitung von marktorientierten Zielvorgaben anhand von Benchmarks • Abkehr vom Kalenderjahr, Übergang zur Meilensteinbudgetierung • Fokussierung des Reporting • Entkopplung von Anreizsystemen und Budgeterfüllung Abb. 149: Maßnahmen des Better Budgetings (Quelle: In Anlehnung an Horváth et al. (2015), S. 132) Better Budgeting ist kein neues Controlling-Instrument, sondern bündelt einige Weiterentwicklungen der Budgetierung. Folglich gibt es kein einheitliches Better-Budgeting-Konzept. Empirische Studien belegen die positive Wirkung des Better Budgetings. Allerdings erfordern die analytische Neuplanung und Flexibilisierung eine konsequente Vergröberung der Budgetierung, die in der Praxis nicht immer durchsetzbar ist. 376 Ähnlich wie das Better Budgeting zielt auch das Advanced Budgeting darauf ab, die Budgetierung durch eine stärkere Marktorientierung und einen geringeren Detaillierungsgrad flexibler und weniger aufwändig zu gestalten. Allerdings soll hier das gesamte Budgetsystem optimiert werden. 377 Im Gegensatz zum Better Budgeting impliziert das Konzept des Beyond Budgeting, das 1997 von H OPE und F RASER auf der Basis von Unternehmensfallstudien entwickelt wurde, einen vollständigen Verzicht auf Budgets. Beyond Budgeting beruht auf der Annahme, dass sich Budgetierungssysteme nicht zur effektiven und effizienten Steuerung dezentraler Unternehmen in einer dynamischen Unternehmensumwelt eignen. Beyond Budgeting ist ein Rahmenkonzept und besteht aus zwölf Prinzipien, die unternehmensspezifisch konkretisiert werden. Die zwölf Prinzipien werden zwei Bereichen zugeordnet. Der erste Bereich umfasst die Gestaltung eines adaptiven Steuerungsprozesses, der zweite die Implementierung einer dezentralen Unternehmensorganisation und -kultur. 378 Das Beyond Budgeting unterliegt einigen Voraussetzungen: 379 Die dezentralen Einheiten verfügen über einen Wissensvorsprung und können ihre Produktionsfaktoren flexibel einsetzen. Es existieren keine Verbundeffekte zwischen den dezentralen Einheiten, die nur von einer zentralen Stelle wie dem Controlling erkannt werden können. Die Investoren akzeptieren, dass Planbilanzen und -ergebnisrechnungen abgeschafft werden. Die Mitarbeiter sind hochqualifiziert und verfügen über ein ausgeprägtes Strategieverständnis und hohes Verantwortungsbewusstsein. 376 Vgl. Weber/ Linder (2005), S. 229; Horváth et al. (2015), S. 132 f. 377 Zum Advanced Budgeting vgl. Horváth & Partners (2016), S. 174 sowie Horváth et al. (2015), S. 132. Weber/ Schäffer (2016), S. 313 bezeichnen Advanced Budgeting als verwandtes Konzept des Better Budgeting. 378 Vgl. Fraser/ Hope (2001), S. 437 ff., Hansen et al. (2003), S. 97, Krey/ Schentler (2007), S. 416 f., Wömperer (2007), S. 457 ff.; Küpper et al. (2013), S. 459 ff. 379 Vgl. Krey/ Schentler (2007), S. 417; Wömpener (2007), S. 458 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 313 ff. <?page no="219"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 219 Die folgende Abbildung zeigt die wesentlichen Prinzipien des Beyond Budgetings. adaptiver Steuerungsprozess dezentrale Organisation und Kultur • relative Zielvorgaben, um den Wettbewerb zu übertreffen • rollierender und dezentraler Strategieentwicklungs- und -durchsetzungsprozess, kein Top-down-Ansatz • Früherkennungssystem zur Identifizierung von relevanten Umweltänderungen für eine rolllierende Zielprognose • flexible Ressourcenallokation • Informationsversorgung des dezentralen Managements zur Selbstkontrolle • Motivation durch relative, teambasierte Vergütung • Implementierung gemeinsamer Werte und Führungsrichtlinien für mehr Dezentralisierung, Abbau zentraler Kontrollen • Empowerment und Ressourcenausstattung des dezentralen Managements • dezentrale Ergebnisverantwortung • Netzwerkorganisation mit vielen kleinen ergebnisverantwortlichen Einheiten • Koordination der dezentralen Einheiten durch internen Markt und nicht durch ezentrale Budgetierung und Kontrolle • Schulung und Coaching der dezentralen Manager in Beyond Budgeting Abb. 150: Prinzipien des Beyond Budgetings (Quelle: Fraser/ Hope (2001), S. 439 f., Weber/ Linder (2005), S. 230 ff.; Horvàth & Partners (2016), S. 173 f.) Auch das Beyond Budgeting beruht auf bereits diskutierten Maßnahmen und ist kein neues Konzept. Mit Ausnahme von Fallstudien gibt es keine empirischen Erkenntnisse zum Erfolg und Erfolgsfaktoren des Beyond Budgetings. Insbesondere ist unklar, ob sich Beyond Budgeting für alle Branchen und Unternehmensgrößen eignet. Beyond Budgeting erfordert zudem eine Veränderung der Organisations- und Unternehmenskultur. 380 Anhand der folgenden Tabelle lassen sich die drei Konzepte anhand ausgewählter Kriterien vergleichen: Better Budgeting Advanced Budgeting Beyond Budgeting Ziel Optimierung einzelner Bereiche der Budgetierung Optimierung des gesamten Budgetierungssystems Veränderung des gesamten Managementsystems Absicht Beibehaltung der Budgetierung Zurückdrängung der Bedeutung von Budgets Abschaffung von Budgets 380 Vgl. Fraser/ Hope (2001), S. 440, Weber/ Linder (2005), S. 238 f., Wömpener (2007), S. 458, Krey/ Schentler (2007), S. 417 f. <?page no="220"?> 220 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Ergebnis Verbesserung von punktuellen Schwachpunkten Erhöhung der Planungsqualität und Verringerung des Budgetierungsaufwands Bessere Unternehmenssteuerung durch mitarbeiterorientierte sowie partizipative Führungskonzepte Planung Vereinfachung und Konzentration auf erfolgskritische Prozesse, verstärkte Berücksichtigung strategischer Inhalte in der operativen Planung Vereinfachung und Konzentration auf erfolgskritische Prozesse, verstärkte Berücksichtigung nichtmonetärer Größen, integrierte operative und strategische Planung Rollierende, auf monetäre und nichtmonetäre Kerngrößen fokussierte Planung, integrierte operative und strategische Planung, Dezentralisierung der Planung Motivation Stärkerer Fokus auf marktorientierte Zielsetzung Stärkerer Fokus auf marktorientierte Zielsetzung Selbstadjustierende Zielsetzung relativ zu internen oder externen Vergleichsobjektiven Koordination Vorwiegend Koordination über Pläne Vorwiegend Koordination über Pläne Dezentrale marktähntliche Koordination, Unterstützung durch zentrale Stellen Abb. 151: Budgetierungskonzepte im Vergleich (Quelle: Horváth et al. (2015), S. 133) Obgleich die Probleme der Unternehmen hinsichtlich einer zweckmäßigen Ausgestaltung der Budgetierung weitestgehend bekannt sind, eignen sich viele Ansätze nur bedingt, diese in der Praxis zu lösen. Daher wurde das Konzept der Modernen Budgetierung entwickelt, das kein einheitliches Managementkonzept darstellt sondern eine Übertragung von Best-Practise-Ideen in eine Instrumenten-Box umfasst, die auf die jeweilige Situation des Unternehmens adaptiert werden muss. 381 Die wesentlichen Prinzipien der Modernen Budgetierung lassen sich wie folgt darstellen: Herausforderungen Lösungsansätze der Modernen Budgetierung Nutzen gegen Aufwand abwägen • Komplexität der eingesetzten IT-Instrumente, Methoden und Prozesse reduzieren • Sich auf wesentliche, steuerungsrelevane Planungsinhalte beschränken 381 Das Konzept der Modernen Budgetierung wurde vom Internationalen Controller Verein in Zusammenarbeit mit der EBS Universität für Wirtschaft und Recht sowie weiteren Wissenschafts- und Praxisvertretern entwickelt. Zum Konzept der Modernen Budgetierung vgl. stellvertretend Horváth et al (2015), S. 132 ff.; Gleich et al. (2015a), S. 36 ff.; Gänßlen et al. (2015), S. 15 ff.; Horváth & Partners (2016), S. 174 ff. <?page no="221"?> 2.3 Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle 221 Der Dynamik und den ständigen Veränderungen einen flexiblen Rahmen geben • Flexibilität z.B. durch Szenarien, rollierende Planung und Forecasts oder relative Ziele erhöhen • Verwendung grober Jahresziele als Rahmen, kurzfristig konkrete Ziele vorgeben • Rhythmus und Umfang von Budgetanpassungen unternehmensindividuell festlegen Verhaltenssteuerung und Entscheidungsunterstützung abwägen • Budgetierung soll auf Entscheidungsunterstützung fokussieren • Variable Vergütung auf Basis einer ausbalancierten Mischung von kurz- und langfristigen, persönlichen Bereichs- und Unternehmenszielen Planung und Budgetierung in das gesamte Führungssystem einbetten • Berücksichtigung der Kontextfaktoren (z.B. Branche, Organisation, Wertschöpfung, Marktsituation) bei der Gestaltung der Planung und Budgetierung • Kurz- und mittelfristige Planungen stärker strategisch ausrichten, Integration der Maßnahmenplanung Abb. 152: Herausforderungen und Lösungsansätze der Modernen Budgetierung (Quelle: Horváth et al. (2015), S. 135) Hinsichtlich der Prozesse und Strukturen bedarf es einer integrierten, flexiblen und einfachen Planung. Integriert bedeutet die wechselseitige Verknüpfung der strategischen Planung mit dem operativen Budget, dem Monatsreporting und dem Forecasting. Flexibilität impliziert die Bereitschaft und die Möglichkeit zu Planänderungen (z.B. auf Basis von rollierenden Forecasts). Ziele sind schlanke Planungsprozesse, eine überschaubare Anzahl von wesentlichen Kennzahlen sowie maximal automatisierte Planungsprozesse auf Grundlage des jeweiligen IT-Standards. Inhaltlich sollten bei der Planung die Auf- und Ablauforganisation sowie die Wertschöpfungskette abgebildet sein. Ziele sollten transparent und nachvollziehbar kommuniziert werden, die Umsetzungsverantwortung bei den Mitarbeitern liegen. 382 Insgesamt gibt es bei der Budgetierung kein „One size fits all“-Konzept, da alle Ansätze auf Annahmen über externe und interne Kontextfaktoren beruhen. So begünstigt eine stabile Unternehmensumwelt die traditionelle Budgetierung, da die Budgetgrößen dann auf der Grundlage von Vergangenheitswerten gut planbar sind. Der steigenden Umweltdynamik kann durch Better oder Advanced Budgeting Rechnung getragen werden, während bei hoher Dynamik aufgrund der erforderlichen Flexibilität zur Unternehmenssteuerung Modern oder Beyond Budgeting besser geeignet ist. Das Beyond Budgeting stößt bei steigender Unternehmenskomplexität jedoch an Grenzen, da bei einer dezentralen Steuerung der Gesamtüberblick verloren geht (vgl. Abb. 152). 382 Zu den Prinzipien der Modernen Budgetierung vgl. Gänßlen et al. (2015), S. 18; Horváth & Partners (2016), S. 174 ff. <?page no="222"?> 222 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe Abb. 153: Eignung der Budgetierungsansätze (Quelle: Eigene Erstellung in Erweiterung von Weber/ Linder (2008), S. 50; Weber/ Schäffer (2016), S. 314; Schreiber/ Schulte (2018), S. 70) Als innovatives Konzept der Budgetierung wird seit einigen Jahren der Campus-for- Planning-Ansatz diskutiert. Dessen Grundidee basiert auf der Annahme, durch Zusammenbringen aller relevanten Entscheider eines Unternehmens für einen begrenzten Zeitraum den Planungsprozess signifikant zu verkürzen und gleichzeitig die Planungsqualität zu verbessern. 383 So wurde beispielsweise 2012 der Campus-for- Planning-Ansatz bei der D EUTSCHEN T ELEKOM eingeführt. Als wesentliche Vorteile wurden dabei die Möglichkeit des Aufbrechens von Hierarchien und des Silodenkens sowie eine höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen und damit eine höhere Akzeptanz der Planung und Verbindlichkeit der beschlossenen Ziele genannt. 384 Zusammenfassung Als Probleme der Budgetierung werden in der Unternehmenspraxis die hohe Detaillierung und damit ein hoher Aufwand, die fehlende Verknüpfung mit der strategischen Planung und die unzureichende IT-Unterstützung genannt. Weitere Probleme sind die Konzentration auf den kurzfristigen finanziellen Erfolg, die Innenorientierung und die geringe Flexibilität der Ressourcenallokation. Als Lösungsen wurden die Konzepte des Better Budgetings, Advanced Budgetings und Beyond Budgetings entwickelt. Better Budgeting versucht durch gezielte Maßnahmen einzelne Probleme der Budgetierung zu korrigieren, z.B. durch analytische Budgetierung anstelle einer Fortschreibungsbudgetierung. Beim Advanced Budgeting liegt der Fokus auf dem Zurückdrän- 383 Vgl. Weber/ Schäffer (2015), S. 3; zum Campus-Management-Ansatz vgl. auch Ehlken/ Neumann-Giesen (2015), S. 48-52; Wilkens/ Schäffer (2015), S. 54-59; Friedinger/ Altendeitering (2015), S. 35; Rösler et al. (2015), S. 60 ff. 384 Zur Einführung des Campus-Planungsansatzes bei der D EUTSCHEN T ELEKOM AG vgl. Wilkens/ Schäffer (2015), S. 54 ff. <?page no="223"?> Wiederholungsfragen 223 gen von Budgets, einer Verbesserung der Planungsqualität und einer Reduzierung des Budgetierungsaufwandes. Beyond Budgeting verzichtet auf eine Budgetierung zugunsten einer dezentralen und flexiblen Steuerung. Da sich auch diese Konzepte in der Praxis nicht umfassend durchsetzen konnten, wurde das Konzept der Modernen Budgetierung entwickelt. Dieses stellt kein neues, einheitliches Managementkonzept dar, sondern eine Übertragung von Best Practice-Ideen in eine Instrumenten-Box, die auf die jeweilige Situation des Unternehmens angepasst werden. Beim Campus-for-Planning-Ansatz werden alle relevanten Entscheider für einen begrenzten Zeitraum zusammengebracht, um dann die Planung und Budgetierung gemeinsam durchzuführen. Wiederholungsfragen 1. Warum sind Ziele die Grundlage der Unternehmenssteuerung? 2. Wie können Unternehmensziele systematisiert werden? 3. Warum müssen Risikoziele für die Unternehmenssteuerung festgelegt werden? 4. Welche Zielbeziehungen gibt es und welche Bedeutung haben sie für die Entwicklung einer Zielhierarchie? 5. Anhand welcher Verfahren lässt sich das Zielausmaß für eine Folgeperiode bestimmen? 6. Definieren Sie die Begriffe Planung und Kontrolle und erläutern Sie deren Funktionen. 7. Welche Phasen umfasst der Planungsprozess? 8. Nach welchen Kriterien kann Planung systematisiert werden? 9. Welche Unterschiede bestehen zwischen der strategischen, taktischen und operativen Planung? 10. Erläutern Sie die Bestandteile eines Plans und nennen Sie für jeden Bestandteil ein Beispiel. 11. Nach welchen Kriterien kann Kontrolle systematisiert werden? 12. Sollen Controller kontrollieren? 13. Welche Aufgaben hat der Controller bei der Planung und Kontrolle? 14. Welche Anforderungen werden an ein Planungs- und Kontrollsystem gestellt? 15. Erläutern Sie die Gestaltungsparameter eines Planungs- und Kontrollsystems. 16. Nennen Sie Beispiele für Planungs- und Kontrollinhalte der operativen Planung. <?page no="224"?> 224 2 Planung und Kontrolle als Controlling-Aufgabe 17. Was versteht man unter dem Contollability-Prinzip? Welche Implikationen hat es für die Planung und Kontrolle? 18. Durch welche Maßnahmen kann die Planung flexibilisiert werden? 19. Was versteht man unter einer rollierenden Planung? 20. Erläutern Sie Funktionen und Aufbau eines Planungshandbuchs. 21. Welche planungsunterstützenden Aufgaben hat der Controller? 22. Welche Planungsmanagement-Aufgaben übernimmt der Controller? 23. Diskutieren Sie wesentliche Merkmale der Top-down- und Bottom-up-Planung sowie des Gegenstromverfahrens. 24. Wie können Controlling-Instrumente systematisiert werden? 25. Welche Controlling-Instrumente der Planung und Kontrolle können unterschieden werden? 26. Wie lassen sich strategisches und operatives Controlling abgrenzen? 27. Welche Aufgaben übernimmt der Controller im Rahmen des strategischen Controllings? 28. Erläutern Sie Inhalte, Nutzen, Probleme und Umsetzungsstand der wichtigsten Instrumente der strategischen Analyse, Planung und Kontrolle. 29. Welche Probleme der strategischen Planung und Kontrolle gibt es? 30. Was ist eine Balanced Scorecard (BSC)? Erläutern Sie die vier Grundperspektiven der BSC. 31. Welche Funktionen hat die BSC? 32. Wie wird eine BSC abgeleitet? 33. Was versteht man unter einer Ursache-Wirkungs-Kette? 34. Warum handelt es sich bei der BSC um ein ausgewogenes Kennzahlensystem? 35. Erläutern Sie je zwei Kennzahlen für jede der vier Grundperspektiven der BSC. 36. Wie ist der Umsetzungsstand der BSC in der Unternehmenspraxis? 37. Welche Probleme treten bei der BSC auf? 38. Was versteht man unter einer integrierten Finanz- und Erfolgsplanung? Beschreiben Sie die einzelnen Schritte des Planungsprozesses. 39. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Bilanz, der GuV-Rechnung und der Kapitalflussrechnung? 40. Beschreiben Sie drei Ansätze, um Risiken in die Finanz- und Erfolgsplanung zu integrieren. 41. Welche Probleme treten bei der Umsetzung einer integrierten Erfolgs- und Finanzplanung in der Unternehmenspraxis auf? <?page no="225"?> Wiederholungsfragen 225 42. Welche grundsätzlichen Problemfelder der Planung und Kontrolle gibt es? 43. Wie lassen sich Planungs- und Kontrollsysteme weiterentwickeln? 44. Was unterscheidet einen Forecast von einer Prognose? 45. Durch welche Merkmale lässt sich der Rollierende Forecast von anderen Verfahren abgrenzen? 46. Worin bestehend die Besonderheiten qualitativer und quantitativer Forecastmethoden? 47. Erörtern Sie kurz die einzelnen Schritte im Rahmen der Delphi-Methode! 48. Unter welchen Annahmen ist die Methode des Naiven Forecasts sinnvoll anwendbar? 49. Welche Vor- und Nachteile bieten Predictive Forecasts? 50. Was versteht man unter einem Budget und unter Budgetierung? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Budgetierung und der operativen Planung? 51. Welche Funktionen haben Budgets? 52. Nach welchen Kriterien können Budgets systematisiert werden? 53. Wie erfolgt eine problemorientierte Budgetierung? Für welche Bereiche ist sie geeignet? 54. Wie erfolgt eine verfahrensorientierte Budgetierung? Für welche Bereiche ist sie geeignet? 55. Erläutern Sie die Vorgehensweise sowie Vor- und Nachteile der Fortschreibungsbudgetierung, der Gemeinkostenwertanalyse und des Zero-Base-Budgetings. 56. Erläutern Sie die Umsetzung der Budgetierung in der Unternehmenspraxis anhand der Kriterien Budgetgrößen, Budgetierungsprozess und Budgeterfolg. 57. Welche Probleme treten bei der traditionellen Budgetierung auf? 58. Worin bestehen die wesentlichen Aufgaben des Controllers im Rahmen der Budgetierung? 59. Worin bestehen die wesentlichen Probleme der klassischen Budgetierung und welche Verfahren wurden zur Neugestaltung entwickelt? 60. Welchen Anforderungen sollte das Konzept der Modernen Budgetierung insbesondere genügen? Lösungshinweise … finden Sie online unter www.uvk.digital/ 9783 8252 8732 0 <?page no="227"?> 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe 3.1 Grundlagen der Informationsversorgung Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie den Begriff, die Funktionen und den Ablauf der Informationsversorgung erläutern, die Aufgaben des Controllers bei der Informationsversorgung beschreiben, Ansätze der Informationsbedarfsermittlung diskutieren, Möglichkeiten der Nutzung von Führungsinformationen benennen sowie die Bedeutung der IT-Unterstützung der Informationsversorgung diskutieren. 3.1.1 Begriffsabgrenzung und Funktionen Das Management steuert die Ausführungshandlungen der Mitarbeiter und benötigt dafür Informationen über die Durchführung und den Erfolg dieser Handlungen. Zudem erfordert eine effektive und effiziente Steuerung, dass das Verhalten der Mitarbeiter durch die Manager zielgerichtet beeinflusst wird, z.B. durch die Weitergabe von Informationen. 385 Information ist in der Betriebswirtschaftslehre als aus Daten gewonnenes, zweckorientiertes Wissen definiert. Sie muss zur Lösung von Problemen und Aufgaben oder zur Verhaltensbeeinflussung geeignet sein. Führungsinformationen sind Informationen, die zur Steuerung des Führungsprozesses und damit für die Planung, Entscheidung, Aufgabendelegation und Kontrolle notwendig sind. Sie sind häufig verdichtet und fassen Einzelinformationen zusammen. Es gibt unterschiedliche Arten von Führungsinformationen. unternehmensintern unternehmensextern Vergangenheit Zukunft Vergangenheit Zukunft wertzielorientiert quantitativ Ist-Kosten Budgetvorgaben Rendite der Konkurrenz Target Costs qualitativ Verhaltensaspekte der Kostenrechnung Unternehmensgrundsätze Kreditwürdigkeit/ Rating Presseaussagen über Gewinnerwartung 385 Vgl. auch im Folgenden Chwolka (2002), S. 723 ff., Küpper et al. (2013), S. 181 ff., Weber/ Schäffer (2016), S. 81 ff., Horváth et al. (2015), S. 172 ff. <?page no="228"?> 228 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe sachzielorientiert quantitativ Ist-Mengen Plan-Mengen erreichte Marktanteile qualitativ Qualität strategische Ziele eingeholte Kundenaussagen Technologieprognosen Abb. 154: Beispiele für verschiedene Arten von Führungsinformationen (Quelle: In starker Anlehnung an Tank (1993), S. 8) Die Informationsversorgung (IV) des Managements ist ein Prozess mit diesen Phasen: 386 Ermittlung des Informationsbedarfs (vgl. Abschnitt 3.1.3.), Informationsbeschaffung, z.B. aus Daten des betrieblichen Rechnungswesens (vgl. Abschnitt 3.2.), Informationsaufbereitung durch geeignete Controlling-Instrumente (vgl. Abschnitt 3.4.) und Informationsübermittlung durch Berichte (vgl. Abschnitt 3.5.). Das Informationsversorgungsystem (IV-System) ist das Basisystem für die anderen Führungsteilsysteme und besteht aus allen Personen und Sachmitteln, die Informationen bearbeiten, den Informationen selbst und den IV-Instrumenten. Gegenstand des IV-Systems sind explizite, formale, monetäre und nicht-monetäre Führungsinformationen, implizite und nicht-formale Informationen werden dagegen nicht berücksichtigt. Insbesondere für die Planung und Kontrolle werden Informationen mit einem bestimmten Genauigkeits- und Verdichtungsgrad an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt. PuK-System und IV-System werden in der Literatur nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt. Zum PuK-System gehören alle Aktivitäten, die von einem gegebenen Informationsstand ausgehen, während zum IV-System alle Aktivitäten zählen, die den Informationsstand des Managements verbessern. Während es im PuK-System darum geht, aus vorhandenen Informationen Planungs- und Kontrollgrößen abzuleiten, ist es Aufgabe des IV-Systems, die zur Planung und Kontrolle notwendigen Informationen zu beschaffen, aufzubereiten und bereitzustellen. 3.1.2 Aufgaben des Controllers bei der Informationsversorgung Der Controller gestaltet und implementiert das IV-System, verbindet das IV- und das PuK-System, z.B. durch eine Informationsbedarfsanalyse und versorgt das Management mit Führungsinformationen für bestimmte Entscheidungen. 387 Durch die Gestaltung des IV-Systems wird festgelegt, welche Informationen und welche IV-Aktivitäten Bestandteil des IV-Systems sind (funktionale Sicht), welche 386 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 179. 387 Vgl. auch im Folgenden Chwolka (2002), S. 729 f., Horváth et al. (2015), S. 177 ff. <?page no="229"?> 3.1 Grundlagen der Informationsversorgung 229 Stellen für die Informationsversorgung zuständig sind und wie die IV-Prozesse organisiert (institutionale Sicht) und welche IV-Instrumente eingesetzt werden (instrumentale Sicht). Dabei legt der Controller vor allem monetäre aber auch nichtmonetäre Informationsinhalte fest, während das IT-Management das IV-System technisch umsetzt und in die vorhandene IT-Landschaft integriert. Durch die laufende Informationsversorgung soll der Controller den Informationsstand des Managers verbessern, um die Entscheidungsqualität zu erhöhen. Die Informationsdomäne des Controllers sind monetäre Führungsinformationen - insbesondere Erfolgsgrößen. Monetäre Informationen reichen jedoch zur Unternehmenssteuerung nicht aus, da sie i.d.R. Spätindikatoren sind. Der Controller sollte deshalb in die Informationsversorgung Mengen-, Zeit- und Qualitätsgrößen einbeziehen. Zudem ist zu beachten, dass eine Informationsbereitstellung nicht automatisch dazu führt, dass die Informationen vom Management genutzt werden. Es ist vielmehr notwendig, die Informationen adressatengerecht bereitzustellen. Zudem muss der Controller gemeinsam mit dem Management festlegen, welche Informationen an die Mitarbeiter weitergeleitet werden, damit diese sich zielkonform verhalten. Bei der Informationsversorgung muss der Controller diese Anforderungen erfüllen: Anforderungen an die Informationsquellen Anforderung an die Informationsweitergabe an die Manager Anforderungen an die Kommunikation der Informationen • Einheitlichkeit und Konsistenz der Informationen, d.h. gleich benannte Rechengrößen müssen den gleichen Inhalt haben • Richtigkeit und Verlässlichkeit der Informationen, z.B. durch eine automatische Informationsverarbeitung • Zeitnähe der Informationsversorgung, um eine hohe Aktualität zu erreichen • Funktionsfähigkeit und Robustheit des IV-Systems trotz verschiedener Vorsysteme an z.T. unterschiedlichen Standorten • Objektivität der Informationsweitergabe ohne persönliche Wertungen des Controllers • Unmittelbare Nachvollziehbarkeit der Informationen • Benutzeradäquanz, d.h. die Informationen müssen dem Informationsbedürfnis des Managements entsprechen • Problemadäquanz, d.h. die Informationen müssen zur Lösung des Problems geeignet und angemessen verdichtet sein • Wahl einer geeigneten Darstellungsform (verbal, grafisch, tabellarisch) • Wahl des geeigneten Kommunikationszeitpunkts Abb. 155: Anforderungen an die Informationsversorgung (Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Weber/ Schäffer (2016), S. 95 ff.) <?page no="230"?> 230 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Zudem muss sich der Controller angesichts der Informationsvielfalt auf die wirklich zur Problemlösung notwendigen Informationen beschränken. 3.1.3 Ermittlung des Informationsbedarfs Der Informationsbedarf ist die Art, Menge und Qualität von Informationen, die eine Führungskraft in einem gegebenen Kontext für eine bestimmte Aufgabe nach objektiven Maßstäben benötigt. Der Informationsbedarf wird durch die Aufgaben des Informationsverwenders, seine persönlichen Eigenschaften, z.B. fachliche Qualifikation, die Struktur des Führungssystems, z.B. die Unternehmensziele, und externe Bedingungen, z.B. rechtliche Dokumentationsvorschriften, bestimmt. Demgegenüber ist das Informationsbedürfnis der subjektive Informationsbedarf, er kann vom objektiven Informationsbedarf abweichen. 388 Formuliert ein Informationsverwender sein Informationsbedürfnis, kommt es zu einer Informationsnachfrage, die nicht immer dem Informationsbedarf entspricht, wie Abbildung 156 zeigt. Abb. 156: Informationsangebot im Spannungsfeld von Nachfrage und Bedarf (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 93) Feld 1 zeigt die Idealsituation: Hier werden Informationen zur Lösung eines betrieblichen Problems benötigt (Informationsbedarf) und vom Informationsverwender nachgefragt (Informationsnachfrage). Die benötigten Informationen können vom IV- System bereitgestellt werden (Informationsangebot). Ein Beispiel sind Kostenarteninformationen, die der Leiter einer Kostenstelle zur Optimierung der Kapazitätsauslastung benötigt. Problematisch sind die Felder 2, 3 und 7, da hier Informationen nachgefragt (Feld 2 und 3) und auch zum Teil ohne entsprechende Nachfrage bereitgestellt werden (Feld 2 und 7), obwohl diese für die Problemlösung nicht notwendig sind. Die Ursache ist häufig eine unentgeltliche Informationsversorgung durch das Controlling, was dazu führt, dass das Management Informationen hortet. Es ist wichtig, dass der Controller das Management über den tatsächlichen Informationsbedarf 388 Vgl. auch im Folgenden Chwolka (2002), S. 724 f., Küpper et al. (2013), S. 215 ff., Horváth et al. (2015), S. 180 ff. <?page no="231"?> 3.1 Grundlagen der Informationsversorgung 231 aufklärt und die unnötige Informationsversorgung einstellt, da sie Kosten verursacht und zu einer Informationsüberlastung führen kann. Schwierigkeiten bereiten auch die Felder 4, 5 und 6. In Feld 4 fragt das Management Informationen nach, die es zur Aufgabenerfüllung benötigt und die bisher nicht angeboten wurden. Die Informationsversorgung hat nur dann zu unterbleiben, wenn die Kosten zu hoch wären. Feld 5 und 6 umfassen Informationen, die vom Management benötigt, jedoch nicht nachgefragt und z.T. auch nicht angeboten werden. Hier muss der Controller das Management von der Notwendigkeit der Informationen überzeugen und sie bereitstellen. Der Informationsbedarf bzw. das Informationsbedürfnis können mithilfe induktiver und deduktiver Analysemethoden ermittelt werden. 389 Informationsquellen betriebliche Dokumente betriebliche Datenerfassung Informationsverwender Analysemethoden Dokumentenanalyse Datentechnische Analyse Organisationsanalyse Befragung durch Interview, Fragebogen, Bericht Abb. 157: Induktive Analysemethoden des Informationsbedarfs (Quelle Küpper et al. (2013), S. 222) Bei induktiven Methoden der Informationsbedarfsermittlung schließt man von den im Unternehmen in Dokumenten oder in der IT vorhandenen Informationen (Informationsangebot) oder dem durch Befragung der Informationsverwender ermittelten Informationsbedürfnis auf den Informationsbedarf. Problematisch an der angebotsorientierten Vorgehensweise ist, dass der Controller keine Informationen über die tatsächliche Nutzung der Informationen erhält (Felder 3 und 4). Die bedürfnisorientierte Vorgehensweise erlaubt zudem keinen Rückschluss darüber, ob die Informationen auch benötigt werden. Informationsquellen Aufgaben und Ziele des Unternehmens Planungsmodelle des Unternehmens theoretische Planungsmodelle Analysemethoden deduktiv-logische Analyse Modellanalyse Abb. 158: Deduktive Analysemethoden des Informationsbedarfs (Quelle: Küpper et al. (2013), S. 222) Deduktive Methoden der Informationsbedarfsermittlung versuchen, den objektiven Informationsbedarf durch die Analyse der Aufgaben und Ziele des Unterneh- 389 Vgl. hier und im Folgenden Küpper et al. (2013), S. 219 ff. <?page no="232"?> 232 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe mens oder der im Unternehmen verwendeten oder in der Theorie empfohlenen Planungsmodelle zu ermitteln. Deduktive Analysemethoden sind sehr komplex und setzen voraus, dass der Controller die einzelnen Aufgaben und Abläufe im Unternehmen gut kennt. Zudem besteht die Gefahr, dass das Informationsbedürfnis der Verwender nicht berücksichtigt wird, so dass die bereitgestellten Informationen zwar problemadäquat sind, jedoch nicht vom Management akzeptiert werden. Wegen ihrer Vor- und Nachteile sollten beide Verfahren kombiniert werden. Nachdem der Informationsbedarf ermittelt wurde, sind der Nutzen und die Kosten der Informationsbereitstellung zu bewerten. Erst wenn der Nutzen die Kosten übersteigt, sollten die Informationen auch tatsächlich beschafft werden. Die Nutzenbewertung kann dabei monetär anhand der Ergebniswirkungen der beschafften Informationen oder qualitativ durch die Informationsverwender erfolgen. Dabei enstehen zahlreiche Probleme. Beispielsweise setzt eine Nutzenbewertung voraus, dass die Information bereits bekannt und damit auch beschafft ist. Dann ist die Einschätzung ihres Nutzens nur bei regelmäßiger Wiederbeschaffung erforderlich. Es ist zudem schwierig, die Auswirkungen auf das monetäre Ergebnis zu bewerten, da zahlreiche interne und externe Faktoren auf den wirtschaftlichen Erfolg Einfluss haben und eine Veränderung deshalb nicht einer einzelnen Information zuzurechnen ist. 390 Bei der Informationsversorgung kann es zu einem Information Overload kommen. Ein Information Overload (Informationsüberlastung bzw. -überflutung) entsteht dann, wenn die kognitive Verarbeitungskapazität eines Entscheiders überschritten wird. Eine größere Informationsmenge führt also nicht immer zu besseren Entscheidungen. Vielmehr kann ein umgekehrt u-förmiger Zusammenhang zwischen beiden Größen unterstellt werden (vgl. Abb. 159). Abb. 159: Zusammenhang zwischen Informationsmenge und Entscheidungsqualität (Quelle: Volnhals/ Hirsch (2008), S. 52) 390 Vgl. Chwolka (2002), S. 725 f., Horváth et al. (2015), S. 187 ff. <?page no="233"?> 3.1 Grundlagen der Informationsversorgung 233 Der Information Overload wird durch persönliche Eigenschaften wie der individuellen Informationsverarbeitungskapazität, der Informationsmenge und -komplexität, Aufgaben- und Prozessparameter wie dem Zeitdruck und der zur Verfügung stehenden IT bestimmt. Der Controller muss die Führungskräfte auf die Gefahren eines Information Overload aufmerksam machen und die Informationen entsprechend ihrer Relevanz filtern. 391 3.1.4 Informationsverwendung Es gibt verschiedene Nutzungsarten von Führungsinformationen: 392 Bei einer instrumentellen Nutzung nutzen Manager Informationen direkt zur Problemlösung und zur Fundierung von Entscheidungen, z.B. zur Bewertung verschiedener Handlungsalternativen. Als Beispiel können hier Information aus dem Investitionscontrolling z.B. die Kapitalwerte verschiedener Investitionsalternativen genannt werden. Hier sind exakte, problemspezifische und differenzierte Informationen notwendig. Bei einer konzeptionellen Nutzung fördert die Information das Geschäftsverständnis des Managers, führt aber nicht zu konkreten Entscheidungen. Die kon- Abb. 160: Nutzung von Führungsinformationen (Quelle: Gladen (2011), S. 43) 391 Vgl. Chwolka (2002), S. 727, Volnhals/ Hirsch (2008), S. 50 ff. 392 Vgl. Gladen (2011), S. 44; Weber/ Schäffer (2016), S. 87 f. <?page no="234"?> 234 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe zeptionelle Nutzung beinhaltet das sogenannte Scorekeeping im Sinne der Wahrnehmung und Beobachtung von Veränderungen wesentlicher Kennzahlen und fördert somit die Kommunikationsfähigkeit der Manager untereinander. Die Informationen sollten eher einfach gestaltet sein, um das Verständnis zu erhöhen. Eine symbolische Nutzung impliziert, dass ein Manager Informationen zur nachträglichen Begründung einer bereits gefällten Entscheidung nutzt. Diese Art der Informationsnutzung ist kritisch zu hinterfragen, da hier Informationen vor allem zur Machtausübung genutzt werden und die Gefahr von Rationalitätsdefiziten besonders hoch ist. Den Zusammenhang zwischen den Zielen der Nutzung von Führungsfunktionen und den verschiedenen Nutzungsarten zeigt die vorangegangene Abbildung 160. 3.1.5 IT-Unterstützung der Informationsversorgung Die Informationsversorgung des Managements wird durch geeignete Informationstechnologie (IT) unterstützt. In den letzten Jahren hat sich die IT-Unterstützung des Controllings durch Fortschritte in der Automatisierung der Datenverarbeitung stark weiterentwickelt: 393 So sind sowohl die Rechnerleistung als auch die Speicherkapazität der IT-Systeme exponentiell gewachsen. Zudem haben sich die Spreichermöglichkeiten durch Cloudlösungen wesentlich vergrößert. Die Bedienbarkeit hat sich durch einfache und intuitive Benutzerfrontends für den Datenzugriff sowie eine Miniaturisierung von Geräten verbessert. Neue Datenbankmodelle wie z.B. In memory-Datenbanken erlauben einen Echtzeitzugriff auf notwendige Daten und Informationen. Rechnern werden zunehmend in lokalen Netzwerken verbunden. Zudem erhalten einzelne Maschinen, Produkte und Sensoren eigene IP-Adressen und können in sogenannten cyber-physischen Systeme integrierte werden. Der Einsatz von Social Media sowie von E Commerce-Systemen ermöglicht die Erfassung detaillierter Informationen zu Kundenpräferenzen und -verhalten. Folgende IT-Systeme können in Unternehmen unterschieden werden: 394 Operative Systeme sind Administrations- und Dispositionsysteme zur Vorbereitung und Durchführung kurzfristiger Entscheidungen. Führungssysteme dienen der Entscheidungsvorbereitung und -unterstützung und können in Planungs- und Führungsinformationssysteme unterteilt werden. Für das Controlling sind vor allem Enterprise Ressouce Planning (ERP)-Systeme relevant, die als integriertes Gesamtsystem alle Funktionen der Administration, Disposition und Führung in einer Organisation unterstützen. Ein elektronischer Informationsaustausch erfolgt auf Grundlage branchenweiter und -übergreifender Standards. 393 Vgl. hier und im Folgenden Weber/ Schäffer (2016), S. 99 ff. 394 Vgl. hier und im Folgenden Fischer et al. (2015), S. 106 ff. <?page no="235"?> 3.1 Grundlagen der Informationsversorgung 235 Querschnittssysteme können an allen betrieblichen Arbeitsplätzen eingesetzt werden, z.B. Bürosysteme wie E-Mail-Dienste oder Tabellenkalkulationen sowie Workflowmanagementsysteme. Im deutschsprachigen Raum gibt es zahlreiche Softwarelösungen für die Unterstützung der Finanzfunktion von Unternehmen. 395 Für das Controlling sind vor allem Business Intelligence (BI)-Systeme von Bedeutung. Unter BI werden alle Technologien und Prozesse verstanden, die der Datenbereitstellung, -analyse und -kommunikation mit dem Ziel dienen, den Unternehmenerfolg zu analysieren und zuverstehen. Bei BI handelt es sich somit um ein unternehmensweites und integriertes IT-System zur Bereitstellung entscheidungsrelevanter Daten. 396 Der Aufbau eines BI-Systems ist der folgenden Abbildung zu entnehmen. Die Daten werden hier dezentral erfasst und gespeichert. Die Datenbereitstellung erfolgt dann zentral in einem Data Warehouse, das die Daten für verschiedene Analysesystem bereitstellt, während der Informationszugriff dann durch ein einheitliches BI-Portal erfolgt. Abb. 161: Business Intelligence als Gesamtsystem (Quelle: Fischer et al. (2015), S. 108) Ein BI-Portal sollte dem Anwender folgende Funktionalitäten bereitstellen: 397 Slicing und Dicing: Fähigkeit eines Systems, beliebige Reportingansichten innerhalb einer mehrdimensionalen Analysestruktur zu generieren. Drill down: Fähigkeiten eines Systems, durch Anklicken einer Auswertungszeile oder -spalte eine detaillierte Sicht auf disaggregierte Daten und Informationen zu erhalten. 395 Für eine Übersicht vgl. Reichmann et al. (2017), S. 568 ff. 396 Vgl. Davenport/ Harris (2007), S. 7; Weber/ Schäffer (2016), S. 108; Reichmann et al. (2017), S. 74 f. 397 Vgl. Troßmann (2018), S. 182 ff. <?page no="236"?> 236 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Roll up (Drill up): Fähigkeit eines Systems, Daten und Informationen zu aggregieren. What if-Analysen und How-to-achieve-Analysen: Fähigkeiten eines Systems, Simulationen und Sensivitätsanalysen zu unterstützen. Wesentliche Voraussetzung für eine effektive und effiziente IT-Unterstützung der Informationsversorgungsfunktion des Controllings ist die Sicherstellung einer hohen Datenqualität. Unter Datenqualität wird u.a. die Aktualität, Genauigkeit, Vollständigkeit, Fehlerfreiheit und Konsistenz der ausgewerteten Daten verstanden. So können inkonsistente Datenformate oder die Verwendung von redundanten Datenquellen die Informationsqualität wesentlich beeinträchtigen und die Gefahr falscher Managemententscheidungen nach sich ziehen. 398 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie wesentliche Rechenwerke des externen und internen Rechnungswesens benennen, die Rechenwerke des externen Rechnungswesens interpretieren, die Zusammenhänge von internem und externem Rechnungswesen erläutern, aktuelle Entwicklungen im externen Rechnungswesen beschreiben, Vor- und Nachteile der Nutzung von Informationen des externen Rechnungswesens für das Controlling kritisch diskutieren und die praktische Umsetzung des Rechnungswesens beispielhaft beschreiben. Einstiegsfall Gemäß der im § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB kodifizierten Generalnorm hat der „Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln.“ Dies gilt gemäß der Generalnorm im § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB analog für den Konzernabschluss. So wird im Rahmen der Jahresabschlussanalyse vor allem die (Konzern-)Bilanz für die Bewertung der Vermögenslage, die (Konzern-)Gewinn- und Verlustrechnung für die Analyse der Ertragslage und die (Konzern-)Kapitalflussrechnung für die Einschätzung der Finanzlage herangezogen. Während die Bilanzierung nach HGB neben dem Zweck der Dokumentation die Zwecke der Rechenschaft und Kapitalerhaltung weitestgehend gleichberechtigt berücksich- 398 Für eine umfassende Diskussion vgl. Reichmann et al. (2017), S. 548 ff. <?page no="237"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 237 tigt, zielt die internationale Rechnungslegung nach IFRS vor allem auch die Rechenschaft („decision usefulness“) ab. Zahlreiche Großunternehmen, z.B. die S IEMENS AG, haben die Einführung der IFRS genutzt, um die klassische Zweiteilung in ein internes und externes Rechnungswesen zu überwinden. Fragen - Welche weiteren Großunternehmen haben die Einführung der internationalen Rechnungslegung genutzt, um die klassische Zweiteilung in internes und externes Rechnungswesen zu überwinden? - Inwieweit stehen die Zwecke der Rechenschaft und der Kapitalerhaltung in der Rechnungslegung nach IFRS in einem Spanungsfeld zu einander? 3.2.1 Grundlegende Rechenwerke des externen und internen Rechnungswesens Stakeholder benötigen vor allem finanzielle Informationen zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Wichtigste Interessensgruppen sind die Aktionäre, die Banken, die Lieferanten, die Mitarbeiter, die Kunden und das Management des Unternehmens. Aber auch nicht-finanzielle Informationen gewinnen zunehmend and Bedeutung. Das betriebliche Rechnungswesen stellt insbesondere finanzielle Informationen für die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens zur Verfügung und wird in ein externes und ein internes Rechnungswesen unterteilt. Das externe Rechnungswesen dient der Rechenschaftslegung gegenüber den externen Adressaten und ist daher durch zahlreiche nationale Normen wie dem Handelsgesetzbuch (HGB) sowie internationalen Normen wie den International Financial Reporting Standards (IFRS) reglementiert. Das externe Rechnungswesen wird auch als Financial Accounting bezeichnet und besteht aus der Buchführung, der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), der Bilanz, der Kapitalflussrechnung und weiteren Bestandteilen. 399 Bestandteile Inhalte Buchführung • quantitative, planmäßige, lückenlose, zeitlich und sachlich geordnete Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle des Unternehmens • Grundlage für die anderen Teile des externen Rechnungswesens Bilanz • zeitpunktbezogener Ausweis von Mittelverwendung (Vermögen) und Mittelherkunft (Kapital) • Gliederung der Vermögensseite (Aktiva) nach ihrer Fristigkeit in Anlage- und Umlaufvermögen • Gliederung der Kapitalseite (Passiva) in Eigen- und Fremdkapital • weitere Unterteilung der einzelnen Vermögens- und Kapitalpositionen 399 Der (Konzern-)Lagebericht ist kein Bestandteil des (Konzern-)Jahresabschlusses, aber ergänzt diesen als eigenständiges Rechnungslegungsbzw. Informationsinstrument. <?page no="238"?> 238 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe GuV • zeitraumbezogene Gegenüberstellung der Erträge und Aufwendungen • Ermittlung des Periodengewinns • Grundlage für die Ermittlung von Kennzahlen Kapitalflussrechnung • zeitraumbezogene Gegenüberstellung der Ein- und Auszahlungen • Information über die Liquiditäts- und Finanzsituation einer Periode • Unterteilung der Zahlungsströme in einen Cash Flow aus laufender Tätigkeit (operativer Cash Flow), einen Cash Flow aus Investitionstätigkeit und einen Cash Flow aus der Finanzierungstätigkeit sonstige Bestandteile • Eigenkapitalveränderungsrechnung • Segmentberichterstattung • Anhang • Lagebericht Abb. 162: Bestandteile und Inhalte des externen Rechnungswesens (Quelle: In Anlehnung an Weber/ Schäffer (2016), S. 112 ff.) Aufgrund seines hohen Aggregationsgrads und seiner Vergangenheitsorientierung ist das externe Rechnungswesen für die Informationsversorgung des Managements nicht ausreichend. Wesentliche Rechenwerke des externen Rechnungswesens sind der Jahresabschluss sowie der Lagebericht. Das interne Rechnungswesen dient vor allem der Informationsversorgung der internen Adressaten. Es wird auch als Management Accounting bezeichnet und ist grundsätzlich unternehmensspezifisch gestaltbar. Seine Instrumente sind Kosten-, Erlös-, Ergebnis- und Leistungsrechnungen, die unter dem Begriff der Kostenrechnung zusammengefasst werden. 400 Wichtige Datenquelle für die Kostenrechnung ist die Finanzbuchhaltung, da viele Aufwendungen als Grundkosten direkt in das interne Rechnungswesen übernommen werden. Zudem müssen einige Aufwandspositionen als Anderskosten umbewertet werden. Dies gilt u.a. für Abschreibungen, die im externen Rechnungswesen aufgrund steuerlicher Überlegungen gebildet werden und nicht unbedingt den tatsächlichen betriebswirtschaftlichen Verschleiß widergeben. Hinzu kommen Zusatzkosten, z.B. kalkulatorische Eigenkapitalzinsen, ein kalkulatorischer Unternehmenlohn und eine kalkulatorische Miete für selbstgenutzte Geschäftsräume im Eigentum des Unternehmens, für die es keine entsprechenden Aufwandspositionen in der Finanzbuchhaltung gibt. 401 Die folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen den Aufwendungen der Finanzbuchhaltung und den Kosten in der Kosten- und Leistungsrechnung. 400 Vgl. Kress/ Oberförster (2018), S. 68. 401 Vgl. Däumer/ Grabe (2013), S. 18 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 139 ff. <?page no="239"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 239 Abb. 163: Zusammenhänge zwischen der Finanzbuchhaltung und der Kosten- und Leistungsrechnung (Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Däumler/ Grabe (2013), S. 17.) Während das externe Rechnungswesen weitestgehend vergangenheitsorientiert ist, ist das interne Rechnungswesen eher zukunftsorientiert und frei von gesetzlichen Vorgaben. Die Struktur des internen Rechnungswesens wird maßgeblich durch die Anforderungen des Managements bestimmt (vgl. Abbildung 164). Kriterien Externes Rechnungswesen Internes Rechnungswesen Ausrichtung externe Adressaten interne Adressaten Zweck Dokumentation, Rechenschaft, Kapitalerhaltung, Ausschüttung, Steuerbemessung Dokumentation, Rechenschaft, Planung und Kontrolle Vorgaben für die Ausgestaltung Ausgestaltung entsprechend den Vorgaben des HGB, der IFRS und des Steuerrechts kaum gesetzliche Vorgaben, Ausgestaltung nach Zweckmäßigkeit Berichtsebenen Einzelabschluss, Konzernabschluss, Segmentberichterstattung weitergehende Aufgliederung der Berichtsebenen bis zum einzelnen Kostenträger (z.B. Produktebene) Zeitbezug weitgehend vergangenheitsorientiert (Ist-Rechnung) vergangenheits- und zukunftsorientiert (Plan- und Ist-Rechnung) Instrumente Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel Planung und Budgetierung, Kostenrechnung, Investitionsrechnung, Working Capital Management Abb. 164: Gegenüberstellung des externen und internen Rechnungswesens (Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Jonen/ Lingnau (2006), S. 3; Friedl et al. (2017), S. 7) Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Konzern-Bilanz der THYSSENKRUPP AG. Die Aktiva sind nach der Liquidierbarkeit der Vermögenswerte sortiert. Das immaterielle Vermögen und das Anlagevermögen sind nur schwer liquidierbar, wäh- <?page no="240"?> 240 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe rend die kurzfristigen Vermögenswerte wie Vorräte laufend umgeschlagen werden können. Die Passiva zeigen die Finanzierung differenziert nach Eigenkapital und Verbindlichkeiten. Aktiva in Mio. € 30.09.2017 30.09.2018 Immaterielle Vermögenswerte 4.813 4.393 + Sachanlagen 7.605 4.791 + … … … = Langfristige Vermögenswerte 14.502 10.524 + Vorräte 6.957 5.159 + Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 5.734 5.529 + Sonstige nicht finanziellen Vermögenswerte 1.923 1.838 + Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente 5.292 2.987 + … … .. = Kurzfristige Vermögenswerte 20.546 23.344 = Summe Vermögenswerte 35.048 33.868 Passiva in Mio. € Gezeichnetes Kapital 1.594 1.594 + Kapitalrücklage 6.664 6.664 + Gewinnrücklagen -5.401 -5.535 + … … … = Eigenkapital der Aktionäre der thyssenkrupp AG 2.890 2.805 + Nicht beherrschende Anteile 515 469 = Eigenkapital 3.404 3.274 + Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen 7.924 4.128 + ….. … … + Finanzschulden 5.326 5.087 + … … … = Langfristige Verbindlichkeiten 14.546 9.882 + … … … + Finanzschulden 1.930 147 + Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 5.729 5.266 + Sonstige finanzielle Verbindlichkeiten 842 635 + Sonstige nicht finanzielle Verbindlichkeiten 6.802 6.626 + Verbindlichkeiten i.V.m. zur Veräußerung vorgesehenen Vermögenswerten 0 6.430 = Kurzfristige Verbindlichkeiten 17.097 20.711 = Summe Eigenkapital und Verbindlichkeiten 35.048 33.868 Abb. 165: Konzern-Bilanz der T HYSSENKRUPP AG (Quelle: thyssenkrupp AG (2018), S. 68 f.) <?page no="241"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 241 Die Analyse der Aktiva zeigt, dass die Bilanzverkürzung im Geschäftsjahr 2017/ 2018 gegenüber dem Vorjahr vor allem aus der Reduzierung der langfristigen Vermögenswerte resultiert, während die kurzfristigen Vermögenswerte zugenommen haben. Des Weiteren haben sich einige Working Capital-Positionen - vor allem Vorräte und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen - gegenüber dem Vorjahr reduziert. Die Analyse der Passiva macht deutlich, dass die langfristigen Verbindlichkeiten deutlich zurückgegangen sind, während die kurzfristigen Verbindlichkeiten entsprechend gestiegen sind. Bezüglich der Rückstellungspositionen ist durchgehend ein Rückgang erkennbar. Des Weiteren sind im Geschäftsbericht 2017/ 2018 der THYSSENKRUPP AG die Konzern-GuV und die Konzern-Kapitalflussrechnung dargestellt. Konzern-GuV (in Mio. €) 2016/ 2017 2017/ 2018 Umsatzerlöse 33.993 34.777 - Umsatzkosten -28.543 -29.847 = Bruttoergebnis vom Umsatz 5.449 4.930 - Forschungs- und Entwicklungskosten -285 - 259 - Vertriebskosten -2.326 -2.218 - Allgemeine Verwaltungskosten -2.321 -2.077 + Sonstige Erträge +246 +195 - Sonstige Aufwendungen -122 -136 +/ - Sonstige Gewinne und Verluste +42 +36 = Betriebliches Ergebnis 684 472 +/ - Ergebnis aus nach Equity-Methode bilanzierten Beteiligungen -16 -1 + Finanzerträge +768 +703 - Finanzaufwendungen -1.107 -1.010 = Finanzergebnis -355 -308 = Ergebnis aus fortgeführten Aktivitäten vor Steuern 329 163 - Steuern vom Einkommen und Ertrag -317 -362 = Ergebnis aus fortgeführten Aktivitäten nach Steuern 12 -198 +/ - Ergebnis aus nicht fortgeführten Aktivitäten nach Steuern -603 258 = Jahresüberschuss/ -fehlbetrag -591 60 Abb. 166: Konzern-GuV der T HYSSENKRUPP AG (Quelle: thyssenkrupp AG (2018), S. 66) Das Betriebsergebnis im Geschäftsjahr 2017/ 2018 (472 Mio. EUR) hat sich trotz leicht gestiegener Umsatzerlöse gegenüber dem Vorjahr verschlechtert. Dies ist vor allem durch die gestiegenen Umsatzkosten begründet, während sich die Forschungs- und Entwicklungskosten, die Vertriebskosten und die allgemeinen Verwaltungskosten reduziert haben. Nach Berücksichtigung des Finanzergebnisses und der Steuern verbleibt ein Jahresüberschuss von 60 Mio. EUR. <?page no="242"?> 242 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Die Rechenwerke der externen Rechnungslegung sind eng miteinander verknüpft. So ist die GuV mit der Bilanz über das Eigenkapital verbunden. Mögliche weitere erfolgsneutrale Eigenkapitalveränderungen (z.B. durch Ausschüttungen oder Eigenkapitalveränderungen) lassen sich dem Eigenkapitalspiegel entnehmen. Die Veränderung der aktivischen Bilanzposition Kasse/ Bank wird in der Kapitalflussrechnung detailliert und nach den drei Cash Flow-Arten separiert. Konzern- Kapitalflussrechnung (in Mio. €) 2016/ 2017 2017/ 2018 Jahresüberschuss/ -fehlbetrag -591 60 Anpassungen des Jahresüberschusses/ -fehlbetrags - Abschreibungen und Wertminderungen langfr. Vermögenswerte - Veränderung Vorräte- … 688 688 Operating Cash Flow - fortgeführte Aktivitäten 27 185 Operating Cash Flow - nicht fortgeführte Aktivitäten 583 1.000 Operating Cash Flow - insgesamt 610 1.184 - Investitionen in Sach- und Finanzanlagen - Investitionen in imaterielle Vermögenswerte - Einzahlungen aus dem Verkauf von Gesellschaften - … -839 -121 1.418 … -801 -124 0 … Cash Flow aus Investitionstätigkeit - fortgeführte Aktivitäten 552 -869 Cash Flow aus Investitionstätigkeit - nicht fortgef. Aktivitäten -673 -430 Cash Flow aus Investitionstätigkeit - insgesamt -121 -1.299 - Einzahlungen aus der Begebung von Anleihen - Tilgung von Anleihen - Einzahlungen aus Aufnahme von Verbindlichkeiten ggü. KI - Tilgungen von Verbindlichkeiten ggü. KI - Einzahlungen aus der Kapitalerhöhung -… 1.250 -1.250 3.470 -3.722 1.375 … 0 -1.600 366 -551 0 … Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit - fortgef. Aktivität 858 -1.501 Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit - nicht fortgef. Aktivitäten -74 -613 Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit - insgesamt 784 -2.114 … … … Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente - insgesamt 5.292 3.006 Abb. 167: Konzern-Kapitalflussrechnung der THYSSENKRUPP AG (Quelle: thyssenkrupp AG (2018), S. 75 f.) Die Konzern-Kapitalflussrechnung zeigt, dass der operative Cash Flow für das Geschäftsjahr 2017/ 18 insgesamt rd. 1.184 Mio. EUR beträgt (davon entfallen allerdings ca. 1 Mrd. EUR auf nicht fortgeführte Aktivitäten). Der Cash Flow aus Investitionstätigkeit ist mit rd. -1,3 Mrd. EUR negativ (davon entfallen rd. -430 Mio. EUR auf <?page no="243"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 243 nicht fortgeführte Aktivitäten). Der Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit ist mit ca. - 2,1 Mrd. EUR ebenfalls negativ (davon beziehen sich -613 Mio. EUR auf die nicht fortgeführten Aktivitäten). Als Ergebnis sinkt der Bestand an Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten am Ende der Berichtsperiode 2017/ 18 deutlich von rd. 5,3 Mrd. EUR auf rd. 3 Mrd. EUR. Die folgende Abbildung zeigt die Zusammenhänge der Rechenwerke auf. Dabei wird in der Gewinn- und Verlustrechnung ein Jahresüberschuss zu Grunde gelegt. Abb. 168: Bestandteile und Inhalte des externen Rechnungswesens (Quelle: In Anlehnung an Cunningham et al. (2015), S. 341) Bilanzielle Wahlrechte des HGB eröffnen den Unternehmen bilanzpolitische Spielräume. Auf der Aktivseite betrifft dies vor allem die Bilanzierung des Geschäfts- oder Firmenwertes und das Umlaufvermögen (insbesondere die Positionen Vorräte und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen). Auf der Passivseite können Ermessensspielräume vor allem bei der Bewertung der Rückstellungen genutzt werden. Aus diesem Grund hat die Kapitalflussrechnung in den letzten Jahrzehnten als Analyseinstrument stark an Bedeutung gewonnen. So ist der operative Cash Flow stabil gegenüber bilanzpolitischen Entscheidungen (z.B. bei der Bewertung der Abschreibungen und Rückstellungen). Um mögliche bilanzpolitische Maßnahmen zu erkennen, müssen die Erläuterungen der einzelnen Bilanz- und GuV-Positionen im Anhang in die Analyse einbezogen werden. Der (Konzern-)Lagebericht ergänzt als eigenständiges Rechnungslegungsbzw. Informationsinstrument den (Konzern-)Jahresabschluss und hat in den letzten Jahrzehnten als „Visitenkarte des Unternehmens“ vor allem bei börsennotierten Unternehmen stark an Bedeutung gewonnen. 402 Die Investor Relations-Abteilungen dieser Unternehmen nutzen den Lagebericht zur Kapitalmarktkommunikation und werden 402 Vgl. Baetge/ Kirchhoff (1997), S 1 ff. <?page no="244"?> 244 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe dabei oft von spezialisierten Agenturen unterstützt. Im HGB sind die einzelnen Bestandteile des Lageberichts (§ 289 HGB) und des Konzernlageberichts (§ 315 HGB) detailliert kodifiziert. 3.2.2 Weitere Anforderungen an das externe Rechnungswesen Zusätzlich zu den gesetzlichen Anforderungen hat das Deutsche Rechnungslegungsstandard Committee (DRSC) diverse Rechnungslegungsstandards (DRS) zur Ausgestaltung der Berichterstattung verabschiedet, die mit der Bekanntgabe durch das Bundesministerium der Justiz (BMJV) quasi den Status von Grundsätzen ordnungsmäßiger Konzernberichterstattung haben. 403 In diesem Zusammenhang sind vor allem die folgenden Standards zu nennen: DRS 3: Segmentberichterstattung, DRS 20: Konzernlageberichterstattung sowie DRS 21: Kapitalflussrechnung. Da die Berichterstattung im Konzernabschluss in sehr aggregierter Form erfolgt, ist die Segmentberichterstattung für die Einschätzung der künftigen Chancen und Risiken vor allem bei diversifizierten Unternehmensgruppen (Mischkonzernen) von hoher Bedeutung. Bei der Segmentberichterstattung wird die Performance des Konzerns differenziert nach den wichtigsten Geschäftsfeldern (Segmenten) dargestellt. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Kurzübersicht des Geschäftsberichts 2017/ 2018 zur Erfolgsbeurteilung des Geschäftsfelds Elevator Technology bei THYS- SENKRUPP . Elevator Technology in Zahlen 2016/ 2017 2017/ 2018 Veränderung in % Auftragsbestand Mio. € 4.814 5.066 5 Auftragseingang Mio. € 7.834 7.853 0 Umsatz Mio. € 7.674 7.554 -2 EBIT Mio. € 736 775 5 EBIT-Marge % 9,6 10,3 - Bereinigtes EBIT Mio. € 922 866 -6 Bereinigte EBIT- Marge % 12,0 11,5 - Mitarbeiter 52.660 53.013 1 Abb. 169: Elevator Technology in Zahlen (Quelle: thyssenkrupp AG 2018, S. 59) Das Berichterstattung zum Geschäftsfeld Elevator Technology zeigt, dass dieses Segment im Geschäftjahr 2017/ 2018 den Auftragsbestand noch einmal um 5% gegenüber dem Vorjahr steigern konnte. Des Weiteren konnte bei leicht rückläufigen Umsatzer- 403 Vgl. Baetge et al. (2017), S. 30. <?page no="245"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 245 lösen, das Betriebsergebnis (EBIT) im GJ 2017/ 2018 mit 775 Mio. EUR und somit die EBIT Marge (10,3%) noch einmal gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden. Der Deutsche Bundestag verabschiedete am 10. März 2017 das sogenannte CSR- Richtlinien-Umsetzungsgesetz. CSR steht für Corporate Social Responsibility. Durch die Richtlinie soll vor allem die nichtfinanzielle Berichterstattung bei kapitalmarktorientierten Unternehmen gefördert werden. 404 Neben den bereits im DRS 20 kodifizierten Angaben zum Geschäftsmodell müssen künftig im (Konzern-)Lagebericht bzw. im ausgelagerten Nachhaltigkeitsbericht u.a. Angaben zu den Themenfeldern gemacht werden: 405 Umwelt-/ Arbeitnehmer-/ Sozialbelange, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung der Korruption. Bezüglich der Umsetzung besteht grundsätzlich eine hohe Flexibilität für die Unternehmen. Dabei können sowohl internationale (z.B. Global Reporting Initative) als auch nationalen Rahmenwerke (z.B. Deutscher Nachhaltigkeitskodex DNK) zur Orientierung genutzt werden. 406 Durch die zunehmende Bedeutung von nichtfinanziellen Informationen und Kennzahlen muss das interne Rechnungswesen das externe Rechnungswesen zunehmend mit Informationen versorgen. So sollte im Rahmen des Integrated Reporting künftig die Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmensstrategie durch weitergehende qualitative und quantitative Informationen verdeutlicht werden. 407 Vom Controller werden neben dem Datenmanagement somit auch ein umfassendes Verständnis des Geschäftsmodells verlangt, was die im Kapitel 1.3. diskutierte Rolle des Controllers als Business Partner weiter unterstreicht. 408 Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen seit 2005 ihren Konzernabschluss nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) aufstellen, die vom International Accounting Standard Bord (IASB) erlassen werden. 409 Da die IFRS vor allem der verbesserten Informationsversorgung externer Adressaten dienen, wird zur Erfüllung der Steuer- und Ausschüttungsbemessungsfunktion der Einzelabschluss weiterhin nach dem HGB erstellt. Das IASB ist ein privatwirtschaftliches Gremium von Rechnungslegungsexperten und die Nachfolgeorganisation des International Accounting Standard Committee, das in den Jahren 1973 bis 2001 eine Vielzahl von International Accounting Standards (IAS) erlassen hat. 410 Die Standards des IASB werden seit 2000 von der Europäischen Kommission im sogenannten Komitologieverfahren als EU-Recht anerkannt (Endorsement) und damit in nationales Recht übertragen. 404 Vgl. Baetge et al. (2017), S. 27. 405 Damit wurde die Richtlinie 2014/ 95/ EU in deutsches Recht umgesetzt und ist für Geschäftsjahre ab dem 31.12.2016 anzuwenden. 406 Vgl. Deloitte (2017), S. 8. 407 Vgl. Ernst & Young (2011), S. 13. 408 Vgl. Kress/ Oberförster (2018), S. 67 f. 409 Vgl. § 315e (vormals 315a) HGB sowie Verordnung EG 1606/ 2002 vom 19. Juli 2002. 410 Vgl. auch im Folgenden Baetge et al. (2017), S. 34. <?page no="246"?> 246 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Das Regelungswerk des IASB gliedert sich in ein Vorwort (Preface), ein konzeptionelles Rahmenwerk (Conceptual Framework), die einzelnen Standards sowie Interpretationen. Die folgende Abbildung zeigt den Konkretisierungsgrad der Regelungswerke auf. Abb. 170: Hierarchie der Verlautbarungen des IASB (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 116 entnommen aus Weißenberger (2011), S. 76) Im Preface werden die Ziele des IASB (insbesondere bei der Veröffentlichung internationaler Rechnungslegungsstandards und deren weltweiter Akzeptanz) formuliert. Im Framework werden die wesentlichen Grundsätze der Rechnungslegung nach IFRS ausführlich erläutert. Zu nennen sind dabei vor allem die Grundsätze der Relevanz (Relevance), der Verlässlichkeit (Reliablility), der Verständlichkeit der Informationen (Understandability) und deren Vergleichbarkeit (Comparability). Die Grundsätze sollen der Generalnorm dienen, nach der die Rechnungslegung nach IFRS ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild (true and fair view) vermitteln soll. Dabei ist zu beachten, dass die Grundsätze nicht als „overriding principle“ zu verstehen sind, sondern nur bei Regelungslücken bzw. als Grundlage für die Weiterentwicklung der IFRS heranzuziehen sind. 411 Die Standards sind sachlogisch gegliedert und behandeln ausgewählte Bilanzierungsfelder ohne eine explizite Unterscheidung in Einzelbzw. Konzernabschluss. Neue Standards werden zunächst in standardisierter Form als Discussion Paper und als Exposure Drafts diskutiert und erst nach ihrer finalen Überarbeitung und Veröffentlichung zu verbindlichen Standards. Die Interpretationen zu den Standards sollen Hilfestellungen bei der Auslegung von Standards geben. 412 411 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 115 ff. 412 Vgl. Baetge et al. (2017), S. 34 ff. sowie Pellens et al. (2014), S. 65 ff. <?page no="247"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 247 Als Zwecke der Rechnungslegung sind die Dokumentation, Rechenschaft und Kapitalerhaltung zu nennen. Während in der Rechnungslegung nach HGB die Rechenschaft im Sinne einer periodengerechten Gewinnermittlung und die Kapitalerhaltung weitgehend gleichberechtigt nebeneinanderstehen, dominiert in der IFRS- Rechnungslegung der Rechenschaftszweck. Die IFRS sollen entscheidungsnützliche Informationen für die Jahresabschlussadressaten bereitstellen. Dabei ist zu beachten, dass sich die Informationsbedürfnisse bereits innerhalb einer Adressatengruppe (z.B. den Investoren) als auch zwischen den einzelnen Adressatengruppen (z.B. Eigen- und Fremdkapitalgebern) erheblich unterscheiden können. 413 Die Informationsaufbereitung hat grundsätzlich dem Management Approach zu folgen. Demnach sollte die Berichterstattungsinformation in der Struktur und Form publiziert werden, wie diese auch intern von dem Management genutzt wird. 414 Dementsprechend ist die Einbindung des Controllings in die externe Berichterstattung unerlässlich. 3.2.3 Harmonisierung des Rechnungswesens Im Zuge der Internationalisierung der Rechnungslegung werden seit den 90ger Jahren die Möglichkeiten und Grenzen einer Harmonisierung bzw. Konvergenz der externen und internen Rechnungslegung diskutiert. 415 Harmonisierung wird hier als Integration von internem und externem Rechnungswesen verstanden, 416 wobei die Integration durch eine einseitige Angleichung des Controllings an die externe Rechnungslegung erfolgt, da diese durch zahlreiche gesetzliche Normen eingeschränkt ist. Das Ziel einer Harmonisierung besteht dabei weitestgehend in der Verwendung einheitlich definierter Erfolgsgrößen sowie übereinstimmender Ergebnisrechnungen auf Unternehmens-, Segment- oder Geschäftsbereichsebene. Bei einer Harmonisierung zwischen interner und externer Ergebnisrechnung muss folglich geprüft werden, inwieweit eine Übernahme der Wertansätze des externen Rechnungswesens bei den Anderskosten und der Verzicht auf den Ansatz von Zusatzkosten möglich sind. Für eine Harmonisierung ist zudem eine Vereinheitlichung der periodischen Abgrenzungen von Ein- und Auszahlungen in beiden Rechnungskreisen notwendig. So resultieren Divergenzen innerhalb einer Abrechnungsperiode, z.B. bei unregelmäßig anfallenden Personalnebenkosten wie dem Urlaubsgeld, dadurch, dass im externen Rechnungswesen diese Kosten bei ihrem tatsächlichem Zahlungsanfall berücksichtigt werden, während in der Kostenrechnung eine monatsbezogene Abgrenzung erfolgt. Darüber hinaus sind ein integrierter Kontenplan sowie einheitliche Bilanzierungsbzw. Bewertungsmethoden notwendig. 417 Eine wesentliche Frage ist daher der anzustrebende Harmonisierungsgrad von externem und internem Rechnungswesen und die damit verbundenen Vorbzw. 413 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 113 f. 414 Vgl. Kunz (2010), S. 307 . 415 Vgl. Lorson et al. (2013), S. 13 ff. 416 Zu den unterschiedlichen Definitionsmöglichkeiten einer Harmonisierung im Rechnungswesen vgl. Reiners (2001), S. 22 417 Vgl. Reiners (2001), S. 22 ff.; IGC-Arbeitsgruppe „Controller und IFRS“ (2006), S. 31 ff. <?page no="248"?> 248 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Nachteile. Während bei der traditionellen Zweiteilung dem externen Rechnungswesen eine Zahlungsbemessungs- und Informationsfunktion zukommt, hat das interne Rechnungswesen vor allem eine Steuerungs- und Kontrollfunktion sowie eine Entscheidungsfunktion (siehe nachfolgende Abbildung). Abb. 171: Traditionell separiertes versus partiell konvergentes Rechnungswesen (Quelle: Lorson et al. (2013), S. 15. in Anlehnung an Angelkort (2010), S. 27, Küting/ Lorson (1999), S. 48 und 54 sowie Weide (2008), S. 99) Ein vollständig harmonisiertes Rechnungswesen setzt eine vollständig integrierte Datenbasis voraus, d.h. Ansatz und Bewertung von Vermögenswerten und Schulden müssen in der internen und externen Rechnungslegung in identischer Form erfolgen. Des Weiteren würde dies einen Verzicht auf die kalkulatorischen Kosten im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung voraussetzen. 418 Jedoch sind selbst bei einer vollständigen Harmonisierung der externen und internen Rechnungslegung Abstimmungsbrücken notwendig. Zudem werden controllingspezifische Informationen häufig sehr viel stärker auf einer disaggregierten Basis 418 Vgl. Belohuby (2014), S. 37, Franz/ Winkler (2006), S. 59, Weißenberger und Arbeitskreis „Controller und IFRS“ der ICG (2006), S. 618 f. <?page no="249"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 249 als im externen Rechnungswesen benötigt. Daher ist bereits das Ziel einer weitgehenden Harmonisierung der Rechnungslegung sogar bei großen Unternehmen mit zahlreichen Problemen verbunden. 419 Als Lösung wird in der Literatur eine partielle Harmonisierung vorgeschlagen. Die Harmonisierung beschränkt sich bei diesem Ansatz auf die oberste Hierarchieebenen, d.h. auf die Gesamtunternehmens- und Segmentebene. Die operative Produkt- und Prozesssteuerung erfolgt weiterhin auf Basis interner Kalkulationsgrößen. 420 Im Hinblick auf die partielle Konvergenz der Rechnungslegung werden dabei vor allem die nachfolgenden Vor- und Nachteile genannt: Vorteile Nachteile • Mittelfristige Reduktion des operativen Ressourceneinsatzes durch effizientere Strukturen • Vereinheitlichung der externen Kommunikation • Verbesserung der internen Kommunikation und Anreizsysteme • Übereinstimmung mit Substanzerhaltungskonzeption durch marktwertorientiere Bilanzierung (IFRS) • Zunächst Erhöhung des Ressourceneinsatzes zum Aufbau konvergenter Strukturen • Bedingte Eignung der IFRS für eine Managementerfolgrechnung • Unzureichende Abbildung kalkulatorischer Erfolgsgrößen • Verzicht auf eigenständige Kostenrechnung kritisch Abb. 172: Vor- und Nachteile einer partiell konvergenten Rechnungslegung (Quelle: Eigene Abbildung basierend auf Lorson et al. (2013), S. 14 f.) Ein partiell konvergentes Rechnungswesen hat sich seit 2000 vor allem bei Unternehmen durchgesetzt, die den Konzernabschluss auf IFRS-Basis erstellen und eine wertorientierte Unternehmensteuerung implementiert haben. Der Fokus der partiellen Konvergenz liegt dabei vor allem auf der Informationsfunktion (Konzernrechnungslegung) sowie der Steuerungs- und Kontrollfunktion. Beispielsweise wird die Managementerfolgsrechnung zumindest auf der obersten Berichtsebene deutlich an die Struktur der Segmentberichterstattung angepasst. 421 Mit Einführung der E-Bilanz (d.h. der elektronischen Übermittlung der Bilanzen an das Finanzamt) und der damit verbundenen Verselbstständigung der Steuerbilanz durch die Kodifizierung des neuen § 5b des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Rahmen des Steuerbürokratieabbaugesetz (2008) wurden wesentliche Grundlagen für ein konvergentes Rechnungswesen geschaffen. Darüber hinaus wird seit der Verabschiedung des Bilanzmodernierungsgesetzes (BilMoG) am 26. März 2009 eine Ausweitung des Konvergenzrahmens auf den Einzelabschluss intensiv diskutiert. 422 Da- 419 Vgl. Kerkhoff et al. (2013), S. 6 ff. 420 Vgl. IGC-Arbeitsgruppe „Controller und IFRS“ (2006), S. 50 ff. 421 Vgl. Lorson et al. (2013), S. 13. 422 Vgl. Lorson et al. (2013), S. 13. <?page no="250"?> 250 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe bei ist zu beachten, dass der Controller bereits heute hinsichtlich vieler Bilanzierungsfragen Auskünfte gegenüber dem Wirtschaftsprüfer unterstützt. 423 Beispielhaft können folgende Themen genannt werden: Themenschwerpunkt Fokus Abschlussprüfer Fokus Controller Langfristige Fertigungsaufträge (Projekte nach PoC) Anwendung der korrekten Umsatzlegungsmethode, Bewertung von angefangenen langfristigen Aufträgen und periodengerechte Umsatzerfassung, Angemessenheit von Planerlös- und Plankostenschätzungen und Vollständigkeit ihrer Anpassungen Ermittlung von Plankosten und -erlösenaus langfristigen Fertigungsaufträgen, laufende Überwachung der Projekte in Bezug auf Zeit, Kosten und Qualität, laufende Analyse von Soll-Ist-Abweichungen, Projektmanagement Rückstellung für drohende Verluste Bewertung und Feststellung der Vollständigkeit der Rückstellungen Überwachung der Wirtschaftlichkeit von Verträgen, Bewertung von potenziell negativen Margen und Ableitung von Maßnahmen Umsatzerfassung bei mehrjährigen, komplexen Kundenverträgen Periodengerechte Umsatzerfassung und -abgrenzung; Identifikation von separaten Umsatzkomponenten in Kundenverträgen Unterstützung der Vertragsgestaltung und Abschluss mit dem Ziel der Rentabilitäts- und Cash Flow-Optimierung Bewertung von Halb- und Fertigfabrikaten (Vorräte) Bewertung der Angemessenheit von Standardkosten bei der Bilanzierung von Vorräten, Bewertung der Vollständigkeit und Angemessenheit von Wertberichtigungen auf Vorräte Ermittlung der Standardkosten für selbst erstellte Halb- und Fertigfabrikate, Überwachung von Preis- und Mengenabweichungen der Standardkosten und Analyse der Ursachen, Anpassung der Standardkosten bei konstanten wesentlichen Abweichungen Rückstellungen für Steuerrisiken und latente Ertragssteuerguthaben Identifikation und Beurteilung von Transferpreisrisiken, Vollständigkeit der Rückstellungen für Transpreisrisiken, Aktivierbarkeit bzw. Werthaltigkeit von latenten Steuerguthaben auf Verlustvorträgen auf Basis der künftig verrechenbaren Gewinne Unterstützung bei der Bestimmung von konzerninternen Verrechnungspreisen für Lieferungen und Leistungen zwischen verschiedenen Ländergesellschaften, Erstellung von Business Plänen für Tochtergesellschaften (Beteiligungscontrolling) Bewertung Goodwill (Impairment Test) Werthaltigkeit des aktivierten Goodwills auf Basis der Prüfung des Impairment Tests Erstellung von Business Plänen bzw. Budgets für Cash Generating Units (Cash Flow- 423 Vgl. Krapp et al. (2018), S. 20; Unrein (2011), S. 233 f. <?page no="251"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 251 Prognosen), Lieferung von Inputdaten für Impairment Tests und das Reporting Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte Bewertung und Existenz von Zugängen immaterieller Werte und Sachanlagen, Beurteilung der Abschreibungsdauer, Identifikation von unterausgelasteten Anlagen bzw. mit außerordentlichen Wertverlusten, Prüfung des Impairment Tests von Anlagen Erstellung einer Investitionsrechnung zur Beurteilung der Rentabilität von Neuinvestitionen, Bestimmung von Abschreibungsdauern, Überwachung der Auslastung von Anlagen zur Identifikation eines außerordentlichen Wertverlustes, Identifikation eines Abschreibungsbedarfs (Impairment Test) Beteiligungen und konzerninterne Darlehen Beurteilung der Werthaltigkeit von Beteiligungen (im Einzelabschluss) und Darlehen gegenüber Tochtergesellschaften Planung, Steuerung und Kontrolle von Tochtergesellschaften (Kapitalausstattung, Dividenendenzahlung) Abb. 173: Schätzungen und Annahmen im Jahresabschluss, Berührungspunkte zwischen Wirtschaftsprüfer und Controller (Quelle: In starker Anlehnung an Krapp et al. (2018), S. 20) Während bei den ersten fünf Themenfeldern die Bewertung direkt aus der Schätzung abgeleitet werden kann, dienen die Schätzungen bei den drei letzten Themenfeldern zur Dokumentation der Werthaltigkeit der entsprechenden Bilanzpositionen. 424 3.2.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Das externe Rechnungswesen dient auch der Informationsversorgung des Controllings, zudem das Controlling das externe Rechnungswesen bei der Bewertung zahlreicher Bilanzpositionen unterstützt. Aufgrund dieser Interdependenzen werden vor allem die Konvergenz der externen und internen Rechnungslegung sowie die Ausgestaltung der entsprechenden Stellenprofile analysiert. Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Kunz (2010) Teilstandardisierte Experteninterviews mit 31 Finanzvorständen großer börsennotierter deutschen Unternehmen Studie 2 Rieg et al. (2013) Online Befragung von mehr als 21.000 Mitarbeitern und Führungskräften des Controllings und Rechnungswesen, davon konnten 632 Fragebögen ausgewertet warden Abb. 174: Studien zur Konvergenz der externen und internen Rechnungslegung sowie zum Stellenprofil Empirische Studien für den Bereich der Großunternehmen zeigen, dass dort vor allem die klassische Zweiteilung zwischen dem externen und internen Rechnungswe- 424 Vgl. Krapp et al. (2018), S. 20. <?page no="252"?> 252 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe sen in getrennten Abteilungen dominiert. 425 So befragte Kunz 31 Finanzvorstände von Mutterunternehmen (davon 12 im DAX, 17 im MDAX und zwei im Prime bzw. im General Standard gelistete Konzernunternehmen) zur Organisation des externen und internen Rechnungswesens. Lediglich vier Unternehmen verfügen über ein vollständig integriertes Rechnungswesen auf der obersten Konzernebene, während die restlichen 27 Unternehmen mit einer Zweiteilung der Bereiche Accounting und Controlling operieren. 426 Als Gründe werden u.a. unterschiedliche Denkrichtungen und Sichtweisen beider Bereiche sowie das notwendige Spezialistenwissen genannt. Gründe für die organisatorische Trennung von Accounting- und Controllingbereich N Accounting und Controlling stellen unterschiedliche Wissenschaften oder Disziplinen dar bzw. beinhalten unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten und sind daher organisatorisch nicht vollkommen integrierbar 9 Notwendigkeit der Sicherstellung getrennter Sichten in der IT (z.B. auf HGB, IFRS und Risiko) und im Zuge von Entscheidungen/ Transaktionen 5 Existenz eigenständiger spezifischer KPI bzw. (kalkulatorischer) Zahlenwerke zur Förderung der Selbständigkeit (nicht homogener) Geschäftsbereiche 4 Existenz eigener Bereichsleiter für die Bereiche Accounting, Controlling und Finanzen mit Spezialisten-Status/ Expertise 3 Zu hohe Komplexität einer organisatorischen Zusammenlegung von Planung (Controlling) und Rechnungswesen (Accounting) 2 Trennung der Bereiche zur Einhaltung eines 4 Augen-Prinzips 1 Organisatorische Trennung, da Buchhalter keine Wertansätze ermitteln können 1 Kein Zusammenlegen von Controlling und Accounting, da das Reporting am Primat des Accountings ausgerichtet ist 1 Accounting und Controlling sind nicht zusammenfassbar, da die notwendige qualitativ hochwertige Kenntnis aller Bereiche intellektuell von einer einzelnen Person nicht leistbar ist 1 Abb. 175: Gründe für die organisatorische Trennung von Accounting- und Controllingbereich (Quelle: Kunz (2010), S. 321) Die Unternehmen mit organisatorischer Trennung von Accounting und Controlling versuchen, durch eine Reihe von Maßnahmen die Zusammenarbeit der beiden Bereiche zu fördern. Dabei werden vor allem die räumliche Nähe beider Abteilungen im Unternehmen, regelmäßige gemeinsame Sitzungen sowie klar definierte Prozessabläufe genannt. 427 425 Vgl. Rieg et al. (2013), S. 63; Kunz (2010), S. 301 ff.; Weide et al. (2011), S. 63 ff. 426 Vgl. Kunz (2010), S. 320 . 427 Vgl. Kunz (2010), S. 322 . <?page no="253"?> 3.2 Das Rechnungswesen als Informationsbasis des Controllings 253 Eine Studie von R IEG et al. für den deutschen Mittelstand zeigt, dass dort eine enge Zusammenarbeit zwischen dem externen und internen Rechnungswesen besteht. 428 Abb. 176: Ausprägung der Controlling- und Rechnungswesen-Organisation - 1 (Quelle: Rieg et al. (2013), S. 65) Abb. 177: Ausprägung der Controlling- und Rechnungswesen-Organisation - 2 (Quelle: Rieg et al. (2013), S. 66.) Vor allem bei kleinen Unternehmen müssen die Mitarbeiter im Rechnungswesen beide Sichtweisen beherrschen, während bei größeren mittelständischen Unterneh- 428 Vgl. Rieg et al. (2013), S. 62 ff . <?page no="254"?> 254 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe men die Spezialisierung zu- und demzufolge die Zahl der Biltroller abnimmt. 429 Der Biltroller beschreibt eine Rolle, die sowohl die Aufgaben der externen Rechnungslegung als der internen Rechnungslegung (d.h. des Controllings) aus einer Hand im Unternehmen abdeckt. 430 3.2.5 Probleme und Weiterentwicklung Die internationale Rechnungslegung nach IFRS bietet die Möglichkeit das externe und interne Rechnungswesen von einem Zweikreissystem hin zu einem Einkreissystem zu entwickeln. Bereits seit Mitte der 90iger Jahre wird eine konvergente Rechnungslegung intensiv diskutiert. 431 So benötigen Controller fundierte Rechnungslegungskenntnisse, um den Einfluss neuer Rechnungslegungsstandards (z.B. des IFRS 16 zur Leasingbilanzierung) u.a. auf die Kennzahlen verstehen zu können. Auf der anderen Seite basiert die Bewertung zahlreicher Bilanzpositionen (wie des Geschäfts- oder Firmenwertes) auf Cash Flow-orientierten Instrumenten des klassischen Controllings. Aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen der Bereiche Controlling und Accounting wird indes selbst eine partielle Konvergenz auf der Konzernebene großer börsennotierter Unternehmen nur teilweise gewählt. 432 Es sind demzufolge weitere Maßnahmen zu definieren, um das Zusammenspiel beider Bereiche weiter zu verbessern. So versuchen die Unternehmen, die die organisatorische Trennung von Accounting und Controlling beibehalten haben, u.a. durch die räumliche Nähe beider Bereiche, regelmäßige gemeinsame Sitzungen sowie klar definierte Prozessabläufe die Zusammenarbeit zu intensivieren. 433 Zusammenfassung Zur Ausübung der Führungsfunktionen benötigt das Management Informationen. Die Informationsversorgung der Unternehmensführung umfasst die Ermittlung des Informationsbedarfs, die Informationsbeschaffung und - aufbereitung sowie die Informationsübermittlung (Berichtswesen). Der Controller gestaltet das IV-System, stimmt es mit dem PuK-System ab und versorgt das Management mit (Führungs-)Informationen. Der Informationsbedarf sind die zur Problemlösung notwendigen Informationen eines Informationsverwenders. Er wird vor allem durch deduktive Analyseverfahren ermittelt. Das Informationsbedürfnis sind die subjektiv erforderlichen Informationen eines Informationsverwenders. Es wird vor allem durch induktive Analyseverfahren ermittelt. 429 Vgl. Rieg et al. (2013), S. 66 . 430 Vgl. Rieg et al. (2013), S. 62 . 431 Vgl. Unrein (2011), S. 233 . 432 Vgl. Kunz (2010), S. 320 . 433 Vgl. Kunz (2010), S. 322 . <?page no="255"?> 3.3 Digitalisierung, Big-Data und Business Analytics 255 Für die Stakeholder ist das Rechnungswesen eine bedeutsame Informationsquelle, insbesondere für finanzielle Informationen und Kennzahlen. Die Informationen des externen Rechnungswesens sind im Hinblick auf die Berücksichtigung kalkulatorischer Kosten und einer Prognose des zukünftigen Unternehmenserfolgs nur bedingt geeignet. Durch die Umsetzung der CSR-Richtlinie gewinnt auch die nichtfinanzielle Berichterstattung an Bedeutung. Um die geforderten Themen abbilden zu können, muss der Controller das Datenmanagement beherrschen und als Business Partner fungieren Für die Controller ist das betriebliche Rechnungswesen eine wichtige Informationsquelle. Aufgrund der marktorientierten Bilanzierung nach IFRS und der wertorientierten Unternehmensführung gewinnt die Harmonisierung der Rechnungslegung an Bedeutung. Untersuchungsergebnisse im deutschen Mittelstand zeigen, das vor allem bei kleinen Unternehmen die Mitarbeiter in der Rechnungslegung beide Sichtweisen beherrschen müssen 3.3 Digitalisierung, Big-Data und Business Analytics Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Begriffe Digitalisierung, Industrie 4.0 und Big Data definieren und voneinander abgrenzen, mögliche Herausforderungen von Big Data für das Controlling diskutieren, den Begriff Business Analytics erläutern, die verschiedenen Ansätze des Business Analyics voneinander abgrenzen und ihre Eignung für ausgewählte Fragestellungen beurteilen. Einstiegsfall: Digitalisierung bei der D EUTSCHEN B AHN Der D EUTSCHE B AHN -Konzern hat die Digitalisierung in seinem Geschäftsbericht als wesentliche Zukunftsentwicklung identifiziert und mögliche Implikationen abgeleitet: „Neue digitale Technologien und intelligente, lernende IT-Systeme ermöglichen eine vollständige Digitalisierung vieler Sektoren. Insbesondere die Automatisierung zahlreicher Arbeitsschritte trägt aktuell dazu bei. Nicht automatisieren lassen sich Arbeiten, die Intelligenz und Kreativität erfordern. Hier werden Menschen mittlerweile vermehrt durch neue Systeme mit künstlicher Intelligenz unterstützt, die selbstständig lernen und auf unvorhergesehene Situationen reagieren können […]. Auch für den Bahnbetrieb bringen Digitalisierung und Auto- <?page no="256"?> 256 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe matisierung zukunftsträchtige Entwicklungsmöglichkeiten mit sich. Mit digitalen Stellwerken und dem Europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS sowie darauf basierenden digitalen Anwendungen im Bahnbetrieb können wir Qualitätsproblemen überalterter Anlagen und drohendem Personalmangel begegnen, Betriebskosten senken und die Netzkapazität langfristig erweitern. Durch die Digitalisierung ändern sich die Anforderungen der Menschen an ihren Konsum. Produkte und Dienstleistungen sollen sofort und jederzeit - also on demand - verfügbar sein. Damit einhergehen vermehrt tagbeziehungsweise sogar stundengleiche Lieferungen, die als tendenziell kleinere Sendungen in höheren Frequenzen zugestellt werden. Diese Entwicklung erfordert neue Logistikkonzepte und Zustellarten wie Drohnen, Lieferroboter oder Lastenräder. Auch im Bereich der individuellen Mobilität gibt es einen klaren Trend zu in Echtzeit verfügbaren Angeboten. Anstelle von Bussen mit festen Routen und fixen Fahrplänen werden wir in absehbarer Zukunft autonome Fahrzeuge sehen, die sich dynamisch und effizient der Nachfrage von Fahrgästen anpassen. Der öffentliche Personenverkehr (ÖV) wird auf diese Weise um den individuellen öffentlichen Verkehr (IÖV) erweitert. Der DB-Konzern positioniert sich in diesem Umfeld sowohl als Plattformanbieter als auch als Betreiber: Zum einen versetzen wir Dritte - das heißt Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen - in die Lage, unter eigenem Namen On- Demand-Verkehre anzubieten, und integrieren autonomes Fahren auf der Straße schrittweise in den öffentlichen Verkehr. Zum anderen betreiben wir eigene On-Demand-Mobilitätsangebote mit Zubringereffekten für den SPV.“ 434 Sehen Sie sich zudem folgenden Film zur Digitalisierung bei der D EUTSCHEN B AHN an: https: / / www.youtube.com/ watch? v=Dt3a8Of1pMQ Fragen - Was versteht die D EUTSCHE B AHN unter Digitalisierung? - Nennen Sie konkrete Beispiele für Auswirkungen der Digitalisierung auf die D EUTSCHE B AHN ? - Welche Implikationen lassen sich daraus für die Informationsversorgungsaufgabe des Controllings ableiten? 3.3.1 Grundlegende Begriffe und Konzepte Die Digitalisierung umfasst die Transformation von analogen Daten wie Texte, Videos oder Sensordaten in digitalen Daten, in dem diese in einen Binärcode umgewandelt und damit effizient gespeichert, verarbeitet und verbreitet werden können. Mögliche Datenquellen sind dabei eigene betriebliche Prozesse, die mit der Einführung von cyber-physischen Systemen Sensordaten über ihre Leistung abgeben, wie auch Kundendaten zum Nutzungsverhalten oder zu Präferenzen, die über Social 434 Deutsche Bahn (2019), S. 65. <?page no="257"?> 3.3 Digitalisierung, Big-Data und Business Analytics 257 Media zugänglich werden, wie auch öffentlich verfügbare Daten z.B. des Bundes und der Länder. 435 Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren zu wesentlichen Änderungen in der Leistungserstellung von Unternehmen geführt. So beschreibt der Begriff Industrie 4.0 als übergeordnetes Konzept für Ansätze wie die Smart Factory, das Internet der Dinge (IoT) oder cyber-physische Systeme (CPS) die Integration von innovativen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in die industrielle Leistungserstellung. Hierbei erhalten, Produkte, Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel eigene IP-Adressen und können daher intelligent vernetzt werden, so dass sie Informationen in Echtzeit austauschen und ggf. auch eigenständig Handlungsmaßnahmen einleiten können. Durch diese Vernetzung verändern sich zum einen die Geschäftsprozesse und -modelle und damit die Kosten- und Erlösstrukturen von Unternehmen. Zum anderen wird durch die Vernetzung eine Vielzahl von sehr unterschiedlich strukturierten Daten (Big Data) generiert, die z.T. in Echtzeit für Analysen zur Verfügung stehen. 436 Dabei ist die Digitalisierung ein langfristig angelegter Veränderungsprozess, der viele Unternehmen auch in den nächsten Jahren stark beschäftigen wird. So zeigt eine Studie, dass 40% bzw. 50% der Unternehmen bisher über keine Digitalisierungsstrategie für ihr Unternehmen bzw. für ihr Controlling verfügen. 62% haben kein eigenständiges Digitalisierungsbudget. Des Weiteren beurteilen nur 13% der Teilnehmer ihre Investitionen in die Digitalisierung im Unternehmen als ausreichend. 437 Die Digitalisierung eröffnet neue Dimensionen der Datenverfügbarkeit, d.h. es stehen mehr Daten zur Verfügung. Zudem gibt neue Datentypen, einen besseren Datenzugriff sowie bessere Möglichkeiten der Datenintegration. 438 Die bessere Datenverfügbarkeit führt somit zur Generierung von Big Data. Big Data beschreibt das Auftreten großer, unstrukturierter und kontinuierlich entstehender Datenmengen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Datenquellen und lässt sich durch die in Abbildung 178 gezeigten Merkmale charakterisieren. Die Abbildung zeigt, dass neben der Datenmenge (Volume) die Datenvielfalt (Variety) ein zentrales Merkmal von Big Data ist. Daten können dabei in unstrukturierter, seminstrukturierter und strukturierter Form vorliegen, z.B. als Texte, Videos, Blogs etc. Die Daten stammen dabei aus unternehmensinternen und -externen Quellen. Die Datengenierung erfolgt permanent und in hoher Geschwindigkeit (Velocity) bzw. in Echtzeit. Aufgrund der großen Datenmengen stellt die Überprüfung und Sicherstellung der Glaubwürdigkeit (Veracity) insbesondere der externen Daten eine wesentliche Herausforderung dar. Die Auswertung von Big Data muss zudem einen wirtschaftlichen Nutzen (Value) für das Unternehmen generieren. 435 Vgl. Ideenwerkstatt im Internationalen Controller Verein (ICV) (2016), S. 1; Seiter (2017), S. 4 ff. 436 Vgl. Sejdic (2015), S. 132 ff.; Ideenwerkstatt im Internationalen Controllerverein (ICV) (2016), S. 41 f.; Maurer et al. (2017), S. 79 f. 437 Vgl. Schäffer/ Weber (2018), S. 44 f. 438 Vgl. Seiter (2017), S. 4. <?page no="258"?> 258 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 178: Merkmale von Big Data (Quelle: Ideenwerkstatt im Internationalen Controller Verein (ICV) (2015a), S. 103 f; Bitkom (2012), S. 19) Es gibt folgende Quellen von Big Data: 439 Public Data umfasst Daten von Regierungen und Regierungsorganisationen, öffentlichen Verwaltungen etc. Private Data besteht aus Daten im Besitz von Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, z.B. zum Nutzungsverhalten von Kunden. Data Exhaust sind Daten, die als Nebenprodukt anderer Aktivitäten erfasst werden. So lassen sich aus dem Suchverhalten von Personen im Internet Rückschlüsse auf ihre Präferenzen und Bedürfnisse ziehen. Community Data beinhaltet unstrukturierte Daten aus dynamischen Netzwerken, wie z.B. Social Media. Diese Daten liegen häufig in verbal-unstrukturierter Form vor. Self-quantification Data besteht aus Daten, die von Einzelpersonen durch Quantifizierung und Aufzeichnung persönlicher Handlungen erfasst werden. Big Data lässt sich in zahlreichen klassischen Controlling-Prozessen nutzen. Strategische Planung Strategische Analysen - Märkte - Produkte - Portfolio etc. Lassen sich Annahmen bestätigen? Gibt es Anlass, Annahmen sofort zu ändern? Nehmen Signale der Veränderung zu? Dynamik und Komplexität in Nachfrage- und Beschaffungsmärkten langfristige Prognosen - Social Media Analysen 439 Vgl. George et al. (2014), S. 321 ff. <?page no="259"?> 3.3 Digitalisierung, Big-Data und Business Analytics 259 Geschäftsmodell überprüfen und anpassen Welche Erwartungen sind dafür ausschlaggebend? Nachweis der Bestätigung vorbereiten Strategieumsetzung monitoren Wird eine aktuelle Anpassung an veränderte Signale ermöglicht? Strategisches Zielsystem inkl. veränderter oder neuer Big Data-Anwendungen einrichten Operative Planung und Budgetierung Ergebnisse der Planung prüfen und Pläne anpassen Sind Last-Minute-Änderungen und Planungsschleifen möglich? Realisierung integrierter Planungsrechnungen für die rollierende Planung Planung präsentieren und verabschieden Wird zwischen „Running Business“ und verschiedenen Veränderungsmaßnahmen unterschieden? Kombination von flexibler Planung des laufenden Geschäftes mit Projektbudgets Abb. 179: Möglichkeiten des Big Data-Einsatzes in ausgewählten Controlling-Prozessen (Quelle: Ideenwerkstatt im Internationalen Controllerverein (ICV) (2015a), S. 105) Darüber hinaus führt Big Data zu einer Erweiterung der Informationsversorgungs- und Entscheidungsunterstützungsfunktion des Controllings. Um Big Data systematisch und effizient auswerten und daraus entscheidungsrelevante Informationen zu generieren, müssen spezifische analytische Verfahren eingesetzt werden. Diese Verfahren werden unter dem Oberbegriff Business Analytics zusammengefasst und im folgenden Abschnitt diskutiert. Darüber hinaus wird eine systematische Data Governance notwendig. Data Governance umfasst alle Ansätze, Personen und Technologien zur Beschaffung, Verwaltung und Sicherung des Datenkapitals eines Unternehmens, damit dieses korrekt, verständlich, effizient und vertrauenswürdig ausgewertet werden kann. In diesem Zusammenhang muss sich auch der Controller um die Sammlung, Steuerung, Pflege, Überwachung und Verarbeitung von Big Data kümmern und zu einer ausreichenden Datenqualität beitragen. So müssen insbesondere unstrukturierte Daten aus externen Quellen z.B. aus Social Media auf Unstimmigkeiten, Fehler und Qualitätsmängel untersucht und ggf. bereinigt werden. Auch technisch setzt die Nutzung von Big Data die Verwendung neuer Datenbankmodelle - sogenannter relationaler Datenbanken (NoSQL) voraus, in denen keine festgelegten Tabellenschemata existieren, sondern Daten in ihrem Originalformat gespeichert werden können. Zudem müssen die größeren Datenmengen immer effizienter verarbeitet und so aufbereitet bzw. visualisiert werden, dass aus ihnen auch tatsächliche aussagekräftige Steuerungsinformationen abgeleitet werden können. 440 3.3.2 Business Analytics zur Analyse von Big Data Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs Business Analytics. So existieren neben Business Analytics die Begriffe Advanced Analytics, Big Data Analytics oder Predictive Analytics, die teilweise synonym und teilweise auch unterschiedlich ver- 440 Vgl. Losbichler/ Gänßlen (2015), S. 307 f.; Dursun (2019), S. 46 ff.; Marmonti (2019), S. 64 ff. <?page no="260"?> 260 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe wendet werden. 441 Im Folgenden wird Business Analytics als Oberbegriff verwendet und als Sammlung von fakten- und datenbasierten Modellen, Methoden und Technologien der Nutzung von Big Data zur Unternehmenssteuerung verstanden. 442 Bei Business Analytics handelt es sich somit um einen interdisziplinären Ansatz, der analytische Kompetenzen aus der Mathematik, der Statistik und der Künstlichen Intelligenz (KI) mit technisch-methodischen IT-Kompetenzen sowie Möglichkeiten der Datenmodellierung verbindet, um daraus Handlungsempfehlungen für die Unternehmenssteuerung abzuleiten. Dabei geht es neben der Datenanalyse auch um eine zielgruppengerechte Visualisierung und Kommunikation der Analyseergebnisse. Das Ziel von Business Analytics ist die Unterstützung datengetriebener Management- Entscheidungen. 443 Es gibt verschiedene Business Analytics-Ansätze: 444 Nach der unterstützten betrieblichen Funktion lassen sich Manufacturing Analytics, Service Analytics, Supply Chain-Analytics, Marketing-Analytics etc. voneinander abgrenzen. Nach der Fragestellung können Descriptive Analytics (Beschreibungsmodelle), Diagnostic Analytics (Erklärungsmodelle), Predictive Analytics (Prognosemodelle) und Prescriptive Analytics zur Optimierung einer Zielfunktion (Entscheidungsmodelle) unterschieden werden. Abb. 180: Business Analytics-Kategorien mit Controlling-Beispielen (Quelle: Ideenwerkstatt im Internationalen Controller Verein (ICV) (2016), S. 2) Die 1. Stufe bildet das sogenannte Descriptive Analytics. Hier gilt es, Daten zu sammeln und zu beschreiben, um relevante Muster zu erkennen. Im Rahmen des Diagnostic Analytics werden die Ursachen für die identifizierten Zusammenhänge ermit- 441 Vgl. Bolt (2015), S. 674 f.; Chamoni/ Gluchowski (2017), S. 9 f. 442 Vgl. Seiter (2017), S. 17 f. 443 Vgl. Davenport/ Harris (2007), S. 7; Mehanna et al. (2016), S. 502. 444 Vgl. Seiter (2017), S. 8 ff.; Gluchowski (2016), S. 276 f. <?page no="261"?> 3.3 Digitalisierung, Big-Data und Business Analytics 261 telt. In der 3. Stufe werden dann Modelle entwickelt, mit denen zukünftige Ereignisse vorhergesagt werden können (Predictive Analytics), um darauf aufbauend automatisiert Maßnahmen abzuleiten (Prescriptive Analytics). Der Einsatz von Business Analytics-Verfahren kann im mehreren Entwicklungsstufen erfolgen. So können analytische Methoden zur Bestätigung bereits getroffener Entscheidungen verwendet werden. Die Daten dienen dann lediglich der Dokumentation der Vergangenheit. Erfahrene Nutzer können verschiedene Entscheidungsalternativen auf der Grundlage von Big Data bewerten. Wesentliche Voraussetzung ist ein konkretes betriebswirtschaftliches Problem, für das ein Lösungsmodell formuliert wird. Die nächste Entwicklungsstufe ist der Einsatz von Business Analytics- Verfahren, um neue Zusammenhänge in den Daten zu identifizieren und so Ansätze zur Optimierung betriebswirtschaftlicher Zielsetzungen abzuleiten, z.B. zur Steigerung der Produktivität oder der Kundenzufriedenheit. Eine konkrete Problemstellung ist hier nicht im Voraus formuliert. 445 Business Analytics und BI lassen sich dabei wie folgt von einander abgrenzen: Abb. 181: Einsatzgebiete von Business Intelligence und Business Analytics (Quelle: Seiter (2017), S. 21 in Anlehnung an Ereth/ Kemper (2016), S. 459) Business Analytics-Maßnahmen können als Prozess mit mehreren Phasen verstanden werden, wie die folgende Abbildung zeigt. 445 Vgl. LaValle et al. (2011), S. 22 ff. <?page no="262"?> 262 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 182: Business Analytics-Prozess (Quelle: Seiter (2017), S. 32) Im Folgenden wird der Prozess beispielhaft anhand der Planung des Produktmixes bei McDonalds Deutschland erläutert. 446 Während des Teilprozesses Framing wird die betriebswirtschaftliche Problemstellung festgelegt und in ein Analytics-Problem überführt. Dabei müssen das Problem durch quantitative Messgrößen messbar gemacht, ein geeigneter Analytics-Ansatz ausgewählt und die notwendigen Datendomänen abgegrenzt werden. Das betriebswirtschaftliche Problem bestand für McDonalds Deutschland in der Planung des Produktmixes der einzelnen Filialen, um einerseits die Produktverfügbarkeit sicherzustellen und andererseits aus Fehlplanungen resultierende Zusatzkosten z.B. aufgrund der Verderblichkeit von Lebensmitteln zu vermeiden. Zentrale Kenngröße war hier die Zahl der verkauften Einheiten eines Produktes pro Tag und Filiale (Units/ Store/ Day (USD)). Das Business Analytics-Problem bestand in der Identifikation relevanter Einflussfaktoren auf die USD, die anschließend zur Prognose und damit zur Planung des Produktmixes verwendet werden können. Damit handelte es sich um einen Predictive Analytics-Ansatz. Im Teilprozess Allocation werden die notwendigen Ressourcen (Daten, IT und Personal) zur Lösung des Analytics-Problems bereitgestellt. Bei McDonalds Deutschland wurde das Controlling mit der Lösung der Fragestellung betraut. Zudem wurden die potenziellen Einflussfaktoren auf die Produktnachfrage anhand einer Literaturrecherche identifiziert und anschließend historische Datenreihen für diese Einflussfaktoren beschafft. Mögliche Einflussfaktoren waren der Wochentag, der Gehaltseingang der Käufer, das Vorliegen besonderer Events im Umfeld der Filiale sowie Marketingmaßnahmen des Unternehmens. Anschließend wird im Teilprozess Analytics das Analytics-Problem gelöst. Diese Phase kann wiederum in einzelne Schritte unterteilt werden: Datenaufbereitung, Datananalyse und Evaluation der Ergebnisse. Ebenso gehört zu dieser Phase die 446 Für das Fallbeispiel vgl. auch im Folgenden Horstenkamp/ Göbel (2019), S. 10 ff., für das Prozessmodell Seiter (2017), S. 23 ff. <?page no="263"?> 3.3 Digitalisierung, Big-Data und Business Analytics 263 Auswahl geeigneter Algorithmen z.B. aus der deskriptiven Statistik oder der Netzwerkanalyse (für eine Übersicht über mögliche Algorithmen und ihre Anwendungsbereiche vgl. Abb. 183). So sind z.B. zur Aufdeckung von Ursache-Wirkungsbeziehungen sämtliche Verfahren der Datenmustererkennung wie das Data Mining geeignet. Vorhersagen können durch Regressionsanalysen, Entscheidungsbäume oder Neuronale Netze abgeleitet werden. 447 Analysekategorien Beschreibung Algorithmen (Beispiele) Einsatzbeispiele Classification Vorhersage, ob bestimmte Datenpunkte zu einer definierten Klasse gehören. Die Vorhersage resultiert aus einem Lernen aus bekannten Daten. Entscheidungsbäume, neurale Netze, Baesian Models etc. Zuordnung von Kunden zu einer vorherdefinierten Klasse, z.B. Kreditwürdigkeit Regression Zusammenhänge zwischen Daten, Vorhersage numerischer Zielvariablen. Die Vorhersage resultiert aus einem Lernen aus bekannten Daten. Lineare Regression, nicht-lineare Regression, logistische Regression Ursache-Wirkungsanalysen, Vorhersagen von Umsätzen, Schätzung von Wahrscheinlichkeiten Anomaly Detection Vorhersage, ob bestimmte Datenpunkte Ausreißer im Vergleich zu anderen Datenpunkten innerhalb einer Datengrundlage sind Distance based, densitiy based, local outlier factor (LOF) Betrugserkennung in der Kreditkartennutzung Time Series Vorhersagen der Zielvariablen für künftige Perioden, Grundlage: historische Daten Exponentielle Glättung, ARIMA- Modelle Absatz-, Produktions- und Umsatzprognosem Clustering Identifikation von Mustern in Datenbeständen k-means, densitybased clustering Erkennen von Kundensegmenten aufgrund von Ähnlichkeiten in den Kundendaten Association Analysis Identifikation von Zusammenhängen in Datenbeständen auf der Basis von Transaktionsdaten Frequent Pattern Growth Algorithm, Apriori Algorithm Erkennen von Cross Selling- Potenzialen, Clickstream- Analysen Abb. 183: Ausgewählte Analysekategorien und Algorithmen (Quelle: In Anlehnung an Seufert und Oehler (2016) zitiert nach Seufert und Treitz (2017), S. 14) 447 Für eine intensivere Diskussion vgl. Chamoni/ Gluchowski (2017), S. 11 ff. <?page no="264"?> 264 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Zur Lösung des Predictive Analytics-Problems für McDonalds Deutschland sind sowohl eine lineare Regression als auch Neuronale Netze grundsätzlich geeignet. Aufgrund der größeren Komplexität von Neuronalen Netzen entschied sich das Controlling für den Einsatz einer lineraren Regression. Anschließend wurden auf der Grundlage von 90% des historischen Datenmaterials mittels des Statistikprogramms R die relevanten Einflussfaktoren auf die Kennzahl USD ermittelt. Dabei wurde ein Bestimmheitsmaß von 0,85 erreicht, was für eine hohe Qualität der Analyseergebnisse spricht. Die restlichen 10% des Datenmaterials wurden dann zur Validierung des Prognosemodells verwendet. Während des abschließenden Teilprozesses Preparation werden die (Roh-)Evidenzen durch Visualisierung für den Nutzer aufbereitet. Zudem erfolgt eine Ableitung der Anwendungsgrenzen des verwendeten Verfahrens. Da das von McDonalds Deutschland erstellte Prognosemodell auf Vergangenheitsdaten basiert, ist seine Gültigkeit regelmäßig zu überprüfen. Insbesondere externe Schocks, die Veränderung gesellschaftlicher Faktoren wie das Ernährungsverhalten der Kunden oder neue Geschäftsbedingungen können die Aussagefähigkeit des Modells reduzieren. Zu weiteren Einsatzbereichen von Business Analytics gehören neben der Prognose wesentlicher betriebswirtschaftlicher Kennzahlen die Analyse von Transaktionsdaten und anschließendem Scoring der Kunden in A-, B- und C-Kunden, die Ableitung von Meinungs- und Stimmungsbildern aus Social Media mithilfe von Web Analytics, die Identifikation abwanderungswilliger Kunden und die Identifikation von Betrugsversuchen (Fraud Prevention) durch die Analyse von Zahlungsvorgängen. 448 Da der Controller traditionell mit der Analyse von strukturierten Daten vertraut ist, eröffnen insbesondere Analysen von unstrukturierten Daten sowie von strukturierten und unstrukturierten Daten neue Anwendungsfelder. Unstrukturierte Daten liegen in keinem festdefinierten, standardisierten Format vor und bedürfen einer inhaltlichen Interpretation, z.B. bei der Auswertung von Kundenkommunikation im Rahmen von Produktbewertungen oder Reklamationen aber auch von Geschäftsberichten oder Patentschriften. Um diese Daten auszuwerten, können z.B. Verfahren des Text Minings eingesetzt werden. So können aus Texten relevante Informationen in Form von strukturierten, relationalen Daten gewonnen werden. Mögliche Anwendungsfelder liegen im Kunden- und Marketingcontrolling, wo anhand von Kundenbewertungen Ursachen für Änderungen der Kundenzufriedenheit ermittelt werden, oder im Innovationscontrolling, wenn Forschungs- und Patentinformationen der Wettbewerber systematisch ausgewertet werden. 449 Das Big Data-Phänomen erfordert den Einsatz komplexerer statistischer und mathematischer Auswertungsmethoden und -algorithmen. Damit werden zusätzliche Kompetenzen von Controllern erwartet, z.B. der Umgang mit komplexen Datenstrukturen, eine höhere IT-Affinität sowie tiefergehende Kenntnisse der Statistik. 450 Für die Datenmodellierung benötigt der Controller zudem ein profundes Geschäfts- 448 Vgl. Chamoni/ Gluchowski (2017), S. 13 ff. Für eine Diskussion möglicher Einsatzbereiche im Controlling vgl.´Ideenwerkstatt im ICV (2016), S. 8 ff.; Seiter (2017), S. 39 ff. 449 Für eine umfassende Diskussion der Nutzung von Textanalysen vgl. Coners/ Matthies (2015), S. 658 ff. 450 Vgl. Sejdic (2015), S. 132 f.; Becker et al. (2018), S. 84 ff. <?page no="265"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 265 verständnis. Der Internationale Controllerverein spricht gar schon vom Controller 4.0, der zusätzlich zu seinen Fach- und Methodenfähigkeiten im Rechnungswesen, der Kostenrechnung und der Wertorientierung auch über umfangreiche Business Analytics-Kompetenzen verfügen muss. 451 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 3.4.1 Überblick Abbildung 184 enthält Controlling-Instrumente, die der Informationsversorgung dienen. Stufe Controlling-Instrumente Bereitgestellte Informationen 1. Stufe Kosten- und Leistungsbzw. Erfolgsrechnungen vorwiegend interne monetäre Informationen 2. Stufe fortgeschrittene Systeme der Kostenrechnung wie Target Costing, Prozesskostenrechnung, Lebenszykluskostenrechnung vorwiegend interne monetäre und teilweise nicht-monetäre Informationen 3. Stufe Kennzahlen und Kennzahlensysteme interne und externe monetäre und nicht-monetäre Informationen sowie Informationsbeziehungen 4. Stufe Benchmarking, Früherkennungssysteme interne und externe monetäre und nicht-monetäre Informationen Abb. 184: Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung Auf der 1. Stufe werden vor allem interne monetäre Kosten- und Erlösinformationen bereitgestellt. Von Stufe zu Stufe nehmen der Umfang und die Vielfältigkeit der bereitgestellten Informationen zu. Auf die grundlegenden Systeme der Kosten- und Leistungsrechnung wird hier nicht eingegangen. 452 Die anderen Controlling-Instrumente werden mit Ausnahme der Lebenszykluskostenrechnung 453 sowie der Früherkennungssysteme anschließend diskutiert. 3.4.2 Target Costing Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie den Begriff und die Ziele des Target Costings in Abgrenzung zur Cost-plus- Methode erläutern, 451 Vgl. Ideenwerkstatt im Internationalen Controllerverein (ICV) (2016), S. 57. 452 Vgl. u.a. Joos (2014), S 93 ff.; Coenenberg et al. (2012), S. 135 ff. 453 Für Informationen zur Lebenszykluskostenrechnung vgl. Coenenberg et al. (2012), S. 597 ff.; Joos (2014), S. 295 ff. <?page no="266"?> 266 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe den Ablauf des Target Costings darstellen und auf praktische Beispiele anwenden, einen Überblick über den Umsetzungsstand des Target Costings in der Unternehmenspraxis geben sowie Vor- und Nachteile des Target Costings kritisch diskutieren. Einstiegsfall: Target Costing bei projektgeführter Auftragsfertigung 454 Die R. Stahl AG ist ein börsenotiertes Unternehmen mit Produkten, Systemen und Dienstleistungen im Bereich Explosionsschutz. Diese werden in der Öl- und Gasindustrie, der chemischen Industrie, im Marine- und Schiffsbau sowie der pharmazeutischen Industrie eingesetzt. Die Kundenanforderungen unterscheiden sich sowohl zwischen den verschiedenen Branchen als auch zwischen den Nationalitäten der Kunden, da die regulatorischen Anforderungen und Zulassungsverfahren verschieden sind. Die R. Stahl AG hat zur Verbesserung der projektgeführten Auftragskalkulation vor einigen Jahren das Instrument des Target Costings im Unternehmen fest etabliert. Die folgendende Abbildung zeigt die Ausgestaltung für das Unternehmen: Abb. 185: Target Costing-Vorgehen im Rahmen einer projektgeführten Auftragsfertigung (Quelle: Hermanowski (2015), S. 167) 454 Vgl. Hermanowski (2015), S. 166 ff. Definition eines kunden- und ergebnisgeführten Lösungsmodells <?page no="267"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 267 Neben den Vorarbeiten im Rahmen der Projekteinrichtung besteht das Target Costing vor allem aus dem Marktvorbau, der retrograden Kalkulation und der prinzipiengeführten Lösungsfindung. Die Kundenaufträge werden dabei in drei Gruppen (standard-order, configured-to-order und engineered-to-order) unterteilt. Die Marktanalyse wird nach bedienten Märkten, noch nicht bedienten Märkten sowie den nicht zugänglichen Märkten vorgenommen. Aus Markt- und Wettbewerbsanalysen können die geschätzten Marktvolumina und Zielpreise für die Zielkunden, -märkte und -vertriebskanäle bestimmt und damit die erlaubten Kosten abgeleitet werden. Die Kunden werden hinsichtlich ihrer Idealvorstellungen zu den Produkten und Leistungen des Unternehmens systematisch befragt. Im Rahmen der lebenszyklusbasierten, retrograden Kalkulation steht die Profitabilitätssicherung der projektgeführten Auftragsfertigung im Fokus. Als Grundlage werden die Kosten bestehender Aufträge bzw. Projekte verwendet. Daneben wird der Zielgewinn neu definiert und die Wertkettenbestandteile im Hinblick auf die Kundenorientierung überarbeitet und angepasst. Fragen - Was sind die Besonderheiten einer projektgeführten Auftragskalkulation? - Welche Probleme ergeben sich bei der erstmaligen Implementierung eines Target Costings? - Welcher Zusatznutzen ergibt sich aus der erstmaligen Implementierung des Target Costing-Ansatzes für das Unternehmen? 3.4.2.1 Definition und Ziele Target Costing ist ein aus Japan stammendes Konzept zur Preis- und Kostensteuerung eines Produkts, das Preis-, Kosten-, Zeit- und Qualitätsaspekte bei dessen Gestaltung berücksichtigt und dadurch eine marktorientierte Kostenstruktur sicherstellt. Ausgangspunkt des Target Costings ist die Feststellung, dass ca. 70% der Stückkosten bereits in der Entwicklungsphase eines Produktes festgelegt werden. 455 Das Target Costing ist vor allem für Märkte geeignet, die von einer hohen Wettbewerbsintensität und kurzen Produktlebenszyklen geprägt sind, wie z.B. die Automobilbzw. Elektronikindustrie. 456 Traditionell werden Preise nach der Cost-plus-Methode kalkuliert, indem zu den Ist-Herstellkosten eines Neuprodukts die Gewinnmarge addiert wird. Beim Target Costing wird ausgehend von den Kundenpräferenzen der Preis ermittelt, den die Kunden für ein Produkt maximal zu zahlen bereit sind. Nach der Subtraktionsmethode werden von diesem Preis die Gewinnmarge abgezogen und die restlichen Kos- 455 Vgl. hier und im Folgenden Seidenschwarz (2002), S. 1933 ff., Joos (2014), S. 302 ff., Horváth et al. (2015), S. 375, Weber/ Schäffer (2016), S. 375. 456 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 228.; Weber/ Schäffer (2016), S. 379. <?page no="268"?> 268 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 186: Idealtypische Festlegung, Entstehung und Beeinflussbarkeit der Kosten im Produktlebenszyklus (Quelle: Coenenberg et al. (2012), S. 557) Abb. 187: Preisgestaltung nach der Cost-plus-Methode und der Subtraktionsmethode ten auf die einzelnen Produktbestandteile (Komponenten) entsprechend der Präferenzen der Kunden aufgeteilt. Die Ziele des Target Costings sind: 457 konsequente Marktorientierung, d.h. Festlegung der Kostenstrukturen eines Produkts anhand der Kundenpräferenzen, kostenorientierte Steuerung der Produktentwicklung, Effizienzsteigerung der indirekten Bereiche durch Stärkung des Kostenbewusstseins sowie Erhaltung bzw. Steigerung der Produktrentabilität. 457 Vgl. Kümpel (2004b), S. 1363, Horváth et al. (2015), S. 228. <?page no="269"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 269 Damit das Target Costing als umfassendes Instrument des Zielkostenmanagements wirksam sein kann, müssen bei seiner Anwendung die Grundsätze der Marktorientierung, der Teamorientierung und der Durchgängigkeit beachtet werden. Im Rahmen der Marktorientierung müssen die von den Kunden gewünschten Funktionsanforderungen konsequent erhoben und bereits frühzeitig in die Produktplanung integriert werden. Die interdisziplinäre Teamorientierung ist durch ein Commitment der Beteiligten und regelmäßige Kosten-Workshops sicherzustellen. Die Durchgängigkeit ist erreicht, wenn über die gesamte Prozesskette des Unternehmens hinweg Kostentransparenz besteht und dieZielkostenverantwortlichen klar definiert sind. 458 Die folgende Abbildung zeigt die organisatorische, controllingwerkzeugseitige und anreizseitige Umsetzung der o.g. drei Target Costing Grundsätze. 459 Abb. 188: Grundverständnis des Target Costing (Quelle: Seidenschwarz (1995), S. 109) 3.4.2.2 Ablauf Einstiegsfall: Target Costing in der Grunwaldt GmbH 460 Die Grunwaldt GmbH ist mittlerweile Nordeuropas größter Hersteller von Holzmöbeln für Kinder und Studenten. Um neue Märkte zu erschließen und die Kapazitäten auszulasten, ist geplant, einen Multifunktionsschreibtisch (MuFuTi) für Studenten auf den Markt zu bringen. Die Produktentwickler 458 Vgl. Seidenschwarz (1995), S. 109; Horváth et al. (2015), S. 228 ff. 459 Andere Autoren definieren weitere Grundprinzipien, z.B. Price led Costing, Focus on Customer, Focus on Design, Cross-Functional Involvement, Life Cycle Orientation und Value Chain Involvement. Vgl. Arnaout (2001), S. 67 ff. sowie Fischer et al. (2015), S. 263 f. 460 Einstiegsfall und Lösungshinweise nach Ossadnik (2006), S. 11 ff. <?page no="270"?> 270 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe können unterschiedliche Typen des MuFuTi realisieren, indem mögliche Produktmerkmale unterschiedlich kombiniert werden. Ein von Ihnen beauftragtes Marktforschungsunternehmen hat durch eine Conjoint-Analyse diese Teilnutzenwerte (TN) für die einzelnen Merkmalsausprägungen des MuFuTi ermittelt. Funktion Merkmalsausprägungen Teilnutzen (TN) Gewicht 10, 20 (kg) 0,8 / 0 Flexibilität 5, 3, 1 (Anzahl der Umbaumöglichkeiten) 1,0 / 0,5 / 0 Haltbarkeit 5, 10 (Jahre) 0,7 / 0 Handhabbarkeit gute, mittlere, schlechte ergonomische Form 0,4 / 0,2 / 0 Design modern, peppig, klassisch 0,3 / 0,1 / 0 Das Marktforschungsunternehmen hat außerdem eine Preis-Absatz-Funktion für den MuFuTi bestimmt: y (p) = 1.000.000 - 1.250 p mit y (p) = Absatzmenge und p = Preis. Die Grunwaldt GmbH möchte den umsatzmaximalen Preis realisieren und strebt eine Umsatzrendite von 10% an. Auf die Herstellkosten schlägt das Unternehmen 20% für Verwaltungs- und Vertriebskosten auf. Ermitteln Sie die Zielkosten des MuFuTi. Ausgehend vom ersten Grobentwurf eines Produkts werden in der Literatur meistens vier bis fünf Phasen beim Target Costing unterschieden. 461 Hier wird ein vierstufiges Phasenmodell verwendet (vgl. Abb. 189). 461 Vgl. Arnaout (2001), S. 41 ff.; Kümpel (2004b), S. 1363 ff.; Horváth et al. (2015), S. 230. Coenenberg et al. (2012), S. 560 ff. unterscheiden acht Schritte des Target Costings. <?page no="271"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 271 Abb. 189: Ablauf eines Target Costings Während des Marktvorbaus werden die Kundenpräferenzen für die Produktmerkmale ermittelt. Ein dabei von der Marktforschung eingesetztes Instrument ist die Conjoint-Analyse. Mit der Conjoint-Analyse werden die Kundenpräferenzen bestimmt, indem die Bedeutung der Produktmerkmale für die Kunden ermittelt wird. Dabei müssen die Probanden Echtprodukte mit unterschiedlichen Merkmalskombinationen in eine Rangfolge bringen. Aus dieser Präferenzrangfolge wird dann auf die Bedeutung der einzelnen Merkmale geschlossen. Das Ergebnis einer Conjoint- Analyse ist der Teilnutzen der Produktmerkmale. Die Summe aller Teilnutzen ergibt den Gesamtnutzen des Produkts für den Kunden. Auf dieser Grundlage wird dann ein Prototyp gefertigt, um die voraussichtlichen Herstellkosten (Drifting Costs) zu schätzen. Ebenfalls zum Marktvorbau zählt die Ermittlung der Preis-Absatz-Funktion des Produkts, mit deren Hilfe die möglichen Preis-Mengen-Kombinationen bestimmt werden können. 462 Beim zweiten Schritt werden die Zielkosten des Produkts ermittelt und auf seine Komponenten aufgeteilt (vgl. Abb. 190). Abb. 190: Ermittlung der Zielkosten (Quelle: In Anlehnung an Weber/ Schäffer (2016), S. 375) 462 Vgl. Seidenschwarz (2002), S. 1938 f., Joos (2014), S. 304 f., Coenenberg et al. (2012), S. 560 ff. <?page no="272"?> 272 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Zunächst wird ein erzielbarer Marktpreis ermittelt, vom dem die Zielrendite des Produkts abgezogen wird. Zu seiner Bestimmung gibt es mehrere Verfahren: 463 Market into Company: Anhand der Preis-Absatz-Funktion werden der gewinn- oder umsatzmaximale Preis sowie die entsprechende Verkaufsmenge bestimmt. Idealerweise wird bei der Zielpreisbestimmung die Absatzpreisentwicklung im gesamten Produktlebenszyklus betrachtet, da sich der Preis eines Produkts während seines Lebenszyklus ändert. Out of Competitor: Die Zielkosten ergeben sich aus den Preisen der Wettbewerber. Die Kundenanforderungen werden somit durch Produktgestaltungen der Konkurrenz ersetzt. Bei innovativen Produkten kann dies problematisch sein. Zudem ist unklar, nach welchen Kriterien der Wettbewerber ausgewählt wird. Dieses Verfahren ist daher zur Preis- und Kostenkalkulation bestehender Produkte bei starkem Wettbewerb geeignet. Out of Company: Die Bestimmung der Zielkosten erfolgt aufgrund der Costplus-Methode, ohne sich an den Kundenpräferenzen auszurichten. Allerdings wird analysiert, ob der Preis am Markt durchsetzbar ist. Das Verfahren widerspricht der Marktorientierung des Target Costings und sollte nur dann eingesetzt werden, wenn Marktpreise mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erhoben werden können. In and out of Company: Die Zielkosten werden mithilfe einer Kombination von Market into Company und Out of Company bestimmt. Out of Standard Costs: Die Zielkosten werden aufgrund der vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Abschläge von den eigenen Standardkosten abgeleitet. Die Market into Company-Methode setzt die marktorientierte Sicht des Target Costings am konsequentesten um, wobei in der Praxis die In and out of Company- Methode unternehmensweit häufiger als andere Methoden eingesetzt wird. 464 Die folgende Abbildung fasst die Einsetzbarkeit der verschiedenen Verfahren zusammen. Verfahren Ableitung aus Marktorientierung Einsetzbarkeit für innovative Produkte Standardprodukte Market into Company erzielbaren Marktpreisen sichergestellt empfehlenswert möglich Out of Company konstruktions- und fertigungstechnischen Faktoren möglich möglich möglich Into and out of Company Marktpreisen und technischen Faktoren möglich möglich möglich 463 Vgl. Arnaout (2001), S. 44 ff., Kümpel (2004b), 1363; Joos (2014), S. 304 f.; Horváth et al. (2015), S. 230, Reichmann et al. (2017), S. 207. 464 Vgl. Becker et al. (2016), S. 139. <?page no="273"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 273 Out of Competitor Kosten der Konkurrenz sichergestellt nicht möglich empfehlenswert Out of Standard Costs eigenen Standardkosten möglich möglich möglich Abb. 191: Evaluation der Verfahren zur Zielkostenermittlung (Quelle: Küpper et al. (2013), S. 307) Lösungshinweise zum Einstiegsfall Die Phase des Marktvorbaus ist abgeschlossen. Der erzielbare Marktpreis des MuFuTi wird nach der Market into Company-Methode bestimmt. Dazu werden der umsatzmaximale Preis und die dazugehörige Absatzmenge anhand Preis- Absatz-Funktion berechnet. Dabei wird die Umsatzfunktion U(p) aus der Preis- Absatz-Funktion ermittelt, indem man diese mit dem Preis multipliziert: U(p) = p * y(p) = 1.000.000 p - 1.250p² Zur Bestimmung des umsatzmaximalen Preises wird die Umsatzfunktion nach dem Preis abgeleitet und gleich null gesetzt: U’(p) = 1.000.000 - 2.500 p = 0 Durch Umformen ergeben sich ein umsatzmaximaler Preis p von 400 Euro/ Stück und eine Absatzmenge y von 500.0000 Stück. Anschließend wird die Zielrendite aus der angestrebten Kapital- oder Umsatzrentabilität hergeleitet. Das Ergebnis sind die Zielkosten des Produkts i.w.S. Werden von diesen noch die anteiligen Gemeinkosten abgezogen, erhält man die Zielkosten i.e.S. 465 Lösungshinweise zum Einstiegsfall (Fortsetzung) Zur Ermittlung der Zielkosten werden zunächst die gesamten geplanten Umsatzerlöse des MuFuTi bestimmt: U = 500.000 Stück * 400 Euro/ Stück = 200.000.000 Euro Die Bestimmung der Zielkosten erfolgt so: Umsatzerlöse 200.000.000 Euro - Zielrendite (10% der Umsatzerlöse) 20.000.000 Euro = Zielkosten i.w.S. 180.000.000 Euro - Zuschlag für Gemeinkosten (20% der Zielkosten i.e.S.) 30.000.000 Euro = Zielkosten i.e.S. 150.000.000 Euro Pro MuFuTi ergeben sich somit Zielkosten i.e.S. von 300 Euro. 465 Vgl. Baum et al. (2013), S. 170; Coenenberg et al. (2012), S. 264 ff. <?page no="274"?> 274 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Nachdem die Zielkosten bestimmt wurden, erfolgt die Zielkostenspaltung nach der Komponenten- oder Funktionsmethode. 466 Bei der Komponentenmethode werden die Zielkosten analog der Kostenstruktur eines Vorgänger- oder Konkurrenzmodells auf die Produktkomponenten verteilt. Das Verfahren ist leicht anwendbar, hat aber den Nachteil, dass Vergangenheitswerte unreflektiert fortgeschrieben werden. Der Kundennutzen bleibt unbeachtet, womit das Verfahren der Marktorientierung des Target Costings widerspricht. Bei der Funktionsmethode werden die anteiligen Zielkosten der Produktkomponenten gemäß ihres relativen Teilnutzens verteilt. Trägt beispielsweise eine Komponente 20% zum Produktnutzen bei, dürfen auch 20% der Zielkosten auf sie entfallen. Diese Methode wird aufgrund ihres höheren Aufwands vor allem bei komplexen Produkten angewandt, deren Produktkomponenten während der Entwicklungsphase noch variiert werden können. Einstiegsfall Fortsetzung Die Konstrukteure der Grunwaldt GmbH bauen aufgrund der Ergebnisse der Conjoint-Analyse einen MuFuTi mit diesen Merkmalsausprägungen: 10 kg Gewicht, drei Umbaumöglichkeiten, fünf Jahre Haltbarkeit, mittlere Handhabbarkeit und modernes Design. Die Produktfunktionen werden durch unterschiedliche Produktkomponenten realisiert. So wird beispielsweise beim MuFuTi das Gewicht vor allem durch die Tischplatte und die Tischbeine bestimmt. Daher wird der Beitrag der einzelnen Produktkomponenten zur Umsetzung der Produktfunktionen durch die Produktentwickler und -konstrukteure geschätzt. Zum Gewicht des MuFuTi tragen z.B. die Aufhängung und die Schubladen jeweils zu 10%, die Tischplatte zu 30% und die Tischbeine zu 50% bei. Komponente Gewicht Flexibilität Haltbarkeit Handhabbarkeit Design Aufhängung 10% 10% 0 0 40% Schubladen 10% 40% 50% 20% 0 Tischplatte 30% 0 0 60% 60% Tischbeine 50% 50% 50% 20% 0 Anhand des Rohentwurfs und der Angaben aus der Kostenrechnung konnten Sie zudem Herstellkosten von 350 Euro für den MuFuTi ermitteln, wobei auf die Aufhängung 30 Euro, die Schubladen 70 Euro, die Tischplatte 112,50 Euro und die Tischbeine 137,50 Euro entfallen. 466 Vgl. Arnaout (2001), S. 51 ff.; Seidenschwarz (2002), S. 1942; Kümpel (2004b), S. 1364; Joos (2014), S. 308 ff.; Reichmann et al. (2017), S. 210 ff. <?page no="275"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 275 Führen Sie eine Zielkostenspaltung nach der Funktionsmethode für den Mu- FuTi durch und bestimmen Sie die Zielkostenindices (ZKIs) der Produktkomponenten sowie die Unter- und Obergrenzen der Zielkosten. Verwenden Sie einen q-Faktor von 10%. Nach der Zielkostenspaltung erfolgt ein Kostenvergleich. Dabei werden zunächst die geschätzten Herstellkosten (Drifting Costs) 467 des Produkts und seiner Komponenten auf der Grundlage einer nach Baugruppen und -teilen differenzierten Vorkalkulation berechnet. Problematisch ist dabei die Festlegung der einbezogenen Kosten. So werden bei einer Vollkostenbetrachtung Verwaltungs-, Entwicklungs- und Vertriebsgemeinkosten über prozentuale Abschläge von den Zielkosten berücksichtigt. Liegen die geschätzten Herstellkosten über den Zielkosten, müssen Maßnahmen zur Kostensenkung oder Produktumgestaltung ergriffen werden. 468 Das Zielkostendiagramm stellt die Kosten- und Nutzenanteile der einzelnen Produktkomponenten gegenüber (vgl. Abb. 192). Abb. 192: Zielkostenkontrolldiagramm (Quelle: Seidenschwarz (1993), S. 182) Das Idealverhältnis entspricht der 45-Grad-Linie. Um diese wird ein Zielkorridor akzeptabler Abweichungen gelegt, die mit zunehmender Bedeutung der Komponen- 467 Die Drifting Costs sind die Herstellkosten eines geplanten Produkts bei gegebenen Potenzial-, Produkt-, Programm- und Prozessstrukturen. Für die Berechnung werden die Kosten von vergleichbaren Vorgängerprodukten herangezogen. 468 Vgl. Arnaout (2001), S. 53 ff.; Seidenschwarz (2002), S. 1941; Joos (2014), S. 313 ff.; Coenenberg et al. (2012), S. 5568 f.; Reichmann et al. (2017), S. 210 ff. <?page no="276"?> 276 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe ten kleiner werden. Die Zielkostenzone wird durch den Parameter q festgelegt: Je größer dieser Wert ist, desto größere Kostenabweichungen werden toleriert. Bei Produkten mit hohem Kostendruck wird ein kleiner q-Wert empfohlen, wobei in der Praxis Werte von 10 bis 15 % verwendet werden. Die obere (y1) und untere (y2) Kostengrenze werden durch den Nutzenanteil x und q bestimmt: 469 y1 = √ (x²+q²) y2 = √ (x² -q²) Indem der Nutzenanteil durch den Kostenanteil einer Komponente dividiert wird, wird deren Zielkostenindex (ZKI) ermittelt. Der ZKI ist ein Indikator dafür, inwieweit die Kosten einer Produktkomponente deren relativer Bedeutung aus Kundensicht entsprechen. Bei ZKI-Werten kleiner als eins ist die Produktkomponente relativ zu ihrem Kundennutzen zu teuer, bei ZKI-Werten größer als eins ist die Komponente zu einfach gestaltet. In der Praxis ist der Idealfall eines ZKI von eins kaum anzutreffen. Daher muss eine Bandbreite akzeptabler Zielkostenindices ermittelt werden. 470 Lösungshinweise zum Einstiegsfall (Fortsetzung) Die Nutzenanteile der einzelnen Merkmale des MuFuTi: Produktmerkmale (1) Teilnutzen (2) Nutzenanteil (3)= (2)/ ∑ (2) 10 kg Gewicht 0,8 0,32 drei Umbaumöglichkeiten 0,5 0,20 fünf Jahre Haltbarkeit 0,7 0,28 mittlere Handhabbarkeit 0,2 0,08 modernes Design 0,3 0,12 Summe 2,5 1,0 Die Beiträge der Produktkomponenten zur Realisierung der Produktmerkmale werden danach mit der Funktionsgewichtung multipliziert, um deren Nutzenanteil zu bestimmen. Daraus ergibt sich die Funktionskostenmatrix. Komponente Gewicht Flexibilität Haltbarkeit Handhabbarkeit Design Nutzenanteil (4) Aufhängung 3,2% 2% 0% 0% 4,8% 10% Schubladen 3,2% 8% 14% 1,6% 0% 26,8% 469 Vgl. Joos (2014), S. 341 ff.; Kümpel (2004b), S. 1365. 470 Vgl. Kümpel (2004b), S. 1365; Joos (2014), S. 315 f.; Coenenberg et al. (2012), S. 570 ff. <?page no="277"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 277 Tischplatte 9,6% 0% 0% 4,8% 7,2% 21,6% Tischbeine 16,0% 10% 14% 1,6% 0% 41,6% Summe 32,0% 20% 28% 8% 12% 100% Die Zielkosten des MuFuTi betragen 300 Euro, die Herstellkosten 350 Euro. Daraus ergibt sich ein Kostenreduktionsbedarf von 50 Euro, der auf die Komponenten verteilt werden muss. Dafür haben Sie die ZKIs sowie die Unter- und Obergrenze der Zielkosten berechnet. Komponente Herstellkosten in € (5) Kostenanteil (6)= (5)/ 300 € Nutzenanteil (4) Zielkosten in € (7)= (4) * 300 € ZKI (4)/ (6) y2 y1 Aufhängung 30,0 10% 10% 30,0 1 0% 14,1% Schubladen 70,0 23,3% 26,8% 80,4 1,15 24,9% 29,6% Tischplatte 112,5 37,5% 21,6% 64,8 0,58 19,1% 23,8% Tischbeine 137,5 45,8% 41,6% 124,8 0,91 40,4% 42,8% Summe 350,0 116,6% 100% 300,0 Bei der Berechnung des Kostenanteils verwenden Sie die Zielkosten von 300 Euro als Bezugsbasis, um den Kostensenkungsbedarf von 50 Euro auf die Komponenten zu verteilen. Für die Tischplatte ergibt sich ein Kostensenkungsbedarf von 47,70 Euro als Differenz zwischen den 112,50 Euro Herstellkosten und 64,80 Euro Zielkosten und für die Tischbeine von 12,70 Euro, während die Schubladen im Umfang von 10,40 Euro aufwändiger gestaltet werden können. Die Zielkosten der Schubladen, der Tischplatte und -beine liegen zudem außerhalb des Zielkostenkorridors. Abschließend folgt die Phase der Zielkostenerreichung. Mögliche Maßnahmen können die physischen Eigenschaften des Produkts verändern, in dem z.B. die Größe und das Gewicht reduziert werden, um Logistikkosten zu verringern, oder Standardstatt Spezialteile zur Reduzierung der Materialkosten verwendet werden, den Produktionsprozess umgestalten, z.B. durch eine Vereinfachung von Prozessabläufen und Arbeitsvorgängen, oder an den Potenzialen ansetzen, z.B. durch Prämienlohnsysteme zur Steigerung der Arbeitsproduktivität oder die Einbeziehung von Zulieferern in die eigene Produktentwicklung. 471 Zudem sind eine mitlaufende Kalkulation und laufende Soll-Ist-Kostenvergleiche notwendig, um die geplanten Zielwirkungen der Kostensenkungsmaßnahmen zu überprüfen. 471 Vgl. Arnaout (2001), S. 54 ff.; Seidenschwarz (2002), S. 1945 f.; Kümpel (2004b), S. 1366, Joos (2014), S. 313 ff.: Reichmann et al. (2017), S. 209 f. <?page no="278"?> 278 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe 3.4.2.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Hier werden Ergebnisse ausgewählter Studien zum Umsetzungsstand und Erfolg des Target Costings in der Unternehmenspraxis vorgestellt (vgl. Abb. 193). Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Knauer/ Möslang (2015) Onlinebefragung von 2.000 deutschen Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern und mindestens 38,5 Mio. EUR Umsatz, Rücklaufquote 6% (d.h. 120 Unternehmen) Studie 2 Becker et al. (2016) Befragung per Email mit Link von 3.355 Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern, Rücklaufquote 1,7% (d.h. 60 Unternehmen) Abb. 193: Studien zum Target Costing. Studie 1 zeigt eine mittlere Bedeutung des Target Costings. So schätzen die Teilnehmer die Bedeutung des Target Costings auf einer Skala von 1 bis 7 mit 3,31 ein. Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Target Costings und der Unternehmensstrategie sowie der Kombination des Target Costings mit ausgewählten Controllinginstrumenten (d.h. Benchmarking, Life Cycle Costing und Prozesskostenrechnung). Darüber hinaus wird der weitere Nutzen des Target Costings analysiert. 472 Die Studie zeigt, dass vor allem Unternehmen, die eine Differenzierungsbzw. Kostenführerschaftsstrategie verfolgen, Target Costing verstärkt einsetzen 473 (Abbildung 194). Darüber nutzen ca. 70% der Unternehmen, die Target Costing einsetzen, auch Life Cycle Costing, 59% setzen auch ein Benchmarking und 30% eine Prozesskostenrechnung ein. Diese Werte liegen wesentlich höher als bei den Unternehmen, die kein Target Costing einsetzen. Dies spricht dafür, dass sich diese Controllinginstrumente gegenseitig ergänzen und insbesondere für die Umsetzung der Differenzierungsbzw. Kostenführerschaftsstrategie unerlässlich sind. 474 Abbildung 195 zeigt den Nutzen des Target Costings. So dient das Target Costing neben der Kostentransparenz der Identifikation von Kostentreibern, der Verbesserung der Informationsbasis und der Stärkung des Kostenbewusstseins. Des Weiteren ist ersichtlich, dass vor allem Unternehmen mit einer Differenzierungsstrategie diesen Nutzen betonen. 475 472 Vgl. Knauer/ Möslang (2015), S. 160 ff. 473 Vgl. Knauer/ Möslang (2015), S. 162. 474 Vgl. Knauer/ Möslang (2015), S. 162 f. 475 Vgl. Knauer/ Möslang (2015), S. 164. <?page no="279"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 279 Abb. 194: Umfang des Einsatzes von Target Costing in der Praxis nach Wettbewerbsstrategien (Quelle: Knauer/ Möslang (2015), S. 162). Abb. 195: Einschätzung des Nutzens des Target Costings (Quelle: Knauer/ Möslang (2015), S. 164). <?page no="280"?> 280 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Studie 2 deutet ebenfalls auf eine mittlere Bedeutung des Target Costing in der Praxis hin. So setzten rd. 55% der unternehmen Target Costing ein, wobei sich ein signifikanter Unterschied in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße zeigt. So setzen nur 36% der kleinen Unternehmen Target Costing ein, während rd. 86% der mittleren und großen Unternehmen Target Costing anwenden. Des Weiteren kann der Zusammenhang zwischen der Wettbewerbsintensität und der jeweiligen Einsatzintensität des Zielkostenmanagements in dieser Studie bestätigt werden. 476 Die folgende Abbildung zeigt die Zielgewichtung bei der Anwendung des Target Costings. Abb. 196: Zielgewichtung bei Anwendung des Target Costings (Quelle: Becker et al. (2016), S. 138) Hinsichtlich der begleitenden Instrumente des Target Costing kommt Studie 2 zu etwas anderen Ergebnissen als die Studie 1. So wird in Studie 2 zunächst die Makeor-Buy-Rechnung genannt (18%), dann das Benchmarking (17%), ABC-Analysen (14%), Kostentableaus und Wertgestaltung mit jeweils 13% und schließlich die Prozesskostenrechnung mit 12%. 477 Dabei ist indes zu beachten, dass Studie 1 nur Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern beinhaltet, während Studie 2 bereits Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern in die Analyse einbezogen hat. 476 Vgl. Becker et al. (2016), S. 1 39 ff. 477 Vgl. Becker et al. (2016), S. 139 f. <?page no="281"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 281 3.4.2.4 Probleme und Weiterentwicklung In den Phasen treten diese Probleme des Target Costings auf: 478 Phase des Marktvorbaus Die Kundenpräferenzen lassen sich nur sehr schwierig bestimmen, da die Conjoint-Analyse ein streng nutzenorientiertes Verhalten der Probanden unterstellt und keine psychologischen und sozialen Faktoren einbezieht. Außerdem wird davon ausgegangen, dass der Kunde seine (künftigen) Präferenzen bei den Produktfunktionen artikulieren kann. Letztlich handelt es sich bei der Rangfolgenbildung um eine komplexe Entscheidungssituation, die nicht immer zu stabilen Ergebnissen führt. Die Conjoint-Analyse vernachlässigt, dass der Kunde bestimmte Grundfunktionen eines Produkts als gegeben voraussetzt und hier keine Präferenzen nennt. Die Conjoint-Analyse ist für innovative Produkte nicht geeignet, da potenzielle Nutzer völlig neuer Produkte häufig ihre Präferenzen noch nicht kennen. Die Conjoint-Analyse ist sehr aufwändig und daher nur für strategische Produkte geeignet. Auf dynamischen Märkten schwankt der Preis, was zu Abweichungen von der Umsatzprognose führen kann. Zudem verschieben sich die Marktsegmentgrenzen, z.B. durch technologische Innovationen, weshalb Kundenanforderungen regelmäßig überprüft werden müssen. Insgesamt ist die Gewichtungsstruktur der Produktfunktionen nicht stabil, sondern ändert sich während der Produktlebensdauer. Zudem lassen sich Prognosewerte, z.B. für verkaufte Stückzahlen, mit zunehmender Produktlebensdauer schwieriger schätzen. 479 Zielkostenermittlung und -spaltung Die Probleme des Marktvorbaus setzen sich während der Zielkostenermittlung und -spaltung fort. So führt eine Fehlprognose des am Markt durchsetzbaren Preises und der Absatzmenge zu falschen Zielkosten. Instabile Kundenpräferenzen erschweren die Zielkostenspaltung. Die Einbeziehung der Gemeinkosten über pauschale Zuschläge auf die Herstellkosten kann ebenfalls zu Fehlallokationen führen. Kostenvergleich In den frühen Produktentwicklungsphasen fehlt häufig die Datenbasis, um eine Produktkalkulation durchzuführen und Kostensenkungspotenziale zu identifizieren. Zudem ist der Umfang der einbezogenen Gemeinkosten unklar. Die Schätzung der Drifting Costs bereitet insbesondere beim Einsatz neuer Prozesstechnologien, die den Produktionsprozess maßgeblich beeinflussen, Probleme. Die Zielkostenzone sowie der Toleranzbereich werden über die Festlegung des q- Faktors subjektiv bestimmt. 478 Vgl. Arnaout (2001), S. 68 ff.; Kümpel (2004b), S. 1366; Weber/ Schäffer (2016), S. 378 f. 479 Vgl. Coenenberg et al. (2012), S. 579 ff. <?page no="282"?> 282 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Zielkostenerreichung In der Unternehmenspraxis ist insbesondere eine Tendenz zum Over-Engineering, zu fehlenden Informationen über neue Technologien und eine unzureichende Einbindung von Zulieferern zu beobachten. 480 Da zahlreiche Probleme ihren Ursprung in der Phase des Marktvorbaus haben, bietet sich ein Lösungsansatz zur Verbesserung der Präferenzerhebung an. Es werden drei Arten von Kundenanforderungen unterschieden, die beim Target Costing unterschiedlich behandelt werden müssen: 481 Basisanforderungen umfassen gesetzliche und funktionale Mindestanforderungen an ein Produkt. Sie werden nicht mittels Conjoint-Analyse in die Nutzenbewertung einbezogen. Bei der Zielkostenspaltung entfällt bereits ein erheblicher Teil der Allowable Costs auf die Basisanforderungen, wobei als Referenzgröße ein Vorgängermodell herangezogen werden kann. Begeisterungsanforderungen sind Produktmerkmale, die vom Kunden, z.B. aufgrund ihres Neuigkeitsgrads, noch nicht in Betracht gezogen werden, die aber bei ihrer Erfüllung von ihm sehr positiv bewertet werden. Da sie sich nicht komponentenbezogen planen lassen, wird für ihre Umsetzung pauschal ein bestimmtes Kostenbudget festgelegt. Leistungsanforderungen beeinflussen die Kundenzufriedenheit in Abhängigkeit von ihrem Erfüllungsgrad. Daher können für Leistungsanforderungen Kundenpräferenzen ermittelt werden. Die nach Abzug der Allowable Costs der Basis- und Begeisterungsanforderungen verbleibenden Zielkosten können dann auf die einzelnen Produktkomponenten nach ihrem Nutzenanteil aufgeteilt werden. Zusammenfassung Das Target Costing soll eine marktorientierte Kostenstruktur gewährleisten. Die Implementierung des Target Costing bewirkt häufig ein besseres Markt- und Kundenverständnis, mehr Transparenz sowie die Schärfung des Kostenbewusstseins im Unternehmen. Die Kundenpräferenzen lassen sich mit Hilfe einer Conjoint-Analyse bestimmen, diese erfolgt in neun Schritten. Die Produktkomponentenkosten sollten der relativen Bedeutung aus Kundensicht entsprechen, in diesem Fall beträgt der Zielkostenindex (ZKI) 1. Bei einem ZKI < 1 ist die Komponente für den Kundennutzen zu teuer und sollte einfacher gestaltet werden. Bei einem ZKI > 1 kann die jeweilige Produktkomponente noch aufwändiger gestaltet werden. Zumeist wird in der Praxis eine Zielkostenzone um den ZKI von 1 definiert. 480 Vgl. Arnaout (2001), S. 253. 481 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 376. <?page no="283"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 283 Studien zeigen eine mittlere Bedeutung des Target Costing in der Praxis. So nutzen vor allem Unternehmen mit einer Differenzierungs- und Kostenführerschaftsstrategie das Target Costing. Lösungshinweise zum Einstiegsfall 482 Projektgeführte Aufträge sind klassischerweise komplexe Projekte (wie Beleuchtungsbzw. Energieverteilungsanlagen für Bohrinseln). Als Ansatz für das Target Costing werden nicht einzelne Komponenten eines Produkts betrachtet, sondern das gesamte Projekt, bestehend aus den benötigten Produkten und Dienstleistungen wie der Montage und dem entsprechenden Engineeringprozess. Das Management und die Mitarbeiter müssen vom Nutzen der Target Costing überzeugt werden. Des Weiteren müssen die notwendigen Daten über die Zielkunden, Zielmärkte und Zielvertriebskanäle gesammelt und ausgewertet werden. Als Zusatznutzen ergeben sich aus der erstmaligen Implementierung des Target Costing-Ansatzes die Möglichkeit des kritischen Hinterfragens der Wertketten im Engineering und der Fertigung sowie das Anstoßen von Innovationsprozessen, die Beschleunigung des Angebotsprozesses im Vertrieb sowie eine weitere Optimierung der Organisation im Hinblick auf Markt- und Kundennähe. 3.4.3 Prozesskostenrechnung Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Bedeutung der Prozesskostenrechnung (PKR) als Instrument der Kostenrechnung in den indirekten Leistungsbereichen und ihre wesentlichen Funktionen erklären, die einzelnen Prozessschritte einer PKR erläutern und beispielhaft umsetzen, zwischen leistungsmengeninduzierten (lmi) und leistungsmengenneutralen (lmn) Teilprozesskostensätzen unterscheiden, eine PKR anhand eines Fallbeispiels durchführen, den Umsetzungsstand der PKR in der Unternehmenspraxis bewerten und Probleme und Weiterentwicklungsansätze diskutieren. 482 Vgl. Hermanowski (2015), S. 166 ff. <?page no="284"?> 284 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe 3.4.3.1 Definition und Funktionen Die Gründe, die zur Entstehung der Prozesskostenrechnung (PKR) geführt haben, sind vielfältig. Zentrale Faktoren sind eine veränderte Wertschöpfungs- und Kostenstruktur, eine zunehmende Produktheterogenität, eine höhere Variantenvielfalt sowie ein Rückgang der kurzfristig beeinflussbaren Kosten. Bedingt durch die zunehmende Automatisierung der Fertigung hat in vielen Bereichen eine Verschiebung von den Einzelzu den Gemeinkosten stattgefunden. Während der Lohnanteil der Produktionskosten stark abgenommen hat, ist der Kostenanteil der indirekten Leistungen, d.h. von planenden, vorbereitenden, steuernden, überwachenden und koordinierenden Tätigkeiten, bei der Leistungserstellung erheblich gestiegen. Ursachen sind die zunehmende Digitalisierung, die Automatisierung der Fertigung, eine größere Variantenvielfalt, höhere Qualitätsanforderungen und kürzere Produktlebenszyklen. Es ist deshalb nicht mehr zweckmäßig, Gemeinkosten dieser Bereiche pauschal über Lohnzuschlagssätze zu verrechnen. 483 Die Prozesskostenrechnung (PKR) versucht daher, die Kosten der indirekten Leistungsbereiche prozessorientiert zu erfassen und verursachungsgerecht auf die erstellten Leistungen zu verrechnen. Zu den indirekten Leistungsbereichen zählen die Beschaffung, die Logistik, die Produktionssteuerung, die Forschung und Entwicklung, die Instandhaltung, die Qualitätssicherung etc. Die PKR wurde für Produktionsunternehmen entwickelt, sie wird mittlerweile aber auch in Dienstleistungs- und Handelsunternehmen, Banken und Versicherungen sowie in Behörden eingesetzt. 484 Die PKR ist eine Vollkostenrechnung, da alle Kosten der Gemeinkostenbereiche verrechnet werden. Sie kann als Ist- und Plankostenrechnung eingerichtet werden. Die PKR beruht auf der traditionellen Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung und entwickelt diese für ihre speziellen Zwecke weiter. Sie ist für repetitive Tätigkeiten bzw. Prozesse geeignet. Dabei handelt es sich um weitgehend homogene, standardisierbare Leistungen mit routineartigem Wiederholungscharakter, die in einem annähernd proportionalen Zusammenhang zum Output einer Kostenstelle stehen, z.B. in der Fertigungsvorbereitung. Bei nicht-repetitiven Tätigkeiten wie der Bereichsleitung fehlt i.d.R. ein solches Mengengerüst. 485 Weitere Anwendungsvoraussetzungen sind ein enger Bezug der Gemeinkostenstelle zur Produktion, ein hohes Rationalisierungspotenzial, eine geringe Kostentransparenz und hohe Zuschlagssätze des Bereichs in der Kalkulation. Die Funktionen der PKR sind in der folgenden Abbildung zusammengefasst. 486 483 Vgl. Friedl et al. (2017), S. 432. 484 Vgl. Joos (2014), S. 368 f.; Coenenberg et al. (2016), S. 159 f.; Friedl et al. (2017), S.432 ff.; Horváth/ Mayer (2011), S. 7; Friedrich/ Haid (2016), S. 83 f.; Reichmann et al. (2017), S. 188 ff.; Mayer (2002), S. 1621, Kümpel (2004a), S. 1022. Für die Anwendung der PKR im Dienstleistungsbereich vgl. stellvertretend Coenenberg et al. (2016), S. 313 ff, für die Anwendung in der öffentlichen Verwaltung Littkemann et al. (2005), S. 350 ff. 485 Vgl. auch im Folgenden Kümpel (2004a), S. 1022 ff.; Däumler/ Grabe (2015), S. 187 f.: Coenenberg et al. (2016), S. 133 ff. 486 Vgl. auch im Folgenden Friedl et al. (2017), S.442; Mayer (2002), S. 1622; Kümpel (2004a), S. 1022 f. <?page no="285"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 285 Abb. 197: Funktionen der Prozesskostenrechnung (PKR) Die Erhöhung der Transparenz gehört zu den Planungs-, Steuerungs- und Kontrollzielen. Die PKR erfasst und strukturiert die Prozesse und ihre Ressourceninanspruchnahme. Dadurch verbessert sie die Kostentransparenz der erstellten Leistungen. Die Erfassung von Qualitäts- und Zeitaspekten ermöglicht zudem eine Prozessoptimierung, da dadurch Kosteneinsparpotenziale identifiziert werden. Die erhöhte Kostentransparenz und die identifizierten Einsparpotenziale werden im Rahmen eines Gemeinkostenmanagements genutzt, um die Kosten gezielt zu beeinflussen. Mithilfe der PKR werden außerdem Kalkulationsziele verfolgt. Die prozessorientierte Verrechnung der Gemeinkosten ermöglicht eine verursachungsgerechte Aufteilung der Gemeinkosten auf Produkte, Aufträge, Kunden oder Regionen (prozessorientierte Kalkulation). Durch die Nutzung der Prozesskosteninformationen bei der Produktentwicklung werden die Kalkulation verbessert und Ansatzpunkte ermittelt, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit steigern lässt (strategische Kalkulation). Insgesamt werden durch die PKR relevante Kosteninformationen zur Unterstützung strategischer Entscheidungen bereitgestellt. <?page no="286"?> 286 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe 3.4.3.2 Ablauf Einstiegsfall: Prozesskostenrechnung in der Grunwaldt GmbH 487 Herr Grunwaldt beauftragt Sie, eine Studie zur Prozesskostenrechnung in der Kostenstelle Fertigungssteuerung durchzuführen. Die Tabelle enthält wichtige Angaben für die sieben Teilprozesse der Kostenstelle: Teilprozess (1) Kostentreiber (2) Prozessmenge (3) Gebundene Personalkapazität in Personaljahren (4) Vormontage disponieren Zahl Vormontageaufträge 8.000 8,0 Material abrufen Zahl Materialpositionen 50.000 2,0 Vormontage überwachen Zahl Vormontagepositionen 120.000 12,0 Endmontage disponieren Zahl Endmontageaufträge 5.000 6,0 Teile abrufen Zahl Teilepositionen 32.000 8,0 Endmontage überwachen Zahl Endmontagepositionen 96.000 12,0 Abteilung leiten - - 2,0 (inkl. Sekretariat) Die Kosten der Kostenstelle ergeben sich aus dieser Übersicht: Kostenart (5) Betrag in Tsd. € (6) Arbeitsentgelte 6.000 + Personalnebenkosten 4.800 + kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen 1.200 + sonstige Kosten 480 = Gesamtkosten 12.480 Bitte ermitteln Sie die Prozesskostensätze für die Abteilung. Sie sollen die gesamten Kosten der Kostenstelle umfassen. 487 Einstiegsfall und Lösungshinweise in Anlehnung an Joos (2014), S. 356 ff. <?page no="287"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 287 Im Rahmen einer PKR werden für eine oder mehrere ausgewählte Gemeinkostenbereiche zunächst die Prozesse und Prozessgrößen bestimmt und anschließend die Prozesskosten kalkuliert. Die folgende Abbildung zeigt die einzelnen Schritte einer PKR: 488 Abb. 198: Ablauf einer PKR Ausgangspunkt einer PKR ist eine Prozessanalyse in den zu analysierenden Kostenstellen. Ein Prozess ist eine inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Kette von Aktivitäten. Eine Aktivität umfasst alle Tätigkeiten einer Kostenstelle, die zu einem Ressourcenverzehr führen und aus kostenrechnerischer Sicht nicht mehr sinnvoll unterteilbar sind. Aktivitäten bilden die unterste Ebene einer Prozesshierarchie. Auf den oberen Ebenen folgen Teil-, Haupt- und teilweise Geschäftsprozesse. Teilprozesse (TP) sind Bündel von sachlich aufeinander bezogenen Aktivitäten einer Kostenstelle. Sie beschreiben den Leistungsinhalt einer Kostenstelle auf Basis der durchgeführten Aktivitäten. Hauptprozesse (HP) werden durch die kostenstellenübergreifende Zusammenfassung von logisch zusammenhängenden Teilprozessen gebildet. Teilweise werden die Hauptprozesse zu übergeordneten Geschäftsprozessen (GP) zusammengefasst. Beispiele hierfür sind der Beschaffungs- oder der Fertigungsprozess. Im Gegensatz zu Haupt- und Teilprozessen werden für Geschäftsprozesse keine Prozesskosten ermittelt. Der Detaillierungsgrad der Prozessanalyse ist abhängig vom Umfang und der Struktur der Kostenstelle und den mit der PKR verfolgten Zielen. Zur Reduzierung der Komplexität sollten nur Aktivitäten mit einem Zeitaufwand von mehr als 5% der Gesamtleistung einer Kostenstelle aufgenommen werden. Aktivitäten und Teilprozesse können mit verschiedenen Erhebungstechniken, z.B. Interviews, Dokumentenanalysen, Beobachtungen, Selbstaufschreibungen durch Mitarbeiter etc., identifiziert werden. Die Auswahl des Verfahrens wird von der gewünschten Genauigkeit und dem Aufwand bestimmt. In der Praxis werden häufig Interviews eingesetzt. 488 Zur Vorgehensweise der PKR vgl. u.a. Däumler/ Grabe (2015), S. 191 ff.; Joos (2014), S. 352 ff.; Kümpel (2004a), S. 1022 ff.; Coenenberg et al. (2016), S. 164 ff; Weber/ Schäffer (2016), S. 158 ff.; Fischer et al. (2015), S. 242 ff. <?page no="288"?> 288 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Nachdem sämtliche Aktivitäten einer Kostenstelle identifiziert sind, werden diese zu TP und HP zusammengefasst. Die Anzahl der TP und HP beeinflusst die Komplexität der PKR und sollte daher beschränkt werden. Das Ergebnis ist eine Prozesshierarchie, die einen Gesamtüberblick über die im Unternehmen bzw. in den Unternehmensbereichen ablaufenden Hauptprozessen mit den dazugehörigen Teilprozessen ermöglicht. Abbildung 199 zeigt ein dreistufiges Prozessmodell. Die Gliederungstiefe und Art der Gliederung hängen von den unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen ab. 489 Abb. 199: Aufbau eines dreistufigen Prozessmodells (Quelle: Internationaler Controller Verein (2001), S. 13; Horváth et al. (2015), S. 237; Joos (2014), S. 353) Als nächste Schritte werden die Kostentreiber und Prozessmengen für die Teilprozesse bestimmt. Dabei werden die Teilprozesse daraufhin untersucht, ob sie sich 489 Vgl. Mayer (2002), S. 1623; Kümpel (2004a), S. 1022 ff.; Joos (2014), S. 354 f.; Mengen/ Urmersbach (2006), S. 220. Zu den Schritten der PKR vgl. auch Schreiber/ Schulte (2018), S. 171 ff. Kostenstelle 2 Kostenstelle 3 Kostenstelle 1 T4 T1 T2 T3 T5 T6 T7 T8 TP 1.1 TP 1.2 TP 2.1 TP 3.1 TP 3.2 Hauptprozess 1 Hauptprozess 2 Zusammenfassung zu Teilprozessen Verdichtung zu Hauptprozessen Geschäftsprozess <?page no="289"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 289 in Abhängigkeit von dem in der Kostenstelle zu erbringenden Leistungsvolumen mengenvariabel oder davon unabhängig mengenfix verhalten. Die leistungsmengeninduzierten (lmi) Teilprozesse sind direkt vom Leistungsvolumen der Kostenstelle abhängig und werden von einer kostentreibenden Maßgröße (Kostentreiber) bestimmt, z.B. der Anzahl der bearbeiteten Eingangsrechnungen in der Buchführung. Die leistungsmengenneutralen (lmn) Teilprozesse sind unabhängig von der Leistungsmenge, z.B. die Führungsleistungen des Kostenstellenleiters. Sie werden auch als Grundlast einer Kostenstelle bezeichnet. 490 Zur Quantifizierung der einzelnen lmi-Prozesse in den Kostenstellen sind geeignete Kostentreiber zu ermitteln, die die Art und Anzahl der TP-Durchführungen messen und das Mengengerüst für die prozessorientierte Gemeinkostenverrechnung bilden. Als Kostentreiber sollten möglichst Mengen- oder Zeitgrößen ausgewählt werden. Ihre Auswahl hängt von den Funktionsbereichen und unternehmensindividuellen Gegebenheiten ab. Für die lmn-Prozesse müssen keine Maßgrößen ermittelt werden, da diese nicht vom Leistungsvolumen der Kostenstelle abhängig sind. 491 Logistik Produktion Vertrieb Qualitätsprüfung Einkauf • Ein- und Auslagerungspositionen • m³-Lagerraum • Lieferscheinpositionen • Materialbestellungen • Anzahl der Bestellpositionen • Eingangsprüfungen • Bauplanpositionen • Vorfertigungspositionen • Qualitätsprüfungen • Montagepositionen • Rüstvorgänge • Anzahl der Fügestellen • Kundenaufträge • Innenaufträge • Kundenaufträge • Zollsendungen • Rechnungen • Anzahl der Bestellpositionen • Retourenausgänge • Frachtbriefe • Lieferanten • Kundenaufträge • Varianten • Lieferanten • Kundenaufträge • Innenaufträge Abb. 200: Beispiele für Kostentreiber (Quelle: Coenenberg et al. (2016), S. 168; Fischer et al. (2015), S. 248) Kostentreiber müssen verständlich sein und in einem möglichst proportionalen Zusammenhang zum Ressourcenverbrauch stehen. Zudem hat ein Kostentreiber Einfluss auf das Verhalten eines Mitarbeiters, wenn der Mitarbeiter entweder anhand der Kosten pro Kostentreiber oder der Kostentreibermenge beurteilt wird. Daher sollten 490 Vgl. Däumler/ Grabe (2015), S. 198 ff.; Mayer (2002), S. 1625 f.; Kümpel (2004a), S. 1023 f. 491 Vgl. Joos (2014), S. 358; Kümpel (2004a), S. 1023; Coenenberg et al. (2016), S. 172 ff. <?page no="290"?> 290 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe die Mitarbeiter umfassend über die Kostentreiber und ihre Funktion aufgeklärt werden. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen sollten zudem Kostentreiber gewählt werden, die möglichst unmittelbar aus den vorhandenen Informationssystemen ableitbar sind. 492 Die Anzahl der Kostentreiber beeinflusst den Komplexitätsgrad der PKR. Da in einer Kostenstelle i.d.R. mehrere Teilprozesse mit unterschiedlichen Kostentreibern ablaufen, kann es sinnvoll sein, einen lmi-Prozess als leistungsmengenneutral zu definieren, wenn dieser nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten der Kostenstelle ausmacht. Auf diese Weise kann die Anzahl der Kostentreiber begrenzt werden. Abschließend müssen die Prozessmengen auf Grundlage der Vorjahreswerte oder durch die Vorgabe von Planwerten festgelegt werden. Wegen des sehr hohen Aufwands bei der Ermittlung von Planwerten wird in der Praxis häufig auf Vergangenheitswerte zurückgegriffen. Die Prozessmenge entspricht der Anzahl der Kostentreiber eines Teilprozesses. 493 Die nächste Phase der PKR umfasst die Prozesskostenkalkulation. Dafür müssen zunächst die lmi-Prozesskosten ermittelt und die lmi-Prozesskostensätze berechnet werden. Anschließend werden die lmn-Kosten verrechnet, bevor die so ermittelten gesamten Prozesskosten einzelnen Kostenträgern zugerechnet werden können. Die Zurechnung der Kosten auf die TP und HP erfolgt vielfach indirekt auf der Grundlage der in diesen Prozessen gebundenen Personalkapazitäten, da der weitaus größte Kostenanteil im Gemeinkostenbereich vom Arbeitsbzw. Zeitaufwand der Mitarbeiter abhängt. 494 Die Personalkapazität einer Kostenstelle kann nach der Top-down-Methode oder der Bottom-up-Methode auf die TP aufgeteilt werden. 495 Bei der Top-down-Methode wird die gesamte Mitarbeiterkapazität entsprechend der jeweiligen Kapazitätsinanspruchnahme auf die einzelnen Teilprozesse aufgeteilt. Die Kapazität wird dabei in Mitarbeiterjahren (MJ) ausgedrückt. Die den TP zugeordneten Mitarbeiterkapazitäten werden durch die Prozessmengen dividiert, um die Kapazitätsanteile je TP- Durchführung zu ermitteln. Bei der Bottom-up-Methode wird die Bearbeitungszeit für die einzelnen Tätigkeiten gemessen und durch die Aggregation der sachlich aufeinander bezogenen Tätigkeiten den TP zugeordnet. Die Bearbeitungszeit wird dabei i.d.R. in Minuten angegeben. Anschließend werden die Bearbeitungszeiten für die TP mit den ermittelten Prozessmengen multipliziert. Bei vollständiger Auslastung der Kostenstelle durch diese TP kann so die Gesamtjahresarbeitszeit der Mitarbeiter dieser Kostenstelle berechnet werden. Im Anschluss werden die Kostenstellenkosten auf die TP verteilt. Da innerhalb einer Kostenstellen häufig die Personalkosten dominieren, werden diese als Basis für die Verrechnung der Kostenstellenkosten verwendet. Dabei entspricht die anteilig in 492 Vgl. hier und im Folgenden Däumler/ Grabe (2015), S. 195 ff.; Internationaler Controller Verein (2001), S. 15 f.; Coenenberg et al. (2016), S. 167 ff. 493 Vgl. Kümpel (2004a), S. 1023; Coenenberg et al. (2016), S. 170. 494 Vgl. Joos (2014), S. 356 ff. 495 Vgl. Mayer (2002), S. 1626. <?page no="291"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 291 Anspruch genommene Personalkapazität eines TP seinem Anteil an den Kostenstellenkosten. Danach werden die lmn-Teilprozesse ebenfalls proportional auf die lmi- Prozesse verteilt. 496 Anschließend werden die Prozesskostensätze für die TP durch Division der Prozesskosten durch die Prozessmenge bestimmt. Die Prozesskostensätze weisen die durchschnittlichen Kosten für die einmalige Durchführung eines Prozesses aus. Aufgrund der Unterscheidung der Teilprozesskosten in einen leistungsmengeninduzierten und einen leistungsmengenneutralen Teil erfolgt auch eine getrennte Berechnung von lmi- und lmn-Kostensätzen. Die lmi-Prozesskostensätze stellen dabei die Prozessteilkosten dar. (1) lmi-Teilprozesskostensatz = lmi-Teilprozesskosten/ Teilprozessmenge Die lmn-Teilprozesskosten werden durch Umlage der lmn-Kosten im Verhältnis zu den lmi-Kosten einer Kostenstelle als prozentualer Zuschlagssatz ermittelt: (2) lmn-Umlage = lmn-Teilprozesskosten * (lmi-Teilprozesskosten/ lmi-Teilprozesskosten gesamt) Die Summe der beiden Kostensätze ergibt die Prozessvollkosten. (3) Teilprozesskostensatz gesamt = (lmi-Teilprozesskosten + lmn-Umlage)/ Prozessmenge Danach müssen die kostenstellenbezogenen Teilprozesskostensätze zu kostenstellenübergreifenden Hauptprozesskostensätzen zusammengefasst werden. Abschließend werden die Prozesskosten den Kostenträgern zugerechnet, indem für jeden Kostenträger die Inanspruchnahme der einzelnen TP und HP ermittelt wird. Ziel ist die verursachungsgerechtere Zuordnung der Gemeinkosten zu den Kostenträgern, z.B. Produkten. 497 traditionelle Vollkostenrechung Prozesskostenrechnung Materialeinzelkosten + Fertigungseinzelkosten + Anteil an allen Gemeinkosten (mit üblichen Zuschlagssätzen verrechnet) Materialeinzelkosten + Fertigungseinzelkosten + Gemeinkosten der direkten Bereiche über Bezugsgrößen + Teilbzw. Hauptprozesskosten = traditionelle Selbstkosten = prozessorientierte Selbstkosten Abb. 201: Kalkulationsschemata (Quelle: Kümpel (2004a), S. 1025) Anwendungsgebiete der PKR sind die prozessorientierte Kalkulation von inhomogenen Produkten und Aufträgen, die die indirekten Gemeinkostenbereiche in unterschiedlichem Umfang in Anspruch nehmen, 496 Vgl. Mayer (2002), S. 1626; Joos (2014), S. 359 f.; Kümpel (2004a), S. 1024. 497 Vgl. Joos (2014), S. 365 ff.; Kümpel (2004a), S. 1025; Coenenberg et al. (2016), S. 175 f. <?page no="292"?> 292 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe die Ergänzung der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung um die Prozesskosten, die Planung, Kontrolle und Steuerung der Gemeinkosten sowie die prozesskostenorientierte Budgetplanung und Bereichssteuerung. Zudem kann der Prozesskostensatz als prozessorientierte Kennzahl für Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitsanalysen, z.B. während eines Benchmarkings, eingesetzt werden. 498 Lösungshinweise zum Einstiegsfall Für die Kostenstelle Fertigungssteuerung der Grunwaldt GmbH konnten Sie diese Prozesskosten auf der Grundlage der Verteilung der Gesamtkosten von 12.480 Tsd. € in Relation zur anteiligen gebundenen Personalkapazität ermitteln. Teilprozess (1) gebundene Personalkapazität in Personaljahren (4) anteilige Teilprozesskosten in Tsd. € (7) Vormontage disponieren 8,0 1.996,80 Material abrufen 2,0 499,20 Vormontage überwachen 12,0 2.995,20 Endmontage disponieren 6,0 1.497,60 Teile abrufen 8,0 1.996,80 Endmontage überwachen 12,0 2.995,20 Abteilung leiten (inkl. Sekretariat) 2,0 499,20 Summe 50 12.480 Sie kalkulieren diese lmi-Teilprozesskostensätze und Gesamt-Teilkostensätze: Teilprozess Anteilige Teilprozesskosten in Tsd. € (7) lmi-Teilprozesskostensätze in € (8)=(7)/ (3) lmn- Umlage in Tsd. € (9)=499,20* (7)/ ∑(7) Gesamt- Teilprozesskostensätze in € (10)=(7+9)/ (3) Vormontage disponieren 1.996,80 249,60 83,20 260,00 Material abrufen 499,20 9,98 20,80 10,40 Vormontage überwachen 2.995,20 24,96 124,80 26,00 498 Vgl. Däumler/ Grabe (2015), S. 189 ff.; Mayer (2001), S. 30 f.; Mayer (2002), S. 1628 f.; Joos (2014), S. 369 f.; Littkemann et al. (2005), S. 353 ff.; Coenenberg et al. (2016), S. 165. Zu möglichen Anwendungsfeldern der PKR bei E.ON vgl. Friedrich/ Haid (2016), S. 83 f. <?page no="293"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 293 Endmontage disponieren 1.497,60 299,52 62,40 312,00 Teile abrufen 1.996,80 62,40 83,20 65,00 Endmontage überwachen 2.995,20 31,20 124,80 32,50 Nun verwenden Sie die Teilkosten, um die Kostensätze für die Hauptprozesse zu kalkulieren. 3.4.3.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Fragen zur Konzeption, zum Umsetzungsstand und zum Erfolg der PKR in der Unternehmenspraxis lassen sich zum einen anhand empirischer Studien, zum anderen anhand von Erfahrungsberichten beantworten. Grundsätzlich ist hier eine gewisse Divergenz zwischen der Forderung nach dem Einsatz der PKR und der tatsächlichen Umsetzung in der Praxis festzustellen. Zwar wird die Notwendigkeit des Einsatzes von Kostenmanagementmethoden wie der Prozesskostenrechnung ausdrücklich betont, andererseits nutzt jedoch nur ein Teil der Unternehmen die PKR in der Praxis. 499 Nachfolgend werden einige Ergebnisse ausgewählter Studien zum Umsetzungsstand und Erfolg der Prozesskostenrechnung in der Unternehmenspraxis vorgestellt. Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Friedl et al. (2009) Studie bei den 250 größten deutschen Unternehmen Studie 2 Seidenschwarz & Comp./ Pedell (2009) Studie bei den 500 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland Studie 3 Weber/ Janke (2013) Studie unter über 1.000 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum, Rücklaufquote: k.A. Studie 4 Schäffer/ Weber (2015) Studie unter 1.050 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum, Rücklaufquote 50%. Abb. 202: Studien zur PKR Die Ergebnisse zum Umsetzungsstand der PKR zeigen einen vergleichsweisen geringen Verbreitungsgrad. Gemäß Studie 1 setzen nur 31% der Unternehmen die PKR ein, wobei 24% diese mit der Grenzplankostenrechnung kombinieren und nur 7 % sie als Stand-Alone-System verwenden. Die Unternehmen ohne PKR gaben als Hauptgrund den hohen Aufwand an. 500 Ähnliche Ergebnisse zeigen die Studien 3 499 Vgl. Coenenberg et al. (2016), S. 190. 500 Vgl. Friedl et al. (2009), S. 38 ff.; Horváth/ Mayer (2011), S. 8. <?page no="294"?> 294 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe und 4: Demnach wird die PKR in 28% der Unternehmen eingesetzt und weist somit einen wesentlichen geringeren Verbreitungsgrad auf als die klassischen Verfahren wie die Deckungsbeitragsrechung. 501 In Studie 2 beobachten die Autoren trotz eines Bekanntheitsgrads der PKR von 99% einen Einsatzgrad von gerade einmal 12%. 502 Neben den o.g. Studien zeigen Erfahrungsberichte aus Unternehmen, welche Bedeutung der PKR als Kostenrechnungsinstrument für die Unternehmenssteuerung zukommt. So bewerten F RIEDRICH und H AID (2016) die PKR bei E. ON als zentrales Steuerungsinstrument der Vertriebskosten. 503 Als Erfolgsfaktoren für die Einführung der PKR wurden folgende Kriterien analysiert: Erfolgsfaktoren für die Einführung der PKR bei E. ON 1. Fokussierung auf Kernprozesse: Die Auswahl geeigneter Prozesse sollte anhand folgender Kriterien erfolgen: hohe Anzahl an Durchläufen, hohe Standardisierung, signifikantes Kostenvolumen. Unterstützungs- und Verwaltungsprozesse sind aufgrund ihrer mangelnden Standardisierung und dem geringen Kostenvolumen eher ungeeignet. 2. Bildung von Kostenkategorien: Zwecks Komplexitätsreduktion in der Datenerhebung sollten die Kosten zu Kostenkategorien zusammengefasst werden 3. Kriterien für Kostentreiber: Es sollte max. ein Kostentreiber je Prozess ausgewählt werden. Ein Kostentreiber ist definiert als messbarer Output eines Prozesses, der sich proportional zu den Kosten verhält. Die Kostentreiber sollten für gleichartige Prozesse vergleichbar und für Dritte nachvollziehbar sein. 4. Strukturiertes Formular für die Datenerhebung: Die Erfassung der Daten sollte in einem einheitlichen Formular mit vorgegebenen Kategorien erfolgen. Diese Vorgehensweise unterstützt eine automatisierte Weiterverarbeitung der durch die Fachbereiche zugeordneten Kosten sowie die Validierung der Kosten. 5. Flexibilität in der Analyse: Die Kostenbeerichte sollten in einer Datenvisualisierungssoftware zwecks Erhöhung der Analysemöglichkeiten, z.B. Datenauswertungen nach verschiedenen Dimensionen, abgebildet werden. Abb. 203: Erfolgsfaktoren für den Einsatz der PKR Folgende Übersicht fasst die Anwendungsfelder der PKR bei E. ON zusammen. 501 Vgl. Weber/ Janke (2013), S. 55; Schäffer/ Weber (2015), S. 102 f.; Schreiber/ Schulte (2018), S. 159 bzw. S. 176. 502 Vgl. Seidenschwarz & Comp./ Pedell (2009); Friedl et al. (2017), S. 463. Zur Umsetzung der PKR vgl. auch Horváth/ Mayer (2011), S. 7 f. 503 Zu Erfahrungen mit der PKR bei E.ON Deutschland vgl. Friedrich/ Haid (2016), S. 79 ff. Vgl. auch Weber/ Schäffer (2016), S. 161 ff. zum Einsatz der PKR bei T UI Deutschland. <?page no="295"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 295 Abb. 204: Anwendungsfelder der PKR bei E. ON (Quelle: Friedrich/ Haid (2016), S. 84) 3.4.3.4 Probleme und Weiterentwicklung Die PKR wird in der Literatur kontrovers diskutiert. 504 Der Nutzen der PKR besteht in der Allokation der Gemeinkosten der indirekten Bereiche auf die Kostenträger nach ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme der betrieblichen Ressourcen, der Berücksichtigung der Komplexität eines Produkts als Kostenbeeinflussungsfaktor in der Kalkulation und der Berücksichtigung von Degressionseffekten bei der Verteilung der Gemeinkosten, da Produkte mit kleinen Losgrößen im Verhältnis zu Großserien relativ teurer werden. 505 Die Kritik konzentriert sich auf die prozessorientierte Verrechnung der Gemeinkosten. Den Kritikern zufolge ist die PKR eine undifferenzierte Vollkostenrechnung. Damit richtet sich die Kritik nicht gegen die PKR als Instrument, sondern gegen ihre methodische Ausgestaltung, die im Interesse der Praktikabilität Abstriche an der Genauigkeit in Kauf nimmt. So unterstellt die PKR einen proportionalen Zusammenhang zwischen Kostentreibern und lmi-Kosten, allerdings führt eine Verdoppelung des Leistungsvolumens nur selten zu einer Verdoppelung der Prozesskosten. Außerdem ist es bei einer Verringerung des Leistungsvolumens i.d.R. nicht möglich, die Prozesskosten in proportionalem Ausmaß zu senken. Die Nichtbeachtung dieser 504 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 161 ff.; Horváth et al. (2015), S. 240 ff.; Horváth/ Mayer (2011), S. 5; Kümpel (2004a), S. 1025, Littkemann et al. (2005), S. 354 ff. 505 Vgl. Friedl et al. (2017), S.453 ff.; Joos (2014), S. 368 ff., Horváth/ Mayer (2011), S. 6; Kümpel (2004a), S. 1025, Coenenberg et al. (2016), S. 182 ff.; Fischer et al. (2015), S. 251 ff.; Britzelmaier (2017), S. 282. <?page no="296"?> 296 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Annahme beeinträchtigt eine verursachungsgerechte Erfassung und Verrechnung der Kosten. In diesem Zusammenhang wird auch die Umlage der lmn-Prozesskosten auf die lmi-Prozesse kritisiert, die zu einer weiteren Proportionalisierung der Kosten führt. Die Kritik richtet sich auch gegen den hohen Aufwand bei der PKR. So erweisen sich insbesondere die Prozessanalyse und die Kostenplanung als zeitaufwändig. 506 Der Aufwand erhöht sich noch durch die Pflege der Prozessstrukturen und die Erhebung der notwendigen Ist-Daten. Dies führt bei den Mitarbeitern zu Widerständen gegen die PKR. Der Aufwand steigt mit der Detaillierung der Prozessgliederung. 3.4.4 Kennzahlen und Kennzahlensysteme Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Begriffe Kennzahlen und Kennzahlensysteme definieren und deren wesentliche Funktionen benennen, verschiedene Arten von Kennzahlen und Kennzahlensysteme erläutern, auf der Grundlage von gegebenen Daten gängige Finanz- und Working Capital-Kennzahlen berechnen und interpretieren, ausgewählte nicht-finanzielle Kennzahlen und Risikokennzahlen definieren und interpretieren, die Ableitung von Kennzahlensystemen erläutern, die Umsetzung von Kennzahlen und Kennzahlensystemen in der Unternehmenspraxis beschreiben und Probleme von Kennzahlen und Kennzahlensystemen diskutieren. Einstiegsfall: Entwicklung eines Kennzahlensystems für die Grunwaldt GmbH Wegen des starken Wachstums der Grunwaldt GmbH in den letzten Jahren kann Herr Grunwaldt die einzelnen Funktionsbereiche seines Unternehmens nicht mehr direkt steuern. Er bittet Sie um die Entwicklung eines Kennzahlensystems für die Fertigung. Darüber hinaus fragt er, was ein Performance Measurement System ist. 506 Vgl. Joos (2014), S. 370. Zur Kritik an der PKR vgl. auch Horváth/ Mayer (2011), S. 5 f. und S. 10; Coenenberg et al. (2016), S. 190 f.; Britzelmaier (2017), S. 282. <?page no="297"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 297 Fragen - Erläutern Sie Herrn Grunwaldt Begriff und Funktionen von Kennzahlen, Kennzahlen- und Performance Measurement Systemen. - Welche Aufgaben haben Sie als Controller in diesem Zusammenhang? - Entwickeln Sie ein Kennzahlensystem für die Fertigung der Grunwaldt. 3.4.4.1 Definition, Funktionen und Arten von Kennzahlen Es herrscht keine einheitliche Auffassung zu Begriff und Arten betriebswirtschaftlicher Kennzahlen. Kennzahlen werden als „quantitative Daten, die als bewusste Verdichtung der komplexen Realität über zahlenmäßig erfassbare betriebswirtschaftliche Sachverhalte informieren sollen“ 507 definiert. Diese Definition enthält drei Merkmale: 508 Informationscharakter: Indem die relevanten Informationen problemadäquat bereitgestellt werden, unterstützen die Kennzahlen die Meinungsbildung und die Entscheidungen des Managements. Quantifizierbarkeit: Eine Kennzahl repräsentiert eine Information anhand eines numerischen Ausdrucks, womit sie eine quantitative Ausprägung einer Information ist. Unter Quantifizierbarkeit wird die Messung anhand einer metrischen Skala, z.B. bei Produktivitätskennzahlen, oder einer ordinalen Skala, z.B. bei Zufriedenheitskennzahlen, verstanden. Spezifische Form: Kennzahlen bauen auf kaufmännischen Basissystemen wie z.B. der Buchführung sowie Systemen der Leistungsrechnung und prozessnahen Systemen auf. Sie verdichten Informationen durch rechentechnische Operationen wie Summierung, Aggregation und Relativierung. Komplizierte Strukturen und Prozesse werden so auf möglichst einfache, komprimierte Weise abgebildet. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die abzubildenden Sachverhalte häufig keinen objektiv-quantitativen Charakter haben und sich deshalb nicht immer direkt beobachten oder eindeutig messen lassen. Dann muss stellvertretend auf Indikatoren zurückgegriffen werden. Indikatoren sind Kennzahlen, die als Ersatzgrößen interpretiert werden und „deren Ausprägung und Veränderung den Schluss auf die Ausprägung und Veränderung einer anderen als wichtig erachteten Größe zulassen“. 509 Ein Beispiel ist die Wiederkaufsrate als Indikator für die Kundenzufriedenheit. Im Zusammenhang mit Kennzahlen werden zudem die Begriffe Performance Measures und Key Performance Indicators verwendet. Performance Measures messen sowohl die finanzielle wie auch die nicht-finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens und erweitern somit den klassischen Einsatzbereich von Kennzahlen. Die 507 Weber/ Schäffer (2016), S. 177. Vgl. auch Reichmann et al. (2017), S. 39. 508 Vgl. Gladen (2011), S. 11 ff.; Reichmann et al. (2017), S. 39 f. 509 Gladen (2011), S. 15. <?page no="298"?> 298 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Messung der nicht-finanziellen Leistungsfähigkeit erfordert i.d.R. die Verwendung von Indikatoren, z.B. für das Unternehmensimage oder die Mitarbeiterzufriedenheit. Key Performance Indicators (KPIs) fokussieren auf die für den Unternehmenserfolg kritischen Indikatoren, um die Anzahl der verwendeten Kennzahlen zu begrenzen. 510 Hier wird vereinfachend von Kennzahl gesprochen. Kennzahlen haben unterschiedliche Funktionen. Funktionen Erläuterung Verdichtungsfunktion Kennzahlen bilden komplizierte betriebliche Sachverhalte auf einfache Weise ab. Analysebzw. Anregungsfunktion Kennzahlen geben einen Überblick über den durch sie beschriebenen Sachverhalt und ermöglichen es, Auffälligkeiten, Veränderungen und deren Ursachen zu erkennen. Operationalisierungsfunktion Kennzahlen machen Ziele messbar. Vorgabefunktion Es können Zielwerte für Kennzahlen gebildet und den Verantwortlichen vorgegeben werden. Steuerungsfunktion Kennzahlen unterstützen betriebliche Steuerungsprozesse. Kontrollfunktion Kennzahlen ermöglichen Soll-Ist-Vergleiche und darauf aufbauende Abweichungsanalysen. Abb. 205: Funktionen von Kennzahlen (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 176 f.) Kennzahlen lassen sich anhand vielfältiger Kriterien unterscheiden, von denen einige bereits aus der Diskussion der begriffsbestimmenden Elemente hervorgehen. Kriterium Ausprägungen statistischmathematische Form absolute Zahlen Verhältniszahlen Einzelwerte, Summen, Differenzen, Mittelwerte Beziehungszahlen Gliederungszahlen Indexzahlen Erhebungszeit zeitpunktbezogen zeitraumbezogen Zeitbezogenheit Vergangenheit Gegenwart Zukunft inhaltliche Struktur monetäre Kennzahlen nicht-monetäre Kennzahlen 510 Zu Performance Measurement-Systemen vgl. u.a. Horváth/ Seiter (2009), S. 393 ff. sowie Vanini/ Eckardt (2010), S. 1617 ff. <?page no="299"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 299 Messbarkeit quantitativ qualitativ Abbildbarkeit direkt indirekt (Indikator) Kausalzusammenhang Leading Indicator (Frühwarnindikator) Lagging Indicator (Spätindikator) Ausrichtung strategisch operativ Abb. 206: Systematisierung von Kennzahlen Kennzahlen werden anhand ihrer statistisch-mathematischen Form in absolute Zahlen und Verhältniszahlen unterteilt. Im Unterschied zu absoluten Zahlen (Einzelzahlen, Summen, Mittelwerte oder Differenzen) weisen Verhältniszahlen eine höhere inhaltliche Verdichtung auf, da sie zwei absolute Zahlen zueinander in Beziehung setzen. Als Gliederungszahlen umfassen sie ungleichrangige Zahlen derselben Grundgesamtheit, z.B. die Eigenkapitalquote, und werden u.a. zur Darstellung der relativen Bedeutung von Einzelgrößen eingesetzt. Beziehungszahlen setzen sich aus Kennzahlen verschiedener Grundgesamtheiten zusammen, z.B. die Eigenkapitalrentabilität. Indexzahlen bestehen aus gleichartigen Zahlen verschiedener Zeitpunkte und bilden Veränderungen im Zeitablauf ab, z.B. ein Preisindex. 511 Nach dem Erhebungszeitraum bilden zeitpunktbezogene Bestandsgrößen die Augenblickssituation und zeitraumbezogene Bewegungsgrößen Veränderungen im Zeitablauf ab. Nach ihrem Zeitbezug lassen sich Kennzahlen in vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsbezogene Zahlen unterteilen. Als Führungsgrößen erhalten sie Aussagekraft durch Vergleiche. Möglich sind Zeitvergleiche, Soll-Ist-Vergleiche, der Vergleich von Objekten gleicher Ausprägung (Benchmark) und Soll-Wird-Vergleiche zur Früherkennung. Kennzahlen lassen sich zudem nach inhaltlichen Aspekten unterscheiden. Die Unterscheidung nach monetären und nicht monetären Inhalten, objektiv messbaren, quantitativen und subjektiv bewertbaren, qualitativen Sachverhalten (Messbarkeit) sowie direkter und indirekter Abbildbarkeit (Indikatoreigenschaft) wurde bereits angesprochen. Beispiele für monetäre Kennzahlen sind Rentabilitäts- oder Erfolgskennzahlen, z.B. Return on Investment. Nicht-monetäre Kennzahlen sind z.B. die Kundenzufriedenheit oder der Auslastungsgrad. 512 Weiterhin werden Kennzahlen nach ihrem Wirkungszusammenhang in beeinflussende Frühindikatoren (Leading Indicator) und beeinflusste Spätindikatoren (Lagging Indicator) unterschieden. 513 Teils synonym, teils mit unterschiedlicher Nuancierung wird auch von strategischen und operativen sowie lang- und kurzfristigen Kennzahlen gesprochen. 511 Vgl. Dellmann (2002), S. 942, Gladen (2011), S. 16 ff., Küpper et al. (2013), S. 471 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 178 ff. 512 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 178 f. 513 Vgl. Gladen (2011), S. 37 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 178 f. <?page no="300"?> 300 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Fall: Analyse der traditionellen Finanzkennzahlen des L UFTHANSA - Konzerns Dem Geschäftsbericht des L UFTHANSA -Konzerns entnehmen Sie folgende Kennzahlen: Kennzahl Dimension 2018 2017 2016 Adjusted EBIT Mio. € 2.836 2.969 1.752 Konzernergebnis nach Steuern Mio. € 2.196 2.374 1.803 Operativer Cash Flow Mio. € 4.109 5.368 3.246 Free Cash Flow Mio. € 250 2.117 1.138 Umsatzrendite % 7,8 8,9 7,1 Gesamtkapitalrendite % 7,8 9,9 7,3 Eigenkapitalrendite % 22,9 26,1 25,2 Eigenkapitalquote % 25,1 25,5 20,6 Innenfinanzierung % 108 152,1 145,4 Net Working Capital Mrd. € -5,6 1,6 -0,8 Anlagevermögenintensität % 72,1 69,2 70,6 Anlagendeckungsgrad % 34 37 29 Liquide Mittel Mio. € 1.500 1.397 1.286 Abb. 207: Kennzahlenübersicht des Lufthansa-Konzerns (Quelle: Eigene Erstellung auf der Grundlage von Lufthansa Konzern (2019), S. 230 ff.) Fragen - Wie werden die Kennzahlen berechnet? - Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Kennzahlen für die Erfolgs- und die Liquiditätssituation sowie die finanzielle Stabilität des Unternehmens ziehen? Kennzahlen werden in traditionelle und wertorientierte Finanzkennzahlen, Markt- und Kundenkennzahlen, Prozess-, Mitarbeiter- und Innovationskennzahlen unterschieden. Traditionelle Finanzkennzahlen informieren über den Erfolg bzw. die Rentabilität und die Liquidität eines Unternehmens. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über wesentliche traditionelle Erfolgs- und Rentabilitätskennzahlen. <?page no="301"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 301 Abb. 208: Traditionelle Finanzkennzahlen (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 183) Ausgehend vom Gesamtergebnis des Unternehmens ist zunächst der Jahresüberschuss als absolute Kennzahl ein wesentlicher Indikator für den Unternehmenserfolg. Zur Erhöhung der Aussagekraft und Verbesserung der Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen oder im Zeitablauf wird dieser anschließend zu verschiedenen Größen in Bezug gesetzt. Die Umsatzrendite (Return on Sales ROS) informiert darüber, inwieweit das Unternehmen in der Lage war, einen Gewinnaufschlag auf den eigenen Umsatz zu erzielen. 514 (1) ROS = Jahresüberschuss + Zinsaufwand Umsatz × 100% Die Eigenkapitalrendite (Return on Equity ROE) zeigt den Eigenkapitalgebern, wie erfolgreich eine Investition in das Unternehmen und einen Unternehmensbereich ist. (2) ROE = Jahresüberschuss Durchschnittliches Eigenkapital × 100% Die Kennzahl wird wesentlich durch die Kapitalstruktur des Unternehmens beeinflusst. Durch einen stärkeren Einsatz von Fremdkapital kann der ROE gesteigert werden, da die Fremdkapitalverzinsung i.d.R. unter der geforderten Eigenkapitalrentabilität der Investoren liegt. Allerdings steigen durch eine höhere Fremdkapitalquote auch die Gefahr der Überschuldung und damit die Fremdkapitalkosten. Die Gesamtkapitalrendite (Return on Assets ROA) misst den relativen Erfolg des Unternehmens aus Sicht der Eigen- und Fremdkapitalgeber und ist damit unabhängig von der Kapitalstruktur: (3) ROA = Jahresüberschuss + Zinsaufwand Gesamtkapital × 100% 514 Vgl. hier und im Folgenden Fischer et al. (2015), S. 344 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 180 ff. <?page no="302"?> 302 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Bei Verwendung des Jahresüberschusses als Erfolgsmaßstab sind die Kennzahlen stark durch die Bilanzpolitik des Unternehmens beeinflusst. Alternativ kann auch das aus der Kostenrechnung entnommene Betriebsergebnis als Erfolgsgröße verwendet werden. Zudem sind Vor-Steuer-Analysen möglich. Insbesondere im internationalen Vergleich wird i.d.R. auf das Ergebnis der operativen Geschäftstätigkeit Bezug genommen. Als absolute Erfolgsgröße werden dann der Earnings before Interest and Taxes (EBIT) oder der Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization (EBITDA) verwendet. Der EBIT betrachtet das Ergebnis vor Zins- und Steuerzahlungen und ist damit insbesondere für den Vergleich internationaler Tochtergesellschaften unabhängig von ihrer Finanzierung und dem Steuersystem ihres Standorts geeignet. Zudem werden außerordentliche Aufwendungen und Erträge eliminiert. Allerdings berücksichtigt der EBIT auch die Abschreibungen auf das Anlagevermögen und damit auch die Strukturkosten eines Unternehmens. Soll auch der Einfluss von außerordentlichen Abschreibungen auf das immaterielle Vermögen, z.B. auf den Goodwill, oder einer unterschiedlichen Abschreibungspolitik herausgerechnet werden, verwendet man den EBITDA. Bei jungen wachsenden Unternehmen liegt der EBITDA i.d.R. deutlich über dem EBIT. Bei traditionellen Unternehmen kann dagegen ein geringer Unterschied zwischen EBIT und EBITDA darauf hinweisen, dass ein Unternehmen seinen notwendigen Erneuerungsinvestitionen nicht nachkommt. Zur Analyse der Erfolgssituation ist insbesondere bei stark verschuldeten Unternehmen der Earnings before Taxes (EBT) relevant, da in dieser Kennzahl auch die Zinskosten berücksichtigt sind. 515 Als relative Kennzahl hat der Return on Capital Employed (ROCE) große Bedeutung erlangt: (4) ROCE = EBIT − Steuern eingesetztes Kapital × 100% Das eingesetzte Kapital entspricht dem Gesamtkapital abzüglich der nicht zinstragenden Verbindlichkeiten wie z.B. Kundenanzahlungen oder Lieferantenverbindlichkeiten. Die Aufrechterhaltung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Fortführung eines Unternehmens, da die Gefährdung der Liquidität einen zwingenden Insolvenzgrund darstellt. Die Liquidität lässt sich durch klassische Bilanzkennzahlen, Cash Flow-basierte Kennzahlen sowie Kennzahlen des Working Capital Managements messen. 516 Klassische Bilanzkennzahlen basieren auf Informationen der Bilanz. Sie sind sowohl vergangenheitsals auch stichtagsbezogen und somit lediglich zur strukturellen und nicht zur operativen Liquiditätssteuerung geeignet. Zur Sicherstellung der kurzfristigen Liquidität können verschiedene Liquiditätsgrade ermittelt werden: 517 515 Vgl. Binder/ Högsdal (2017), S. 58 ff. 516 Vgl. auch im Folgenden Binder/ Högsdal (2016), S. 46 ff. 517 Vgl. Coenenberg et al. (2014), S. 1078. <?page no="303"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 303 (5) Liquidität 1. Grades (Barliquidität) = liquide Mittel kurzfristige Verbindlichkeiten ∙ 100% (6) Liquidität 2. Grades = kurzfristig verfügbare Mittel (Finanzumlaufvermögen) kurzfristige Verbindlichkeiten ∙ 100% (7) Liquidität 3. Grades = Umlaufvermögen (Finanz − UV + Vorräte) kurzfristige Verbindlichkeiten ∙ 100% Für die laufende Liquiditätssteuerung werden dagegen Cash Flow-basierte Kennzahlen verwendet, die messen, welche Zahlungsflüsse aus welchen Quellen in oder aus dem Unternehmen fließen. Dabei werden verschiedene Cash Flows unterschieden. 518 A. Anfangsbestand an liquiden Mitteln +/ - Periodenüberschuss/ -fehlbetrag +/ - Abschreibungen bzw. Zuschreibungen +/ - Zuführungen an bzw. Auflösung von Rückstellungen +/ - Änderungen des Working Capitals (Lagerbestände, Forderungen etc.) = B. Operativer Cash Flow - Investitionen in das Anlagevermögen + Verkäufe von Anlagevermögen = C. Investitions-Cash Flow +/ - Kreditaufnahme bzw. -tilgung - Dividendenzahlungen + Kapitalerhöhung = D. Finanzierungs-Cash Flow E. Endbestand an liquiden Mitteln (A+B+C+D) Abb. 209: Cash Flow-Rechnung (Quelle: Coenenberg et al. (2014), S. 821 f.) Der Cash Flow kann auch verwendet werden, um den zahlungsorientierten dynamischen Verschuldungsgrad zu messen: (8) zahlungsorientierter dynamischer Verschuldungsgrad = Verbindlichkeiten operativer Cash Flow ∙ 100% 518 Vgl. hierzu auch Abschnitt 3.2. <?page no="304"?> 304 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Der zahlungsorientierte dynamische Verschuldungsgrad gibt an, wie viele Jahre das Unternehmen benötigen würde, um ohne Investitionen seine Schulden zu tilgen. Zur Steuerung der im Umlaufvermögen und damit im Leistungserstellungsprozess gebundenen Liquidität können Kennzahlen des Working Capital Managements (WCM) verwendet werden. Unter dem Net Working Capital wird dabei die Differenz zwischen dem Umlaufvermögen und dem kurzfristigen Fremdkapital verstanden. In der Regel wird das Net Working Capital wie folgt berechnet: 519 (9) Net Working Capital = Vorräte + Forderungen aus LuL + geleistete Anzahlungen + sonstige kurzfristige Forderungen − Verbindlichkeiten aus LuL − erhaltene Anzahlungen − operative Rückstellungen − sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten Für die Analyse der kurzfristigen Kapitalbindung eignet sich der Cash Conversion Cycle, der die Zeitspanne angibt, in der die auf der Beschaffungsseite ausgegebenen finanziellen Mittel auf der Absatzseite dem Unternehmen wieder zufließen. Abb. 210: Cash Conversion Cycle (Quelle: Fischer et al. (2015), S. 288) 519 Vgl. auch im Folgenden ICV (2013); Sure (2015), S. 7 ff.; Fischer et al. (2015), S. 286 ff. <?page no="305"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 305 Für die einzelnen Phasen des Cash Conversion Cycle können geeignete Kennzahlen berechnet werden: 520 Die Days Inventory Outstanding (DIO) bewerten die durchschnittliche Verweildauer der Lagerbestände im Unternehmen: (10) DIO = Durchschnittlicher Lagerbestand Materialaufwand ∙ 365 Tage Die Days Sales Outstanding (DSO) messen die durchschnittliche Dauer von der eigenen Rechnungsstellung bis zum Zahlungseingang. (11) DSO = Durchschnittliche Forderungen aus LuL Umsatzerlöse ∙ 365 Tage Die Days Payables Outstanding (DPO) bilden die durchschnittliche Dauer vom Rechnungserhalt bis zum Zahlungsausgang ab: (12) DPO = Durchschnittliche Verbindlichkeiten aus LuL Materialaufwand ∙ 365 Tage Der Cash Conversion Cycle (CCC) ergibt sich dann aus dem Zusammenspiel der drei vorherigen Kennzahlen: (13) CCC = DIO + DSO − DPO Zur Beurteilung der finanziellen Stabilität können weitere klassische Finanzkennzahlen verwendet werden: 521 Die Anlagenintensität (Fixed-assets-intensity) gibt den Anteil des Anlagevermögens am gesamten Vermögen an. Alternativ kann statt des gesamten Anlagevermögens auch nur das Sachanlagevermögen verwendet werden. Damit ist die Anlagenintensität ein Maß für die Anlagenlastigkeit eines Unternehmens und damit auch für seine Kapitalbindung und seine Fixkostenbelastung, da hohes (Sach-)Anlagevermögen häufig auch hohe Abschreibungen produziert. (14) Anlagenintensität = Anlagevermögen Gesamtvermögen x 100% Der Anlagendeckungsgrad (Equity-to-fixed-assets Ratio) gibt an, inwieweit das langfristige Vermögen durch Eigenkapital finanziert ist. Alternativ kann das Eigenkapital zuzüglich des langfristigen Fremdkapitals verwendet werden. Für eine hohe finanzielle Stabilität sollte das Anlagevermögen möglichst langfristig finanziert sein. (15) Anlagendeckungsgrad = Eigenkapital Anlagevermögen x 100% 520 Die Kennzahlen lassen sich auch modifizieren. Beispielsweise können statt 365 auch 360 Tage verwendet werden, der Materialaufwand kann mit und ohne Bestandsänderungen verwendet werden. Vgl. ICV (2013), S. 23 ff.; Sure (2015), S. 8 ff. 521 Vgl. Krause/ Arora (2010), S. 92 ff. <?page no="306"?> 306 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Die Eigenkapitalquote (Equity Ratio) gibt die prozentuale Verlustabsorptionsfähigkeit eines Unternehmens an und stellt einen wesentlichen Baustein für die Kreditwürdigkeit und damit das Rating dar. Je höher die Eigenkapitalquote ist, desto solider ist das Unternehmen finanziert und desto höher ist seine finanzielle Stabilität. Allerdings steigen durch eine höhere Eigenkapitalquote auch die Kapitalkosten, da die Eigenkapitelkosten i.d.R. über dem Fremdkapitalzins liegen. (16) Eigenkapitalquote = Eigenkapital Gesamtkapital x 100% Die Anlagenintensität, der Anlagendeckungsgrad und die Eigenkapitalquote zählen auch zu den finanzorientierten Risikokennzahlen. 522 Lösungshinweise zur Analyse der traditionellen Finanzkennzahlen des L UFTHANSA -Konzerns Die Erfolgssituation des L UFTHANSA -Konzerns lässt sich anhand des EBIT, des Konzernergebnisses nach Steuern sowie anhand von Renditekennzahlen beurteilen. Im Vergleich zur positiven Entwicklung des Jahres 2017 ist der Unternehmenserfolg in 2018 leicht rückläufig. Die Analyse der Rentabilität ergibt ein widersprüchliches Bild, während die Umsatz- und die Gesamtkapitalrenditen relativ niedrig sind, erscheint die Eigenkapitalrendite recht hoch. Jedoch ist dabei zu bedenken, dass die Eigenkapitalrendite nicht nur durch den Jahresüberschuss sondern auch durch das Eigenkapital beeinflusst wird. Der Free Cash Flow ist der Cash Flow, der für Ausschüttungen an die Eigen- und Fremdkapitalgeber zur Verfügung steht. Er ist unbeeinflusst durch bilanzpolitische Maßnahmen. Hier ist ein deutlicher Rückgang für 2018 festzustellen. Die Liquiditätssituation kann anhand des Operativen Cash Flows, der Innenfinanzierung, des Net Working Capitals sowie die liquiden Mittel beurteilt werden. Hier ist auffällig, dass der Operative Cash Flow in 2018 stark gesunken ist (von 5.368 Mio € in 2017 auf 250 Mio in 2018). Selbiges gilt für das Net Working Capital. Die Kennzahl liegt mit -5,6 Mrd € im negativen Bereich, während in 2017 noch ein positiver Wert in Höhe von 1,6 Mrd. erzielt wurde. Die finanzielle Stabilität wird anhand der Eigenkapitalquote, der Anlagevermögensintensität sowie des Anlagendeckungsgrades diskutiert. Das Anlagevermögen wird zu gut einem Drittel durch Eigenkapital gedeckt. Insgesamt ist die Eigenkapitalquote des Unternehmens mit ca. 25% insbesondere angesichts der hohen Bedeutung des Anlagevermögens relativ niedrig, was die hohe Eigenkapitalrentabilität relativiert. Abschließend sei darauf verwiesen, dass der L UFTHANSA -Konzern insbesondere die Renditekennzahlen teilweise leicht abweichend von den in diesem Buch verwendeten Formeln definiert. 522 Vgl. Abschnitt 3.4.6.4. <?page no="307"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 307 Markt- und Kundenkennzahlen messen den Erfolg eines Unternehmens am Markt. Ein Beispiel ist der Marktanteil, der den Anteil des eigenen Umsatzes am Gesamtumsatz des Marktes oder am Marktvolumen misst und daher ein Indikator für die Wettbewerbsposition ist. Prozesskennzahlen messen die Effektivität und Effizienz der betrieblichen Leistungserstellung, Beispiele sind die Ausschussquote als Indikator für die Qualität der Produktion und die Lieferzeit als Indikator für die Effizienz der Logistik. Mitarbeiterkennzahlen bilden die Produktivität, Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter ab. Häufig verwendete Kennzahlen sind die Fluktuationsquote oder der Krankenstand als Maß für die Mitarbeiterzufriedenheit. Innovationskennzahlen sollen die Innovations- und Erneuerungsfähigkeit eines Unternehmens, z.B. durch die Zahl der Verbesserungsvorschläge oder den Umsatzanteil, der in Forschung und Entwicklung investiert wird, messen. 523 Die folgende Abbildung zeigt Beispiel für verschiedene nicht-finanzielle Kennzahlen. Kennzahl Definition Aussage 1. Markt- und Kundenkennzahlen Marktanteil [%] (Umsatz/ Umsatzvolumen Gesamtmarkt) x 100 Anteil des eigenen Umsatzes am Marktvolumen, Indikator für die Wettbewerbsposition eines Unternehmens Kostenüberwälzungsgrad [%] (Preiserhöhung/ Kostensteigerung) x 100 Zeigt an, inwíeweit Preissteigerungen an die Kunden weitergegeben werden können, Indikator für die Marktmacht eines Unternehmens Kundenakquisitionsrate [%] (Anzahl neuer Kunden/ Anzahl alter Kunden) x 100 Maßstab für den Akquisitionserfolg und Frühindikator für künftiges Umsatzwachstum 2. Prozesskennzahlen Fehlerquote [%] (Ausschuss/ Produktionsmenge der Periode) x 100 Indikator für die Qualität des Produktionsprozesses Kapazitätsauslastung [%] (tatsächliche Maschinenlaufzeit/ maximale Maschinenlaufzeit) x 100 Indikator für den Nutzungsgrad der betrieblichen Kapazitäten Manufacturing Cycle Effectiveness (Be- oder Verarbeitungszeit/ Durchlaufzeit) x 100 Indikator für die Produktionsschnelligkeit 523 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 179 ff. Einen Überblick über zahlreiche Kennzahlen einschließlich ihrer Definition und Interpretation gibt Preißler (2008). <?page no="308"?> 308 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe 3. Mitarbeiterkennzahlen Krankenstand [%] (Zahl krankheitsbedingter Ausfalltage/ Jahresarbeitstage) x 100 Indikator für Produktivitätsprobleme, die Arbeitsbelastung und Unzufriedenheit der Mitarbeiter Fluktuationsquote [%] (ausgeschiedene Mitarbeiter je Periode/ durchschnittliche Mitarbeiterzahl) x 100 Indikator für den Verlust von Humanvermögen und die Unzufriedenheit der Mitarbeiter Mitarbeiterproduktivität [€] Erfolg/ durchschnittliche Mitarbeiterzahl Indikator für den Erfolg je Mitarbeiter 4. Innovationskennzahlen Innovationsrate [%] (Umsatz mit neu eingeführten Produkten/ Gesamtumsatz) x 100 Indikator für die Produktentwicklungsfähigkeit eines Unternehmens Forschungsintensität [%] (FuE-Aufwand/ Umsatz) x 100 Indikator für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens Vorschlagsquote [%] (Anzahl der Verbesserungsvorschläge/ durchschnittliche Mitarbeiterzahl) x 100 Indikator für die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter Abb. 211: Beispiele für nicht-finanzielle Kennzahlen (Quelle: In Anlehnung an Weber/ Schäffer (2016), S. 179) Traditionelle Finanzkennzahlen werden vielfach kritisiert: 524 Der Jahresüberschuss ist durch viele Ansatz- und Bewertungswahlrechte beeinflusst und periodenbezogen. Traditionelle Erfolgsgrößen vernachlässigen den Zeitwert des Geldes sowie das mit einer Rendite verbundene Risiko. Traditionelle Erfolgsgrößen berücksichtigen nur die Kapitalkosten der Fremdkapitalgeber und lassen keine Beurteilung zu, inwieweit die Renditeansprüche der Eigenkapitalgeber gedeckt sind. Zur Vermeidung dieser Kritikpunkte wird die Verwendung wertorientierter Kennzahlen vorgeschlagen. Wertorientierte Kennzahlen beruhen auf dem Konzept des Shareholder Value. Aus Sicht der Eigenkapitalgeber ist eine Unternehmensaktivität dann vorteilhaft, wenn zusätzlicher Unternehmenswert geschaffen wird, der sich 524 Vgl. Rappaport (1999), S. 15 ff.; Fischer et al. (2015), S. 353 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 183 f. <?page no="309"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 309 beispielsweise in einem höheren Börsenkurs oder höheren Dividenden niederschlägt. Zusätzlicher Unternehmenswert wird geschaffen, wenn der Gewinn die Eigen- und Fremdkapitalkosten des Unternehmens übersteigt. Im Gegensatz zu traditionellen Finanzkennzahlen beziehen wertorientierte Kennzahlen die Eigenkapitalkosten in ihre Vorteilhaftigkeitskalküle ein. 525 Zusammenfassung Kennzahlen verdichten komplexe betriebswirtschaftliche Sachverhalte in numerischer Form und sind wesentliche Instrumente der Informationsversorgung. Kennzahlen reduzieren die Komplexität und versorgen das Management mit Informationen. Zudem machen sie Ziele messbar und unterstützen das Management bei der Steuerung der Mitarbeiter, der Zielkontrolle und der Analyse. In den Unternehmen werden vor allem traditionelle und wertorientierte Kennzahlen sowie nicht-finanzielle Markt- und Kundenkennzahlen, Prozess-, Mitarbeiter- und Innovationskennzahlen verwendet. 3.4.4.2 Definition, Funktionen und Arten von Kennzahlensystemen Kennzahlen erfreuen sich in der Unternehmenspraxis einer zunehmenden Beliebtheit, da sie komplizierte Sachverhalte vereinfacht darstellen und dem Management einen schnellen Überblick ermöglichen. Insbesondere bei fehlender theoretischkonzeptioneller Fundierung haben Einzelkennzahlen jedoch eine eingeschränkte Aussagekraft und können zu Fehlentscheidungen führen. Kennzahlensysteme fassen Kennzahlen systematisch zusammen und setzen sie zueinander in Beziehung, um Abhängigkeiten abzubilden und Mehrdeutigkeiten zu vermeiden. 526 Ein Kennzahlensystem besteht aus mehreren Kennzahlen, die in einer inhaltlich sinnvollen Beziehung zueinander stehen, einander ergänzen oder erklären. 527 Da es keine Vorgaben zu Art und Anzahl der Kennzahlen sowie ihrer Verknüpfung gibt, lassen sich theoretisch unendlich viele Kennzahlensysteme erstellen. Kennzahlensysteme mit Kennzahlen verschiedener Dimensionen, die zur Beurteilung der Leistung und der Leistungsfähigkeit von Organisationen eingesetzt werden und der Umsetzung von Strategien dienen, werden auch als Performance Measurement System (PMS) bezeichnet. Teilweise werden die Begriffe PMS und Kennzahlensystem synoym verwendet. Bei einem PMS müssen nicht-finanzielle Kennzahlen, insbesondere Prozess-, Mitarbeiter- und Innovationskennzahlen, einbezogen werden. Zu den PMS werden auch das System der selektiven Kennzahlen, die BSC und das 525 Wertorientierte Kennzahlen werden ausführlich in Abschnitt 4.3 erläutert. 526 Vgl. auch im Folgenden Reichmann et al. (2017), S. 41 ff. 527 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 50; Weber/ Schäffer (2016), S. 196 f. <?page no="310"?> 310 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe EFQM-System gezählt, die später noch erläutert werden. 528 Eine Abgrenzung zwischen traditionellen Kennzahlensystemen und PMS ist der folgenden Abbildung zu entnehmen. Kennzahlensystem Performance Measurement Systeme (PMS) Primärziel Information über (harte) Finanzkennzahlen Ganzheitliche Information und Verhaltensbeeinflussung Leistungsmaße vorwiegend finanzielle finanzielle und nicht-finanzielle Ausrichtung meist eindimensional multidimensional Abb. 212: Kennzahlensysteme versus PMS (Quelle: Vanini/ Eckardt (2010), S. 1618) Kennzahlensysteme erfüllen eine Informationsbzw. Analysefunktion, wenn sie zur Untersuchung von betrieblichen Sachverhalten verwendet werden. Es lassen sich zukunftsbezogene Aufgaben wie die Früherkennung von vergangenheitsbezogenen Aufgaben wie den Soll-Ist-Vergleichen unterscheiden. Kennzahlensysteme übernehmen eine Steuerungsfunktion, wenn sie das Zielsystem eines Unternehmens abbilden und mit ihrer Hilfe Zielvorgaben abgeleitet werden. Durch Steuerungs- Kennzahlensysteme werden die Entscheidungen von Managern inhaltlich und personell abgestimmt und auf die im Kennzahlensystem abgebildeten Unternehmensziele ausgerichtet. Analyse- und Steuerungsfunktion ergänzen sich. So haben Steuerungs- Kennzahlensysteme wie die BSC auch Analyseaufgaben. 529 Kennzahlensysteme müssen diese Anforderungen erfüllen: 530 Sie müssen systematisch, objektiv und widerspruchsfrei aufgebaut sein, um Interpretationsspielräume einzuschränken. Sie müssen aus einer begrenzten Anzahl von Kennzahlen bestehen, die in einer klaren Ordnung zueinanderstehen. Sie müssen eine Informationsverdichtung, z.B. durch einen hierarchischen Aufbau, ermöglichen. Sie müssen aus einem System von Ursache-Wirkungsbeziehungen bestehen, um die Ableitung von Steuerungsansätzen zu unterstützen. Sie müssen offen und flexibel konstruiert sein. Sie müssen von den Mitarbeitern akzeptiert werden, um dysfunktionale Verhaltensweisen zu vermeiden. Daher sollten Mitarbeiter an der Entwicklung von Kennzahlensystemen beteiligt werden. 528 Vgl. Sandt (2005), S. 429; Weiss et al. (2008), S. 139 f.; Horváth/ Seiter (2009), S. 393 ff.; Gladen (2011), S. 56 sowie Vanini/ Eckardt (2010), S. 1617 ff. 529 Vgl. Gladen (2011), S. 94 ff., Küpper et al. (2013), S. 475 ff. 530 Vgl. Preißler (2008), S. 24 ff.; Gladen (2011), S. 93 f.; Küpper et al. (2013), S. 480 ff. <?page no="311"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 311 Neben der Verwendung lassen sich Kennzahlensysteme nach weiteren Kriterien systematisieren. Kriterium Ausprägungen Verwendung Analyse- Kennzahlensysteme Steuerungs- Kennzahlensysteme Verknüpfung der Elemente Rechensysteme Ordnungssysteme Modellbasis normative Systeme informative Systeme Nutzung interaktive Systeme diagnostische Systeme Abb. 213: Systematisierung von Kennzahlensystemen (Quelle: Vanini (2008), S. 528) Rechensysteme sind logisch verknüpfte und häufig als Baums strukturierte Kennzahlensysteme, die anhand definitorischer und mathematischer Umformungen einer Spitzenkennzahl abgeleitet werden. Ein Beispiel ist das D U P ONT -System. Rechensysteme ermöglichen exakte Berechnungen von Wertänderungen einzelner Kennzahlen, vernachlässigen jedoch nicht-quantifizierbare Sachverhalte. Ordnungssysteme sind sachlogisch strukturiert und können sowohl definitorische als auch empirische Beziehungen aufweisen. Sie werden nicht zwangsläufig hierarchisch aus einer Kennzahl abgeleitet, sondern können auch ein Netz aus sich gegenseitig erklärenden Elementen bilden. Da Ordnungssysteme auch die Aufnahme nicht unmittelbar quantifizierbarer Zusammenhänge und empirischer Ursache-Wirkungs-Beziehungen erlauben, können sie flexibel eingesetzt werden und eignen sich als Grundlage für Steuerungs- Kennzahlensysteme. 531 Bei der Modellbasis können normative Kennzahlensysteme, die auf Zielhierarchien beruhen, und informative Kennzahlensysteme, die sich wiederum in begriffs- und aussagenbezogene Ansätze unterteilen lassen, unterschieden werden. Begriffssysteme enthalten analytische Aussagen auf der Basis absoluter Kennzahlen. Aussagensysteme zielen auf die deskriptiv-erklärende Abbildung von Sachverhalten ab. 532 Schließlich ist noch die Unterscheidung von Kennzahlensystemen nach ihrer Nutzung von Bedeutung. Diagnostische Kennzahlensysteme werden zur Zielsetzung und Kontrolle eingesetzt, während interaktive Systeme der Kommunikation dienen und ihre Kennzahlen von den Akteuren immer wieder hinterfragt werden. In einem statischen Umfeld reicht die diagnostische Nutzung von Kennzahlensystemen aus, während sich die interaktive Nutzung in einer dynamischen Umwelt anbietet. 533 531 Vgl. Preißler (2008), S. 17 ff.; Gladen (2011), S. 94 ff.; Reichmann et al. (2017), S. 65 ff. 532 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 41 ff. 533 Vgl. Weber/ Schäffer (2000), S. 8 ff. <?page no="312"?> 312 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 214: Zusammenhänge zwischen Kennzahlensystemen (Quelle: Gladen (2011), S. 97) Kennzahlensysteme können auch nach dem Grad der Ausgewogenheit und des Zusammenhangs ihrer Kennzahlen charakterisiert werden. Ausgewogene Kennzahlensysteme vermeiden einseitige Kennzahlen und bilden den Untersuchungsgegenstand aus mehreren Perspektiven ab. Der Zusammenhang der Kennzahlen wird durch die Art der Verknüpfung bestimmt. So besteht ein hoher Zusammenhang bei einer mathematischen Verknüpfung, ein mittlerer Zusammenhang bei einer sachlogischen Verknüpfung und ein niedriger Zusammenhang bei einer reinen Klassifikation. 534 Die folgende Abbildung klassifiziert gängige Kennzahlensysteme nach ihrer Ausgewogenheit und dem Zusammenhang ihrer Kennzahlen. Abb. 215: Schema zur Klassifikation von Kennzahlensystemen (Quelle: In Anlehnung an Weber/ Schäffer (2016), S. 196) 534 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 196 f. <?page no="313"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 313 Selektive Kennzahlensysteme wurden für die Logistik entwickelt, können aber auch für andere Funktionsbereiche abgeleitet werden. Ihre Kennzahlen weisen einen niedrigen Zusammenhang und eine geringe Ausgewogenheit auf. Aus der Unternehmensstrategie werden strategische Ziele abgeleitet und durch Kennzahlen operationalisiert. Zur Begrenzung der Komplexität des Kennzahlensystems werden nur drei bis fünf Kennzahlen aufgenommen. Ein Beispiel für ein strategisches Ziel in der Logistik ist die Verbesserung von Marktchancen durch geringere Logistikkosten. Außerdem werden drei bis fünf Kennzahlen zur operativen Steuerung der kritischen Engpässe des Funktionsbereichs festgelegt, z.B. die Zahl der abgewickelten Aufträge pro Tag, da operative Engpässe häufig eine Strategieumsetzung verhindern. Insgesamt ist das Konzept der selektiven Kennzahlen ein flexibles, multidimensionales Ordnungssystem. 535 Abb. 216: ROI-Kennzahlensystem (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 198) Das ROI-Kennzahlensystem zählt zu den traditionellen Kennzahlensystemen und wurde zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vom amerikanischen Unternehmen D U- P ONT entwickelt, indem die Spitzenkennzahl ROI schrittweise in Kennzahlen des betrieblichen Rechnungswesens aufgespalten wurde. Beim ROI-Kennzahlensystem handelt es sich um ein Rechensystem, das vorrangig zu Analysezwecken verwendet wird. Mithilfe der Kennzahlenpyramide können zentrale finanzielle Einflussfaktoren auf den Unternehmenserfolg analysiert werden. Durch die mathematische Verknüpfung besteht 535 Vgl. Sandt (2005), S. 436 f., Weber/ Schäffer (2016), S. 197 ff. <?page no="314"?> 314 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe ein hoher Zusammenhang zwischen den Kennzahlen. Zudem ist das Kennzahlensystem sehr übersichtlich und kann beliebig erweitert werden. Allerdings ist es aufgrund seiner Konzentration auf finanzielle Kennzahlen nicht ausgewogen. Zudem wird wegen der einperiodigen Betrachtung die kurzfristige Gewinnmaximierung gefördert. 536 Die Balanced Scorecard (BSC) und Werttreiberhierarchien 537 weisen sowohl einen hohen Zusammenhang sowie eine hohe Ausgewogenheit ihrer Kennzahlen auf. Die BSC wurde bereits in Kapitel 2.3.3 erläutert, so dass hier nur das Konzept der Werttreiberhierarchien vertieft wird. Werttreiberhierarchien gehen auf das Konzept der Wertgeneratoren von R APPAPORT zurück. Ein Werttreiber ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf das wirtschaftliche Ergebnis. Es werden finanzielle und operative Werttreiber unterschieden. Operative Werttreiber sind finanziellen Werttreibern (z.B. Umsatzrentabilität) vorgelagert und gründen auf Managemententscheidungen. Werttreiber können zu Werttreiberhierarchien verknüpft werden. Dabei wird i.d.R. der Unternehmenswert als Oberziel sukzessiv in seine finanziellen und operativen Werttreiber zerlegt. Mit fortschreitender Aufspaltung wird dann von mathematisch zu eher empirischen Werttreibern übergegangen. Abb. 217: Werttreiberbaum auf EVA-Basis (Quelle: In Anlehnung an Weber/ Schäffer (2016), S. 190) 536 Vgl. Sandt (2005), S. 431; Preißler (2008), S. 48 ff.; Gladen (2011), S. 103 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 197 f., Horváth et al. (2015), S. 291 f. 537 Die Begriffe Werttreiberhierarchie und Werttreiberbaum werden synonym verwendet. <?page no="315"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 315 Werttreiberhierarchien sind primär Rechensysteme und dienen sowohl Analyseals auch Steuerungszwecken. Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz von Werttreibermodellen ist die Aggregation von Einflussfaktoren und die Beschränkung auf eine überschaubare Anzahl. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass wesentliche Einflussfaktoren vernachlässigt werden. Zudem besteht das Problem von Scheinkausalitäten, wenn die vermuteten Zusammenhänge zwischen den Werttreibern nicht empirisch überprüft werden. Außerdem müssen Werttreiberhierarchien regelmäßig aktualisiert werden. 538 Abb. 218: Struktur eines EFQM-Kennzahlensystems (Quelle: Weber/ Schäffer (2016), S. 205) Das EFQM-Kennzahlensystem wurde von der European Foundation of Quality Management (EFQM) zur Qualitätsmessung in allen Unternehmensbereichen entwickelt. Das EFQM-Modell besteht aus fünf sogenannten Befähiger-Kriterien als Indikatoren für die Qualität des Managements und vier Kriterien für die Qualität des Unternehmensergebnisses. Die Kriterien werden durch geeignete Kennzahlen operationalisiert und durch die Führungskräfte eines Unternehmens bewertet. Dabei werden die neun Kriterien und weitere 32 Unterkriterien durch jeweils drei bis sieben Indikatoren gemessen, die frei wählbar sind. Die einzelnen Kriterien sind durch feste Gewichtungen miteinander verbunden. Das EFQM-Kennzahlensystem stellt ein Ordnungssystem mit einem starken Zusammenhang zwischen den einzelnen Kennzahlen dar, das vor allem für Analysezwecke eingesetzt wird. Positiv ist die Einbeziehung nicht-finanzieller Kennzahlen. Insgesamt konzentriert sich das Kennzahlensystem jedoch zu sehr auf die Messung der Qualität und ist zur Unternehmenssteuerung nur bedingt geeignet. 539 538 Vgl. Bramsemann/ Heineke (2004), S. 65 f.; Sandt (2005), S. 43 ff.; Gladen (2011), S. 128 ff., Weber/ Schäffer (2016), S. 198 ff. 539 Vgl. Sandt (2005), S. 434 f., Weber/ Schäffer (2016), S. 205 ff. <?page no="316"?> 316 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Lösungshinweise zum Einstiegsfall (Fortsetzung) Kennzahlensysteme bestehen aus inhaltlich zusammenhängenden Einzelkennzahlen, die in einem System nach bestimmten Kriterien geordnet werden. Performance Measurement Systeme sind Kennzahlensysteme, die der Umsetzung von Strategien dienen und die Leistung(-sfähigkeit) eines Unternehmens aus mehreren Perspektiven anhand finanzieller und nichtfinanzieller Kennzahlen abbilden. Kennzahlensysteme haben eine Informations- und Analysefunktion oder eine Steuerungsfunktion. Nach der Art der Verknüpfung werden Rechen- und Ordnungssysteme unterschieden. Häufig verwendete Kennzahlensysteme sind das DuPont-Kennzahlensystem, das Konzept der selektiven Kennzahlen, die Balanced Scorecard und das EFQM-System. Sie empfehlen Herrn Grunwaldt ein System selektiver Kennzahlen für die Produktion, da es für verschiedene Funktionsbereiche geeignet ist und auch nicht-finanzielle Kennzahlen umfasst. 3.4.4.3 Ableitung von Kennzahlensystemen In einem Kennzahlensystem können Kennzahlen in einer logischen, empirischen oder hierarchischen Beziehung zueinanderstehen. Werden Kennzahlen definitorisch oder mathematisch verknüpft, spricht man von einer logischen Beziehung. Ein Beispiel für eine mathematische Verknüpfung ist die Aufspaltung einer Kennzahl in mehrere Teilgrößen, z.B. der Kosten in Herstellungs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten. Darüber hinaus zählen die Substitution einer Kennzahl durch andere Größen und die Erweiterung des Zählers und Nenners einer Kennzahl zu den mathematischen Umformungen. Von einer definitorischen Beziehung spricht man, wenn Kennzahlen aufgrund ihrer begrifflichen Bedeutung zusammenhängen, z.B. ergibt sich der Gewinn als Differenz zwischen Umsatz und Kosten. Empirische Beziehungen liegen in Zusammenhängen in der Realität begründet, die anhand von beobachtbaren Kennzahlenausprägungen überprüft werden. Sie sind deterministisch oder stochastisch. Hierarchische Beziehungen begründen eine Rangordnung zwischen Kennzahlen, wobei sachlich-hierarchische Beziehungen aufgrund zeitlicher oder inhaltlicher Abhängigkeiten und subjektiv-bewertende Beziehungen aufgrund der Präferenzen der Entscheider unterschieden werden. 540 540 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 473 f. <?page no="317"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 317 Abb. 219: Beziehungen zwischen Kennzahlen (Quelle: Küpper et al. (2013), S. 473) Kennzahlensysteme sind IV-Instrumente des Controllings. Zu den grundlegenden Aufgaben des Controllers gehört in diesem Zusammenhang, vorhandene Kennzahlen durch ein Kennzahlensystem zu strukturieren oder einen Kennzahlenrahmen entsprechend des Informationsbedarfs der Entscheider zu entwickeln und durch Kennzahlen zu operationalisieren. Die Ableitung eines Kennzahlensystems umfasst die grundsätzliche Strukturierung, die Auswahl geeigneter Kennzahlen und die Abbildung der Kennzahlenzusammenhänge. Abb. 220: Ableitung von Kennzahlensystemen (Quelle: Vanini (2008), S. 530) Kennzahlensysteme beziehen sich stets auf einen realen Sachverhalt. Daher ist es bei der Gestaltung eines Kennzahlensystems unerlässlich, die grundlegenden Strukturen dieses Sachverhalts zu analysieren und in einem Modell abzubilden. Die Anordnung der einzelnen Modellelemente bestimmt dann die Architektur des Kennzahlensys- <?page no="318"?> 318 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe tems. Anschließend werden die Modellelemente durch Kennzahlen operationalisiert und Beziehungen zwischen den Kennzahlen ermittelt. Kennzahlensysteme sind somit das Ergebnis eines zweifachen Reduktionsprozesses: Die Realität wird zunächst auf ein betriebswirtschaftliches Modell reduziert. Danach werden die Modellelemente durch Maßgrößen operationalisiert und zueinander in Beziehung gesetzt. 541 Die inhaltliche Strukturierung eines Kennzahlensystems ist abhängig von seiner Problemstellung und seinen Funktionen. Der Aufbau eines Analyse-Kennzahlensystems ist im Gegensatz zu Steuerungs-Kennzahlensystemen an keinen Rahmen gebunden. Zu Steuerungszwecken sind Ordnungssysteme vorzuziehen, da sie die Abbildung von Zielen anhand von Ursache-Wirkungs-Beziehungen ermöglichen. Aufgrund der Offenheit und Flexibilität eines Ordnungssystems ist eine Vielzahl von Strukturierungskriterien denkbar: 542 Die unternehmens- und bereichsspezifische Strukturierung richtet sich nach der Aufbauorganisation eines Unternehmens. Ein Beispiel ist die Aufspaltung des Betriebsergebnisses auf die einzelnen Organisationseinheiten. Die entscheidungsproblemspezifische Strukturierung definiert die Kennzahlenstruktur problemspezifisch und bezogen auf die jeweilige Entscheidungssituation. Ein Beispiel ist das Konzept der selektiven Kennzahlen für die Logistik eines Unternehmens. Die prozessuale Strukturierung ordnet ein Kennzahlensystem nach der Prozessstruktur, d.h. den einbezogenen Teilprozessen und Aktivitäten sowie ihrer organisatorischen Anordnung. Als Beispiel sei die Wertschöpfungskette eines Unternehmens genannt. Auch eine gemischte Strukturierung eines Kennzahlensystems ist denkbar. Danach muss das hierarchische Verhältnis der Modellelemente festgelegt werden. Die hierarchische Strukturierung des Modells erfordert Ursache-Wirkungsbzw. Zweck-Mittel-Beziehungen. Eine Zweck-Mittel-Beziehung liegt vor, wenn die Realisierung eines Unterziels zur Erreichung des Oberziels beiträgt. Eine Kennzahlenhierarchie nimmt eine Über-Unterordnungsstrukturierung der Kennzahlen vor. Eine Kennzahlenpyramide mit einer Spitzenkennzahl ist ein Spezialfall der Hierarchie. In einem Kennzahlennetz stehen alle Elemente gleichberechtigt nebeneinander. Ein Beispiel für ein hierarchisch strukturiertes Kennzahlensystem ist die BSC. Wird ein bestimmtes Kennzahlensystem ausgewählt, steht damit auch die inhaltliche und die hierarchische Struktur weitestgehend fest. 543 Nach der Bestimmung der Kennzahlenarchitektur werden die Modellelemente durch eine oder mehrere Kennzahlen operationalisiert. Unter Kennzahlenauswahl wird dabei der Prozess des Qualifizierens einzelner Kennzahlen als Element eines Kennzahlensystems verstanden. Die ausgewählten Kennzahlen müssen die folgenden Kriterien erfüllen: 544 541 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 41 ff. 542 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 482 ff. 543 Vgl. Dellmann (2002), S. 944. 544 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 210 ff. <?page no="319"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 319 Werden die richtigen Sachverhalte gemessen? Hier ist wichtig, dass die Kennzahlen einen Strategiebezug aufweisen. Um das Unternehmen möglichst ganzheitlich abzubilden, sollten finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen ausgewählt werden (Balance). Außerdem sollten nur die wesentlichen Kennzahlen ausgewählt werden, um eine Informationsüberflutung zu vermeiden. Werden die Sachverhalte richtig gemessen? Hier stellt sich die Frage nach der Validität, d.h. die Kennzahl ermöglicht eine realistische Messung des Sachverhalts, ohne dass externe Effekte die Messung verzerren. Zudem sollte der Sachverhalt objektiv und wirtschaftlich gemessen werden. Objektivität beinhaltet, dass die Kennzahlen nicht manipuliert werden können und frei von subjektiven Ermessenspielräumen sind. Zudem sollten die zur Kennzahlenberechnung notwendigen Daten ohne übermäßigen Aufwand und in guter Qualität erhebbar sein. Erzielen die Kennzahlen die richtige Wirkung? Die Kennzahlenverantwortlichen sollten die Kennzahlen durch Maßnahmen beeinflussen jedoch nicht manipulieren können, um dysfunktionale Verhaltensweise zu vermeiden. Zudem müssen die Kennzahlen eindeutig definiert und verständlich sein. Nach der Auswahl geeigneter Kennzahlen werden ihre Zusammenhänge mittels logischer, empirisch-theoretischer, empirisch-induktiver oder modellgestützter Verfahren analysiert. 545 Abb. 221: Verfahren zur Entwicklung von Kennzahlensystemen (Quelle: Küpper et al. (2013), S. 482) 545 Vgl. auch im Folgenden Weber/ Schäffer (2016), S. 210 ff.; Gladen (2011), S. 246 f.; Küpper et al. (2013), S. 482 ff., Reichmann et al. (2017), S. 46 ff. <?page no="320"?> 320 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Mit welchem Verfahren die Beziehungen ermittelt werden, hängt von der Art der Beziehungen und der Struktur des Kennzahlensystems ab. Bei der logischen Herleitung bestehen definitorische oder mathematische Beziehungen zwischen den Kennzahlen. Durch mathematische Umformungen können die Kennzahlen multiplikativ oder additiv verknüpft oder mit Verhältniszahlen und Gleichungen erweitert werden. Bei solchen Systemen handelt es sich um Rechensysteme. Für eine definitionslogische Verknüpfung nutzt man den begrifflichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Größen. Durch die definitionslogische Herleitung von Kennzahlensystemen können Ordnungssysteme konstruiert werden. Eine logische Herleitung führt zu einem klaren, nachvollziehbaren Aufbau eines Kennzahlensystems. Allerdings nimmt die Aussagekraft des Systems nicht zu, da logische Beziehungen nicht den Ursache- Wirkungs-Zusammenhängen zwischen Kennzahlen entsprechen müssen. Die empirisch-theoretische Herleitung basiert auf theoretischen Aussagesystemen wie z.B. der Produktions- und Kostentheorie, der Preistheorie, der Organisationstheorie oder auch der volkswirtschaftlichen Konjunktur- und Wachstumstheorie, aus denen Hypothesen über Kennzahlenzusammenhänge abgeleitet, getestet und verifiziert wurden. Beispiele sind das System der Kosteneinflussgrößen nach G UTENBERG und die Werbewirkungsfunktion. Der empirisch-theoretische Ansatz ist aufgrund der geringen theoretischen und empirischen Fundierung betriebswirtschaftlicher Sachverhalte nur begrenzt anwendbar. Eine empirisch-induktive Herleitung impliziert ebenfalls eine empirische Beziehung zwischen Kennzahlen, setzt allerdings keine theoretische Fundierung dieser Zusammenhänge voraus. Empirische Beziehungen können durch Expertenbefragungen oder Plausibilitätsüberlegungen ermittelt werden. Durch eine Expertenbefragung kann z.B. untersucht werden, welche Einflussgrößen für die Ziele eines Aufgabenbereichs maßgeblich sind. Bei Plausibilitätsüberlegungen werden die vermuteten Zusammenhänge lediglich qualitativ auf ihre Plausibilität geprüft. Außerdem können empirische Zusammenhänge zwischen Kennzahlen durch statistische Methoden, z.B. Korrelations- oder Diskriminanzanalysen, ermittelt werden. Befragungen und Plausibilitätsüberlegungen führen häufig zu sehr vielen Kennzahlenbeziehungen. Durch die fehlende theoretische Fundierung der empirischinduktiven Methoden wird eine Quantifizierung der Beziehung erschwert, so dass häufig nur eine Richtung oder die bloße Existenz einer Beziehung angegeben werden kann. Expertenbefragungen sind zudem subjektiv und von der Qualifikation der Befragten abhängig. Weil es leicht umzusetzen ist, ist das induktive Vorgehen in der Praxis jedoch weit verbreitet, während statistische Verfahren aufgrund der hohen methodischen Anforderungen kaum angewandt werden. Zudem liegen oft nicht genügend Datensätze für eine statistische Überprüfung vor.Bei der modellgestützten Herleitung wird ein Entscheidungsmodell des Organisationsbereichs aufgestellt, für den das Kennzahlensystem gelten soll. Für das Entscheidungsmodell werden Zielgrößen sowie Handlungs- und Zustandsvariablen definiert, die auf die Zielgröße wirken und für die somit funktionale Zusammenhänge definiert werden können. Sämtliche Variablen werden durch geeignete Kennzahlen operationalisiert. Mittels Simulationsanalysen wird dann untersucht, welche Ausprägungen der Handlungs- und Zustandsvariablen zu welcher Ausprägung der Zielvariablen führen, um so notwendige Maßnahmen für bestimmte Umweltkonstellationen abzuleiten. Als Beispiele <?page no="321"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 321 können einfache Lagerhaltungsmodelle zur Bestimmung der optimalen Lagergröße genannt werden. Herleitung Architektur Vorteile Nachteile logisch definitionslogisch Ordnungssystem klar, nachvollziehbar, eindeutig keine Kausalverknüpfungen mathematisch Rechensystem klar, nachvollziehbar, eindeutig keine Kausalverknüpfungen empirisch empirischinduktiv Ordnungssystem Berücksichtigung realer Zusammenhänge, Steuerung durch Ursache- Wirkungsketten viele Kennzahlenbeziehungen, subjektiv und aufwändig empirischtheoretisch Ordnungssystem theoretisch fundiert wenig empirisch überprüfte Theorien modellgestützt theoretischinduktiv Rechensystem Führt zu einer befriedigenden Ausprägung übergeordneter Ziele Güte abhängig von der realen Gültigkeit des Modells Abb. 222: Vor- und Nachteile der Verfahren zur Ermittlung von Kennzahlenbeziehungen (Quelle: In Erweiterung von Vanini (2008), S. 534) Es gibt kein Patentrezept zur Ableitung eines Kennzahlensystems. Für Steuerungs- Kennzahlensysteme ist ein Ordnungssystem mit empirischer Kausalverknüpfung besser geeignet als Systeme mit mathematischen oder definitionslogischen Umformungen, da es entsprechend der Zieleinflussgrößen gestaltet werden kann. Eine deduktive Ableitung auf Basis definitionslogischer Beziehungen hingegen begründet nur schwache Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Abbildung 223 stellt die gängigsten Kennzahlensysteme hinsichtlich der Verknüpfung ihrer Elemente und geeigneter Ableitungsverfahren übersichtlich dar: System Verwendungsorientierung Verknüpfung der Elemente Ableitungsverfahren DuPont- Schema Analyse- Kennzahlensystem Rechensystem logische Herleitung Balanced Scorecard (BSC) Analyse- und Steuerungs-Kennzahlensystem Ordnungssystem empirisch-induktive Herleitung, z.B. Expertenbefragung oder Plausibilitätsüberlegungen Selektive Kennzahlen Analyse-Kennzahlensystem Ordnungssystem empirisch-induktive Herleitung Werttreiberbäume Analyse- und Steuerungs-Kennzahlensystem Ordnungssystem logische und empirischinduktive Herleitung, z.B. statistische Verfahren Abb. 223: Ableitungen von verschiedenen Kennzahlensystemen <?page no="322"?> 322 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Lösungshinweise zum Einstiegsfall (Fortsetzung) Ausgangspunkt ist die Entwicklung eines Kennzahlensystems für den Produktionsbereich der Grunwaldt GmbH. Mit Ihrer Entscheidung für das Konzept der selektiven Kennzahlen sind das Modell und die Architektur des Kennzahlensystems bereits im Grundsatz festgelegt. Durch Interviews mit Herrn Grunwaldt und dem Produktionsleiter ermitteln Sie drei strategische Ziele und drei operative Engpässe der Produktion und operationalisieren diese anschließend durch geeignete Kennzahlen. Anschließend überprüfen Sie, ob die von Ihnen ausgewählten Kennzahlen valide, robust, verständlich, wirtschaftlich und ausgewogen sind. Im System der selektiven Kennzahlen werden keine Kennzahlenbeziehungen ermittelt. Schließlich fassen Sie die Kennzahlen in einem Kennzahlensystem zusammen und formulieren entsprechende Zielvorgaben. 3.4.4.4 Risikokennzahlen Da Managemententscheidungen i.d.R. unter Unsicherheit getroffen werden, ist es notwendig, nicht nur ihren erwarteten Erfolg, sondern ebenfalls ihre Risiken, z.B. durch geeignete Kennzahlen, zu messen. Es gibt zahlreiche Kennzahlen und Indikatoren zur Messung und Bewertung von Risiken. Hier soll zwischen Frühwarnindikatoren, die eine frühzeitige Identifikation von Risiken und Chancen erlauben, finanzorientierten Risikokennzahlen, statistischen Risikomaßen, die mögliche Schwankung der geplanten Unternehmensziele abbilden, sowie risikoadjustierten Performance- Maßen unterschieden werden. Frühwarnindikatoren messen die Ursachen potenzieller Risiken und Chancen, z.B. ist die Ausschussquote ein Indikator für Produktionsrisiken oder der Auftragseingang <?page no="323"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 323 ein Indikator für Absatzrisiken. 546 Operative Frühwarnindikatoren basieren auf erfolgs- oder liquiditätsorientierten Kennzahlen des traditionellen Rechnungswesens, die mithilfe von Prognoseverfahren auf das Jahresende hochgerechnet werden. Durch Soll-Ist-Abweichungsanalysen sollen kurzfristige finanzielle Risiken identifiziert werden. Durch eine Überbzw. Unterschreitung zuvor festgelegter Toleranz- oder Schwellenwerte werden Warnmeldungen ausgelöst. Operative Frühwarnindikatoren haben i.d.R. keinen ausreichenden zeitlichen Vorlauf, tragen nicht zur Identifikation von Strukturbrüchen in der Umweltentwicklung bei und unterstützen auch nicht Ursachenanalysen für die identifizierten finanziellen Risiken. 547 Früherkennungsindikatoren (lead indicators) fokussieren sich dagegen auf externe Beobachtungsbereiche und weisen einen eher mittelfristigen Prognosehorizont auf. Sie versuchen, Risiken und Chancen zu identifizieren, bevor sich diese in Unternehmenskennzahlen niederschlagen. Das Problem liegt in der Zusammenstellung eines umfassenden, eindeutigen, rechtzeitig verfügbaren und effizienten Indikatorenkatalogs. 548 Die folgende Abbildung zeigt Beispiele für Frühwarnindikatoren aus der Unternehmensumwelt. externer Bereich Indikatoren gesamtwirtschaftlich Zinsen Wechselkurse Inflationsraten industrielle Nettoproduktion Tariflohniveau Außenhandel Geldvolumen Konjunkturindizes Geschäftsklima Investitionstendenzen Marktwachstum Gesellschaft/ Kultur Bevölkerungswachstum Bevölkerungsstruktur Arbeitslosenzahlen Zahl offener Stellen Gewerkschaftsforderungen Konsumneigung Einkommensentwicklung Bildungsstand Lebensstil Wertvorstellungen Wanderungsbewegungen Technologie Innovationen Werkstoffentwicklungen Unterbrechung technologischer Trendlinien Veränderungstendenzen der Produktions- und Verfahrenstechnologie bei Wettbewerbern und Forschungsinstituten 546 Vgl. Burger/ Buchhart (2002), S. 71 ff.; Diederichs (2018), S. 118 ff. 547 Vgl. Baum et al. (2013), S. 371 ff.; Diederichs (2018), S. 119 f. 548 Vgl. auch im Folgenden Diederichs (2018), S. 120 ff. <?page no="324"?> 324 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Politik/ Recht Systemstabilität Politische Krisen Parteienverhältnisse Regierungswechsel Gesetzesvorbereitungen/ -vorlagen Rechtssicherheit Politische Organisationen Außen- / innenpolitische Ereignisse bzw. Tendenzen Ökologie Umweltverträglichkeit der Produkte Umweltverträglichkeit der Einsatzstoffe Abb. 224: Beobachtungsbereiche und beispielhafte Indikatoren (Quelle: Diederichs (2018), S. 122). Ergänzend können zur frühzeitigen Identifikation von Unternehmenskrisen geeignete Finanzkennzahlen, z.B. die Eigenkapitalrentabilität oder der dynamische Verschuldungsgrad, festgelegt und überwacht werden, da eine Verschlechterung dieser Kennzahlen i.d.R. zu einem schlechteren Rating führt und damit die Finanzmittelbeschaffung gefährdet. 549 Die Indikatoren sollten eindeutig, vollständig, rechtzeitig verfügbar und wirtschaftlich ermittelbar sein und einen zeitlichen Vorlauf zu den Unternehmenszielen aufweisen. Für die Identifikation geeigneter Indikatoren wird die Ableitung von Kausalketten empfohlen, durch die ausgehend von einer Zielgröße Ereignisse identifiziert werden, die diese Zielgröße beeinflussen. Beispielsweise wird der Umsatz durch die Auftragseingänge beeinflusst, welche wiederum von den Auftragsanfragen und geführten Verkaufsgesprächen abhängig ist. Problematisch ist allerdings, dass die Prognosequalität der Indikatoren häufig mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Zielgröße abnimmt. Neben dem erwarteten Wert müssen für jeden Indikator kritische Bereiche festgelegt werden. Bei Überschreitung dieser kritischen Bereiche wird automatisch eine Warnmeldung ausgelöst. Die Festlegung kritischer Sollwerte kann sich an Vergangenheitswerten oder Benchmarks orientieren. Zu den finanzorientierte Risikokennzahlen zählen neben den klassischen Finanzkennzahlen zur Beurteilung der finanziellen Stabilität 550 eines Unternehmens folgende Kennzahlen: 551 Der Degree of Operating Leverage (DOL) misst die Elastizität des Gewinns auf Umsatzänderungen und ist ein Indikator für leistungswirtschaftliche Risiken. Ohne Fixkosten entspricht die Gewinnänderung der Umsatzänderung, der DOL würde den Wert 1 annehmen. Ein höherer Fixkostenanteil führt zu einem DOL von mehr als 1. 549 Vgl. Gleißner (2017), S. 325 ff. 550 Zu diesen Kennzahlen gehören die Anlagenintensität, die Eigenkapitalquote und der Anlagendeckungsgrad. Vgl. Abschnitt 3.4.4.1. 551 Vgl. auch im Folgenden Gladen (2011), S. 325 ff. <?page no="325"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 325 Der Degree of Financial Leverage (DFL) misst die Elastizität des Gewinns nach Fremdkapitalzinsen auf Änderungen des Gewinns vor Fremdkapitalzinsen und ist ein Maß für das finanzwirtschaftliche Risiko. Höhere Fremdkapitalzinsen führen zu einem DFL von mehr als 1. Statistische Risikomaße bilden die Basis einer quantitativen Risikobewertung auf der Grundlage von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß. Das Schadensausmaß misst i.d.R. die monetären Auswirkungen einer Umweltentwicklung oder einer Managemententscheidung auf die Unternehmensziele. Risikomaße sind für Risiken geeignet, die durch einzelne Schadensereignisse oder Verteilungen beschrieben werden können, und bilden das einer Verteilung innewohnende Risiko in einer einfach interpretierbaren reelen Zahl ab. Sie sind entweder monetär oder prozentual skaliert und ermöglichen dadurch einen Vergleich unterschiedlicher Risiken. Die Auswahl eines geeigneten Risikomaßes hängt von der Risikoneigung des Entscheiders und dem Entscheidungskontext ab. 552 Zur Ermittlung der Risikomaße müssen geeignete Verfahren zur Risikoquantifizierung wie Sensitivitäts- und Szenarioanalysen wowie Simulationsrechnungen angewendet werden. 553 Folgende Risikomaße sind von besonderer Bedeutung für die Risikobewertung: 554 Der Maximalverlust ist der größtmögliche Schaden, der durch eine Entscheidung oder ein Ereignis ausgelöst werden kann. Er ist sehr einfach zu berechnen, unterstellt jedoch eine Worst Case-Betrachtung, d.h. es wird von der negativsten Umweltentwicklung ausgegangen. Daher ist der Maximalverlust als Risikokennzahl für besonders risikoscheue Entscheider geeignet. Zudem muss ein Unternehmen zur Sicherung der Risikotragfähigkeit auch für den Maximalverlust ausreichend finanzielle Reserven bereithalten. Risikoscheue Entscheider bevorzugen relativ sichere Ergebnisse auch bei geringerer erwarteter Rendite. Daher kann auch die Spannweite bzw. Bandbreite zwischen dem besten und dem schlechtesten Ergebnis einer Entscheidungsalternative als Risiko interpretiert werden. Die Spannweite berücksichtigt zwar Chancen, vernachlässigt jedoch die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Zukunftszustände. Beim erwarteten Verlust werden bei verteilungsabhängigen Risiken alle möglichen Schadensereignisse mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtet und anschließend aufaddiert. Er ist somit ein umfassenderes Risikomaß als der Maximalverlust, berücksichtigt allerdings nicht die Gewinnchancen einer Entscheidungsalternative. Der Variationskoeffizient ist der Quotient von Standardabweichung und Erwartungswert einer Zielgröße. Je kleiner der Erwartungswert ist, desto negativer ist das Risiko in Form der Streuung zu bewerten und desto größer ist der Variationskoeffizient. 552 Vgl. Gleißner (2017), S. 204 ff. 553 Für eine knappe Darstellung der Verfahren zur Risikoquantifizierung vgl. Brüggemann et al (2017a), S. 64 ff.; für eine ausführliche Beschreibung vgl. Vanini (2012), S. 157 ff. sowie Gleißner (2017), S. 251 ff. 554 Vgl. Vanini (2012), S. 169 ff. <?page no="326"?> 326 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Außerdem können bei verteilungsbasierten Risiken statistische Risikokennzahlen, wie die Standardabweichung bzw. Volatilität oder At-Risk-Kennzahlen verwendet werden. Die Volatilität beschreibt die gesamte Schwankung der Wertentwicklung einer Risikoposition. Je größer die Volatilität ist, desto größer ist die Schwankung der Wertentwicklung und desto größer ist das Risiko. At-Risk- Kennzahlen beschreiben den maximalen Verlust einer unternehmerischen Zielgröße, z.B. des Gewinns oder des Cash Flows, in Geldeinheiten, der innerhalb eines bestimmten Zeitraums (Haltedauer) mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) nicht überschritten wird. Durch die Einbeziehung von positiven und negativen Zielabweichungen sind diese Risikomaße auch für eher risikoneutrale Entscheider geeignet. Während der Value at Risk i.d.R. in Finanzinstituten zur Steuerung der Marktpreis- und Adressenausfallrisiken zum Einsatz kommt, verwenden Industrie- und Dienstleistungsunternehmen vor allem Earnings at Risk- oder Cash Flow at Risk-Modelle, da der Gewinn und der Cash Flow für diese Untermehmen wesentliche finanzielle Zielgrößen darstellen. Der Earnings at Risik bzw. der Cash Flow at Risk werden i.d.R. auf Basis der Unternehmensplanung unter Zuhilfenahme von Simulationsmodellen ermittelt. 555 Zusätzlich zu At Risk-Kennzahlen können Lower Partial Moments (LPM) als Risikomaße verwendet werden. LPM sind ebenfalls Downside-Risikomaße, die den Verlustbereich einer Verteilung möglicher Wertentwicklungen einer Risikoposition näher untersuchen. Für die Ermittlung der LPM wird zunächst ein Schwellenwert für die gerade noch akzeptierte Wertentwicklung definiert. Anschließend wird die Wertentwicklung der Risikoposition unterhalb dieses Schwellenwertes untersucht. 556 Dabei gibt es verschiedene LPM. Der LPM 0 potenziert alle Unterschreitungen mit dem Faktor 0 und weist ihnen somit den Wert 1 zu. Durch Summation der Zahl der Unterschreitung und anschließender Division mit der Gesamtzahl der beobachteten Wertentwicklungen wird der LPM 0 berechnet, der sich als Eintrittswahrscheinlichkeit einer Unterschreitung des Schwellenwertes interpretieren lässt. Der LPM 1 potenziert die Unterschreitung des Schwellenwertes mit dem Faktor 1 und ermittelt anschließend einen Durchschnittswert aller Unterschreitungen. Der LPM 2 potenziert die Unterschreitungen mit dem Faktor 2 und ermittelt den Durchschnitt der quadrierten Abweichungen. Größere Unterschreitungen erhalten damit ein stärkeres Gewicht. Der LPM 2 lässt sich somit als eine Art Varianz interpretieren. Für die Ermittlung der LPM wird eine historische Simulation benötigt. Sie ersetzen keine VaR-Berechnung sondern ergänzen diese. Die ersten drei Risikokennzahlen lassen sich relativ einfach durch eine szenariobasierte Unternehmensplanung ermitteln. Für die Ermittlung von Volatilitäten, At-Risk- Kennzahlen sowie LPM sind i.d.R. aufwändigere Risikobewertungs- und Simulationsmodelle erforderlich. Zur Abbildung des Risiko-Rendite-Profils von Managemententscheidungen werden risikoadjustierte Erfolgsmaße wie der Return on Risk-adjusted Capitel 555 Vgl. Diederichs (2018), S. 165 ff. 556 Vgl. auch im Folgenden Albrecht/ Huggenberger (2015), S. 47 f.; Wolke (2016), S. 64 ff.; Diederichs (2018), S. 169 f. <?page no="327"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 327 (RORAC) vorgeschlagen. 557 Beim RORAC wird die durch eine Entscheidungsalternative erzielbare erwartete Überrendite ins Verhältnis zu ihrem notwendigen ökonomischen Kapital gesetzt. Das ökonomische Kapitel umfasst das Eigenkapital, das unerwartete Verluste der Alternative bis zu einem bestimmten Konfidenzniveau decken soll. Es wird als Differenz zwischen dem z.B. mittels einer Monte Carlo- Simulation ermitteltem At Risk-Wert der Alternative abzüglich ihrer erwarteten Verluste berechnet. Erwartete Verluste sind über die Risikokosten bei der Alternativenbewertung zu berücksichtigen. Die Überrendite einer Alternative ergibt sich als Differenz zwischen dem geplanten betriebswirtschaftlichen Ergebnis und der risikofreien Rendite einer Alternativanlage. (17) RORAC = �betriebswirtschaftliches Ergebnis − risikofreie Rendite ökonomisches Kapital � ∙ 100% Da der RORAC die geforderte Mindestverzinsung (Hurdle-Rate) eines Unternehmens nicht berücksichtigt, können alternativ der Risk-adjusted Return on Capital berechnet (RAROC) und der Risk-adjusted Return on Risk-adjusted Capital (RARORAC) werden. (18) RAROC = �betriebswirtschaftliches Ergebnis − erwarteter Verlust ökonomisches Kapital � ∙ 100% Der erwartete Verlust wird durch Multiplikation der Eintrittswahrscheinlichkeiten mit den Schadensausmaßen der möglichen Verlustereignisse der Entscheidungsalternative berechnet. (19) RARORAC = RORAC − Hurdle − Rate Zusammenfassung Es gibt verschiedene Arten von Risikokennzahlen, z.B. Frühwarnindikatoren, finanzorientierte Risikokennzahlen oder statistische Risikomaße. Zur Abbildung des Risiko-Rendite-Profils von Entscheidungsalternativen können risikoadjustierte Erfolgsmaße wie der RORAC oder RAROC verwendet werden. 3.4.4.5 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Hier werden Ergebnisse ausgewählter Studien zum Umsetzungsstand und Erfolg von Kennzahlensystemen in der Unternehmenspraxis vorgestellt (vgl. Abb. 225). 557 Vgl. auch im Folgenden Gladen (2011), S. 338 ff.; Brüggemann et al. (2017b), S. 58 ff. <?page no="328"?> 328 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Gräf et al. (2013) Online-Befragung von ca. 1.200 Unternehmen der DACH-Region in 2013, Rücklauf: 142 Fragebögen (12%) Studie 2 Schäffer/ Weber (2015) Panelbefragung von rd. 1.000 Unternehmen, durchschnittliche Rücklaufquote rd. 50% Abb. 225: Studien zu Kennzahlen und Kennzahlensystemen Sowohl Studie 1 als auch Studie 2 können eine klare Dominanz finanzieller Kennzahlen in der Unternehmenspraxis feststellen. So kommt Studie 1 zu dem Ergebnis, dass 62% der Steuerungskennzahlen finanzieller Natur und 28% nicht-finanzieller Natur sind. Bei den restlichen 10% handelt es sich um externe Kennzahlen. Einig sind sich die Unternehmen, dass sie zukünftig - insbesondere zur Unterstützung der Früherkennung den Anteil externer und nicht-finanzieller Kennzahlen ausbauen möchten. 558 Bei den nicht-finanziellen Kennzahlen werden vor allem Prozesskennzahlen betrachtet, während Kunden- und Innovationskennzahlen eine eher untergeordnete Rolle spielen, wie Studie 2 zeigt (vgl. Abb. 226). Abb. 226: Art und Umfang der zur Verfügung stehenden Kennzahlen (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 17) Dementsprechend bewerten die befragten Manager aus Studie 1, dass nur die finanziellen Aspekte des Geschäftsmodells ihres Unternehmens wie die Kosten- und Erlösstruktur überwiegend gut bzw. sehr gut durch Kennzahlen abgebildet werden, während kundenbezogene Aspekte wie Kundenbeziehungen oder prozessbezogene 558 Vgl. Gräf et al. (2013), S. 10. <?page no="329"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 329 Aspekte wie Schlüsselprozesse überwiegend mäßig bis mangelhaft durch Kennzahlen gemessen werden. 559 Die Ergebnisse aus Studie 2 lassen ergänzend den Schluss, dass die zur Verfügung stehenden Kennzahlen nur unzureichend mit der Unternehmensstrategie verknüpft sind. Abb. 227: Art und Umfang der zur Verfügung stehenden Kennzahlen (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 23) Wenn über die Unternehmensstrategie berichtet wird, setzen die Unternehmen vor allem nicht-finanzielle Kunden- und Innovationskennzahlen ein. Zur Berichtsfrequenz der Kennzahlen ermittelt Studie 2, dass finanzielle Kennzahlen überwiegend monatlich, Markt- und Kundenkennzahlen quartalsweise, Prozess- und Mitarbeiterkennzahlen quartalsweise bis monatlich und Innovationskennzahlen halbjährlich reportet werden. Eine häufigere Kennzahlenversorgung wird von den Managern insbesondere bei Markt-, Kunden- und Innovationskennzahlen gewünscht. 560 3.4.4.6 Probleme und Weiterentwicklung Die Probleme des Kennzahleneinsatzes können sich auf Fehler bei der Strukturierung von Kennzahlensystemen, der Kennzahlenkonstruktion und -auswahl und die Nutzung und Anwendung von Kennzahlen beziehen. 561 559 Vgl. Gräf et al. (2013), S. 11. 560 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 17. 561 Vgl. hier und im Folgenden Sandt (2005), S. 440; Weiss et al. (2008), S. 143 ff.; Vanini (2008), S. 534 f.; Joos (2014), S. 74 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 210 ff. <?page no="330"?> 330 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Probleme der Strukturierung Durch die reduzierte Abbildung eines realen Sachverhaltes in einem Modell und die Informationskomprimierung wird die Zielpluralität im Unternehmen vernachlässigt. Vor allem werden nicht-quantifizierbare Sachverhalte ausgeschlossen. Der Anwender muss sich der Unvollständigkeit von Kennzahlensystemen bewusst sein, da ihr Einsatz ansonsten zu Fehlentscheidungen führen kann. Eine sorgfältige Strukturierung auf der Grundlage eines Modells ist für die Aussagekraft eines Kennzahlensystems zwingend notwendig. Tendenzen in den Unternehmen, vorhandene Kennzahlen ohne Bezugsrahmen zu einem Kennzahlensystem zusammenzufassen, sind somit für die Unternehmenssteuerung ungeeignet. Probleme der Kennzahlenauswahl Da es sehr viele Kennzahlen zur Operationalisierung eines betriebswirtschaftlichen Sachverhalts gibt, besteht die Gefahr einer Kennzahleninflation und Informationsüberflutung des Managements. Andererseits bleiben bei der ausschließlichen Verwendung monetärer Kennzahlen Sachziele unberücksichtigt, die für die Steuerung und Leistungsmessung wichtig sind. Dagegen ist bei Verwendung nicht-monetärer, qualitativer Kennzahlen die Messung ihrer Ergebniswirksamkeit ein häufig noch nicht gelöstes Problem. Die Beziehungen zwischen Kennzahlen sind selten vollständig bekannt, so dass Vermutungen über eine Verknüpfung aufgestellt werden müssen. Bei steigender Zahl der Kennzahlen nehmen die möglichen Beziehungszusammenhänge und der Aufwand zu deren Überprüfung überproportional zu, wobei selbst bei einem empirisch bestätigten Zusammenhang keine Kausalität im Sinne einer Ursache-Wirkungsbeziehung vorliegen muss. Probleme der Nutzung von Kennzahlen und Kennzahlensystemen Die Verwendung einzelner, isolierter Kennzahlen zur Abbildung komplexer Sachverhalte birgt die Gefahr des Informationsverlustes und der Fehlinterpretation. Beides kann dazu führen, dass wesentliche Veränderungen oder Einflüsse übersehen oder falsch interpretiert werden. Werden zu viele Kennzahlen bereitgestellt, kann der Adressat die relevanten nicht mehr ausmachen. Zudem besteht das Problem des opportunistischen Ausnutzens der Komplexitätsreduktion, indem sich die Akteure bewusst auf die Erfüllung der Kennzahlen zu Lasten nicht messbarer Sachverhalte beschränken. Als Weiterentwicklungen werden derzeit eine Beschränkung auf wenige strategierelevante Key Performance Indicators, die verstärkte Entwicklung nicht-finanzieller Kennzahlen sowie das Erfassen von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Kennzahlen genannt. 562 Zudem wird vermutet, dass die steigende Verfügbarkeit von Big Data auch Auswirkungen auf die Nutzung von Kennzahlen haben wird: 563 Da durch Big Data das Datenvolumen und die Datenkomplexität steigen, ist eine Reduzierung der daraus resultierenden Informationskomplexität durch geeignete 562 Vgl. Sandt (2005), S. 439 ff., Weiss et al. (2008), S. 146. 563 Vgl. Losbichler/ Gänßlen (2015), S. 312. <?page no="331"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 331 Kennzahlen notwendig. Aufgrund der Vielzahl möglicher Kennzahlen ist die Selektion wirklich relevanter Kennzahlen und ihre Ordnung in einem strukturierten Kennzahlensystem notwendig. Darüber hinaus wird ein verstärkter Einsatz von Frühwarnindikatoren durch die Verfügbarkeit neuer Daten und bessere Analyseansätze unterstützt. 3.4.5 Benchmarking Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie den Begriff Benchmarking definieren und die verschiedenen Arten des Benchmarkings voneinander abgrenzen, wesentliche Inhalte und Funktionen des Benchmarkings erklären, die Schritte des Benchmarkings anhand eines praktischen Fallbeispiels erläutern, die Aufgaben des Controllers beim Benchmarking definieren, Probleme des Benchmarkings erkennen und Lösungsansätze entwickeln. Einstiegsfall: Benchmarking in der Elektromobilität Die Bundesregierung fördert über die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) 564 den zeitnahen Ausbau der Elektromobilität. Die Gründe dafür liegen in dem deutlich geringeren CO 2 Emissionen dieser Fahrzeuge begründet. 564 Vgl. NPE (2018), S. 3. Die NPE wurde 2010 gegründet, um die Elektromobilität zu fördern. Die Intiatoren sind die Bundesregierung, die Industrie, Gewerkschaften und andere Zivilgesellschaftsvertreter. <?page no="332"?> 332 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 228: CO2 Emissionen pro Fahrzeugkilometer über den gesamten Lebenszyklus (Quelle BMUB (2017), abrufbar unter www.bumub.bund.de/ P1572, entnommen aus Nationale Plattform Elektromobilität (2018), S. 14) Bis zum Jahr 2020 sollen deutsche Unternehmen mit Hilfe der NPE zu Leitanbietern und Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität (mit rd. 1 Mio. Elektrofahrzeugen) entwickelt werden. 565 Wichtige Anreize für die Erreichung dieser Ziele sind: 566 monetäre Anreize (z.B. Steuererleichterungen bzw. Steuerbefreiungen, Kaufprämie, Ladestromvergünstigungen und Nachteilsausgleich bei der Maut), nicht-monetäre Anreize (z.B. Sondernutzungsrechte bzw. Privilegierungen) und die geplante Entwicklung der Ladeinfrastruktur. Fragen - Was versteht man unter einem Benchmarking und welche Funktionen hat es? - Bitte führen Sie für Deutschland im Vergleich zu den Niederlanden, Frankreich, Norwegen, UK, USA und China ein Benchmarking der Rahmenbedingungen für die Elektromobilität durch. Zur Strukturierung können Sie die o.g. Anreizkategorien zugrunde legen. 3.4.5.1 Definition, Funktionen und Arten In der Literatur reicht das Benchmarking-Verständnis von einem einfachen Kennzahlenvergleich bis zu einem umfassenden Vergleichs- und Managementprozess einschließlich der Ableitung und Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen. 567 Hier wird Benchmarking als (kontinuierlicher) Prozess des Vergleichs von Messgrößen mit dem Ziel, Leistungslücken zu erkennen und Verbesserungsmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen, verstanden. 568 Benchmarking impliziert somit stets das Ler- 565 Vgl. NPE (2018), S. 3. 566 Vgl. NPE (2018), S. 18. 567 Vgl. Schnupp/ Fritze (2015), S. 567 ff. 568 Vgl. Reichmann et al. (2017), S. 451. <?page no="333"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 333 nen von Anderen. Benchmarking-Objekte können Produkte, Methoden und Prozesse sein, die anhand von Kosten-, Qualitäts- und Zeitzielen (Benchmarking-Ziele) verglichen werden. Als Benchmarking-Partner bezeichnet man die gewählten Vergleichspartner. Dies sollen i.d.R. Leistungsführer im Benchmarking-Bereich sein. 569 Benchmarking hat unterschiedliche Funktionen: 570 Funktionen Erläuterung Zielsetzungsfunktion • Ermittlung von Leistungslücken im Vergleich zum Leistungsführer • Identifikation marktorientierter und erreichbarer Zielvorgaben Erkenntnisfunktion • Ermittlung der Ursachen für die Leistungslücke und der jeweiligen Anpassungsbereiche Implementierungsfunktion • Entwurf und Umsetzung von Aktionsprogrammen zur Erreichung der aus der Leistungslücke abgeleiteten Ziele • Aufbrechen ineffizienter Strukturen durch erprobte Lösungen Abb. 229: Funktionen des Benchmarkings Es gibt unterschiedliche Arten des Benchmarkings. Kriterien Ausprägungen Benchmarking- Objekt Unternehmensbereiche Produkte Prozesse Methoden Benchmarking- Partner andere Bereiche im Unternehmen (internes Benchmarking) Konkurrenten (wettbewerbsorientiertes Benchmarking) Branchengleiche Nicht- Konkurrenten (funktionales Benchmarking) branchenfremde Nicht- Konkurrenten (generisches Benchmarking) Zielbzw. Messgröße Kosten Qualität Zeit Kundenzufriedenheit Abb. 230: Systematisierung von Benchmarking (Quelle: In Anlehnung an Horváth et al. (2015), S. 204) Die Benchmarking-Partner und damit die Arten des Benchmarkings können wie folgt unterschieden werden: 571 Beim internen Benchmarking können beispielsweise zwei 569 Vgl. auch im Folgenden Riegler (2002), Horváth et al. (2015), S. 204 f. 571 Vgl. auch im Folgenden Friedl (2013), S. 339 ff.; Schnupp/ Fritze (2015), S. 569, Weber/ Schäffer (2016), S. 382 ff. 571 Vgl. auch im Folgenden Friedl (2013), S. 339 ff.; Schnupp/ Fritze (2015), S. 569, Weber/ Schäffer (2016), S. 382 ff. <?page no="334"?> 334 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe dezentrale Einheiten bzw. Leistungsbereiche, z.B. verschiedene Filialen eines Handelsunternehmens, miteinander verglichen werden. Benchmarking-Objekt sind i.d.R. Prozesse und Methoden. Die Vorteile liegen in der einfachen Informationssammlung und der hohen Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Zudem lassen sich die Lösungen oft leicht imitieren. Das Vertraulichkeitsproblem ist gering, aber das Lernpotenzial ebenso. Die gute Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit der Lösungen sind wesentliche Vorteile des Benchmarkings mit direkten Wettbewerbern. Hier werden neben Prozessen und Methoden häufig auch Produkte verglichen. Nachteilig wirken sich beim wettbewerbsorientierten Benchmarking die Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung, da die Wettbewerber Anreize zur Informationsweitergabe erhalten müssen, sowie die Gefahr der Übernahme suboptimaler Lösungen aus. Darüber hinaus können keine wesentlichen Vorsprünge vor den Wettbewerbern generiert werden. Grundidee des funktionalen Benchmarkings ist, dass die besten Anregungen und Neuerungen durch die Analyse von Nicht-Konkurrenten entstehen. Benchmarking- Objekt sind hier typische Prozesse bestimmter Funktionsbereiche z.B. der Logisitik. Wesentliche Vorteile sind die relativ unproblematische Informationsbeschaffung, das innovative Lösungspotenzial, die Erlangung echter Wettbewerbsvorteile und die hohe Akzeptanz der Lösungen. Problematisch ist die geringe unmittelbare Vergleichbarkeit der Lösungen. Die Vor- und Nachteile des funktionalen Benchmarkings werden durch das generische Benchmarking noch verstärkt. Insbesondere die Übertragbarkeit der Lösungen und der hohe Arbeitsaufwand können sich nachteilig auf den Erfolg des Benchmarkings auswirken. 572 Benchmarking-Objekt sind hier oft funktionsübergreifende Prozesse. Dieser Ansatz ist sehr kreativ und damit das mögliche Lernpotenzial hoch. Die folgende Abbildung fasst die Stärken und Schwächen der einzelnen Verfahren noch einmal zusammen. Abb. 231: Bewertung der einzelnen Benchmarking-Arten (Quelle: Weber/ Wertz (1999), S. 13, entnommen aus Weber/ Schäffer (2016), S. 382) 572 Vgl. Riegler (2002), S. 128, Weber/ Schäffer (2016), S. 382. <?page no="335"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 335 Lösungshinweise zum Einstiegsfall Anbei finden Sie das Benchmarking des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) zur Einstiegsfrage. Der Standort Deutschland schneidet wie folgt ab: Die Steuererleichterungen beziehen sich u.a. auf die Kfz-Steuer. So sind die Fahrer eines Elektro-Autos für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit. Die Kaufprämie (d.h. Umweltpämie) beträgt insgesamt 4.000 EUR für Elektroautos mit einem Nettolistenpreis bis zu 60 TEUR und ist insgesamt auf 1,2 Mrd. EUR limitiert. Bezüglich der Sondernutzungsrechte können auf der Grundlage des am 6. Juni 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Bevorrechtigung der Verwendung elektrisch betriebener Fahrzeuge (Elektromobilitätsgesetz - EmoG) Maßnahmen zur Bevorrechtigung von elektrischen Fahrzeugen im Straßenverkehr ermöglicht werden. Dazu zählen zusätzliche Parkmöglichkeiten, geringere Parkgebühren und Sondernutzungrechte, die von den Kommunen bestimmt werden können. Die Anzahl der Ladepunkte soll durch staatliche Investionen der Bundesregierung i.H.v. 300 Mio. EUR in den nächsten Jahren deutlich erhöht werden. Abbildung 232 zeigt die Ergebnisse eines internationalen Benchmarkings hinsichtlich der Rahmenbedingungen für Elektromobilität. Abb. 232: Internationale Rahmenbedingungen für Elektromobilität (Quelle VDA, Expertenschätzung, November 2017, entnommen aus NPE (2018), S. 18) 3.4.5.2 Ablauf Beispielfall: Benchmarking des Vertriebs der Grunwaldt GmbH Bei der Grunwaldt GmbH gibt es Überlegungen, den Vertrieb umzustruktieren, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Herr Grunwaldt beauftragt Sie als Controller, ein Benchmarking der Vertriebsprozesse durchzuführen. Sie entscheiden sich für ein wettbewerbsorientiertes Benchmarking. <?page no="336"?> 336 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Sie wenden sich an den Verband der mittelständischen Möbelproduzenten und bitten um Mithilfe bei der Auswahl von geeigneten Vergleichspartnern. Tatsächlich finden sich zwei vergleichbare Benchmarking-Partner. In mehrtägigen Interviews ermitteln Sie in detaillierter Form die Vertriebsprozesse aller drei Unternehmen und erheben die notwendigen Informationen hinsichtlich der entsprechenden Einzelkosten, der Gemeinkosten sowie der Kapazitäten, Anzahl der Angebote und Aufträge, der Reklamationen sowie der Anzahl der Stammbzw. Neukunden. Grunwaldt GmbH BM-Partner 1 BM-Partner 2 Einzelkosten je Teilprozess in € - Reklamation - Messebesuch - Kundenbetreuung - Kundenakquisition - Angebotserstellung - Verkaufsunterlagen - Auftragsbearbeitung 75,- 75,- 20,- 80,- 100,- 30,- 100,- 100,- 50,- 10,- 40,- 80,- 15,- 250,- 50,- 200,- 30,- 100,- 50,- 50,- 80,- Gemeinkosten in € - Abteilung leiten - Seminarteilnahme - Sekretariat 110.000,- 30.000,- 30.000,- 120.000,- 70.000,- 30.000,- 195.000,- 100.000,- 45.000,- Gesamtumsatz in € 12.000.000,- 15.000.000,- 20.000.000,- Kostenstellenkapazität in Vollzeitarbeitskräften (VAK) 573 5 8 10 Anzahl der Angebote 1.750 3.000 3.000 Anzahl der Aufträge 1.250 1.750 2.600 Anzahl der Reklamationen 75 300 32 Anzahl der Stammkunden 200 160 420 Anzahl der Neukunden 40 20 150 Die Teilprozesse lassen sich den Hauptprozessen Angebotsabgabe oder Auftragsabwicklung zuordnen. 573 VAK = Vollzeitarbeitskräfte. <?page no="337"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 337 Fragen Vergleichen Sie die Kosten der Angebotsabgabe und der Auftragsabwicklung. Welche Abteilung arbeitet am kostenwirtschaftlichsten, welche am erfolgreichsten (effektivsten)? Welche Probleme könnten bei der Interpretation der Zahlen auftreten? Schlagen Sie weitere Vergleichskennzahlen vor. Welches der Unternehmen ist Ihrer Meinung nach Best-Practice? Was könnten die anderen Unternehmen vom besten Vertrieb lernen? Der Prozess des Benchmarkings setzt sich aus der Vorbereitungs-, Analyse- und Umsetzungsphase zusammen (vgl. Abb. 233). Abb. 233: Ablauf eines Benchmarkings (Quelle: Fischer et al. (2015), S. 385) In der Vorbereitungsphase wird zunächst das Benchmarking-Objekt ausgewählt. Als Benchmarking-Objekt sind erfolgsrelevante Produkte, Prozesse oder Methoden geeignet. Ausgehend vom Problembereich des Benchmarking-Objekts sind die dahinterstehenden Prozesse zu analysieren. Das Benchmarking-Objekt bestimmt das Benchmarking-Team. Danach werden Leistungsbeurteilungsgrößen für das Benchmarking-Objekt festgelegt. Leistungsbeurteilungsgrößen sind z.B. der Input eines Prozesses, die Prozessdauer, der Prozessoutput und die Kundenzufriedenheit. Dabei werden Wertgrößen z.B. Kosten, Zeitgrößen z.B. Lieferzeiten und Mengengrößen z.B. Ausschussquoten unterschieden. Es sollten Leistungs- und Strukturkennzahlen ausgewählt werden, um Ursachen und Wirkungen von Leistungsunterschieden der Benchmarking-Objekte aufzudecken. Zum Abschluss der Vorbereitungsphase erfolgt die Auswahl des Benchmarking- Partners. Es muss entschieden werden, ob ein internes, wettbewerbsorientiertes, funktionales oder generisches Benchmarking durchgeführt werden soll. Bei erstmaliger Durchführung ist oftmals ein internes Benchmarking sinnvoll, um Erfahrungen <?page no="338"?> 338 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe insbesondere hinsichtlich der Leistungsbeurteilungsgrößen zu sammeln. Dann erfolgen die Auswahl und die Ansprache der Vergleichsunternehmen ggf. mit Unterstützung externer Organisationen. Die Analysephase beginnt mit der Informationssammlung zu den Leistungsbeurteilungsgrößen für das eigene Unternehmen und die Benchmarking-Partner. Es werden sekundäre Informationsquellen, z.B. Firmenpublikationen, Tagungen und Verbandsinformationen, analysiert. Bei Einwilligung des Benchmarking-Partners werden Primärinformationen, z.B. durch Fragebögen, Interviews oder Firmenbesichtigungen, erhoben. Werden Informationen ohne Kontaktaufnahme mit den Vergleichsunternehmen über Verbände und Benchmarking-Agenturen gewonnen, liegt ein verdecktes Benchmarking vor. Beim kooperativen Benchmarking handelt es sich um einen freiwilligen Informationsaustausch zwischen Vergleichspartnern auf der Grundlage einer Vereinbarung. Danach werden die Leistungsbeurteilungsgrößen verglichen und Kostenbzw. Leistungslücken identifiziert und analysiert sowie ihre Ursachen ermittelt. Dabei werden die Prozess-Inputs, z.B. Personal und Sachmittel, die Konfiguration der Prozesse und der Prozess-Output anhand von Kennzahlen betrachtet. Die Vor-Ort- Analyse der Prozesse beim Benchmarking-Partner ist dann notwendig, wenn anhand des Kennzahlenvergleichs keine Ursachen der Leistungslücken identifiziert werden können. Die Ergebnisse werden der Geschäftsführung und den Prozessverantwortlichen mitgeteilt. In der Umsetzungsbzw. Verbesserungsphase werden Ziele und Strategie sowie Aktionsprogramme zum Schließen der Leistungslücke festgelegt und die Verantwortlichen für die einzelnen Maßnahmen benannt. Die Realisation der Aktionsprogramme wird durch ein Projektteam begleitet und kontrolliert. Lösungshinweise zum Beispielfall Die Teilprozesse Messebesuch, Kundenakquisition, Verkaufsunterlagen und Angebotserstellung ordnen Sie dem Hauptprozess Angebotsabgabe, die Teilprozesse Auftragsbearbeitung, Kundenbetreuung und Reklamation dem Hauptprozess Auftragsabwicklung zu. Auf Grundlage der Zahlen erstellen Sie diesen Kostenvergleich. Prozesse Grunwaldt GmbH Benchmarking- Partner 1 Benchmarking- Partner 2 Messebesuch + Kundenakquisition + Verkaufsunterlagen + Angebotserstellung 75,- 80,- 30,- 100,- 50,- 40,- 15,- 80,- 200,- 100,- 50,- 50,- Summe Einzelkosten Angebotsabgabe in € 285,- 185,- 400,- <?page no="339"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 339 Auftragsbearbeitung + Kundenbetreuung + Reklamationsbearbeitung 100,- 20,- 75,- 250,- 10,-- 100,-- 80,- 30,- 50,- Summe Einzelkosten Auftragsabwicklung in € 195,- 360,-- 160,- Summe Einzelkosten gesamt in € 480,- 545,-- 560,- Abteilung leiten + Seminarteilnahme + Sekretariat 110.000,- 30.000,- 30.000,- 120.000,-- 70.000,-- 30.000,-- 195.000,- 100.000,- 45.000,- Summe Gemeinkosten in € 170.000,- 220.000,-- 340.000,- Insgesamt weist die Grunwaldt GmbH die geringsten Einzelkosten im Vertrieb auf. Allerdings hat Benchmarking-Partner 1 die niedrigsten Einzelkosten in der Angebotsabgabe, während Benchmarking-Partner 2 die geringsten Einzelkosten in der Auftragsabwicklung hat. Auffällig ist insbesondere, dass Benchmarking- Partner 2 am stärksten in die Messebesuche und die Kundenakquisition investiert und mit den geringsten Einzelkosten in der Auftrags- und der Reklamationsbearbeitung auskommt. Problematisch ist, dass ein reiner Kostenvergleich nichts über den Erfolg der Vertriebsprozesse aussagt. Darüber hinaus lassen sich die Gemeinkosten aufgrund der unterschiedlichen Unternehmensgrößen nicht direkt vergleichen. Daher ist die Ermittlung weiterer Kennzahlen notwendig. Sie entscheiden sich für die Berechnung einer Erfolgsquote als Maßgröße für die direkte Vertriebseffektivität und den Umsatz je Mitarbeiter bzw. je Kunden als Indikator für den wirtschaftlichen Erfolg des Vertriebs, eine Reklamationsquote als Qualitätsmaßgröße, die anteiligen Vertriebskosten am Umsatz als Indikator für die Vertriebskosteneffizienz und die Akquisitionsquote als Maßstab für die Neukundengewinnung und den künftigen Vertriebserfolg. Kennzahlen Grunwaldt GmbH Benchmarking- Partner 1 Benchmarking- Partner 2 Gemeinkosten/ Kapazität 34.000,- €/ VAK 27.500,- €/ VAK 34.000,- €/ VAK Anzahl Angebote/ VAK Anzahl Aufträge/ VAK 350 Stück/ VAK 250 Stück/ VAK 375 Stück/ VAK 219 Stück/ VAK 300 Stück/ VAK 260 Stück/ VAK <?page no="340"?> 340 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Erfolgsquote = Anzahl Aufträge/ Anzahl Angebote 71% 58% 87% Reklamationsquote = Anzahl Reklamationen/ Anzahl Aufträge 6% 17% 1% Vertriebskosten gesamt in € Vertriebskosten/ Umsatz 912.500,- 7,6% 1.405.000,- 9,4% 1.956.000,- 9,8% Umsatz/ Mitarbeiter Umsatz/ Kunde 2.400.000,- €/ VAK 50.000,- €/ Kunde 1.875.000,- €/ VAK 83.333,- €/ Kunde 2.000.000,- €/ VAK 35.088,- €/ VAK Akquisitionsquote = Anzahl Neukunden/ Anzahl Stammkunden 20% 12,5% 36% Der Analyse ist zu entnehmen, dass Benchmarking-Partner 2 den größten Vertriebserfolg aufweist, da das Unternehmen mit 87% die meisten Aufträge relativ zu den abgegebenen Angeboten erhält und zudem mit 36% die meisten Neukunden relativ zum vorhandenen Kundenstamm akquiriert. Zudem weist das Unternehmen eine hohe Qualität des Vertriebsprozesses auf, was sich an der geringen Reklamationsquote von 1% festmachen lässt. Möglicherweise hat Benchmarking-Partner 2 einen großen Vertriebserfolg, weil er stark in die Teilprozesse Messebesuch und Kundenakquisition investiert. Das Gegenbeispiel ist Benchmarking-Partner 1, da das Unternehmen zwar die geringsten Kosten bei der Angebotsabgabe hat, dies jedoch mit sehr hohen Kosten bei der Auftragsabwicklung, einer hohen Reklamationsquote und dem geringsten Vertriebserfolg bezahlt. Zudem weist es eine hohe Reklamationsquote auf. Aufgrund der geringen Akquisitionsquote ist zu vermuten, dass der wirtschaftliche Erfolg in der Zukunft gefährdet ist. Die Grunwaldt GmbH ist das kostenwirtschaftlichste Unternehmen, sollte aber vom Benchmarking-Partner 2 lernen, wie der Vertriebserfolg verbessert werden kann. Des Weiteren zeigt die Analyse, dass die drei Unternehmen einen unterschiedlichen Umsatz je Kunden aufweisen. Das Benchmarking sollte daher um eine Kundenstrukturanalyse ergänzt werden, um die Vergleichbarkeit der Benchmarkingergebnisse zu validieren. 3.4.5.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Hier werden Ergebnisse ausgewählter Studien zum Umsetzungsstand und Erfolg des Benchmarking in der Unternehmenspraxis vorgestellt (vgl. Abb. 234). <?page no="341"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 341 Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Krolak et al. (2011) schriftliche Befragung von 700 norddeutschen Familienunternehmen, Rücklaufquote: 9% Studie 2 Schäffer/ Weber (2015) Befragung von rd. 1.000 Führungskräften im Rahmen des WHU Controller Panels, durchschnittliche Rücklaufquote rd. 50% Abb. 234: Studien zum Benchmarking Das Benchmarking hat eine hohe Bedeutung im Controlling von mittelständischen Familienunternehmen. So nutzen rd. 40% der Teilnehmer in Studie 1 Benchmarking und schätzen die künftige Bedeutung weiterhin auf diesem Niveau ein. Abb. 235: Überblick über die aktuelle Nutzung und den Trend hinsichtlich ausgewählter Controlling Instrumente (Quelle: Krolak et al. (2011), S. 21) In Studie 2 bestätigen S CHÄFFER und W EBER ebenfalls die hohe Bedeutung des Benchmarkings, insbesondere für den Bereich der großen Unternehmen. Wie die folgende Abbildung zeigt, wird Benchmarking von allen Controlling-Instrumenten am intensivsten eingesetzt. 574 Zudem zeigt die Studie, dass börsennotierte Unternehmen Benchmarking häufiger einsetzen als nicht börsennotierte Unternehmen und Familienunternehmen. Des Weiteren nutzen erfolgreiche Unternehmen diese Controlling-Instrumente intensiver als weniger erfolgreiche Unternehmen. 575 574 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 104. 575 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 104. <?page no="342"?> 342 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 236: Nutzungsgrad ausgewählter Controlling-Instrumente (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 104) 3.4.5.4 Probleme und Weiterentwicklung Der Nutzen eines Benchmarkings besteht vor allem darin, dass erreichbare Leistungsziele und bereits erfolgreiche Maßnahmen abgeleitet werden können. Dies erhöht die Akzeptanz der Aktionsprogramme bei den Mitarbeitern. Benchmarking kann somit Lern- und Veränderungsprozesse initiieren sowie Lern- und Innovationszyklen verkürzen. Bei einem funktionalen oder generischen Benchmarking können zudem echte Prozessinnovationen entwickelt werden, indem Lösungsansätze aus anderen Branchen im eigenen Unternehmen adaptiert werden. 576 Allerdings besteht die Gefahr, fremde Lösungen zu unkritisch zu übernehmen. Zudem kann ein reines Kopieren erfolgreicher Konzepte die eigene Innovationsfähigkeit schwächen und den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen erschweren. Außerdem kann ein Benchmarking je nach Ausgestaltung erhebliche Kosten verursachen. Es wird vermutet, dass das informelle Benchmarking durch den Aufbau von Benchmarking-Netzwerken mit langjährigen Zulieferern und Kunden an Bedeutung gewinnen wird. Zudem ermöglichen spezielle Datenbanken ein kontinuierliches Benchmarking. Des Weiteren bietet die Digitalisierung der Geschäftsprozesse einen neuen Informationsspeicher für ein laufendes Benchmarking. Allerdings müssen die Mitarbeiter auch entsprechend geschult und auf dieses Themenfeld vorbereitet werden, um die Potenziale entsprechend nutzen zu können. 577 576 Vgl. Siepmann (2018), S. 4. 577 Vgl. auch im Folgenden Riegler (2002), S. 132 f.; Weber/ Wertz (2005), S. 414 f. sowie S. 435. <?page no="343"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 343 Zusammenfassung Benchmarking kann von einem einfachen Kennzahlenvergleich bis hin zu einem umfassenden Vergleichs- und Managementprozess reichen. Ziele des Benchmarkings sind, Leistungslücken zu erkennen und Verbesserungsmaßnahmen umzusetzen. Für das Benchmarking können verschiedene Zielgrößen z.B. Kosten, Qualität, etc. gewählt werden. Es gibt internes, wettbewerbsorientiertes, funktionales und generisches Benchmarking. Der Ablauf des Benchmarkings kann in drei Phasen (Vorbereitung, Analyse und Umsetzung) differenziert werden. Studien zeigen eine hohe Bedeutung des Benchmarkings in der Praxis. 3.4.6 Investitionscontrolling Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Bedeutung des Investitionscontrollings einschätzen, verschiedene Investitionsarten unterscheiden sowie den Ablauf eines Investitionsprozesses erläutern, Investitionsrechenverfahren nach verschiedenen Kriterien klassifizieren, statische und dynamische Investitionsrechenverfahren unter Sicherheit erklären und praktisch anwenden, Investitionsrechenverfahren unter Unsicherheit erläutern und an einfachen Fallbeispielen umsetzen, den Ablauf eines Investitionsentscheidungsprozess in einem DAX-30 Unternehmen nachvollziehen, den Umsetzungsstand des Investitionscontrollings in der Unternehmenspraxis beurteilen sowie mögliche Umsetzungsprobleme und Weiterentwicklungsansätze diskutieren. <?page no="344"?> 344 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Einstiegsfall: 578 Die Lauter GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen der Audiotechnik- Branche. Um der gestiegenen Nachfrage ihrer Produkte (Kopfhörer) gerecht zu werden, soll die Produktion durch den Kauf einer neuen Fertigungsmaschine ausgeweitet werden. Herr Schulze ist Controller des Unternehmens und unter anderem zuständig für Investitionsentscheidungen. Der Geschäftsführer Herr Schmidt hat Herrn Schulze damit beauftragt, die nötigen Informationen für das Vorhaben einzuholen, geeignete Alternativen auszuwählen und eine Empfehlung hinsichtlich der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit auszusprechen. Von besonderem Interesse für Herrn Schmidt ist die Berücksichtigung der Unsicherheit der Investitionsentscheidung. Mit dem Abteilungsleiter der Produktion hat Herr Schulze die Anforderungen an die neue Maschine abgestimmt und zwei geeignete Alternativen ausgewählt. Abkürzung Anlage 1 Anlage 2 Anschaffungskosten (Euro) A 0 50.000 60.000 Nutzungsdauer (Jahre) n 4 4 Kalkulationszinssatz (p.a.) i 6% 6% Auslastung/ Kapazität (Stück/ p.a.) x t=1: 5.000 t=1: 5.000 t=2: 5.000 t=2: 5.200 t=3: 5.000 t=3: 5.200 t=4: 5.000 t=4: 5.375 Materialkosten (Euro/ Stück) Km 1,5 1,2 Lohn- und Gehaltskosten (Euro/ Stück) Kl 5 5 Energiekosten (Euro/ Stück) Ke 2,5 2,4 sonst. variable Kosten (Euro/ Stück) Kv 4,5 4,5 Fixe Kosten (Euro) Kf 10.000 10.000 Absatzpreis (Euro) p 18,50 18,50 Fragen - Mit Hilfe welcher Investitionsrechenverfahren unter Sicherheit lässt sich eine Investitionsentscheidung treffen? - Wie lässt sich Unsicherheit in der Investitionsentscheidung berücksichtigen? - Welche Besonderheiten ergeben sich, falls es sich nicht um sich gegenseitig ausschließende Investitionsalternativen sondern um ein Investitionsprogramm handelt? - Wie können nicht-monetäre Kriterien in die Investitionsentscheidung mit einbezogen werden? 578 Zu den folgenden Ausführungen haben Natascha Mai und Imke Meyer im Rahmen ihrer Hausarbeit im Masterstudiengang Unternehmensentwicklung an der Hochschule Hannover einen wesentlichen Beitrag geleistet. <?page no="345"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 345 3.4.6.1 Definition und Arten Eine einheitliche Definition des Begriffs Investition existiert weder in der betriebswirtschaftlichen Literatur noch in der Praxis. Allgemein kann eine Investition als „langfristige Kapitalbindung in einen Vermögenswert“ 579 verstanden werden. Während in einer engeren Definition der Investitionsbegriff auf materielle physische Güter (Sachinvestitionen) begrenzt ist, werden in einer umfassenderen Definition auch immaterielle Investitionen z.B. Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Investitionen in Finanzanlagen, z.B. das Eingehen langfristiger Beteiligungen, einbezogen. 580 Investitionen lassen sich nach verschiedenen Kriterien differenzieren. Nach dem Investitionszweck lassen sich Neuinvestitionen, z.B. für die Errichtung neuer Zweigstellen oder den Aufbau einer neuen Fertigung, Erweiterungs- oder Ergänzungsinvestitionen zum Ausbau vorhandener Kapazitäten sowie Ersatzinvestitionen für vorhandene Anlagen unterscheiden. Die Unterscheidung nach dem Investitionsbereich umfasst Investitionen in den Auf- und Ausbau des Produktionsapparates oder der Organisation, Finanzinvestitionen sowie Investitionen in den Personal- und Sozialbereich, den Absatzbereich und die Forschung und Entwicklung. 581 B ECKER schlägt dagegen eine Unterscheidung in Sach-, Finanz- und immaterielle Investitionen vor. Sachinvestitionen dienen der Herstellung und Anschaffung von Sachvermögen. Dazu zählen beispielsweise technische Anlagen und Maschinen sowie Grundstücke und Gebäude. Finanzinvestitionen umfassen u.a. Beteiligungen, langfristige Kredite und Aktien. Immaterielle Investitionen betreffen den Aufbau oder Erwerb von Lizenzen und Patenten, aber auch nicht bilanzierbare Investitionen wie z.B. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder F&E-Kosten. 582 Die Investitionsarten der Bereiche können wiederum den Sach-, Finanz- und immateriellen Investitionen zugeordnet werden. Der Investitionsprozess kann in vier Phasen untergliedert werden und umfasst eine Planungs-, eine Entscheidungs-, eine Realisierungs- und eine Kontrollphase 583 (Abb. 237). Die Planungsphase beginnt mit der Anregung einer Investition. Mit der Problemanalyse wird eine Investitionsidee entwickelt. Der Entscheider muss außerdem eine Analyse der Ausgangssituation durchführen und über Kenntnisse der Ziele seiner Investitionstätigkeit verfügen, denn nur so können Entscheidungskriterien für die Bewertung der verschiedenen Investitionsalternativen abgeleitet werden. Im zweiten Schritt der Planungsphase werden Investitionsalternativen ermittelt und wesentliche Investitionsdaten, z.B. die Anschaffungskosten oder die Nutzungsdauer, aufgelistet. 579 Bieg et al. (2015), S. 22. 580 Vgl. Horváth & Partners (2016), S. 68. Im Folgenden wird der umfassende Investitionsbegriff zugrunde gelegt. 581 Vgl. Schuster/ Rüdt von Collenberg (2017), S. 9. 582 Vgl. Becker/ Peppmeier (2018), S. 37 f. 583 Teilweise wird die Entscheidungsphase auch in eine Investitionsbewertungs- und eine Investitionsentscheidungsphase unterteilt; vgl. Hofmann/ Hierl (2015), S. 9 ff. <?page no="346"?> 346 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 237: Phasen eines Investitionsprozesses (Eigene Darstellung in Anlehnung an Schäfer- Kunz/ Vahs (2012), S. 548) 585 Außerdem werden die Alternativen mittels Umwelt- und Unternehmensanalysen untersucht. Allerdings kann durch die vorformulierte Zielsetzung bereits eine Vorauswahl getroffen werden, bei der nicht realisierbare, offensichtlich unbrauchbare oder ineffiziente Lösungen ausscheiden. Da es sich bei den zu selektierenden Alternativen immer um Zukunftsereignisse handelt, sind Prognose- und Schätzverfahren zur Ermittlung der Handlungskonsequenzen notwendig. 586 In der Entscheidungsphase werden die nach der Vorauswahl verbleibenden Investitionsalternativen bewertet. Die Alternativen werden zunächst hinsichtlich der monetären Zielsetzung des Entscheiders mithilfe von Investitionsrechenverfahren (IRV) quantitativ bewertet. Dabei ist zu beachten, dass alle Handlungsalternativen nach derselben Methode bewertet werden müssen. Parallel wird oft eine Beurteilung hinsichtlich qualitativer Kriterien, z.B. mittels einer Nutzwertanalyse, vorgenommen. Auch Chancen und Risiken werden analysiert. Auf Basis der Beurteilungen erfolgt die Entscheidung für eine Investitionsalternative. Da Unternehmen häufig gleichzeitig 585 Zu den Phasen eines Investitionscontrollings vgl. auch Hofmann/ Hierl (2015), S. 8 ff. 586 Vgl. Bieg et al. (2015), S. 31 f.; Schäfer-Kunz/ Vahs (2012), S. 549 f.; Heesen (2016), S. 4. <?page no="347"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 347 Investitionen in verschiedenen Bereichen durchführen müssen, jedoch nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um alle Investitionen durchzuführen, bedarf es der Priorisierung von Alternativen und der Aufstellung eines Investitionsprogramms. Folglich ist eine Abstimmung mit der Finanzplanung notwendig. 588 In der Realisationsphase wird die Investition durchgeführt. Das bedeutet, dass das Investitionsobjekt bestellt, gekauft und in Betrieb genommen wird. In der Kontrollphase findet die Messung der Zielerreichung durch die Investition statt. Es wird zum einen geprüft, ob die Investitionsvorhaben wie geplant realisiert worden sind. Zum anderen wird untersucht, ob die Investitionen die erwarteten Ergebnisse erzielen konnten. Die Soll-Ist-Vergleiche werden jedoch nicht nur zum Ende des Investitionsprozesses durchgeführt, sondern bereits während der Realisationsphase. Bei Abweichungen von Planungswerten müssen ggf. geeignete Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden. 589 Das Investitionscontrolling unterstützt das Management bei Investitionsentscheidungen, indem es das Management mit entscheidungsrelevanten Informationen sowie mit Methoden und Modellen zur Bewertung von Investitionen versorgt, damit das Management die Investitionen auswählt, die am meisten zu den Unternehmenszielen beitragen. 590 Aufgrund der besonderen Bedeutung der Auswahl und des Einsatzes von Investitionsrechenverfahren für das Controlling werden diese im Folgenden erörtert. 3.4.6.2 Investitionsbewertung Grundlagen Grundlage jeder Investitionsentscheidung ist die Bewertung der Vorteilhaftigkeit der Investition. Die folgende Abbildung 238 gibt einen Überblick über mögliche Investitionsrechenverfahren (IRV) unter Sicherheit und unter Unsicherheit. Auf einer ersten Ebene lassen sich Verfahren unter Sicherheit bzw. unter Unsicherheit, auf einer zweiten Ebene Einzel- und Programmentscheidungen differenzieren. Bei IRV unter Sicherheit geht der Investor von sicheren Erwartungen bezüglich der wesentlichen Investitionsparameter, z.B. der prognostizierten Ein- und Auszahlungen des Investitionsobjektes, aus. Bei ausgewählten Investitionen kann diese Annahme realistisch sein, z.B. wenn ein Unternehmen langfristige Verträge sowohl mit Lieferanten als auch Kunden abschließt. Dann sind sowohl die Kosten als auch die Erlöse des Projektes im Voraus bekannt. IRV unter Sicherheit sind die Grundlage der Investitionsbewertung. 591 588 Vgl. Bieg et al. (2015), S. 31 f.; Schäfer-Kunz/ Vahs (2012), S. 549 f.; Heesen (2016), S. 4 f ; Hofmann/ Hierl (2015), S.11. 589 Vgl. Bieg et al. (2015), S. 32.; Hofmann/ Hierl (2015), S. 12 f.; Heesen (2016), S. 4 f.; Schäfer-Kunz/ Vahs (2012), S. 549 f. 590 Vgl. Ossadnik (2003), S. 471 f. 591 Vgl. Schuster/ Rüdt von Collenberg (2017), S. 11. <?page no="348"?> 348 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 238: Übersicht der Investitionsrechenverfahren (IVR) (Quelle: Eigene Erstellung auf der Grundlage von Müller (2014), S. 360; Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 20 ff.) In der Realität existieren zahlreiche unsichere Einflussfaktoren auf die Vorteilhaftigkeit eines Investitionsobjektes. So können Produktionsfaktoren wie Löhne und Gehälter teurer werden, was sich auf die Auszahlungen des Investitionsobjektes negativ auswirkt. Außerdem kann die Marktentwicklung den Preis eines Produktes beeinflussen, was wiederum den Rückfluss der Investition verändert. Auch schwankende Zinssätze, Wechselkurse und Gesetzesgrundlagen können Chancen und Risiken darstellen und spielen daher bei der Prognose der zu erwartenden Cash Flows eine wichtige Rolle. Wenn bei Investitionen für mindestens eine Investitionsalternative mehrere Ergebnisse möglich sind, handelt es sich um Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit, die sich wiederum in Entscheidungen unter Risiko und unter Ungewissheit unterteilen lassen. Ungewissheit liegt vor, wenn der Entscheider nur über unvollständige Informationen über die wesentlichen Investitionsparameter verfügt und somit keine konsistenten Szenarien über deren Zukunftsentwicklungen bilden und mit Eintrittswahrscheinlichkeiten belegen kann. Bei Entscheidungen unter Risiko kann der Entscheider dagegen objektive oder subjektive Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten dieser Parameter generieren. 593 593 Vgl. Schuster/ Rüdt von Collenberg (2017), S. 13. <?page no="349"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 349 Hinsichtlich des Kriteriums Einzel- oder Programmentscheidung ist die Fragestellung relevant, ob eine Auswahl aus sich gegenseitig ausschließenden Investitionsalternativen getroffen oder die Vorteilhaftigkeit eines Investitionsprogramms untersucht werden soll. Ein Investitionsprogramm besteht aus mehreren isolierten oder aber sich gegenseitig ergänzenden Projekten zu einem Zeitpunkt oder aus deren Abfolge über mehrere Perioden hinweg, die gleichzeitig realisiert werden sollen. 594 Den oben beschriebenen IRV liegt die Annahme zugrunde, dass sich der Nutzen einer Investition vollständig monetär ausdrücken lässt. Ist dies nicht möglich, muss die Investitionsentscheidung anhand alternativer qualitativer Kriterien bewertet werden. Eine zu diesem Zweck entwickelte Methode stellt die Nutzwertanalyse dar. Die Nutzwertanalyse ist ein Instrument zur mehrdimensionalen Bewertung von Handlungsalternativen und bietet den Rahmen für eine systematische und nachvollziehbare Strukturierung von Entscheidungsinformationen, denen stellenweise subjektive Urteile zugrunde liegen. 595 Da eine Erörterung aller Investitionsrechenverfahren den Umfang des Kapitels sprengen würde, werden im Folgenden ausgewählte Methoden vorgestellt. Investitionsrechenverfahren unter Sicherheit Bei statischen Verfahren der Investitionsrechnung wird (außer bei der Amortisationsrechnung) mit Durchschnittswerten operiert. So wird der Ein-Jahres-Zeitraum als repräsentativ für die gesamte Nutzungsdauer der Investitionsmaßnahme vorausgesetzt. Der Zeitwert des Geldes, d.h. der unterschiedliche Wert der Ein- und Auszahlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, wird nicht berücksichtigt. Die verwendeten Rechengrößen für die Bestimmung der Vorteilhaftigkeit sind der Ertrag und der Aufwand bzw. die Kosten und Erlöse des Investitionsobjektes. 596 Die folgende Abbildung gibt eine Übersicht über Verfahren der IRV unter Sicherheit. 594 Zu Programmentscheidungen vgl. stellvertretend Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 239 ff.; Becker/ Peppmeier (2018), S. 74 ff. 595 Vgl. Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 313; Weber/ Schäffer (2016), S. 328 596 Vgl. Schäfer-Kunz/ Vahs (2012), S. 559; Müller (2014), S. 365 f.; Schuster/ Rüdt von Collenberg (2017), S. 16 u. 18.; Becker/ Peppmeier (2018), S. 39 ff. IRV Vorgehensweise Vorteilhaftigkeit Anwendung Kostenvergleichsrechnung Ausschließliche Betrachtung der Investitionskosten Relativ: Investition mit geringeren Kosten ist vorteilhafter Sinnvoll, wenn sich die Alternativen nicht hinsichtlich ihrer Erlöse bzw. Einzahlungen unterscheiden Gewinnvergleichsrechnung Vergleich des Gewinns der Investitionsalternativen Absolut: Gewinn ≥ 0 Relativ: Investition mit höherem Gewinn ist vorteilhafter Sinnvoll, wenn sich die Alternativen nicht hinsichtlich der Nutzungsdauer unterscheiden <?page no="350"?> 350 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Abb. 239: Statische Investitionsrechenverfahren (Eigene Darstellung in Anlehnung an Schäfer- Kunz/ Vahs (2012), S. 559 ff.; Müller (2014), S. 365 ff.) Die statischen Verfahren weisen eine relativ einfache Rechenmethodik auf. Allerdings entsteht durch die Durchschnittsbetrachtung eine Ungenauigkeit, wenn bei mehrjährigen Investitionen in den einzelnen Perioden die Rückflüsse stark schwanken. Zudem können bei den meisten Verfahren unterschiedliche Nutzungsdauern sowie ungleiche Kapitaleinsätze nicht berücksichtigt werden. 597 Während bei den statischen IRV die Nichtbeachtung der zeitlichen Unterschiede zwischen Ein- und Auszahlungen als wesentlicher Mangel der Methoden betrachtet wird, wird dieses Kriterium bei den dynamischen IRV berücksichtigt. Frühere Rückflüsse haben für Entscheider einen höheren Wert als gleich hohe spätere Rückflüsse, da diese zinsbringend investiert werden können. Dynamische IRV ermöglichen den Vergleich von Investitionsalternativen mit verschiedenen Nutzungsdauern und Kapitaleinsätzen. Im Vergleich zu den statischen IRV werden die Rechengrößen Ein- und Auszahlungen betrachtet. 598 597 Vgl. Schäfer-Kunz/ Vahs (2012), S. 559. 598 Vgl. Müller (2014), S. 376.; Schäfer-Kunz/ Vahs (2012) S. 566 f.; Schuster/ Rüdt von Collenberg (2017), S. 18.; Becker/ Peppmeier (2018), S. 55 ff. Rentabilitätsvergleichsrechnung Vergleich des ROI der Investitionsalternativen unter Berücksichtigung des gebundenen Kapitals Absolut: ROI > 0 oder > Mindestrentabilität Relativ: Investition mit höherem ROI ist vorteilhafter Sinnvoll, wenn sich die Alternativen nicht hinsichtlich des Kapitaleinsatzes unterscheiden Statische Amortisationsrechnung Vergleich der Amortisationsdauer von Investitionsalternativen Kumulationsmethode: Rückflüsse werden aufsummiert, bis sie den Kapitaleinsatz übersteigen oder Durchschnittsrechnung: Investitionsauszahlung / durchschnittlicher Rückfluss Absolut: Amortisationsdauer < Nutzungsdauer Relativ: Investition mit geringster Amortisationsdauer ist vorteilhafter Eignung zur absoluten Beurteilung des Risikos von Investitionen Nur ergänzend einsatzbar, da ein Maß für Investitionsrisiko <?page no="351"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 351 IRV Vorgehensweise Vorteilhaftigkeit Kapitalwertmethode • Summe aller auf einen Zeitpunkt abbzw. aufgezinsten Ein- und Auszahlungen • Kapitalwert repräsentiert alle Zahlungen einer Investition in einem Betrag • Absolut: Mindestverzinsung und Kapitalwert ≥ 0 • Relativ: Investition mit höherem Kapitalwert ist vorteilhafter Interne Zinsfußmethode • Ermittlung des Zinsfußes, mit dem sich das investierte Kapital verzinst oder • Zinssatz, bei dessen Verwendung der Barwert der Auszahlungen genauso groß ist wie Barwert der Einzahlungen • Absolut: interner Zinsfuß > 0 bzw. > Mindest- Verzinsung des Unternehmens • Relativ: Investition mit höherem internen Zinsfuß ist vorteilhafter Annuitätenmethode • Kapitalwert einer Investition wird in gleich große jährliche Beträge umgerechnet, deren abgezinste Summe wieder den Kapitalwert ergeben • Absolut: Annuität ≥ 0 • Relativ: Investition mit größerer Annuität ist vorteilhafter Dynamische Amortisationsmethode • Ermittlung des Zeitraums, nach dem die Investitionsauszahlungen über die Rückflüsse wieder verfügbar sind • Berücksichtigung der Verzinsung und des unterschiedlichen zeitlichen Anfalls der Zahlungsströme • Absolut: Investitionsauszahlung werden innerhalb eines Zeitraums durch die Rückflüsse zurückgewonnen, ohne die Grenzamortisation zu übersteigen • Relativ: Investition mit geringerer Amortisationsdauer vorteilhafter Abb. 240: Dynamische Verfahren der IRV (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schäfer-Kunz/ Vahs (2012), S. 566 ff.; Müller (2014), S. 376 ff.) Die dynamischen Verfahren haben den Vorteil, dass sie genauer als die statischen Verfahren sind. Die Nachteile sind jedoch ein erhöhter Aufwand bei der Datenermittlung sowie eine kompliziertere Rechenmethodik. Zudem erweist sich die Schätzung der zukünftigen Ein- und Auszahlungen einer Investitionsalternative häufig als schwierig. 599 Einstiegsfall (Lösungshinweise) Herr Schulze führt zunächst eine Kapitalwertberechnung durch, um die absolute und relative Vorteilhaftigkeit einer der Anlagen bestimmen zu können. Für die Berechnung des Kapitalwertes wurde die folgende Formel verwendet: 599 Vgl. Schäfer-Kunz/ Vahs (2012) S. 567. <?page no="352"?> 352 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe (1) 𝐶𝐶 0 = −𝐴𝐴 0 + �[(𝑝𝑝 − 𝐾𝐾𝐾𝐾 − 𝐾𝐾𝐾𝐾 − 𝐾𝐾𝐵𝐵 − 𝐾𝐾𝐾𝐾) ∗ 𝑥𝑥 − 𝐾𝐾𝐾𝐾] ∗ (1 + 𝑖𝑖) −𝑡𝑡 𝑛𝑛 𝑡𝑡=1 Legende: Ao = Anschaffungsauszahlungen p = Preis (Euro/ Stück) Km = Materialkosten (Euro/ Stück) Kl = Lohn-/ Gehaltskosten (Euro/ Stück) Ke = Energiekosten (Euro/ Stück) Kv = Sonstige variable Kosten (Euro/ Stück) x = Auslastung/ Kapazität Kf = Fixe Kosten (Euro) i = Kalkulationszinssatz t = Jahr Werte in € Zahlungsreihe t=1 t=2 t=3 t=4 Interner Zinsfuss Kapitalwert Anlage 1 15.000 15.000 15.000 15.000 7,71% 1.864,70 Anlage 2 17.000 18.080 18.080 19.000 7,68% 2.225,44 Beide Kapitalwerte sind positiv und somit beide Anlagen vorteilhaft. Da Anlage 2 jedoch einen höheren Kapitalwert als Anlage 1 aufweist, ist diese relativ vorteilhafter. Konkret lässt sich ein positiver Kapitalwert wie folgt interpretieren: - Die Anschaffungsauszahlung wird erwirtschaftet. - Es erfolgt eine Verzinsung zum vorgegebenen Kalkulationszins. - Darüber hinaus wird ein positiver Überschuss in Höhe des Kapitalwertes erzielt. Im Gegensatz zu den Einzelentscheidungen sind Programmentscheidungen dadurch gekennzeichnet, dass diese nicht für einzelne sondern für mehrere Investitionen getroffen werden, wodurch sich ein Investitionsprogramm ergibt. In den meisten Fällen steht für die Realisierung eines Investitionsprogramms ein begrenztes Investitionsbudget zur Verfügung. Bei der Programmplanung wird somit aus einer Anzahl von Investitionsobjekten und einer Anzahl der dazu explizit vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten die unter einem bestimmten Ziel optimale Kombination von durchzuführenden Investitionsprojekten und ihren Finanzierungen ermittelt. 600 In der Praxis erweisen sich Investitionsprogrammentscheidungen häufig als so komplex, dass sie mit analytischen oder grafischen Lösungen nicht lösbar sind. Dies gilt insbesondere für Sachinvestitionen, da diese i.d.R. nicht unbeschränkt teilbar sind. Zu 600 Vgl. Poggensee (2015), S. 150. <?page no="353"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 353 den Verfahren zur Lösung von Programmentscheidungen unter Sicherheit zählen z.B. die Programmbestimmung nach dem Kapitalwertkriterium (Ansatz von L ORIE und S AVAGE ) oder die lineare Programmierung. Bei der Programmbestimmung mit dem Internen Zinssatz gehören die Ansätze von D EAN sowie von B ALDWIN zu den bekannteren Verfahren. Ein Problem dieser Ansätze besteht in der unrealisitischen Annahme, dass Investitionen und Finanzierungsmaßnahmen nur für einen Zeitpunkt geplant werden. Darüber hinaus unterliegen sie der Prämisse, dass zwischen dem Investitionsplan und anderen Teilplänen des Unternehmens keine Interdependenzen bestehen. Daher wurden simultane Planungsmodelle für zentrale Unternehmensbereiche entwickelt, z.B. eine simultane Investitions-, Finanzierungs-, Beschaffungs-, Produktions und Absatzplanung. Zu den bekannteren Modellen gehören die simultane Investitions- und Finanzplanung von H AX sowie von W EIN- GARTNER , die simultane Investitions- und Produtionsplanung von J ACOB oder die simultane Investitions- und Finanzplanung in Abhängigkeit verschiedener Umweltzustände von L AUX . 601 Eine simultane Planung sämtlicher Unternehmensbereiche ist trotz immer leistungsstärkerer IT-Systeme nicht möglich. Während bei deterministischen Prozessen z.B. in der simultanen Produktionsplanung der Automobilindustrie die gestiegene Komplexität durch den Einsatz von IT-Systemen abgebildet werden kann, bleibt deren Einsatz im Unternehmensplanungs- und Managementbereich im Wesentlichen auf abgestimmte und auf eine gleiche Datenbasis zurückgreifende Berichts- und Auswertungssysteme beschränkt. 602 3.4.6.3 Integration von Risiken in die Investitionsbewertung In diesem Abschnitt wird die Prämisse der Sicherheit der Investitionsparameter aufgehoben. Tatsächlich führt eine Vielzahl möglicher Risiken insbesondere im Umfeld eines Unternehmens wie z.B. Preisschwankungen auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten dazu, dass die zukünftigen Ein- und Auszahlungen einer Investitionsalternative von den geplanten Werten abweichen können. Es werden daher verschiedene Verfahren der Investitionsrechnung unter Unsicherheit vorgestellt. Einfache Investitionsrechenverfahren unter Unsicherheit Für Einzelentscheidungen kann das Korrekturverfahren verwendet werden. Bei diesem Verfahren werden Risikozu- oder -abschläge auf die Eingangsdaten zur Abbildung der Unsicherheit eigesetzt. Beispielsweise können bei Verwendung der Kapitalwertmethode der Kalkulationszinssatz, die Ein- und Auszahlungen oder die Nutzungsdauer entsprechend modifiziert werden. Wenn der Kapitalwert nach Verwendung der Risikoabschläge, z.B. durch eine Reduktion der Nutzungsdauer, positiv ist, so ist das Investitionsobjekt auch unter Berücksichtigung der Unsicherheit vorteilhaft. 603 Am einfachsten ist die Korrektur durch einen pauschalen Aufschlag auf den Zinsfuß. Je höher man den Zinssatz wählt, desto geringer ist der Kapitalwert. Investitionen 601 Vgl. Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 245 ff. 602 Vgl. Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 249. 603 Vgl. Müller (2014), S. 481. <?page no="354"?> 354 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe sind dann absolut vorteilhaft, wenn sie trotz des Aufschlags einen positiven Kapitalwert aufweisen. Eine Herausforderung stellt jedoch die Ermittlung des Aufschlags dar. Außerdem führt die Erhöhung zu einer überproportionalen Belastung der in der Zukunft liegenden Zahlungsgrößen, selbst wenn spätere Zahlungen sicher sind. Daher ist eine Korrektur der Cash Flows unter Beihaltung des Kalkulationszinsfußes unter Sicherheit vorzuziehen. 604 Einstiegsfall (Lösungshinweise): Nachdem Herr Schulze und Herr Schmidt herausgefunden haben, dass Anlage 2 unter Sicherheit vorteilhafter ist, möchte Herr Schulze das Risiko der Investition berücksichtigen und vergleicht die beiden Anlagen unter schlechter werdenden Marktbedingungen (in Periode 3 und 4). Er korrigiert daher die Preise der Produkte um 0,25 Euro nach unten, was zur Veränderung der Zahlungsgrößen führt. Kapitalwert ohne Korrekturverfahren t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 Interner Zinsfuß Kapitalwert Anlage 1 -50.000,00 15.000,00 15.000,00 15.000,00 15.000,00 7,71% 1.864,70 Anlage 2 -60.000,00 17.000,00 18.080,00 18.080,00 19.025,00 7,69% 2.244,12 Kapitalwert unter Korrekturverfahren t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 Interner Zinsfuß Kapitalwert Anlage 1 -50.000,00 15.000,00 15.000,00 13.750,00 13.750,00 0,06 -59,49 Anlage 2 -60.000,00 17.000,00 18.080,00 16.780,00 17.681,25 0,06 210,27 Zahlungsreihe Zahlungsreihe Korrigiert man die Rückflüsse für Periode 3 und 4 um 0,25 Euro pro Stück, weicht das Ergebnis stark von dem unter Sicherheit ab. Anlage 1 weist dann einen negativen Kapitalwert auf und ist demnach nicht mehr vorteilhaft. Anlage 2 hingegen hat zwar einen niedrigeren Kapitalwert als unter Sicherheit, aber da dieser immer noch positiv ist, bleibt dieses Investitionsobjekt trotz Unsicherheit absolut vorteilhaft. Daher sollte in Anlage 2 investiert werden. Das Korrekturverfahren berücksichtigt ausschließlich negative Abweichungen und nicht mögliche Chancen. Man konzentriert sich nur auf Risiken im materiellen Sinn, während die verursachenden Risikofaktoren selbst nicht betrachtet werden. 605 Die Sensitivitätsanalyse ist darauf ausgelegt, die Auswirkungen einer Variation einzelner ungewisser Inputgrößen auf eine Zielgröße, z.B. den Kapitalwert, zu ermitteln. Sie wird somit als Ergänzung zu einem IRV angewendet und gibt einen Anhaltspunkt für die Stabilität der Zielgröße sowie die Relevanz der Inputgrößen. In der Literatur werden mehrere Ansätze genannt: 606 604 Vgl. Müller (2014), S. 481 f.; Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 189 ff. 605 Vgl. Müller (2014), S. 482. 606 Vgl. auch im Folgenden Bieg et al. (2015), S. 200 ff.; Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 195 f.; Kruschwitz (2011), S. 305 ff. <?page no="355"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 355 Die Zielgrößen-Änderungsrechnung untersucht die Stärke des Einflusses der unsicheren Inputgrößen auf die Zielgröße. Inputgrößen, die auch bei einer hohen prozentualen Veränderung nur einen geringen Einfluss auf die Outputgröße haben, können als weniger relevant betrachtet und vernachlässigt werden. Die Kritische-Werte-Rechnung ist eine einfache Form der Sensitivitätsanalyse. Mit dieser Variante soll ermittelt werden, wie weit eine Inputgröße von ihrem ursprünglich angenommen Wert abweichen darf, ohne dass die Vorteilhaftigkeit der Investition verloren geht. Die so bestimmte Unterbzw. Obergrenze wird als kritischer Wert bezeichnet. Um diesen zu bestimmen, wird im ersten Schritt eine unsichere Inputgröße gewählt. Dann wird das Modell zur Berechnung des Zielwertes in Abhängigkeit von der ausgewählten unsicheren Größe aufgestellt. Es folgt die Vorgabe eines Schwankungsintervalls oder einer Unterbzw. Obergrenze für die Zielgröße, die unterbzw. oberschritten werden soll (z.B. Kapitalwert [0; 10.000]). Im letzten Schritt wird das Schwankungsintervall oder der kritische Wert für die Inputgrößen ermittelt. Die Dreifach-Rechnung basiert auf der Ermittlung des Zielwertes anhand dreier unterschiedlicher Zukunftseinschätzungen. Dafür werden Annahmen über die Veränderung der ungewissen Inputgrößen für ein optimistisches, ein wahrscheinliches und ein pessimistisches Szenario getroffen. Zudem werden alle unsicheren Inputgrößen gleichzeitig variiert. Das in Abb. 241 dargestellte Schema zeigt Ergebnismöglichkeiten sowie dazugehörige Entscheidungsregeln. Zukunftseinschätzung Entscheidungsregel optimistisch wahrscheinlich pessimistisch zulässiger Wert der Zielgröße ja ja ja Investition durchführen ja ja nein Entscheidung nach subjektivem Ermessen des Investors Ja nein nein nein nein nein Investition unterlassen Abb. 241: Empfohlene Entscheidungsregel nach der Dreifach-Rechnung (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bieg et al. (2015), S. 201) Mit einer Sensitivitätsanalyse wird ermittelt, welchen Einfluss die Veränderung unsicherer Inputgrößen auf die Zielgröße hat. Es kann gefiltert werden, welche unsicheren Größen einen großen Einfluss haben und welche weniger relevant für die Unsicherheitsbetrachtung sind. Zudem können die Struktur der Investition besser beurteilt und mögliche Schwachstellen identifiziert werden. 607 Nachteilig bei der Sensitivitätsanalyse ist, dass das Verfahren keinen Anhaltpunkt darüber liefern kann, mit 607 Vgl. Müller (2014), S. 483. <?page no="356"?> 356 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe welchen Wahrscheinlichkeiten Abweichungen eintreten. Hinzu kommt, dass keine stochastischen Abhängigkeiten der Inputgrößen berücksichtigt werden. Zudem kann keine Aussage über die relative Vorteilhaftigkeit einer Investition gemacht werden. Für die Zielgrößen-Änderungsrechnung wird ein festes Schwankungsintervall für alle unsicheren Größen vorausgesetzt. Es wird nicht berücksichtigt, dass die Unsicherheit je nach Inputgröße variieren kann. Einige Einflussgrößen lassen sich zudem mit höherer Genauigkeit schätzen als andere. Darüber hinaus kann die Begrenzung des Schwankungsbereichs für einige Inputgrößen ungeeignet sein. 608 Einstiegsfall (Lösungshinweise): 609 Herr Schulze möchte nun eine Sensitivitätsanalyse zur Abschätzung der Unsicherheit der Investitionen durchführen, wobei er mit einer Zielgrößen- Änderungsrechnung beginnt. Als unsichere Größen wurden der Absatzpreis, die Auslastung, die Lohn- und Gehaltskosten, die Nutzungsdauer und die Anschaffungskosten bestimmt. Diese Inputwerte haben neben anderen konstanten Größen einen Einfluss auf die Höhe der jährlichen Cash Flows, die wiederum die Basis für die Kapitalwertberechnung bilden. Es wird jeweils nur eine Größe verändert, während die anderen konstant gehalten werden. Die Veränderung beträgt jeweils +/ - 30 %, ausgenommen die Nutzungsdauer, die um +/ ein Jahr (25 %) verändert wurde. Für jede Veränderung wird der Kapitalwert berechnet. Das Ergebnis ist für Anlage 2 in der folgenden Abbildung mithilfe von Trendlinien dargestellt. Abb. 242: Zielgrößen-Änderungsrechnung der Anlage 2 608 Vgl. Bieg et al. (2015), S. 204 f.; Müller (2014), S. 483; Busse von Colbe/ Witte (2018), S.198 f. 609 Das Beispiel wurde in Anlehnung an Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 195 ff. sowie Bieg et al. erstellt. <?page no="357"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 357 Die Stärke eines Einflussfaktors lässt sich anhand der Steigung seiner Trendlinie erkennen. Somit lässt sich der Abbildung entnehmen, dass die Veränderung des Absatzpreises prozentual den größten Einfluss auf den Kapitalwert hat. Die Auslastung der Anlage und die Höhe der Gehalts- und Lohnkosten haben einen ähnlich hohen Einfluss. Die Nutzungsdauer und die Anschaffungskosten haben prozentual den geringsten Einfluss. Im zweiten Schritt führt Herr Schulze eine Dreifach-Rechnung durch, indem er ein pessimistisches, ein wahrscheinliches und ein optimistisches Szenario für die Anschaffungskosten, den Absatzpreis und die Lohn- und Gehaltskosten aufstellt. Für beide Anlagen gilt, dass die Entscheidung über die Investition im Ermessen des Entscheiders liegt, da das Risiko eines negativen Kapitalwertes im pessimistischen Szenario für beide Investitionen besteht. Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit ist nun nicht mehr eindeutig. Ein risikoscheuer Entscheider würde eher in die Anlage 1 investieren, gegebenenfalls wäre ihm das Risiko der Anlage 1 auch schon zu hoch. Zuletzt führt Herr Schulze eine Kritische-Werte-Berechnung durch. Zu diesem Zweck werden die Einzelüberschüsse nicht mehr in ihre Einzelgrößen zerlegt, sondern im Ganzen betrachtet. Aufgrund der unterschiedlichen Höhe der Einzelüberschüsse während der Nutzungsdauer wurde für die Anlage aus Vereinfachungsgründen ein Durchschnittswert aus den Einzelüberschüssen gebildet. Es wurden kritische Werte (Untergrenze) für die Einzelüberschüsse pro Periode, den Kalkulationszins und die Nutzungsdauer ermittelt. Kritischer Wert Anlage 1 Anlage 2 Einzelüberschüsse 14.429,57 € 17.357,57 € Interner Zinsfuss 7,71% 7,68% Nutzungsdauer 4 Jahre 4 Jahre Die Werte sind jeweils als Untergrenze des jeweiligen Einflussfaktors zu interpretieren. Werden die kritischen Werte unterschritten, wird c.p. der Kapitalwert negativ. Alle Werte in € Kapitalwert unter den Szenarien Entscheidungsregel pessimistisch wahrscheinlich optimistisch Anlage 1 -24.539,35 1.864,70 27.059,23 Entscheidung nach subjektivem Ermessen Anlage 2 -33.261,59 2.244,12 35.685,76 Entscheidung nach subjektivem Ermessen <?page no="358"?> 358 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Risikoanalyse Die Risikoanalyse wurde erstmals von H ERTZ zur Berücksichtigung von Investitionsrisiken eingesetzt. 610 Hier werden die Inputgrößen einer Investition als stochastische Variablen aufgefasst. Dadurch gibt es auch nicht einen Wert sondern eine Verteilung möglicher Realisationen der Zielgröße einer Investition, z.B. ihres Kapitalwertes. Diese Wahrscheinlichkeitsverteilung wird auch als Risikoprofil bezeichnet und kann entweder auf Basis der Risikofunktion der Zielgröße oder der Wahrscheinlichkeitsverteilungen der unsicheren Inputgrößen geschätzt werden. 611 Im Folgenden wird die Ableitung des Risikoprofils aus den unsicheren Inputgrößen erläutert. Hierbeit sind wiederum zwei Varianten möglich: das analytische oder das simulative Verfahren. Das analytische Verfahren fasst die Wirkung der verschiedenen Verteilungsfunktionen analytisch zusammen und wird auch als Faltung der Wahrscheinlichkeiten bezeichnet. Je mehr Inputgrößen bzw. je mehr verschiedene Verteilungsannahmen vorhanden sind, umso komplexer wird das Vorgehen. Demgemäß wird im Folgenden das simulative Verfahren näher beschrieben. Beim simulativen Verfahren müssen nach der Festlegung der unsicheren Inputgrößen die Wahrscheinlichkeitsverteilungen für mögliche Werte dieser Größen ermittelt bzw. geschätzt werden. Dabei können für die verschiedenen Inputgrößen unterschiedliche Verteilungsannahmen getroffen werden. Als Beispiel wird die stetig verteilte Variable der Absatzmenge eines Produktes herangezogen. Dabei sind zunächst die minimal und die maximal mögliche Absatzmenge der Folgeperiode durch den Entscheider zu schätzen. Anschließend sind innerhalb dieser Spanne vier Intervalle für mögliche Absatzmengen zu bilden, für die eine Eintrittswahrscheinlichkeit geschätzt werden kann. Falls keine weiteren Informationen vorliegen, kann von einer Gleichverteilung der Absatzmengen innerhalb der Intervalle ausgegangen werden. Sind die Verteilungsannahmen für alle Inputgrößen getroffen, werden auf Basis der Verteilungen durch eine Monte Carlo-Simulation Zufallswerte für die Inputgrößen generiert. Für jeden Simulationslauf kann der Zielwert aus den Zufallswerten der Inputgrößen bestimmt werden. Bei einer genügend großen Anzahl von Simulationsläufen ergibt sich eine Verteilung für die Zielgröße. Diese wird auch als „Risikoprofil“ bezeichnet. 612 Einstiegsfall (Lösungshinweise): 613 Herr Schulze möchte mittels des simulativen Verfahrens ein Risikoprofil für den Kapitalwert der Anlage 2 erstellen. Dabei geht er von folgenden Annahmen aus: - Die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Inputgrößen gelten in allen Perioden. - Stochastische Abhängigkeiten zwischen den Inputgrößen bleiben unberücksichtigt. 610 Vgl. Hertz (1964), S. 95 ff. 611 Vgl. Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 213. 612 Vgl. auch im Folgenden Kruschwitz (2011), S. 314 ff. Für ein Anwendungsbeispiel vgl. Duscher et al. (2012), S. 6 ff. 613 Das Fallbeispiel wurde in Anlehnung an Bieg et al. (2015), S. 208 ff. erstellt. <?page no="359"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 359 - Materialkosten, Lohn- und Gehaltskosten, Energiekosten und sonstige variable Kosten werden zum Kostenblock der variablen Stückkosten zusammengefasst. - Als unsichere Inputgrößen werden die Anschaffungskosten, der Absatzpreis, die variablen Stückkosten, die Nutzungsdauer und der Absatz definiert. Die folgende Abbildung zeigt die getroffenen Verteilungsannahmen. Alle anderen Einflussgrößen sind konstant. Auf Basis der Verteilungsannahmen wurde eine Simulation des Kapitalwertes mit 1.000 Simulationsläufen durchgeführt und folgendes Risikoprofil erstellt. 614 Abb. 243: Risikoprofil des Kapitalwerts 614 Zu beachten ist, dass die Simulation auf der Grundlage von Zufallszahlen funktioniert. Das Risikoprofil wird sich daher mit jedem Simulationslauf verändern. Intervall Verteilungsannahme Anschaffungskosten in € [58.000,00; 64.000,00] gleichverteilt Absatzpreis in € [17,50; 19; 50] gleichverteilt Variable Stückkosten in € [12,50; 14; 00] gleichverteilt Nutzungsdauer in Jahren (Wahrscheinlichkeit) 3 (10%) 4 (60%) 5 (30%) diskret zwischen 3 und 5 Jahren Absatz in Stück (Wahrscheinlichkeit) [4.900; 5.000] (10%) [5.000; 5.200] (50%) [5.200; 5.375] (40%) Gleichverteilt im Intervall <?page no="360"?> 360 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Das Risikoprofil stellt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung des Kapitalwertes der Investitionsalternative dar, aus dem risikobezogene Entscheidungskriterien wie z.B. die Wahrscheinlichkeit eines negativen Kapitalwertes der Investition, den erwarteten Kapitalwert oder die Standardabweichung abgeleitet werden können. Durch eine Risikoanalyse mittels Monte Carlo-Simulation können auch komplexe Entscheidungssituationen analysiert werden. Das Modell lässt sich an veränderte Datenkonstellationen anpassen und erweitern. Die Ermittlung des Risikoprofils kann unter Berücksichtigung vieler Inputgrößen, unterschiedlicher Verteilungsannahmen und stochastischer Abhängigkeiten erstellt werden. Somit kann eine Bandbreite der möglichen Entwicklungen der Zielgröße wie den Kapitalwert oder der Rendite der Investition aggregiert und grafisch aufbereitet werden. Zudem können für die Verteilung der Zielgröße zentrale Erfolgs- und Risikokennzahlen ermittelt und zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Investitionen verwendet werden. Die folgenden Abbildungen zeigen ein Zahlenbeispiel für den Vergleich zweier Investitionsalternativen mittels Monte Carlo-Simulation. Kriterien Maschine A Maschine B Investitionskosten (in €) 35.500 14.400 Nutzungsdauer 3 Jahre Absatz Hauptkunde (in Stück) Dreiecksverteilung mit 33.600 (Minimum) und 43.200 (Maximum) sowie 40.000 als wahrscheinlichstem Wert Absatz sonstige Kunden (in Stück) Dreiecksverteilung mit 50.400 (Minimum) und 64.800 (Maximum) sowie 60.000 als wahrscheinlichstem Wert Erlös je Stück (in €) 1,00 Stückkosten Produktion (in €) 0,49 0,58 Stückkosten Rohstoffe (in €) Normalverteilung mit Mittelwert 0,35 und Standardabweichung 0,01 Diskontierungsfaktor 10,0% Abb. 244: Zahlenbeispiel für den Vergleich zweier Investitionsalternativen (Quelle: In starker Anlehnung an Duscher et al. (2012), S. 10) Kriterien Maschine A Maschine B Rendite (klassisches Verfahren) 12,1% 20,9% Rendite-Mittelwert (Simulation) 9,0% 17,5% Rendite-Standardabweichung (Simulation) 8,6% 17,6% <?page no="361"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 361 Cash Flow-at-Risk 95% (Simulation) -5,1% -10,9% Verlustwahrscheinlichkeit (Simulation) 14,9% 16,3% Variationskoeffizient (Simulation) = Standardabweichung/ Rendite-Mittelwert 0,96 1,01 Abb. 245: Ergebnis des Alternativenvergleichs nach dem simulationsbasierten Verfahren (Quelle: In starker Anlehnung an Duscher et al. (2012), S. 10) Abbildung 245 ist zu nehmen, dass gemäß Investitionsrechnung unter Sicherheit Maschine B vorteilhafter als Maschine A ist. Auch das simulative Verfahren bringt eine durch den Mittelwert der Verteilung gemessene höhere erwartete Rendite von Maschine B. Allerdings ist das Risiko der Maschine gemessen an der Standardabweichung, dem Cash Flow-at-Risk sowie der Wahrscheinlichkeit einer negativen Rendite deutlich höher. Im Vergleich zum Ausgangsbeispiel ist Abbildung 245 noch um den Variationskoeffizienten der Rendite ergänzt worden, die eine outputorientierte Bewertung erlaubt. 615 Die Auswahl der Investitionsalternative hängt jetzt von der Risikoneigung des Entscheiders und dem vorhandenen Risikodeckungskapital ab. Risikoscheue Entscheider werden dann Maschine A, risikofreudige Entscheider Maschine B bevorzugen. Ein Problem der Risikoanalyse mittels Monte Carlo-Simulation ist die Gewinnung der Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Inputgrößen. Dafür sind z.B. Analysen historischer Entwicklungen oder subjektive Schätzungen von Entscheidern nötig. Zudem handelt es sich bei einer Simulation immer um eine Näherungslösung, so dass eine stabile Lösung eine große Zahl von Simulationsläufen voraussetzt. 616 Entscheidungsbaumverfahren Das Entscheidungsbaumverfahren wird für mehrstufige Entscheidungen mit endlich vielen Alternativen und Handlungsfolgen herangezogen. Es kann sowohl für Investitionsentscheidungen unter Sicherheit als auch unter Unsicherheit angewendet werden. Mehrstufige Entscheidungen sind dadurch gekennzeichnet, dass zukünftige Entscheidungen von der Ausgangsentscheidung abhängen und die zukünftigen Entscheidungen wiederum die Basis für Folgeentscheidungen bilden. Kommt der Aspekt der Unsicherheit dazu, gibt es im Anschluss an die Entscheidung mehrere mögliche Umweltzustände mit entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeiten. Nach dem Eintritt eines Umweltzustands schließt sich eine neue Entscheidung an. 617 Der Entscheidungsbaum in der Abbildung 246 zeigt beispielhaft, welche verschiedenen Stufen und Elemente in einem Entscheidungsbaum unter Unsicherheit enthalten sein können. In t=0 muss eine Ausgangsentscheidung E getroffen werden. Die Rau- 615 Für eine weiterführende Diskussion der risikogerechten Bewertung von Investitionsalternativen vgl. Gleißner (2017), S. 389 ff. 616 Vgl. Müller (2014), S. 490 f.; Bieg et al. (2015), S. 210 ff.; Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 224. 617 Vgl. Müller (2014), S. 491. <?page no="362"?> 362 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe ten kennzeichnen die möglichen Umweltzustände, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten. Die durchgezogene Verbindungslinie wird Entscheidungs- Abb. 246: Entscheidungsbaum unter Unsicherheit (Quelle: In Anlehnung an Bieg et al. (2015), S. 212) kante genannt, die gestrichelte Verbindungslinie Zufallskante. In t=1 tritt das Resultat R der Ausgangsentscheidung in Abhängigkeit des eingetretenen Umweltzustandes ein. Die Vierecke R/ E bilden einen kombinierten Knoten aus dem Resultat eines Zufallsereignisses und der sich anschließenden Entscheidung. Ziel des Entscheidungsbaumverfahrens ist es, die optimale Entscheidungsfolge zu ermitteln, wofür verschiedene Lösungsverfahren zur Verfügung stehen: das Rollback-Verfahren, die vollständige Enumeration, die dynamische Programmierung sowie die gemischtganzzahlige lineare Programmierung. In der Literatur wird vorwiegend das Rollback- Verfahren behandelt, weshalb dieser Ansatz hier vorgestellt wird. 618 Das Verfahren wird dabei in folgenden Schritten durchgeführt: 1. Bestimmung der Grundstruktur des Entscheidungsbaums (mögliche Entscheidungsalternativen, Planungszeitraum, Handlungsfolgen, Resultate), 2. Bestimmung der weiteren entscheidungsrelevanten Daten: • Festlegung der Zielgröße, z.B. Kapitalwert • Bestimmung der Inputgrößen, der Zielgröße für alle Entscheidungsalternativen und der jeweils möglichen Umweltzustände • Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten zu den Umweltzuständen 3. Ermittlung der Werte aller Resultatsknoten sowie 4. Bestimmung der optimalen Entscheidungsfolge. Die Stärke dieses Verfahrens besteht darin, dass Zufallsereignisse einbezogen und sequenzielle Handlungsabfolgen veranschaulicht werden können. Kritisch anzumer- 618 Vgl. auch im Folgenden Bieg et al. (2015), S. 211 ff.; Kruschwitz (2011), S. 328 ff.; Müller (2014), S. 491 ff. <?page no="363"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 363 ken ist, dass das Rollback-Verfahren nur eine optimale Entscheidungsalternative auf Grundlage des Erwartungswertes liefert, weshalb für den Entscheider eine Risikoneutralität zu unterstellen ist. Zudem müssen sowohl die Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Umweltzustände als auch die jeweiligen Ergebnisse der Handlungsalternativen bekannt sein. Wie an der Grafik erkennbar ist, steigt der Rechenaufwand mit der Anzahl an Entscheidungsalternativen und mit wachsender Periodenzahl erheblich. Das hat zur Folge, dass die Übersichtlichkeit bei komplexen Situationen abnimmt und der Beschaffungsaufwand der Daten steigt. 620 Aus den Erläuterungen der IRV unter Unsicherheit kann abgeleitet werden, dass die Verfahren die Informationslage der dynamischen Verfahren verbessern können, meist aber keine eigene Entscheidungsregel zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Investitionen aufstellen. Zudem sind die Verfahren teilweise komplex, weshalb eine Kosten-Nutzen-Analyse vor ihrem Einsatz durchgeführt und ihre Vor- und Nachteile abgewogen werden. Die Sensitivitätsanalyse ist beispielsweise mit relativ geringem Aufwand durchführbar, berücksichtigt aber keine stochastischen Abhängigkeiten, wie sie z.B. die Absatzmenge und der Absatzpreis aufweisen. In Abhängigkeit von den vorhandenen Eingangsdaten beruhen die Verfahren auch zu einem gewissen Teil auf subjektiven Annahmen. Dieser Aspekt sollte nicht vernachlässigt werden. Trotz dieser Kritik bieten die IRV unter Unsicherheit die Möglichkeit, das mit einer Investition verbundene Risiko besser einschätzen zu können. Programmentscheidungen unter Unsicherheit Die Programmplanung als Methode der Investitionsrechnung kann auch unter Unsicherheit durchgeführt werden. Dazu werden u.a. folgende Modelle vorgeschlagen: 621 Sensitivitätsanalyse, Programmierung unter Wahrscheinlichkeitsnebenbedingungen (Chancen-Constrained-Progamming), Simulationen, Fuzzy-Set-Modelle, Portfolio-Selection-Modelle und Ansätze einer flexiblen Planung. Wegen seiner grundlegenden Bedeutung für Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit wird das Portfolio-Selection-Modell von M ARKOWITZ vorgestellt. Das Modell untersucht die optimale Zusammenstellung von Wertpapierportfolios und nimmt an, dass das Risiko eines Portfolios durch Diversifikation begrenzt werden kann. 622 Das Ziel der Portfoliotheorie ist es, bei gegebenem Budget die optimale Zusammenstellung eines Wertpapierportfolios unter der Annahme unsicherer Erwartungen über die zukünftigen Renditen zu ermitteln. Die Zielfunktion des risikoaversen Investors ist die μ-σ-Entscheidungsregel, daher werden nur der Erwartungswert und das Risiko der Portfoliorendite betrachtet. Durch Zusammenstellung der Wert- 620 Vgl. Müller (2014), S. 495; Bieg et al. (2015), S. 213. 621 Vgl. Götze (2008), S. 421 f. 622 Vgl. auch im Folgenden Markowitz (1952), S. 77 ff.; Poggensee (2015), S. 304 ff.; Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 258 ff. <?page no="364"?> 364 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe papiere in einem Portfolio kann die Rendite-Risiko-Relation des Portfolios gegenüber einer Kapitalanlage in nur einem einzigen Wertpapier verbessert werden, wenn die Renditen der Wertpapiere nicht vollständig positiv korreliert sind. Das Portfolio-Selection-Modell geht von folgenden Prämissen aus: Der Planungszeitraum beträgt eine Periode, die Wertpapiere sind beliebig teilbar, der Investor ist risikoscheu und besitzt die Möglichkeit, bei gegebenem Investitionsbetrag in t=0, Wertpapiere zu kaufen. Die Anfangsausgaben sind bekannt und den erwarteten Renditen in t=1 können subjektive Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden. Das optimale Portfolio wird dann in zwei Schritten bestimmt: Erst werden alle effizienten Wertpapierkombinationen bestimmt, die bei gegebenem Risikoniveau die höchste Renditeerwartung haben oder bei gegebener Renditeerwartung das kleinste Risiko aufweisen Aus diesen effizienten Kombinationen wird das für die Risikoneigung des Investors optimale Portfolio auf der Grundlage seiner Risikonutzenfunktion ermittelt. Ein Ansatz dieser Theorie ist außerdem, dass das Risiko des Portfolios nicht nur von den Standardabweichungen der einzelnen Wertpapiere, sondern auch von der Korrelation ihrer Renditen abhängt. Zur Reduzierung des Risikos müssen bei einer Diversifizierungsstrategie somit Wertpapiere mit möglichst niedriger Korrelation kombiniert werden. Grundsätzlich lassen sich die Überlegungen der Portfoliotheorie auch auf die Planung von Investitionsprogrammen übertragen, die als Portfolio von Investitionsalternativen verstanden werden können. Bei der Programmplanung von Sachinvestitionen sind jedoch zwei Besonderheiten zu beachten: Sachinvestitionsobjekte wie z.B. Anlagen sind nicht beliebig teilbar und können auch nicht sofort liquidiert werden, sodass von einer Einpassung einer neuen Investition in ein vorhandenes Portfolio ausgegangen werden muss. Das hat zur Folge, dass für die Risikobeurteilung eines Objektes dann nicht mehr nur das Einzelrisiko des Investitionsobjektes, sondern sein Risikobeitrag zum Gesamtrisiko des Unternehmens (marginales Risiko) entscheidend ist. Dieser Einfluss einer Investition kann durch den Vergleich der Handlungsalternativen in Bezug auf das Ergebnis und Risiko der Weiterführung des Unternehmens in der bisherigen Form (Alternative A) oder der Weiterführung des Unternehmens plus Investition (Alternative B) gemessen werden. 623 Einstiegsfall (Lösungshinweise): 624 Herr Schmidt beauftragt seinen Controller Herrn Schulze zu untersuchen, ob das Unternehmen neben der Investition noch in eine Immobilie investieren sollte, um weitere Einnahmen zu generieren und gleichzeitig das Unternehmen zu diversifizieren. Herr Schulze nutzt die Portfolio Selection-Theorie und vergleicht den Erwartungswert und das Risiko der Alternativen Dabei stehen folgende Alternativen zur Verfügung: Alternative A (keine Investition), Alternative 623 Vgl. Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 273 624 Das Fallbeispiel wurde in Anlehnung an Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 256 ff. erstellt. <?page no="365"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 365 B (nur Investition in Anlage 2) und Alternative C (Investition in die Anlage 2 und die Immobilie). Er geht von unterschiedlichen Möglichkeiten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung aus (D1-D3), die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten können und die Kapitalwerte der Alternativen beeinflussen. Alternative Kapitalwerte in € µ in € σ in € σ/ µ D1 (40%) D2 (40%) D3 (20%) A 3.600.000 3.400.000 2.800.000 3.360.000 293.939 0,0875 B 3.619.000 3.420.000 2.819.500 3.379.500 293.803 0,0869 C 3.629.000 3.432.000 2.833.500 3.391.100 292.389 0,0862 Das Ergebnis dieses Vergleichs ist, dass die Alternative C den höchsten Erwartungswert und das kleinste Risiko hat. Obwohl das Investitionsobjekt Immobilie ein höheres Risiko als die Anlage 2 aufweist, senkt die zusätzliche Investition in die Immobilie das Gesamtrisiko des Unternehmens, da die Renditen nicht perfekt positiv korreliert sind. 3.4.6.4 Nicht-monetäre Investitionsbewertung Falls sich der Nutzen einer Investition nicht vollständig nach monetären Kriterien bewerten lässt, müssen qualitative Kriterien in die Investitionsentscheidung integriert werden. Eine zu diesem Zweck entwickelte Methode ist die Nutzwertanalyse. Sie ist ein Instrument zur mehrdimensionalen Bewertung von Handlungsalternativen, das mehrfache, unterschiedlich skalierte Zielkriterien berücksichtigt. Darüber hinaus kann die Nutzwertanalyse im Anschluss an eine monetäre Investitionsbewertung stattfinden. 625 Es gibt folgende Schritte bei der Durchführung einer Nutzwertanalyse: 626 [1] Im ersten Schritt werden möglichst überschneidungsfreie Zielkriterien bestimmt, die für die Investitionsentscheidung relevant und nicht bereits monetär erfasst sind. Für jedes Kriterium wird eine Skala zur Bewertung der Zielerreichung festgelegt. [2] Im zweiten Schritt erfolgt die Gewichtung der Zielkriterien, wobei dazu folgende Methoden verwendet werden können: direkte Intervallskalierung, indirekte Intervallskalierung, Verhältnisskalierung oder Paarvergleich. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass die unterschiedlichen Verfahren nicht zu signifikanten Unterschieden in der Zielgewichtung führen. Ein einfacher Ansatz ist die Methode des Paarvergleichs. Die Gewichtung erfolgt durch den jeweils direkten Vergleich eines Kriteriums mit einem anderen. Das wichtigere Kriterium erhält dann einen Punkt. So werden alle Kriterien miteinander verglichen. Die Wichtigkeit eines Kriteriums ergibt sich aus seiner summierten Punktzahl dividiert durch 625 Vgl. Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 313; Müller (2014), S. 164 ff. 626 Vgl. Götze (2008), S. 181 ff.; Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 313 ff. <?page no="366"?> 366 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe die Gesamtzahl der möglichen Punkte. Wenn am Ende der Bewertung ein bestimmtes Kriterium keinen Punkt durch den direkten Vergleich erhalten hat, bekommt es einen Punkt zugeteilt, damit jedes a-priori formulierte Kriterium auch berücksichtigt wird. Die unterschiedlichen Zielkriterien und deren Gewichtungsfaktor zeigen sowohl die Subjektivität der Nutzwertanalyse als auch die Möglichkeit der Berücksichtigung unterschiedlicher Anforderungsprofile. [3] Im dritten Schritt wird der Teilnutzen der Alternativen ermittelt, indem die Ausprägungen der Alternativen in Bezug auf die Zielkriterien gemessen werden. Wenn die Teilzielerreichungen kardinal gemessen werden können, kann auf Basis einer Transformationsfunktion auf den Teilnutzen geschlossen werden. Im technischen Bereich gibt es häufig vereinfachte Festlegungen. So kann beispielsweise die Alternative mit der höchsten Zielerreichung als Benchmark für die Beurteilung genutzt werden. In unserem Fallbeispiel erhält sie dann eine Teilnutzenzuordnung von 100 Prozent. [4] Im vierten Schritt wird der Gesamtnutzen jeder Alternative berechnet, indem die Gewichtung der Zielkriterien mit den jeweiligen Teilnutzen einer Alternative multipliziert und anschließend die gewichteten Teilnutzen addiert werden. [5] Im letzten Schritt werden die Alternativen bezüglich ihrer Vorteilhaftigkeit beurteilt: „Ein Investitionsobjekt ist absolut vorteilhaft, wenn sein Nutzwert größer ist als ein vorgegebener Grenzwert. Relativ vorteilhaft ist ein Investitionsobjekt, wenn der Nutzwert größer ist, als der eines jeden anderen zur Wahl stehenden Objektes.“ 627 Einstiegsfall (Lösungshinweise): 628 Neben der monetären Beurteilung führt Herr Schulze gemeinsam mit dem Abteilungsleiter der Produktion eine Nutzwertanalyse durch, um die Beurteilung der Handlungskriterien um qualitative Anforderungen zu ergänzen. Mittels des Paarvergleichsverfahren werden folgende Zielkriterien mit der entsprechenden Gewichtung ermittelt: Bedienbarkeit, Effizienz, Anpassungsfähigkeit, Wartungsfreundlichkeit, Neuheit der Technologie und Grad an Automatisierung. Dabei wird der Teilnutzen (TN) für jedes Zielkriterium mit 100% bei einer hohen Zielerreichung, mit 50% bei einer mittleren und mit 0% bei einer niedrigen Zielerrichung bewertet. Die Anlage mit der besten Ausprägung des Zielkriteriums bekommt automatisch 100 Prozent als Zielerreichungsgrad. Die andere Anlage wird dann mit einem niedrigeren Faktor oder bei gleicher Leistung ebenfalls mit 100 % bewertet. Anschließend ermittelt Herr Schulze den gewichteten Teilnutzen der Anlagen bezüglich jedes Zielkriteriums, indem er den TN mit der jeweiligen Gewichtung multipliziert und diese zum Gesamtnutzwert addiert. Nach diesem Nutzwert werden die Alternativen schließlich in eine Rangfolge gebracht. Die Tabelle zeigt, dass sich bei den ausgewählten Zielkriterien und den ermittelten Gewichtungen die Anlage 2 mit einem Nutzwert von 0,84 als vorteilhafter erweist. 627 Götze (2008), S. 184. 628 Das Fallbeispiel wurde in Anlehnung an Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 314 ff. erstellt. <?page no="367"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 367 Zielkriterium Gewichtung Anlage 1 Anlage 2 TN gewichteter TN TN gewichteter TN Bedienbarkeit 29% 1 0,290 1 0,290 Effizienz 24% 0,5 0,120 1 0,240 Anpassungsfähigkeit 19% 1 0,19 0,5 0,095 Wartungsfreundlichkeit 14% 0,5 0,070 0,5 0,070 technologische Neuheit 10% 0,5 0,050 1 0,100 Automatisierungsgrad 4% 0,5 0,020 1 0,040 Nutzwert Rang 0,74 2 0,84 1 Für die endgültige Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer Investitionsalternative müssen Einzelbewertungen der IRV und die Ergebnisse der Nutzwertanalyse verglichen und eine Gesamtbewertung durchgeführt werden, wobei ein Zielkonflikt entstehen kann. 629 Die Nutzwertanalyse unterstützt die Transparenz und intersubjektive Überprüfbarkeit von nicht monetären Aspekten in der Entscheidungsfindung und eignet sich somit als Entscheidungsrahmen und Kommunikationsinstrument. Sie kann eine große Zahl spezieller Anforderungen berücksichtigen, ohne die Komplexität des Entscheidungsproblems unnötig zu erhöhen. Die Nutzwertanalyse ermöglicht einen direkten Vergleich von Alternativen. Eine Schwäche der Nutzwertanalyse ist, dass sie stark von subjektiven Einschätzungen abhängt und somit eine Scheingenauigkeit suggeriert. Ein weiterer Nachteil ist die Gefahr von Fehlinterpretationen, wenn z.B. der Abstand zwischen den Rangplätzen der Alternativen als gleich groß eingeschätzt wird. Durch eine kombinierte Anwendung der Nutzwertanalyse und IRV unter Unsicherheit (vor allem Sensitivitätsanalysen und Risikoanalysen) können die Auswirkungen der Unsicherheit, der Gültigkeit der Annahmen und der Daten untersucht werden. 630 629 Vgl. Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 327; Götze (2008), S. 184. 630 Vgl. Götze (2008), S. 187; Busse von Colbe/ Witte (2018), S. 326 ff.; Andree (2011), S. 326 und S. 245. <?page no="368"?> 368 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe 3.4.6.5 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Die Zielsetzung dieses Kapitels besteht darin, einen Einblick in die praktische Umsetzung des Investitionscontrollings zu geben. Dieser Anforderung wird in zweifacher Hinsicht Rechnung getragen. Zunächst werden die Ergebnisse aus unterschiedlichen Studien über den Stand des Investitionscontrollings dargestellt. Im Anschluss wird das Investitionscontrollings bei der D EUTSCHEN P OST DHL G ROUP als Praxisbeispiel erläutert. Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 PwC (2010) Schriftliche Befragung von deutschen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung, Teilnahme: 120 Unternehmen Studie 2 Schäffer et al. (2012) Schriftliche Befragung von 1.057 deutschen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung, Rücklaufquote: 41% Studie 3 Schäffer et al. (2015) Schriftliche Befragung von 945 Unternehmen im deutschsprachigen Raum aus den Branchen Industrie, Handel und Dienstleistung, Rücklaufquote: 41% Studie 4 Becker/ Ulrich (2018) Schriftliche Befragung von 1.900 Unternehmen im deutschsprachigen Raum aus den Branchen Industrie, Handel und Dienstleistung, Rücklaufquote: 13,7%. Abb. 247: Studien zum Investitionscontrolling Hinsichtlich der Nutzung von Investitionsrechenverfahren ergab Studie 1 die folgende prozentuale Verteilung, aufgeteilt in statische und dynamische Verfahren: 1. Statische Verfahren 2. Dynamische Verfahren Amortisationsrechnung 57% Kapital-/ Barwertmethode 72% Kostenvergleich 44% dynamische Amortisationsrechnung 57% Rentabilitätsvergleich 42% interner Zinsfuß 49% Gewinnvergleich 21% Annuitätenrechnung 11% sonstige Methoden 6% sonstige Methoden 6% Abb. 248: Anwendung von Methoden zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen (Quelle: PwC (2010), S. 24) Die Auswertung zeigt, dass alle statischen und dynamischen IRV in der Praxis auch Anwendung finden. Die Kapitalwertmethode wird am häufigsten angewendet, es folgen die dynamische Amortisationsrechnung und die interne Zinsfußmethode. Auf der Seite der statischen Verfahren sind besonders häufig die Amortisationsrechnung <?page no="369"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 369 sowie die Verfahren des Kosten- und Gewinnvergleichs genannt. Die statischen Verfahren finden somit noch vermehrt Anwendung. Auch die Studien 2 und 3 belegen einen hohen Anwendungsgrad der Amortisationsrechnung (hier: Payback-Verfahren), gefolgt von der Bewertung des Einflusses auf den Deckungsbetrag. Aber auch die DCF-Methode sowie die Interne Zinsfussmethode werden mit 52% bzw. 44% relativ häufig angewendet. 631 Abb. 249: Nutzung von Investitionsrechenverfahren (Quelle: Schäffer et al. (2015), S. 14) Die Nutzung der Verfahren wird durch die Unternehmensgröße beeinflusst. Studie 3 zeigt, dass größere Unternehmen eher kapitalmarktorientierte Verfahren (DCF- Methode und EVA) anwenden, während kleinere Unternehmen zur Bewertung ihrer Investitionen vorwiegend den Einfluss auf den Deckungsbeitrag analysieren. Das Payback-Verfahren wird dagegen unabhängig von der Unternehmensgröße stark genutzt. 632 Studie 4 untersucht den Nutzungsgrad dynamischer Investitionsrechnungen im Mittelstand. Danach ergibt sich ein sehr heterogenes Bild: Während 31% der Unternehmen dynamische IRV nicht oder kaum nutzen, berichten 30% einen hohen bzw. sehr hohen Nutzungsgrad. 633 Hinsichtlich der im Investitionscontrolling verwendeten primären Erfolgs- und Steuerungsgrößen geben die Unternehmen insbesondere die klassischen Kennzahlen wie Gewinn (79%), Cash Flow (67%) und Umsatz (57%) an, während wertorientierten Steuerungsgrößen, wie z.B. dem Economic Value Added (EVA) oder dem 631 Vgl. Schäffer et al. (2012), S. 22 und Schäffer et al. (2015), S. 14 f. 632 Vgl. Schäffer et al. (2015), S. 15. 633 Vgl. Becker/ Ulrich (2018), S. 7. <?page no="370"?> 370 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Cash Value Added (CVA), eine eher untergeordnete Bedeutung zukommt. 634 Aus den Ergebnissen der Studien lassen sich auch einige Defizite des Investitionscontrollings ableiten. So zeigt beispielsweise Studie 1, dass die Unternehmen die mangelnde Verzahnung des Investitionscontrollings mit der strategischen Unternehmensplanung, der strategischen Kapitalallokation sowie die Steuerung des Investitionsportfolios als wesentliches Risikopotenzial erkennen. 635 Gemäß Studie 3 sehen die Befragten Überarbeitungsbedarf hinsichtlich der Methoden und Bewertungsverfahren sowie der Prozessqualität. 636 Wie ein Investitionsentscheidungsprozess in der Praxis umgesetzt werden kann, zeigt nachfolgendes Praxisbeispiel. Die D EUTSCHE P OST DHL G ROUP möchte ihren Führungsanspruch in der Logistikbranche weiter ausbauen. 637 Als Grundlage wurde 2014 eine neue Strategie entwickelt, die u.a. einen Ausbau des Logistikgeschäfts in den Emerging Markets sowie eine internationale Expansion umfasst. Die Verteilung der knappen Kapitalbudgets auf die Investitionsideen zur Umsetzung der Strategie erfolgt nach diesem Prozess: 1. Strategische Konzernziele festlegen Erarbeitung und Abstimmung der allgemeinen strategischen Ausrichtung des Konzerns auf Ebene des Konzernvorstands (z.B. stärkerer Ausbau von Dienstleistungen und Services hinsichtlich des wachstumsträchtigen E-Commerce-Marktes) Festlegung der langfristigen finanziellen Ergebniserwartungen und Bestimmung der Rahmenbedingungen für die Investitionstätigkeit durch den Konzernvorstand. 2. Umsetzungsoptionen entwickeln Erarbeitung konkreter Umsetzungsideen und grundlegender Handlungsoptionen auf Ebene der Divisionen (z.B. Welche Aktivitäten sind notwendig, um die Position des Unternehmens auf dem E-Commerce Markt und den Emerging Markets zu stärken). Die Divisionen beschreiben in einem Grobentwurf Ideen zur Umsetzung der strategischen Ausrichtung, den erforderlichen Kapitalbedarf sowie den finanziellen Nutzen der Idee. 3. Umsetzungsoptionen priorisieren und auswählen Auswertung sämtlicher Investitionsideen durch die Konzernentwicklung und das Konzerncontrolling, Modellierung erster Szenarien für den Gesamtkonzern und Erarbeitung eines Rankings auf Grundlage definierter Kriterien und finanzieller Kennzahlen. 634 Vgl. PwC (2010), S. 10 bzw. S. 13. Die Autoren weisen darauf hin, dass sich die geringe Nutzungsintensität möglicherweise damit erklären lässt, dass viele Unternehmen diese als sekundäre Kennzahlen verwenden. 635 Vgl. PwC (2010), S. 34. 636 Vgl. Schäffer et al. (2015), S. 22. 637 Vgl. hier und im Folgenden Paeßens/ Kenfenheuer (2015), S. 24 ff. <?page no="371"?> 3.4 Controlling-Instrumente zur Informationsversorgung 371 Diskussion und Auswahl der Initiativen im Rahmen eines jährlichen Strategy Offsite des Konzernvorstandes auf Basis des Rankings. 4. Ergebnisziele und Investitionsbudgets ableiten Ableitung eines ersten Rahmens für die kurz- und mittelfristigen Ergebnisziele und Investitionsmittel auf Grundlage der finanziellen Kennzahlen. Festlegung der Kennzahlen für das nächste Budgetjahr und die darauffolgenden Jahre als Bezugsbasis für das Budget und die Mittelfristplanung. 5. Post-Investment Controlling Den Divisionen steht ein Investitionsbudget zurVerfügung, Investitionen für das laufende Geschäftsjahr können aus dem Budget des Base Case finanziert werden. Detailplanung der Investitionsalternativen als Business Cases. Sofern Investitionslimits durch einen Business Case überschritten werden, bedarf es der Freigabe durch entsprechende Gremien. Diese hängt davon ab, ob das Investitionsvorhaben durch die Idee der zuvor beschlossenen Initiative gedeckt ist und ob es finanziell im Rahmen bleibt. Jährliche Überprüfung sämtlicher Initiativen hinsichtlich der Erfüllung der Entscheidungskriterien. Abb. 250: Investitionsentscheidungsprozess bei der D EUTSCHE P OST DHL G ROUP (Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Paeßens/ Kenfenheuer (2015), S. 25 f.) Hinsichtlich der Priorisierung von Investitionsideen werden drei Kriterien herangezogen: Der strategische Fit beschreibt, inwiefern die Investitionsidee geeignet ist, die Strategie umzuseten und die Unternehmensziele zu erreichen. Im Hinblick auf das Kriterium finanzieller Beitrag wird der Investitionsbedarf der jeweiligen Idee den erwarteteten Erträgen gegenübergestellt. Dabei sollen langfristig ein maximaler Cash Flow erreicht sowie ein profitables Wachstum ermöglicht werden. Der langfristige Cash-Effekt wird als Kapitalwert (Net Present Value) gemessen. Die Messung des Wachstums erfolgt anhand des EBIT. Die mit der Investitionsidee verbundenen Risiken werden im Rahmen des Risikoprofils analysiert. Voraussetzung für eine umfängliche Bewertung ist es, die mit der Investition verbundenen Risiken transparent zu machen, um auf diese Weise die Handlungsalternativen einer Risikobegrenzung aufzuzeigen sowie das maximal akzeptierte Risiko festzulegen. Zu den Risiken neuer Investitionen zählen typischerweise potenzielle Anfangsverluste, Sunk Costs sowie Kosten des Investitionsabbruchs (Exit Costs). Um die Ausprägungen möglicher Risiken aufzuzeigen, werden Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Sämtliche eingereichten Ideen erhalten für die jeweiliegen Kriterien eine Kennzahl und werden dementsprechend in eine Rangfolge gebracht. Dem strategischen Fit kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da die strategische Relevanz einer Investition im Vordergrund steht. An zweiter Stelle steht der finanzielle Beitrag, gefolgt vom Risikoprofil. Für den Auswahlprozess erhält der Vorstand eine Scorecard, in der die Investitionsideen der Divisionen priorisiert werden. Um der hohen Dynamik des Unternehmensumfeldes gerecht zu werden, erfolgt eine regelmäßige und systematische Reflexion <?page no="372"?> 372 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe sämtlicher Initiativen. Vor der Strategietagung des Vorstandes werden der strategische Fit, die finanziellen Annahmen sowie die Risikoeinschätzung der genehmigten Initiativen den aktuellen Prognosen gegenübergestellt und gegebenenfalls aktualisiert. Je nach Ergebnis kommt es zu einer Wiederaufnahme der genehmigten Initiative in den Wettbewerb mit neuen Initiativen, zum Stopp oder zur Neuausrichtung. Begleitet wird der Prozess durch ein regelmäßiges und zeitnahes Reporting der aufgelaufenen und noch zu erwartenden Kosten und des Nutzens der genehmigten Inititativen. Abb. 251: Übersicht der Rankings der strategischen Initiativen (Quelle: Paeßens/ Kenfenheuer (2015), S. 30) 3.4.6.6 Probleme und Weiterentwicklung Im Folgenden werden aktuelle Entwicklungen des Investitionscontrollings vor dem Hintergrund der Digitalisierung erläutert. Nach H ORVATH & P ARTNERS werden vor allem die Teilprozesse Planung und Entscheidung im Investitionsprozess von der Digitalisierung betroffen sein. In der Planungsphase des Investitionsprozesses findet die Ermittlung der Investitionsdaten statt. Im digitalisierten Controlling können hier durch ein effizientes Datenmanagement und eine effektivere Analyse von Vergangenheits- und aktuellen Daten Prognose- und Schätzverfahren für die Ableitung der zukünftigen Cash Flows von Investitionsalternativen verbessert werden. Zudem können automatisierte Prozesse bei der Investitionsanregung dazu führen, dass die Notwendigkeit für Investitionen schneller erkannt wird, z.B. durch eine Prognose von Lieferengpässen in einem Wachstumsmarkt. Im digitalisierten Controlling werden IRV während der Entscheidungsphase automatisiert durchgeführt. Außerdem lassen sich über die Verknüpfung von internen und externen Datenquellen konkretere Prognosen der Unsicherheit von Investitionsentscheidungen generieren, z.B. hinsichtlich der Entwicklung von Absatzmärkten. Auch stehen dem Investitionscontrolling durch die Digitalisierung weitere Informationen zur Verfügung. So kommen externe, ungeordnete und dynamische Daten des Geschäftsmodells in Echtzeit in das Controllingsystem und müssen im Investitionscontrolling verarbeitet werden. 638 638 Vgl. Pfizenmayer (2016), S. 31. <?page no="373"?> 3.5 Gestaltung des Berichtswesens 373 Zusammenfassung Durch Investitionen wird Kapital langfristig in Anlagevermögen gebunden. Es werden Sach- und Finanzinvestitionen sowie Investitionen in immaterielles Vermögen unterschieden. Das Investitionscontrolling unterstützt das Management bei Investitionsentscheidungen, in dem es dieses mit Informationen sowie Modellen und Methoden versorgt. Es werden Investitionsrechenverfahren unter Sicherheit und unter Unsicherheit unterschieden. IRV unter Sicherheit umfassen statische Verfahren wie die Kostenvergleichsmethode und dynamische Verfahren wie z.B. die Kapitalwertmethode. IRV unter Unsicherheit sind z.B. Sensitivitäts- und Risikoanalysen sowie Monte Carlo-Simulationen. Qualitative Kriterien lassen sich über Verfahren der nicht-monetären Investitionsbewertung, wie z.B. Nutzwertanalysen, in Investitionsentscheidungen integrieren. In der Unternehmenspraxis sind vor allem die Kapitalwertmethode und Verfahren der Amortisationsrechnung verbreitet. 3.5 Gestaltung des Berichtswesens Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie den Begriff des Berichtwesens definieren, die Funktionen des Berichtswesens erläutern, verschiedene Berichtsarten voneinander abgrenzen, die Aufgaben des Controllers im Berichtswesen erklären, die Vor- und Nachteile verschiedener Gestaltungsansätze von Berichten diskutieren sowie Probleme des Berichtswesens benennen und mögliche Lösungsansätze aufzeigen. 3.5.1 Definition und Funktionen Zur Wahrnehmung der Führungsfunktionen benötigt das Management Informationen, z.B. über die Leistung bestimmter Unternehmensbereiche. Darüber hinaus erfolgt Führung im Sinne von Verhaltensbeeinflussung häufig durch die Weitergabe von Informationen. Allerdings fallen Informationsentstehung und -verwendung in einem Unternehmen i.d.R. organisatorisch auseinander. Daher ist eine systematische <?page no="374"?> 374 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe und zielorientierte Aufbereitung und Weitergabe von Führungsinformationen durch Berichte notwendig. Der Begriff Berichtswesen wird in der Literatur nicht einheitlich abgegrenzt. Die weiteste Definition setzt das Berichtswesen mit dem IV-System gleich, während das Berichtswesen i.e.S. lediglich die Informationsübermittlung umfasst. Im Folgenden werden „alle Einrichtungen, Vorschriften und Maßnahmen eines Unternehmens zur Erarbeitung, Verarbeitung, Weiterleitung und Speicherung von Informationen über den Betrieb und seine Umwelt“ 639 als Berichtswesen zusammengefasst. Das Berichtswesen besteht folglich aus allen Personen, Einrichtungen, Regelungen, Daten und Prozessen, die Berichte erstellen und weitergeben oder mit denen Berichte erstellt und weitergegeben werden. Somit ist es ein Bindeglied zwischen dem Informationssystem und den anderen Führungsteilsystemen eines Unternehmens. Zudem erfolgt im Gegensatz zur externen Berichterstattung eine Begrenzung auf interne Berichtsempfänger; z.B. im Rahmen des Jahresabschlusses. Alternativ wird auch der Begriff des internen Berichtswesens oder des Management Reportings verwendet. Wesentliche Einflussfaktoren auf das Berichtswesen sind der Informationsbedarf der Berichtsempfänger, die im Unternehmen verfügbaren IV-Instrumente und das angestrebte Aufwand-Nutzen-Verhältnis. 640 Abb. 252: Einordnung des Berichtswesens in den IV-Prozess (Quelle: Weide (2009a), S. 6) Die Gestaltung des Berichtswesens ist eine wesentliche Aufgabe des Controllers. Dabei sind diese Fragen zu klären: 641 Wozu soll berichtet werden? (Berichtszweck) 639 Fischer et al. (2015), S. 92. 640 Vgl. auch im Folgenden Göpfert (2002), S. 144 ff., S. 194 ff., Weide (2009a), S. 5 ff., Horváth et al. (2015), S. 317. 641 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 311, Weber/ Schäffer (2016), S. 238 ff. <?page no="375"?> 3.5 Gestaltung des Berichtswesens 375 Was soll berichtet werden? (Berichtsinhalt) Wer soll berichten und wer soll informiert werden? (Berichtssender und -empfänger) Wann soll berichtet werden? (Berichtstermine) Eine Übersicht über die unterschiedlichen Berichtsfunktionen bietet Abbildung 253. Funktion Beschreibung Dokumentationsfunktion • gesetzliche Aufbewahrungsfristen für Informationen aus der Finanzbuchhaltung • Dokumentation von Daten zur Prognoseerstellung im Rahmen der Planung und Kontrolle Kontrollfunktion • Berichte über einen Soll-Ist-Vergleich werden von Führungskräften zur Kontrolle eingesetzt Steuerungsfunktion • Informationen, z.B. über einen Umsatzrückgang, können Aktivitäten, z.B. zusätzliche Werbemaßnahmen, auslösen Entscheidungsvorbereitungsfunktion • Informationen, z.B. über die Ist-Auslastung der Fertigung, dienen als Grundlage für Managemententscheidungen Abb. 253: Funktionen des Berichtswesens (Quelle: Fischer et al. (2015), S. 92; Weber/ Schäffer (2016), S. 238; Horváth et al. (2015), S. 311) 3.5.2 Berichtsarten und Berichtssysteme In einem Bericht werden wesentliche Führungsinformationen zusammengefasst. Berichte lassen sich dabei nach unterschiedlichen Kriterien systematisieren (vgl. Abb. 254). Kriterien Ausprägungen Berichtszweck Dokumentationsberichte Planungsberichte Kontrollberichte Berichtsgegenstand Konzernberichte Berichte über Konzerntöchter Bereichsberichte Informationsart Berichte über Istwerte Berichte über Vorgabewerte Berichte über Prognosewerte Erscheinungsweise regelmäßige Berichte unregelmäßige Berichte Jahresberichte auslösendes Ereignis Berichte durch Zeitablauf Berichte bei Bedarf Berichte bei Toleranzüberschreitung Informationsträger Papierberichte Bildschirmberichte Dateiberichte Verdichtungsgrad Berichte mit Ursprungswerten Kennzahlenberichte sonstige Berichte Abb. 254: Systematisierung von Berichten (Quelle: Göpfert (2002), S. 148) <?page no="376"?> 376 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Häufig werden Berichte nach der Erscheinungsweise und dem auslösenden Ereignis in Standard-, Abweichungs- und Bedarfsberichte unterteilt. Abb. 255: Berichtstypen (Quelle: In Anlehnung an Küpper et al. (2013), S. 231 f.) Standardberichte resultieren aus dem Informationsbedarf mehrerer Stellen oder Abteilungen. Sie stellen zahlreiche Einzelinformationen in standardisierter Form dar, aus denen sich der Berichtsempfänger die für ihn relevanten Informationen heraussuchen muss, und werden zu festgelegten Terminen erstellt. Standardberichte sind sehr wirtschaftlich, da sie nach einem standardisierten Verfahren erstellt und von vielen Berichtsempfängern genutzt werden. Allerdings bergen sie die Gefahr der Informationsüberflutung einzelner Berichtsempfänger und können einem geänderten Informationsbedarf nicht flexibel angepasst werden. Standardberichte sollten stets aktuell vorliegen. 642 Abweichungsberichte werden nur bei bestimmten Ereignissen, z.B. wenn Toleranzwerte bei einer Soll-Ist-Abweichung überschritten werden, erstellt. Sie lenken die Aufmerksamkeit der Berichtsempfänger auf bestimmte entscheidungsrelevante Sachverhalte und dienen der Kontrolle und Festlegung von Steuerungsmaßnahmen. Ihre Erstellung ist ebenfalls wirtschaftlich. Allerdings ist es häufig schwierig, die Toleranzgrenzen für die Berichtsauslösung festzulegen. Bedarfsberichte können bei fallweise auftretendem Informationsbedarf vom Management angefordert werden. Sie sind aufwändiger, erfüllen aber die spezifischen Informationsbedürfnisse der Empfänger. Es wird vermutet, dass Bedarfsberichte aufgrund der zunehmenden IT-Unterstützung künftig an Bedeutung gewinnen, indem sich die Informationsnutzer ihre Informationen individuell durch Zugriff auf zentrale Datenbanken zusammenstellen (Self-Reporting). Ein Berichtssystem umfasst alle Berichte eines Unternehmens und ist somit der Output des Berichtswesens. Ziel des Berichtssystems ist die unter Kosten- und Nutzenaspekten optimierte Deckung des Informationsbedarfs des Managements. 642 Vgl. auch im Folgenden Göpfert (2002), S. 148 ff., Fischer et al. (2015), S. 95 ff.; Horváth et al. (2015), S. 311 ff.; Weber/ Schäffer (2016), S. 238 ff. <?page no="377"?> 3.5 Gestaltung des Berichtswesens 377 3.5.3 Berichtsgestaltung Der Nutzen des Berichtssystems hängt von der Nutzung der Einzelberichte durch den Berichtsempfänger ab, die wiederum maßgeblich von der Berichtsgestaltung und den persönlichen Eigenschaften des Berichtsempfängers beeinflusst wird. Die Berichtsgestaltung legt die Berichtsmerkmale fest und hängt vor allem vom Berichtszweck, den Berichtsempfängern und der Nutzung der Berichtsinformationen ab. 643 inhaltliche Berichtsmerkmale formale Berichtsmerkmale zeitliche und personale Berichtsmerkmale • Informationsgegenstand • Ausssagegehalt der Berichtsinformationen • Anzahl an Informationen (Informationsmenge) • Genauigkeitsgrad der Informationen • Verdichtungsgrad der Informationen • Übersichtlichkeit der Informationsanordnung • Darstellungsform (verbal, tabellarisch, grafisch) • Übermittlungsmedium (Papier, Datei, Online etc.) • Standardisierung von Berichtselementen • Berichtszeitraum, z.B. Monatsberichte • Berichtstermine • Berichtssender und -empfänger Abb. 256: Berichtsmerkmale (Quelle: In Anlehnung an Weide (2009), S. 6 f.; Küpper et al. (2013), S. 235 ff.) Inhaltliche Berichtsmerkmale beziehen sich auf die berichteten Informationen, z.B. Informationen über Bilanz- und GuV-Positionen sowie daraus abgeleitete Kennzahlen, und deren Aussagegehalt, z.B. Ist- oder Soll-Informationen. Ein besonderes Problem ist die Auswahl einer angemessenen Informationsmenge, um Überlastungseffekte beim Berichtsempfänger zu vermeiden. Um die Informationsmenge in einem Bericht zu erhöhen, ohne den Berichtsnutzer zu überfordern, können Informationen verdichtet dargestellt werden, z.B. als Kennzahlen. Gerade Führungskräfte auf höherer Hierachieebene benötigen stärker verdichtete Informationen. Allerdings besteht bei einer zu starken Verdichtung die Gefahr, dass wichtige Informationen verloren gehen und Kausalitäten zwischen Einzelinformationen nicht mehr erkannt werden. Daher ist unbedingt darauf zu achten, dass Begriffe und Kennzahlen in den verschiedenen Berichten einheitlich verwendet werden. 644 In der Literatur wird häufig auf die Unzufriedenheit der Berichtsempfänger mit der sachlichen Relevanz und Entscheidungsnützlichkeit der berichteten Informationen hingewiesen. Daher ist es wichtig, dass Controller die Berichtsinhalte mit den Informationsnutzern abstimmen. Ferner sollten Ergebniswirkungen der Informationen dargestellt und externe und nicht-monetäre Informationen in das Monatsberichtswesen aufgenommen werden. 645 643 Vgl. Göpfert (2002), S. 152 f., Weber/ Schäffer (2016), S. 238 ff. 644 Vgl. auch im Folgenden Göpfert (2002), S. 152 f., Küpper et al. (2013), S. 235 ff.; Horváth et al. (2015), S. 316 f. 645 Vgl. Weber/ Schäffer (2015), S. 26. <?page no="378"?> 378 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Bei der formalen Gestaltung der Berichte geht es um die Darstellung und das Übermittlungsmedium eines Berichts. Dabei ist zu beachten, dass das Berichtssystem einen formal einheitlichen Aufbau, z.B. einen einheitlichen Berichtskopf, aufweisen sollte, um die Orientierung der Berichtsempfänger zu erleichtern. Zudem sollten Informationen nicht isoliert dargestellt, sondern durch Vergleichsgrößen, z.B. Plan- oder Vergangenheitsdaten, relativiert werden. Überblicks- und Detailinformationen sollten getrennt und außergewöhnliche Sachverhalte hervorgehoben werden. 646 In der Unternehmenspraxis werden Führungsinformationen in Form von Dashboards oder Tachos dargestellt. Dabei werden die Informationen visualisiert, da grafische Darstellungen vom Informationsverwender besser als Tabellen oder Texte verarbeitet werden können. Dabei lässt sich auch die Aussagekraft von Tabellen durch die Verwendung grafischer Elemente verbessern, wie die folgende Abbildung zeigt. 647 Abb. 257: Visualisierung betriebswirtschaftlicher Daten in grafischen Tabellen (Quelle: Fischer et al. (2015), S. 98 auf der Grundlage von Bissantz et al. (2010), 450 f.) Ein weiteres Problem von Berichten ist das Fehlen von Standards für die einzelnen Berichtselemente, was ihre Interpretation und Vergleichbarkeit erschwert. Die folgende Abbildung 258 zeigt Beispiele für eine derartige Standardisierung. Bei der zeitlichen und personalen Berichtsgestaltung sind der Berichtsersteller und die Berichtsempfänger sowie der Berichtszeitraum und die Berichtstermine festzulegen. Hierbei besteht vor allem Bedarf an aktuellen Informationen und einer zeitnahen Informationsversorgung, was durch eine stärkere Standardisierung und Automatisierung des Berichtssystems erreicht wird. 648 646 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 317. 647 Vgl. Bissantz et al. (2010), S. 450 ff.; Fischer et al. (2015), S. 97 ff. 648 Vgl. Weber/ Schäffer (2015), S. 33., Horváth et al. (2015), S. 316. <?page no="379"?> 3.5 Gestaltung des Berichtswesens 379 Abb. 258: Beispiele für Elemente einer einheitlichen Notation (Quelle: Fischer et al. (2015), S. 100 auf der Grundlage von Bissantz et al. (2010), S. 454) 3.5.4 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Hier werden Ergebnisse ausgewählter Studien zum Umsetzungsstand des Berichtswesens in der Unternehmenspraxis vorgestellt (vgl. Abb. 259). Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Krolak et al. (2011) schriftliche Befragung von 700 norddeutschen Familienunternehmen, Rücklaufquote: 9% Studie 2 Gräf et al. (2013) Online-Befragung von rd. 1.200 Unternehmen verschiedener Größen und Branchen im deutschsprachigen Raum, Rücklaufquote rd. 12% Studie 3 Schäffer/ Weber (2015) Befragung von rd. 1.000 Führungskräften im Rahmen des WHU Controller Panels, durchschnittliche Rücklaufquote rd. 50% Abb. 259: Studien zum Berichtswesen Abb. 260: Berichtsarten in 2015 (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 16 f.) <?page no="380"?> 380 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe Bezüglich der Berichtsarten zeigt Studie 3, dass Standardberichte nach wie vor das Berichtswesen dominieren. 651 So machen Standardberichte weiterhin ca. die Hälfte der Gesamtarbeitszeit im Berichtswesen aus, während Abweichungsberichte (rd. 21%) und Bedarfberichte (rd. 23%) von deutlich geringerer Bedeutung sind. In Bezug auf die Berichtsfrequenz der wichtigsten steuerungsrelevanten Berichte zeigt Studie 3, dass die monatliche Berichtsfrequenz mit 80%, deutlich vor der wöchentlichen (11%) und der quartalsweisen Berichtsfrequenz (5%) liegt. In der Studie 1 wird u.a. die Informationsmenge in den Berichten analysiert. Anhand der Umsatzschwelle von 50 Mio. EUR erfolgt die Unterteilung in kleine und große Familienunternehmen. Die nachfolgende Unterteilung zeigt, dass der überwiegende Teil der analysierten mittelständischen Familienunternehmen ein fokussiertes Berichtsformat von bis zu 10 bzw. bis zu 20 Seiten wählt. 652 Dabei zeigt sich in der Studie 1, dass die Lesefreundlichkeit der Berichte durch den Einsatz von Graphiken und Tabellen noch deutlich ausgebaut werden kann. So nutzen 40% der Unternehmen keine Graphiken, 41% bis zu fünf Graphiken, 17% sechs bis zehn Graphiken und 2% mehr als zehn Graphiken in den Berichten. Tabellen werde dagegen deutlich häufiger verwendet: Hier nutzen nur 22% keine Tabellen, 37% bis zu fünf Tabellen, 23% zwischen sechs und zehn Tabellen und 18% mehr als zehn Tabellen in ihren Berichten. 653 Die noch aufbaufähige Nutzung von Grafiken und Kommentaren wird auch von Studie 3 bestätigt. Abb. 261: Intensität der verschiedenen Darstellungsarten in 2013 (Quelle: Schäffer/ Weber (2015), S. 27) 651 Vgl. Weber/ Schäffer (2015), S. 16. 652 Vgl. Krolak et al. (2011), S. 28. 653 Vgl. Krolak et al. (2011), S. 30. <?page no="381"?> 3.5 Gestaltung des Berichtswesens 381 Im Hinblick auf die Zufriedenheit mit dem Managementberichten zeigt Studie 2 ebenfalls deutliche Optimierungpotenziale auf, wie die folgende Abbildung zeigt. Abb. 262: Zufriedenheit mit dem Management Reporting in Mittelwerten, n = 142 (Quelle: Gräf et al. (2013), S. 9) So werden insbesondere die Steuerungsrelevanz, die Kommentierung der Inhalte, die IT-Unterstützung, der Aufwand und der Zukunftsbezug des Management Reportings als verbesserungsfähig eingestuft. 654 3.5.5 Probleme und Weiterentwicklung Die Versorgung des Managements mit entscheidungsrelevanten Informationen ist der Hauptzweck des Controllings in vielen Unternehmen. Um diese Aufgabe wahrzunehmen, stehen dem Controller zahlreiche Instrumente zur Verfügung. Zudem kann die Informationsbereitstellung durch IT-Systeme wie z.B. BI-Portale sowie ein fundiertes Datenmanagement im Rahmen der Digitalisierung noch deutlich verbessert werden. 655 Trotzdem hat sich in der Vergangenheit die Informationsversorgung des Managements nicht stetig verbessert. Dies liegt zum einen an der IT-bedingten Informationsflut, die zu einem Information Overload des Managements geführt hat. Zum anderen berücksichtigen Controller bei ihrer Informationsaufbereitung und -bereitstellung 654 Vgl. Gräf et al. (2013), S. 9. 655 Vgl. Weber/ Schäffer (2016a), S. 9. <?page no="382"?> 382 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe häufig nicht die individuellen Informationsverarbeitungsfähigkeiten der Führungskräfte. Controller müssen sich deshalb künftig stärker mit den psychologischen Aspekten der Informationsverarbeitung auseinandersetzen. Zudem wird die Bereitstellung nicht-monetärer Führungsinformationen an Bedeutung gewinnen. So haben im standardisierten monatlichen Berichtswesen bereits prozessorientierte, kundenorientierte und innovationsorientierte Kennzahlen Eingang gefunden. Des Weiteren ist eine stärkere Verknüpfung des Berichtswesens mit der Unternehmensstrategie mit einer Ausweitung der nicht-finanziellen Kennzahlen verbunden. Darüber hinaus wird auch der weitere Ausbau zukunftsorientierter Informationen die Weiterentwicklung des Berichtswesens bestimmen. 656 Zusammenfassung Das Berichtswesen umfasst die Aufbereitung und Weitergabe von Informationen durch Berichte an interne Adressaten, insbesondere das Management. Das Berichtswesen sollte aus den klassischen W-Fragen (wozu, was, wer, wann) abgeleitet werden. Es werden Standard-, Abweichungs- und Bedarfsberichte unterschieden. Die Berichtsgestaltung kann in inhaltliche, formale, zeitliche und personale Berichtsmerkmale differenziert werden. Die Digitalisierung wird die Weiterentwicklung des Berichtswesens maßgeblich mitbestimmen. Nicht-finanzielle Kennzahlen und zukunftsbezogene Informationen werden zunehmend im Berichtswesen berücksichtigt. 3.6 Kritische Würdigung und Ausblick Die Versorgung des Managements mit entscheidungsrelevanten Informationen ist in vielen Unternehmen der Hauptzweck des Controllings. Um diese Aufgabe wahrzunehmen, stehen dem Controller zahlreiche Instrumente zur Verfügung. Insbesondere die Kostenrechnung ist in vielen Unternehmen sehr weit entwickelt. Zudem wird er bei der Informationsbereitstellung durch eine gut ausgebaute IT unterstützt. 657 Trotzdem hat sich in der Vergangenheit die Informationsversorgung des Managements nicht stetig verbessert. Dies liegt zum einen an der IT-bedingten Informationsflut, die zu einem Information Overload des Managements geführt hat. Zum anderen berücksichtigen Controller bei ihrer Informationsaufbereitung und -bereitstellung häufig nicht die individuellen Informationsverarbeitungsfähigkeiten der Führungskräfte. 656 Vgl. Schäffer/ Weber (2015), S. 17 ff.; Gräf et al. (2013), S. 16. 657 Vgl. hier und im Folgenden Weber/ Schäffer (2016), S. 99 ff. <?page no="383"?> Wiederholungsfragen 383 Controller müssen sich deshalb stärker mit den psychologischen Aspekten der Informationsverarbeitung auseinandersetzen. Zudem wird die Bereitstellung nichtmonetärer Führungsinformationen an Bedeutung gewinnen, da solche Frühindikatoren in einem dynamischen Unternehmensumfeld die Entscheidungsqualität wesentlich verbesseren können. Nach K RESS und O BERFÖRSTER ist das „Gesamtkonzept der Berichterstattung von finanziellen und nichtfinanziellen Daten auf Basis des Wertschaffungsprozesses des International Integrated Reporting Council (IIRC) zu verankern“, wie in Abbildung 263 dargestellt. Abb. 263: Datenmanagement im Wertschaffungsprozess des IIRC (Quelle: Kress/ Oberförster (2018), S 68) Wiederholungsfragen 1. Was sind Führungsinformationen? 2. Welche Phasen umfasst der Informationsversorgungsprozess? 3. Welche Aufgaben hat der Controller im Rahmen der Informationsversorgung? 4. Wie können Informationsangebot, -nachfrage und -bedarf abgegrenzt werden? 5. Wie kann der Controller den Informationsbedarf des Managements feststellen? <?page no="384"?> 384 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe 6. Sie erhalten folgenden Jahresabschluss: <?page no="385"?> Wiederholungsfragen 385 a) In welchen Geschäftsfeldern ist das Unternehmen tätig? b) Wie hat sich die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens im Vergleich zum Vorjahr verändert? c) Welche Handlungsempfehlungen geben Sie der Unternehmensleitung? 7. Erläutern Sie jeweils vier Vor- und Nachteile des externen Rechnungswesens als Informationsbasis des Controllings? 8. Welche Controlling-Instrumente der Informationsversorgung gibt es? 9. Was ist Target Costing und welche Funktionen hat es? 10. Für welche Produkte ist Target Costing geeignet? 11. Wie wird ein Target Costing durchgeführt? 12. Wie können die Zielkosten ermittelt werden? Diskutieren Sie die Eignung der Verfahren! 13. Was unterscheidet die Komponenten- und die Funktionsmethode der Zielkostenspaltung? 14. Wie kann der Zielkostenindex interpretiert werden? 15. Welche Ansätze der Zielkostenerreichung gibt es? 16. Wie ist der Umsetzungsstand des Target Costings in der Unternehmenspraxis? 17. Wie ist der Erfolg des Target Costings in der Unternehmenspraxis? 18. Welche Probleme gibt es bei der Umsetzung eines Target Costings? 19. Welches sind die wesentlichen Kritikpunkte an der Prozesskostenrechnung? 20. Was ist die Prozesskostenrechnung und welche Funktionen hat sie? 21. Für welche Prozesse ist die Prozesskostenrechnung geeignet? 22. Wie wird eine Prozesskostenrechnung durchgeführt? 23. Was sind Aktivitäten, Teil- und Hauptprozesse sowie Kostentreiber? 24. Was unterscheidet leistungsmengen-induzierte und leistungsmengen-neutrale Teilprozesse? 25. Wie erfolgen die Kosten- und die Kapazitätszuordnung auf die Prozesse? 26. Wie erfolgt die Bestimmung der Prozesskostensätze? 27. Skizzieren Sie unterschiedliche Kostentreiber für die Bereiche Logistik, Einkauf, Produktion, Qualitätssicherung, Vertrieb! <?page no="386"?> 386 3 Informationsversorgung als Controlling-Aufgabe 28. Wie ist der Umsetzungsstand der Prozesskostenrechnung in der Unternehmenspraxis zu beurteilen? 29. Wie ist der Erfolg der Prozesskostenrechnung in der Unternehmenspraxis? 30. Welche Probleme gibt es bei der Umsetzung der Prozesskostenrechnung? 31. Was sind Kennzahlen und wie können sie von Indikatoren abgegrenzt werden? 32. Welche Funktionen haben Kennzahlen? 33. Welche Arten von Kennzahlen können unterschieden werden? 34. Nennen Sie je ein Beispiel für eine traditionelle und eine wertorientierte Finanzkennzahl sowie für eine Marktbzw. Kunden-, eine Prozess-, eine Mitarbeiter- und eine Innovationskennzahl. 35. Welche Risikokennzahlen kennen Sie? 36. Was sind Kennzahlensysteme? 37. Welche Funktionen haben Kennzahlensysteme? 38. Welche Arten von Kennzahlensystemen werden unterschieden? 39. Erläutern Sie den Aufbau eines selektiven Kennzahlensystems, des ROI-Kennzahlensystems, von Werttreiberhierarchien und des EFQM-Kennzahlensystems. 40. Welche Beziehungen bestehen zwischen Kennzahlen? 41. Erläutern Sie die Ableitung von Kennzahlensystemen. 42. Wie können die Beziehungen zwischen Kennzahlen ermittelt werden? 43. Wie ist der Umsetzungsstand von Kennzahlensystemen in der Unternehmenspraxis zu beurteilen? 44. Wie ist der Erfolg von Kennzahlensystemen in der Unternehmenspraxis? 45. Welche Probleme entstehen bei der Ableitung und Nutzung von Kennzahlensystemen? 46. Was versteht man unter einem Benchmarking, einem Benchmarking-Objekt und einem Benchmarking-Partner? 47. Welche Funktionen hat ein Benchmarking? 48. Welche Arten des Benchmarkings werden unterschieden? 49. Wie wird ein Benchmarking durchgeführt? <?page no="387"?> Wiederholungsfragen 387 50. Erläutern Sie die Auswahl des Benchmarking-Objekts, der Leistungsbeurteilungsgrößen und des Benchmarking-Partners. 51. Wie erfolgt die Informationssammlung beim Benchmarking? 52. Wie ist der Umsetzungsstand des Benchmarkings in der Unternehmenspraxis? 53. Welche Probleme gibt es bei der Umsetzung eines Benchmarkings? 54. Wie gestaltet sich typischerweise der Ablauf eines Investitionsprozesses? Skizzieren Sie kurz die einzelnen Prozessphasen! 55. Nach welchen Kriterien lassen sich Investitionsrechenverfahren differenzieren? Erläutern Sie diese kurz! 56. Mit welchen drei Aussagen kann ein positiver Kapitalwert intepretiert werden? 57. Wie verändert sich der Kapitalwert einer Investition c.p. bei steigendem Kalkulationszinssatz? 58. Zu welcher Kategorie zählt die Risikoanalyse? Erläutern Sie deren Konzeption! 59. Worin unterscheidet sich die Nutzwertanalyse von den vorher erörterten Investitionsrechenverfahren? Erläutern Sie das Verfahren kurz! 60. Was versteht man unter dem Berichtswesen und wie wird es in den IV-Prozess eingeordnet? 61. Welche Gestaltungsparameter des Berichtswesens gibt es? 62. Welche Funktionen hat das Berichtswesen? 63. Erläutern Sie wesentliche inhaltliche, formale, zeitliche und personale Berichtsmerkmale. 64. Bitte vervollständigen Sie die nachfolgende Synopse zu den drei Berichtsarten. Kriterien Berichtsarten Standardbericht Abweichungsbericht Bedarfsbericht 1. Auslöser 2. Zyklus 3. Empfänger 4. Inhalt 5. Vorteile Lösungshinweise … finden Sie online unter www.uvk.digital/ 9783 8252 8732 0 <?page no="389"?> 4 Spezielle Controlling-Probleme 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie die Notwendigkeit und den Begriff eines verhaltensorientierten Controllings erläutern, verschiedene Arten von dysfunktionalem Verhalten unterscheiden, funktionale und dysfunktionale Verhaltenseffekte von Controlling- Instrumenten am Beispiel der Budgetierung diskutieren, Maßnahmen zur verhaltensorientierten Gestaltung von Controlling- Instrumenten am Beispiel der Budgetierung beschreiben, die Relevanz ausgewählter Verhaltenseffekte in der Unternehmenspraxis erklären und Probleme und Weiterentwicklungsansätze des verhaltensorientierten Controllings nennen. Einstiegsfall: Herausforderungen hinsichtlich der strategischen Planung und Kontrolle bei der Muster AG Der strategische Planungsprozess bei der Muster AG wird in der folgenden Abbildung in fünf Prozessschritte untergliedert, wobei Interdependenzen zwischen den einzelnen Schritten bestehen. 658 Die Strategie wurde in den letzten Jahren weitestgehend von dem Vorstandsvorsitzenden festgelegt, weitere Szenarien wurden nicht betrachtet. Die Planung wurde dann top-down den Mitarbeitern vorgegeben und in unregelmäßigen Abständen kontrolliert. Die Entlohung der Mitarbeiter erfolgt ausschließlich in Form einer Festvergütung. Im Rahmen der strategischen Planung können Wollensdefizite und Könnensdefizite sowohl auf Einzelals auch auf Gruppenebene auftreten. 659 Bei Wollensdefiziten werden Eigeninteressen einzelner Akteure bzw. Gruppen im Unternehmen unterstellt, aber es wird von einem rationalen Verhalten ausgegangen. Bei den Könnensdefiziten bestehen hingegen kognitive Verzerrungen der Akteure bzw. Gruppen. 658 Vgl. Drerup et al. (2016), S. 45. 659 Vgl. Drerup et al. (2016), S. 45 f. <?page no="390"?> 390 4 Spezielle Controlling-Probleme Abb. 264: Strategischer Planungsprozess (Quelle: Drerup et al. (2016), S. 45) Fragen - Beschreiben Sie mögliche Wollens- und Könnensdefizite auf Einzel- und Gruppenebene in der strategischen Analyse, Strategieentwicklung, Strategieimplementierung sowie Kontrolle. - Mit welchen Maßnahmen lassen sich mögliche Defizite künftig reduzieren? 4.1.1 Warum ein verhaltensorientiertes Controlling notwendig ist Der Konzeption von Controlling-Instrumenten liegt die Annahme des Homo oeconomicus zugrunde. Der Homo oeconomicus ist ein rational handelnder Akteur, der alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen vollständig und zielführend verarbeitet. Die Annahme des Homo oeconomicus impliziert, dass keine motivationalen oder kognitiven Beschränkungen vorliegen. Unter dieser Prämisse ist die Betrachtung möglicher Verhaltenswirkungen von Controlling-Instrumenten nicht notwendig. Allerdings zeigt sich in der Unternehmenspraxis, dass sich Menschen in betrieblichen Situationen oftmals nicht konsistent mit den Annahmen des Homo oeconomicus verhalten. 661 Verhaltenswirkungen von Controlling-Instrumenten lassen sich aus mehreren Gründen vermuten: 662 Das Controlling soll die Unternehmensführung bei der Verhaltensbeeinflussung der Mitarbeiter unterstützen und übernimmt daher eine Verhaltenssteuerungsfunktion. 661 Vgl. Bramsemann et al. (2004), S. 553, Hirsch et al. (2008), S. 6; Horváth et al. (2015), S. 54. 662 Vgl. Karlowitsch (1997), S. 56, Schanz (1993), S. 4525, Hirsch et al. (2008), S. 6 f.; Horváth et al. (2015), S. 54 f. <?page no="391"?> 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling 391 Die Tätigkeit des Controllers ist durch Informationsasymmetrien begrenzt, da er auf Basisdaten von Mitarbeitern angewiesen ist. Dies birgt Manipulationsgefahren, insbesondere wenn die Vergütung der Mitarbeiter auf Grundlage dieser Basisdaten erfolgt. Durch den Controller werden Informationen generiert, die für viele Mitarbeiter Zielvorgaben oder Kontrollgrößen sind. Dies birgt ein latentes Konfliktpotenzial. Zudem muss von kognitiven und motivationalen Beschränkungen aller Akteure eines Unternehmens ausgegangen werden. Kognitive Beschränkungen resultieren aus der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des Menschen. Motivationale Beschränkungen resultieren u.a. aus Zielkonflikten, da nicht alle Mitarbeiter dieselben Ziele verfolgen. Controller unterschätzen aufgrund ihrer umfangreichen methodischen Vorbildung ggf. die Komplexität von Controlling-Instrumenten und die Dauer von Lernprozessen bei ihrer Anwendung. Verhaltenswirkungen des Controllings dürfen somit nicht vernachlässigt werden. Daher werden zunächst die Grundlagen eines verhaltensorientierten Controllings dargestellt, bevor Verhaltenswirkungen am Beispiel der Budgetierung diskutiert und Gegenmaßnahmen vorgestellt werden. 4.1.2 Grundlagen Theoretische Grundlage eines verhaltensorientierten Controllings ist das Behavioral Accounting. Behavioral Accounting „untersucht die Zwecke, Aufgaben und Instrumente des externen und internen Rechnungswesens aus einer entscheidungstheoretischen Perspektive.“ 663 Der Begriff „Behavioral“ steht dabei für Verhaltensannahmen über die Nutzer von Rechnungsweseninformationen, die über die rigiden Annahmen des Homo oeconomicus hinausgehen. Diese Verhaltensannahmen werden aus ökonomischen Theorien, z.B. dem Prinzipal-Agenten-Ansatz, der Spieltheorie und der Informationsökonomie, und aus psychologischen und soziologischen Ansätzen, z.B. Motivationstheorien, abgeleitet. Während die Prinzipal-Agenten-Theorie ein vollkommen eigennütziges und rationales Verhalten der Akteure unterstellt, berücksichtigen verhaltenswissenschaftliche Ansätze auch motivationale, kognitive und affektive Einflüsse auf das Verhalten. 664 Behavioral Accounting lässt sich in drei Bereiche unterteilen: Behavioral Financial Accounting untersucht die Entscheidungsunterstützungsfunktion des externen Rechnungswesens für Investoren, Analysten und Wirtschaftsprüfer. Behavioral Tax Accounting beschäftigt sich mit den Steuerungswirkungen von Rechnungslegungsregeln sowie mit Anreiz- und Kontrollproblemen bei Fiskus, Wirtschaftsprüfern bzw. Steuerberatern und Steuerpflichtigen. Behavioral Controlling zählt zum Behavioral Management Accounting, das die Analyse der Entscheidungs- und Unterstützungsfunktion des internen Rechnungswesens zum Gegenstand hat. 665 663 Gillenkirch/ Arnold (2008), S. 128. 664 Vgl. auch im Folgenden Küpper et al. (2013), S. 115 ff. 665 Vgl. Gillenkirch/ Arnold (2008), S. 129. <?page no="392"?> 392 4 Spezielle Controlling-Probleme Ziel des Behavioral Accountings im Allgemeinen und des Behavioral Controllings im Speziellen ist es, Auswirkungen des Rechnungswesens bzw. des Controllings auf das menschliche Verhalten zu erklären und verhaltensorientierte Gestaltungsempfehlungen abzuleiten. 666 Menschliches Verhalten umfasst sowohl ein unbewusstes Reagieren als auch absichtliches, vom Willen gesteuertes Handeln. Verhalten kann u.a. durch Controlling-Instrumente gesteuert werden. Dysfunktionales Verhalten sind alle Handlungen von Mitarbeitern, die den beabsichtigen Wirkungen eines Instruments abträglich oder sogar entgegengesetzt sind und die Zielerreichung erschweren. 667 Dysfunktionales Verhalten wird nach verschiedenen Kriterien systematisiert. Abb. 265: Systematisierung von dysfunktionalem Verhalten (Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Vanini (2007), S. 802) Dysfunktionales Verhalten durch Controlling-Instrumente kann bei Mitarbeitern, Managern und Controllern auftreten. Abb. 266: Zusammenarbeit beim Controlling-Prozess (Quelle: Vanini (2007), S. 803) Mitarbeiter stellen dem Controller Rohdaten für die Informationsverarbeitung zur Verfügung. Dienen diese Rohdaten Kontrollzwecken, besteht für die Mitarbeiter ein Anreiz, die Daten zu manipulieren. Die durch den Controller aufbereiteten Informationen verwendet das Management für die Entscheidungsfindung und die an- 666 Vgl. Gillenkirch/ Arnold (2008), S. 128; Horváth et al. (2015), S. 55; Weber/ Schäffer (2016), S. 29 ff. 667 Vgl. Schanz (1993), S. 4522; Karlowitsch (1997), S. 22; Hoffjan (1997), S. 89; Küpper et al. (2013), S. 118 f. Kriterium Dysfunktionales Verhalten Akteure von Mitarbeitern von Managern von Controllern Ursachen Könnensdefizite Wollensdefizite Emotionen Wirkungen bürokratisches Verhalten Verfälschung von Informationen mittelbare Dysfunktionalitäten Übernahme von übermäßigen Risiken Fehlentscheidungen infolge kogntiver Verzerrungen <?page no="393"?> 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling 393 schließende Delegation der Aufgaben. Hier besteht die Gefahr, dass der Controller zu komplexe Modelle verwendet, die vom Management nicht nachvollzogen werden können. Ein anderes Problem ist, dass zu viele Informationen an das Management weitergegeben werden, so dass dessen Informationsverarbeitungskapazität nicht ausreicht. Ursachen von dysfunktionalem Verhalten sind Könnens- und Wollensprobleme sowie Emotionen. Könnensdefizite ergeben sich aus den begrenzten kognitiven Fähigkeiten von Menschen. Sie entstehen aus einer generellen Überforderung oder situativen Verständnisproblemen und können zu einem fehlerhaften Einsatz von Controlling-Instrumenten führen. Insbesondere die menschliche Fähigkeit zur Informationsverarbeitung und zur Entscheidung wird dadurch eingeschränkt. In der Literatur finden sich viele Beispiele für Urteilsverzerrungen aufgrund der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des Menschen. 668 So schätzen Menschen die Häufigkeit eines Ereignisses umso höher ein, je häufiger sie ein derartiges Ereignis in der Vergangenheit beobachtet haben, ohne dabei aktuelle Einflüsse einzubeziehen (Verfügbarkeit). Auch Controller sind nicht frei von solchen Beschränkungen. 669 Außerdem können Wollensdefizite auftreten, die aus dem Bestreben der Akteure, die Arbeitsbelastung (Arbeitsleid) zu reduzieren, opportunistischem Verhalten aufgrund individueller Nutzenmaximierung oder einer problematischen persönlichen Einstellung, z.B. Streben nach Macht, resultieren. 670 Des Weiteren haben Emotionen einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten der Akteure. Beispielsweise beeinflussen sie die Aufnahme von Informationen sowie deren Verfügbarkeit und Verarbeitung im Rahmen von Entscheidungen. 671 Hinsichtlich ihrer Wirkung lassen sich dysfunktionale Verhaltensweisen in bürokratisches Verhalten, eine Verfälschung von Informationen sowie mittelbare Dysfunktionalitäten unterscheiden. 672 Des Weiteren sind die mögliche Übernahme von übermäßigen Risiken und mögliche Fehlentscheidungen infolge kognitiver Verzerrungen zu beachten. Bei bürokratischem Verhalten konzentriert sich der Aufgabenträger auf die Einhaltung der Zielvorgaben bei gleichzeitiger Vernachlässigung anderer, häufig schwer kontrollierbarer Aspekte. Eine inhaltliche Anpassung reduziert die Aufgabenerfüllung auf quantitativ messbare Komponenten der Zielvorgaben, d.h. es werden bevorzugt Aufträge bearbeitet, die einfach zu erfüllen sind. Andere eher qualitative Aspekte, z.B. die Kundenzufriedenheit, werden vernachlässigt. Bei einer zeitlichen 668 Für eine intensive Diskussion mögliche kognitiver Verzesserung vgl. Abschnitt 1.1. 669 Vgl. Horváth et al. (2015), S. 56, Weber/ Schäffer (2016), S. 50 ff. Vgl. auch Weber/ Riesenhuber (2002), S. 17 ff., die einen Überblick über weitere Entscheidungsheuristiken geben. 670 Vgl. Schanz (1993), S. 4529; Weber/ Schäffer (2016), S. 44 ff. 671 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 50 f. 672 Vgl. hier und im Folgenden Hoffjan (1997), S. 91 ff. <?page no="394"?> 394 4 Spezielle Controlling-Probleme Anpassung werden kurzfristige gegenüber langfristigen Zielen bevorzugt. Dies ist möglich, wenn der Kontrollzeitraum kürzer als die Reichweite einer Maßnahme ist. Eine objektspezifische Anpassung führt dagegen zu Ressort-Egoismus, d.h. außerhalb des eigenen Verantwortungsbereiches liegende Probleme und mögliche negative Konsequenzen für die Arbeitssituation anderer Mitarbeiter oder für das Gesamtunternehmen bleiben unberücksichtigt. Bürokratisches Verhalten kann auch als controlling-konformes dysfunktionales Verhalten bezeichnet werden, da sich die Mitarbeiter konform zu den durch das Controlling begründeten Anreizen verhalten. Zum bürokratischen Verhalten gehört auch das sogenannte Silodenken. Bei einem starken Silodenken kann es zu Kostenverschiebungen und einer bereichsspezifischen Gewinnmaximierung kommen. Zudem behindert ein Silodenken die Abstimmung zwischen Bereichen und erschwert die Ressourcenzuteilung. 673 Eine Verfälschung von Informationen kann durch den sog. Slack, eine Manipulation von Kontrollinformationen oder eine fehlerhafte Informationsverarbeitung, z.B. wegen intellektueller Überforderung oder des Rückgriffs auf ungeeignete Heuristiken der Informationsverarbeitung, auftreten. Unter Slack versteht man die bewusste Manipulation der Zielvorgaben, d.h. der Aufgabenträger übertreibt den benötigten Faktoreinsatz bzw. untertreibt die zu realisierende Leistung. Bei einer Manipulation von Kontrollinformationen werden Informationen nicht oder nur unvollständig wahrgenommen, gänzlich oder teilweise zurückbehalten oder gefälscht, während eine fehlerhafte Informationsverarbeitung eher unbewusst erfolgt. Die Manipulation von Informationen stellt ein controlling-beeinflussendes dysfunktionales Verhalten dar, da der Erfolg vieler Controlling-Instrumente von der Qualität ihrer Eingangsinformationen abhängt. Mittelbare Verhaltensdysfunktionalitäten umfassen zum einen psycho-soziale Effekte wie Konflikte oder den Widerstand gegen Controlling-Instrumente in Form von Subversions- und Rechtfertigungsstrategien. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Reaktanz. Zum anderen kann es zu einem Aufbau zusätzlicher Informationssysteme kommen, die die von den Mitarbeitern empfundenen Defizite bei der Informationsversorgung durch den Controller kompensieren. Insgesamt handelt es sich hierbei um controlling-opponierendes Verhalten, da es mehr oder weniger offenen Widerstand gegen den Einsatz von Controlling-Instrumenten gibt. Die Übernahme von übermäßigen Risiken und die Fehlentscheidungen infolge kognitiver Verzerrungen können u.a. aus dem Bestätigungsirrtum resultieren, so fällt es Entscheidern oft leichter in wenn-dann-Verknüpfungen zu denken als die Konsequenzen in wenn-dann-nicht-Verknüpfungen vollständig zu realisieren. 674 Außerdem begünstigen Entscheidungen, die in Gruppen getroffen werden, oftmals eine voreingenommene Entscheidungsfindung (overconfidence bias). 673 Vgl. Trachsel/ Fallegger (2017), S. 42 ff. 674 Vgl. Beck (2014), S. 47 ff. <?page no="395"?> 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling 395 Lösungshinweise zum Einstiegsfall: 675 Strategische Analyse: In diesem Prozessschritt sollten die einbezogenen Gruppen möglichst heterogen besetzt sein, um die Einbeziehung unterschiedliche Sichtweisen zu ermöglichen. Des Weiteren könnte z.B. der Controller als Advocatus Diaboli eingesetzt werden, um ein überoptimistisches bzw. egoistisches Entscheidungsverhalten einzelner Akteure zu vermeiden. Strategieentwicklung: In diesem Prozessschritt sollten möglichst viele unterschiedliche Sichtweisen einbezogen und bestehende Unsicherheiten mit Hilfe einer Szenario-Analyse abgebildet werden. Strategieimplementierung: Durch das Gegenstromverfahren könnte die Strategie validiert und die Motivation zur Umsetzung erhöht werden. Des Weiteren sollte die Strategie in einen klar definierten Zeit- und Maßnahmenplan für die einzelnen Akteure überführt werden. Des Weiteren kann der Einsatz einer Balanced Scorecard zur Strategieimplementierung hilfreich sein. Kontrolle: Dysfunktionales Verhalten kann sich in groben Bewertungsfehlern oder der Verfälschung controlling-relevanter Informationen zeigen. Diesen möglichen Fehlern sollte durch eine offene Unternehmenskultur und geeignete Anreizsysteme begegnet werden. 4.1.3 Verhaltenswirkungen am Beispiel der Budgetierung In diesem Abschnitt werden mögliche Verhaltenswirkungen von Controlling-Instrumenten am Beispiel der Budgetierung diskutiert. 676 Die Auswahl der Budgetierung erfolgt aufgrund ihrer großen Praxisrelevanz. Außerdem vereint die Budgetierung zahlreiche Aspekte anderer Controlling-Instrumente: „Virtually every aspect of management accounting is implicated in budgeting. Budgeting is related to cost accouting, responsibility accounting, performance measurement and compensation.” 677 Budgets haben eine Motivations-, Bewilligungs-, Allokations-, Vorgabe-, Kontroll-, Koordinations- und Effizienzverbesserungsfunktion. Insgesamt geht es bei der Budgetierung darum, den Interessenkonflikt zwischen untergeordneten Budgetverantwortlichen, die an einer hohen Vergütung bei gleichzeitig niedriger Arbeitsbelastung interessiert sind, und dem Budgetgeber, der einen möglichst hohen Arbeitseinsatz der Budgetverantwortlichen bei möglichst geringer Entlohnung erreichen möchte, zu lösen. Dabei sind zusätzlich motivationale und kognitive Beschränkungen der Akteure zu beachten. 678 675 Vgl. zu den nachfolgend beschriebenen vier Prozesschritten Drerup et al. (2016), S. 46. 676 In der Literatur werden auch Verhaltenswirkungen anderer Controlling-Instrumente untersucht. So diskutiert Hirsch (2005) Könnensdefizite beim Einsatz von Kennzahlensystemen und Chwolka (2003) die Eignung des Target Costing zur Verhaltenssteuerung im Kostenmanagement sowie Vanini (2018) die Risikoeffekte von Vergütungssystemen. 677 Covaleski et al. (2003), S. 3. 678 Vgl. Covaleski et al. (2003), S. 10 ff.; Wall/ Kießling (2008), S. 77; Horváth et al. (2015), S. 55 f. <?page no="396"?> 396 4 Spezielle Controlling-Probleme Aufgabe des Controllers ist die Konzeption und laufende Umsetzung einer Budgetierung. Bei der Konzeption eines Budgetierungssystems werden geeignete Budgetziele, ein Budgetierungsverfahren zur Ermittlung der Budgetziele, der Partizipationsgrad der Mitarbeiter, die Budgetkontrolle sowie die Integration in das Anreizsystem des Unternehmens festgelegt. Im Folgenden werden Verhaltenseffekte der einzelnen Konzeptionselemente diskutiert. Bei der Auswahl der Budgetziele erfolgt i.d.R. eine Konzentration auf einperiodige monetäre Größen wie Umsatz oder Kosten. Klare und spezifische Budgetziele erhöhen die Budgetakzeptanz und die Motivation, senken den arbeitsbezogenen Stress und die Varianz der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und reduzieren die Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten. Wichtig ist die Auswahl von Budgetzielen, die der Budgetverantwortliche im Sinne einer Controllability maßgeblich beeinflussen kann. Dies gilt vor allem dann, wenn die Erreichung der Budgetziele mit der Gewährung von Anreizen verbunden ist. Ist der Budgetverantwortliche der Auffassung, dass er die Budgetziele nicht maßgeblich beeinflussen kann, kann dies seine Motivation beeinträchtigen. 679 Einige Autoren stellen die Eignung von finanziellen Budgetzielen zur Unternehmenssteuerung grundsätzlich in Frage, da diese die Leistung nur unvollständig abbilden: 680 Qualitative Dimensionen der Management-Performance, z.B. die Schaffung eines guten Arbeitsklimas, werden nicht berücksichtigt. Kosten als finanzielle Budgetgrößen bilden nur den Input und nicht den Prozess der Leistungserstellung ab. Eine ineffiziente Leistungserstellung wird so nicht erkannt. Budgets steuern die kurzfristige Performance und vernachlässigen den langfristigen Erfolg. Eine falsche Auswahl der Budgetziele kann zu bürokratischem Verhalten der Mitarbeiter bei der Budgetrealisation führen. Bei einer inhaltlichen Anpassung konzentrieren sich die Budgetverantwortlichen ausschließlich auf die Budgetziele. Auswirkungen auf schwer messbare Größen wie die Kundenzufriedenheit werden vernachlässigt. Eine objektspezifische Anpassung im Sinne eines Ressort-Egoismus ist vor allem bei einer dezentralen Ressourcenverantwortung zu befürchten. Dies führt zu einer Einschränkung der Koordinationsfunktion von Budgets. Zu zeitlichem Anpassungsverhalten der Budgetverantwortlichen kann es kommen, wenn zur Erreichung der Budgetziele auf Investitionen und Weiterbildungsmaßnahmen verzichtet wird, da deren ökonomischer Nutzen erst langfristig wirksam wird, die finanziellen Ressourcen jedoch schon in der laufenden Budgetperiode verbraucht werden. 681 Daher kann ein Vergütungssystem, dass das Topmanagement vor allem anhand kurzfristiger Ergebnisgrößen vergütet, zu einem übermäßigen Eingehen von Risiken für die Erreichung dieser Unternehmensziele verleiten. 682 679 Vgl. Shields (2002), S. 1636, Riahi-Belkaoui (2002), S. 185 ff., Weber/ Schäffer (2016), S. 215. 680 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 83f., Shields (2002), S. 1633, Covaleski et al. (2003), S. 25, Weber et al. (2003), S. 41, Wall/ Kießling (2008), S. 76. 681 Vgl. Hoffjan (1997), S. 260 ff.; Shields (2002), S. 1632. 682 Vgl. Vanini (2018), S. 50ff. <?page no="397"?> 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling 397 Die Festlegung der Budgetgrößen für eine Periode wirft zahlreiche Probleme auf. Zum einen zählt die Budgetaufstellung zu den komplexen und schlecht-strukturierten Problemen, da mögliche Einflussgrößen auf die Budgetentwicklung identifiziert und ihre Entwicklung prognostiziert werden muss. Aufgrund der begrenzten menschlichen Informationsverarbeitungskapazität unterliegt die Ableitung konkreter Budgetvorgaben kognitiven Beschränkungen. Menschen verwenden Heuristiken im Sinne von Faustregeln, um Entscheidungssituationen zu vereinfachen. Bei einer fehlerhaften Anwendung kann es zu dysfunktionalen Verhaltensweisen kommen, so dass die Budgetziele letztlich auf verfälschten Informationen basieren und somit ihre Steuerungswirkung nicht entfalten können. Bezogen auf die Budgetierung hängt das Zielausmaß u.a. von der Planungsmentalität der Budgetverantwortlichen ab. Manager weisen unterschiedliche Planungsmentalitäten auf, die zu einem eher pessimistischem oder einem eher optimistischen Budgetansatz führen können. Bei einem eher pessimistischen Budgetansatz neigt der Budgetverantwortliche dazu, Sicherheitsreserven (Slacks) einzuplanen. Darüber hinaus spielt der Overconfidence-Effekt bei der Planung der Budgetziele eine wichtige Rolle, d.h. die Budgetverantwortlichen überschätzen ihren Einfluss auf die Budgetziele und somit die Planungssicherheit. Auch dieser Effekt führt zu unrealistischen Budgetzielen. 683 Außerdem kann die Festlegung der Budgetziele motivationale Probleme auslösen. Die Motivationswirkung von Budgetzielen hängt vom Zielausmaß, den mit der Zielerreichung verknüpften Anreizen, den zur Zielerreichung notwendigen Anstrengungen sowie der Akzeptanz bei den Budgetverantwortlichen ab. Je höher eine Budgetvorgabe ist, desto höher ist das Anspruchsniveau bei den Budgetverantwortlichen. Das Anspruchsniveau ist somit das individuell angestrebte Ausmaß der Zielerreichung. Erst wenn die Budgetvorgabe unerreichbar erscheint, kommt es zur Resignation mit der Folge eines niedrigeren Anspruchsniveaus. In diesem Fall kann es zu mittelbaren Dysfunktionalitäten in Form von Stress, schlechtem Arbeitsklima oder einem hohen Krankheitsstand kommen. 684 Um das Manipulationspotenzial der Budgetverantwortlichen zu begrenzen, können Budgetierungsverfahren verwendet werden. Dabei werden problem- und verfahrensorientierte Ansätze unterschieden. 685 Problemorientierte Verfahren basieren auf Produktions- und Kostenfunktionen und bestimmen über den geplanten Output eines Budgetbereichs die notwendigen finanziellen Ressourcen. Aufgrund ihres analytischen Ansatzes bieten problemorientierte Budgetierungsverfahren kaum Ansatzpunkte für dysfunktionales Verhalten. Verfahrensorientierte Budgetierungsansätze beruhen auf einem festen Budgetierungsschema. Diese Verfahren sind dann einsetzbar, wenn keine Input-Output-Relation für den Budgetbereich ermittelt werden kann. Ein verbreitetes Verfahren ist die Fortschreibungsbudgetierung, bei der Vorjahreszahlen - gff. korrigiert um Ab- oder Zuschläge - als Zielwerte für die Folgeperio- 683 Vgl. Covaleski et al. (2003), S. 22 f.; Drews/ Friedrichsen (2006), S. 80; Wall/ Kießling (2008), S. 75; Weber/ Schäffer (2016a), S. 9. 684 Vgl. Karlowitsch (1997), S. 44; Hoffjan, (1997), S. 256 f.; Riahi-Belkaoui (2002), S. 185; Shields (2002), S. 1636; Covaleski et al. (2003), S. 24 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 75 f. 685 Vgl. hierzu auch Abschnitt 2.3.6.2. <?page no="398"?> 398 4 Spezielle Controlling-Probleme de übernommen werden. Die Fortschreibungsbudgetierung entspricht einer zentralen Heuristik des menschlichen Planungs- und Entscheidungsverhaltens, bei der ein linearer Entwicklungsverlauf der zu prognostizierenden Größe unterstellt wird und Vergangenheitswerte fortgeschrieben werden. Eine Fortschreibungsbudgetierung kann jedoch zu einer inhaltlichen Anpassung führen, da die Budgetverantwortlichen vernachlässigen, dass Budgetziele wie die Kosten eines Budgetbereichs von vielen Einflussfaktoren abhängen. Zudem erfolgt keine Abstimmung mit anderen Bereichen, so dass Ressort-Egoismen auftreten und die Koordinationsfunktion von Budgets beeinträchtigt wird. Diese Ressort-Egoismen resultieren aus einem Silodenken, dass die Erreichung unternehmensweiter strategischer Ziele stark beeinträchtigen kann. 686 Darüber hinaus besteht die Gefahr mittelbarer Dysfunktionalitäten in Gestalt negativer Auswirkungen auf die Motivationsfunktion der Budgets, da die Budgetverantwortlichen keinen Anreiz zum Einsparen haben. Dies gilt vor allem dann, wenn nicht voll ausgeschöpfte Budgets zu Budgetkürzungen in der Folgeperiode führen. Auf die drohenden Kürzungen reagieren die Budgetverantwortlichen damit, dass gegen Ende der Budgetperiode nicht ausgeschöpfte Budgetlinien verschwendet werden („Dezemberfieber“). 687 In der Literatur wird die Beteiligung von Mitarbeitern an der Budgetierung als Maßnahme genannt, um unerwünschte Verhaltenseffekte zu vermeiden. Unter ökonomischen Kriterien ist eine partizipative Budgetierung aus Sicht des Budgetgebers nur sinnvoll, wenn der Budgetnehmer über zusätzliche Informationen verfügt, die er im Rahmen der partizipativen Budgetierung aufdeckt. Aus psychologischer Sicht ist die Beteiligung der Budgetverantwortlichen an der Budgetierung jedoch aus Motivationsgründen hilfreich. 688 Vorteile einer partizipativen Budgetierung sind: 689 die Formulierung realistischer Budgetvorgaben, eine höhere Planungsqualität aufgrund der Nutzung spezifischer, aufgabenbezogener Mitarbeiterkenntnisse, eine höhere Akzeptanz der Budgetvorgaben sowie eine höhere Motivation der Mitarbeiter aufgrund der stärkeren Internalisierung der Vorgaben. Allerdings ist eine partizipative Budgetierung sehr zeitaufwändig und birgt ein großes Konfliktpotenzial aufgrund des Abstimmungsprozesses zwischen Budgetgeber und -verantwortlichem. Darüber hinaus kann eine Partizipation der Mitarbeiter zur Bildung von Budgetary Slacks führen. Budgetary Slacks entstehen aus einer bewussten Überschätzung der benötigten Ressourcen und einer Unterschätzung der geplanten Leistungen. Grundvoraussetzungen für eine Bildung von Budgetary Slacks sind eine 686 Vgl. Trachsel/ Fallegger (2017), S. 42 ff. 687 Vgl. Drews/ Friedrichsen (2006), S. 81; Horváth et al. (2015), S. 130. 688 Vgl. Karlowitsch (1997), S. 45; Shields (2002). S. 1632; Covaleski et al. (2003), S. 15 sowie S. 24; Wall/ Kießling (2008), S. 79; Horváth et al (2015), S. 130. 689 Vgl. Hoffjan (1997), S. 250; Küpper et al. (2013), S. 348 f. sowie S. 357 f.; Weber/ Schäffer (2016), S. 304 f. <?page no="399"?> 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling 399 partizipative Budgetierung sowie Informationsasymmetrien zwischen dem Budgetverantwortlichem und dem Budgetgeber. Die Bildung von Budgetary Slacks wird durch die Risikoaversion der Budgetverantwortlichen 690 , eine unzureichende Kenntnis des Zusammenhangs von Ressourcenverzehr und Leistungsergebnis, eine rigide Budgetkontrolle, eine gute wirtschaftliche Lage des Unternehmens und eine Verknüpfung der Budgeteinhaltung mit dem finanziellen Anreizsystem begünstigt. Budgetary Slacks passen zwar nicht zur Effizienzverbesserungsfunktion von Budgets, haben jedoch bei dynamischen und komplexen Umweltbedingungen eine wichtige Puffer- und Schutzfunktion. Außerdem haben Experimente gezeigt, dass Budgetverantwortliche Budgetary Slacks in ihren Budgets begrenzen, da ihr Verhalten nicht nur durch Anreize wie Geld und Freizeit, sondern auch durch soziale Anerkennung und moralische Prinzipien gesteuert wird. 691 Eine Budgetkontrolle besteht aus dem Vergleich der realisierten mit den geplanten Budgetzielen. Die Verhaltenswirkung einer Budgetkontrolle hängt von zahlreichen internen und externen Einflussfaktoren, z.B. der Controllability des Kontrollergebnisses, dem Betriebsklima, den persönlichen Eigenschaften des Kontrollierten und der Gestaltung des Kontrollprozesses, ab. Grundsätzlich kann eine Budgetkontrolle die Motivationsfunktion von Budgets verstärken. 692 Für eine effektive Budgetkontrolle müssen die Budgetverantwortlichen den Controllern Rohdaten zur Verfügung stellen. Datenmanipulationen werden durch Informationsasymmetrien zwischen den Akteuren möglich. Als Gründe für manipulatives Verhalten werden beispielsweise der Wunsch der Kontrollierten, Misserfolge zu vermeiden und ihr Streben nach Autonomie und Selbstverwirklichung angeführt. Darüber hinaus kann es zu einer verzerrten Erläuterung von Abweichungen durch Budgetverantwortliche kommen. Beispielsweise können Budgetverantwortliche darauf hinweisen, dass sie die Abweichung nicht voraussehen oder verantworten konnten. Außerdem können sie versuchen, die Budgetabweichungen zu bagatellisieren oder die Abweichungsanalyse durch ein Überangebot an Informationen zu erschweren. Eine intensive Budgetkontrolle kann zu einer zeitlichen Anpassung führen, wenn die Budgetverantwortlichen zu Beginn der Budgetperiode Budgetreserven aufbauen, die gegen Ende der Budgetperiode verschwendet werden und so die Effizienzverbesserungsfunktion gefährden. 693 Wird die Budgetkontrolle als Selbstkontrolle durch den Budgetverantwortlichen organisiert, kann dies seine Motivation positiv beeinflussen und die Lernwirkung von Abweichungsanalysen unterstützen. Zudem können seine Kenntnisse des Budgetgegenstands genutzt und die Kontrollkosten gesenkt werden. Jedoch verursacht eine Selbstkontrolle erhebliche Manipulationsgefahren. Je stärker das Sicherheitsbe- 690 Vgl. Lies/ Weger (2013), S. 38 ff. 691 Vgl. Hoffjan (1997), S. 94 ff. sowie S. 251; Riahi-Belkaoui (2002), S. 232; , Shields (2002), S. 1635; Weber et al. (2003), S. 42 f.; Covaleski et al. (2003), S. 19 f.; Wall/ Kießling (2008), S. 76; Sautter (2016), S. 281 f. 692 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 284 f. Für eine ausführliche Darstellung vgl. Küpper et al. (2013), S. 350 ff. 693 Vgl. Wall/ Kießling (2008), S. 80; Horváth et al. (2015), S. 130. <?page no="400"?> 400 4 Spezielle Controlling-Probleme dürfnis des Kontrollierten ist, desto sinnvoller ist Fremdkontrolle, da eine Rückkopplung als unsicherheitsmindernd empfunden wird. 694 Die Kopplung der Budgetierung mit dem finanziellen Anreizsystem kann durch eine starre Verknüpfung der Budgeterfüllung mit finanziellen Anreizen erfolgen. Alternativ kann die Budgeterfüllung lediglich als ein Indikator für die Perfomance des Managers angesehen werden. Generell werden durch eine Verknüpfung von Budgetierungs- und Anreizsystem alle bisher diskutierten Verhaltensweisen verstärkt. Darüber hinaus kann es bei einer starren Verknüpfung aufgrund des kurzfristigen Charakters der Budgets und der Fokussierung auf monetäre Größen zu einer Vernachlässigung der langfristigen Unternehmensentwicklung kommen, die die Effizienzverbesserungsfunktion der Budgets einschränken kann. So besteht die Gefahr, dass zugunsten der Budgeteinhaltung keine Investitionen durchgeführt werden. Zudem kann eine starre Verknüpfung Manipulationen von Informationen durch die Budgetverantwortlichen sowie mittelbare Dysfunktionalitäten in Form von Stress etc. auslösen. 695 Abbildung 267 fasst wesentliche dysfunktionale Verhaltenseffekte der Budgetierung zusammen. Element Dysfunktionale Verhaltenseffekte Budgetfunktion 1.1. Auswahl der Budgetziele • nicht-beeinflussbare Budgetziele können die Motivation beeinträchtigen • Vorgabe von monetären und kurzfristigen Zielen kann zu bürokratischem Verhalten führen • Motivationsfunktion • Koordinations-, Effizienzverbesserungsfunktion 1.2. Festlegung des Zielausmaßes • kognitive und motivationale Beschränkungen können zu unrealistischen Budgetsansätzen führen • Auswahl eines zu niedrigen oder zu hohen Zielniveaus senkt die Motivation und kann mittelbare dysfunktionale Effekte auslösen • die Fortschreibungsbudgetierung kann zu bürokratischem Verhalten, z.B. Ressort- Egoismen, und zur Budgetverschwendung führen • Vorgabe-, Effizienzverbesserungsfunktion • Motivationsfunktion • Motivations-, Koordinations-, Effizienzverbesserungsfunktion 1.3. Partizipation der Budgetverantwortlichen • Konfliktpotenzial durch Zielvereinbarung • Bildung von Budgetary Slacks • Motivations-, Effizienzverbesserungsfunktion 1.4. Budgetkontrolle • Gefahr von Datenmanipulationen aufgrund von Informationsasymmetrien • zu hohe Kontrollintensität behindert die Lernprozesse und führt zu einer zeitlichen Anpassung • Kontrollfunktion • Motivation-, Effizienzverbesserungsfunktion 694 Vgl. Küpper et al. (2013), S. 353 ff. 695 Vgl. Covaleski et al. (2003), S. 25 f. <?page no="401"?> 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling 401 • Fremdkontrolle birgt die Gefahr von Demotivation und Nichtakzeptanz • Selbstkontrolle eröffnet Manipulationsspielräume und führt zu Budgetverschwendung • Motivationsfunktion • Kontroll-, Effizienzverbesserungsfunktion 1.5. Verknüpfung mit Anreizsystem • Verstärkung aller Verhaltenswirkungen • Gefahr von mittelbaren dysfunktionalen Effekten durch starre Verknüpfung • Motivations- und Effizienzverbesserungsfunktion • Vermeidung eines dysfunktionalen Verhaltens Abb. 267: Dysfunktionales Verhalten durch Budgetierung 4.1.4 Verhaltensorientierte Gestaltung von Budgetsystemen Generell können Informationen, Schulungen und Trainings das Verständnis der Budgetgeber und Budgetverantwortlichen für die Ziele und die Vorgehensweise der Budgetierung erhöhen und somit Könnensaber auch Wollensdefizite reduzieren. Außerdem verbessert eine entsprechende Controlling-Kultur die Akzeptanz der Budgetierung. Anschließend werden weitere Maßnahmen zur Vermeidung der im vorherigen Abschnitt beschriebenen dysfunktionalen Verhaltenseffekte diskutiert. Es ist darauf zu achten, dass steuerbare Budgetgrößen verwendet werden. Zudem ist eine einseitige Fokussierung auf kurzfristige finanzielle Zielgrößen zu vermeiden. Steuerbare Budgetziele wirken sich positiv auf die Motivation der Budgetverantwortlichen aus. Durch eine flexible Budgetierung wird zudem der Einfluss externer Größen wie des Preisniveaus eliminiert. 696 Zudem können zusätzlich langfristige Leistungskriterien als Budgetgrößen verwendet werden. Eine zeitliche und objektspezifische Anpassung wird durch eine Verknüpfung von operativen Budget- und langfristigen Unternehmenszielen sowie eine mehrperiodige Leistungsbewertung vermieden. Einer inhaltlichen Anpassung des Leistungsverhaltens wird durch qualitative Budgetziele wie die Kundenzufriedenheit entgegengewirkt. Außerdem müssen Budgetziele unternehmensweit einheitlich gemessen werden, um keine Spielräume für unterschiedliche Interpretationen und Manipulationen zu bieten. 697 Bei der Festlegung der Planwerte der Budgetgröße sollte das Controlling versuchen, die unterschiedlichen Planungsmentalitäten der Manager zu berücksichtigen. Werden Budgets ständig unterschritten, ist dies ein Hinweis auf eine pessimistische Planungsmentalität und Budgetary Slacks. In diesem Fall sollten die Planwerte der Budgetgrößen durch den Controller und nicht an der Budgetierung beteiligte Akteure hinterfragt werden. 698 Darüber hinaus ist die Berücksichtigung von Budget- 696 Allerdings kann eine zu häufige Anpassung des Budgets zu negativen Motivationswirkungen auf die Budgetverantwortlichen führen. 697 Vgl. Hoffjan (1997), S. 260 ff., Küpper et al. (2013), S. 345 ff. 698 Vgl. Wall/ Kießling (2008), S. 75. <?page no="402"?> 402 4 Spezielle Controlling-Probleme einflussgrößen notwendig, um realistische Budgetansätze abzuleiten. 699 Zur Sicherstellung der Effizienzsteigerungsfunktion von Budgets werden problemorientierte Budgetierungsverfahren empfohlen, da deren analytisch-mathematische Vorgehensweise wenig Spielraum für Manipulationen lässt. Wird eine Fortschreibungsbudgetierung eingesetzt, sollte auf eine Budgetreduktion bei nicht ausgenutzen Vorjahresbudgets verzichtet werden. Hinsichtlich der Beteiligung der Budgetverantwortlichen an der Budgetierung wird das Gegenstromverfahren empfohlen, da es eine höhere Identifikation und Motivation der Budgetverantwortlichen unterstützt, ihr Planungswissen nutzt und kognitiven Begrenzungen einzelner Akteure durch den Abstimmungsprozess entgegenwirkt. 700 Allerdings muss eine kooperative Budgetkultur implementiert werden, um Ressort-Egoismen und Budgetary Slacks zu vermeiden. Bei der Budgetkontrolle ist auf eine möglichst wenig manipulationsanfällige Budgetierung, z.B. durch eine automatisierte Datengewinnung, zu achten. Darüber hinaus gewinnt die Objektivierungs- und die Coachingfunktion des Controllers an Bedeutung. Durch intensive Schulungen sollen die Budgetverantwortlichen zur Selbstkontrolle befähigt werden. Der Controller sollte sich auf die Unterstützung im Rahmen eines strukturierten Budgetaufstellungs- und -kontrollprozesses beschränken. Zudem tragen Präzision, Einfachheit und Objektivität einer Kontrolle zur Akzeptanz und zur Leistungsbereitschaft der Kontrollierten bei. Insgesamt sollte die Budgetkontrolle eher als Lernprozess verstanden und die Budgeteinhaltung vom betrieblichen Anreizsystem entkoppelt werden. Auf eine starre Verknüpfung von Budget- und Anreizsystem ist generell zu verzichten. 701 In dieser Tabelle werden ausgewählte Maßnahmen zur verhaltensorientierten Gestaltung der Budgetierung zusammengefasst. Element Maßnahmen 1.1. Auswahl der Budgetziele • Auswahl von beeinflussbaren Budgetzielen • Elimination externer Effekte, ggf. durch flexible Budgetierung • zusätzliche Verwendung von qualitativen Budgetzielen • Verknüpfung von Budgetzielen mit mehrperiodigen Zielen auf Unternehmensebene • einheitliche unternehmensweite Operationalisierung der Budgetziele 1.2. Festlegung des Zielausmaßes • Überprüfung der Bildung von Budgetary Slacks • Berücksichtigung von Budgeteinflussgrößen • Verwendung von problemorientierten Budgetierungsverfahren • keine Budgetreduktion bei nicht ausgenutzten Vorjahresbudgets 699 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 285. 700 Vgl. Drews/ Friedrichsen (2006), S. 82. 701 Vgl. Hoffjan (1997), S. 265 ff., Weber et al. (2003), S. 49, Horváth et al. (2015), S. 130. <?page no="403"?> 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling 403 1.3. Partizipation der Budgetverantwortlichen • Budgetierung im Gegenstromverfahren • Implementierung einer kooperativen Budgetierungskultur • Überprüfung der Bildung von Budgetary Slacks 1.4. Budgetkontrolle • automatisierte Gewinnung von Kontrolldaten • Versachlichung der Abweichungsanalyse • empfängergerechte Aufbereitung der Kontrollinformationen • Coaching der Manager zur Selbstkontrolle, Fremdkontrolle zur Objektivierung • Verzicht auf eine zu hohe Kontrollintensität 1.5. Verknüpfung mit dem finanziellen Anreizsystem • Verzicht auf eine starre Verbindung • Entkopplung von Budgeterfüllung und Anreizsystem zur Unterstützung der Lernfunktion Abb. 268: Verhaltensorientierte Gestaltung der Budgetierung (Quelle: In Anlehnung an Vanini (2007), S. 806) 4.1.5 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Die folgenden Studien zeigen Aspekte des verhaltensorientierten Controllings in der Praxis auf (vgl. Abb. 269). Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Detecon AG (2012) Befragung von mehr als 50 Mitarbeitern der Controlling- und Finanzabteilungen von deutschsprachigen Unternehmen 702 Studie 2 Eisl et al. (2013) Analyse von 326 Fragebögen zum internen Monatsberichtswesens von österreichischen Unternehmen mit Sitz im In- und Ausland sowie Analyse der externen (Geschäfts)Berichterstattung von 38 Unternehmen auf Basis des ATX Prime Standards. Abb. 269: Studien zum verhaltensorientierten Controlling Studie 1 untersucht grundsätzliche und spezifische Entwicklungen der Unternehmensplanung. Ein Aspekt war das Thema Behavioral Budgeting. Dabei wurde u.a. analysiert, welche der klassischen verhaltensorientierten Probleme bei der Budgetierung als relevant erachtet werden. Die Analyse zeigte, dass das Bewußtsein der Befragten bezüglich dieses Thema noch geschärft werden kann. So antworteten nur 33% der Befragten, dass diese sehr häufig bzw. häufig zu beobachten sind, 60% weniger häufig bzw. selten zu beobachten sind und 7% der Befragten machten keine Angaben. 703 Hinsichtlich der Verhaltensmuster wurde das Budget Gaming, d.h. das absichtliche Nutzen von Puffern in der Budgetplanung mit 32% als besonders praxisrelevant 702 Vgl. hierzu auch Lies/ Weger (2013), S. 41 ff. 703 Vgl. Detecon AG (2012), S. 18 f.; vgl. hierzu auch Lies/ Weger (2013), S. 41 ff. <?page no="404"?> 404 4 Spezielle Controlling-Probleme eingeschätzt, gefolgt von der Regret Aversion (vorwiegenden Orientierung an Standardlösungen) mit 15% und der möglichen Anpassung der Einzelmeinung an die vorherrschende Gruppenmeinung (Group Thinking) mit 13%. Die Überbetonung der Innenim Vergleich zur Außensicht wurde von 11% der Befragten als ein sehr häufiges Verhaltensmuster angesehen. 704 Die folgende Abbildung zeigt die Rangfolge dieser vier Verhaltensmuster im Vergleich zum Durchschnitt aller Verhaltensmuster. Abb. 270: Beobachtete Verhaltensmuster bei der Budgetierung (Quelle: Detecon AG (2012), S. 19) Abb. 271: Monatlicher Zeitbedarf für das Lesen der Berichte (Quelle: Eisl et al. (2013), S. 25) 704 Vgl. Detecon AG (2012). Vgl. hierzu auch Lies/ Weger (2013), S. 41 ff. <?page no="405"?> 4.1 Verhaltensorientiertes Controlling 405 Studie 2 untersucht vor allem das Leseverhalten und die Entscheidungsrelevanz der Informationen der internen Monatsberichterstattung. Dabei zeigt sich, dass nur 42% der Befragten die Monatsberichte komplett, 38,5% zumindest punktuell und 18,9% nur kapitelweise lesen. 707 Hinsichtlich der Lesezeit befasst sich die Hälfte der Teilnehmer maximal 30 Minuten mit dem Lesen der Monatsberichte. 708 Die Bedeutung der Monatberichterstattung wird von 13,5% der Teilnehmer als sehr hoch und von 44,3% der Teilnehmer zumindest als hoch bezeichnet. Die Lesefreundlichkeit der Berichte gewinnt damit an Bedeutung, um ein rationales Entscheidungsverhalten der Akteure sicherzustellen. 709 4.1.6 Probleme und Weiterentwicklung Während im Controlling lange Zeit die Optimierung einzelner Planungs- und Kontrollinstrumente und geeigneter Anreiszsysteme diskutiert wurde, um Wollensdefizite zu verringern, stehen in jüngster Zeit vor allem die Könnensdefizite im Fokus. 710 Dabei werden verschiedene Debiasing-Techniken diskutiert, um mögliche kognitive Verzerrungen (Biases) zu reduzieren bzw. zu vermeiden. 711 Während einige Debiasing-Techniken bereits auf der Ebene einzelner Akteure einsetzbar sind, da sie neue Perspektiven eröffnen, ermöglichen andere Techniken auf der Gruppenebene zusätzlich die Möglichkeit einer Formalisierung von Entscheidungsprozessen und der geeigneten Anbringung möglicher Kritik. 712 Dies ist auf Gruppenebene erforderlich, da mit zunehmender Gruppengröße oftmals ein Overconfidence-Bias verbunden ist, welcher durch geeignete Gegenmaßnahmen begrenzt werden sollte. 713 Dazu zählen neben der Benennung eines Advocatus Diaboli unter anderen eine Pre-mortem- Analyse 714 , in der die Gründe für ein mögliches Scheitern von Großprojekten benannt werden, um eine ausgewogene Sichtweise bei der Entscheidungsfindung zu erreichen. Diese folgende Abbildung zeigt eine Differenzierung dieser Techniken im Einzel- und Gruppenkontext. Die Abgrenzung zielt auf den vornehmlichen Praxiseinsatz ab und ist demzufolge nicht trennscharf, so sind einige der Ansätze auf beiden Ebenen anwendbar. 707 Vgl. Eisl et al. (2013), S. 25. 708 Vgl. Eisl et al. (2013), S. 25. 709 Vgl. Eisl et al. (2013), S. 34. 710 Vgl Biel im Interview mit Weißenberger (2016), S. 24. 711 Vgl Biel im Interview mit Weißenberger (2016), S. 24, vgl. Schäffer/ Weber (2016b), S. 11, Horváth et al. (2015), S. 54 f. 712 Vgl. Schäffer/ Weber (2016a), S. 11. 713 Vgl Beck (2014), S. 58 ff. 714 Bei der Pre-Mortem-Analyse werden mögliche Anzeichen und Argumente analysiert, die ggf. anzeigen, dass z.B. ein Großprojekt scheitern wird. Mit Hilfe dieses Ansatzes soll eine mögliche Voreingenommenheit verhindert und eine objektivierte Entscheidungsfindung ermöglicht werden. <?page no="406"?> 406 4 Spezielle Controlling-Probleme Ansätze auf Einzelebene Ansätze auf Gruppenebene • „Wir erkennen die Fehler anderer leichter als unsere eigenen (4 Augenkontrolle, Diskussion, Coaching) • Bauchenentscheidungen durch Zahlen (Statistiken) kritisch hinterfragen • Qualität von Berichten beachten • Rat von erfahrenen Personen (Expertenwissen) nutzen • Qualität der Entscheidungen durch entsprechende Anreizsysteme fördern • Gruppen klein halten, um Herdenverhalten und langatmige Diskussionen zu minimieren • Brainstorming immer auf der kleinsten Hierarchieebene (bottom up) beginnen • Geheime Abstimmungen nutzen und „stopp loss Kriterien“ (Projekte) definieren • Eine Person als „Advocatus Diaboli“ einsetzen • Bei großen Entscheidungen (z.B. M&A) „Pre-mortem Session“ einführen Abb. 272: Ansätze für Debiasing-Techniken auf Einzel- und Gruppenebene Zusammenfassung Das betriebswirtschaftliche Leitbild des Homo oecomomicus (basierend auf den drei Prämissen: rationales Handeln, unbeschränkte Informationsverarbeitungskapazität und Willenskraft sowie vollständiges Eigennutzdenken) wird den Anforderungen der Praxis nicht gerecht. Ein modernes Controlling muss neben Wollensdefiziten auch Könnensdefizite sowie die Emotionen der Beteiligten berücksichtigen. Klassische Beispiele eines verhaltensorientierten Controllings sind u.a. die strategische Planung und die Budgetierung. Mögliche Probleme zeigen sich beim Einbau von Sicherheitsreserven in Budgets (Budgetary Slacks). Des Weiteren sind Überoptimismus, Gruppendenken und verzerrte Erläuterungen von Budgetabweichungen zu beachten. Mögliche kognitive Verzerrungen von Entscheidern können auf Einzelbzw. Gruppenebene entstehen und sind durch Debiasing-Techniken zu minimieren bzw. zu vermeiden. 4.2 Controlling und Anreizsysteme Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, können Sie den Begriff des Anreizsystems definieren und mögliche Funktionen benennen, die Bedeutung der Prinzipal-Agenten-Theorie und von Motivationstheorien für die Gestaltung von Anreizsystemen diskutieren, <?page no="407"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 407 Anforderungen an und Gestaltungsdimensionen von Anreizsystemen erläutern, Gestaltungsprobleme von Anreizsystemen exemplarisch lösen, Risikowirkungen von Anreizsystemen analysieren, die Umsetzung von Anreizsystemen in der Unternehmenspraxis beschreiben und Probleme und Weiterentwicklungsansätze von Anreizsystemen erläutern. Einstiegsfall: Anreizsysteme im L UFTHANSA -Konzern Der folgenden Abbildung können Sie Informationen zur Vergütung des Vorstandsvorsitzenden von L UFTHANSA für die Jahre 2017 und 2018 entnehmen. In Tds. € 2018 2017 2018 (Min.) 2018 (Max.) Festvergütung 1.380 1.380 1.380 1.380 Nebenleistungen 115 117 115 115 Summe 1.495 1.497 1.495 1.495 einjährige variable Vergütung 679 679 0 2.415 mehrjährige variable Vergütung • dreijährige variable Vergütung • Optionsprogramm (4 Jahre) 679 517 679 827 0 0 0-1.610 1.800 Summe 1.875 2.185 0 4.215 Versorgungsaufwand 1.001 890 1.001 1.001 Gesamtvergütung 4.371 4.572 2.496 6.711 Abb. 273: Gewährte Vergütungen (Quelle: Eigene Erstellung auf Basis von Lufthansa Konzern (2019), S. 89) Zudem können Sie im Geschäftsbericht lesen, dass die variable Vergütung von folgenden Leistungskennzahlen abhängt: Die variable einjährige Vergütung basiert auf der EBIT-Marge, wobei 50% im Folgejahr ausgezahlt werden, der Rest nach einer 3-Jahres-Periode. Dabei wird die erzielte variable Vergütung noch mit einem individuellen Leistungsfaktor von 0,8 bis 1,2 gewichtet. <?page no="408"?> 408 4 Spezielle Controlling-Probleme Die Auszahlung der dreijährigen variablen Vergütung wird zudem zu 70% vom 3-Jahres-EACC715 und zu 30% von den Kennzahlen Reduktion der CO2- Emissionen, Kundenzufriedenheitsentwicklung bei L UFTHANSA G ERMAN A IR- LINES (CPI-Index) und der Entwicklung der Mitarbeiterbefragungsindizes im Konzern bestimmt. Der maximale Auszahlungsbetrag der gesamten variablen Vergütung ist auf 175% der Jahresgrundvergütung für ein Geschäftsjahr begrenzt. Fragen - Warum müssen in Unternehmen Anreizsysteme eingesetzt werden, um die Leistung von Managern zu beeinflussen? - Aus welchen Komponenten besteht ein Anreizsystem? Welche Anforderungen werden an ein Anreizsystem gestellt? - Inwieweit erfüllt das Anreizsystem des L UFTHANSA -Konzerns diese Anforderungen? 4.2.1 Begriff, Funktionen und Anforderungen an Anreizsystemen In Unternehmen werden Entscheidungen von den Eigentümern auf die Geschäftsführung und von der Geschäftsführung auf das mittlere und untere Management delegiert. Für eine effektive Delegation müssen die Unternehmenseigentümer bzw. die Geschäftsführung sicherstellen, dass die jeweils nachgelagerte Ebene in ihrem Interesse handelt und die Unternehmensziele verfolgt. Verfolgen Manager eigene Ziele, besteht die Gefahr von Zielkonflikten, die die Umsetzung der Unternehmensziele behindern. 716 Daher werden vielfach Anreizsysteme eingesetzt, um eine Zielkongruenz zwischen Eigentümern und Management sicherzustellen. Ein Anreizsystem ist die Summe aller geplant gestalteten materiellen und immateriellen Anreize, durch die direkt oder indirekt das Verhalten von Mitarbeitern in die gewünschte Richtung beeinflusst werden kann. Es umfasst sowohl Anreize wie auch Bezugsgrößen für die Gewährung von Anreizen. Belohnungssysteme umfassen nur positive Anreize, während Anreizsysteme grundsätzlich auch negative Anreize beinhalten können. 717 Anreizsysteme haben folgende Funktionen: 718 Abbau von Informationsasymmetrien, d.h. die Bezieher von Anreizen sollen realistische Ziele vereinbaren und unverzerrt über ihre Zielerreichung informieren. 715 Der EACC steht für Earnings after Cost of Capital und entspricht weitestgehend dem Economic Value Added (EVA). Vgl. hierzu Abschnitt 4.3. Er errechnet sich aus dem EBIT zuzüglich der Zinserträge auf Liquidität, 25% Steuern und Kapitalkosten. 716 Vgl. Eigler (2004), S. 668. 717 Vgl. Eigler (2004), S. 679; Troßmann (2018), S. 240. 718 Vgl. Eigler (2004), S. 672 f.; Hofmann (2002), S. 72 f. <?page no="409"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 409 Herstellung einer Zielkongruenz von Unternehmenseignern und Management und damit eine bessere Erreichung der Unternehmensziele. Verstärkung der Motivation der Anreizempfänger, die Ziele besonders intensiv zu verfolgen. Personalselektion, d.h. Auswahl besonders leistungsbereiter Mitarbeiter. Anreizsysteme erfordern eine Zielvereinbarung mit den Anreizempfängern und eine anschließende Leistungsmessung, inwieweit die vereinbarten Ziele erreicht wurden. Die Gestaltung von Anreizsystemen ist eine sehr komplexe Aufgabe. In der letzten Zeit sind Anreizsysteme einer starken Kritik aus Wissenschaft und Praxis ausgesetzt, da sie das kurzfristige Denken und die Gier der Mitarbeiter fördern können. Teilweise wird der Einsatz von Anreizsystemen sogar für eine Verstärkung der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/ 2009 verantwortlich gemacht. 719 Der Gesetzgeber hat darauf durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorStAG) vom 31.07.2009 und mit einer Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) reagiert, die die Verwendung von mehrjährigen Bemessungsgrundlagen in Anreizsystemen für Vorstände zur Sicherstellung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung fordern. Zudem wird die Wartezeit der erstmaligen Ausübung von Aktienoptionen als Vergütungsbestandteil auf mindestens vier Jahre ausgedehnt. Zudem werden eine Begrenzung der Vorstandsvergütung insgesamt und der variablen Vergütung im Speziellen diskutiert. Neben den gesetzlichen Anforderungen werden in der Literatur betriebswirtschaftliche Anforderungen an ein Anreizsystem formuliert: 720 Beeinflussbarkeit (Controllability), d.h. Anreizempfänger sollen nur nach Leistungskennzahlen entlohnt werden, die sie uneingeschränkt beeinflussen können. Vollständigkeit, d.h. die Leistungskennzahlen sollen das gesamte Aufgabenspektrum eines Anreizempfängers abbilden, da er ansonsten nicht durch das Anreizsystem honorierte Aufgaben vernachlässigt. Anreizkompatibilität (Zielkongruenz), d.h. der Anreizempfänger hat einen finanziellen Vorteil (Nachteil) aus seiner Zielerreichung, wenn das Unternehmen auch einen finanziellen Vorteil (Nachteil) hat. Risikoteilung, d.h. ein risikoaverser Anreizempfänger soll durch das Anreizsystem kein unnötiges unternehmerisches Risiko übernehmen. Aktualität, d.h. es sollte eine große Zeitnähe zwischen der Gewährung von Anreizen zu dem gezeigten Verhalten von Anreizempfängern bestehen. Intersubjektive Verifizierbarkeit, d.h. es muss eine objektive und exakt messbare Beziehung zwischen der Leistung eines Anreizempfängers und den gewährten Anreizen geben, die auch für Dritte, z.B. Arbeitsgerichte, nachvollziehbar ist. Dar- 719 Vgl. Velthuis (2011), S. 120 ff. 720 Vgl. Eigler (2004), S. 672 f.; Mayer et al. (2005), S. 13 ff.; Becker/ Kunz (2008), S. 290 f., Troßmann (2018), S. 242 ff.: Fischer et al. (2015), S. 330 ff. <?page no="410"?> 410 4 Spezielle Controlling-Probleme aus folgt die Notwendigkeit einer operationalen Definition und Messbarkeit der Bemessungsgrundlage. Transparenz und Akzeptanz, d.h. es muss für die Anreizempfänger nachvollziehbar sein, wie sie durch ihre Aktivitäten die Leistungskennzahlen und damit ihre Entlohnung beeinflussen können. Teilweise besteht ein Zielkonflikt zwischen den einzelnen Anforderungen, z.B. zwischen der Anreizkompatibilität und der Aktualität. So können zeitnah gewährte Anreize zwar die Motivation des Anreizempfängers steigern, geht dieser aber dafür übermäßige Risiken ein, führt dies häufig kurzfristig zu einer höheren Zielerreichung und damit zur Anreizgewährung. Eingegangenen Risiken werden dagegen erst mittelbis langfristig schlagend und führen dann zu einer niedrigeren Zielerreichung. Einstiegsfall (Lösungshinweise) Ein Anreizsystem ist die Summe aller geplant gestalteten materiellen und immateriellen Anreize, durch die direkt oder indirekt das Verhalten von Mitarbeitern in die gewünschte Richtung beeinflusst werden kann. Der Einstiegsfall beschränkt sich auf das Vergütungssystem für den Vorstandsvorsitzenden. Anreizsysteme werden zum Abbau von Informationsasymmetrien, zur Erreichung der Zielkongruenz, zur Steigerung der Motivation und zur Personalselektion implementiert. Sie müssen vollständig, beeinflussbar, anreizkompatibel, risikoneutral, intersubjektiv verifizierbar, aktuell und transparent sein. 4.2.2 Theorien zur Gestaltung von Anreizsystemen Insbesondere die Prinzipal-Agenten-Theorie sowie Motivationstheorien können zur Gestaltung von Anreizsystemen herangezogen werden. Im Grundmodell der Prinzipal-Agenten-Theorie beschäftigt ein Arbeitgeber (Prinzipal) einen Arbeitnehmer (Agent), der für ihn eine Aufgabe erledigen soll und die dafür notwendigen Entscheidungskompetenzen erhält. Da die Arbeitsleistung nicht direkt beobachtbar ist, gibt es Informationsasymmetrien zu Lasten des Prinzipals, die der Agent opportunistisch ausnutzen kann. Der Nutzen des Agenten wird von seiner Entlohnung und dem notwendigem Arbeitseinsatz beeinflusst, wobei der Agent einen Nutzenzuwachs aus einer zusätzlichen Entlohnung und einen Nutzenverlust aus der zusätzlichen Arbeitsanstrengung (Arbeitsleid) hat. Der Nutzen des Prinzipals wird durch seinen Gewinn als Differenz zwischen dem finanziellen Wert der erbrachten Arbeitsleistung des Agenten und dessen Entlohnung bestimmt. Der Agent wird bei einem Fixlohn sein Arbeitsleid minimieren und damit den Gewinn des Prinzipals reduzieren. Es besteht somit ein Zielkonflikt zwischen Prinzipal und Agent. Höhere Anstrengungen des Agenten werden u.a. dann erreicht, wenn er an seiner Leistung finanziell beteiligt wird. Das Ergebnis seiner Arbeit wird durch ein oder mehrere Leistungsmaße gemessen und dann je nach Höhe dieses Maßes mit finanziellen Anreizen versehen, die den Gewinn des Prinzipals reduzieren. Das Ziel ist, die Höhe der finanziellen Anreize so festzulegen, dass der Nutzen des Prinzipals maximiert wird. Für den Agenten besteht <?page no="411"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 411 die Gefahr, dass es neben seiner Arbeitsleistung weitere unkontrollierbare Faktoren gibt, die das Leistungsmaß und damit seine Belohnung beeinflussen. Daher muss er mit steigender Unsicherheit des Leistungsmaßes für die Übernahme von Risiken überproportional entlohnt werden. 721 Der Prinzipal-Agenten-Ansatz geht von einem reduzierten Menschenbild aus, während verhaltenswissenschaftliche Motivationstheorien eine komplexere menschliche Motivstruktur unterstellen. Es werden Inhaltstheorien der Motivation, die Aussagen über Art, Inhalte und Wirkungen der Bedürfnisse von Menschen treffen, und Prozesstheorien, die das Entstehen von Motivation und deren Wirkung auf das menschliche Verhalten untersuchen, unterschieden. 722 Der Zusammenhang zwischen Motiven, Anreizen und Leistung lässt sich Abbildung 274 entnehmen. Abb. 274: Zusammenhang zwischen Motiven, Anreizen und Leistung (Quelle: In Anlehnung an Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 9) Ein Anreiz löst nur dann ein Verhalten aus, wenn er auf ein entsprechendes Motiv trifft. Intrinsische Motive sind im Individuum selbst angesiedelt, z.B. wenn es sich mit der Erfüllung seiner Aufgabe identifiziert und diese für wichtig erachtet. Extrinsische Motive sind außerhalb des Individuums angesiedelt und werden in Geld-, Sicherheitssowie Status- und Prestigemotive unterteilt. Bei extrinsischer Motivation wird die Arbeit ausgeführt, um durch sie ein anderes Ziel zu erreichen, z.B. eine Belohnung. Die eigene Leistung ist somit Mittel zum Zweck. Treffen Motive auf entsprechende Anreize, können sie Motivation und damit Handlungen von Menschen auslösen. Die Stärke der Motivation hängt dabei von der individuellen Bedeutung eines Motivs und von der Höhe des Anreizes ab. Die Handlungen haben eine Wirkung auf die Leistung des Anreizempfängers. Im Rahmen der Leistungsmessung (Performance Measurement) werden dann die Zielerreichung und damit die Höhe der gewährten Anreize bestimmt. Allerdings hängt die Leistung nicht nur von der Motivation sowie den Fähigkeiten eines Anreizempfängers sondern auch von externen Einflüssen ab. Anreizsysteme können daher nur bei Wollens- und Motiva- 721 Vgl. Jensen/ Meckling (1976); Kramer (2011), S. 20 f.; Mayer et al. (2005), S. 15 ff.; Fischer et al. (2015), S. 308 ff. 722 Vgl. Eigler (2004), S. 681 ff. <?page no="412"?> 412 4 Spezielle Controlling-Probleme tionsdefiziten jedoch nicht bei Könnensdefiziten erfolgreich eingesetzt werden. Zudem sprechen sie nur die extrinsische Motivation des Anreizempfängers an. 723 4.2.3 Gestaltung von Anreizsystemen Es gibt verschiedene Gestaltungsdimensionen von Anreizsystemen. Gestaltungsdimension Entscheidungsfelder 1. Adressaten • Welche Hierarchieebenen werden in das Anreizsystem einbezogen (Geschäftsführung, mittleres Management, Mitarbeiter)? • Werden Anreize für Einzelpersonen (Einzelincentivierung) oder Gruppen (Gruppenincentivierung) gewährt? 2. Anreize • Welche Anreize werden gewährt? • In welchem Umfang werden Anreize gewährt (Anreizvolumen)? • Wird ein Cafeteria-System verwendet? 3. Bemessungsgrundlagen (BMG) • Welche Bemessungsgrundlagen gibt es für die Leistungsmessung? • Wie wird die Leistung konkret gemessen (Bemessungsvorschrift)? 4. Anreizfunktion • Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Höhe der Leistung und dem Umfang des Anreizes? • Wie sind die Bandbreite der Anreize, der funktionale und temporale Zusammenhang zwischen Leistung und Anreizen sowie der Bestimmtheitsgrad der Anreizfunktion? 5. Auszahlungsmodus • Zu welchem Zeitpunkt bzw. in welchem Zeitraum erfolgt die Ausschüttung der gewährten Anreize? • Sollen Bonus-Banken genutzt werden? Abb. 275: Gestaltungsdimensionen von Anreizsystemen (Quelle: Vanini (2017), S. 189 in starker Anlehnung an Becker/ Kunz (2008), S. 291 ff.) Die Entwicklung eines Anreizsystems ist eine gemeinsame Aufgabe von Management, Personalabteilung und Controlling. Der Controller unterstützt insbesondere bei der Festlegung der Anreize, der Bemessungsgrundlage, der Anreizfunktion und des Auszahlungsmodus. Insbesondere wenn das Anreizsystem auf die Steigerung des Unternehmenswertes ausgerichtet ist oder wenn finanzielle Performance-Maße zur Leistungsmessung eingesetzt werden, ist der Controller zu beteiligen. 724 Daher wird die Gestaltung dieser Dimensionen nachfolgend erläutert. 723 Vgl. Sliwka (2003), S. 300 ff.; Troßmann (2018), S. 234 ff.; Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 9 f. 724 Vgl. Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 17 ff. <?page no="413"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 413 4.2.3.1 Festlegung der Anreize Nach der Bestimmung der Adressaten wird die Anreizart festgelegt. Wichtig ist, dass sich die Anreize möglichst gut an den individuellen Motiven ausrichten, um das gewünschte Verhalten beim Anreizempfänger auszulösen (bedürfnisadäquate Anreize). Von einem Mismatch spricht man, wenn die gewährten Anreize nicht die Bedürfnisungleichgewichte der Mitarbeiter abbauen. 725 Die Auswahl der Anreize ist eine gemeinsame Aufgabe der Personalabteilung, die über Wissen zur Bedürfnisstruktur der Mitarbeiter eines Unternehmens verfügt, und des Controllings, das die Beeinflussbarkeit der Unternehmensziele durch die Mitarbeiter einschätzen kann. 726 Insgesamt können Anreize wie folgt systematisiert werden: 727 Bei finanziellen Anreizen werden direkte finanzielle Leistungen, z.B. variable Gehaltsbestandteile oder Tantiemen, und indirekte finanzielle Leistungen, wie z.B. eine kostenlose Kantinennutzung oder verbilligte Einkaufsmöglichkeiten, unterschieden. Zu den nicht-finanziellen Anreizen gehören soziale Anreize, wie z.B. Kontaktmöglichkeiten zu anderen Mitarbeitern, Mitsprache- und Mitgestaltungsrechte, Aufstiegschancen, das Betriebsklima sowie Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Finanzielle Anreize besitzen eine Normierungsfunktion, d.h. sie können verschiedene Motive von Menschen befriedigen und machen den Wert von Anreizen vergleichbar. Zudem wird zwischen langfristigen Anreizen, z.B. der Gewährung von Eigenkapitalanteilen am Unternehmen, und kurzfristigen Anreizen, z.B. einer jährlichen Prämienzahlung, unterschieden. In der Praxis erfolgt häufig ein Mix von kurz- und langfristigen Anreizen. Positive Anreize verbessern die Situation des Anreizempfängers bei Zielerfüllung, negative Anreize bestehen aus einer Sanktion bei Nichterfüllung. In der Praxis wird i.d.R. mit positiven Anreizen gearbeitet. Gewährte positive Anreize werden auch als Belohnungen bezeichnet. Zudem können individuelle Belohnungen z.B. Einzelprämien und kollektive Belohnungen z.B. Gruppenprämien unterschieden werden Zu den direkten finanziellen Anreizen gehören variable Gehaltsbestandteile und Tantiemen, Aktien und Aktienoptionen. Wird die variable Vergütung auf der Basis von individuellen Zielvereinbarungen gezahlt, spricht mann auch von Pay for Performance. 728 Variable Gehaltsbestandteile werden auch als Boni bezeichnet. Werden diese gewährt, muss ihr Anteil am Gesamtgehalt festgelegt werden, wobei ein Anteil von ca. 20% für die unteren Hierarchiestufen und von über 50% für das Top- Management empfohlen wird. 729 Bei einem Aktienoptionsplan erhalten die Manager 725 Vgl. Eigler (2004), S. 679. 726 Vgl. Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 21. 727 Vgl. Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 11 f.; Troßmann (2018) S. 237 f.; Weibel/ Sapegina (2019), S. 4 ff. 728 Vgl. Dalla-Rosa et al. (2019), S. 11. 729 Vgl. Becker/ Kunz (2008), S. 292. <?page no="414"?> 414 4 Spezielle Controlling-Probleme Bezugsrechte zum Erwerb von Aktien des eigenen Unternehmens zu einem festgelegten Basispreis innerhalb eines Ausübungszeitraums. Sowohl Aktienwie auch Aktienoptionspläne können real und virtuell ausgestaltet werden. Bei einer virtuellen Gestaltung werden die finanziellen Effekte realer Instrumente nachgebildet. 730 Der folgenden Abbildung lässt sich beispielhaft die Struktur des Vergütungssystems für Vorstandsmitglieder des Lufthansa-Konzerns entnehmen. Abb. 276: Übersicht der Struktur des Vergütungssystems (Quelle: https: / / investorrelations.lufthansagroup.com/ de/ corporate-governance/ verguetung.html (15.05.2019)) Aufgrund der unterschiedlichen Motivstruktur müssten Anreize eigentlich personenindividuell festgelegt werden. Bei einem Cafeteria-System können die Mitarbeiter sich ihre Belohnungen aus einem Bündel möglicher Anreize individuell zusammenstellen. Dabei wird jeder Anreiz mit einem Punktwert versehen. Ein Mitarbeiter kann so Belohnungen auswählen, die seinen Motiven am stärksten entsprechen, solange er über die notwendigen Punkte verfügt. Allerdings kann ein derartiges System zu Intransparenz und Neideffekten unter den Mitarbeitern führen, wenn die Anreize wenig vergleichbar sind. 731 4.2.3.2 Festlegung der Bemessungsgrundlage Die Bemessungsgrundlage (BMG) ist die Beurteilungsgröße, nach der sich die Belohnung richtet, da durch sie die erbrachte Leistung des Anreizempfängers bewertet wird. Die Festlegung und regelmäßige Erhebung geeigneter BMG ist eine zentrale Aufgabe des Controllings, da der Controller über ein umfassendes Verständnis der Unternehmensziele verfügt und Spezialist für die Ableitung geeigneter Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung ist. Er kann daher die Anreizkompatibilität und Controllability der Kennzahlen beurteilen. Zudem ist er für die laufende Kennzahlenerhebung zur Überprüfung der Zielerreichung zuständig. 732 730 Vgl. Velthuis (2011), S. 124 f. 731 Vgl. Becker/ Kunz (2008), S. 292 f. 732 Vgl. Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 17 ff. <?page no="415"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 415 Es werden verschiedene Performance-Maße unterschieden: 733 Inputorientierte BMG beziehen sich auf das Arbeitsvermögen und den Arbeitsinput von Managern, z.B. geleistete Arbeitsstunden. Outputorientierte Maße messen dagegen den Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele, z.B. der Deckungsbeitrag. Monetäre BMG sind z.B. der realisierte Umsatz, Gewinn oder Deckungsbeitrag, während nicht-monetäre BMG Verkaufsmengen, Durchlaufzeiten oder Reklamationsquoten umfassen. Monetäre BMG entsprechen eher den Unternehmenszielen und erfüllen damit die Anforderung der Anreizkompatibilität besser als nichtmonetäre Maße. Allerdings werden diese auch durch zahlreiche externe Faktoren, wie z.B. allgemeine Marktentwicklungen beeinflusst, und erfüllen daher die Anforderung der Controllability nur eingeschränkt. Objektive BMG bewerten die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters anhand objektiv messbarer Kennzahlen, z.B. Anzahl der verkauften Produkte in einer Periode, während subjektive Maße auf qualitativen Einschätzungen der Leistungen z.B. durch Vorgesetzte beruhen. Absolute BMG beziehen sich nur auf das eigene Unternehmen und beinhalten keinen Leistungsvergleich zu anderen Organisationen. So sind z.B. die Anzahl der produzierten Einheiten oder der erzielte Gewinn eines Unternehmens absolute Leistungsmaße. Relative Maße messen die Leistung in Relation zu vorher festgelegten Zielgrößen, z.B. einem Budget oder der Leistung einer Vergleichsgruppe. Durch die Verwendung relativer BMG soll der Einfluss externer Faktoren auf die Leistungsmessung, die alle Unternehmen gleichmäßig betreffen, eliminiert werden. Die Anreizgewährung beim Top-Management erfolgt häufig auf Basis absoluter oder relativer monetärer BMG des Rechnungswesens. Zur Unterstützung eines wertorientierten Steuerungsansatzes werden die Entwicklung des Aktienkurses des Unternehmens oder absolute Wertbeitragskennzahlen, z.B. Residualgewinne nach Abzug der Gesamtkapitalkosten, verwendet, zudem werden Rentabilitätskennzahlen eingesetzt. 734 Empirische Studien weisen allerdings darauf hin, dass eine starke Kopplung der Bonuszahlungen an die Aktienkursentwicklung zu einer erhöhten Risikobereitschaft und einem kurzfristigerem Denken des Managements führt. Werden einperiodige buchhalterische BMG ausgewählt, wie z.B. der Return-on-Investment (ROI), besteht die Gefahr, dass das Management auf Investitionen verzichtet oder Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen reduziert und so kurzfristig den Gewinn erhöht. 735 Zudem können buchhalterische BMG aufgrund von Bewertungswahlrechten subjektiv gestaltet werden. Die BMG sind an den Unternehmenszielen auszurichten, damit eine Zielkongruenz zwischen Unternehmens- und Managerzielen erreicht wird. Zudem muss das Controllability-Prinzip beachtet werden, damit die BMG direkt durch das Verhalten 733 Vgl. Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 11 f., Kramer (2011), S. 21 f. 734 Vgl. Velthuis (2011), S. 122 ff. 735 Vgl. Kramer (2011), S. 22. <?page no="416"?> 416 4 Spezielle Controlling-Probleme des Anreizempfängers und nicht durch externe Faktoren beeinflusst werden. 736 Hier besteht vielfach ein Dilemma zwischen der Controllability und der Anreizkompatibilität, d.h aus Gründen der Anreizkompatibilität sollten marktnahe, übergeordnete finanzielle Zielgrößen als BMG ausgewählt werden, z.B. Umsätze, Anzahl Neukunden etc. Diese sind jedoch stark durch externe Einflüsse wie z.B. die wirtschaftliche Lage und die Aktivitäten des Wettbewerbs beeinflusst und geben nicht die tatsächliche Leistung eines Managers wieder. 737 4.2.3.3 Festlegung der Anreizfunktion Die Verknüpfung von Anreizen und Bemessungsgrundlage erfolgt durch die Anreizbzw. Entlohnungsfunktion. Eine Anreizfunktion wird durch die Anzahl der betrachteten BMG, ihre Steigung, ihre Verlaufsform, ihren temporalen Zusammenhang und den Bestimmtheitsgrad beschrieben: 738 Zunächst muss entschieden werden, ob die Anreizfunktion auf einer oder mehreren BMG beruht. Bei mehreren BMG muss deren Gewichtung bei der Bestimmung der Zielerreichung festgelegt werden. Anschließend wird die Anreizintensität durch die Festlegung der Anreizhöhe in Relation zur BMG bestimmt. Sie bestimmt die Steigung der Anreizfunktion (vgl. Abb. 277; Anreizfunktion I). Die Anreizfunktion kann einen konstanten, proportionalen, progressiven oder degressiven sowie sprungfixen Verlauf haben. Kappungsgrenzen legen die Zulässigkeit und Höhe von Caps und Floors fest (vgl. Abb. 277; Anreizfunktion II). Bei einem Cap wird eine Obergrenze für die gewährten Anreize festgelegt, durch einen Floor können Sanktionszahlungen bei einer negativen Zielverfehlung ausgeschlossen werden. Caps reduzieren das Risiko übermäßiger Anreizgewährung aus Sicht des Unternehmens, Floors begrenzen das Risiko aus Sicht der Anreizempfänger. Der temporale Zusammenhang bestimmt die Zeitverzögerung zwischen der Leistungsbewertung auf Basis der Bemessungsgrundlage und der Anreizgewährung. Darüber hinaus können mehrjährige Durchschnitte der Zielgrößen als BMG verwendet werden, um eine nachhaltige Erreichung der Unternehmensziele zu unterstützen. Der Bestimmtheitsgrad beschreibt die Eindeutigkeit der Entlohnungsfunktion. Dieser ist eingeschränkt, falls ein subjektiver Ermessensspielraum der Unternehmensleitung bei der Gewährung von Anreizen oder der Leistungsbeurteilung besteht. Beispiele für mögliche Anreizfunktionen sind der folgenden Abbildung zu entnehmen. 736 Vgl. Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 10; Kramer (2011), S. 21. 737 Vgl. Troßmann (2018), S. 241 f. 738 Vgl. Hofmann (2002), S. 72; Lingnau/ Willenbacher (2013), S. 12 f. <?page no="417"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 417 Abb. 277: Anreizfunktionen Es gibt verschiedene Modelle für die Verknüpfung von Anreizen und BMG: 739 Beim Profit Sharing erhält ein Anreizempfänger einen konstanten Anteil α am tatsächlichen oder kalkulatorisch ermittelten Gewinn. Das Profit Sharing erfüllt zwar die Kriterien der Transparenz, der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit und der Anreizkompatibilität, verletzt aber die Anforderung der Controllability, da der Gesamtgewinn auch von den Leistungen anderer Manager abhängt. Um die Anforderung der Controllability zu erfüllen, wird beim Groves-Schema ein bereichsspezifischer Verrechnungsgewinn, der vom tatsächlich erzielten Gewinn des Bereichs sowie dem geplanten Gesamtgewinn des Unternehmens abhängt, als BMG verwendet. Das Groves-Schema bewirkt jedoch, dass die Unternehmensbereiche ihren Gewinn zu optimistisch planen, da sie damit ihren gewährten Anreiz positiv beeinflussen können. Das Weitzman-Schema versucht die Prognosegenauigkeit der BMG zu verbessern und damit Informationsasymmetrien abzubauen. In die Anreizfunktion gehen hier die geplanten und die tatsächlichen Gewinne des Bereichs ein. Der gewährte Anreiz ist hier am höchsten, wenn der tatsächliche Gewinn dem geplanten Gewinn entspricht. Bei Abweichungen wird der Faktor α entsprechend angepasst. 739 Vgl. Troßmann (2018), S. 254 ff. <?page no="418"?> 418 4 Spezielle Controlling-Probleme 4.2.3.4 Festlegung des Auszahlungsmodus Abschließend der Auszahlungsmodus festlegt werden. Durch den Auszahlungsmodus wird der Zeitpunkt der Ausschüttung des gewährten Anreizes festgelegt. Dadurch soll die eher kurzfristig ausgelegte Zeitpräferenz des Anreizempfängers an den langfristigeren Planungshorizont der Unternehmenseigner angeglichen werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den gesamten Bonus jeweils am Jahresende auszuzahlen. Das führt zwar zu einer starken Motivation der Anreizempfänger, birgt aber das Risiko einer kurzfristigen Entscheidungs- und Handlungsorientierung. Dies ist problematisch, da viele Entscheidungen kurzfristig positive Effekte haben, aber langfristig große Risiken aufweisen. So führt eine Reduktion von Investitionen kurzfristig zu Kosteneinsparungen und langfristig jedoch zu einem Investitionsstau und dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. 740 Insbesondere für langfristige Anreize (long-term incentives; LTI) gibt es mehrere Auszahlungsformen: Die gewährten Anreize werden zwar jährlich ausgezahlt, basieren aber auf einem mehrjährigen Durchschnitt der BMG, z.B. dem durchschnittlichen Deckungsbeitrag der letzten drei Jahre. Die gewährten Anreize werden zeitverzögert nach mehrjähriger Wartezeit ausgezahlt. Die gewährten Anreize werden über eine Bonus-Bank ausgezahlt. Die Anreizempfänger können über verrechnete Maluszahlungen an Verlusten beteiligt werden. Bei einer Bonus-Bank wird der erzielte Jahresbonus auf ein virtuelles Konto eingezahlt, dort mit der Unternehmensrendite verzinst und über einen längeren Zeitraum ausgezahlt. 741 Ein Beispiel ist der folgenden Abbildung zu entnehmen: Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Bonus 100 260 -40 - Auszahlung an Manager 100 100 0 = Transfer auf Bonus-Bank-Konto 0 160 -40 Ist-Saldo auf Bonus-Bank-Konto 0 160 120 Zinszahlung auf Ist-Saldo (25% p.a.) 0 40 30 Gesamte Auszahlung an Manager 100 140 30 Abb. 278: Beispiel für eine Bonus-Bank (Quelle: Koch/ Pertl (2009), S. 8) Im o.g. Beispiel wird maximal ein Bonus von 100 ausgezahlt. Erwirbt der Anreizempfänger durch eine höhere Zielerreichung einen höheren Bonusanspruch, wird die 740 Vgl. Witzemann/ Currle (2004), S. 632. 741 Vgl. Witzemann/ Currle (2004), S. 632 ff. <?page no="419"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 419 Differenz seinem Bonus-Bank-Konto gutgeschrieben und dort verzinst. Die Zinsen werden zusätzlich zum Bonus ausgezahlt (Jahr 2). Erfüllt der Manager nicht die vereinbarten Ziele, erhält er einen Malus, der mit seinem Bonus-Bank-Guthaben verrechnet wird (Jahr 3). Durch die Verwendung von Bonus-Banken werden die Bonuszahlungen an die Anreizempfänger geglättet. Zudem sollen die Anreizempfänger an der langfristigen Unternehmensentwicklung ausgerichtet werden, indem sie an den Risiken ihrer Entscheidungen und damit an den Verlusten des Unternehmens beteiligt werden. Einstiegsfall: Anreizsysteme im L UFTHANSA -Konzern (Fortsetzung) Die Berechnung der einjährigen variablen Vergütung des Vorstands ab 2019 lässt sich der folgenden Abbildung entnehmen. Abb. 279: Übersicht Jahresbonus (Quelle: https: / / investor-relations.lufthansagroup. com/ de/ corporate-governance/ verguetung.html (15.05.2019)) Die einjährige variable Vergütung wird zu 42,5% durch die EBIT-Marge, zu 42,5% durch das EBIT-Wachstum und zu 15% aus vom Aufsichtsrat ausgewählten Nachhaltigkeitskennzahlen bestimmt. Die Bestimmung der Zielerreichung für die o.g. Kennzahlen wird auf der Grundlage der Zielvereinbarung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr berechnet, wobei die Zielerreichung auf max. 200% begrenzt ist (Cap). Zudem hat der Aufsichtsrat die individuelle Leistung von Vorstandsmitgliedern durch einen individuellen Leistungsfaktor zu gewichten. Die gesamte Auszahlung der einjährigen variablen Vergütung ist auf 200% des Zielbonus bei 100% Zielerreichung begrenzt. Fragen - Diskutieren Sie, welche der o.g. Gestaltungsdimensionen das Vergütungssystem des L UFTHANSA -Konzerns beinhaltet. - Inwieweit erfüllt das Vergütungssystem die Anforderungen an ein Anreizsystem? <?page no="420"?> 420 4 Spezielle Controlling-Probleme 4.2.4 Integration von Risiken in Anreizsysteme Motivation entsteht, wenn die Anreize zentrale Motive der Anreizempfänger befriedigen. Zentrale Annahme von Anreizsystemen ist, dass Manager extrinsisch motiviert sind und risikoavers handeln. Wird einem Manager lediglich ein Festgehalt gewährt, wird er gemäß seiner Risikoneigung Risiken zur Erreichung der Unternehmensziele eingehen. Weicht seine Risikopräferenz von der der Eigner ab, besteht die Gefahr, dass zu viele oder zu wenige Risiken eingegangen werden. Insgesamt können Studien die Prämisse durchgängig risikoaverser Manager nicht unterstützen und finden zudem eine starke Kontextabhängigkeit der individuellen Risikoneigung. So entscheiden Menschen i.d.R. in Verlustsituationen risikofreudiger als in Gewinnsituationen, was eine übermäßige Risikoübernahme insbesondere in Unternehmenskrisen noch verstärken kann. 742 Die Gewährung einer variablen Barvergütung kann zu einer Übernahme zusätzlicher Risiken führen. Je höher das Verhältnis von variabler Barvergütung zu Festgehalt (Anreizintensität) und je größer die Risikoneigung des Managers sind, desto eher ist er zur zusätzlichen Risikoübernahme bereit, um die vereinbarten Ziele zu erreichen. Werden risikofreudigen Managern hohe finanzielle Anreize in Aussicht gestellt, kann es zum Phänomen des „Excessive Risk-Taking“ kommen. Diese Manager gehen übermäßig hohe Risiken ein, um ihre Vergütung zu maximieren. 743 Dieser Effekt kann durch eine abweichende Zeitpräferenz zwischen Prinzipal und Agent noch verstärkt werden, z.B. wenn ein Manager aufgrund eines auslaufenden Vertrages kurzfristige Zahlungen gegenüber dem langfristigen Unternehmenserfolg präferiert. Bei einer ausübungsbeschränkten Aktienvergütung nimmt der Manager an Gewinnen und Verlusten der Unternehmensentwicklung teil und unterliegt damit dem unternehmensspezifischen Risiko. Dies führt zu einem eher risikoaversen Verhalten. Daher erfolgt vor allem bei längeren Haltefristen eine Angleichung der Interessen von Eignern und Managern. Allerdings wird der Wert der Vergütung dann auch durch externe Faktoren bestimmt, was bei ungünstiger Aktienkursentwicklung eine nachlassende Motivationswirkung bewirken kann. Bei Aktienoptionen nimmt der Manager nicht am Verlust des Unternehmens teil, so dass eher ein Anreiz zur Übernahme größerer Risiken besteht. 744 Die Gewährung von Anreizen basiert auf der Leistung des Managers. Für die Leistungsmessung werden häufig Bemessungsgrundlagen (BMG) in Form von Kennzahlen definiert. Traditionelle Finanzkennzahlen wie der Jahresüberschuss sind leicht messbar und stehen in direktem Zusammenhang mit den Unternehmenszielen. Allerdings sind sie vergangenheitsorientiert, ggf. durch Bilanzpolitik gestaltbar und vielfach durch externe Faktoren wie z.B. die Konjunkturentwicklung beeinflusst. Zudem bilden sie das eingegangene Risiko nicht ab. Insbesondere wenn BMG in Form von traditionellen Finanzkennzahlen mit einem kurzfristigen Auszahlungsmodus kombiniert werden, bieten sie einen starken Anreiz zur Risikoerhöhung, da die Risiken von 742 Vgl. Review empirischer Studien von Vanini (2016). Vgl. außerdem Kahneman/ Tversky (1979). 743 Vgl. Brink et al. (2016), S. 13 ff. 744 Vgl. Becker/ Kunz (2008), S. 292 ff., Döscher (2014), S. 66 ff. <?page no="421"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 421 Managemententscheidungen häufig erst mittelbis langfristig schlagend werden. Zudem besteht das Risiko, aufgrund von abweichenden Zeitpräferenzen eher langfristig angelegte, vorteilhafte Investitionen nicht durchzuführen und somit den nachhaltigen Unternehmenserfolg zu gefährden. 745 Wertorientierte BMG wie der EVA berücksichtigen durch die gewichteten Kapitalkosten das Risiko einer Entscheidung. 746 Allerdings besteht auch bei wertorientierten BMG die Gefahr der Fehlsteuerung, wenn ein risikoaverser Manager selbst eine persönliche Risikoprämie in seinem Vorteilhaftigkeitskalkül berücksichtigt. Ist eine Risikoprämie bereits in den Kapitalkosten enthalten, so führt dies zu einem doppelten Risikoabschlag und damit zur Nichtinvestition in vorteilhafte Projekte. 747 Die Kopplung der variablen Vergütung an die Aktienkursentwicklung führt tendenziell zu einer höheren Risikobereitschaft. Dieser Effekt wird durch einen kurzfristigen Auszahlungsmodus noch verstärkt. Risikoeffekte von nicht-finanziellen Kennzahlen können nur anhand konkreter Beispiele hergeleitet werden, weshalb auf eine Diskussion verzichtet wird. Allerdings gibt es empirische Hinweise, dass nichtfinanzielle Kennzahlen als BMG eine langfristige Orientierung des Managements fördern und risikoreduzierend wirken. 748 Eine Anreizfunktion verknüpft die einzelnen Vergütungsarten mit den BMG, während der Auszahlungsmodus deren Zahlungszeitpunkt bestimmt und damit zu einer Angleichung der Zeitpräferenzen der Manager an die der Eigentümer führen kann. Eine zeitliche Nähe zwischen Leistung und Auszahlung hat positive Auswirkung auf die Motivation, allerdings werden die Risiken von Entscheidungen häufig erst später schlagend, so dass sich folgende mögliche Risikowirkungen ableiten lassen: Anzahl und Gewichtung der BMG: Werden mehrere Kennzahlen als BMG verwendet, wird das Aufgabenspektrum des Managers besser abgedeckt. Die Risikowirkung einer steigenden Zahl von Kennzahlen als BMG hängt von den gewählten Kennzahlen ab. Insgesamt besteht jedoch die Gefahr, dass sich Manager auf die Kennzahlen mit der größten Gewichtung und damit dem größten Hebel auf die variable Vergütung konzentrieren. Fristigkeit der Anrechnung der BMG: Grundsätzlich können die BMG auf Jahres- oder Mehrjahresbasis angerechnet werden. Bei der Verwendung von Mehrjahresdurchschnitten steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Risiken von Entscheidungen auch in den Zielgrößen niederschlagen. Daher sinkt bei mehrperiodigen BMG der Anreiz zur Risikoübernahme, allerdings bei nachlassender Motivationswirkung aufgrund des größeren Zeitabstands. Verlauf der Anreizfunktion: Eine stärkere Steigung oder ein progressiver Verlauf der Anreizfunktion belohnt eine höhere Zielerreichung überproportional und bietet daher einen höheren Anreiz für eine Risikoübernahme. Bonuszahlungen können nach unten (Floor) und nach oben (Cap) begrenzt werden. Caps reduzieren 745 Vgl. Velthuis (2011), S. 122 f. 746 Vgl. Döscher (2014), S. 47 f. 747 Vgl. Velthuis (2011), S. 123 f. sowie S. 129 ff. 748 Vgl. Döscher (2014), S. 208 f. <?page no="422"?> 422 4 Spezielle Controlling-Probleme tendenziell den Anreiz zur weiteren Risikoübernahme bei Erreichen der Bonusgrenze, es besteht aber die Gefahr der Verschiebung von Zielerreichungsbeiträgen in die Folgeperiode. Die Risikowirkungen von Floors sind nicht eindeutig. Bei eher risikoscheuen Managern besteht bei einer aktuellen Zielerreichung deutlich unterhalb der Floors kein Anreiz zur zusätzlichen Risikoübernahme, da diese nicht durch mehr Bonus belohnt wird. Bei sehr risikofreudigen Managern besteht aufgrund der fehlenden Verlustbeteiligung in diesem Bereich eher die Gefahr einer Überinvestition in sehr riskante Projekte. Verwendung von Mali: Die (Über-)Erfüllung von Zielen führt typischerweise zu Bonuszahlungen. Grundsätzlich sind auch Maluszahlungen durch den Manager bei Unterbzw. Nichterfüllung der vereinbarten Ziele denkbar. Diese Verlustbeteiligung reduziert tendenziell die Risikoübernahme. Allerdings stellt sich hier die Frage, inwieweit eine Verlustbeteiligung des Managements durchsetzbar ist. Auszahlungsmodus: Eine sofortige Auszahlung von Belohnungen (STI) bietet einen Anreiz zur Risikoerhöhung, vor allem bei einer starken Kurzzeitorientierung der Manager. Folgende Aspekte sollten bei einer risikoorientierten Gestaltung von Anreizsystemen berücksichtigt werden: Um die Risikowirkungen von Anreizsystemen abzuschätzen, ist die Kenntnis der Risikoneigung der Manager notwendig. Dabei ist es wichtig, dass die Risikoneigung zum Aufgabenbereich des Managers passt, sich die Risikopräferenzen verschiedener Manager ergänzen und ggf. Präferenzunterschiede zu den Eigentümern transparent sind. Um negative Effekte von Vergütungssystemen zu vermeiden, sollte eine Risiko- und Führungskultur entwickelt werden. So kommen Studien zum Ergebnis, dass ein hohes Verantwortungsbewusstsein und traditionelle Managerwerte die Neigung zur exzessiven Risikoübernahme auch bei hoher Anreizintensität reduzieren. 749 Sollen keine zusätzlichen Anreize zur Risikoübernahme gesetzt werden, empfiehlt es sich, den Anteil der variablen Barvergütung zugunsten einer realen oder virtuellen Aktienvergütung zu verringern. Zur Angleichung der Zeitpräferenzen sind die Aktienvergütungen mit Sperrfristen zu versehen. Um Risiken angemessen bei der Auswahl der BMG zu berücksichtigen, ist es erforderlich, Risikoziele für das Unternehmen zu definieren und durch geeignete Risikokennzahlen zu operationalisieren. 750 Beispielsweise misst die Volatilität die durchschnittliche Abweichung von der erwarteten Zielgröße und ist daher für risikoneutrale Entscheider geeignet. At-Risk-Kennzahlen berücksichtigen das Risiko einer Verfehlung der Unternehmensziele während einer Planperiode, das Konfidenzniveau kann dabei abhängig von der Risikoneigung der Eigentümer gewählt werden. Am besten sind Risiko-Rendite-Kennzahlen wie z.B. der RORAC oder der RAROC für die risikoadjustierte Bewertung der Leistung von Anreizempfängern geeignet. Allerdings ist die Ermittlung von Risikokennzahlen von zahlreichen 749 Vgl. Brink et al. (2016), S. 13 ff. 750 Vgl. Larcker et al. (2014), S. 1 f. Zu möglichen Risikokennzahlen vgl. Abschnitt 3.4.4.4. <?page no="423"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 423 Parametern und damit Gestaltungsspielräumen abhängig, die möglicherweise ihre objektive Ermittlung erschweren. Ihre Berechnung ist komplex und kann ihre Akzeptanz als BMG erschweren. Aufgrund ihrer fehlenden Additivität erscheint ihre Nutzbarkeit als BMG unterhalb der Geschäftsführungsebene nur begrenzt möglich, da durch eine Managemententscheidung zwar für einen Bereich ein höheres Risiko eingegangen werden kann, das Unternehmensrisiko jedoch gleichzeitig durch Diversifikationseffekte reduziert wird. Zudem müssen die Risiken für mehrere Perioden simuliert werden, um auch mittel- und langfristige Effekte zu erkennen. Unterhalb der Geschäftsführungsebene bieten sich eher Früherkennungsindikatoren zur Bewertung der Risiken an, da diese häufig auch direkt durch das Management beeinflusst werden können. 751 Sind der nachhaltige Unternehmenserfolg und eine stetige Unternehmensentwicklung maßgebliche Ziele der Eigentümer, ist es sinnvoll, die jährliche Auszahlung entweder an einen Mehrjahresdurchschnitt der BMG zu koppeln oder einen Teil der Boni erst nach mehrjähriger Wartezeit auszuzahlen. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz einer Bonusbank inklusive der Beteiligung an den Verlusten. So können Manager durch Maluszahlungen an eingetretenen Risiken beteiligt werden. Im Idealfall kommt es zu einer vollständigen Kongruenz der Risiko- und Zeitpräferenzen von Management und Eigentümern. Allerdings ist die Auswahl des richtigen Auszahlungshorizonts aufgrund der unterschiedlichen individuellen Risiko- und Zeitpräferenzen schwierig. Zudem ist eine Bonusbank aufwändig. Unklar ist auch, was mit den erworbenen Boni oder Mali bei Fluktuationen geschieht. 4.2.5 Umsetzung in der Unternehmenspraxis In den letzten Jahren gab es zahlreiche Studien zur Gestaltung von Anreizsystemen. 752 Der folgenden Abbildung ist eine aktuelle Auswahl zu entnehmen. Studie Autoren Erhebung/ Datenbasis Studie 1 Friedl/ Pfeiffer (2014) Analyse der Vergütungsberichte der DAX- und MDAX-Berichte; Auswertung der Vorstandsvergütungen für 2012 Studie 2 Efing et al. (2015) Analyse der Bonuszahlungen in 67 Banken in der DACH-Region von 2004-2011 Studie 3 Göx (2016) Analyse der Vorstandsvergütungen der DAX-- und S&P 500-Unternehmen von 1985-2015 Studie 4 Von Hülsen (2019) Zusammenfassung der Ergebnisse zweier Kienbaum- Studien von 1.928 GmbH-Geschäftsführern und 18.757 Führungskräften Studie 5 Dalla-Rossa et al. (2019), Dalla-Rossa (2018) Mehr als 500 Vertriebsmitarbeiter eines europäischen Industrieunternehmens aus sieben unterschiedlichen nationalen Vertriebsorganisationen Abb. 280: Studien zur Gestaltung von Anreiz- und Vergütungssystemen 751 Für eine umfassende Diskussion vgl. Vanini (2018), S. 50 ff. 752 Vgl. Göx (2016), S. 311 f. <?page no="424"?> 424 4 Spezielle Controlling-Probleme Studie 3 untersucht die Entwicklung der Höhe von Top-Management-Vergütungen, wie die folgende Abbildung zeigt. Jahr 1985 1995 2000 2005 2010 2014 Dax - Summe pro Kopf 3,720 0,428 5,778 0,692 8,424 1,168 11,273 2,005 15,143 2,797 17,831 2,997 S&P 500 - Summe pro Kopf - - 4,869 0,792 15,512 2,373 13,125 2,494 14,644 2,601 19,309 3,558 Abb. 281: Top-Managementvergütungen im DAX und S&P 500, Median der Nominalwerte in Mio. € (Quelle: Göx (2016), S. 314) Nominal sind die Managementvergütungen sowohl in Summe als auch Pro-Kopf in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Bezieht man die Vorstandsvergütung jedoch auf den Erfolg und die Größe der DAX-Unternehmen, relativiert sich das Bild. Jahr 1985 1995 2005 2015 - Gesamtvergütung/ Gewinn - Gesamtvergütung/ EBIT - Gesamtvergütung/ Umsatz - Gesamtvergütung/ Börsenwert 2,94% 1,15% 0,05% 0,14% 1,64% 0,90% 0,04% 0,09% 1,22% 0,53% 0,05% 0,08% 1,02% 0,65% 0,06% 0,08% Abb. 282: Vorstandsvergütung relativ zu Erfolg und Größe im DAX (Medianwerte) (Quelle: Göx (2016), S. 315) Studie 1 untersucht die Struktur der Vorstandsvergütungen. 2012 machte in den DAX-Unternehmen die variable Barvergütung fast die Hälfte der Gesamtvergütung des Vorstandes aus (46,6%), gefolgt von der fixen Barvergütung (28,3%) und aktienkurs-basierten Vergütungsbestandteilen (25,1%). Bei den variablen Vergütungsbestandteilen waren 24,5% kurzfristig orientiert 753 (Abb. 283). Zudem gewinnen aktienkursorientierte Vergütungen seit 2006 an Bedeutung. Auch bei der variablen Vergütung ist eine Umorientierung hin zu langfristigeren Ansätzen zu erkennen. Dabei werden zunehmend nicht-finanzielle Kennzahlen wie die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit als BMG verwendet. 754 Die Studien 2 und 4 untersuchen Vergütungssysteme in Nicht-DAX-Unternehmen bzw. unterhalb der Geschäftsführung. Für die Geschäftsführer von GmbH wurde in Studie 4 eine durchschnittliche Jahresvergütung von 375.000 € mit einer sehr breiten Streuung von 70.000 € bis 2,5 Mio. € ermittelt, während für Führungskräfte unterhalb der Geschäftsführungsebene ein Durchschnittswert von 164.000 € 753 Vgl. Friedl/ Pfeiffer (2014), S. 149 ff. 754 Vgl. Friedl/ Pfeifer (2014), S. 153. <?page no="425"?> 4.2 Controlling und Anreizsysteme 425 bestimmt wurde. 94% der Geschäftsführer und 83% der Führungskräfte erhalten eine variable Vergütung, die im Durchschnitt bei 30% bzw. 19% der Gesamtvergütung liegt. Die Höhe der Vergütung wird maßgeblich durch die Unternehmensgröße und die übernommene Verantwortung bestimmt. Insgesamt gehen 45% der Unternehmen eher von einer Abnahme der Bedeutung der variablen Vergütung gegenüber der Festvergütung aus. 755 Abb. 283: Struktur der Vorstandsvergütung im DAX 2012 (Quelle: Friedl/ Pfeiffer (2014), S. 152) Studie 2 konnte einen Langzeitdatensatz zu gezahlten Bonuszahlungen in Banken - auch unterhalb der Vorstandsebene - auswerten. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche Vergütung der Mitarbeiter ca. 78.000 € betrug, wovon ca. 16.000 € aus variablen Bonuszahlungen resultierten. Wesentliche Einflussfaktoren waren u.a. die Lokalisierung der Mitarbeiter im Unternehmen und die gesamtwirtschaftliche Situation. So waren die Bonusanteile und die Basisgehälter in den Kapitalmarktbereichen der untersuchten Banken deutlich höher als in den restlichen Abteilungen. Zudem gingen die Bonuszahlungen während und nach der Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich zurück, wogegen im Vorkrisenzeitraum die Tendenz zu exzessiven Anreizen zu erkennen ist. Zudem konnten die Autoren zeigen, dass höhere Bonuszahlungen zwar den Unternehmenserfolg - hier das relative Handelsergebnis der Banken - beeinflussen, jedoch auch zu einer stärkeren Variabilität des Erfolgs und damit zu einem größeren Risiko führen. 758 Studie 5 untersucht die Motivationswirkung von Pay for Performance-Ansätzen bei Vertriebsmitarbeitern. Zentrales Ergebnis der Studie ist, dass ein höherer Anteil 755 Vgl. von Hülsen (2019), S. 9 ff. 758 Vgl. Efing et al. (2015), S. 23 ff. <?page no="426"?> 426 4 Spezielle Controlling-Probleme an variabler Vergütung zwar zu einer signifikanten Steigerung der extrinsischen, aber gleichzeitig zu einer Reduktion der intrinsischen Motivation führt. Daher wird empfohlen, Pay for Performance-Ansätze nicht bei komplexen sondern eher bei einfachen und repetetiven Tätigkeiten einzusetzen. 759 4.2.6 Probleme und Weiterentwicklung Studien zeigen, dass Anreizsysteme zu dysfunktionalem Verhalten in Organisationen führen können: 760 Anreizsysteme basieren generell auf einem problematischen Menschenbild, d.h. sie reduzieren die Motivstruktur eines Anreizempfängers auf extrinsische Motive. Manager werden als Opportunisten angesehen, die ausschließlich eigennutzorientiert und zweckrational handeln. Zudem gehen sie i.d.R. von risikoaversen Anreizempfängern aus. Studien belegen jedoch mittlerweile, dass ein signifikanter Anteil von Managern eher risikoneutral oder risikofreudig handelt. Anreizsysteme müssen einheitlich für eine Organisation gestaltet sein. Allerdings gibt es viele Einflussfaktoren auf die Beziehung zwischen Anreizen, Arbeitsaufwand und Leistung, z.B. die individuellen Fähigkeiten oder die Komplexität einer Aufgabe. Ein weiteres Problem ist, dass es bei einer fehlenden Transparenz des Anreizsystems oder bei Nichtberücksichtigung einzelner Mitarbeiter zu deren Demotivation kommen kann. Außerdem können Mitarbeiter eine nur auf Leistung ausgelegte Arbeitssituation als (zu) stressig empfinden und soziale Bindungen können leiden. Zudem sind nur extrinsisch motivierte Mitarbeiter für Anreizsysteme empfänglich. Die zusätzliche variable Vergütung muss als signifikant wahrgenommen werden, anderenfalls führt sie eher zur Demotivation. Außerdem nutzt sich die Wirkung monetärer Anreize im Zeitablauf ab, d.h. ihre Auswirkung auf die Motivation wird aufgrund von Gewöhnungseffekten geringer. Zudem wird eine gewisse Erwartungshaltung bei den Mitarbeitern erzeugt, d.h. für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben wird eine zusätzliche Entlohnung erwartet. Extrinsisch motivierte Mitarbeiter sind prinzipiell für Anreize empfänglich. Hier geht es um eine möglichst gute Gestaltung des Anreizsystems. Allerdings findet auch eine Prioritätenverschiebung in Richtung der Aktivitäten, die eine Maximierung der eigenen Belohnung versprechen, statt (Money-Priming-Effekt). Zudem verdrängen extrinsische Anreize die intrinsische Motivation von Anreizempfängern (Crowding-out-Effekt). Der Wert ihrer Arbeit wird für die Mitarbeiter entwertet. Insbesondere monetäre Anreize zerstören dann langfristig den Eigenantrieb intrinsisch motivierter Mitarbeiter. Die Auswahl ungeeigneter oder unvollständiger BMG kann zu einer Vernachlässigung wichtiger Aufgabenbereiche führen. Ungeeignete Bemessungsgrundlagen 759 Vgl. Dalla-Rosa (2018), S. 132 ff.; Dalla-Rosa et al. (2019), S. 15 ff. 760 Vgl. Sliwka (2003), S. 294 ff., Kramer (2011), S. 22; Troßmann (2018), S. 235 f.; Weibel/ Sapegina (2019), S. 6 ff. <?page no="427"?> 427 oder Auszahlungsmodi können auch zu sehr kurzfristig motivierten Entscheidungen führen. So kann die Rentabilität kurzfristig gesteigert werden, wenn auf Investitionen in nur langfristig erfolgswirksame Projekte verzichtet oder in kurzfristig erfolgswirksame aber sehr risikoreiche Projekte investiert wird. 761 Zudem können Zielkonflikte zwischen den BMGs, z.B. zwischen Umsatz und Gewinn bzw. Zahl der Vertragsabschlüsse und Deckungsbeiträgen, bestehen. Daher wird bei komplexen, kreativen und teambasierten Aufgaben von einer variablen monetären Belohnung abgeraten und stattdessen eine Arbeitsorganisation und Führungskultur zu Förderung der intrinsischen Motivation empfohlen. 762 Zusammenfassung Die Prinzipal-Agenten-Theorie und Motivationstheorien bilden wesentliche Grundlagen für die Gestaltung von Anreizsystemen. Zu den Gestaltungdimensionen von Anreizsystemen gehören die Auswahl der Anreizempfänger (Adressaten), der Anreize, der Bemessungsgrundlagen, der Anreizfunktion und des Auszahlungsmodus. Ein hoher Anteil einer kurzfristig ausgezahlten Barvergütung kann zu einer übermäßigen Risikoübernahme der Anreizempfänger führen. Dies kann durch die Auswahl geeigneter Anreize wie z.B. der Gewährung von Aktienpaketen, risikoorientierter BMG sowie Caps und eine verzögerte Auszahlung der Anreize verhindert werden. Anreizsysteme fördern nur die extrinsische Motivation. Ein hoher Anteil an variabler Barvergütung kann sogar die intrinsische Motivation der Anreizempfänger zerstören (Crowding-out-Effekt). Zudem können Anreizsysteme weitere dysfunktionale Effekte wie z.B. den Money-Priming-Effekt auslösen. 4.3 Wertorientiertes Controlling Lernziele Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich abgeschlossen haben, können Sie die Bedeutung einer wertorientierten Unternehmenssteuerung insbesondere für kapitalmarktorientierte Unternehmen erklären, die Besonderheiten wertorientierter Kennzahlen im Vergleich zu traditionellen finanziellen Kennzahlen erläutern, gängige wertorientierte Kennzahlen ermitteln und interpretieren, 761 Vgl. Velthuis (2011), S. 122. 762 Vgl. Weibel/ Sapegina (2019), S. 8 f.; Dalla-Rosa et al. (2019), S. 15 ff. 4.3 Wertorientiertes Controlling <?page no="428"?> 428 4 Spezielle Controlling-Probleme beispielhaft erläutern, welche wertorientierten Kennzahlen ein Konzern zur Unternehmenssteuerung nutzt, wie diese ermittelt werden und zu interpretieren sind sowie Probleme aus der praktischen Umsetzung der wertorientierten Unternehmensführung sowie dem Vergleich von in Geschäftsberichten veröffentlichten wertorientierten Kennzahlen diskutieren. Einstiegsfall: Wertorientierte Kennzahlen im L UFTHANSA -Konzern Der folgenden Abbildung können Sie Informationen zu den im L UFTHANSA - Konzern verwendeten wertorientierten Kennzahlen für die Jahre 2018 und 2017 entnehmen. in Mio. € 2018 2017 EBIT 2.974 3.297 Adjusted EBIT 2.836 2.969 Zinserträge auf Liquidität 68 178 Steuern (pauschal 25%) -761 -869 Kapitalkosten -860 -832 EACC 1.422 1.774 ROCE in % 11,1 13,2 durchschnittlich eingesetztes Kapital 20.502 19.842 WACC in % 4,2 4,2 Abb. 284: Wertorientierte Kennzahlen bei L UFTHANSA (Quelle: Lufthansa-Konzern (2018), S. 17) Fragen - Wie ist Kennzahl EACC definiert und wie wird sie ermittelt? - Wie wird der ROCE berechnet? - Hat der L UFTHANSA -Konzern 2018 eine Wertsteigerung für seine Aktionäre erzielt? <?page no="429"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 429 4.3.1 Entstehungsursachen, Begriff und Funktionen Eine wertorientierte Unternehmenssteuerung ist insbesondere für kapitalmarktorientierte Unternehmen von großer Bedeutung. Dahinter verbirgt sich ein sehr breites Spektrum an theoretischen Konzepten und praktischen Umsetzungsmöglichkeiten. 763 Ursprünglich wurde das Konzept einer wertorientierten Unternehmensführung von R APPAPORT entwickelt. 764 Es ist eine an den Zielsetzungen der Shareholder ausgerichtete Führungskonzeption, die den Unternehmenswert als zentrale Steuerungsgröße in den Vordergrund stellt. 765 Die in den 80iger Jahren vielfach herrschende Kapitalknappheit zwang das Management zur Erschließung neuer Finanzierungsquellen und zu einer stärkeren Kapitalmarktorientierung. Zudem resultierte aus dem steigenden Anteil institutioneller und ausländischer Investoren, die einen höheren Einfluss auf die Geschäftsführung von Unternehmen ausüben als Privatanleger, eine umfassende Kontrolle durch den Kapitalmarkt. 766 Gleichzeitig bedarf es auch unternehmensintern der Berücksichtigung von Rendite- und Risikoaspekten bei der Kapitalallokation, z.B. bei Investitionsentscheidungen. Insgesamt steht die Maximierung des Marktwertes des Eigenkapitals, insbesondere bei kapitalmarktorientierten Unternehmen im Mittelpunkt der Unternehmenssteuerung, da ein höherer Marktwert des Eigenkapitals die Erschließung neuer Kapitalquellen erleichtert und die Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber und damit die Eigenkapitalkosten reduziert. Zur Planung und Umsetzung von Wertsteigerungsstrategien sind geeignete Zielgrößen erforderlich. Daher wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl wertorientierter Kennzahlen entwickelt, die zur Planung, Bewertung und Kontrolle unternehmerischer Strategien genutzt werden können. Nachfolgend werden in Theorie und Praxis häufig verwendete wertorientierte Kennzahlen erläutert und an Fallbeispielen veranschaulicht. 4.3.2 Wertorientierte Kennzahlenkonzepte 4.3.2.1 Grundlagen und Überblick Zur Planung und Umsetzung von Wertsteigerungsstrategien bedarf es geeigneter Zielgrößen zur Messung des Unternehmenswertes. 767 Traditionelle finanzielle Zielgrößen wie Gewinn, EBIT, Cash Flow oder Umsatzwachstum weisen jedoch Schwächen auf: 768 763 Vgl. Weber et al. (2017), S. 1. 764 Vgl. Rappaport (1999). 765 Vgl. auch im Folgenden Weber et al. (2017); Coenenberg et al. (2015), Baum et al. (2013), S. 310 ff.; Britzelmaier (2017), S. 226 ff.; Fischer et al. (2015), S. 357 ff.; Langguth (2008), S. 131 ff. 766 Vgl. Fischer et al. (2015), S. 357 f. 767 Vgl. auch Horster/ Knauer (2012), S. 118 768 Vgl. hierzu auch Abschnitt 3.4.4.1. <?page no="430"?> 430 4 Spezielle Controlling-Probleme Sie sind durch bilanzielle Ansatz- und Bewertungswahlrechte verzerrt. Sie berücksichtigen weder die Risiken noch die Eigenkapitalkosten und Risiken der Bewertungsobjekte. Sie vernachlässigen den Zeitwert zukünftiger Ein- und Auszahlungen der Bewertungsobjekte. Sie berücksichtigen nicht alle relevanten Zahlungsströme für den Marktwert des Eigenkapitals. Die Schwächen der traditionellen Kennzahlen führten zur Entwicklung von wertorientierten Kennzahlen. Wertorientierte Kennzahlen sind am Shareholder Value ausgerichtete, quantitative Beurteilungsgrößen, die unter Berücksichtigung der gesamten Kapitalkosten (Fremd- und Eigenkapitalkosten) den Gesamtwert eines Unternehmens (bzw. einer Unternehmenseinheit), den Marktwert des Eigenkapitals und den in einer Periode geschaffenen, zusätzlichen Unternehmenswert messen. Der wesentliche Unterschied zwischen traditionellen und wertorientierten Kennzahlen liegt somit in der Berücksichtigung sämtlicher Kapitalkosten. Abb. 285: Vergleich der traditionellen und der wertorientierten Performance-Messung Wertorientierte Kennzahlen müssen die allgemeinen Anforderungen an Kennzahlen erfüllen. 769 Als Steuerungskennzahlen müssen sie zusätzlich alle zukünftigen, mit einer Handlungsoption verbundenen Auswirkungen auf den Unternehmenswert und die damit verbundenen Risiken berücksichtigen z.B. durch Diskontierung der aus 769 Zu den Anforderungen vgl. Abschnitt 3.4.4.1. <?page no="431"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 431 einer Alternative resultierenden Zahlungsströme mit einem risikoadjustierten Zinssatz. 770 Soll eine wertorientierte Steuerungskennzahl als Grundlage für eine variable Vergütung des Managements dienen, muss diese zielkongruent an den Interessen der Shareholder ausgerichtet sein. Um die Ausnutzung von Ermessensspielräumen zu vermeiden, sollte die Kennzahl gleichzeitig wenig beeinflussbar (manipulationsresistent) sein. Um das Ziel der Verhaltensbeeinflussung zu erreichen, muss die Kennzahl so gestaltet sein, dass ex post eine Beurteilung getroffener Entscheidungen möglich ist. Steuerungskennzahlen müssen daher die sachliche und zeitliche Entscheidungsverbundenheit berücksichtigen. Eine sachliche Entscheidungsverbundenheit impliziert, dass jede Wertänderung, die auf durch das Management kontrollierbare Faktoren und Entscheidungen zurückzuführen ist, in der Kennzahl ausgewiesen wird. Eine zeitliche Entscheidungsverbundenheit liegt dann vor, wenn die möglichen Konsequenzen einer Entscheidung über ihren gesamten Lebenszyklus vollumfänglich abgebildet werden. Von hoher Bedeutung ist außerdem die Frage, wie gut eine wertorientierte Kennzahl intern und extern kommunizierbar ist. Neben regulatorischen Anforderungen sind hier die Anforderungen der Investoren an die Berichterstattung zu nennen. 771 Weit verbreitete wertorientierte Bewertungsansätze und Kennzahlen lassen sich der folgenden Abbildung entnehmen und werden anschließend erläutert. Cash Flow-orientierte Kennzahlen Ergebnisbasierte Kennzahlen Absolute Kennzahlen DCF CVA EVA (absoluter Wertbeitrag) EP (Economic Profit) Relative Kennzahlen CFROI SVA EVA (relativer Wertbeitrag) ROCE-Spread Abb. 286: Wertorientierte Kennzahlen 4.3.2.2 DCF-Methoden Grundidee des Discounted Cash Flow (DCF)-Ansatzes ist die Ermittlung des Unternehmenswertes über den Barwert der zukünftigen, an die Eigenkapitalgeber ausschüttbaren freien Cash Flows (FCF). Damit steht die zukünftige Leistungsfähigkeit des Unternehmens aus Sicht der Eigenkapitalgeber im Fokus der Betrachtung. Es lassen sich drei DCF-Methoden unterscheiden: 772 Der Equity-Ansatz (Nettoverfahren), der Adjusted Present Value-Ansatz (APV-Ansatz) und der Weighted Average 770 Zu den Anforderungen an wertorientierte Kennzahlen vgl. auch Weber et al (2017), S. 69 ff.; Langguth (2008), S. 182 ff. 771 Vgl. hierzu z.B. die regulatorischen Anforderungen im Rahmen des DRS 20. Zur Notwendigkeit und den Zielen einer kapitalmarktorientierten Berichterstattung vgl. auch Langguth (2008), S. 205 ff.; Langguth (2017), S. 39. 772 Zu den DCF-Verfahren vgl. Langguth (2008), S. 53 ff.; Fischer et al. (2015), S. 358 ff.; Britzelmaier (2017), S. 232 ff.; Weber et al. (2017), S. 33 ff. <?page no="432"?> 432 4 Spezielle Controlling-Probleme Cost of Capital-Ansatz (WACC-Ansatz). Die einzelnen Ansätze unterscheiden sich in Bezug auf die Abgrenzung der Cash Flows, die Diskontierungszinssätze sowie die Vorgehensweise bei der Bewertung. Der APV-Ansatz und der WACC-Ansatz werden auch als Entity-Ansätze bezeichnet, da sie zunächst den Unternehmenswert aus Sicht der Eigen- und Fremdkapitalgeber berechnen und von diesem dann den Marktwert des Fremdkapitals subtrahieren. Aufgrund seiner Bedeutung für die Bewertungspraxis beschränken sich die folgenden Ausführungen auf den WACC- Ansatz. Ermittlung der FCF Die freien Cash Flows (Free Cash Flows, FCF) repräsentieren die Zahlungsüberschüsse, die den Eigen- und Fremdkapitalgebern z.B. in Form von Zins- und Dividendenzahlungen zur Verfügung stehen. Hierbei handelt es sich um einen Zahlungsstrom vor Fremdkapitalzinsen, aber nach Investitionsausgaben und Steuern. Ausgangspunkt für die Ermittlung der FCF sind eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung (Plan-GuV) sowie eine Plan-Bilanz. 773 Für die Berechnung der FCF existieren verschiedene Varianten. Letztlich ist entscheidend, dass sämtliche Zahlungsüberschüsse aus dem operativen Leistungsbereich in voller Höhe erfasst werden. 774 Bei der indirekten Ermittlung der FCF wird das EBIT um die zu zahlenden Ertragsteuern (entspricht in Deutschland der Gewerbeertrags- und Körperschaftssteuer) korrigiert, um das Ergebnis vor Zinsen und nach adaptierten Steuern zu erhalten. Dieses wird anschließend um nicht zahlungswirksame Aufwendungen, z.B. Abschreibungen oder Zuführungen zu Rückstellungen, korrigiert. Hier wird die Abgrenzung zwischen Gewinn und Cash Flow deutlich. Die Bildung von Abschreibungen bzw. Rückstellungen vermindert als Aufwandspositionen zwar den Gewinn, nicht jedoch den Cash Flow, da sie keine zahlungswirksame Größen darstellen. Des Weiteren ist die Veränderung des (Net) Working Capital zu beachten. Die Ergebnispositionen aus der GuV müssen daher entsprechend korrigiert werden. Der so ermittelte Cash Flow stellt den vom Unternehmen erwirtschafteten operativen Cash Flow dar. 775 Um zum FCF zu gelangen, muss der operative Cash Flow um geplante Investitionsauszahlungen in das Sachanlagevermögen bzw. das immaterielle Vermögen vermindert bzw. um entsprechenden Desinvestitonseinzahlungen erhöht werden. Umsatzerlöse - Materialaufwand - Personalaufwand - Sonstige betriebliche Aufwendungen = EBITDA (operatives Ergebnis vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern) - Abschreibungen = EBIT (Operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern) 773 Vgl. Abschnitt 2.3.4. 774 Zur Ermittlung von FCF vgl. Langguth (2008), S. 61 ff.; Zirkler/ Grunwald-Delitz (2010), S. 546 ff.; Weber et al. (2017), S. 36 ff. 775 Außerordentliche Ergebnispositionen sowie das Finanzergebnis bleiben unberücksichtigt. <?page no="433"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 433 - Unternehmenssteuern auf das operative Ergebnis = NOPLAT (Operatives Ergebnis vor Zinsen, nach adaptierten Steuern) 776 +/ - Abschreibungen / Zuschreibungen +/ - Erhöhung / Minderung der Rückstellungen +/ - Veränderung des (Net) Working Capital = Brutto Cash Flow +/ - Desinvestitionen / Investitionen bei Sachanlagen und immateriellen Vermögensgegenständen = Free Cash Flow Abb. 287: Indirekte Ermittlung des FCF Die FCF werden während der Detailplanungsperiode auf Basis der Plan-Bilanz und Plan-GuV für einen Zeitraum von einem bis fünf Jahren auf Jahresbasis ermittelt. Für die Restperioden nach Ende der Planungsperiode wird von einem typischen FCF für die restliche Lebensdauer des Unternehmens ausgegangen, der entweder konstant ist oder für den eine Wachstumsannahme getroffen wird. 777 Ermittlung der Ka pita lkosten Die Weighted Average Cost of Capital (WACC) stellen die Summe der gemäß der Kapitalstruktur gewichteten Eigen- und Fremdkapitalkosten und damit die gesamten Kapitalkosten eines Unternehmens dar. Die Gewichtung erfolgt dabei auf der Grundlage von Marktwerten. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen (das sog. Tax Shield) wird insofern berücksichtigt, als dass die Fremdkapitalkosten um die auf Unternehmensebene erzielbare Steuerersparnis zu kürzen sind. Der WACC kann wie folgt berechnet werden: (1) WACC = EK GK ∙ r EK + FK GK ∙ i FK ∙ (1 − s) Mit: EK = Eigenkapital, FK = Fremdkapital, GK = Gesamtkapital, 𝑟𝑟 𝐸𝐸𝐸𝐸 = Eigenkapitalkosten, 𝑖𝑖 𝐹𝐹𝐸𝐸 = Fremdkapitalkosten, s = Steuersatz Die Höhe der gewichteten Kapitalkosten wird durch die Fremd- und Eigenkapitalkosten eines Unternehmens, die Kapitalstruktur und den Unternehmenssteuersatz bestimmt. Zur Berechnung der Fremdkapitalkosten wird der gewogene durchschnittliche Kostensatz der einzelnen Fremdkapitalfinanzierungen des Unternehmens verwendet. Sind diese Informationen nicht vorhanden, kann als Schätzwert auch auf entsprechende Kapitalmarkttitel wie z.B. die durchschnittliche Umlaufrendite von Industrieanleihen mit einem vergleichbaren Rating zurückgegriffen werden. 776 NOPLAT = Net Operating Profit Less Adapted Tax. 777 Vgl. Weber/ Schäffer (2016), S. 186 f. <?page no="434"?> 434 4 Spezielle Controlling-Probleme Ermittlung der Eig enka pita lkosten a uf Grundla g e des CAPM M odells Die Festlegung der Eigenkapitalkosten erfolgt häufig auf Grundlage des Capital Asset Pricing Models (CAPM). 778 Das CAPM stellt einen kapitalmarkttheoretisch fundierten Ansatz zur Ableitung unternehmensspezifischer Risikoprämien dar. Es basiert auf der Annahme, dass zwischen der erwarteten Rendite einer Aktie und deren systematischem Risiko (ausgedrückt durch den Beta-Faktor β) ein linearer Zusammenhang besteht. Die erwartete Rendite eines Wertpapiers wird im CAPM aus dem risikolosen Zinssatz i r zuzüglich der unternehmensspezifischen Risikoprämie ermittelt. Übertragen auf die Bewertung von Unternehmen ergibt sich somit die von den Investoren geforderte Eigenkapitalrendite aus der risikolosen Verzinsung 𝑖𝑖 𝑟𝑟 züglich eines Risikozuschlags, der sich aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie (𝜇𝜇 𝑀𝑀 − 𝑖𝑖 𝑟𝑟 ) mit dem unternehmensspezifischen Beta-Faktor ergibt . 779 Daraus lässt sich folgende Gleichung ableiten: (2) 𝑟𝑟 𝐸𝐸𝐸𝐸 = 𝑖𝑖 𝑟𝑟 + 𝛽𝛽 𝑖𝑖 ∙ (𝜇𝜇 𝑀𝑀 − 𝑖𝑖 𝑟𝑟 ) r EK = µ i = Eigenkapitalkosten = erwartete Eigenkapitalrendite i r = risikoloser Zinsfuß (z.B. aktueller Zinssatz für öffentliche Anleihen) β i = Maß für die Risikoklasse der Wertpapiere des zu bewertenden Unternehmens µ M = Erwartungswert der Rendite des Marktportfolios (µ M -i r ) = Risikoprämie bei Investition in das riskante Marktportfolio statt in risikolose Wert papiere 780 Der Beta-Faktor gibt an, wie stark eine Aktie durchschnittlich auf Marktänderungen reagiert. Das Marktportfolio hat einen Beta-Faktor von 1. Die risikolose Anlage (i r ) korreliert nicht mit der Renditeerwartung des Marktes, beinhaltet kein systematisches Risiko und hat demnach einen Beta-Faktor von 0. Eine Aktie mit einem Beta-Faktor >1 reagiert überproportional im Vergleich zur Marktrendite, bei einem Beta-Faktor <1 aber >0 reagiert sie unterproportional. Je höher Beta ist, desto höher sind das Anlagerisiko (aber auch die Anlagechance) und die geforderte Prämie der Investoren. Ein Beta-Faktor von 1,4 sagt aus, dass sich bei einer Änderung der Marktrendite um 3% die Rendite der Aktie um durchschnittlich 1,4 * 3% = 4,2% verändert. Der Beta- Faktor misst das systematische Risiko (Marktrisiko) eines Wertpapiers und resultiert aus politischen und ökonomischen Einflüssen. Dieses nicht diversifizierbare Risiko wird vom Markt vergütet. Die Beta-Faktoren der 30 DAX-Werte betragen zwischen ca. 0,3 und 1,7. Im Gegensatz dazu misst das unsystematische Risiko solche Schwankungen der Rendite, die unabhängig vom Gesamtmarkt existieren und aus unternehmensinternen Faktoren, wie z.B. Managementfehlern, resultieren. Unsystematische Risiken werden nicht vom Markt vergütet, können aber durch Diversifikation reduziert werden. Diese Zusammenhänge können für die Unternehmensbewertung dadurch genutzt werden, dass die erwartete Rendite einer Aktie als risikoadjustierter Kalkulations- 778 Zum CAPM vgl. Sharpe (1964), S. 425 ff. 779 Zur Ermittlung der Kapitalkosten gemäß CAPM vgl. Weber et al. (2017), S. 40 ff.; Langguth (2008), S. 66 ff.; Ahlemeyer/ Burger (2016), S. 52 ff.; Britzelmaier (2017), S. 237. 780 Im langfristigen Mittel liegt die Marktrisikoprämie bei 5% bis 6%. <?page no="435"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 435 zinssatz (Mindestrenditeanforderung) und damit als Eigenkapitalkosten angesetzt werden. Problematisch ist die Bestimmung des Beta-Faktors für nicht börsennotierte Unternehmen. Hier lassen sich folgende Ansätze unterscheiden: Ansätze Beschreibung Analogieansätze Ermittlung der Beta-Faktoren über den Vergleich mit börsennotierten Unternehmen. Dieser erfolgt entweder mit Unternehmen der gleichen Branche (Branchen-Betas, Industrie Betas, Peer Group Betas) oder einzelnen Referenzunternehmen (Pure Play Betas) Analyseansätze Ermittlung der wesentlichen ökonomischen Bestimmungsfaktoren für den Beta-Faktor, um anhand dieser eine synthetische Ermittlung vornehmen zu können. So ermittelte Beta- Faktoren werden häufig als Fundamentale Betas, Accounting oder Buchwert-Betas bezeichnet. Qualitative Ansätze Ermittlung der Beta-Faktoren auf Grundlage subjektiver Einschätzungen einzelner relevanter Einflussfaktoren. Abb. 288: Ansätze zur Ermittlung von Beta-Faktoren für nicht-börsennotierte Unternehmen (Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Britzelmaier (2017), S. 240; Reichmann et al. (2017), S. 740 ff.) Ermittlung des Unternehm enswertes Abschließend wird der Unternehmenswert (= Equity Value) berechnet. Zu diesem Zweck werden zunächst die FCF der Detailplanungsperiode mit dem WACC auf das Basisjahr abgezinst. Im Anschluss daran ist der Barwert der unendlichen Cash Flows (ewige Rente) zu berechnen. Als Grundlage dient i.d.R. der FCF aus dem letzten Jahr des Detailplanungszeitraumes. Um zum Barwert der ewigen Rente im Basisjahr zu kommen, muss der so ermittelte Barwert der FCF mit dem WACC auf das Basisjahr abgezinst werden. Die Summe der Barwerte der FCF der Detailplanungsperiode und des Barwerts der ewigen Rente ergibt (unter Berücksichtigung von möglichen Cash Effekten aus der Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens sowie der liquiden Mittel) den Entity Value. Um zum Unternehmenswert für die Eigenkapitalgeber (Equity Value) zu gelangen, wird vom Entity Value der Marktwert des verzinslichen Fremdkapitals abgezogen. Barwert der Free Cash Flows zum Zeitpunkt t 0 + Barwert der ewigen Rente im Zeitpunkt t 0 = Unternehmensgesamtwert (Entity Value) - Marktwert des verzinslichen Fremdkapitals = Unternehmenswert (Equity Value) Abb. 289: Ermittlung des Unternehmenswerts <?page no="436"?> 436 4 Spezielle Controlling-Probleme Beurteilung von DCF-Methoden Beim Einsatz der DCF-Methode sind einige Anwendungsprobleme zu berücksichtigen: 781 Die FCF werden für einen Planungszeitraum detailliert geplant, während die FCF der Folgejahre häufig als konstant angesehen oder sogar mit einer Wachstumsrate versehen werden. Diese FCF werden als ewige Rente behandelt. Problematisch ist, dass der als Fortführungswert bezeichnete Barwert dieser ewigen Rente den überwiegenden Teil des Gesamtunternehmenswertes darstellt. Demzufolge nehmen die in weiter Zukunft liegenden und mit großer Unsicherheit behafteten Cash Flows einen sehr viel höheren Stellenwert ein als die mit weitaus höherer Prognosegüte geplanten Cash Flows der nahen Zukunft. Der große Vorteil der aus dem CAPM abgeleiteten Eigenkapitalkosten wird in deren auf Kapitalmarktdaten beruhenden und damit objektiven Ermittlung begründet. Die Bestimmung der Eigenkapitalkosten ist jedoch für nicht börsennotierte Unternehmen schwierig, da ein Beta-Faktor nur für ein börsennotiertes Unternehmen existiert. In der Praxis behilft man sich durch Heranziehen von Ersatz-Beta-Faktoren vergleichbarer börsennotierter Unternehmen (peer group beta). Diese Vorgehensweise beruht auf der Annahme, dass vergleichbare Unternehmen auch eine vergleichbare Risikostruktur besitzen und somit deren Beta-Faktor übertragen werden kann. Hier stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit diese Ersatz- Beta-Faktoren die realen Gegebenheiten des zu bewertenden Unternehmens widerspiegeln. Fraglich ist auch, ob der Beta-Faktor für kleine und mittlere, nicht börsennotierte Unternehmen überhaupt von Bedeutung ist, da das CAPM keine Gültigkeit für nicht börsennotierte Unternehmen beanspruchen kann. Hinzu kommt, dass das CAPM auf teilweise sehr realitätsfremden Prämissen basiert, wie z.B. einem vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkt sowie einem einperiodigen Planungshorizont. Empirische Tests hinsichtlich der Gültigkeit des CAPM sind aufgrund dessen Konstruktion problematisch. Die Verwendung historischer Daten sowohl zur Bestimmung der Marktrisikoprämie als auch zur Ableitung des unternehmensspezifischen Beta-Faktors verstoßen gegen eine zukunftsorientierte Unternehmensbewertung. Ein weiteres Defizit besteht darin, dass die Höhe der Kapitalkosten in der Grundform des CAPM ohne Berücksichtigung der geplanten Dauer des Investitionsobjektes bestimmt und gleichzeitig ein laufzeitunabhängiger einheitlicher Kostensatz für alle prognostizierten Cash Flows verwendet wird. Ebenfalls problematisch ist die starke Beeinflussung des Beta-Faktors durch die Korrelation der (historischen) Aktienrenditen des zu bewertenden Unternehmens mit den (historischen) Marktrenditen. Eine alleinige Berücksichtigung des systematischen Risikos bei der Bestimmung der Kapitalkosten ist nur dann gerechtfertigt, wenn die in der Theorie unterstellte vollständige Diversifizierung tatsächlich vorliegt. Nur in diesem Fall kann das unternehmensspezifische, unsystematische Risiko (fast) ganz eliminiert werden und das Gesamtrisiko entspricht nur noch dem nicht diversifizierbaren, systematischen Risiko, das 781 Zur Kritik an DCF-Verfahren vgl. stellvertretend Lindner/ Scherm (2014), S. 648 ff.; Langguth (2008), S. 85 ff. <?page no="437"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 437 allenfalls über Hedging-Instrumente beseitigt werden kann. Eine vollständige Diversifizierung ist jedoch in der Praxis bei Investoren nur sehr selten gegeben und stellt einen eher theoretischen Grenzfall dar. Ein weiterer Kritikpunkt am CAPM richtet sich auf den im Modell unterstellten, eindimensionalen Risiko-Rendite-Zusammenhang. Kritiker argumentieren, das unternehmensspezifische Risiko könne nicht nur durch ein Risikomaß erklärt werden. Aus dieser Kritik resultiert die Entwicklung des Multi-Beta-CAPM und der Arbitrage-Pricing-Theorie. Das Multi-Beta CAPM erweitert das originäre CAPM durch die explizite Aufnahme mehrerer renditeerklärender Risikofaktoren. Auch die Arbitrage-Pricing-Theorie (APT) knüpft an der Kritik der Monokausalität des originären CAPM an und berücksichtigt mehrere Risikofaktoren. Die APT unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten vom CAPM: Zum einen setzt sie weniger Annahmen voraus so kann beispielsweise auf die im CAPM getroffenen Gleichgewichtsannahmen verzichtet werden - und darüber hinaus kommt die APT ohne den im CAPM notwendigen Rückgriff auf das Marktportfolio aus. Ob die Arbitrage-Pricing-Theorie dem CAPM überlegen ist, bleibt in der finanzwissenschaftlichen Literatur umstritten. 782 Zur Bestimmung des Marktwertes des Eigenkapitals bedarf es der Kenntnis der gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten, deren Ermittlung jedoch wiederum den Marktwert des Eigenkapitals als bekannt voraussetzt. Dieser Sachverhalt wird als Zirkularitätsproblem bezeichnet. Zur Vermeidung von Inkonsistenzen wird bei der praktischen Anwendung eine Zielkapitalstruktur geplant und dafür gesorgt, dass diese auch zukünftig aufrechterhalten bleibt. Vor allem bei der Bewertung von Wachstumsunternehmen weist die DCF- Methode das Problem auf, dass gerade die für diese Unternehmen bedeutsamen Wertbeiträge strategischer Handlungsmöglichkeiten unberücksichtigt bleiben. Diese Kritik lässt sich durch die Verwendung von Realoptionen heilen. 783 Aufgrund der Kritik am CAPM wurden in Theorie und Praxis alternative Ansätze zur risikogerechten Bewertung von Unternehmensstrategien entwickelt. So weist z.B. G LEIßNER darauf hin, dass eine Zugrundelegung historischer Aktienrendite-Schwankungen über den Beta-Faktor im CAPM nicht zielführend ist, wenn durch eine strategische Handlungsoption gerade erreicht werden soll, dass sich die zukünftige Entwicklung anders darstellt als die Vergangenheit und sich darüber hinaus das Risiko und das zukünftige Rating bei alternativen Handlungsmöglichkeiten unterscheiden. 784 Für Zwecke der Unternehmensbewertung, einer wertorientierten Unternehmensführung, M&A-Entscheidungen oder die Beurteilung einzelner Investitionen schlägt G LEIßNER vor, mit Hilfe der Risikoanalyse, der Replikation sowie dem Risikodeckungsansatz der Unvollkommenheit der Kapitalmärkte Rechnung zu tragen. Die bewertungsrelevanten Risiken werden dabei aus den Zahlungsströmen der Planung abgeleitet und planungskonsistent, z.B. über den Eigenkapitalbedarf (Value at Risk, Risikokapital), als Risikomaß in der Bewertung erfasst, wobei mögliche Finanzie- 782 Zur Arbitrage-Pricing-Theorie vgl. u.a. Copeland et al. (2002), S. 277 ff. 783 Zu Realoptionen im Rahmen der Unternehmensbewertung vgl. Langguth (2008), S. 87 ff. 784 Vgl. Gleißner (2013), S. 82 ff.; Gleißner (2011), S. 345 ff. <?page no="438"?> 438 4 Spezielle Controlling-Probleme rungsrestriktionen der Gläubiger berücksichtigt werden. Ein Zurückgreifen auf historische Aktienrenditen wäre damit nicht erforderlich. 785 4.3.2.3 Economic Value Added (EVA) und ROCE-Spread Grundlagen Grundlage des von S TERN und S TEWART entwickelten Konzeptes des Economic Value Added (EVA ) 786 ist die Beantwortung der Frage, ob ein Unternehmen in einer Periode Unternehmenswert geschaffen oder vernichtet hat. Damit sollen dem Management Informationen darüber geliefert werden, welche Strategien bzw. Investitionen wertsteigernd bzw. wertvernichtend sind. Dem Ansatz liegt die Forderung zugrunde, das zur Verfügung gestellte Kapital so zu investieren, dass zusätzlicher Unternehmenswert entsteht. Wertsteigernd im Sinne des EVA-Ansatzes sind diejenigen Strategien, deren erzielte Renditen die Kapitalkosten übersteigen. Der EVA stellt die periodenbezogene Differenz zwischen den durch das eingesetzte Kapital erwirtschafteten Gewinnen und den mit dem Kapitaleinsatz verbundenen Kosten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Im Gegensatz zur DCF-Methode basiert die Ermittlung des EVA nicht auf Zahlungsgrößen (Cash Flows) sondern auf buchhalterischen Größen, die durch eine Reihe von Modifikationen an zahlungsorientierte Größen angenähert werden. Diese Anpassungen, auch als Conversions oder Adjustments bezeichnet, werden vorgenommen, um Verzerrungen des Ausweises der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens in der Bilanz und GuV zu beheben. Die Kennzahl EVA zählt zu den Residualgewinnkonzepten und entspricht der Differenz zwischen dem Geschäftsergebnis und den Kapitalkosten. Das Geschäftsergebnis, ausgedrückt durch die Kennzahl Net Operating Profit after Tax (NO- PAT), beschreibt den betrieblichen Gewinn nach Abzug der Steuern, aber vor Finanzierungskosten. Der NOPAT wird ermittelt, indem vom Umsatz sämtliche operativen Aufwendungen abgezogen werden. Der so ermittelte EBIT muss noch um die Unternehmenssteuern korrigiert werden. 787 Dabei wird ein Steueraufwand berechnet, der bei angenommener vollständiger Eigenkapitalfinanzierung entstehen würde. Die Kapitalkosten werden durch Multiplikation des betriebsnotwendigen Vermögens (Net Operating Assets bzw. NOA) mit dem gewichteten Kapitalkostensatz (WACC) errechnet. Die NOA repräsentieren das betriebliche Vermögen, das einge- 785 Vgl. Stern Stewart & Co. (1994); Gleißner (2011), S. 351 786 EVA ist ein eingetragenes Warenzeichen von Stern Stewart & Company. Vgl. auch im Folgenden Hirsch (2007), S. 62 ff.; Weber et al. (2017), S. 42 ff.; Fischer et al. (2015), S. 360 ff.; Britzelmaier (2017), S. 232 ff.; Coenenberg et al. (2015), S. 252 ff.; Langguth (2008), S. 139 ff. 787 Das um die Steuern auf das operative Ergebnis (EBIT) korrigierte Ergebnis wird auch als NOPLAT bezeichnet, während der NOPAT als EBIT abzüglich tatsächlich gezahlter Ertragsteuern definiert ist. Unter der Annahme einer vollständigen Eigenkapitalfinanzierung entspricht der NOPAT dem NOPLAT. <?page no="439"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 439 setzt wird, um den NOPAT zu erzielen. Demgemäß errechnen sich die NOA als Summe aus Net Working Capital und betriebsnotwendigem Anlagevermögen. Betriebsnotwendiges Anlagevermögen + Net Working Capital (NWC) = Net Operating Assets (NOA) mit: Umlaufvermögen (ohne Liquide Mittel) 788 - (nicht verzinsliches) kurzfristiges Fremdkapital = Net Working Capital (NWC) Abb. 290: Ermittlung der Net Operating Assets (NOA) und des Net Working Capitals (NWC) Nicht betriebsnotwendiges Vermögen sind u.a. Wertpapiere des Umlaufvermögens sowie im Bau befindliche Anlagen, da letztere noch nicht dem Geschäftsbetrieb dienen können. Zudem sind sowohl bei der Ermittlung der Ergebnisgröße als auch der Kapitalgröße sind unternehmensspezifisch Anpassungen (Conversions) vorzunehmen, um buchhalterische Verzerrungen zu vermeiden. Neben der Berechnung der Ergebnis- und der Kapitalgröße bedarf es noch der Ermittlung eines gewichteten Kapitalkostensatzes, der die Mindestrenditeforderungen der Eigen- und der Fremdkapitalgeber darstellen soll. Hier wird auf das Modell der WACC zurückgegriffen. Die Kapitalkosten sind dann das Produkt aus den NOA und WACC. (3) Kapitalkosten = NOA ∗ WACC Der EVA kann dann wie folgt berechnet werden: (4) EVA = NOPAT − Kapitalkosten Der EVA sollte positiv sein, da ansonsten nicht alle Kapitalkosten gedeckt sind und Unternehmenswert vernichtet wird. Der EVA ist immer dann größer Null, wenn die Kapitalkosten kleiner sind als das Geschäftsergebnis. Neben der o.g. Capital Charge-Formel kann der EVA auch mittels Value Spread- Formel berechnet werden: (5) EVA = (ROCE − WACC) ∗ NOA Dabei entspricht ROCE der Rendite auf das investierte Kapital und errechnet sich als Quotient aus NOPAT und NOA. (6) ROCE = NOPAT NOA Der Vorteil der Value Spread-Formel besteht darin, dass direkt der Zusammenhang zwischen Investitionsrendite, Kapitalkosten und Wertsteigerung sichtbar wird. Der EVA ist immer dann größer Null, wenn die WACC kleiner als der ROCE ist. Ein- 788 Das Umlaufvermögen wird i.d.R. als Umlaufvermögen ohne liquide Mittel interpretiert. <?page no="440"?> 440 4 Spezielle Controlling-Probleme schränkend ist anzumerken, dass es keine einheitliche Definition des EVA gibt. 789 Bereits das Konzept von S TERN & S TEWART zeichnet sich durch eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten bei den Kennzahlenbestandteilen aus. Die Interpretation eines unternehmensspezifischen EVA, z.B. im Geschäftsbericht, bedarf daher einer genauen Kenntnis der Ermittlungsmethodik. Notwendigkeit und Arten von Conversions 790 Da sowohl die Kapitalbasis NOA als auch die Erfolgsgröße NOPAT auf bilanziellen Größen basieren, müssen diese um außergewöhnliche finanzielle und bewertungstechnische Ereignisse bereinigt werden. S TERN & S TEWART erwähnen bis zu 164 potentielle Anpassungen. 791 Diese Anpassungen werden auch als Conversions bezeichnet. Aus Praktikabilitätsüberlegungen und für eine bessere Verständlichkeit des EVA wird allerdings vorgeschlagen, sich auf einige wenige Conversions zu beschränken. Interessanterweise ist die Anzahl der Anpassungen in den letzten Jahren gesunken. Während zunächst zehn bis zwölf Anpassungen als sinnvoll erachtet wurden, sind in letzter Zeit sechs oder weniger Anpassungen die Norm. 792 Ein Grund ist, dass durch Tests und Simulationen nachgewiesen wurde, dass die Anpassungsmaßnahmen nur eine vernachlässigbare Auswirkung auf den Gewinn haben. Ziel der Operating Conversions ist, die im EVA verwendeten bilanziellen Größen auf ihre betriebliche Zugehörigkeit hin zu analysieren. Demzufolge werden sowohl die Erfolgsgröße (NOPAT) als auch die Kapitalbasis (NOA) um alle nicht operativen Komponenten bereinigt. Dazu zählt z.B. das Finanzergebnis. Ergebnis ist der Net Operating Profit before Tax (NOPBT). Außerdem ist das Gesamtvermögen auf seine Betriebsbezogenheit hin zu analysieren. Stillgelegte Grundstücke und Gebäude, Anlagen oder vermietete Gebäude ohne unmittelbaren Zusammenhang zum Betriebszweck zählen nicht zum operativen ordentlichen Betriebsvermögen. Gleiches gilt für Anlagen und Gebäude im Bau. Da das nicht betriebsnotwendige Vermögen so behandelt wird, als würde es nicht existieren, sind sämtliche auf ihm beruhende Sachverhalte rückgängig zu machen. Daraus wiederum folgen zusätzliche Zinserträge bzw. geringere Zinsaufwendungen, die die Bilanzsumme erhöhen. Bei den Funding Conversions steht die vollständige Erfassung sämtlicher, betrieblich genutzter Finanzierungsmittel im Fokus. Es werden nicht nur die bilanziellen Verbindlichkeiten untersucht, sondern auch versteckte Finanzierungsformen wie Leasing und Mietgeschäfte aufgedeckt. Neben dem bilanziell ausgewiesenem Eigen- und Fremdkapital sowie den Rückstellungen müssen in den NOA nicht bilanzierte Leasing- und Mietobjekte als Summe der kapitalisierten Miet- und Leasingaufwendungen hinzugefügt werden. Entsprechend bedarf es in der Erfolgsgröße NOPAT einer Berücksichtigung der in den Leasingraten einkalkulierten Zinsteile. 789 Vgl. auch Weber et al. (2017), S. 69 ff. und insbesondere S. 82. 790 Vgl. auch im Folgenden Hirsch (2007), S. 64 ff.; Weber et al. (2017), S. 45 ff.; Langguth (2008), S. 146 ff.; Britzelmaier (2017), S. 234 f. 791 Vgl. Stern Stewart & Co. (1994), S. 65; Weber et al (2017), S. 45. 792 Vgl. Weber et al. (2017), S. 45. <?page no="441"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 441 Weiterhin verlangen die Funding Conversions, die nicht verzinslichen kurzfristigen Verbindlichkeiten als Abzugskapital zu erfassen. Dazu zählen Lieferantenkredite und Kundenanzahlungen. Die NOA müssen um diese zinslos zur Verfügung gestellten Kredite reduziert werden. Zudem sind die kurzfristigen Rückstellungen von der Bilanzsumme abzuziehen, da es sich bei ihnen um nicht zinstragende kurzfristige Verbindlichkeiten handelt, die vollständig im NOPAT als Aufwendungen abgesetzt wurden. Zinsen auf diese Rückstellungen dürfen daher nicht mehr erhoben werden. Tax Conversions sind notwendig, da das EVA-Konzept von einer vollständigen Eigenkapitalfinanzierung des Unternehmens sowie von der Ausübung ausschließlich betrieblicher Tätigkeiten ausgeht. Zu diesem Zweck ist der Steuerersparniseffekt der Fremdfinanzierung zur ausgewiesenen Ertragsteuer zu addieren. Gleichzeitig sind nicht betriebsbedingte Steuermehrbelastungen aufgrund reiner Finanzerträge in Abzug zu bringen. Hierdurch wird erreicht, dass der Einfluss der Finanzierung inklusive ihrer Ertragssteuerwirkung aus dem NOPAT herausgerechnet wird. Die Ermittlung des Steuerersparniseffektes der Fremdfinanzierung erfolgt demzufolge ausschließlich über den ertragssteueradjustierten Fremdkapitalzinssatz in den WACC. Ein weiterer Aspekt ist die Verwendung eines einheitlichen, konzernweiten Steuermischsatzes bei bundesländer- und länderübergreifend tätigen Unternehmen, da hier die Steuersätze (Gewerbeertragsteuer und Körperschaftsteuer) der einzelnen Unternehmen zum Teil erheblich divergieren können. Standortbedingte Steuervor- und -nachteile sollten den EVA nicht beeinflussen, da dieser insbesondere auch für das Performance-Benchmarking von Divisionen herangezogen wird. Shareholder Conversions stellen die ihrem Umfang nach bedeutsamste Anpassungskategorie des EVA Konzeptes dar. Insbesondere für die nach deutscher Rechnungslegung bilanzierenden Unternehmen bedarf es einer Anpassung weg von der eher gläubigerschutzorientierten hin zu einer anlegerorientierten Sichtweise. ROCE-Spread Der Return on Capital Employed (ROCE) stellt das EBIT dem eingesetzten Kapital (auch als Invested Capital, Capital Employed, CE bezeichnet) einer Periode gegenüber, wodurch die Ertragskraft des Gesamtkapitals ermittelt wird. 793 (7) ROCE = EBIT Capital Employed ∗ 100% Der EBIT entspricht dem operativen Ergebnis vor Hinzurechnung des Zinsergebnisses und vor Abzug der Ertragsteuern und ermöglicht somit einen finanzierungs- und ertragssteuerunabhängigen Vergleich des Ergebnisses. Das Capital Employed (CE) umfasst das tatsächlich verzinste Kapital eines Unternehmens und kann als Summe aus betrieblichem Anlagevermögen zuzüglich dem Net Working Capital definiert werden. 794 793 Vgl. Langguth (2008), S. 178 ff.; Weber et al. (2017), S. 98 ff. 794 Teilweise wird anstelle des EBIT auch der NOPAT verwendet. <?page no="442"?> 442 4 Spezielle Controlling-Probleme (8) Capital Employed = Betriebliches Anlagevermögen + Net Working Capital Der ROCE stellt keine wertorientierte Kennzahl im engeren Sinne dar, da die gesamten Kapitalkosten unberücksichtigt bleiben. Erst durch die Gegenüberstellung mit dem WACC in Form der Ermittlung des ROCE-Spread entsteht eine wertorientierte Größe. (9) ROCE Spread = ROCE − WACC Der ROCE-Spread ist ein Prozentwert, der das relative Ausmaß der jährlichen Wertschaffung oder Wertvernichtung widergibt. Voraussetzung für Wertschaffung ist ein ROCE größer als die WACC. Durch die Einbeziehung der Kapitalkosten wird der Anforderung an wertorientierte Kennzahlen Rechnung getragen. Investitionen in Geschäftsbereiche mit positivem ROCE-Spread tragen zur Wertsteigerung des Gesamtunternehmens bei, Investitionen in Geschäftsbereiche mit negativem ROCE- Spread zur Wertvernichtung. Dem ROCE bzw. ROCE-Spread kommt in der Praxis eine hohe Bedeutung zu. So weist beispielsweise der B AYER -Konzern für 2018 einen ROCE in Höhe von 4,4% aus. Bei einem WACC von 6,7% ist der ROCE-Spread somit negativ. Die wertorientierte Performance pro Segment zeigt folgende Übersicht. In Mio. € Pharmaceuticals Consumer Health Crop Science Animal Health Konzern EBIT 3.212 -2.077 3.138 312 3.914 Ertragssteuern -771 498 -753 -75 -939 NOPAT 2.442 -1.579 2.385 237 2.975 Capital Employed 14.721 12.278 37.614 623 67.537 ROCE 16,6% -12,9% 6,3% 38% 4,4% WACC 6,7% 6,7% 6,7% 6,7% 6,7% Abb. 291: Wertorientierte Performance 2017 (Quelle: B AYER -Konzern (2018), S. 103) Um die Einflussgrößen des ROCE-Spreads transparent zu machen, ist die Aufstellung eines Werttreiberbaumes - beispielhaft in Abb. 292 dargestellt - sinnvoll. Die wesentliche Funktion von Werttreibern als Bindeglied zwischen der Geschäftspolitik des Unternehmens und der relevanten Zielgröße besteht darin, strategische Entscheidungen zu quantifizieren und diese in strategiespezifische Cash Flows zu transformieren. 795 Grundsätzlich lassen sich Werttreiber im operativen Bereich sowie im Investitions- und im Finanzierungsbereich unterscheiden, wobei erstere die Cash Flows und letztere den Diskontierungssatz beeinflussen. 796 795 Hier sei auch auf das Shareholder-Value Netzwerk von R APPAPORT hingewiesen, in dem der Wirkungszusammenhang zwischen strategischen Entscheidungen, Werttreiber, Cash Flows und Shareholder Value dargestellt wird. Vgl. Rappaport (1999), S. 68. 796 Zu Werttreibern vgl. Horváth et al. (2015), S. 212 ff.; Weber et al. (2017), S. 87 ff. <?page no="443"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 443 A Abb. 292: Werttreiberbaum des ROCE-Spread <?page no="444"?> 444 4 Spezielle Controlling-Probleme Zu den wichtigsten operativen Werttreibern zählen z.B. die Umsatzwachstumsrate und die Gewinnmarge, wobei die Umsatzwachstumsrate definiert ist als das Verhältnis zwischen dem erwarteten, nominalen Anstieg des Umsatzes des Prognosejahres zum Vorjahr und der Gewinnmarge als Verhältnis von Bruttogewinn zu Selbstkosten. Im Investitionsbereich beeinflussen vor allem Investitionen ins Anlage- und Umlaufvermögen die betrieblichen Cash Flows. Die Höhe der Kapitalkosten wird als wesentlicher Werttreiber im Finanzierungsbereich interpretiert. Lösungshinweise zum Einstiegsfall Die L UFTHANSA AG ermittelt die absolute Wertbeitragsgröße Earnings after Cost of Capital (EACC), die direkt aus dem EBIT abgeleitet wird. Das EBIT muss ausreichend hoch sein, um die aus dem Gewinn resultierenden Steuern sowie die Renditeerwartung der Kapitalgeber (gemessen durch den WACC) zu decken. Die Ermittlung des EACC erfolgt in drei Schritten. Zunächst wird der EBIT um Zinserträge aus der gehaltenen Liquidität erhöht, im zweiten Schritt wird eine Steuerlast von - 25% des EBIT plus Zinserträge auf die Liquidität abgezogen. Dann erfolgt die Berechnung des EACC, indem die Verzinsungserwartung auf das eingesetzte Kapital als Kapitalkosten abgezogen wird. Damit ergibt sich für das Geschäftsjahr 2018 ein Überschuss des operativen Ergebnisses über die Kapitalkosten (EACC) in Höhe von 1.422 Mio € (Vorjahr: 1.774 Mio €). Neben der absoluten Wertbeitragsgröße EACC wird über den ROCE auch die relative Verzinsung des eingesetzten Kapitals ermittelt. Der ROCE wird wie folgt berechnet: (EBIT + Zinserträge auf Liquidität - 25 % Steuern) / durchschnittlich eingesetztes Kapital). Damit ergibt sich in 2018 ein ROCE von 11,1 %. Eine Wertsteigerung wird erzielt, wenn der ROCE den WACC übersteigt. Bei einem ROCE von 11,1 % in 2018 (13,1% in 2017) und einem WACC von jeweils 4,2% wurde in beiden Jahren ein positiver Wertbeitrag erreicht. Abschließend sind hinsichtlich der Eignung des EVA folgende Aspekte anzumerken: 799 Eine wesentliche Stärke des EVA-Ansatzes ist, dass er ein in sich geschlossenes Konzept zur Wertsteigerungsanalyse darstellt. Weitere Stärken des EVA-Ansatzes liegen in seiner einfachen Anwendbarkeit, leichten Verständlichkeit und Kommunizierbarkeit sowie praktischen Implementierbarkeit. Als periodenbezogene Kennzahl ist EVA sowohl für die Vorteilhaftigkeitsbeurteilung von Strategien als auch für die Performancemessung geeignet und kann auch von nicht börsennotierten Unternehmen eingesetzt werden. Gleichzeitig lässt sich EVA auch als Zielgröße für eine wertorientierte Vergütung des Managements implementieren. 799 Zur Beurteilung des EVA vgl. Langguth (2008), S. 151 ff.; Weber et al. (2017), S. 69 ff.; Britzelmaier (2017), S. 245 f.; Bürger/ Faupel (2010), S. 568 ff. <?page no="445"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 445 Die Einbeziehung des Kapitalkostensatzes erlaubt es, über die tatsächlich zu zahlenden Zinsforderungen der Fremdkapitalgeber hinaus den von den Shareholdern erwarteten Wertzuwachs explizit zu berücksichtigen. Im Rahmen einer kapitalmarktorientierten Berichterstattung (Value Reporting) können Ziele und Einflussfaktoren des EVA an die Investoren kommuniziert werden. Der EVA ist ex post ausgerichtet, kann aber auch für ex ante-Beurteilungen des Wertbeitrages genutzt werden. Notwendig ist dann aber die Abschätzung zukünftiger EVAs analog zum DCF-Ansatz. Eine Schwäche des EVA-Ansatzes besteht in der methodischen Inkonsistenz der Einflussfaktoren. Hinsichtlich der Ermittlung des WACC liegt eine auf kapitalmarkttheoretischen Erkenntnissen fundierte Ermittlung vor. Die Rendite des eingesetzten Kapitals wird dagegen durch die Modifizierung buchhalterischer Daten errechnet. Je nachdem wie viele Modifikationen zur Berechnung des EVA herangezogen werden, ergeben sich verschiedene EVA-Varianten. Die Vielzahl möglicher Conversions erschwert somit die pragmatische Anwendung des EVA-Konzeptes. Zudem ist die Wirksamkeit der Conversions nicht erwiesen. Der EVA kann nur für solche Unternehmensbereiche ermittelt werden, für die wenn auch nur rudimentär - Jahresabschlüsse aufgestellt werden. Der EVA berücksichtigt ausschließlich finanzielle Ziele, während qualitative Ziele der Stakeholder keine Beachtung finden. Dem Anspruch des EVA als allumfassendem Performanceindikator kann dieser somit nicht gerecht werden. Für die Unternehmensbewertung ist die DCF-Methode methodisch überlegen, da diese auf die Verwendung von Bilanzgrößen verzichtet. Für die Performancemessung von Unternehmen zeigt sich aufgrund der Verwendung streng objektivierter und geprüfter Bilanzdaten das EVA-Konzept als die praktikablere Vorgehensweise, da Ermessenspielräume durch Cash Flow-Prognosen vermieden werden. 4.3.2.4 Weitere wertorientierte Kennzahlen Market Value Added (MVA) Basierend auf der Abschätzung zukünftiger EVA sowie deren Abzinsung mit dem Kapitalkostensatz kann der Market Value Added (MVA) ermittelt werden. 800 (10) MVA = �� EVAt (1 + WACC)t� n t=1 800 Zum MVA vgl. Britzelmaier (2017), S. 244 f.; Horvath et al. (2015), S. 215 f.; Langguth (2008), S. 162 ff. <?page no="446"?> 446 4 Spezielle Controlling-Probleme In der Rechnungslegung entspricht der MVA dem originären Geschäfts- oder Firmenwert. Der Gesamtunternehmenswert umfasst den MVA zuzüglich dem investierten Kapital. 801 Abb. 293: MVA und Unternehmenswert (Quelle: In Anlehnung an Britzelmaier (2017), S. 245; Horváth et al. (2015), S. 216) Cash Flow Return on Investment (CFROI) Das Grundmodell des CFROI wurde von der B OSTON C ONSULTING G ROUP entwickelt. Ziel ist die Bestimmung der Rentabilität des operativen Geschäfts eines Unternehmens oder einzelner Geschäftsbereiche. 802 Einen Überblick über die in den CFROI eingehenden Basiszahlen und die Berechnungsmethode gibt folgende Abbildung: Abb. 294: CFROI - Basiszahlen und Berechnungsmethode (Quelle: Langguth (2008), S. 167) Die Ermittlung des CFROI kann auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen: Bei der Berechnung des CFROI auf Grundlage der internen Zinsfußmethode repräsentiert dieser den maximalen Kapitalkostensatz, bei dem die Rückflüsse aus der Investition die Tilgung des eingesetzten Kapitals sowie die dazugehörigen Zinszahlungen gerade noch decken. 803 Bei der Ermittlung des CFROI wird das Unternehmen (bzw. die 801 Vgl. Fischer et al. (2015), S. 361. 802 Zur Berechnung des CFROI vgl. ausführlich Weber et al. (2017), S. 59 ff.; Britzelmaier (2017), S. 246 ff.; Langguth (2008), S. 165 ff. 803 Vgl. auch Weber et al (2017), S. 59 <?page no="447"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 447 betrachteten Geschäftsbereiche) wie ein einziges Investitionsobjekt behandelt, das sich aus einer Anfangsauszahlung im Betrachtungszeitpunkt t = 0 und den Zahlungsüberschüssen in den Zeitpunkten t=1.., T zusammensetzt. Die Anfangsauszahlung wird durch die Bruttoinvestitionsbasis (Gross Cash Investment) repräsentiert. Die Brutto Cash Flows (Annual Gross Cash Flows) und der Nettowert der nicht abschreibbaren Aktiva (Terminal Value) stellen die Zahlungsüberschüsse dar. Der CFROI ist der Interne Zinsfuß dieser Zahlungsreihe. Er misst, wie viel Cash Flow während der durchschnittlichen Nutzungsdauer auf das eingesetzte Kapital zurückfließt, indem die abgezinsten Zahlungsüberschüsse zu dem gebundenen Kapital (= Bruttoinvestitionsbasis BIB) in Beziehung gesetzt werden. Um zusätzlichen Unternehmenswert zu schaffen, muss gelten CFROI > WACC. In einem Unternehmen bzw. Geschäftsbereich wird demzufolge ein Mehrwert geschaffen, wenn die Rendite der Cash Flows höher ist als die von Eigen- und Fremdkapitalgebern geforderte durchschnittliche Kapitalverzinsung nach dem WACC. Erreicht der CFROI den WACC dagegen nicht, wird Wert vernichtet. Die zweite Methode zur Ermittlung des CFROI basiert auf der ökonomischen Abschreibung. Hier wird ein nachhaltiger Cash Flow ermittelt, der sich aus der Differenz aus Brutto Cash Flow und der ökonomischen Abschreibung ergibt. Die ökonomische Abschreibung ist als konstanter Betrag definiert, der jährlich zurückzulegen ist, um das abschreibbare Anlagevermögen über die gesamte Nutzungsdauer zu refinanzieren. Im Gegensatz zum Internen Zinsfuß, der implizit eine Wiederanlage der freiwerdenden Mittel zum internen Zinsfuß unterstellt, liegt der ökonomischen Abschreibung die Annahme zugrunde, dass die zur Wiedergewinnung des Anlagevermögens zurückgelegten Cash Flows zum Kapitalkostensatz WACC angelegt werden. 804 Im Vergleich zur ersten Variante ist die Höhe der jährlichen Abschreibung, deren Summe am Ende der Laufzeit der Investitionssumme entsprechen soll, aufgrund des Zinseszinseffektes betragsmäßig geringer als der Abschreibungsbetrag nach der klassischen Variante. 805 Entscheidungen auf Basis Cash Flow-orientierter Kennzahlen haben sich gerade in Shareholder Value verpflichteten Unternehmen immer mehr etabliert. Allerdings besteht in der externen Bilanzanalyse das Problem, dass Jahresabschlüsse nach IAS oder HGB das dazu erforderliche Zahlenmaterial nicht bereitstellen. Zudem ist das Konzept aufgrund der hohen Komplexität sowohl unternehmensintern als auch unternehmensextern schwer vermittelbar. So hatte beispielsweise der L UFTHANSA - Konzern bereits 1999 mit dem Cash Value Added (CVA) ein wertorientiertes Steuerungskonzept eingeführt. Dieses wurde im Jahr 2014 grundlegend überarbeitet. Grund dafür war vor allem der Sachverhalt, dass der CVA trotz vollständiger Integration nicht flächendeckend als Beurteilungsgröße eingesetzt wurde. Aufgrund der hohen Komplexität des Konzepts hatten viele Entscheidungsträger primär wieder auf klassische operative Ergebnisgrößen abgestellt. Auch unternehmensextern wurde dem Konzept nicht die ursprünglich erhoffte Bedeutung beigemessen. Daher wurde 804 Britzelmaier (2017), S. 247 f. Zur Ermittlung des CFROI auf Grundlage der ökonomischen Abschreibung vgl. auch Weber et al. (2017), S. 61 805 Vgl. Britzelmaier (2017), S. 248. <?page no="448"?> 448 4 Spezielle Controlling-Probleme das CVA Konzept durch die absolute Wertbeitragsgröße Earnings after Cost of Capital (EACC) abgelöst. Darüber hinaus wurde der ROCE eingeführt. 806 Eine differenziertere Beurteilung der Vor- und Nachteile des CFROI findet sich in der folgenden Auflistung: 807 Mit dem CFROI-Ansatz können buchhalterische Verzerrungen korrigiert und Inflationsauswirkungen ausgeschaltet werden. Wesentliche Informationen werden aus dem Jahresabschluss übernommen, das CFROI-Konzept ist somit auch für externe Analysen anwendbar. Im Gegensatz zum EVA stellt der CFROI auf einen Cash Flow und eine Kapitalgröße vor Abschreibungen ab. Bei konstanten Anschaffungsauszahlungen und unveränderter Nutzungsdauer signalisiert eine Veränderung des CFROI Veränderungen des Cash Flows. Der CFROI beseitigt nicht nur bilanzielle Unterschiede aufgrund unterschiedlicher Abschreibungsmethoden sondern berücksichtigt auch Inflationseffekte. Die CFROI-Methode lässt nur eine Aussage über die Rentabilität der vergangenen Periode zu, für die der Brutto Cash Flow ermittelt wurde, obwohl die Verwendung der Internen Zinsfußmethode den Eindruck erweckt, es würde eine zukunftsorientierte Betrachtung erfolgen. Aufgrund der Vergangenheitsorientierung des CFROI ist nur ein indirekter Bezug zum Ziel der Unternehmenswertsteigerung gegeben. Grundsätzlich kann eine Verbindung zwischen einem unternehmensbezogenen Performance-Maßstab und dem Unternehmenswert nur unter sehr restriktiven Bedingungen wie nachhaltigem Erfolg, unverändertem Risikoprofil des Unternehmens sowie konstanten Kapitalmarktbedingungen hergestellt werden. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Schwierigkeiten bei der praktischen Ermittlung des CFROI. Insbesondere die Schätzung der Nutzungsdauer sowie der Inflationsrate sind in der Praxis mit erheblichen Problemen verbunden. Methodische Schwierigkeiten resultieren aus der widersprüchlichen Wiederanlageprämisse der Internen Zinsfußmethode. Die Probleme des CFROI kann durch dessen Umformung in den Cash Value Added (CVA) vermieden werden. 806 Eine ausführliche Erörterung zur Umstellung des wertorientierten Steuerungssystems bei L UFTHANSA findet sich bei Weber et al. (2017), S. 225 ff. 807 Die Ausführungen zur Beurteilung des CFROI sind weitestgehend entnommen aus Langguth (2008), S. 173; zur Beurteilung von Eignung und Aussagegehalt wertorientierter Kennzahlen vgl. auch ausführlich Weber et al. (2017), S. 69 ff. <?page no="449"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 449 Cash Value Added (CVA) 808 Der CFROI bildet die Grundlage für die Ermittlung des Cash Value Added (CVA), mit dessen Hilfe die Wertsteigerung einer Periode in absoluten Werten dargestellt werden kann. Wie beim Economic Value Added handelt es sich dabei um eine Residualgröße, die im Gegensatz zum EVA auf Cash Flow-Basis ermittelt wird. Zur Bestimmung des CVA wird zunächst die prozentuale Wertschaffung der Periode als Differenz aus CFROI und Kapitalkosten (Cost of capital) ermittelt und mit der Bruttoinvestitionsbasis (Gross cash investment) multipliziert. Der CVA wird somit errechnet, indem der Spread zwischen CFROI und WACC mit der Bruttoinvestitionsbasis multipliziert wird. (11) CVA = (CFROI − WACC) ∗ BIB Der CVA stellt den in einer Abrechnungsperiode erwirtschafteten realen Wertzuwachs auf Cash Flow-Basis dar. Ein positiver CVA kann als Wertsteigerung, ein negativer CVA als Wertminderung interpretiert werden. Da die drei bestimmenden Größen des CVA (CFROI, reale Gesamtkapitalkosten sowie BIB) von Jahr zu Jahr schwanken können, muss auch der CVA jährlich neu berechnet werden. Der CVA ermittelt lediglich den Wertzuwachs einer Periode, während die Wertbeiträge einer Strategie, eines Projektes oder einer Geschäftseinheit meistens über eine Periode hinausgehen. Die Wertgenerierung lässt sich daher über den Barwert aller CVAs bestimmen. Analog zum EVA ist auch beim CVA-Konzept festzuhalten, dass ein positiver CVA den Wertbeitrag pro Periode darstellt, der jedoch keinen Rückschluss auf die Steigerung des Unternehmenswertes im Vergleich zur Vorperiode zulässt. Um die neu geschaffene Wertsteigerung beurteilen zu können, wird in der Unternehmenspraxis daher häufig die Veränderung des aktuellen CVA zu dem des Vorjahres als Maßstab herangezogen. Im Hinblick auf die Planung, Steuerung und Kontrolle wertorientierter Kennzahlen kommt einer wertorientierten Ausrichtung des Controllings eine hohe Bedeutung zu. Zentrale Funktion eines wertorientierten Controllings ist, die Entscheidungsträger hinsichtlich der Auswahl einer wertorientierten (Spitzen-)Kennzahl zu unterstützen. Darüber hinaus müssen Konzepte entwickelt werden, die die Umsetzung der wertorientierten Spitzenkennzahl auf nachgelagerte Hierarchieebenen ermöglichen. In diesem Kontext bestehen die elementaren Aufgaben des wertorientierten Controllings darin, Wertsteigerungspotentiale zu eruieren, Wertsteigerungsstrategien zu planen, deren Umsetzung zu unterstützen und durch eine strategische Kontrolle Steuerungsmaßnahmen zu entwickeln. 809 808 Vgl. auch im Folgenden Langguth (2008), S. 173 f. Zum CVA vgl. auch Hirsch (2008), S. 462 ff.; Weber et al. (2017), S. 61 ff.; Britzelmaier (2017), S. 249 f.; Coenenberg et al. (2015), S. 254 f. 809 Zur Bedeutung eines wertorientierten Controllings vgl. Langguth (2008), S. 187 ff. <?page no="450"?> 450 4 Spezielle Controlling-Probleme 4.3.3 Umsetzung in der Unternehmenspraxis Nach der Entwicklung wertorientierter Konzepte in den 1980-er Jahren begannen ab 1992 die ersten DAX-Unternehmen damit, in ihren Geschäftsberichten die Steigerung des Unternehmenswertes als Hauptzielsetzung zu veröffentlichen. Bis dato belegen diverse Studien, inwieweit das Ziel einer wertorientierten Unternehmensführung in den Geschäftsberichten veröffentlicht wird. Autor Unternehmen Bekenntnis zur Wertorientierung Informationen zur Berechnung von Kapitalkosten Quick at al. (2008) Euro Stoxx 50 82% N/ A Langguth (2008) DAX 30 96% 74% Schultze et al. (2009) DAX 30 und 70 weitere Unternehmen 43% (DAX 30) 23% (Nicht DAX Unternehmen) 21% 7% Britzelmaier et al. (2010) Euro Stoxx 50 68% 71% Lueg (2010) HDAX 62% N/ A Britzelmaier et al. (2012) DAX 30 100% 70% Horster/ Knauer (2012) HDAX 50% N/ A Gitt et al. (2013) HDAX 46% N/ A Blume et al. (2015) DAX, MDAX, TecDAX, SDAX 75% N/ A Langguth (2017) DAX 30 93% 83% Abb. 295: Empirische Untersuchungen zur Umsetzung wertorientierter Konzepte in der Praxis (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Britzelmaier (2017), S. 227 f.) Die Studien belegen eine weite Verbreitung wertorientierter Konzepte in der Praxis, wobei die Unternehmensgröße einen wesentlichen Kontextfaktor für den Implementierungsstand darstellt. 810 Dies wird auch durch Untersuchungen von MDAX- oder TecDAX-Geschäftsberichten unterstützt, wonach weiterhin überwiegend traditionelle Kennzahlen eingesetzt werden, während wertorientierten Steuerungsgrößen eine geringere Bedeutung zukommt. Beispielsweise finden G ITT et al. (2013) einen Implementierungsstand bei Kleinunternehmen von 11%, bei mittelgroßen Unternehmen von 40%, bei großen Unternehmen von 50% und bei sehr großen Unter- 810 Zur Unternehmensgröße als Kontextfaktor für den Implementierungsstand sowie zu weiteren Kontextfaktoren vgl. Lueg (2010), S. 341 ff. <?page no="451"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 451 nehmen von 61%. 811 Dies bestätigt auch die Studie von H ORSTER und K NAUER : Danach steuern 76% der DAX30-Unternehmen mit wertorientierten Kennzahlen, aber nur 54% der MDAX- und 9% der TecDAX-Unternehmen. Traditionelle Kennzahlen werden weiterhin von 83% der DAX30-Unternehmen, 90% der MDAX- und 100% der TecDAX-Unternehmen eingesetzt. 812 Abb. 296: Verbreitung von Spitzenkennzahlen in HDAX-Unternehmen (Quelle: Lueg (2010), S. 338). Dieses Ergebnis ist insofern nachvollziehbar, als mit zunehmender Unternehmensgröße auch der Anspruch an eine wertorientierte Ausrichtung vor dem Hintergrund steigt, marktübliche Renditen erzielen zu müssen. 813 Als weiterer Grund lassen sich die Kosten anführen, die mit der Implementierung wertorientierter Kennzahlen verbunden sind. 814 Zwar finden zunehmend wertorientierte Konzepte auch bei mittelständischen Unternehmen Anwendung, eine flächendeckende Ausbreitung ist jedoch nicht festzustellen. 815 811 Vgl. Gitt et al. (2013), S.102. Zur Unternehmensgröße als Einflussfaktor für eine wertorientierte Steuerung vgl. ebenso Lueg (2010), S. 342 ff., der einen Umsetzungsstand von 56% bei DAX 30-, 26% bei MDAX- und 7% bei TecDax-Unternehmen konstatiert. 812 Vgl. Horster/ Knauer (2012), S. 121 ff; Lueg (2010), S. 338; Weber et al. (2017), S. 293. 813 Vgl. hierzu auch Lueg (2010), S. 343 f. 814 Vgl. Horster/ Knauer (2012), S. 118 und S. 122 f. 815 Vgl. Weber et al (2017), S. 299. Zu Untersuchungen einer wertorientierten Unternehmensführung im Mittelstand vgl. stellvertretend Günther/ Gonschorek (2011), S. 18 ff. <?page no="452"?> 452 4 Spezielle Controlling-Probleme Neben der Unternehmensgröße stellt die Branchenzugehörigkeit einen wesentlichen Einflussfaktor dar. So konnte beispielsweise L UEG in seiner Untersuchung einen signifikanten Implementierungsvorsprung von Unternehmen der Finanzbranche nachweisen, die per se ein sehr finanzorientiertes Geschäftsmodell haben und daher in der Regel auch eine höhere VBM-Ausrichtung aufweisen als Unternehmen anderer Branchen. 816 Dass die Unternehmensgröße einen wichtigen Einflussfaktor im Hinblick auf die wertorientierte Ausrichtung darstellt, zeigt auch eine Untersuchung der Geschäftsberichte von 24 DAX 30-Unternehmen aus dem Berichtsjahr 2016. Danach bekennen sich - wie Abb. 297 zeigt - 79% der Unternehmen direkt zur Zielsetzung „Steigerung des Unternehmenswertes“. Nur in 13% der Geschäftsberichte ließ sich keine Aussage zur „Wertsteigerung“ erkennen. Abb. 297: Bekenntnis von DAX 30-Unternehmen zur Wertorientierung im Geschäftsjahr 2016 Abschließend sind - hinsichtlich der Frage, wie ein direktes Bekenntnis zur Steigerung des Unternehmenswertes kommuniziert wird - beispielhaft Auszüge aus den Geschäftsberichten 2018 ausgewählter DAX 30-Unternehmen aufgeführt: 816 Vgl. Lueg (2010), S. 343. <?page no="453"?> 4.3 Wertorientiertes Controlling 453 Unternehmen Aussage zur Wertorientierung „Ein Unternehmen schafft nur dann langfristig Wert, wenn es ein Ergebnis erwirtschaftet, das die Kosten für das eingesetzte Kapital übersteigt. Daher fördern und fordern wir im Rahmen unseres Wertmanagementkonzepts unternehmerisches Denken und Handeln aller Mitarbeiter. Ab dem Geschäftsjahr 2019 wird die Rendite auf das betriebsnotwendige Kapital (Return on Capital Employed) - kurz ROCE - das EBIT nach Kapitalkosten als bedeutsamsten Leistungsindikator für die Steuerung der BASF-Grupp ersetzen“ (S. 29) „BASF bekennt sich zu einer verantwortungsvollen Unternehmensführung, die auf eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts ausgerichtet ist.“ (S. 137) „Ein vorrangiges Ziel des B AYER -Konzerns ist profitables Wachstum. Hierdurch wollen wir den Wert des Unternehmens kontinuierlich steigern und den langfristigen Fortbestand des Geschäfts sicherstellen.“ (S. 32) „Eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts und die Sicherung der Liquidität sowie der Kreditwürdigkeit des Konzerns sind die wichtigsten Ziele des Finanzmanagements. Hierzu tragen die Optimierung der Kapitalstruktur und ein effektives Risikomanagement bei.“ (S. 104) „Eine dauerhafte Steigerung des Unternehmenswerts bedeutet für uns nachhaltigen Erfolg unter Berücksichtigung der Kapitalkosten. Unsere Zielmarke liegt langfristig bei mindestens 20% Rendite auf das betrieblich gebundene Kapital. Dieses Ziel konnten wir im Berichtsjahr nicht erreichen. Nach 20,6% im Vorjahr erzielten wir 17% im Jahr 2018.“ (S. 41) „Im Mittelpunkt unserer Unternehmensziele steht die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts jedes einzelnen Geschäftsbereichs.“ (S. 43) „Das finanzielle Zielsystem des V OLKSWAGEN -Konzerns sieht als Kernelement die kontinuierliche und nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes vor. Um den Ressourceneinsatz im Kernbereich Automobile effizient zu gestalten und dessen Erfolg zu messen, nutzen wir seit vielen Jahren ein wertorientiertes Steuerungskonzept mit der relativen Kennzahl Kapitalrendite (RoI) und der absoluten Erfolgsgröße Wertbeitrag, eine an den Kapitalkosten ausgerichtete Kennzahl.“ (S. 126) Abb. 298: Stellungnahmen ausgewählter DAX 30-Unternehmen zur wertorientierten Unternehmensführung in ihren Geschäftsberichten (Geschäftsjahr 2018) <?page no="454"?> 454 4 Spezielle Controlling-Probleme 4.3.4 Probleme und Weiterentwicklung Insgesamt hat sich das Leitbild einer wertorientierten Steuerung in den größten deutschen Kapitalgesellschaften durchgesetzt und wird entsprechend nach außen kommuniziert. Auch in der Literatur hat sich die Zielsetzung einer wertorientierten Steuerung als betriebswirtschaftlicher Standard weitestgehend etabliert. 817 Allerdings werden folgende Probleme eines wertorientierten Controllings genannt: Zu hohe Anforderung en a n die opera tive Um setzung im Unternehm ensa llta g In der Unternehmenspraxis bereiten vor allem die konsistente Umsetzung der Spitzenkennzahl auf nachgelagerte Hierarchieebenen als auch eine vereinfachte Ermittlung und Implementierung wertorientierter Konzepte Probleme 818 Hier zeigen die Beispiele von L UFTHANSA und B AYER , dass Komplexität eine wesentliche Ursache für die Umstellung der Kennzahlen CFROI bzw. CVA auf EACC bzw. ROCE (- Spread) war. Hier bedarf es einer situativen Abwägung, zumal nicht eindeutig belegt werden kann, dass sich eine komplexere Berechnung wertorientierter Kennzahlenkonzepte positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Insbesondere kleinere Unternehmen bevorzugen daher weiterhin traditionelle (finanzielle) Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung. M a ng elnde Zielkong ruenz wertorientierter Kennzahlen Die Zielkongruenz wertorientierter Kennzahlen ist danach zu bemessen, inwieweit diese mit dem Unternehmenswert auf Basis der DCF-Methode vereinbar sind. Residualgewinnkonzepte wie der EVA und der CVA basieren auf der Überlegung, dass eine Steigerung des Unternehmenswertes nur dann erreicht wird, wenn die mit einer Investition verbundenen Rückflüsse die risikoadjustierten Kapitalkosten übersteigen. 819 Zwar erfüllen Residualgewinne das Kriterium der Risikoorientierung, jedoch berücksichtigen sie zukünftige Entwicklungen nur bedingt, da sie nur für einzelne Perioden bestimmt werden. M a ng elnde Verstä ndlichkeit wertorientierter Kennzahlen und Akzepta nzproblem e bei Mita rbeitern und externen Sta keholdern Ein weiteres Problem resultiert aus der teilweise schwierigen Verständlichkeit wertorientierter Kennzahlen und daraus resultierenden Akzeptanzproblemen. Residualgewinnverfahren basieren zwar grundsätzlich auch auf Daten des externen Rechnungswesens, werden jedoch häufig durch Conversions angepasst, was mit höherem Aufwand für das Controlling verbunden ist und zu einer schwierigeren Nachvollziehbarkeit für interne und externe Adressaten führt. 820 M a ng elnde Verg leichba rkeit wertorientierter Kennzahlen Wesentliche Aufgabe einer kapitalmarktorientierten Berichterstattung ist das Schaffen von Transparenz mit dem Ziel, den Kapitalmarkt durch die Versorgung mit verlässli- 817 Vgl. Weber et al. (2017), S. 293. 818 Vgl. auch Weber et al. (2017), S. 294 ff. 819 Vgl. Horster/ Knauer (2012), S. 120. 820 Vgl. Horster/ Knauer (2012), S. 124. <?page no="455"?> Wiederholungsfragen 455 chen Informationen positiv für das Unternehmen zu gewinnen. Fraglich ist, inwieweit sich die Unternehmen über ihre publizierten Kennzahlen vergleichen lassen. So existieren unterschiedliche Definitionen der wertorientierten Kennzahlen. Beispielweise konnten für den ROCE knapp zehn verschiedene Definitionen ermittelt werden. Ein weiteres Problem besteht in unterschiedlichen Bezeichnungen derselben Kennzahl. So zeigen empirische Analysen, dass für den EVA mindestens neun verschiedene Bezeichnungen in den DAX30-Unternehmen vorkommen, so z.B. „Absoluter Wertbeitrag“, „Geschäftswertbeitrag“ oder „EBIT nach Kapitalkosten“. 821 Kritik a m zug rundelieg enden Wertkonzept Insbesondere in den letzten Jahren ist das Konzept der Wertorientierung zunehmend in die Kritik geraten. Die Gründe hierfür sind vielfältig - insbesondere wird die zu einseitige Ausrichtung an den Interessen der Eigenkapitalgeber und die daraus resultierende Vernachlässigung der Interessen der übrigen Stakeholder genannt. So wurde das Shareholder Value Konzept z.B. auch als Verursacher der Finanzmarktkrise gewertet. Zusammenfassung Wertorientierte Kennzahlen sind ein zentrales Controlling-Instrument zur Implementierung einer wertorientierten Unternehmenssteuerung. Wertorientierte Kennzahlen wie der EVA oder der ROCE-Spread zeichnen sich gegenüber traditionellen Kennzahlen dadurch aus, dass sie die gesamten Kapitalkosten in die Bewertung einbeziehen. Eine wertorientierte Unternehmenssteuerung gibt es vor allem in großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen, während bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen weiterhin traditionelle Kennzahlen dominieren. Eine Beurteilung der verschiedenen wertorientierten Kennzahlenkonzepte hat gezeigt, dass jedes Konzept Stärken und Schwächen aufweist. Eine Entscheidung für eines der Konzepte muss daher in Abhängigkeit von der Zielsetzung sowie den situativen Gegebenheiten im Unternehmen getroffen werden. Wiederholungsfragen 1. Warum kann eine Verhaltenswirkung von Controllinginstrumenten vermutet werden? 2. Was versteht man unter dysfunktionalem Verhalten? 3. Wie kann dysfunktionales Verhalten systematisiert werden? 4. Welches funktionale und dysfunktionale Verhalten kann eine Budgetierung auslösen? 821 Vgl. Langguth (2017), S. 39 f. <?page no="456"?> 456 4 Spezielle Controlling-Probleme 5. Welche Maßnahmen zur Vermeidung von dysfunktionalem Verhalten durch Budgetierung gibt es? 6. Definieren Sie den Begriff des Anreizsystems und nennen Sie wesentliche Anforderungen an dessen Gestaltung! 7. Welche Implikationen lassen sich aus der Prinzipal-Agenten-Theorie und den Motivationstheorien für die Gestaltung von Anreizsystemen ableiten? 8. Welche Dimensionen zur Gestaltung von Anreizsystemen werden unterschieden? 9. Charakterisieren Sie den jährlichen Deckungsbeitrag seiner Abteilung als BMG für den Leiter der Fertigungsabteilung eines mittelständischen Unternehmens. 10. Welche Aspekte sind bei der Gestaltung der Anreizfunktion vom Controlling zu beachten? 11. Erläutern Sie wesentliche Probleme der Gestaltung von Anreizsystemen! 12. Worin bestehen die wesentlichen Schwächen traditioneller Kennzahlen? 13. Erläutern Sie kurz die Bestimmungsfaktoren des CAPM-Modells. Welche Aussage lässt sich mit einem Beta-Faktor von 1,8 treffen? 14. Ermitteln Sie die Eigenkapitalkosten gemäß CAPM für folgende Unternehmen: Unternehmen Beta-Faktor (1 Jahr) am 31.05.19 BMW 1,0144 Wirecard 1,9533 Merck 0,5287 Legen Sie dabei einen risikolosen Zins von 3% und eine Marktrendite von 9% zugrunde! 15. Erläutern Sie kurz die Conversions (Anpassungen) im Rahmen des EVA- Modells! 16. Worin sehen Sie die wesentlichen Probleme bei der Umsetzung wertorientierter Konzepte in der Praxis? Lösungshinweise … finden Sie online unter www.uvk.digital/ 9783 8252 8732 0 <?page no="457"?> Literaturverzeichnis I. Allgemein Baum, H.-G., Coenenberg, A. G. und Günther, T. (2013). Strategisches Controlling, 5. Aufl., Stuttgart. Becker, W., Baltzer, B. und Ulrich, P. (2014). Wertschöpfungsorientiertes Controlling - Konzeption und Umsetzung, Stuttgart. Buchholz, L. (2013). Strategisches Controlling: Grundlagen - Instrumente - Konzepte, 2. Aufl., Wiesbaden. Burger, A. und Buchhart, A. (2002). Risiko-Controlling, München/ Wien. Coenenberg, A. G., Fischer, T. M. und Günther, T. (2012). Kostenrechnung und Kostenanalyse, 8. Aufl., Stuttgart. Coenenberg, A. G., Haller, A., Mattner, G. und Schultze, W. (2014). Einführung in das Rechnungswesen. Grundzüge der Buchführung und Bilanzierung, 5. Aufl., Stuttgart. Eisenführ, F., Weber, M. und Langer, T. (2010). Rationales Entscheiden, 5. Aufl., Berlin/ Heidelberg. Däumler, K.-D. und Grabe, J. (2015). 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