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Thomas Cook

Pionier des Tourismus

0514
2014
978-3-8649-6544-9
978-3-8676-4496-9
UVK Verlag 
Jörn W. Mundt

Der Tourismuspionier Thomas Cook stammte aus einfachen Verhältnissen. Seine Geschichte ist deswegen eng mit der der arbeitenden Klasse im England des 19. Jahrhunderts verknüpft. Durch perfekt organisierte Reisen ermöglichte der tiefgläubige Baptistenprediger vielen Menschen eine kurze Flucht aus dem Alltag, der durch harte Arbeit, beengte Wohnverhältnisse und allzu oft auch durch Alkohol geprägt war. Zu Beginn organisierte er ausschließlich für Abstinenzler zum Selbstkostenpreis verbilligte Ausflüge ins Umland der englischen East Midlands. Aber schon kurze Zeit später bereisten seine Gruppen Großbritannien, Frankreich und schließlich die ganze Welt. Durch die wachsende Zahl von Reisenden verhandelte er immer attraktivere Konditionen mit Eisenbahnen, Reedereien und Hotels. Seine Gäste rüstete er mit Reisehandbüchern aus - oft war er selbst der Reiseleiter. Auf geschickte Art und Weise legte er dadurch den Grundstein für ein bereits zu seinen Lebzeiten multinationales Unternehmen und ebnete dem Massentourismus den Weg. Auch die Prominenz wusste früh die Dienste seines Unternehmens zu schätzen. Selbst der deutsche Kaiser verreiste mit Thos. Cook and Son.

<?page no="1"?> Thomas Cook (22. November 1808 bis 19. Juli 1892), Gründer des gleichnamigen Reiseunternehmens <?page no="2"?> Jörn W. Mundt Thomas Cook Pionier des Tourismus UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München <?page no="3"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-86764-496-9 (Print) ISBN 978-3-86496-544-9 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: Thomas Cook Company Archive (UK) Bilder: Thomas Cook Company Archive (UK), iStockphoto/ Duncan 1890, iStockphoto/ VJG, Getty Images/ Hulton Archive, Fotolia/ pockygallery11 Druck und Bindung: CPI - Ebner und Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531/ 9053-0 · Fax 07531/ 9053-98 www.uvk.de <?page no="4"?> Inhalt Prolog: Das Ende einer Legende….............................................. 7 … und der Beginn eines außergewöhnlichen Lebens............. 19 Reisen gegen den Alkoholismus.............................................. 27 Philanthropie plus fünf Prozent .............................................. 37 Schottland, Konkurs und Wiederanfang ................................. 45 Ein Reiseführer, dem man vertraut ......................................... 55 The Great Exhibition ................................................................ 63 Entscheidung und erste Erfahrungen im Ausland..................69 ‚Sankt Montag‘ und andere Rahmenbedingungen ................. 79 General Feldmarschall Napoléon überquert die Alpen .......... 87 Unternehmer mit und ohne Klauen: der Familienkonflikt im Hause Cook....................................... 95 Auf Umwegen in das Gelobte Land und nach Ägypten..........111 Mit der Heimat in die Fremde ................................................ 123 Reiche Prinzen und arme Fischer: Öffentlichkeitsarbeit und soziale Engagement ...................... 133 Wider die ‚Cookophobie‘.........................................................143 Viel Zeit, viel Geld, viel Dampf: die Weltreise ........................ 151 Außenseiter im eigenen Unternehmen..................................159 Die späten Jahre ..................................................................... 169 Epilog ....................................................................................... 175 Das Leben von Thomas Cook (Zeittafel).............................179 Wissenswertes zu den Nachfahren ....................................192 Anmerkungen .........................................................................193 <?page no="5"?> „Daß Geschäfte gemacht werden, um Geld zu verdienen, scheint vielen ein selbstverständlicher Satz. Dennoch habe ich noch niemals einen wahrhaft großen Geschäftsmann und Unternehmer gesehen, dem Geldverdienen die Hauptaufgabe seines Berufes war, und ich möchte behaupten, daß, wer am persönlichen Geldgewinn hängt, ein großer Geschäftsmann überhaupt nicht sein kann.“ Walther Rathenau 1 <?page no="6"?> Prolog: Das Ende einer Legende… r war weder der Erfinder der Pauschalreise, noch hat er die ersten Gruppenreisen oder Eisenbahnausflüge veranstaltet, wie dies immer wieder behauptet wird. Um ein bedeutender Unternehmer zu sein, muss man auch keine Erfindungen gemacht haben. Hier zählen andere Qualitäten - und die hatte Thomas Cook, wie nicht zuletzt sein spannender Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen im England des 19. Jahrhunderts zu einem international tätigen Unternehmer zeigt. Zu diesen Qualitäten gehörte es auch nicht, von vorneherein von unternehmerischem Geist beseelt zu sein und entsprechende Firmenvisionen zu entwickeln. Was vielmehr zählte, war der Wille zur eigenen Bildung an den Sonntagsschulen nonkonformistischer englischer Protestanten und die Entwicklung eines selbständigen, sozialen und liberalen Geistes, der sich nicht den eigenen Aufstieg, sondern die Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse zur Aufgabe setzte. Auch dabei ließ er sich nicht von wolkigen Entwürfen leiten, sondern versuchte ganz pragmatisch, ihre durch den Alkohol verstärkte Verelendung nicht durch Verbote, sondern durch die Vermittlung positiver (Reise-)Erlebnisse zu bekämpfen. Es dauerte lange, bis aus dieser für ihn zentralen und unentgeltlich betrieben Nebentätigkeit eine eigene Firma entstand. Damit allerdings wurde er dann nicht nur Firmengründer, sondern ein Pionier, der durch seine Unternehmungen im viktorianischen England eine ganze Branche mitbegründete, die heute zu den größten der Welt zählt. Dennoch und in Verkennung seiner wirklichen Leistungen wird Thomas Cook bis heute immer wieder mit der ‚Erfindung‘ von Pauschalreisen als der vermeintlichen Grundlage des Massentourismus in Verbindung gebracht. So schrieb zum Beispiel die Wochenzeitung Die Zeit 1991: „Beim Kampf gegen Trunksucht und Tabakqualm erfand der englische Laienprediger Cook vor 150 Jahren die Pauschalreise.“ 2 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sah in Thomas Cooks erstem Tagesausflug von 1841 „die erste Pauschalreise, wenn man es E <?page no="7"?> 8 Thomas Cook - Pionier des Tourismus genau nimmt, denn das Billett für einen Schilling schloss ‚tea & buns‘ in Mr. Pagets Park in Loughborough und Musikbegleitung auf dem ganzen Weg mit ein.“ 3 In ihrer ‚Geschichte des Reisens und des Tourismus‘ sieht Petra Krempien zwar ebenfalls Thomas Cook als deren Erfinder an, hält aber 1845 für das Jahr der ersten Pauschalreise, als er seine erste kommerzielle Reise nach Liverpool organisierte. 4 Der Historiker Rüdiger Hachtmann sah 2007 die Geburtsstunde der Pauschalreise dagegen erst siebzehn Jahre später, aber machte ebenfalls Thomas Cook zu ihrem Vater: „Bereits 1862 mietete er Massenunterkünfte für seine Touristen an - die Pauschalreise war geboren.“ 5 Auch die Neue Zürcher Zeitung stilisierte noch 2013 Thomas Cook zum „Tourismuspionier schlechthin: Neben der Pauschalreise erfand er den Reisekatalog, den Travellerscheck, den Hotel-Voucher und etliche weitere Neuheiten.“ 6 Wir werden sehen, dass bis auf den Reisekatalog nichts davon auf Thomas Cook zurückgeht. Thomas Cook (1864) An anderer Stelle titulierte Die Zeit unter dem Titel „Mit Tee, Keksen und Blasmusik“ Thomas Cook als den Organisator des ersten Eisenbahnausfluges und damit der ersten modernen Gruppenreisen. 7 Dies tat mit Einschränkungen auch der Reiseschriftsteller William Fraser Rae (1835-1905), der 1891 zum 50-jährigen Jubiläum des von Thomas Cook organisierten Tagesausfluges von Leicester nach Loughborough in einer Firmenpublikation noch zu dessen Lebzeiten schrieb: „Es wird davon ausgegangen, dass dies der erste öffentlich beworbene Ausflugszug in England war. […] Was immer die Meinungen bezüglich der Ausflugszüge seien mögen, die <?page no="8"?> Prolog: Das Ende einer Legende… 9 gerade aufgeführten Tatsachen können nicht abgeleugnet werden. Nichts von dem, was bislang belegt wurde, kann ihm das Verdienst und den Titel ihres Pioniers nehmen.“ 8 Dabei stammt der Begriff Pauschalreise und die damit verbundene Reiseorganisation erst aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Flugreisen ihren ersten Aufschwung nahmen. Um die damals sehr teuren und meist staatlichen Linienfluggesellschaften vor dem Wettbewerb mit den aufkommenden Charterfliegern zu schützen, durften die Preise für die Einzelleistungen von Veranstalterreisen (Hotel, Flug, Transfer) nicht genannt und die Reisen nur zu einem pauschalen Preis angeboten werden - daher der Name. Pionier dieser neuen Reiseart war der gebürtige Russe Vladimir Raitz (1922-2010), Journalist bei der Nachrichtenagentur Reuters in London, 1949 Mitbegründer von Horizon Holidays und Organisator der ersten Flugpauschalreise, die 1950 von London- Gatwick nach Calvi auf Korsika stattfand. 9 Auch die Behauptung, dass Thomas Cook seinen ersten Bahnausflug mit verschiedenen Leistungen wie Getränke und Verpflegung zu einem für Pauschalreisen typischen Inklusivpreis angeboten hat, ist nicht belegt und zudem unwahrscheinlich. 10 Auch kann der von Thomas Cook am 5. Juli 1841 mit fast 500 Personen durchgeführte Eisenbahnausflug von Leicester nach Loughborough nicht als erste moderne Gruppenreise gelten. Mindestens fünf Jahre zuvor hatten Eisenbahngesellschaften in England bereits solche verbilligten Tagesausflugsreisen angeboten. So fuhren zum Beispiel am 14. Juni 1836 zwei Züge mit Ausflüglern von Wadebridge im äußersten Südwesten Englands über 13 Meilen nach Wenford Bridge, musikalisch begleitet von der Kapelle der Forstleute des Herzogs von Cornwall. Dieses Beispiel machte Schule und ähnliche Vergnügungsausflüge mit verbilligten Fahrscheinen wurden auch von anderen Eisenbahngesellschaften angeboten, 11 darunter die Midland Counties Railway, die bereits im Juli und August 1840 Ausflugszüge zwischen Nottingham und Leicester eingesetzt hatte. 12 Aber auch fortschrittliche Arbeitgeber wie J. James in Birmingham und R. & W. Hawthorn in Newcastle 13 hatten bereits vor Thomas Cook Ausflugszüge für ihre Arbeiter organisiert „als ein starkes Mittel, um sie von den häufig besuchten Orten der Lasterhaf- <?page no="9"?> 10 Thomas Cook - Pionier des Tourismus tigkeit und der Verschwendung fernzuhalten; und als Beleg dafür, dass ein solcher Zustand gestaltet werden kann, mag festgestellt werden, dass anlässlich der Eröffnung der Bahnstrecke zwischen Manchester und Liverpool [1830] eine Gruppe von Menschen […] dieses neue Verkehrsmittel benutzte; und eine größere Gruppe konnte danach die Menai-Brücke besuchen.“ 14 Ein eher makabres Beispiel für frühe Eisenbahnausflüge sind die drei Sonderzüge für mehr als 1.000 Personen, die im April 1840 ebenfalls von Wadebridge nach Bodmin eingesetzt wurden, um dort der öffentlichen Hinrichtung der wegen Mordes verurteilten Lightfood-Brüder beizuwohnen. 15 Warum also steht der Name des 1808 geborenen und 1892 gestorbenen Thomas Cook immer an erster Stelle, wenn es um die Anfänge des modernen Massentourismus geht? In erster Linie wohl deshalb, weil Thomas Cook bis heute der Name eines der größten europäischen Reisekonzerne ist - auch wenn er mit dem ursprünglichen Reisegeschäft der Familie Thomas Cooks schon seit 1928 nichts mehr zu tun hat. Für das Unternehmen war und ist die Legende vom Firmengründer als dem Erfinder von Pauschal- und Gruppenreisen zudem ein wichtiger Imagefaktor und wird deshalb nach wie vor gerne gepflegt. Die früheren Organisatoren von Gruppenreisen sind dagegen nicht zuletzt deshalb namenlos geblieben, weil es keine anschließende Firmengeschichte gab - und damit auch kein Firmenarchiv. Weitgehend vergessen blieben daher auch Pioniere wie der Liverpooler Henry Robert Marcus (1804-1875), von dem „man sagen kann, der Vater der billigen Reisen zu sein“ 16 , nicht zuletzt weil er zu seinen und Thomas Cooks Lebzeiten als der „Begründer und Förderer der billigen Ausflugszüge“ 17 galt und in ihm, wie es in einem kurzen Nachruf nach seinem Unfalltod hieß - er wurde ironischerweise auf einem Bahnübergang von einer Lokomotive überfahren -, der „Begründer des Systems von Eisenbahnausflügen“ 18 gesehen wurde. Anders als Thomas Cook, der später neben Eisenbahnausflügen auch andere Reisen in seinem Angebot hatte, beschränkte sich Marcus nur auf diese Exkursionen, auch wenn er ihren Radius bis Brüssel und Paris ausdehnte. 19 Zu diesen Pionieren gehörten auch Henry Gaze und Joseph Crisp, die 1844 bzw. 1845 eigene Reiseunternehmen in England gründeten und gleich Aus- <?page no="10"?> Prolog: Das Ende einer Legende… 11 landsreisen auf den europäischen Kontinent nach Frankreich und Belgien anboten. Der aus Southampton stammende Henry Gaze (1825-1894) warb für sein Unternehmen später daher nicht zu Unrecht mit der Bezeichnung „Urheber des gegenwärtigen Systems populärer Reisen auf den Kontinent“. 20 Allerdings hat es seinen Tod nicht lange überlebt: Bereits 1903 ging der Reiseveranstalter Henry Gaze & Sons in Konkurs. Von anderen dieser Reisepioniere ist praktisch nur noch der Name bekannt, ohne dass sich noch detailliertere Spuren ihrer Aktivitäten auffinden ließen, so zum Beispiel von Richard Stanley, Joseph Stanley, John Cuttle, John Calverly, Joseph Drearden und John Houlston. 21 Am Beispiel der Biographie Thomas Cooks wird damit deutlich, dass das Erzählen von (Lebens-)Geschichten sich nicht mit dem Aufzählen von Ereignissen begnügt, sondern vor dem Hintergrund des Wissens des Erzählers um ihr Ende, bewusst oder unbewusst zu einer Konstruktion führt, in der vieles zunächst Zufällige 22 und Unwichtige zu wesentlichen Vorstufen des späteren Erfolgs umgedeutet wird. Insofern spielt hier auch der aus der psychologischen Persönlichkeitsforschung bekannte Halo-Effekt eine wichtige Rolle: Wird eine (wichtige) Eigenschaft einer Person von anderen als sehr positiv (oder negativ) beurteilt, führt dies in der Tendenz zu einer Übertragung dieser Beurteilung auch auf andere Persönlichkeitseigenschaften. 23 Hier ist es also der spätere Ruhm und Erfolg von Thomas Cook, der seinen frühen Unternehmungen eine Bedeutung verleiht, die sie ursprünglich nicht hatten und auch noch nicht haben konnten. Wenngleich dies insbesondere für die Autobiographie gilt, kann man zudem auch für die Biographie unterstellen, dass sie „sich immer, mindestens teilweise, von dem Ziel anregen lässt, Sinn zu machen, zu begründen, eine gleichzeitig retrospektive und prospektive Logik zu entwickeln, Konsistenz und Konstanz darzustellen, indem sie einsehbare Beziehungen wie die der Folgewirkung von einem verursachenden oder letzten Grund zwischen aufeinanderfolgenden Zuständen herstellt, die so zu Etappen einer notwendigen Entwicklung gemacht werden.“ 24 Mit anderen Worten: „Zu jeder Art von Erinnerung gehört die Legende. Sie ist geradezu eine unverzichtbare Basis von gesellschaftlicher Erinnerung und kollektivem Gedächtnis.“ 25 <?page no="11"?> 12 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Geschichte ist aber mehr als Erinnerung. Während Erinnerung sich in erster Linie auf die Erhaltung subjektiver Erfahrung des Geschehenen bezieht, versucht Geschichte über diese hinaus durch das Erschließen von Quellen verschiedenster Art die vergangenen Ereignisse zu objektivieren und unter allen möglichen Aspekten zu erfassen, zu beschreiben, zu analysieren und zu bewerten. Sie überschreitet damit die Grenzen der Erinnerung schon deshalb, weil viele Dokumente und Informationen oft erst ex post verfügbar werden und damit nur der Rückblick die Erfassung und Einordnung des Geschehenen ermöglicht. Insofern ist „Zeitgenossenschaft […] eine Form der historischen Ignoranz.“ 26 Das gilt schon deshalb auch für Biographien, weil Menschen dazu neigen, Fakten ihrem (gewünschten) Selbstbild gemäß zu selektieren und umzuinterpretieren. Dieser Satz bewahrheitet sich nicht selten auch in der persönlichen Erinnerung, denn es ist oft so, dass man Jahre später mehr weiß als zum Zeitpunkt des Erlebens und sich daher die Vergangenheit in der Rückschau ganz anders darstellt als man sie selbst erlebt hat. 27 „[A]uch das Gewesene (ist) nicht von der Möglichkeit künftiger Entdeckung einer anderen Vergangenheit sicher […].“ 28 Darüber hinaus wird Geschichte oft aus der Perspektive der Sieger geschrieben, egal ob es sich um politische Auseinandersetzungen, Kriege oder eben um Unternehmen handelt. Das heißt nicht, dass diese Geschichtsschreibung über die Zeit nicht auch revidiert werden kann bzw. muss - und in der Tat ja auch wird. Schließlich ist auch die Geschichtsschreibung selbst Gegenstand historischer Betrachtungen und nicht selten kann man feststellen, dass die Darstellung, Analyse und Interpretation geschichtlicher Prozesse mehr über die Zeit aussagt, in der sie entstanden ist, als über ihren eigentlichen Gegenstand. So gesehen gibt es auch eine Geschichte der Geschichte. Selbst wenn also die Revisionen nicht ausbleiben - zumindest für eine gewisse Zeit kann es gerade deshalb gelingen, die kollektive Wahrnehmung historischer Ereignisse zu beeinflussen, weil man als Sieger zunächst praktisch die Deutungshoheit über die zum Sieg führenden Maßnahmen und Ereignisse hat. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Winston Churchill (1874-1965), der nicht nur in seiner ersten Amtszeit als britischer Premierminister von 1940 bis zu seiner Abwahl 1945 entscheidend zum Ausgang <?page no="12"?> Prolog: Das Ende einer Legende… 13 des Zweiten Weltkriegs beigetragen hat, sondern mit seinem voluminösen, sechsbändigen Werk The Second World War auch ihr literarischer Chronist war. 29 Eines der neueren Bücher über Winston Churchill ist daher unter dem treffenden Titel In Command of History veröffentlicht worden. 30 Anders als Winston Churchill über den Zweiten Weltkrieg hat Thomas Cook zwar selbst keine Geschichte seiner Branche geschrieben, aber es gibt eine Reihe von Biographien über ihn, die von dem von ihm gegründeten Unternehmen in Auftrag gegeben wurden und für die vor allem auf das historische Material des Firmenarchivs zurückgegriffen wurde. 31 Diese Einengung trifft aber nicht nur für die Beschreibung und Erfassung des Lebens von Thomas Cook zu, mit ihr ist ein generelles Problem der historischen Quellenforschung angesprochen, denn „das erhalten gebliebene Material [stellt] so gut wie nie eine Zufallsstichprobe der Gesamtheit [dar] […], d.h., Material überlebt selektiv.“ 32 Zudem muss berücksichtigt werden, dass vieles historisch Bedeutsame gar nicht erst aufgezeichnet wurde, weil man es entweder falsch einschätzte, es für das Alltagsgeschäft belanglos erschien oder, wie etwa im Falle der Aufzeichnungen der Firma Cook, nichts mit der eigenen Firma und ihren Aktivitäten zu tun hatte. Auch das, was von dem Aufgezeichneten schließlich aufbewahrt und archiviert wird, ist eine Auswahl und in manchen Fällen erweist sich das, was fehlt, als aufschlussreicher als die vorliegenden Dokumente. 33 Die erste der oben angesprochenen Veröffentlichungen über Thomas Cook war das bereits erwähnte Buch von William Fraser Rae, das 1891 von Thos. Cook & Son selbst herausgebracht wurde. 34 In diese Reihe gehören auch das Buch des Journalisten und Schriftstellers John Pudney (1953 erschienen), die 1974 und 1982 publizierten Werke des langjährigen Leiters des Thomas Cook Archivs, Edmund Swinglehurst, sowie die 1991 bzw. 1998 erschienenen Arbeiten des Historikers und Publizisten Piers Brendon und des früheren PR- Managers von Thomas Cook, Bill Cormack. 35 Das heißt nicht, dass es sich hierbei lediglich um voreingenommene und unkritische Darstellungen handelte, die nur die Aufgabe hatten, weiter an der Firmenlegende zu stricken. Das träfe vor allem nicht für das wissenschaftlichste und distanzierteste <?page no="13"?> 14 Thomas Cook - Pionier des Tourismus dieser Werke, das Buch von Piers Brendon, zu. Man muss aber sehen, dass alleine durch den Umstand, dass es kaum noch Unterlagen der Konkurrenten gibt, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Wettbewerb miteinander standen, dem Thomas Cook Firmenarchiv nahezu ein Monopol für Dokumente zu wichtigen Aspekten der Geschichte des organisierten Reisens in England zufällt. Auch die Journalistin und Autorin Jill Hamilton, die im Vorwort zu ihrer Biographie von Thomas Cook Wert auf den Hinweis legt, dass ihr Buch weder im Auftrag des Reiseunternehmens geschrieben, noch seine Entstehung von ihm finanziell unterstützt wurde 36 , war, wie alle anderen Autoren auch, auf die Unterlagen des Thomas Cook Archivs angewiesen. Das trifft auch für die kleine Biographie zu, die Robert Ingle, ein früherer Geschichtslehrer, der auf Veranstaltungen gerne öffentlich in der Rolle Thomas Cooks auftrat, 1991 veröffentlicht hat. 37 Thomas Cook ist schließlich das einzige der Mitte des 19. Jahrhunderts in England gegründete Reiseunternehmen, das über Generationen hinweg trotz aller Veränderungen unter diesem Namen erhalten geblieben ist. „Daher hat die Langlebigkeit des Betriebs von Thomas Cook sichergestellt, dass seine Rolle fest in der Eisenbahngeschichte verankert ist“ 38 - und nicht nur dort, wie wir bereits gesehen haben. Der Fall Thomas Cooks ist dabei kein Einzelfall. Erweist sich seine Geltung als der Pionier des organisierten Reisens bei genauerer Betrachtung als durch die globale, anhaltende Bekanntheit des Firmennamens befördert und damit als eine Projektion der Gegenwart auf die Vergangenheit, ist es in anderen Fällen die Gunst des richtigen Augenblicks ( kairos ), die einzelnen Personen eine Bedeutung zuweist, die sie in Wirklichkeit nicht haben. Denkt man etwa an die erste Atlantiküberquerung mit dem Flugzeug, fällt den meisten der Flug Charles Lindberghs von New York nach Paris im Jahre 1927 ein. In Wirklichkeit hatten bereits acht Jahre (! ) zuvor John Alcock und Arthur Whitten Brown den ersten Nonstop-Flug von St. Johns auf Neufundland nach Clifden in Irland unternommen. 1919, kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, hatte die Welt jedoch andere Sorgen als die Wahrnehmung fliegerischer Pioniertaten. Deshalb geriet dieser Flug wieder in Vergessenheit. Acht Jahre später hatte sich die wirtschaftliche und soziale Situation in den meisten Ländern Europas <?page no="14"?> Prolog: Das Ende einer Legende… 15 und in den USA stark verbessert und man blickte wieder optimistisch in eine Zukunft, in der alles möglich schien. Verbessert hatten sich nicht nur die Aussichten, sondern auch die Kommunikationsinfrastruktur, über die noch während des Fluges Lindberghs erste Meldungen über seine Fortschritte verbreitet wurden, die dazu führten, dass eine riesige Menschenmenge in Le Bourget das Flugzeug erwartete und Augenzeuge seiner ersten Landung auf europäischem Boden wurde. Im kleinen Clifden in der Grafschaft Galway dagegen hatte niemand auf die beiden Piloten gewartet. So wurde die für die Entwicklung der Zivilluftfahrt eher zweifelhafte erste Atlantiküberquerung im Alleinflug durch Lindbergh zum erinnerungswürdigen Ereignis, während die eigentliche Pioniertat von Alcock und Brown, die, anders als Lindbergh, auf ihrem Flug auch die erste Luftpost über den Atlantik transportierten, dem kollektiven Gedächtnis weitgehend entzogen blieb. Zudem kann Thomas Cook als ein weiteres Beispiel dafür gelten, dass nicht unbedingt diejenigen, die langfristig erfolgreichen Unternehmer sind, die etwas zuerst machen oder die sich später als erfolgreich herausstellende neue Ideen entwickeln, sondern die, die „das Wolkenschiff des Gedankens durch feste Taue im Erdreich verankern, die Notwendigkeit der Realisierung ermessen, die Mittel erfinden und die Widerstände besiegen.“ 39 Was der Industrielle, liberale Politiker und Intellektuelle Walther Rathenau hier beschreibt, zeigt sich auch an Thomas Cook. Was ihn bzw. seinen Sohn John Mason Cook und sein Unternehmen auszeichnete, war die Fähigkeit, bereits bestehende Geschäftsideen und -konzepte in ihrer Bedeutung für ihr Unternehmen zu erkennen und in großem Stil erfolgreich zu nutzen. Das gilt namentlich für die Travellerschecks, die ursprünglich schon 1772 vom Londoner Bankier Robert Herries als circular notes entwickelt und in Zusammenarbeit mit Partnerbanken und Hotels auf dem Kontinent eingeführt wurden. 40 Das gleiche trifft auch für die von Thomas Cook seit 1868 verwendeten Hotelgutscheine (Voucher) zu, die ursprünglich von seinem Konkurrenten Henry Gaze entwickelt und 1865 erfolgreich eingeführt worden waren. 41 Dabei reagierten Thomas und sein Sohn John Mason Cook selbst durchaus empfindlich auf Konkurrenz, ja betrachteten sie sogar „als eine Art Verrat [...]. Das war vor <?page no="15"?> 16 Thomas Cook - Pionier des Tourismus allem dann der Fall, wenn jemand versuchte, aus ihrem Familiennamen Kapital zu schlagen oder ihre Originalität anzweifelte.“ 42 Das steht nicht nur in teilweisem Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten, sondern auch zum ansonsten liberalen Geist von Thomas Cook. Eine Erklärung dafür sieht Lynn Withey darin, dass die Cooks „[t]rotz (ihres) überwältigenden kommerziellen Erfolgs und der Größe und des Umfangs ihrer Firma eine vorindustrielle Einstellung zum Geschäft hatten, eine, die Loyalität und ehrliche Handlungsweise über den Gewinn stellte.“ 43 Letzteres galt aber eher Kunden als Konkurrenten gegenüber. Die eigentlich innovative Bedeutung Thomas Cooks für die Entwicklung des Reisens und den Grund für seinen geschäftlichen Erfolg kann man allenfalls in der Schließung einer Dienstleistungslücke sehen, mit der vor allem das Reisen mit der Eisenbahn einfacher wurde. War die Reiseplanung vordem durch den Fahrkartenerwerb bei den jeweils unterschiedlichen Bahngesellschaften erschwert, bei denen man einzeln buchen musste, weil sie unabhängig voneinander Teilstrecken befuhren, konnte man bei ihm alles aus einer Hand buchen - und dabei noch in den Genuss der Rabatte kommen, die Thomas Cook als Großeinkäufer mit den Bahngesellschaften ausgehandelt hatte. 44 Durchgängige Beförderungscoupons (circular tickets), die von den Fahrgästen im Voraus in der jeweils eigenen Landeswährung bezahlt werden konnten, wurden allerdings erst in den 1870er-Jahren von Thomas Cooks Sohn John Mason Cook eingeführt. 45 Zusammenfassend stellte der Historiker John K. Walton daher 2010 fest: „Bei der Bewertung von [Thomas] Cooks persönlichem Beitrag zur Entwicklung des britischen und des internationalen Tourismus müssen wir jedoch aufpassen und die Inanspruchnahme von Originalität und Innovation kritisch beleuchten. Zudem müssen wir darauf achten, Cooks persönliche Aktivitäten nicht mit den Beiträgen zu vermischen, die andere Mitglieder seiner Familie geleistet haben oder mit der kollektiven Persönlichkeit des Unternehmens, wie sie sich in seinen späteren Jahren und nach seinem Tod entwickelte.“ 46 Neben der unternehmerischen Tüchtigkeit Thomas Cooks spielt für seine historische Wahrnehmung auch der Moment eine Rolle, zu dem er sein Reisegeschäft etablierte. Auch wenn er nicht gleich erfolgreich war und zunächst in Kon- <?page no="16"?> Prolog: Das Ende einer Legende… 17 kurs ging, war es doch der richtige Zeitpunkt, zu dem er, wie einige andere auch, als Veranstalter von Ausflügen und Reisen auf einen sich entwickelnden Reisemarkt trat, den er zusammen mit seinen Konkurrenten weiterentwickelte und ausbaute. Ohne seinen Sohn John Mason allerdings hätte das Unternehmen wohl nicht einmal die Schwelle zum 20. Jahrhundert erreicht. Somit bleibt die Frage, warum man sich heute überhaupt mit Thomas Cook und seiner Biographie beschäftigen sollte. Sie lässt sich leicht beantworten: Streicht man die Legenden um seine ‚Erfindungen‘, bleibt die faszinierende Persönlichkeit eines beharrlichen und disziplinierten Autodidakten, der es aus kleinsten Verhältnissen und fast ohne Schulbildung geschafft hat, über das nonkonformistische Milieu einer protestantischen Glaubensgemeinschaft, seinen gelebten sozialen Liberalismus und vor allem sein unermüdliches Engagement für die Abstinenzbewegung zu einem selbstbewussten, erfolgreichen und wegweisenden Unternehmer im entstehenden Reisemarkt des viktorianischen Zeitalters in Großbritannien und darüber hinaus zu werden. In diesem Sinne war er einer der wichtigsten Pioniere des Tourismus. Seine Absicht dabei war nicht einfach der Aufbau und die Entwicklung „eines gewinnorientierten Unternehmens, sondern Teil einer größeren sozialen Bewegung [zu sein], die sich bemühte, den Charakter und die breite Masse des industriellen Großbritannien zu erziehen und zu verbessern.“ 47 Gleichzeitig ist der Lebenslauf Thomas Cooks bereits im 19. Jahrhundert ein Beispiel für heute als modern angesehene Erwerbsbiographien, die sich durch häufigen Wechsel des Berufs auszeichnen. Auch wenn er damit in seiner Zeit keineswegs alleine dasteht, ist seine Karriere vom zehnjährigen Gärtnereigehilfen über eine Drechsler- und Tischlerlehre und über die Jahre eines wandernden Missionars im Dienste der Baptisten zum selbständigen Unternehmer in verschiedenen Branchen, von der Schreinerei über eine Druckerei und einen Verlag bis hin zu einem schließlich global agierenden Reiseunternehmen doch mehr als bemerkenswert. Auch hierin war er ein Pionier. Vielleicht galt bereits für ihn, was der in verschiedenen Branchen erfolgreiche Unternehmer Hans-Rudolf Wöhrl auf die Frage sagte, welchen Rat er einem Vierzehnjährigen gäbe, wenn er ihn fragte, wie man Unternehmer würde: „Ich wür- <?page no="17"?> 18 Thomas Cook - Pionier des Tourismus de ihm raten, die Finger davon zu lassen! Jemand, der Unternehmer werden will, fragt nicht, er wird es einfach, weil er nicht anders kann! “ 48 <?page no="18"?> … und der Beginn eines außergewöhnlichen Lebens ichts deutete darauf hin, dass am 22. November 1808 in den beengten Verhältnissen eines Arbeiterhäuschens im kleinen Ort Melbourne in der englischen Grafschaft Derbyshire mit Thomas Cook einer der Pioniere des modernen Tourismus auf die Welt kam. Das Milieu, in das er hineingeboren wurde, war alles andere als weltläufig: Sein Vater, John Cook, war einfacher Arbeiter und stammte aus einer Familie, die seit mindestens vier Generationen in Melbourne ansässig war. 49 Seine Mutter, Elizabeth Cook, Tochter von Thomas Perkins, der 1760 aus Hinckley in Leicestershire nach Melbourne gezogen war 50 und bis 1790 einer der Prediger an der Baptistenkirche in Melbourne war 51 , konnte weder lesen noch schreiben - ihre Unterschrift im Heiratsregister bestand nur aus drei Kreuzen. 52 Die Ehe war jedoch nicht von Dauer: John Cook starb bereits im Februar 1812 mit nur 26 Jahren, als sein Sohn gerade drei Jahre alt war. Die Mutter heiratete noch im Todesjahr des Vaters, im September 1812, James Smithard, dem sie 1813 und 1818 zwei Söhne gebar: James und Simeon. An den beengten Verhältnissen änderte sich dadurch nichts. Im Gegenteil. Vermutlich war die Geburt Simeons der Grund dafür, dass Thomas bereits mit zehn Jahren die Schule verlassen und für einen Tagelohn von einem Penny als Gehilfe des auf dem Anwesen von Lord Melbourne tätigen Gemüsegärtners John Robey arbeiten musste. Aber auch der Stiefvater, James Smithard, der Thomas wohl, soweit es ging, mit der Bezahlung des Schulgeldes unterstützt hatte, starb 1820 nach nur acht Jahren Ehe. Thomas Cook erinnerte sich später: „Nach seiner Beerdigung nahm meine Mutter mich mit in ihr Schlafzimmer und legte ihre Hände auf meinen Kopf und sagte ‚Nun, Tommy, musst Du der Vater dieser zwei Jungen sein.‘“ 53 Zu diesem Zeitpunkt war er nicht einmal zwölf Jahre alt. N <?page no="19"?> 20 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Zudem erlebte Großbritannien zu dieser Zeit eine längere Wirtschaftskrise. Nach dem Sieg der Alliierten über Napoléon in der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 blieb der erwartete wirtschaftliche Aufschwung aus - nicht zuletzt, weil die Nachfrage nach britischen Gütern auf den Auslandsmärkten zurückgegangen war. Dazu kam, dass 400.000 demobilisierte Soldaten in Großbritannien nach Arbeit suchten und eine Reihe magerer Ernten zu einer unzureichenden Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln führte. Die Folge waren Hunger und Unruhen, „während Arbeitslosigkeit und Inflation die Drangsal unter den Zerlumpten und hungrigen Armen verschlimmerte und Lebensmittel, Obdach, Decken, Kleidung und ein paar Schillinge zum Wichtigsten wurden.“ 54 Gleich an seiner ersten Arbeitsstelle wurde der kleine Thomas Cook mit den Auswirkungen des Alkoholismus konfrontiert. John Robey erwies sich als ein so heftiger Trinker, dass Thomas oft gezwungen war, auch dessen Teil der Arbeit, nicht zuletzt den Verkauf des Gemüses auf den Märkten der Umgebung, zu übernehmen. Lange Fußmärsche gehörten daher zu seinem Arbeitsalltag, wenn er die Märkte bis hin zum acht Meilen entfernten Derby beschickte. Wegen der damit verbundenen Kosten konnte er nur selten auf die Unterstützung durch ein Maultier, einen Esel oder gar einen Pferdewagen zurückgreifen - aufgrund des Überangebots an Arbeitskräften war es teurer ein Pferd zu unterhalten als einen Mann. 55 Thomas Cook entging den Folgen des Alkoholismus auch nicht, als er, fast 14-jährig, 1822 eine Lehre als Drechsler und Tischler begann. Sein Meister war sein Onkel John Pegg, der mit Anne, einer jüngeren Schwester seiner Mutter, verheiratet war. Über ihn schrieb Thomas Cook später im Temperance Mirror: „Der Drechsler suchte Nacht für Nacht Erholung und Vergnügen in einer lauschigen Ecke des Dorfgasthauses, wo er große Teile seiner Zeit vertat und sein Geld so verschwendete, dass er trotz eines gutgehenden Geschäfts als armer Mann lebte und starb.“ 56 Wie schon bei John Robey, musste er die Arbeit seines Meisters mit erledigen, wenn dieser betrunken oder verkatert nicht in der Lage war, sich recht auf den Beinen zu halten. Es war eine sehr mühsame und anstrengende Arbeit. Da er, wie es damals üblich war, bei sei- <?page no="20"?> … und der Beginn eines außergewöhnliche Lebens 21 nem Lehrherrn wohnte, erlebte Thomas die Folgen des Alkoholismus nicht nur in der Werkstatt mit. Es kann daher kaum verwundern, dass er in seinen Erinnerungen nie erwähnte, dass er mit seinem Lehrmeister verwandt war. Statt des richtigen Namens seiner Tante Anne sprach er von einer ‚Mary‘, mit der John Pegg verheiratet gewesen sei. 57 Gleichwohl erinnerte er sich 1888, dass er im letzten Winter von Peggs Leben „in seinem Schlafzimmer schlief, bereit, ihm jeden kleinen Dienst zu erweisen, der in meiner Macht stand.“ 58 Vermutlich hat Thomas Cook auch darunter gelitten, dass er nicht einmal die Armenschule seines Heimatortes besuchen konnte, weil seine Mutter mit den beiden weiteren Söhnen aus zweiter Ehe auf seine Einkünfte angewiesen war. Allerdings besuchte er lokale Sonntagsschulen. Sonntagsschulen spielten in England seit Ende des 18. Jahrhunderts eine wichtige Rolle bei der Alphabetisierung von Kindern, denen es, wie Thomas Cook, aufgrund ihrer Arbeit verwehrt war, normale Schulen zu besuchen. Denn die allgemeine Schulpflicht wurde erst 1889 in England eingeführt, 19 Jahre nachdem das Bildungsgesetz (Education Act) für England und Wales bestimmte, dass Grundschulen durch öffentliche Mittel zu finanzieren waren. 59 Auch wenn es bereits um 1750 erste Versuche zur Einrichtung von Sonntagsschulen gab, etablierten sie sich in größerem Rahmen erst nach 1780, nachdem Robert Raikes (1730-1811), der Herausgeber des Gloucester Journal, sie in einem Artikel vorgeschlagen, im selben Jahr selbst eine solche Schule gegründet und viel Unterstützung dafür vor allem unter Pfarrern gefunden hatte. „Individuen, beeinflusst von der Liebe zum Heiland, denen die Wohlfahrt der Jugend ein Anliegen ist, versammeln sie am Tag des Herrn, um sich in andächtigen Übungen zu vereinen, das Wort Gottes zu lesen, Erklärungen dieses Wortes zu bekommen und um den öffentlichen Gottesdienst zu besuchen.“ 60 Dass dabei in erster Linie die Bibel gelesen wurde, hatte nicht nur mit dem religiösen Charakter dieser Schulen zu tun, sondern hing auch damit zusammen, dass sie das damals einzige weitverbreitete Buch war. Die Bedeutung der Sonntagsschulen für Großbritannien wird deutlich, wenn 1853 festgestellt wurde, dass fast 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche sie besuchten, die von 250.000 Lehrern unterrichtet wurden. 61 Bis er 13 oder 14 war, besuchte Thomas Cook die Sonntagsschule der Me- <?page no="21"?> 22 Thomas Cook - Pionier des Tourismus thodisten, bevor er zu jener der Baptisten wechselte. Hier war er zunächst Schüler, wurde dann selbst Lehrer und schließlich Vorsteher (superintendent) dieser Sonntagsschule. 62 Dieser Wechsel mag als ein frühes Zeichen der Eigenwilligkeit Cooks verstanden werden, denn Baptisten sind nicht nur Verfechter der Glaubensfreiheit und der eigenständigen, nicht durch Priester vorgeschriebenen Bibelauslegung, sondern auch der Glaubenstaufe, nach der nur diejenigen in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen werden, die sich bewusst dafür entscheiden. Möglicherweise hat aber auch die Mutter hier eine Rolle gespielt, denn ihr Vater, Thomas Perkins, war 1770 einer der Gründer der New Connexion of General Baptists, einer Vereinigung, die „gegründet wurde, um gegen die moralische und doktrinäre Laxheit“ der Kirchenführung anzugehen. „Ihr Hauptgrundsatz (abgesehen vom Beharren auf der biblischen Notwendigkeit der Erwachsenentaufe) war, dass nur diejenigen, deren Glauben gute Werke hervorbrachte, gerettet werden könnten.“ 63 Melbourne war eines der Zentren dieser Vereinigung: 305 der 1.750 Einwohner des Ortes gehörten im Jahre 1785 zu ihren Mitgliedern. Sie fühlten sich als Missionare und viele von ihnen gingen auf längere Bekehrungsreisen durch England, darunter auch Thomas Cooks spätere Mutter Elizabeth Perkins. 64 Am 26. Februar 1826, im Alter von 17 Jahren, wurde Thomas Cook schließlich getauft. Großen Einfluss auf diese Entscheidung hatte offensichtlich H. Joseph Foulkes Winks (1794-1866), der neue Pfarrer der Baptistengemeinde in Melbourne. 65 Er wird als furchtloser Verfechter religiöser und bürgerlicher Freiheiten und als Gegner der Sklaverei und des Rauchens beschrieben. Gleichzeitig war er auch ein Pionier des Tierschutzes in England. Weil er der Meinung war, er könne der Sache Gottes am besten dadurch dienen, dass er „die Kirche und die Sonntagsschule der Baptisten mit billigen und geeignetem Lesestoff“ versieht 66 , hatte er eine Druckerei in einem Raum über einem Getreidespeicher in Melbourne eingerichtet und 1825 das Baptist Children’s Magazine gegründet. Als er 1826 nach nur zwei Jahren in Melbourne nach Loughborough zog, ist Thomas Cook wohl zunächst gefolgt, um ihm bei diesem Unternehmen zur Hand zu gehen. Auch wenn er daran so <?page no="22"?> … und der Beginn eines außergewöhnliche Lebens 23 großen Gefallen fand, dass er später ebenfalls zum Drucker und Verleger wurde, kehrte er doch wohl schnell nach Melbourne zurück, möglichweise, um seine Drechsler- und Tischlerlehre zu beenden, die er jedoch nie abschloss. Vielleicht aber auch, um seine Mutter zu unterstützen, der er geholfen hatte, einen Laden aufzumachen, in dem sie, die Analphabetin, Steingutgeschirr und Bücher verkaufte - vor allem wohl Traktate, Broschüren und Zeitschriften der Baptisten. Möglicherweise ging es ihm aber auch darum, das Evangelium direkt zu verkünden. 1828 wurde er jedenfalls von der Melbourner Baptistengemeinde zum Evangelisten ernannt. Wie John Pudney außerdem berichtet, übten Thomas Cook und sein Mit-Evangelist John Earp ihre neue Rolle als Dorfmissionare, indem sie frühmorgens durch ein Fenster in das Melbourner Gotteshaus einstiegen und abwechselnd die Rolle des Predigers auf der Kanzel und der Gemeinde in den Kirchenbänken einnahmen. Zudem gehörte es zur Aufgabe Thomas Cooks, Traktate zu verteilen und Sonntagsschulen in einer Reihe von Orten in Rutland, Northampton und in der Stadt Stamford (Lincolnshire) zu gründen und zu unterstützen. In diesen Industriegebieten waren die Arbeitsbedingungen, vor allem für Kinder, zu dieser Zeit noch sehr hart und extrem gesundheitsschädlich. In den Baumwollspinnereien waren Arbeitszeiten von 5 bis 20 Uhr mit nur kurzen Pausen die Regel. Auch wenn das Fabrikgesetz von 1819 die Arbeit von Kindern unter neun Jahren in den Spinnereien verbot, dauerte es doch bis 1833, als die Einhaltung dieses Verbots durch die Schaffung von Fabrikinspektoren auch kontrolliert wurde und sich die Lage der Kinder verbesserte. 67 Vor diesem Hintergrund waren der Aufbau und der Unterhalt von Sonntagsschulen von besonderer Bedeutung. Auch die Aufgabe als Wanderprediger war für den gerade 20- Jährigen ein hartes Brot. „Wenn er auch selten so brutalen Verfolgungen ausgesetzt war, wie sie noch im 18. Jahrhundert vorkamen, gehörten doch gelegentliche Angriffe, Spott und Anpöbeleien mit zu der Mühsal seines Amtes.“ 68 1829 legte er dafür laut seinem Tagebuch insgesamt 2.692 Meilen zurück, 2.106 Meilen davon zu Fuß. 69 Einerseits wird berichtet, der Wegzug von Melbourne sei ihm unendlich schwer gefallen, 70 <?page no="23"?> 24 Thomas Cook - Pionier des Tourismus andererseits könnte die genaue Aufzeichnung seiner Lauf- und Reiseleistung auch darauf hindeuten, welche Befriedigung er dann daraus zog, die beengten Verhältnisse in Melbourne zu verlassen und unterwegs zu sein, um neue Wege, Landschaften, Orte und Menschen kennenzulernen. Möglicherweise wollte er mit diesen Angaben aber auch seine Mutter beeindrucken, die in ihrer Jugend ebenfalls auf Wanderschaft in England war, um neue Anhänger für die Sache der Baptisten zu gewinnen. 71 Vermutlich war es eine Kombination aus beiden Faktoren. Auch wenn es sicherlich schöne Tage gab, an denen Thomas Cook sich an der durchwanderten Landschaft erfreuen konnte, darf man nicht vergessen, dass es praktisch unmöglich war, sich trocken zu halten, wenn es an regnerischen Tagen über schlammige Wege und nasse Wiesen ging. Oft war er auch nachts unterwegs und obwohl es damals üblich war, sich den Weg in Nächten ohne Mondschein mit einer Laterne auszuleuchten, konnte er sich dies so wenig leisten wie Kerzen in seinen Unterkünften. „Seine Angewohnheit, mit dem ersten Schimmer des Morgenlichts aufzustehen, um lesen zu können, sollte er sein Leben lang beibehalten.“ 72 Schließlich erhielt er ein eher mageres Gehalt von 36 £ pro Jahr für seine Tätigkeit als Wanderprediger. Zudem wurde es 1829 auch noch erheblich reduziert, weil, wie der Derby Reporter 1870 berichtete, „in Anbetracht der großen Freigiebigkeit der Leute, unter denen er tätig war, die ihn so reichlich beschenkten und vermutlich häufig zu Tische luden“ 73 eine Summe von nur noch 26 £ von der Gemeinde für angemessen gehalten wurde. 1829 war auch das Jahr, in dem Cook in den verschlafenen Ort Barrowden in der kleinen Grafschaft Rutland zog, wo er auf dem Bauernhof des Baptisten Henry Mason Unterkunft fand. Mason war ein Witwer mit fünf Söhnen und einer Tochter, Marianne. Sie führte den Haushalt und war als Sonntagsschullehrerin tätig. Thomas Cook machte der anderthalb Jahre Älteren vier Jahre lang den Hof, ehe sie schließlich am 2. März 1833 heirateten. 74 Zunächst aber kündigten ihm die Baptisten 1831 vor dem Hintergrund ihres nachlassenden Missionseifers und wegen fehlender finanzieller Mittel seine Stelle als Wanderprediger. 75 Da er aus nahe- <?page no="24"?> … und der Beginn eines außergewöhnliche Lebens 25 liegenden Gründen in Barrowden bleiben wollte, besann er sich auf seine handwerklichen Fähigkeiten und machte sich hier als Drechsler und Tischler selbstständig. Allerdings war der Markt hier zu klein, so dass er bereits ein Jahr später, im Herbst 1832, nach Market Harborough übersiedelte und dort seine Werkstatt wieder aufmachte. Mit damals knapp 2.300 Einwohnern lebte der Ort vor allem von einer Firma, die Kammgarn und Teppiche herstellte; zudem gab es sechs Strohhutmacher und insgesamt 24 Gasthäuser, Kneipen und Hotels. Zu dieser Zeit wurden noch viele der traditionellen Feste und Jahrmärkte gefeiert, die oft von Schlägereien begleitet und immer mit Trunkenheit verbunden waren. 76 Nach ihrer Heirat bezogen Thomas und Marianne ein Haus in der etwas wunderlich ‚Adam und Eva‘ benannten Straße 77 und Thomas wurde Mitglied der kleinen Baptistengemeinde des Ortes. Wie sehr er die Sache der Baptisten zu der seinen machte, wird auch darin deutlich, dass er hier seine Tätigkeit als Laienprediger auch ohne Bezahlung weiter fortführte. Wie schon er selbst, wurde auch der erste Sohn, James Mason Cook, bereits kurz nach der Eheschließung der Eltern gezeugt und kam am 13. Januar 1834 zur Welt. Ein zweiter Sohn, Henry, wurde im August des darauffolgenden Jahres geboren, starb aber bereits wenige Wochen später. 78 Die Tochter Annie kam erst zehn Jahre später, 1845, zur Welt. Thomas Cook wird als offen, feurig, „beeindruckend energisch und einschüchternd ernst“, jedoch mit einem „freundlichen und gütigen Gesicht“ beschrieben, auf dem meist ein „milder Zug oder ein Lächeln“ zu erkennen war. 79 „Obwohl nur mittelgroß, war er von beeindruckender Präsenz, mit asketischen Zügen und durchdringenden Augen. Es waren, wie eine seiner Enkelinnen festhielt, ‚die schwarzen, ste- Cook Thomas Cook * 1808 † 1892 Marianne Mason John Mason Cook * 1834 † 1899 Henry Cook * 1835 † 1835 Annie Maria Cook * 1845 † 1880 <?page no="25"?> 26 Thomas Cook - Pionier des Tourismus chenden Augen eines Fanatikers‘“. 80 Allerdings sah er wohl nur so aus, denn er war „trotz der Strenge seines Glaubensbekenntnisses überraschend tolerant. […] Cooks politische Ansichten waren eher liberal als radikal. Er verabscheute Krieg, Sklaverei, die Todesstrafe und Korruption. Er bevorzugte die Anwendung von Moral und nicht von physischer Gewalt, um das Übel auszurotten. Vor allem hatte er Mitgefühl für die Armen, die sozial Benachteiligten (deprived) und Unterdrückten. Wie andere Mitglieder der New Connexion glaubte er, dass Philanthropie das nach außen gewandte, sichtbare Zeichen von innerer und spiritueller Gnade war. Kurz, Cook war ein praktischer Idealist, obwohl er es manchmal zuließ, dass seine Ideale mit ihm durchgingen.“ 81 Seine Frau Marianne dagegen, noch kleiner als er und ebenfalls religiös interessiert und bibelorientiert, war von mäßigendem Einfluss auf ihn, ausgestattet mit gesundem Menschenverstand und, wie Albert H. Bishop später anmerkte, sie besaß „einen besseren Geschäftssinn als ihr Mann“, war aber trotz ihrer Tüchtigkeit scheu und zögerlich. „Die gesittete Korrespondenz zwischen Thomas und ihr in den wenigen erhaltenen Briefen offenbart keine Liebesbeziehung, aber über die Jahre entwickelten sie eine herzliche gegenseitige Abhängigkeit.“ 82 Marianne Cook (nicht datiert) <?page no="26"?> Reisen gegen den Alkoholismus ie Lage der arbeitenden Klasse in England in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist desaströs. Nicht nur, dass den ihr zugehörigen Menschen in gleicher Weise ihre Gegenwart und Zukunft durch Kinderarbeit genommen werden. Die billige Kinderarbeit verdrängt die erwachsenen Arbeiter von ihren Arbeitsplätzen, den meisten Kindern wird durch gnadenlose Ausbeutung die Gesundheit ruiniert und jegliche Bildung vorenthalten; älter und durch die auszehrende Arbeit weniger leistungsfähig geworden, werden sie oft als nutzlose Subjekte ausgesteuert und fristen ein jammervolles Dasein am Rande der Gesellschaft. Aber selbst diejenigen unter den mehr oder weniger Erwachsenen, die Arbeit haben, können sich ihres Lebens nicht freuen. „Der Arbeiter kommt müde und erschlafft von seiner Arbeit heim; er findet eine Wohnung ohne alle Wohnlichkeit, feucht, unfreundlich und schmutzig; er bedarf dringend einer Aufheiterung, er muss etwas haben, das ihm die Arbeit der Mühe wert, die Aussicht auf den nächsten sauren Tag erträglich macht; seine abgespannte, unbehagliche und hypochondrische Stimmung, die schon aus seinem ungesunden Zustande, namentlich aus der Indigestion entsteht, wird durch seine übrige Lebenslage, durch die Unsicherheiten seiner Existenz, durch seine Abhängigkeit von allen möglichen Zufällen und sein Unvermögen, selbst etwas zur Sicherstellung seiner Lage zu tun, bis zur Unerträglichkeit gesteigert; sein geschwächter Körper, geschwächt durch schlechte Luft und schlechte Nahrung, verlangt mit Gewalt nach einem Stimulus von außen her; sein geselliges Bedürfnis kann nur in einem Wirtshause befriedigt werden, er hat durchaus keinen andern Ort, wo er seine Freunde treffen könnte - und bei alledem sollte der Arbeiter nicht die stärkste Versuchung zur Trunksucht haben, sollte imstande sein, den Lockungen des Trunks zu widerstehen? “ 83 Alkohol zieht einen rosaroten Vorhang vor die real existierenden Zustände, macht sie scheinbar erträglicher, indem es einen für eine Zeit in eine scheinbar schönere Welt versetzt. Eine Reise also, bei der man den eigenen Ort in Wirklichkeit nicht verlässt. Das Trin- D <?page no="27"?> 28 Thomas Cook - Pionier des Tourismus ken wurde bekannt als „der kürzeste Weg, um aus Manchester herauszukommen.“ 84 In Wahrheit jedoch führte dieser Weg, um im Bilde zu bleiben, immer stärker nach Manchester hinein, warf den Trinkenden, je mehr er trank, desto härter auf sich selbst und seine miserablen Verhältnisse zurück. „Aber mit derselben Notwendigkeit, mit der eine große Menge der Arbeiter dem Trunk verfallen, mit derselben Notwendigkeit äußert der Trunk seine zerstörenden Wirkungen auf Geist und Körper seiner Opfer. Alle Krankheitsanlagen, die aus den Lebensverhältnissen der Arbeiter entspringen, werden durch ihn gefördert.“ 85 Im Grunde stimmte Thomas Cook dieser Analyse zu, auch wenn nicht bekannt ist, ob er sie je zur Kenntnis genommen hat. Wie Friedrich Engels sieht auch er nicht im Alkoholismus als solchem das große Problem, sondern begreift ihn als Symptom grundlegender gesellschaftlicher Übel. Daraus folgt für ihn, dass „Temperenzler […] sowohl physische wie auch moralische Reformer (sind)“ 86 und die Bewegung der Abstinenzler dadurch „mit jeder Art von sozialem und politischem Fortschritt verbunden ist, von der Verbesserung der Entwässerung bis zur Verbesserung des Wohnungswesens, vom Verbot der Quacksalberei bis zum Verbot des Opiumhandels, von der Abschaffung des Glücksspiels bis zur Abschaffung des Krieges.“ 87 Schon Ende des 18. Jahrhunderts hatten sich in Großbritannien die ersten eher informellen Vereinigungen auf lokaler Ebene gebildet, die zunächst einen moderaten Umgang mit Alkohol propagierten. 88 Mit der Gründung der London Temperance Society im Jahre 1831, die sich wenige Monate später den Namen British & Foreign Temperance Society (B&FTS) gab, wurde eine nationale Organisation ins Leben gerufen, die sich, wie auch andere Temperenzlergruppen, vor allem mit den protestantischen Kirchen wie Methodisten, Quäkern und Baptisten, im Kampf gegen den übermäßigen Genuss von starken alkoholischen Getränken verbündete. Dadurch konnte auch die jeweilige kirchliche Infrastruktur genutzt werden. Denn die Kirchen gehörten - neben den Wirtshäusern - zu den wenigen Orten, in denen sie ihre Versammlungen abhalten konnten. „Zudem waren Messen auch ausgezeichnete Vehikel für die Anti-Alkohol-Propaganda und bo- <?page no="28"?> Reisen gegen den Alkoholismus 29 ten daneben eine gute Gelegenheit für die Sammlung der notwendigen finanziellen Mittel.“ 89 Nach kurzer Zeit hatte die B&FTS 100.000 Mitglieder, landesweit organisiert in 443 Sektionen, die von einem Sekretariat in London aus betreut wurden. Auch die Kirchen profitierten von diesen Verbindungen, wenn dadurch zum Beispiel erreicht wurde, dass die Wirtshäuser zu den Zeiten der sonntäglichen Messen geschlossen bleiben mussten. Zudem waren viele der führenden Figuren dieser Organisationen Mitglieder dieser Kirchen. So auch Francis Beardsall (1799-1842), einer der Pioniere der Temperenzlerbewegung, der von der Baptistengemeinde in Market Harborough sowohl als Pfarrer als auch als Vertreter der B&FTS akzeptiert wurde und der großen Einfluss auf Thomas Cooks Entscheidung hatte, zum Temperenzler zu werden. Eine wichtige Rolle haben dabei sicherlich auch seine eigenen frühen Erfahrungen in Melbourne als Gehilfe eines alkoholkranken Gärtners und als Drechsler- und Tischlerlehrling mit einem Alkoholiker als Lehrherrn gespielt - und nicht zuletzt wohl auch die Vermutung, dass der tödliche Treppensturz seines Großvaters Thomas Perkins im Jahre 1792, als die Mutter Thomas Cooks sechs oder sieben Jahre alt war, eine Folge übermäßigen Alkoholkonsums war. 90 Am 1. Januar 1833, noch vor seiner Hochzeit mit Marianne Mason, unterschrieb Thomas Cook das Gelübde: „Ich verpflichte mich, mich geistiger Getränke zu enthalten und gegen die Trunksucht und ihre Ursachen zu kämpfen.“ 91 Im Mai des gleichen Jahres folgte Marianne seinem Beispiel und unterzeichnete ebenfalls diese Erklärung. Sie bezog sich zunächst nur auf harte Getränke. Unter dem weiteren Einfluss von Francis Beardsall, der mittlerweile die Zeitschrift Temperance Star in Manchester herausgab, verpflichtete sie sich schließlich, ganz auf Alkohol zu verzichten und abstinent zu leben. Ihr Mann folgte ihr darin im Dezember 1836. 92 Die frühen Abstinenzler waren erheblichen Anfeindungen ausgesetzt. Thomas Cook schrieb später darüber: „Mein Haus in der Adam-und-Eva-Straße wurde gewaltsam angegriffen und Ziegelsteine flogen durch das Fenster und brachten Mrs. Cook und mich selbst in unmittelbare Gefahr. Einmal wurde der Schenkelknochen eines Pferdes […] mit so einer Gewalt nach mir geworfen, dass er mich, meinen Rücken und den <?page no="29"?> 30 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Nacken treffend, niederstreckte, und es ist kurios, dass ich wieder aufstand und meinen Angreifer jagte. Aber ich tat es und konnte ihn am Hofeingang zum Talbot Hotel einholen und identifizieren. Dieser Fall wurde, wie viele andere, vor Gericht gebracht und es wurden Verurteilungen erwirkt und Geldstrafen auferlegt.“ 93 Aber Thomas Cook ließ sich nicht beirren. „Mitten in diesem Verfolgungsfeuer wurde Mrs. Cook […] dazu bewogen, ihr Haus für die Beherbergung abstinenter Reisender einzurichten, die vom üblichen Trinkzwang in den Hotels befreit zu sein wünschten“ 94 beschrieb er später seinen ersten Einstieg in das Reise- und Beherbergungsgewerbe. In den darauffolgenden Jahren widmete er nahezu seine ganze Zeit und Energie der Abstinenzbewegung und seiner neuen Aufgabe als Vorsteher der Abendschule für Erwachsene der örtlichen Baptistengemeinde. Allerdings gab es auch in der Gemeinde erhebliche Konflikte. Am 5. Oktober 1837 wurde Thomas Cook trotz seiner Entschuldigung sogar aus der Kirche ausgeschlossen, nachdem er am 24. August beschuldigt worden war, „im Geschäft mit Mr. Knowles […] für einen Geschäftsmann und bekennenden Christen unziemlich gehandelt“ zu haben. 95 Es scheint sich dabei nicht um einen Konflikt zwischen zwei Gemeindemitgliedern gehandelt zu haben, denn ein Mr. Knowles ist als Mitglied der Baptistengemeinde nicht verzeichnet. In diesem Vorgang kommt ein den Baptistengemeinden eigener Rigorismus in ethischmoralischen Fragen zum Ausdruck. Wir werden darauf zurückkommen. Im Februar 1838 wurde er nach mehreren weiteren Kirchenversammlungen wieder aufgenommen. Allerdings scheint sich das Verhältnis zwischen der Gemeinde und ihm nicht wieder richtig eingerenkt zu haben, denn er findet danach in den Kirchenbüchern kaum noch Erwähnung. 96 Vermutlich ist das auch ein Grund dafür, dass sich Thomas Cook stattdessen immer mehr in der Abstinenzbewegung engagierte. Ohne Probleme war allerdings auch dieses Engagement nicht. Nicht nur, dass er dafür öffentlich angefeindet und angegriffen wurde, auch in seinem eigenen Umfeld gab es Schwierigkeiten damit. Sein Schwiegervater zum Beispiel braute, wie viele Bauern in der damaligen Zeit, sein eigenes <?page no="30"?> Reisen gegen den Alkoholismus 31 Bier und die meisten Handwerker versorgten - wie Thomas Cook selbst auch - ihre Arbeiter mit selbstgebrautem Bier. Der Verzicht darauf führte zu einigem Ärger bei seinen damals drei Angestellten, die sich damit um einen Teil ihres sauer verdienten Lohns geprellt sahen. Sein Halbbruder Simeon Smithard, den er als Lehrling aufgenommen hatte, war darüber sogar so verärgert, dass er seinen Lehrvertrag brach und einfach davonlief. 97 Thomas Cook sandte zwei Leute hinter ihm her, die jedoch, wie er später erfuhr, nur bis zur nächsten Ecke kamen, wo Verfolger und Verfolgter im Dolphin die Nacht durchzechten. Simeon ging dann nach Derby, wo er, wie Thomas Cook später konstatierte, „seine Säuferlaufbahn eine Weile fortsetzte.“ 98 1837 gehörte Thomas Cook zu den 50 Delegierten, die in Market Harborough die South Temperance Association gründeten. Schon der Gründungsort mag als Hinweis darauf gelten, dass er zu den aktivsten Mitgliedern dieser Vereinigung gehörte. Bereits in seiner Zeit als Wanderprediger hatte er den Wert von Traktaten und Flugblättern als Ergänzung und Unterstützung des gesprochenen Wortes kennen- und schätzengelernt. 99 Nicht zuletzt befördert durch die Sonntagsschulen der Kirchengemeinden hatte sich der Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung erhöht, so dass die Wirksamkeit des gedruckten Wortes perspektivisch als noch größer einzuschätzen war. Vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit H. Joseph Foulkes Winks (zunächst in Melbourne und vermutlich später auch in Loughborough) bei der Herstellung und dem Absatz von Druckerzeugnissen, begann Thomas Cook mit der Herausgabe, dem Druck und dem Vertrieb von Zeitschriften für die Temperenzlerbewegung. Die Einführung eines allgemeinen Postsystems mit Briefmarken im Januar 1840, durch das vor allem Briefe und Zeitschriften in Großbritannien verlässlich und kostengünstig versendet werden konnten, begünstigte auch den Versand der Publikationen der Temperenzler. Thomas Cook war Mitherausgeber zweier Monatszeitschriften: dem Monthly Temperance Messenger, der im November 1839 zum ersten Mal herauskam 100 , und des Children’s Temperance Magazine, a Cabinet of Instruction & Amusement for Little Teetotallers, edited by a Father, das ab 1840 acht Jahre <?page no="31"?> 32 Thomas Cook - Pionier des Tourismus lang erschien. 101 Im folgenden Jahr konnte er feststellen, dass er fast 100.000 Exemplare selbst veröffentlicht und noch einmal die gleiche Menge vertrieben hatte. 102 Seine Tischlerei lief daneben ebenso weiter wie die kleine Pension für Abstinenzler seiner Frau. Aber keine dieser Aktivitäten brachte ausreichend Geld ein. Das hing nicht zuletzt auch mit der hohen Arbeitslosigkeit zu dieser Zeit zusammen. Im Februar 1840 musste die Armenfürsorge an ein Drittel der Bevölkerung von Leicester - Verwaltungssitz der Grafschaft Leicestershire, zu der auch Market Harborough gehört - ausgezahlt werden. 103 Sein Engagement für die Sache der Temperenzler blieb davon unberührt. Nach wie vor war er der Auffassung, dass der Alkoholismus in erster Linie den wirtschaftlichen und sozialen Umständen geschuldet war. Damit und mit dem daraus folgenden Schluss, dass Verbote und Ermahnungen weniger effektiv sind als das Angebot von Alternativen zum Alkoholkonsum, stand er in der Bewegung der Temperenzler nicht alleine. „In den 1830ern und -40ern gehörte sie zur Avantgarde einer breit aufgestellten Kampagne, um durch gesunde und unterhaltsame Alternativen Arbeiter von den Kneipen wegzulocken.“ 104 Dazu gehörten die Unterstützung von Gesangvereinen, Blaskapellen und Tanzveranstaltungen, die Einrichtung von öffentlichen Bibliotheken, Parks und Spazierwegen sowie die Organisation von Picknicks und gemeinsamer Freizeit. 105 Hierbei fanden die Temperenzler auch Unterstützung im Unterhaus. So sah der Untersuchungsausschuss über Trunkenheit (Silk Buckingham Committee) es 1834 in seinem Bericht als staatliche Aufgabe an, in Zusammenarbeit mit Gemeindeverwaltungen und den Einwohnern vor Ort „öffentliche Spazierwege und Gärten oder Freiflächen für athletische und gesunde Übungen an der frischen Luft in der direkten Umgebung jeder Stadt einzurichten, die nach Größe und Charakter ihren Bevölkerungen angepasst sind; und von Bezirks- und Gemeindebibliotheken, Museen und Leseräumen, die zu den niedrigsten Gebühren zugänglich sind.“ 106 Aber auch die Kneipiers bleiben nicht untätig, zumal sie sich mit ihren Angeboten auch nach den Bedürfnissen ihrer Gäste richten, um wirtschaftlich zu überleben. So bleiben die Kneipen nicht mehr nur bloße Orte des besinnungslosen Alko- <?page no="32"?> Reisen gegen den Alkoholismus 33 holkonsums, sondern entwickeln sich im viktorianischen England zu Orten differenzierten sozialen Lebens und kultureller Aktivitäten. „Trinken, die einfache Geselligkeit der Wirtschaft - diese könnten als Erholung für sich selbst stehen; aber die arbeitende Bevölkerung verlangte auch nach Unterhaltung. Diese gab es in Form von ungezwungenen Amateur-Gesangsveranstaltungen wie ‚free & easy‘ 107 , die sich in der Geschichte der Kneipe lange großer Beliebtheit erfreuten und die zu einer formalisierteren und häufigeren Art von Kneipenkonzerten entwickelt wurden. Hier wurde […] durch die ökonomischere Nutzung existierenden Raums neuer Raum geschaffen: Wirtshaushöfe, Billardzimmer, Kegelbahnen, sogar die eigenen Schlafräume der Kneipiers wurden in ‚singing saloons‘ umgewandelt, die Vorstufe der Music Halls.“ 108 Das alles machte die Sache der Temperenzler nicht einfacher. Am 9. Juni 1841 machte sich Thomas Cook auf den Weg zu einem Treffen der Temperenzler im 15 Meilen entfernten Leicester. Solche Treffen gehörten zu seinem Arbeitsalltag als Sekretär des Regionalverbandes, der Teile der Grafschaften von Leicestershire und Northamptonshire umfasste. An diesem Treffen hatte er ein besonderes Interesse, denn Lawrence Heyworth aus Liverpool, Direktor der Midland Railways und selbst Temperenzler, sollte das Treffen leiten und einen Vortrag halten. 109 Da weder die Organisation der Temperenzler noch er selbst es sich leisten konnten, den Weg mit einer Kutsche oder auf einem Pferd zurückzulegen - eine Eisenbahnverbindung zwischen den beiden Orten gab es nicht - ging Thomas Cook, wie schon so oft zuvor in seinem Leben, zu Fuß. Ursprünglich waren Eisenbahnen in Großbritannien nur zum Transport industrieller Güter, insbesondere von Kohle und Eisen, genutzt worden. Die erste öffentliche Eisenbahnlinie, auf der Personen befördert wurden, wurde am 27. September 1825 zwischen den kleinen Orten Stockton und Darlington im Nordosten Englands eröffnet. Mit der Verbindung zwischen Liverpool und Manchester wurde die erste Städteverbindung erst fünf Jahre später, am 15. September 1830, in Betrieb genommen. Sie war auch die erste zweigleisige Bahnlinie, auf der sowohl Fracht als auch Fahrgäste über eine größere Ent- <?page no="33"?> 34 Thomas Cook - Pionier des Tourismus fernung (30 Meilen) transportiert wurden. Nicht zuletzt wurde auch der erste Ausflug mit einer Dampfeisenbahn, allerdings zu normalen Fahrpreisen, am 16. September 1830, nur einen Tag nach der Eröffnung der Bahnlinie, auf dieser Strecke durchgeführt. 110 Wie im Prolog erwähnt, fand der vermutlich erste Eisenbahnausflug schon am 14. Juni 1836 statt, als zwei Züge, gezogen von den Dampfloks Elephant und Camel, von Wadebridge nach Wenford Bridge fuhren. Über den Ausflug hieß es, dass „die Züge für die Aufnahme von Gruppen für einen Ausflug zum Vergnügen ausgestattet würden, fast alle Waggons bereits einige Tage zuvor ausgebucht waren und mehrere Hundert Personen enttäuscht waren, weil sie am Morgen des Tages keine Plätze mehr buchen konnten.“ 111 Den ersten Bahnausflug zu reduzierten Preisen gab es vermutlich 1839 auf der Whitby & Pickering Railway - allerdings wurden hier die Wagen noch von Pferden und nicht von Dampflokomotiven gezogen. 112 Handwerkerschulen (Mechanics’ Institutes) waren die Pioniere bei der Organisation von Ausflügen mit den neuen Dampfeisenbahnen. So wurde eine solche Exkursion ebenfalls bereits 1839 von der Handwerkerschule in Leeds für Mitglieder der Handwerkerschule von York zur öffentlichen Ausstellung von Kunst, Wissenschaft, Naturgeschichte und Handwerkstechniken in Leeds organisiert. Ein weiterer solcher Ausflug zu ermäßigten Tarifen wurde am 13. Mai 1840 mit der Newcastle & Carlisle Railway abgewickelt. Im Sommer 1840 folgten die beiden Handwerkerschulen in Nottingham und Leicester diesem Beispiel, als sie ihre entsprechenden Ausstellungen gegenseitig besuchten. Dabei war die Teilnahme an diesen Ausflügen keineswegs auf die Mitglieder der Schulen beschränkt. Ausschreibungen dafür finden sich in den lokalen Zeitungen. So blieb eine entsprechende Anzeige im Leicester Chronicle am 25. Juli 1840 nicht ohne Erfolg: Bei der ersten Fahrt waren es 450, bei der zweiten etwa 2.400 Personen, die mitfuhren; die Zahl der Mitglieder für die Handwerkerschule lag in dieser Zeit bei etwa 600 bis 700. 113 Vermutlich motiviert durch den großen Erfolg dieser Ausflüge bot die Midland Counties Railway ab August 1840 montägliche Eintagesexkursionen zwischen Leicester und Nottingham an. Im September des gleichen Jahres wurden auch Ausflüge von Leicester zu den Pferde- <?page no="34"?> Reisen gegen den Alkoholismus 35 rennen in Doncaster angeboten, in denen die Kutschfahrten vom Bahnhof zur Rennbahn inbegriffen waren. 114 Das alles dürfte Thomas Cook nicht entgangen sein. Zudem soll er auf dem Fußweg von Market Harborough nach Leicester einen Bericht über die Eröffnung einer Erweiterung der Midland Counties Railway zwischen Derby und Nottingham gelesen haben, die seit 1839 in Betrieb war. 115 Später erinnerte sich Thomas Cook: „Ich glaube, die Midland Railway von Derby nach Rugby über Loughborough wurde 1840 eröffnet […] Die Zeitungsberichte über die Eröffnung der neuen Bahnlinie erregten in Leicestershire Aufsehen und ich hatte von einem gegenseitigen Besuch der Technischen Institute von Leicester und Nottingham gelesen. […] Etwa auf halbem Wege zwischen Harborough und Leicester […] durchzuckte mich ein Gedanke: Wie wunderbar wäre es, wenn diese neu entwickelten Kräfte von Eisenbahnen und Reisemöglichkeiten der Ausbreitung des Abstinenzgedankens dienstbar gemacht werden könnten.“ 116 Auf dem Treffen schlug Thomas Cook daher vor, einen Sonderzug zu organisieren, „um die Freunde der Temperenz von Leicester nach Loughborough und zurück zu fahren, um dort an einem Vierteljahrestreffen der Delegierten teilzunehmen.“ 117 Nachdem die Versammlung dem, wie es heißt, ‚begeistert‘ zugestimmte hatte, schlug Thomas Cook am nächsten Morgen John Fox Bell, dem ortsansässigen Vertreter der Midland Counties Railway Company, ein entsprechendes Geschäft vor. „Ich weiß nichts über Sie oder Ihren Verein, aber Sie sollen Ihren Zug haben“ 118 war die Antwort - zudem noch verbunden mit einer Spende für die Organisation. 119 Am Montag, den 5. Juli 1841, kamen 485 Personen zum Bahnhof an der Campbell Street in Leicester, um an der Zugfahrt in das elf Meilen entfernte Loughborough teilzunehmen. 120 Dass es so viele waren, war neben der Werbung dafür auf den Versammlungen der Temperenzler nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Thomas Cook viele Plakate und Handzettel gedruckt hatte, mit denen für dieses Ereignis geworben wurde. Sie wurden auch nach Derby, Nottingham und in andere Orte verschickt - die Temperenzler aus Leicester und der direkten Umgebung alleine hätten nie so viele Personen auf die Beine gebracht. Auch wenn die Fahrtkosten geringer <?page no="35"?> 36 Thomas Cook - Pionier des Tourismus waren als die für ein reguläres Bahnticket, war für die Hin- und Rückfahrt der damals nicht unbeträchtliche Betrag von einem Shilling pro Person aufzubringen (Kinder die Hälfte). 121 Die von einer Blaskapelle begleitete Fahrt muss ein ziemliches Ereignis gewesen sein. „Menschen drängten sich auf den Straßen, lagen in Fenstern, standen auf Dächern und jubelten uns auf der ganzen Strecke mit den herzlichsten Willkommensrufen zu“ schrieb Thomas Cook später. 122 Zu den Zugfahrern stieß eine Reihe von weiteren Abstinenzlern, die auf anderen Wegen zu dem Treffen gekommen waren, so dass sich an diesem Tag wohl an die 3.000 Menschen in Loughborough trafen. 123 In einem großen Umzug durch die Stadt wurde für die Sache der Abstinenzler geworben. „Abstinenz ist gut für den Körper, das Portemonnaie und den Geist. Sie ist auch gut für den Trinker - und sie ist gut für seine Frau“ rief zum Beispiel Pfarrer Boot aus Wolverhampton seinem Publikum zu. 124 Viele weitere Reden wurden gehalten und schließlich gab es ein großes Picknick im Park mit Schinkenbroten, Tee und Kuchen. Begleitet von Musik gab es Spaß, Sport und Spiele und gegen halb elf Uhr abends fuhr der Zug die erschöpften Teilnehmer nach einem erfüllten und erlebnisreichen Tag zurück nach Leicester. <?page no="36"?> Philanthropie plus fünf Prozent er langfristige Erfolg des Eisenbahnausfluges von Leicester nach Loughborough zeigt sich vor allem darin, dass Thomas Cook in der Folge immer wieder aufgefordert wurde, weitere solcher Exkursionen für die Temperenzler zu organisieren. Er war jedoch noch weit davon entfernt, in diesen „Amateurleistungen“, wie er sie nannte 125 , die Grundidee für einen neuen Typ von Unternehmen zu erkennen. Im Mittelpunkt seiner unternehmerischen Überlegungen standen vielmehr die Sache der Temperenzler und seine von ihm dafür als notwendig angesehene Tätigkeit als Drucker und Verleger. Seine Tischlerei und Drechslerei trat dagegen zwangsläufig in den Hintergrund und wurde endlich aufgegeben, als er sich im Herbst 1841 entschloss, nach Leicester überzusiedeln. Im größeren Leicester mit seinen damals fast 50.000 Einwohnern 126 sah er deutlich mehr Chancen als im kleinen Market Harborough, gleichzeitig den Anliegen der Temperenzbewegung zu dienen und sich und seiner Familie damit eine auskömmliche Existenz zu sichern. Indem er nunmehr allein die Sache der Temperenzler in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten stellte, wurde er, wenn man der Sicht des Soziologen und Volkswirtes Werner Sombart (1863-1941) folgt, zu einem typischen Unternehmer: „Unternehmer. Das ist ein Mann, der eine Aufgabe zu erfüllen hat und dieser Erfüllung sein Leben opfert. Eine Aufgabe, zu deren Lösung er die Mitwirkung anderer Menschen braucht, weil es sich immer um ein Werk handelt, das in die Außenwelt projiziert werden soll. Dieses Verwirklichungsbedürfnis unterscheidet ihn vom Künstler und vom Propheten, mit dem gemeinsam ihm die Werkerfülltheit, das Bewußtsein der Aufgabe ist.“ 127 Allerdings würde man heute neutraler statt von einem Mann von einer Person reden, die sich auch nicht dem höheren Ziel der Aufgabenerfüllung opfert, sondern ihr Leben - mit weniger heroischem Pathos, aber nicht weniger ernsthaft - der angenommenen Sache widmet. Es fiele nicht einmal schwer, sich vorzustellen, dass Werner Sombart bei D <?page no="37"?> 38 Thomas Cook - Pionier des Tourismus dieser Definition die Person Thomas Cooks vor Augen gehabt hat, auch wenn sein Name von ihm an keiner Stelle erwähnt wird. Ganz so idealistisch sieht aber auch Werner Sombart den Unternehmer nicht, denn ohne Erwerbssinn und eine materielle Basis ließen sich weder die selbstgestellten Aufgaben lösen noch die damit verfolgten Ziele verwirklichen. Wie steht es nun konkret um das Verhältnis zwischen unternehmerischen Idealen und Erwerbssinn zu dieser Zeit bei Thomas Cook? Als er im November 1841 mit seiner Familie nach Leicester zog, hatte er zwei Ziele: Erstens wollte er sich und seiner Familie „den Lebensunterhalt durch fleißige und beharrliche Anstrengung sichern“ und zweitens „die Förderung derjenigen Angelegenheiten öffentlichen Interesses unterstützen, welche die Hilfe jedes vernünftigen Bürgers erfordern.“ 128 Allerdings hatte er auch damals schon Schwierigkeiten bei der Setzung der Prioritäten, denn „seine geschäftliche Motivation erwies sich als weniger ausgeprägt als seine moralischen Gebote und er opferte (sic! ) privaten Nutzen dem öffentlichen Interesse.“ 129 Zwar gründete Thomas Cook in Leicester die Midland Temperance Press mit dazugehöriger Druckerei, Buchbinderei und Buchhandlung, entwickelte daneben aber noch eine Reihe weiterer kleinerer unternehmerischer Aktivitäten, und seine Frau Marianne, die schon in Market Harborough durchreisenden Temperenzlern Herberge bot, eröffnete später in der Granby Street 26 ein kleines Hotel für diesen Personenkreis. Seine Mutter, in dritter Ehe nun eine Mrs. Tivey, führte ihm ein solches Hotel in Derby 130 , aber große Sprünge konnten sie damit nicht machen. Dem Sohn, John Mason Cook, konnten die Eltern nicht mehr als eine Grundschulbildung finanzieren - erst in einer privaten Vorschule, dann in der Volksschule. 131 Noch zur Schulzeit arbeitete er in der Druckerei des Vaters mit, half auch beim monatlichen Versand der Druckerzeugnisse und seit dem ersten Ausflug nach Loughborough, den er als Siebenjähriger mitgemacht hatte, war er nicht nur bei Temperenzlertreffen, sondern auch bei den von seinem Vater organisierten Reisen unterstützend dabei. Das Einkommen Thomas Cooks war auch deshalb nur sehr bescheiden, weil der von ihm redigierte und gedruckte Tem- <?page no="38"?> Philanthropie plus fünf Prozent 39 perance Messenger als Organ der Temperenzler in deren Eigentum blieb. Deshalb konzipierte er mit The Anti-Smoker & Progressive Temperance Reformer eine weitere Monatszeitschrift, die ab Mai 1842 erschien. Es war aber wohl weniger Geschäftssinn als wiederum sein missionarischer Eifer, mit dem er nach dem Alkohol nun auch dem Tabakrauch den Kampf ansagte. Er nutzte die mit der eigenen Zeitschrift gewonnene Freiheit, nachdem ihm aufgrund von Beschwerden rauchender Mitglieder der Temperenzler entsprechende Artikel im Temperance Messenger untersagt worden waren. 132 Dabei beschränkte er sich nicht auf den Kampf gegen das Rauchen und den Alkohol, sondern agitierte gegen den Gebrauch von ausnahmslos allen Rauschmitteln. Auch die vor allem in den ärmsten Schichten der Bevölkerung wirkenden Kräuterheiler 133 und vor allem Wesley’s Family Pills wurden von ihm als Quacksalberei angegriffen, womit er sich beim Hersteller dieses weitverbreiteten Heilmittels nicht gerade beliebt machte - beim Lesepublikum aber offensichtlich auch nicht, denn im Dezember 1843 musste er die Zeitschrift, die nie über eine Auflage von 500 herauskam, wieder einstellen. 134 Auch der Temperance Messenger erschien Ende 1844 zum letzten Mal. Zum Ausgleich entwickelte Thomas Cook eine Reihe von verlegerischen Aktivitäten. So brachte er unter anderem eine ganze Serie von Traktaten heraus, die mit einer Auflage von insgesamt einer halben Million Exemplaren in seiner Teetotaller’s Pocket Library erschienen, veröffentlichte einen Enthaltsamkeitskalender, publizierte Gesangbücher und verlegte den National Temperance Almanack. Er entwickelte auch innovative, den Tourismus unterstützende Aktivitäten, indem er zunächst eine Vermittlungsagentur für Bedienstete gründete, dann eine für Pensionen und schließlich konzipierte und veröffentlichte er einen Führer für Temperenzlerhotels in Großbritannien. Dazu kam Ende 1842 der Leicestershire Almanack, Directory Guide to Leicester & Advertiser. 135 Eine weitere Publikation war The Cheap Bread Herald. In dieser kleinen Zeitung fasste er schriftlich zusammen, was er als gelegentlicher Redner vom Fenster seines Hauses in der Granby Street seiner großen Zuhörerschaft zum Thema Brot und Getreide zu sagen hatte. Zum einen verwahrte er sich <?page no="39"?> 40 Thomas Cook - Pionier des Tourismus gegen den Missbrauch von Getreide zur Herstellung alkoholischer Getränke, anstatt sie für die Herstellung von Brot zu verwenden. Zum anderen unterstützte er als Anhänger des freien Handels die Anti-Corn Law League 136 , die für eine Aufhebung der im 17. Jahrhundert eingeführten Getreidezölle eintrat, mit denen die Lebensmittelpreise in Großbritannien künstlich hochgehalten wurden. Davon waren in erster Linie die Armen betroffen, die sich in der Folge kaum Brot leisten konnten. Ihre Zahl war in der Textilstadt Leicester durch die Massenproduktion von Stoffen drastisch angestiegen, welche die dort vorher dominierende Handarbeit an den Webrahmen überflüssig machte. 137 Nebenher organisierte er nach dem großen Erfolg seines ersten Eisenbahnausflugs nach Loughborough einige Jahre lang von Leicester aus eine ganze Reihe solcher Touren nach Nottingham, Derby und Birmingham. Diese Exkursionen „waren in der Regel sehr erfolgreich. Die meisten […] fanden in Verbindung mit der Temperenzler-Bewegung statt und ich verfolgte keine persönlichen finanziellen Interessen damit, die über den Druck von Rechnungen hinausgingen“ schrieb Thomas Cook später. 138 Um Kinder und Jugendliche von den jährlichen Pferderennen fernzuhalten - Baptisten waren gegen jede Art von Wetten und anderen Glücksspielen -, organisierte er 1844 zum Beispiel einen großen Ausflug für Sonntagsschüler von Leicester nach Derby, den mehr als 5.000 Schüler und Lehrer buchten. Diese, wie Thomas Cook sie nannte, ‚Monster Excursion for Juveniles’ musste wegen der großen Nachfrage zweimal an aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden. 139 Immer dabei war auch sein Sohn John Mason, der sich später an eine andere Exkursion in diesem Jahr erinnerte: „Meine öffentliche Karriere als Schaffner begann 1844 als kleiner Junge, als ich mit einem langen Stab bei der Führung von fünfhundert anderen Kindern auf der Fahrt von Leicester nach Syston half - fünf Meilen mit dem Sonderzug, dann fünf Meilen zu Fuß querfeldein nach Mount Sorrel Hills für ein nachmittägliches Picknick und dann den gleichen Weg zurück“. 140 Mit der Durchführung dieser Ausflüge erwarb Thomas Cook größere Fachkenntnis als die Midland Railway, mit der er <?page no="40"?> Philanthropie plus fünf Prozent 41 zusammenarbeitete. Dies führte nicht selten zu Konflikten und zu dem Vorwurf, die Bahngesellschaft verstünde nichts vom unregelmäßigen und spezielle Aufmerksamkeit verlangenden Geschäft mit Sonderzügen. 141 1844 war Thomas Cook weithin bekannt und hatte eine öffentliche Reputation als Veranstalter günstiger Bahnreisen. „Dies war nicht lange bevor Cook auf die Idee kam, Exkursionen sowohl zur Erzielung von Gewinnen wie auch zum Vergnügen zu organisieren. Natürlich würde eine solche vernünftige Form der Erholung indirekt auch die Sache der Temperenzler fördern und Philanthropie war alles andere als aus seinem Sinn. Aber, wie Cecil Rhodes 142 nach ihm, war er dem Motto ‚Philanthropie plus fünf Prozent‘ nicht abgeneigt.“ 143 Am Sonntag, den 10. August 1845, kurz vor fünf Uhr morgens, fährt der Zug in den Bahnhof von Leicester ein, mit dem Thomas Cook seine erste kommerzielle Reise für die in den Anzeigen als verantwortlich zeichnenden Midland Railways in die 270 Bahnkilometer entfernte Hafenstadt Liverpool organisiert und durchführt. Etwa 300 Personen, Männer, Frauen und Kinder, haben diese Reise gebucht, für die es nur Erste- oder Zweite-Klasse-Waggons (zu verbilligten Preisen von 15 bzw. 10 Schilling) gibt, weil auf einer so langen Strecke offene Wagen der dritten Klasse, wie sie oft für kürzere Ausflüge eingesetzt wurden, nicht mehr zumutbar sind. Er hatte Reiseroute und ziel selbst erkundet und eine Reisebroschüre für Interessenten und Teilnehmer verfasst, in der nicht nur, wie in einem Reisekatalog, die Sehenswürdigkeiten aufgelistet und beschrieben waren, sondern, wie auch in heutigen Reiseführern, dazu vor unliebsamen Überraschungen wie solchen mit Schleppern und Bauernfängern gewarnt wurde. 144 Wie bei einer modernen Bausteinreise konnten die Passagiere für vier Schilling Zusatzleistungen wie Ausflüge mit dem Dampfer Eclipse von Liverpool nach Caernarvon und Bangor in Nordwales und darüber hinaus die Weiterfahrt zum Erklimmen des Mount Snowdon dazubuchen. In Nottingham und Derby stiegen weitere Passagiere dazu, so dass schließlich mehr als 1.200 Personen in diesem Sonderzug saßen. Die Resonanz auf dieses Angebot hatte die Erwartungen Thomas Cooks deutlich übertroffen. Er konnte später feststellen, dass das Angebot „eine solche Sensation darstellte, dass in Leices- <?page no="41"?> 42 Thomas Cook - Pionier des Tourismus ter die ausgestellten Fahrkarten […] in vielen Fällen zum doppelten Preis weiterverkauft wurden. Die Zahl der Waggons reichte nicht aus, um der Nachfrage zu entsprechen und eine zweite Reise [mit achthundert Passagieren] musste zwei Wochen später improvisiert werden, um die Öffentlichkeit zu befriedigen.“ 145 Befriedigend war auch das Ergebnis: „Ein angenehmeres, vernünftiges und reizvolles Vergnügen kann man sich kaum ausdenken“ schrieb der Leicester Chronicle 146 über die Reise. Normalerweise musste man für die Strecke Leicester nach Liverpool vier verschiedene Fahrkarten von den vier die Teilstrecken bedienenden Eisenbahngesellschaften kaufen. Für die beiden Reisen war es Thomas Cook gelungen, das erste Mal nur eine Fahrkarte für die Strecke auszustellen, die zwischen den beteiligten Bahngesellschaften über die drei Jahre zuvor eingerichtete gemeinsame Verrechnungsstelle (Railway Clearing House) abgerechnet wurde. Dafür bekam er eine Provision von fünf Prozent (sic! ), von der er jedoch auch seine Aufwendungen für Organisation und Werbung der mehrtägigen Reisen finanzieren musste. 147 Das heißt wohl auch, dass er hier ins unternehmerische Risiko ging. „Es gibt Mittelsmänner, die ein Talent für Spekulation besitzen und so viel wie möglich daraus machen […] Mr. Cook aus Leicester ist vielleicht der erste unter diesen Reiseplanern“ hieß es am 29. November 1852 in einem Artikel des Chamber’s Journal. 148 Diese Wendung Cooks von der Reiseorganisation als unbezahlter ‚Amateurleistung‘ für Temperenzler und Baptisten zu einem professionellen und kommerziellen Unternehmer steht durchaus in Einklang mit den christlichen Werten, die im nonkonformistischen Milieu der außerhalb der anglikanischen Staatskirche stehenden protestantischen Religionsgemeinschaften beheimatet sind. Hier entstand, basierend auf der weltlichen Offenbarung des möglichen, aber nicht beeinflussbaren göttlichen Gnadenstandes durch Handeln, unablässiges Arbeiten und die daraus hervorgehenden Werke, ein zunächst zwar religiös begründetes, letztlich jedoch bürgerliches Wirtschaftsethos. In den Worten Max Webers (1864- 1920), eines der Mitbegründer der Soziologie: „Mit dem Bewußtsein, in Gottes voller Gnade zu stehen und von ihm sichtbar gesegnet zu werden, vermochte der bürgerliche Un- <?page no="42"?> Philanthropie plus fünf Prozent 43 ternehmer, wenn er sich innerhalb der Schranken formaler Korrektheit hielt, sein sittlicher Wandel untadelig und der Gebrauch, den er von seinem Reichtum machte, kein anstößiger war, seinen Erwerbsinteressen zu folgen und sollte dies tun.“ 149 Nun sieht sich Thomas Cook zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht in erster Linie als bürgerlicher Unternehmer und ist vor allem auch weit davon entfernt, über Reichtum zu verfügen. Aber der Grundstein ist gelegt nicht nur für eine bedeutende unternehmerische Karriere, sondern für die des mit Abstand erfolgreichsten Pioniers unter den Reiseorganisatoren. <?page no="44"?> Schottland, Konkurs und Wiederanfang ährend der zweiten Reise nach Liverpool und Wales auf dem Gipfel des höchsten Berges von Wales stehend, hatte Thomas Cook den Entschluss gefasst, seine Reisetätigkeit nach Schottland auszudehnen. In seinem Tagebuch notierte er: „Von den Höhen des Snowdon schweiften meine Gedanken hinüber zu Ben Lomond, und ich beschloss, den Versuch zu wagen, bis Schottland vorzustoßen.“ 150 Dass ihm gerade Schottland als Reiseziel in den Sinn kam, war kein Zufall. Diese, ähnlich wie die Alpen, zunächst als schroff, abweisend und unzivilisiert angesehene Region rückte durch eine Reihe von Faktoren in das Zentrum frühen touristischen Interesses in England. Auch wenn die Zahl der Schottlandreisen bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, auf sehr niedrigem Niveau, deutlich angestiegen war 151 , hatten später die Napoléonischen Kriege (1795- 1815) den europäischen Kontinent für Engländer jahrzehntelang verschlossen, so dass man sich nähere Ziele suchen musste. In diese Zeit fällt 1810 auch die Erstveröffentlichung der Versdichtung The Lady of the Lake des schottischen Schriftstellers Walter Scott, die, frei auf Aspekten der Artus- Sage basierend, am Loch Katherine in den Trossachs spielt. Sie entwickelte eine für ein solches Werk erstaunliche Popularität in England und tauchte die einstmals wenig attraktive Landschaft in ein konservativ-romantisches Licht, das zu einem Touristen anziehenden Image Schottlands führte. 152 Thomas Cook schrieb später: Scott „gab Schottland die Empfindung eines Touristenlandes.“ 153 Von mindestens ebenso großer Bedeutung war aber auch der Umstand, dass Königin Victoria (Regentschaft 1837-1901) seit 1842 gerne das schottische Hochland besuchte und dort mit ihrem Mann, Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, nicht nur Urlaub machte, sondern 1847 auch Schloss Balmoral zunächst mietete und später erwarb - ein Beispiel, worauf Thomas Cook in der Werbung für seine Reisen nach Schottland immer wieder gerne hinwies. 154 So wie später in Deutschland die Nordlandreisen von Kaiser Wilhelm II. mit seiner Yacht Hohenzollern W <?page no="45"?> 46 Thomas Cook - Pionier des Tourismus vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs das kaisertreue Besitzbürgertum als Trendsetter zu ebensolchen Kreuzfahrten animierte 155 , folgten viele Engländer dem Beispiel der königlichen Familie. <?page no="46"?> Schottland, Konkurs und Wiederanfang 47 Allerdings war Schottland zur damaligen Zeit, wie Thomas Cook bitter erfahren musste, ein aus verschiedenen Gründen schwieriges Reiseziel. 156 Um die Jahreswende 1845/ 1846 reiste er das erste Mal zur Vorbereitung der für den Sommer geplanten Tour im Anschluss an eine Verkaufsreise für das National Temperance Magazine durch Lancashire nach Schottland. Schottland war noch nicht an das englische Bahnnetz angeschlossen. Seine ursprüngliche Absicht war es daher, von Leicester bis Newcastle-upon-Tyne mit der Bahn und von dort mit dem Schiff bis Leith, dem Hafen von Edinburgh, zu fahren. Aber sowohl die Bahngesellschaften als auch die Schifffahrtsgesellschaft machten ihm Schwierigkeiten. Vor allem The General Steam Navigation Company weigerte sich, eine so große Zahl von Passagieren, wie sie Cook avisierte, zu befördern. Letztlich blieb ihm deshalb nichts anderes übrig, als die Ostroute zugunsten der Westroute aufzugeben. Daher ging die Fahrt zunächst per Bahn zum Hafen von Fleetwood nördlich von Blackpool, von dort weiter mit dem Schiff nach Ardrossan, von wo die Reise weiter mit der Bahn nach Glasgow und Edinburgh führte. Die beiden regelmäßig diese Strecke befahrenden Schiffe, die Queen und die Consort, boten nicht genug Platz für die von Thomas Cook antizipierten 500 bis 1.000 Passagiere, so dass er zunächst ein größeres Schiff mit mehr Erste-Klasse-Kabinen buchte. Die erwarteten Buchungen blieben jedoch aus, so dass er keine Garantien geben konnte und wieder zu den beiden regelmäßig verkehrenden Dampfern wechselte. Erst in letzter Minute kamen Buchungen herein, so dass am Ende doch 350 Passagiere die Reise mitmachten. 157 Schwierigkeiten gab es allerdings auch bei der Durchführung der Reise. Das betraf nicht nur die Zugfahrten - schließlich gab es damals weder Speisewagen noch Toiletten. Die meisten Passagiere gingen zum Beispiel davon aus, dass auf den Schiffen eine Kabine im Fahrpreis enthalten war. Dies war jedoch nicht der Fall. Sie hatten die Wahl zwischen einer Fahrt auf dem - oft von schwerer See überrollten - Deck oder in einer Kabine, die sie direkt beim Zahlmeister zu einem Aufpreis buchen konnten. Verschlimmert wurde die Situation noch dadurch, dass es nicht genügend Kabinen auf den Schiffen gab und eine Reihe von Gästen gezwungen war, die Nacht frierend auf dem nassen Deck zu verbringen. Es sollte <?page no="47"?> 48 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Thomas Cook später noch Monate kosten, die daraus folgenden Beschwerden und Rechtsstreitigkeiten zu bearbeiten. 158 Nach der Ankunft in Ardrossan lief es deutlich besser. Der bestellte Sonderzug war da und bei der Ankunft in Glasgow wurde er von Salven begrüßt. Von einer Musikkapelle begleitet, gingen die Reiseteilnehmer zum Empfang in das Rathaus der Stadt, wo sie auch mit Reden, eine davon wenig überraschend „über die natürlichen, moralischen und politischen Auswirkungen der Enthaltsamkeit“ 159 , unterhalten wurden. Nicht anders in Edinburgh, wo sie wieder von einer Musikkapelle durch die Straßen der Stadt geleitet wurden und eine musikalische Soiree im Waterloo-Saal zu ihren Ehren stattfand. Per Schiff ging es dann weiter über den Forth nach Stirling, sie fuhren auf Loch Lommond sowie Loch Long und mit der Bahn nach Ayrshire und wieder zurück nach Leicester. Die Kritik der Reise im Leicester Chronicle vom 4. Juli 1846 war dennoch vernichtend: „Statt sich noch einmal einer solchen rohen und unrühmlichen Behandlung auszusetzen“ würde der Berichterstatter der Zeitung lieber alleine reisen. „Mr. Cook ist ein Temperenzler, ein Anhänger des Prinzips der totalen Abstinenz, und es hat den Anschein, als wünschte er denjenigen, die er so schändlich dazu überlistet hat, auch totale Abstinenz zu praktizieren […] einen Schubs über Bord in das bevorzugte Element des Veranstalters (projector), als sei dies fast sein Recht. Lasst uns davor auf der Hut sein, wenn er noch einmal versucht, das Publikum mit einem Ausflugszug hereinzulegen.“ 160 Kaum vorstellbar also, dass es gerade die Schottlandreisen sind, die wesentlich zum Erfolg Thomas Cooks als Reiseveranstalter in den Jahren bis 1863 beitragen. Jeden Sommer bringt er über zwei Monate lang auf vier Reisen bis zu 5.000 Besucher über verschiedene Routen nach Schottland. 161 Jetzt aber, im Sommer 1846, steht er auf dem bitteren Tiefpunkt seines geschäftlichen Lebens. Dies ist jedoch weniger auf die teilweise missglückte erste Schottlandreise zurückzuführen, als vielmehr Folge der Entwicklungen im Verlagswesen der Temperenzler. Vor allem der spätere Verleger John Cassell 162 (1817-1865) macht ihm mit seiner Teetotal Times erhebliche Konkurrenz, indem er sie deutlich unter dem Preis von Cooks <?page no="48"?> Schottland, Konkurs und Wiederanfang 49 The National Temperance Magazine verkauft und zudem auch deutlich mehr Anzeigen verbuchen kann. 163 Cassell, ursprünglich Schreiner, wurde 1837 auf dem Weg von Manchester nach London, wo er zunächst als Tee- und Kaffeehändler reüssierte, in Market Harborough von Thomas Cook der Auftritt als Abstinenzprediger verwehrt - eine Rolle, in der er später recht erfolgreich war. 164 Was immer letztlich den Konkurs genau ausgelöst haben mag: Am 7. August 1846 jedenfalls meldet das Leicester Journal, dass Thomas Cook am 31. Juli alle Vermögenswerte und seinen persönlichen Besitz den Gläubigern überschrieben hat. Zudem findet in der ersten Augustwoche in seinem Haus in der Granby Street 26 ein Räumungsverkauf zugunsten seiner Darlehensgeber statt. Dabei wurden nicht nur seine Geschäftseinrichtung und sein Buchlager verkauft, sondern auch der gesamte Hausrat der Familie kam unter den Hammer. 165 Schlimmer hätte es kaum kommen können. Das Konkursverfahren fand am 15. Januar und am 12. Februar 1847 in Nottingham auf Antrag von Thomas Cook selbst statt. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass einfache Schuldner, nicht jedoch normale - d.h. nicht betrügerische - Bankrotteure zu dieser Zeit noch eingesperrt werden konnten, trug er damit wohl zu auch seinem eigenen Schutz vor einem Gefängnisaufenthalt bei. Am 19. März berichtete der Nottingham Mercury über eine Einigung mit den Gläubigern und am 9. April 1847 scheint Thomas Cook vollkommen entlastet worden zu sein. 166 Von Thomas Cook selbst gibt es dazu keinerlei Hinweise. Insofern bleiben sowohl die genauen Gründe für seine Zahlungsunfähigkeit als auch die Herkunft der finanziellen Mittel, denen er den erfolgreichen Abschluss des Konkursverfahrens und den darauffolgenden schnellen Wiederaufstieg als Unternehmer zu verdanken hat, im Dunkeln. Es kann also nur darüber spekuliert werden, wer Thomas Cook schließlich aus dieser äußerst misslichen Lage befreit hat. Ein Interesse an seiner Rettung hatte vermutlich die Midland Railway Company (deren stellvertretender Direktor damals sein Freund John Ellis war 167 ) als wichtiger Geschäftspartner seiner Reisen - Thomas Cook fühlte sich dem Unternehmen später <?page no="49"?> 50 Thomas Cook - Pionier des Tourismus immer mit Respekt verbunden. 168 Auch der Verleger H. Joseph Foulkes Winks aus Loughborough, Thomas Cook seit seinen Tagen als Seelsorger in Melbourne verbunden, oder andere Baptistenfreunde können ihm geholfen haben. Ihr Interesse an einem erfolgreichen Abschluss des Konkursverfahrens könnte sich vor allem aus dem guten Ruf herleiten, den die Gemeindemitglieder als ehrliche und ehrbare Geschäftsleute und Handwerker zu verlieren hatten. Aus ähnlichen Gründen wäre auch ein Engagement der Temperenzler denkbar, die sich „um ihren geschlagenen Meister scharten.“ 169 Möglichweise war es auch, wie Piers Brendon weiter mutmaßt, eine Kombination aus allen drei Gruppen, „die ihm erwartungsvoll ihr Vertrauen in seine überweltliche Energie, Fähigkeit und Integrität zeigen wollten.“ 170 Auf jeden Fall gelang es Thomas Cook, trotz aller Widrigkeiten in seinem Haus in der Granby Street wohnen zu bleiben und von hier aus seine Unternehmungen in kurzer Zeit erfolgreich weiterzuführen. Die Reisen nach Schottland wurden bereits 1847 von der Midland Railway Company wieder aufgenommen, wie die Ankündigungen im Leicester Chronicle aus diesem und dem darauffolgenden Jahr zeigen. Allerdings wird der Name Thomas Cooks in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. 171 Ob er die Organisation dafür im Hintergrund übernommen hatte, lässt sich nicht mehr feststellen. Nach seinen eigenen Angaben war es so, denn gegen Ende des Jahres schrieb er: „Das Jahr 1847 begann vielversprechender für Schottland und ich hatte in diesem Sommer drei große Exkursionen, nachdem die Eisenbahnlinie von York über Berwick nach Edinburgh zur Verfügung stand. […] Im Herbst dieses Jahres folgte ich der Königin und Prinz Albert auf der königlichen Route entlang dem Clyde, den Kyles of Bute, dem Crinan Canal und der Atlantikküste bis Oban und von da, die Insel Mull umfahrend, bis Staffa und Iona, um danach Glencoe, Fort William und den Caledonian Canal nach Inverness zu besuchen.“ 172 Dazu kamen noch Ausflüge in den Lake District, nach Fleetwood, Blackpool, Liverpool, der Isle of Man und Belfast mit zusammen 700 Touristen. 173 Auch sein Temperenzlerhotel florierte 1848 bereits wieder und er hatte einen neuen Buch- und Zeitschriftenladen nahe dem Bahnhof von Leicester in der Campbell Street eröffnet. 174 Die Geschäfte mit <?page no="50"?> Schottland, Konkurs und Wiederanfang 51 den Bahngesellschaften allerdings liefen in diesem Jahr schlecht. Zum einen wirkte wohl das Konkursverfahren gegen Thomas Cook noch nach, zum anderen wollten die Bahngesellschaften das Ausflugsgeschäft ohne einen zwischengeschalteten Veranstalter lieber selbst in die Hand nehmen. Jedenfalls weigerten sie sich, über verbilligte Angebote zu verhandeln. Dies hinderte Thomas Cook jedoch nicht, auch weiterhin Reisen zu veranstalten - nur eben nicht mit der Bahn. Stattdessen organisierte er Gruppentouren zu lokalen und regionalen Sehenswürdigkeiten in Leicestershire und in angrenzenden Grafschaften. Dabei „machte Cook aus der Not eine Tugend und nutzte eine Dickens’sche Nostalgie für die alten Tage der Kutschen, bevor sie gänzlich verschwanden.“ 175 Er hatte keine Probleme, dafür zur Not auch Postkutschen, Pferdeomnibusse, Jagd-, Möbel- und Gepäckwagen einzusetzen. Zu den Ausflugszielen gehörten Cooks Heimatort Melbourne mit seinen Gärten und Belvoir Castle. Im Besitz des 5. Herzogs von Rutland, der den Gästen Thomas Cooks freien Zugang gewährte, bot es den Bürgern von Leicester seltene Einblicke in das luxuriöse Leben des Landadels. Die Freizügigkeit des Herzogs muss freilich vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Unruhen des Jahres 1848 in Europa gesehen werden. Seit 1845 hatte es fast überall Missernten gegeben, vor allem in Irland fiel die Kartoffelernte 1848 bereits zum dritten Mal aus, und die Industrieproduktion in den Städten steckte in einer tiefen Krise. 176 So hatte der Adel guten Grund, sich der Bevölkerung gegenüber offen zu zeigen und sie zumindest zeitweise und symbolisch an ihren Privilegien teilhaben zu lassen. Dies kommt auch in einem Brief des 5. Herzogs von Rutland an Thomas Cook zum Ausdruck, der ihm am 4. September 1848 u.a. schrieb: „Ich stimme mit Ihnen vollkommen überein in Ihrem Wunsch danach, die verschiedenen Klassen unserer großartigen Gemeinschaft durch Bande wachsender Stärke zusammenzubinden. Seit vielen Jahren ist es eine Quelle großen Glücks für mich, mich mit den verschiedenen Klassen der Gesellschaft zu mischen, ihre verschiedenartigen Lebensbedingungen zu durchleuchten und mich zu bemühen, Unterstützung zu <?page no="51"?> 52 Thomas Cook - Pionier des Tourismus geben, wenn Unterstützung wahrscheinlich nützlich sein wird […] Es wäre allerdings in der Tat außergewöhnlich, wenn ich es nicht wünschte, dass die Einwohner von Leicester höfliche Aufmerksamkeit in der Angelegenheit empfangen sollten, in der Sie mir schreiben, da ich von ihnen immer ein freundliches Willkommen erfahre, wann immer ich zur Wahrnehmung von Pflichten oder zu meinem Vergnügen in ihrer Stadt bin.“ 177 Im darauffolgenden Jahr konnte Thomas Cook die Reisen nach Schottland wieder aufnehmen, nachdem die Bahngesellschaften ihre Blockade wieder aufgegeben hatten. Mehr als 1.000 Personen reisten mit ihm in den Norden des Königreiches. Weitere Fahrten wurden nach Wales, auf die Isle of Man und nach Irland unternommen. 1849 war auch das erste Jahr, in dem Thomas Cook eindeutig wieder als Organisator und Veranstalter von Bahnreisen auftrat. 178 Eine weitere ‚Monster-Exkursion‘ organisierte er wieder für etwa 3.000 Jugendliche, die mit der Fahrt nach Birmingham den Verlockungen der jährlichen Pferderennen in Leicester entgehen sollten. In der Stadthalle sollten sie mit einem Tee und einem Imbiss versorgt werden - was beides aber, aus welchen Gründen auch immer, nie serviert wurde. Kein Wunder, dass Thomas Cook eine Aversion gegen jede Art von organisierter Verpflegung für seine Gäste entwickelte. „Es ist überhaupt überraschend, wie wenig der Vater der Veranstalterreise (package tour) anfangs für das verlangte Geld bot. Seine Hauptleistung bestand in der Beschaffung von verbilligten Fahrkarten und der Ausarbeitung von Rundreisen. Er stellte Reiseführer (handbooks) zur Verfügung und kreierte eine Einheit aus der Vielfalt der Verkehrsunternehmen und Verkehrsmittel - Eisenbahnen, Dampfer und Kutschen.“ 179 Für Unterkunft und Verpflegung waren die Gäste in der Regel selbst verantwortlich. Schon deshalb kann man, wie im Prolog bereits gesehen, Thomas Cook kaum als den Erfinder der Pauschalreise bezeichnen. Auch wenn es sicherlich nicht nur zufriedene Kunden der Reisen Thomas Cooks gab, hatte er sich doch damals schon einen Namen als Reiseveranstalter gemacht, der es aufgrund seiner knapp kalkulierten Preise vielen Menschen zum ersten Mal überhaupt ermöglichte, Reisen zu machen. Als er am 6. <?page no="52"?> Schottland, Konkurs und Wiederanfang 53 November 1850 von einer Gruppe loyaler Kunden für seine kundigen Reisearrangements mit einer goldenen Uhr samt Kette (Wert: ca. 25 £) geehrt wurde, kam er nach seiner Rechnung auf 15.246 Gäste, die er bis dahin persönlich über eine Strecke von 7.525 Meilen geführt und für die er 5.090 £, 9 Schilling und 9 Pence eingenommen hatte. 180 <?page no="54"?> Ein Reiseführer, dem man vertraut er Erfolg Thomas Cooks als Pionier des Massentourismus beruhte nicht zuletzt darauf, dass er es verstand, seine Kenntnisse und Erfahrungen als Autor, Drucker und Verleger von Traktaten, Zeitschriften und Broschüren der Temperenzler mit seiner Tätigkeit als Organisator von preisgünstigen Reisen großer Gruppen zu verbinden. Ihm wird es als etwas Selbstverständliches erschienen sein, entsprangen doch beide Tätigkeiten dem gleichen Impetus: der Bekämpfung des Alkoholismus mit seinen negativen gesundheitlichen, psychischen und sozialen Folgen und der Schaffung von positiven Erlebnisalternativen. In der Rückschau wird jedoch deutlich, dass er mit der Herstellung seiner Reisehandbücher ein wesentliches Medium des modernen Veranstaltertourismus vorwegnahm: den Reisekatalog. Gleichzeitig kombinierte er ihn mit dem Reiseführer in Buchform, der in England mit den seit 1836 erschienenen Murray Red Books und mit dem Baedeker in Deutschland schließlich seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des bürgerlichen Tourismus spielte. 181 Indem er seine Handbücher mit der ausführlichen Reisebeschreibung vor der Durchführung der Reisen veröffentlichte, hatten sie quasi die Funktion eines heutigen Reisekataloges. Vor dem Hintergrund der hier vermittelten Informationen konnten sich Interessenten für oder gegen die Buchung entscheiden. Wer buchte, hatte mit den Handbüchern zudem ein ausführliches Kompendium als Reisebegleiter, in dem er jederzeit nachschlagen und dort nicht nur Darstellungen der wichtigsten Orte und Sehenswürdigkeiten lesen konnte, sondern auch alle wesentlichen Informationen zu Hotels, Gasthäusern und anderen für seine Reise wichtigen Einrichtungen fand. Die Handbücher „besitzen einen dreifachen Vorteil - sie wecken Interesse durch Vorwegnahme, sie sind sehr nützlich vor Ort und sie helfen später beim Auffrischen der Erinnerung“ schrieb Thomas Cook 1848 in seinem Handbook of Belvoir Castle. 182 Trotz ihres großen Nutzens dauerte es noch eine Reihe von Jahren, bis sich die Handbücher zu ei- D <?page no="55"?> 56 Thomas Cook - Pionier des Tourismus nem eigenen profitablen Geschäftszweig entwickelten. Ab 1875 wurden um die 10.000 von ihnen pro Jahr verkauft. 183 Das erste dieser Handbücher hatte Thomas Cook im Juli 1845 für seine erste kommerzielle Reise veröffentlicht, die, wie wir gesehen haben, im August des gleichen Jahres von Leicester, Nottingham und Derby nach Liverpool und Nord-Wales führte. Auf 59 Seiten hatte er „eine Beschreibung der Orte und Sehenswürdigkeiten auf der Route“ zusammengestellt. 184 Im ersten Teil werden über mehr als zwanzig Seiten jede einzelne Bahnstation mit ihren Gebäuden und die Streckenabschnitte dazwischen auf der Route nach Liverpool beschrieben. Die noch neue Verkehrstechnik mit ihren imposanten und gewagten Bauwerken - Schneisen, Trassen, Viadukte und Tunnel - führt bei den mit atemberaubendem Tempo dahineilenden Betrachtern zu neuen und flüchtigen Impressionen, die sie nur noch mit Hilfe des Handbuches zu sortieren vermögen. „Ein großer Nachteil des Reisens mit der Eisenbahn ist die Unmöglichkeit der genauen Betrachtung der Szenen, welche die Natur zeigt oder die Kunst ausstellt: Ein kurzer Blick ist alles, was man von Orten und Dingen erhaschen kann, in deren Anblick der Historiker, der Philosoph, der Naturalist und der Wissenschaftler für Stunden oder Tage schwelgen könnte“ 185 warnt Thomas Cook Interessenten und Teilnehmer der Reise in seinem Vorwort. Nicht ohne Ironie ist seine Eintragung zur Masborough Station: „Hier ruhen wir uns für eine Weile aus. Sie können Ihre Handbücher in Ihre Taschen stecken, den Waggon verlassen und auf dem Bahnsteig laufen […].“ 186 Aufschlagen musste man das Handbuch jedoch wieder in Todmorden. Hier empfiehlt Thomas Cook seinen Gästen, auf dem Bahnhof gemeinsam „ein kurzes Lied über die Orte, die man durchquert hat“ zu singen - der Text des eigens für diese Reise von J. Bradshawe Walker aus Leeds verfassten Gedichtes (‚Railway Glances‘) findet sich auf den Seiten 23 f., ergänzt durch ein Tunnellied auf Seite 25 (‚The Tunnel Glee‘). „Bitten Sie den Lokführer zu warten, während das folgende Stück dargeboten wird (wenn es denn vertont werden kann).“ 187 <?page no="56"?> Ein Reiseführer, dem man vertraut 57 Für die Ankunft auf dem Bahnhof in Liverpool druckt Thomas Cook nach diesen launigen Anregungen zur Selbstanimation seiner Gäste eine Meldung aus dem Liverpool Albion als Warnung vor Schleppern ab, damit seine Gäste dort nicht Opfer dieser Kleinkriminellen werden. 188 Die Darstellung des folgenden Stadtrundgangs basiert dann, wie Thomas Cook ausdrücklich vermerkt, auf dem in London erschienenen The Stranger’s Guide to Liverpool, aus dem er seine Auswahl abdruckt. 189 Schon diese erste kommerzielle Tour Thomas Cooks war, wie wir gesehen haben, bereits das, was man heute als eine (teilweise selbst organisierte) Bausteinreise bezeichnen würde. Die Reisenden hatten die Wahl zwischen verschiedenen Optionen wie etwa einem Zwischenaufenthalt in Manchester, der Weiterfahrt von Liverpool nach Dublin oder auf die Isle of Man. Informationen über infrage kommende Hotels und Gasthäuser, die vor Ort von den Gästen selbst gebucht werden mussten, fanden sich im Handbuch, das am Ende auch einige Anzeigen von Temperenzlerhotels (darunter auch seines eigenen) enthielt. Die ausführliche Beschreibung der Exkursion mit dem Schiff von Liverpool nach Wales wurde ausgeschmückt mit entsprechenden Passagen aus Liedern und Gedichten, die den Leser bei der Betrachtung der jetzt langsam vorbeiziehenden Landschaften und Sehenswürdigkeiten in die gewünschte romantische Stimmung versetzen sollten. Aber Thomas Cook organisierte nicht nur die Reisen, stellte die Informationen zusammen und war der Autor dieser Handbücher, er begleitete seine Fahrten regelmäßig auch selbst als Reiseführer - nicht nur bei seinen ersten Ausflügen, sondern über die vielen Jahrzehnte seines Berufslebens als Unternehmer und Reiseveranstalter hinweg. Allein dieser Umstand war geeignet, das Vertrauen der Kunden zu erwerben, denn damit war Thomas Cook auf den von ihm organisierten Reisen grundsätzlich den gleichen Bedingungen unterworfen wie seine Gäste. Vertrauen ist für einen Veranstalter von Reisen von zentraler Bedeutung - schon weil wir es hier mit dem klassischen Fall eines zeitlich versetzten Austausches von vertraglich verein- <?page no="57"?> 58 Thomas Cook - Pionier des Tourismus barten Leistungen zu tun haben. 190 Der Verkauf einer Reise erfolgt schließlich vor ihrer Durchführung und man kann sich nicht sicher sein, dass die vereinbarten Leistungen auch tatsächlich erbracht werden. In den Pioniertagen der Reiseveranstaltung spielte dabei das persönliche Vertrauen in die Person des Unternehmers schon deshalb eine große Rolle, weil es, anders als heute, so gut wie keine Reiseerfahrung aufseiten der Kunden und zudem keine spezifische rechtliche Absicherung der mit der Veranstaltung von Reisen verbundenen Risiken gab. In diesem Zusammenhang hatte Thomas Cooks Mitgliedschaft bei den Baptisten besonderes Gewicht. Denn die Zugehörigkeit zu einer Baptistengemeinde war gleichbedeutend mit einem Vertrauenssiegel. Das war in den USA nicht anders als in England, wie Max Weber von seiner Teilnahme an einer öffentlichen Baptistentaufe im Jahre 1904 in North Carolina berichtet. Sein Begleiter wies ihn bei einer der getauften Personen darauf hin, dass dieser junge Mann wohl in erster Linie aus unternehmerischen Gründen in die Baptistengemeinde eintrat. Weshalb? „Weil er eine Bank in M. aufmachen will.‘ - Sind denn so viele Baptisten in der Gegend, um davon zu leben? - ‚Durchaus nicht, aber er bekommt ja, nun da er getauft ist, die Kundschaft der ganzen Umgegend und wird alle niederkonkurrieren.‘ - Die Rückfragen, warum? , und wodurch? , ergaben: daß die Rezeption in die dortige, noch streng an der religiösen Tradition haftende Baptistengemeinde, welche erst nach sorgsamster ‚Erprobung‘ und nach peinlichsten, sich bis in die früheste Kindheit zurückerstreckenden Recherchen über den ‚Wandel‘ (‚disorderly conduct‘? Wirtshausbesuch? Tanz? Theater? unpünktliche Zahlung von Verbindlichkeiten? sonstige Leichtfertigkeiten? ) erfolgte, als eine derart absolute Garantie der ethischen Qualitäten eines Gentleman, vor allem: der geschäftlichen, gelte, daß dem Betreffenden die Depots der gesamten Umgebung und schrankenloser Kredit konkurrenzlos sicher seien. Er sei ein gemachter Mann.“ 191 Indes spielen neben diesem religiösen Ausweis hoher persönlicher Vertrauenswürdigkeit auch andere Aspekte der Vergewisserung unternehmerischer Solidität eine wesentliche Rolle. „Vertrauen wird, weil die Wirklichkeit für eine <?page no="58"?> Ein Reiseführer, dem man vertraut 59 reale Kontrolle zu komplex ist [und, wie im Falle des Erwerbs von Reisen, in die nicht vorhersehbare Zukunft weist; J.W.M.], mit Hilfe symbolischer Implikationen kontrolliert, und dazu dient ein grob vereinfachtes Gerüst von Indizien, die nach Art einer Rückkoppelungsschleife laufend Informationen darüber zurückmelden, ob die Fortsetzung des Vertrauens gerechtfertigt ist oder nicht. Nicht jede Information gefährdet oder zerstört dabei das Vertrauen. Die Vertrauensperson genießt einen gewissen Kredit, in dessen Rahmen auch ungünstige Erfahrungen zurechtinterpretiert oder absorbiert werden können.“ 192 Auch Thomas Cook hat, wie wir gesehen haben, diesen Kredit in Anspruch genommen. Das gilt nicht nur für seinen Konkurs, sondern auch für die geschilderten negativen Erfahrungen, die viele seiner Kunden während der ersten Schottlandtour 1846 machen mussten. Er hat ihn nicht verspielt. Einerseits hat er aus den Fehlern gelernt und sie auf den späteren Reisen versucht zu vermeiden, andererseits hat er dem ‚Gerüst von Indizien‘ selbst neue Elemente hinzugefügt, indem er seine Gäste bat, ihre positiven Erfahrungen auf seinen Reisen zur Veröffentlichung in der von ihm redigierten und herausgegebenen Reisezeitschrift Cook’s Excursionist aufzuschreiben. „Wir fanden die größte Annehmlichkeit darin, einen solchen Freund wie Mr. Cook zu haben, dem man mit durchgehender Verblüffung dabei zuschauen konnte, wie er Hotels auswählte, Vereinbarungen mit Gastwirten traf, Eisenbahnfahrkarten besorgte, Geld wechselte oder die Zugfahrpläne in Erfahrung brachte.“ 193 Mit diesen, wie das Beispiel zeigt, auf die persönlichen Fähigkeiten und die Freundlichkeit Thomas Cooks abzielenden Testimonials hat er eine moderne Form der (Vertrauens-)Werbung verwendet, wie sie heute weit verbreitet ist, aber auch schon damals für seinen Konkurrenten Henry Robert Marcus organisiert wurde. So schrieb der Liverpool Mercury 1858: „Wir stellen fest, dass einige Personen in verschiedenen Teilen unseres Landes aus Dankbarkeit für die von ihnen und tausenden anderen genossenen Annehmlichkeiten billiger Eisenbahnausflüge den Vorschlag gemacht haben, unserem Bürger Henry R. Marcus, der nicht nur der Erfinder dieser Fahrten ist, sondern sie auch seit einer Reihe von Jahren höchst erfolgreich durchführt, ein Empfehlungsschreiben zu überreichen.“ 194 <?page no="59"?> 60 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Solche Initiativen sind die Antwort darauf, dass das Arrangement von Dienstleistungen, die eine Veranstalterreise ausmachen, eben kein fertiges Produkt ist, das sich vor dem Erwerb begutachten und gegebenenfalls auch testen ließe, sondern lediglich ein Versprechen. Indem überzeugte Gäste selbst das Heft in die Hand nehmen oder man an Kundenbeispielen aufzeigt, dass dieses Versprechen in der Vergangenheit eingelöst wurde, beweist man als Anbieter, dass das in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt war. Weshalb sollte es beim nächsten Mal anders sein? Insofern implizieren die von Thomas Cook angeführten Beispiele, dass das Vertrauen in ihn auch in Zukunft gerechtfertigt ist, zumal er auch die ‚Rückkoppelungsschleife‘ durch immer wieder neue Testimonials von zufriedenen Gästen seiner wachsenden Zahl von Reisen in Bewegung hält. Dabei spielt auch seine christliche Lebens- und Geschäftsführung eine Rolle. Im Hotel Trombetta in Turin schrieben am 10. Oktober 1869 George Jones und 28 weitere zufriedene Teilnehmer am Ende einer von ihm geleiteten Reise durch die Schweiz und Italien an Thomas Cook: „Es war sehr erfreulich zu beobachten, mit welchem Respekt Ihnen von allen Klassen, mit denen wir in Kontakt gebracht worden sind, begegnet wird; ein Beweis dafür, dass die praktische Anwendung christlicher Prinzipien nicht ohne Belohnung bleibt.“ 195 Diese christlichen Prinzipien veranlassen ihn auf der anderen Seite, auch seinen Gästen zu vertrauen. Damit wird das Vertrauen in ihn wiederum auch aus dem Vertrauen gespeist, das Thomas Cook seinen Kunden gegenüber aufbringt. Entscheiden sie sich zum Beispiel dafür, entgegen seinen sonstigen Regeln auch Unterkunft und Verpflegung ihrer Schottlandreisen über ihn zu buchen, legt er alle Kosten für die Hotels aus und stellt sie erst am Ende der Reise in Rechnung. „[U]nd es spricht in hohem Maße für die Ehrlichkeit der Ausflügler, wenn er erklärt, dass er während seiner gesamten Praxis nie einen Forderungsausfall bei ihnen hatte“. Auch ist er durchaus bereit, seinen Gästen im Bedarfsfall Geld zu leihen - es kam häufig vor und er hat es nie abgelehnt. „Er hat einmal mehr als zwanzig Pfund an einen seiner Ausflügler ausgeliehen, einen ihm völlig fremden, und er hat sein Geld immer zurückbekommen. Hat er irgendwelche Sicherheiten verlang? Niemals! Manchmal hat ein Gentleman ihm seine <?page no="60"?> Ein Reiseführer, dem man vertraut 61 Uhr angeboten, aber was sollte er mit der Uhr eines Gentlemans? Er sagte ihm, er solle sie wieder in seine Tasche stecken! “ 196 Das Vertrauen in die unternehmerische Integrität und in die Reiseversprechen Thomas Cooks speiste sich ferner aus Überlegungen von potenziellen Kunden über das Interesse, das er daran hatte, die versprochenen Leistungen auch tatsächlich zu erbringen. Hier sprachen alle Indizien für Thomas Cook, denn er hat durch sein Handeln deutlich gemacht, dass er im Geschäft bleiben und dies sogar noch ausbauen will. Er musste also selber ein großes Interesse daran haben, dass seine Gäste auch das bekommen, was er ihnen verspricht und sie zufrieden mit seinen Leistungen sind. Ansonsten wäre sein Unternehmen gefährdet gewesen. Ein konkretes Beispiel dafür war die Lösung des Problems, mit dem Thomas Cook in der Karwoche des Jahres 1866 bei einer von ihm begleiteten Reise nach Rom konfrontiert war. In Florenz erfuhr er, dass das Hotel, in dem er Zimmer für seine Gruppe von etwa 50 Touristen reserviert hatte, überbucht war und es im von Pilgern überlaufenen Rom keine Hotelalternativen gab. Er fuhr der Gruppe mit dem Nachtzug voraus und mietete kurzentschlossen den Palast des Prinzen Torlonia für zehn Tage zum Preis von 500 Pfund, damit er sein Reiseversprechen der Gruppe gegenüber einhalten konnte. Zusätzlich nahm er einige Restaurants in der Nähe für die Verpflegung seiner Gruppe unter Vertrag. „Er hatte keinen Anlass zu erwarten, dass die Mitglieder seiner Gruppe zu den gestiegenen Aufwendungen, zu denen er zu ihren Gunsten gezwungen war, irgendeinen Beitrag leisten würden; zu seiner Freude und zu ihrem Ansehen gaben sie jedoch jeder vier Pfund und übernahmen damit die Hälfte des Verlustes. Wie bei anderer Gelegenheit war es seine Entschlossenheit, den Glauben der reisenden Öffentlichkeit an ihn zu erhalten und seine Ernsthaftigkeit wurde durch das öffentliche Vertrauen in ihn belohnt.“ 197 Auch die ausführliche Beschreibung der ausgeschriebenen Reisen in seinen Handbüchern war geeignet, das Vertrauen des interessierten Publikums in seine unternehmerischen Fähigkeiten als Reiseveranstalter zu gewinnen. Sie lesen sich <?page no="61"?> 62 Thomas Cook - Pionier des Tourismus - das oben zitierte Beispiel belegt es - wie ein Theaterstück mit seinen Regieanweisungen, das vom Autor selbst (Thomas Cook ist ja auch der Reiseführer) auf die Bühne gebracht und inszeniert wird. Die Handbücher nehmen praktisch die Wirklichkeit vorweg und der Leser vermag sich kaum vorzustellen, dass es auch anders als dort beschrieben ausgehen könnte. Unterstützt wird dieser Eindruck noch durch die Ausführlichkeit und die Fülle an Details, die Thomas Cook, teils aus eigener Anschauung und Erfahrung aus seinen Vorbereitungsreisen gewonnen und teils aus relevanten Veröffentlichungen entnommen hat, hier präsentiert. Die Reise selbst wird damit zur realen Illustration des Handbuchs. 198 Man muss sie nur noch buchen und antreten. <?page no="62"?> The Great Exhibition ngland, das gewerbfleißigste Land der Erde, hat den großen Gedanken erfaßt, eine bisher nie versuchte, nie angestrebte, vielleicht nie gedachte Vereinigung von Hervorbringungen der industriellen Thätigkeit der ganzen civilisirten Welt auf einem einzigen Puncte zu bewerkstelligen. Es hat alle Nationen der Erde zu dem großen Feste geladen, wo der Beschauer an der reichen Tafel schwelgen soll, welche der stets vorwärts ringende Menschengeist ihm bestellt hat, wo der Reichthum und die tausendfarbige Mannigfaltigkeit des Lebens sich in den Producten spiegeln, die alle für den denkenden Betrachter den Stämpel des Klimas, der Sitten, der Gewohnheiten, des Bildungsgrades, der Eigenthümlichkeit, ja der Geschichte der Nation tragen, aus der sie hervorgegangen.“ 199 Thomas Cook wird mit seinem Unternehmen dazu beitragen, dass nicht nur Besucher aus vielen Ländern, sondern auch aus England selbst die Gelegenheit bekommen, die erste Weltausstellung 1851 in London zu besuchen. Vor allem kleinen Leuten, Arbeitern zumal, soll es ermöglicht werden, dieses Schaufenster der Welt in ihrer Hauptstadt zu besuchen. Dazu werden Monate vorher durch den unermüdlich umherreisenden Thomas Cook vor allem in den größeren Städten der Midlands Ausstellungsklubs für Arbeiter gegründet. Es sind Sparvereine, deren Mitglieder wöchentlich kleine Einzahlungen tätigen, um später die Fahrt nach London und die Unterkunft dort zu finanzieren. 200 Zunächst wollte Thomas Cook zu dieser Zeit eigentlich Reisen ins Heilige Land organisieren, um der „enormen Sehnsucht vieler Protestanten, zu den Wurzeln ihres Glaubens zurückzukehren und die in der Bibel erwähnten Orte zu sehen“ 201 , zu entsprechen. Allerdings musste er diesen Plan zunächst aufgeben, weil Reisen dorthin zu unsicher und, u.a. wegen der vielen zu entrichtenden Steuern und schlechter Verkehrsinfrastruktur, zu mühsam und teuer waren. Stattdessen E <?page no="63"?> 64 Thomas Cook - Pionier des Tourismus wollte er nach weiteren Diskussionen mit dem Forschungsreisenden James Silk Buckingham, „der Nordamerikas 8.000 Meilen Eisenbahnlinien mit Palästina verglich, wo es gar keine gab“ 202 , Reisen über den Atlantik organisieren. Auf der Rückreise von Liverpool, wo er Verhandlungen mit Reedereien über die geplanten Amerikareisen geführt hatte, traf er sich 1850 in Derby mit seinem alten Bekannten John Ellis und dessen Mitdirektor bei den Midland Railways, dem bedeutenden Botaniker und Architekten Joseph Paxton (1803-1865). Paxton hatte er zwei Jahre zuvor als Agenten des Herzogs von Devonshire im Rahmen der Organisation seiner Pferdewagenausflüge zu den Schlössern Mittelenglands kennengelernt. 203 Paxton war auch der Architekt des berühmten Kristallpalastes, der in nur acht Monaten Bauzeit im Londoner Hydepark für die Weltausstellung aus vorgefertigten Modulen errichtet wurde. Als Mitglied des Organisationskomitees der Weltausstellung fürchtete er, dass nicht genügend Besucher kommen könnten. Deshalb brauchte er die Erfahrung Thomas Cooks und anderer Reiseunternehmer, darunter auch Henry Robert Marcus, um möglichst viele Personen in der Zeit der Ausstellung nach London zu bringen. Jedes Unternehmen sollte die Eisenbahnreisen aus einer Region organisieren, Thomas Cook die aus den südlichen Midlands, und statt der sonst üblichen fünf Prozent vom Fahrpreis einen festen Betrag pro Passagier bekommen, der einen Fahrschein für 15 Schilling löste. 204 Zudem hatten die Midland Railways in Erwartung großer Nachfrage im Zuge der Weltausstellung gerade 100 Dritte-Klasse-Wagen 205 und 40 Lokomotiven 206 bestellt, die beschäftigt werden mussten. Beide konnten Thomas Cook davon überzeugen, seine Amerikapläne erst einmal zurückzustellen, die ebenfalls geplanten Schottlandtouren auszusetzen und die Fahrten in begleiteten Sonderzügen nach London mit eingeschlossener Übernachtung zu organisieren. Dafür ging Thomas Cook auch selbst ins Risiko. Da die meisten Beherbergungsbetriebe in Erwartung großer Nachfrage und damit höherer Preise nicht bereit waren, Vorabbuchungen für ihre Zimmer zu festen Konditionen zu akzeptieren, mietete er ein Auswandererschiff, das am Fuß der Vauxhall Bridge festgemacht hatte, und eine Reihe von Gebäuden in London fest für den ganzen Sommer an. Dazu gehörte The Raleigh Club Mechanics Home, <?page no="64"?> The Great Exhibition 65 in dem 1.000 Personen übernachten konnten. Die Betten wurden durch Paravents voneinander getrennt und den Gästen auch Seife und Handtücher zur Verfügung gestellt. Im Übernachtungspreis von zwei Schilling war auch ein deftiges Frühstück inbegriffen 207 Plakat zur Weltausstellung (1851) Zur Anpreisung seiner Exkursionen zur Great Exhibition entwickelte er eine neue Zeitschrift, Cook’s Exhibition Herald & Excursion Advertiser, deren erste Ausgabe am 3. Mai 1851, drei Tage nach Beginn der Weltausstellung, zum Preis von einem Penny erschien. Dieses Magazin wechselte im Laufe der Zeit <?page no="65"?> 66 Thomas Cook - Pionier des Tourismus mehrmals den Namen und existierte von 1903 bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs als Cook’s Traveller’s Gazette. 208 In ihr erschienen zudem Reiseberichte, Kommentare, Hotellisten, Fahrpläne, Preislisten, Anzeigen, Veranstaltungshinweise und nicht zuletzt die bereits zitierten Testimonials zufriedener Kunden. Dass dieses Reisemagazin mit der Zeit mehr war als reine Werbung und dadurch auch an Ansehen gewann, wird dadurch unterstrichen, dass es ab 1873 in Londoner Clubs ausgelegt wurde. 209 Zudem gab es eine US-amerikanische Ausgabe und gegen Ende des Jahrhunderts, 1892, erschien die Zeitschrift in einer Gesamtauflage von 120.000 Exemplaren auch in Frankreich, Indien, Australien und Österreich - die erste Ausgabe kam in Wien im Januar 1890 unter dem Namen ‚Cook’s Welt-Reise-Zeitung‘ heraus und wurde gratis abgegeben. 210 Ab der Februarausgabe waren 15 Kronen pro Heft zu entrichten, das Jahresabonnement kostete 1,50 Gulden. Ab Januar 1906 gab es auch eine in Hamburg ebenfalls monatlich erscheinende eigene Ausgabe für Deutschland, die für zwei Mark fünfzig pro Jahr bezogen werden konnte. Allerdings kam es bereits kurz nach dem Beginn der Weltausstellung zu einem Preiskampf zwischen den Eisenbahngesellschaften. Am Montag, den 5. Mai, der erste Sonderzug Thomas Cooks hatte in seinem Beisein um fünf Uhr in der Frühe Leicester in Richtung London verlassen 211 , bot die Nordlinie die Fahrten von Bradford, Leeds, Sheffield und anderen Orten bereits zu fünf Schilling an. Dass auch die Midland Railways bereits um neun Uhr am gleichen Tag zu diesem Preis anbieten konnten, war der Flexibilität Thomas Cooks zu verdanken, der seinen Vertrag mit der Eisenbahngesellschaft im Beisein von John Ellis kurzerhand zerriss und in den Papierkorb beförderte. 212 Damit war der Weg frei für den niedrigeren Preis, der sich bis zum Ende der Weltausstellung halten sollte. Auch der Eintrittspreis der Ausstellung, der zunächst fünf Schilling betrug, wurde nach erheblicher Kritik Ende Mai auf nur noch einen Schilling reduziert. 213 Nach diesen Preisreduktionen war die Nachfrage schließlich so groß, dass nahezu alle verfügbaren Züge für die Sonderfahrten nach London eingesetzt werden mussten. Allein die Abendverbindung wurde nicht selten mit sechs Zügen gefah- <?page no="66"?> The Great Exhibition 67 ren, zusätzlich wurden viele Nachtverbindungen eingerichtet. Für Thomas Cook und seinen mittlerweile 17-jährigen Sohn John Mason, der ihm als rechte Hand zur Seite stand, bedeutete dies, dass sie praktisch in den Zügen lebten und nicht selten dort auch übernachteten. Zum Abschluss der Weltausstellung brachte Thomas Cook 3.000 Schulkinder aus Leicester, Nottingham und Derby für einen Tag in den Kristallpalast im Hydepark. Mit ihnen waren es insgesamt 165.000 Personen, die in den knapp fünfeinhalb Monaten der Weltausstellung durch ihn nach London gebracht wurden. Auch Henry Robert Marcus’ Bemühungen waren nicht ohne Erfolg: In 145 Sonderzügen hatte er mehr als 90.000 Besucher zur Ausstellung befördert. 214 Joseph Paxtons Befürchtungen, dass es zu wenige Besucher geben könnte, hatten sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Noch nie hatte London so viele Gäste und noch nie hatte eine einzelne Veranstaltung so viele Besucher. Insgesamt verbuchte man mehr als sechs Millionen Besucher, viele Londoner sind sicherlich mehrfach in der Ausstellung gewesen 215 - alleine Königin Victoria besuchte sie vierzigmal! Unter den Besuchern waren aber auch viele Ausländer, die sich diese erste internationale Great Exhibition nicht entgehen ließen. 216 Noch vor der Ausstellung fanden Demonstrationen und am 7. März 1851 auch eine Konferenz für die Sache der Temperenzler statt, an deren Organisation Thomas Cook beteiligt war. 217 Sie waren offenbar von Erfolg gekrönt, denn auf der Weltausstellung gab es keine alkoholischen Getränke - ein großer Triumph für die Temperenzler-Bewegung, auch wenn es, wenig überraschend, einige Kritik daran gab. Nicht zuletzt war die Weltausstellung auch eine Genugtuung für den Anhänger des freien Welthandels, der sich aktiv in der Anti- Corn Law League engagiert hatte. <?page no="68"?> Entscheidung und erste Erfahrungen im Ausland nternehmerisch war die Great Exhibition für Thomas Cook ein großer Erfolg, der nach der bitteren Erfahrung des Konkurses zwar nicht so sehr seine finanzielle Situation, sondern vor allem sein Selbstvertrauen und seine Zuversicht in den Erfolg seiner weiteren unternehmerischen Aktivitäten gestärkt hatte. Auch wenn er vermutlich zusätzlich zu eigenen Mitteln einen Kredit dafür in Anspruch nahm, investierte er im Jahr danach jedenfalls erhebliche Summen einerseits in seine Beteiligung am Bau einer Temperance Hall für die örtliche Vereinigung der Abstinenzler, andererseits in ein neues Haus für seine Familie, seine Druckerei, sein Reiseunternehmen und sein Temperenzlerhotel. Beide Gebäude waren die ersten in Leicester, die direkt an das neue Wasserleitungssystem der Stadt angeschlossen waren und damit fließend Wasser hatten. Am 2. Juni 1852 nahm Thomas Cook als Corresponding Secretary of the Leicester Temperance Society an der feierlichen Grundsteinlegung für die Temperance Hall in der Granby Street 63 teil. 218 Ein überregionales Ereignis - mit neun Sonderzügen waren viele Teilnehmer dafür extra nach Leicester gekommen. 219 2.000 Pfund für die Bausumme wurden über den Kredit einer Bausparkasse, weitere 10.000 Pfund über die Zeichnung von 844 Anteilsscheinen finanziert. Zu Pfingsten 1853 wurde die Halle zunächst für kurze Zeit provisorisch und dann am 21. September dauerhaft in Betrieb genommen - ein weiteres großes Ereignis, bei dem das Stadtoberhaupt von Leicester präsidierte und zu dem wiederum Sonderzüge die Teilnehmer aus verschiedenen Teilen des Landes brachten. 220 „Unter denen, die diesen Tempel der Abstinenz einweihten, waren Kaufleute und Handwerker, Fabrikbesitzer und Fabrikarbeiter, Bauern und Landarbeiter, Katholiken und Quäker, Baptisten und Anglikaner. Anhänger der Abstinenz […] überquerten die starren Grenzen, die Kirchen und soziale Klassen voneinander trennten, und erweiterten die beschränkten U <?page no="69"?> 70 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Milieus (spheres) vieler verschiedener Teilbereiche der Gesellschaft.“ 221 Allein die Größe des Gebäudes und seiner Einrichtungen war schon darauf ausgerichtet, Menschen über alle sozialen und konfessionellen Grenzen hinweg aufzunehmen. Der große Saal, ausgestattet mit einer Konzertorgel und einer Bühne für große Orchester, bot Platz für 1.700 Personen und im Lesesaal konnten 350 Nutzer in den Büchern und Zeitschriften aus dem Bibliotheksbestand blättern. Das Privathaus und Temperenzlerhotel Thomas Cooks rechts neben der 1853 eröffneten Temperance Hall in Leicester in der Granby Street 63. Auf dem Nachbargrundstück, Granby Street 63, entstand der Neubau von Cooks Privathaus mit dem Geschäfts- und Familientemperenzhotel, in das Thomas Cook 3.500 Pfund investierte. Da viele der Teilnehmer seiner in Leicester startenden Eisenbahnreisen und -ausflüge nicht aus der Stadt, sondern auch aus anderen Orten kamen, mussten sie zunächst übernachten, um zu den oft frühen Abreiseterminen da zu sein. Schon deshalb war die Vergrößerung des zunächst im alten Haus in der Granby Street 26 untergebrachten Temperenzlerhotels eine sinnvolle Investition. Zudem war Leicester aufgrund der wirtschaftlichen Aktivitäten stark gewachsen, so dass Thomas Cook auch die Ansprüche von Geschäftsreisenden bei der Konzeption des Hotels im Blick hatte. So wurde für sie eigens ein Arbeitsraum in das Hotel integriert. Dass er die Tugend nicht durch Übertreibung selbst zum Laster werden ließ, zeigte sich auch darin, dass er trotz seiner Ablehnung des Tabakgenusses auch ein Raucherzimmer einrichtete. In der Beschreibung des von seiner Frau Marianne geführten Hotels erklärte er, es sei „dafür gesorgt, dass die Herrschaften, denen das Tabakrauchen unangenehm ist, davon unbelästigt bleiben, da für Raucher ein besonderer Salon vorgesehen ist.“ Auch akzeptierte er, dass in unmittelbarer <?page no="70"?> Entscheidung und erste Erfahrungen im Ausland 71 Nachbarschaft der Temperance Hall und seines Abstinenzlerhotels mit dem Nag’s Head und dem Waggon & Horses zwei Wirtschaften mit manchmal etwas lärmenden Gästen lagen. - Die Größe dieser beiden Projekte, die maßgeblich von Thomas Cook bestimmt wurden, wird auch dadurch unterstrichen, dass für die Grundstücke 50 baufällige kleine Katen abgerissen werden mussten. 222 Das Reisegeschäft trat dadurch nicht in den Hintergrund. Im Herbst 1851 fuhr er nach Southampton, um den von ihm bewunderten Führer der gegen die österreichische Herrschaft gerichteten ungarischen Unabhängigkeitsbewegung, Lajos Kossuth (1802-1894), bei seiner Ankunft im zeitweiligen Exilland zu begrüßen. In der enormen Popularität Kossuths im damaligen England sah er eine weitere Geschäftschance und so organisierte er zwei Sonderzüge von Leicester aus zu Auftritten Kossuths in London und Birmingham. 223 Neben den 1852 wieder aufgenommenen Reisen nach Schottland organisierte der rastlose Thomas Cook auch noch Sonderfahrten nach London zur Aufbahrung und Beerdigung von Arthur Wellesley, des ersten Herzogs von Wellington (1769- 1852), 1815 einer der Helden der Schlacht von Waterloo und später Außen- und Premierminister, der im September gestorben war und im November zu Grabe getragen wurde. Jahre zuvor hatte Thomas Cook, der, wie wir gesehen haben, den Krieg verachtete, ihn eindringlich gebeten, alle Vorbereitungen zur Feier des Jahrestages des Sieges über Napoléon einzustellen, um ein Zeichen zu setzen, damit Kriege bis zum Ende aller Tage aufhören. Allerdings war seine Haltung dazu durchaus ambivalent. „Sein ganzes Leben hindurch waren Cooks Idealismus und sein Geschäftssinn oft in Konflikt miteinander; nicht lange nach seinem Zornausbruch gegen den Krieg führte er Reisen zu eben den Schlachtfeldern durch, die er so verabscheute.“ 224 Nicht zuletzt folgte er dabei auch noch den Spuren des Reiseunternehmers Henry Gaze, der schon Jahre vor Cook Touren auf den europäischen Kontinent und auf die Schlachtfelder von Waterloo organisiert hatte und der ihn deshalb auch der Nachahmung seiner Geschäftsideen bezichtigte. 225 Thomas Cook beeindruckte das offenbar wenig und er arbeitete in diesem Jahr noch an einer Reihe von Plänen und konkreten Vorbereitungen für weitere Ausflüge und Touren. 226 <?page no="71"?> 72 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Anknüpfend an die von ihm erfolgreich durchgeführten Exkursionen zur Weltausstellung in London wurde Thomas Cook von dem gebürtigen Iren Cusack Patrick Roney (1810- 1868), leitender Mitarbeiter der Chester & Holyhead Railway in Großbritannien und Förderer von Eisenbahnausflügen, gebeten, für die 1853 geplante Industrieausstellung in Dublin Besucherreisen mit zu organisieren. Bei dieser maßgeblich vom irischen Eisenbahnpionier William Dargan (1799-1867) initiierten und finanzierten Ausstellung ging es nicht zuletzt darum, dem Land nach der durch Kartoffelfäule ausgelösten großen Hungerkatastrophe (‚Great Famine‘) von 1845 bis 1852, bei der etwa eine Million Menschen starben und in deren Folge noch einmal die gleiche Zahl ausgewandert war, wieder eine wirtschaftliche Perspektive zu geben. Auch Reisen aus England zum Besuch der Ausstellung und zu weiteren Zielen auf der irischen Insel sollten zur Belebung der Wirtschaft beitragen. Die verschiedenen englischen Bahnunternehmen kümmerten sich absprachegemäß um die Touristenfahrkarten, während Thomas Cook für die Ausflüge verantwortlich war. So bekam er stark ermäßigte Tickets für Fahrten von Dublin nach Cork, den Lakes of Killarney, nach Connemara und weiteren Orten. 227 Auf diesen Exkursionen wurden die Reisenden auch mit den Folgen der gerade erst überstandenen Hungersnot konfrontiert. In der Ausgabe des Irish Tourists Illustrated Handbook für das Ausstellungsjahr 1853, das Thomas Cook für die Vorbereitung seiner Ausflüge nutzte 228 , hieß es: „Ruinen sind eine bedeutende Besonderheit Irlands - Ruinen aller Art -, alte und neue Ruinen. Wohin sie auch gehen, überall sind Ruinen; von den zerbröckelnden Mauern und dem kaum identifizierbaren Grab, das von vergangener Größe erzählt, das Altertumskenner aufsaugen und an dem sie sich erfreuen, bis zu den abgedeckten Häusern, die vom gegenwärtigen Elend, von Tod und Emigration, erzählen; sie schockieren Menschen mit Gefühl und bringen den politischen Ökonomen zum Theoretisieren.“ 229 Reisen nach Dublin hatte Thomas Cook bereits 1845 ergänzend zu seinen Liverpool-Reisen angeboten. Auch jetzt folgten wieder einige tausend Engländer seinem Reiseangebot, diesmal zur Industrieausstellung: „Von Derby nach Dublin und zurück für 13 Schilling! ist eine verblüffende Ankündigung; und die Handwerkerklassen können ihr Gemüt mit <?page no="72"?> Entscheidung und erste Erfahrungen im Ausland 73 dem angenehmen Trunk des Reisens erfreuen.“ 230 Reisen statt Alkohol - auch in der Werbung für seine Angebote kommen das Credo des Temperenzlers und seine Mission zum Ausdruck, mit positiven Erlebnissen die Sucht nach dem destruktiven Rauschmittel zu bekämpfen und möglichst gar nicht erst auftreten zu lassen. Inwieweit dies mit seinen Reisen allgemein und speziell mit den Reisen nach Irland - nicht gerade bekannt für seine Abstinenzler - gelungen ist, muss allerdings dahingestellt bleiben. Jedenfalls führte er in den Folgejahren regelmäßig Reisen nach Irland durch. Allein 1856 schickte er um die anderthalbtausend Touristen in zwei Sonderzügen mit zusammen 60 Eisenbahnwagen auf die Grüne Insel. 231 Im Februar 1854 starb seine Mutter, Elizabeth Tivey, in ihrem 64. Lebensjahr. Thomas Cook hatte ein recht enges Verhältnis zu ihr, wie auch sein Sohn, John Mason, der während seiner Zeit als Schriftsetzer in Derby einige Jahre bei ihr gewohnt hatte. Simeon Smithard, einer ihrer beiden Söhne aus zweiter Ehe, war auch geschäftlich eng mit ihr verbunden. Vorher dem Alkohol verfallen und deshalb aus dem Lehrverhältnis mit seinem Halbbruder Thomas Cook geflohen, war er längst selbst zum Abstinenzler geworden und sein Simeon’s Temperance Hotel am Kornmarkt in Derby war in ihre Pension integriert worden. Nach ihrem Tod wurde es zu Simeon Smithard’s Private Temperance Boarding House. 232 Inwieweit die Entscheidung Thomas Cooks, seine Druckerei weitgehend aufzugeben, mit dem Tod seiner Mutter zusammenhängt, lässt sich nicht beurteilen. Es wäre aber naheliegend, denn einschneidende Ereignisse wie dieses, das einem auch die Endlichkeit und die Kürze des eigenen Daseins plötzlich und intensiv bewusst werden lassen, führen oft zu einem Innehalten und zu einer Neubesinnung auf das Wesentliche der persönlichen Wünsche und Ziele. Tatsache ist, dass die Entscheidung, die Druckerei zumindest stark zu verkleinern und sich auf das Reisegeschäft zu konzentrieren, kurz nach ihrem Tod getroffen wurde. „Offensichtlich zog er das Nomadenleben vor, stolz, ein Pionier zu sein, glücklich, neue Freundschaften zu schließen, ein ‚unaussprechliches Interesse‘ daran zu finden, die ‚Denkmäler des Vaterlandes‘ zu sehen.“ 233 Möglich ist aber auch, dass Verluste aus der <?page no="73"?> 74 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Druckerei dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. Schließlich war er viel auf Reisen und es dürfte zumindest schwierig gewesen sein, das stationäre Druckgeschäft erfolgreich von unterwegs zu führen. Ganz hat er die Druckerei aber wohl nicht aufgegeben, sondern quasi als Abteilung seines Reiseunternehmens weitergeführt, in der alle nötigen Broschüren und Handbücher für seine Touren hergestellt wurden. 234 Im Jahr darauf hatte er sein Reiseprogramm im Inland u.a. um Seebäder wie Scarborough und den Lake District erweitert. Er entschied sich auch, seine Reiseaktivitäten von den britischen Inseln (zu denen seit 1801 auch Irland gehörte) auf den europäischen Kontinent auszudehnen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die erste Weltausstellung in Paris (Exposition Universelle des produits de l’Agriculture, de l’Industrie et des Beaux-Arts de 1855), die nach dem Vorbild der Great Exhibition in London aufgrund eines kaiserlichen Dekrets 1853 von Napoléon III. organisiert wurde. Auch Königin Victoria und Prinz Albert kamen auf Einladung des französischen Kaisers zu dieser Ausstellung - der erste Besuch eines britischen Monarchen seit 1431 in dem jetzt im Krimkrieg verbündeten Frankreich. 235 Broschüre zur fünften Pariser Weltausstellung (1900) <?page no="74"?> Entscheidung und erste Erfahrungen im Ausland 75 Damit konnte Thomas Cook Interessenten auch damit locken, wie schon zuvor bei seinen Schottland-Touren, auf den Spuren des englischen Königspaares zu reisen. Allerdings gelang es ihm nicht, die hier operierenden Verkehrsträger für seine Idee zu gewinnen, so dass er einerseits nur eine Reise von Leicester nach Calais und zurück für 31 Schilling organisieren konnte. „Wie viele die Fahrkarten kauften und wie sie ihren Weg von Calais nach Paris fanden, wurde nie verzeichnet.“ 236 Andererseits war es ihm möglich, mit dem Umweg über Belgien und Deutschland nach Paris zu fahren, nachdem Eisenbahngesellschaften in diesen Ländern ihm die notwendigen Konzessionen machten. Auf dieser zweiwöchigen Reise zum Preis von zehn Pfund, die am 4. Juli 1855 mit etwa 40 Teilnehmern 237 startete, war Paris nur noch der Endpunkt einer ganzen Kette von Besuchsorten - Antwerpen, Brüssel, Köln, Mainz, Mannheim, Heidelberg, Baden-Baden und Straßburg. 238 Dabei war es mehr als organisatorischer Zufall, dass die Tour in weiten Teilen den Linien des romantischen Mittelrheintals folgte, denn die „Region war der englischen Reiseklientel bekannt […] und garantierte entsprechenden Zuspruch.“ 239 Während dieser Tour wurde Thomas Cook mit einer ganzen Reihe neuer Probleme und geschäftlicher Risiken konfrontiert, wie er später notierte: „Schwierigkeiten gab es nicht wenige und nicht kleine. Beim Treffen der Vereinbarungen hatten wir heftige Kämpfe mit den kontinentalen Unternehmen; und es bedurfte ruheloser Wachsamkeit, um den Hoteliers, Geldwechslern, dem Buchungspersonal und anderen, mit denen wir Geldgeschäfte machten, gewogen zu bleiben. Die sich ändernden Wechselkurse, das Auftauchen desolater und uneinheitlicher Münzen und Banknoten; die Ansammlung von Francs, Centimes, Talern, Gold- und Silbergroschen, Pfennigen, Gulden und Kreuzern; der unvermeidliche Verlust bei jedem Umtausch; und der noch ärgerlichere, durch John Bulls Unwissenheit über die Höhe und den Umrechnungswert des ‚Kleingeldes‘ veranlasste Verlust; - alle diese monetären Verwirrungen verursachten den meisten dauerhaften Verdruss […].“ 240 Es war die erste Auslandsreise von Thomas Cook. Sie zeugt in der Tat davon, wie sehr sein Selbstvertrauen und seine <?page no="75"?> 76 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Zuversicht vor allem durch die erfolgreichen Touren nach Schottland und die Ausflüge zur Great Exhibition nach London gestärkt worden waren. Er, der die Schule bereits mit zehn Jahren verlassen musste, wagte sich im wörtlichen Sinne auf fremdes Terrain - und zwar nicht etwa alleine, sondern gleich mit einer ganzen Gruppe von Reisenden, die er, der Zeit seines Lebens keine Fremdsprache gelernt hat, auch noch führte. Sein Selbstbewusstsein zeigt sich aber auch darin, dass er die gleiche Tour mit einigen kleinen Abänderungen bei der Reiseroute kurze Zeit später, am 16. August 1855 noch einmal durchführte. 241 Schließlich hatte er aus der ersten Reise gelernt und beim zweiten Mal kannte er sich nicht nur aus mit Währungen und Umrechnungskursen, sondern konnte seinen Organisationsaufwand auch dadurch verringern, dass er nunmehr nicht an jedem Ort die Eisenbahnfahrten seiner Gäste neu buchen musste, sondern Fahrkarten verwenden konnte, die für mehr als 1.000 Meilen über alle Teilstrecken hinweg Geltung hatten. 242 Geld allerdings verdiente er auch mit seiner zweiten Reise nicht. Aber er gewann an Erfahrung und scheint die Verluste mit diesen beiden Touren als Investitionen in ein neues Geschäftsfeld angesehen zu haben, die sich über spätere Reisen rentieren sollten. Verbunden war mit diesen neuen Reisen schließlich auch eine Erweiterung der Klientel. Zielte er vordem mit seinen Reiseangeboten vor allem auf Arbeiter, Kinder und Jugendliche aus den unteren Klassen, denen er alternative Erlebnisse zum zerstörerischen Alkoholkonsum bieten wollte, so sind es jetzt auch eher arrivierte bürgerliche Kreise, die er mit seinen Auslandstouren anspricht. Es sollte allerdings noch einige Jahre dauern, bis er solche Touren für eine finanziell besser ausgestattete Klientel wiederaufnehmen konnte und schließlich diese Rechnung aufging. Bis dahin entwickelte Thomas Cook eine Reihe weiterer Angebote für Inlandsreisen. Er organisierte spezielle Bildungsexkursionen für Jugendliche und schuf mit den sommerlichen ‚Mondscheinausflügen‘ eine neue und preisgünstige Möglichkeit für die arbeitende Bevölkerung, einen Tag in einem Seebad zu verbringen. Der erste Bildungsausflug startete 1856 mit der Eisenbahn in Newcastle und brachte etwa 2.000 Kinder und Jugendliche für einen Tag in die schottische Hauptstadt Edinburgh, wo sie historisch und kulturell be- <?page no="76"?> Entscheidung und erste Erfahrungen im Ausland 77 deutsame Orte besuchten. Mit den ‚Mondscheinausflügen‘ machte Cook aus der Not eine Tugend, indem die Hin- und Rückfahrten von den Midlands und aus den nördlichen Grafschaften nach Scarborough und zu den anderen Seebädern in den sommerlichen Mondnächten stattfanden. 243 Damit wurden nicht nur Arbeitstage gespart, sondern auch das besondere Erlebnis einer Bahnfahrt durch die vom Mondlicht erleuchteten Landschaften vermittelt - wenn das Wetter denn mitspielte. <?page no="78"?> ‚Sankt Montag‘ und andere Rahmenbedingungen bgesehen von der unabdingbaren Voraussetzung der auch heute leider nicht überall gegebenen Reisefreiheit (man denke nur an Kuba oder Nordkorea), müssen in einem Land drei Bedingungen erfüllt sein, um Urlaubsreisen zu ermöglichen 244 : Zum einen muss eine entsprechende Verkehrsinfrastruktur vorhanden sein, mit der die Reisenden befördert werden können. Dass der moderne Tourismus seine Wurzeln gerade in England hat, ist daher kein Zufall, denn die hier im 19. Jahrhundert erfundene und eingesetzte Eisenbahn war das erste massentaugliche Verkehrsmittel und Thomas Cook einer derjenigen, die dies erkannt und genutzt haben. Zum anderen müssen sich die Erwerbstätigen eine Reise leisten können. Das heißt, ihre Einkünfte müssen größer sein als die für den Erhalt ihrer Existenz notwendigen Ausgaben wie die für Wohnen, Lebensmittel, Kleidung usw. - sonst bleibt die Reisefreiheit abstrakt. Schließlich bedarf es drittens genereller Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen, die mindestens eine größere Unterbrechung der Arbeitswochen pro Jahr vorsehen. Vor allem diese letzte Bedingung wirft mit Blick auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts Fragen auf. Schließlich hing der vor allem unter den englischen Arbeitern weitverbreitete Alkoholismus auch mit der Forderung der Unternehmer nach nahezu unausgesetzter Arbeit zusammen. Arbeitszeiten von zehn bis zwölf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche, waren durchaus üblich und gesetzliche oder tarifliche Urlaubsregelungen unbekannt. Wie war es dann möglich, dass diese Arbeiter die Angebote Thomas Cooks nutzen und zum Beispiel für mehrere Tage zur Great Exhibition nach London fahren oder die mehrtägige Reise nach Liverpool und Wales mitmachen konnten? Schon sein erster Ausflug am 5. Juli 1841 von Leicester nach Loughborough fand ja eben nicht an einem Sonntag, sondern an einem Montag, also einem normalen Arbeitstag, statt. Es ist kaum anzunehmen, dass die A <?page no="79"?> 80 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Teilnehmer dafür von ihren Arbeitgebern freiwillig einen freien Tag geschenkt bekamen. Wie also konnten viele Arbeiter diese Ausflüge und Touren mitmachen? Die Antwort ist einfach: Weil die Forderung der Unternehmer nach unausgesetzter Arbeit das eine war und die Wirklichkeit oftmals etwas ganz anderes. „Die Bedingungen regelmäßiger Beschäftigung in den Fabriken der Städte schienen nur die geringsten Quentchen an freier Zeit zu erlauben. Im vorangegangenen [18.] Jahrhundert waren die Arbeitsstunden normalerweise lang genug - zehn Stunden dauerte der normale Arbeitstag - und in vielen Handwerken gipfelte die Woche in einem hektischen Fieber von Aktivitäten, um Termine einzuhalten, aber der Arbeitsrhythmus war weitgehend selbstbestimmt und oft geruhsam, Wochenenden waren dehnbar und Feiertage gab es viele. Die striktere Arbeitsdisziplin kapitalistischer Produktion hatte solche Freiheiten empfindlich beschnitten. […] 1834 gab es nur noch acht halbe gesetzliche Feiertage in England und der traditionelle religiöse Festtagskalender und die Feier saisonaler Aufgaben oder bestimmter Handwerke war erheblich beschnitten worden, sowohl von den Arbeitgebern wie von der Kirche. Aber die arbeitenden Klassen weiteten die kärglich bemessene freie Zeit aus. Die sonntägliche Muße konnte zum Beispiel durch die Freigiebigkeit von ‚St. Montag‘ erweitert werden, der weiterhin über viele Anhänger verfügte.“ 245 Hinzu kam, dass sich die Menschen bei religiösen Festtagen, Sportereignissen, Jahrmärkten und Pferderennen einfach das den früheren Gewohnheiten entsprechende Recht nahmen, der Arbeit fernzubleiben. So setzten sich trotz aller generellen Disziplinierungsversuche auch lokale Traditionen wie etwa eine freie Woche um Pfingsten und/ oder andere Feiertage durch. Auch hatte fast jede der Industriestädte ihre eigene Ferienwoche (‚wakes week‘) in den Sommermonaten, in der die Produktions- und Förderanlagen gewartet werden konnten und die Arbeiter (zunächst unbezahlten) Urlaub machen und verreisen konnten. Diese kleinen Privilegien waren aber nicht nur regional ungleich verteilt, sondern hingen auch mit den jeweiligen Produktionsstrukturen vor Ort zusammen. Handwerker und Heimarbeiter zum Beispiel hatten hier größere Spielräume als Fabrikarbeiter und in kleineren Betrieben <?page no="80"?> ‚Sankt Montag‘ und andere Rahmenbedingungen 81 waren die Chancen für die Durchsetzung solcher Freiheiten auf informellem Wege deutlich größer als im Rahmen der disziplinierenden Regimes in den großen Fabrikhallen. Hier kam es eher zu „organisierten Protesten als der wiederholten sporadischen Bestätigung traditioneller Rechte.“ 246 Damit wurde gleichzeitig aber auch der Weg für übergreifende Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen geebnet, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England wirksam wurden. „Proletarischer Urlaub kann als das Ergebnis von Verhandlungen gesehen werden, in denen die traditionelle Laxheit und unbestimmte Form (fluidity) des Arbeitsprozesses eingetauscht wurde gegen strenge Disziplin und steigende Einkommen. Druck von unten, Brauchtum und moderne Managementmethoden beeinflussten sich gegenseitig zur Ermöglichung zeitweisen Ausbrechens von den Regeln der Fabrik, die dafür nochmals umso stärker bestätigt wurden.“ 247 In der Folge konnten, nicht zuletzt auch mithilfe von Unterstützungskassen, viele Familien verreisen. Ein Fabrikinspektor notierte 1875: „Die Arbeiterklasse bewegt sich auf der Fläche ihres eigenen Landes, besucht der Reihe nach Ausstellung nach Ausstellung, gibt das erworbene Geld für das ‚Sehen der Welt‘ aus, wie es die oberen Klassen 1800, die Mittelklasse 1850 taten und wie sie selbst es 1875 tun.“ 248 Auch wenn diese Äußerung aus heutiger Sicht übertrieben erscheint, weil den Arbeitern, anders als den Adligen mit der über Monate gehenden Grand Tour durch Europa 249 , zu dieser Zeit wenn überhaupt ein paar Tage für ihre Fahrten zur Verfügung standen, und weitaus weniger von ihnen sich eine Reise leisten konnten, als dies heute der Fall ist, zeigt sie doch, wie sehr sich die Verhältnisse im viktorianischen England veränderten und wie sie von Zeitgenossen wahrgenommen wurden. Die frühen Reiseunternehmungen Thomas Cooks waren einerseits also nur aufgrund dieser zunächst weitgehend ungeregelten gesellschaftlichen Umstände möglich, andererseits verstärkten sie, wie die Angebote anderer Veranstalter auch, das Interesse von Handwerkern, Arbeitern und den Trägern der sich in dieser Zeit entwickelnden bürgerlichen Berufe an Reisen und den damit verbundenen Erlebnissen. Der Hinweis auf die besuchten Ausstellungen in dem obigen Zitat ist <?page no="81"?> 82 Thomas Cook - Pionier des Tourismus ein Beleg dafür. Er bezieht sich nicht nur auf die Great Exhibition in London 1851 und die Folgeausstellungen, sondern auch auf entsprechende Veranstaltungen in anderen britischen Städten, an deren Erfolg Thomas Cook nicht unwesentlich beteiligt war. Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung von Kunstschätzen in Manchester, die am 5. Mai 1857 250 von Prinz Albert eröffnet wurde. Nachdem sich anfangs nur wenige und nur aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt stammende Besucher dafür interessierten, wandte man sich an Thomas Cook. Ihm gelang es in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Eisenbahngesellschaften, innerhalb von nur sechs Wochen um die 26.000 Besucher aus Schottland und England nach Manchester zur Kunstausstellung zu bringen. 251 Bis zu 100 Eisenbahnwaggons waren pro Nacht im Einsatz, um die große Nachfrage zu befriedigen, denn auch hier setzte Cook u.a. auf seine ‚Mondscheinfahrten‘, um den Besuchern einen ganzen Tag in der Ausstellung zu ermöglichen, ohne dass sie deswegen mehr als einen Tag von ihrer Arbeit fernbleiben mussten. Andererseits wusste er natürlich, die traditionellen Auszeiten der Arbeiter für seine Touren zu nutzen. Ein Beispiel dafür ist die sechstägige Reise, die er in der Pfingstwoche 1861 nach Paris anbot. Den Anstoß dazu gegeben hatte das von Sir Joseph Paxton 252 geleitete Londoner Arbeiterkomitee, das dort eine Demonstration veranstalten wollte. Die englischen Arbeiter sollten „den Pariser ouvriers die Hände reichen“ und ihnen versichern, dass „das britische Volk den ernsthaften Wunsch hat, auf freundschaftlicher Grundlage mit seinen Nachbarstaaten zusammenzuleben“, wie Thomas Cook es ausdrückte. 253 Bei der Vorbereitung dieser Tour wurde er in Paris, wo er sich vor allem um die Unterkünfte kümmerte, auch vom britischen Botschafter in Paris unterstützt. 254 Am 17. Mai 1861 schließlich, sechs Jahre nach seiner ersten Frankreichexkursion, verließ er London zusammen mit 1.500 bis 1.600 Personen 255 , Frauen und Kinder inbegriffen, die seinem attraktiven und stark beworbenen Angebot für ein Pfund (exklusive Unterkunft) nach Paris und zurück zu reisen, gefolgt waren. Darunter waren auch ein Photograph und ein Journalist der Illustrated London News. Ihm zufolge waren es nicht nur Arbeiter, die ihren Beitrag zur praktischen Völkerverständigung leisten - oder einfach nur günstig nach Paris <?page no="82"?> ‚Sankt Montag‘ und andere Rahmenbedingungen 83 reisen - wollten. Bei der Planung der Demonstration hatten die Organisatoren jedenfalls die Rechtslage außer Acht gelassen und mussten sie, da sie nicht angemeldet war, auf Weisung der französischen Polizei auflösen. Stattdessen erkundeten die Teilnehmer dann die Stadt in Zehner- oder Zwölfergruppen. 256 Leider war auch diese Reise kein finanzieller Erfolg; am Ende hatte Thomas Cook einen Verlust von 120 £ zu verbuchen, der vor allem auf die hohen Forderungen der South-Eastern Railways zurückzuführen war, mit denen er, nachdem sie im Folgejahr für eine ähnliche Tour ihre Preise für ihn noch einmal erhöhten, in der Folge nicht mehr zusammenarbeitete. 257 1862 war ohnedies ein schwieriges Jahr für die Unternehmungen Thomas Cooks, denn in diesem Jahr fand von Mai bis November zum zweiten Mal in London die große Weltausstellung statt, die, wie die Great Exhibition elf Jahre zuvor, wieder um die sechs Millionen Besucher anlockte. Diesmal lief das Geschäft jedoch zunächst ohne ihn, denn die Midland Railways und die Great Northern Railways hatten beschlossen, die Ausstellungsreisen in eigener Regie durchzuführen. Dafür litten natürlich seine Ausflugs- und Reiseangebote unter der Konkurrenz der Ausstellung. „Ein dicker schottischer Nebel versperrte unsere Aussichten im Norden; in England war es zweifelhaft, ob es genügend lokalen Verkehr geben würde, der die Durchführung der regionalen Ausflüge rechtfertigte; die Eisenbahngesellschaften, mit denen wir sonst zusammenarbeiteten, hatten sich entschieden, die Züge nach London unter eigener Regie und ohne die Einbeziehung von Agenten laufen zu lassen“ schrieb Thomas Cook später, im September 1862, im Excursionist. 258 Dennoch wurde das Jahr zu einem Erfolg für ihn. Wenn er auch an den Fahrten zur Ausstellung praktisch nicht beteiligt war, hatte er doch schnell erkannt, dass er, wie schon 1851, trotzdem seinen Anteil an der Beherbergung der vielen Besucher haben konnte. Nachdem er herausgefunden hatte, dass in der Londoner Fulham Road mehrere Wohnblocks für Arbeiter mit ca. 100 Zimmern pro Block, eingeteilt in Zweibis Dreizimmerwohnungen, kurz vor der Fertigstellung standen, war es ihm möglich, sie für die Dauer der Ausstellung anzumieten. Einen knappen Monat vor der Eröffnung der Weltausstellung am 1. Mai 1862 konnte er am 8. April im Excursionist vermelden, dass die Wohnungen „geeignet für Ausstel- <?page no="83"?> 84 Thomas Cook - Pionier des Tourismus lungsclubs, Familienzusammenkünfte und Besucher beiderlei Geschlechts“ geeignet seien und dass „Verwandte oder Freunde, in Gruppen von zwei bis sechs Personen, eine Wohnung für sich haben können. Jede Wohnung verfügt über große Schränke zum Einstellen von Reisetaschen usw.“ 259 Alleine für die Möblierung der Wohnungen hatte er 1.000 £ investiert. Die Kosten für Übernachtung, inklusive Frühstück, lagen bei zwei Schilling, für Halbpension wurden sechs Schilling verlangt. 260 Das Management dieser Unternehmung lag neben Thomas auch bei seiner Frau Marianne, die dabei von ihrer damals 17-jährigen gemeinsamen Tochter Annie unterstützt wurde. Am Vorabend der Ausstellungseröffnung, am 30. April 1862, wurde mit einer großen Gala inklusive eines Temperenzlertreffens, einem Gottesdienst, Reden und Musik das ‚Exhibition Visitors’ Home‘ in Betrieb genommen. Die Nachfrage war schnell so groß, dass die Refreshment Hall in einen Schlafsaal mit mehr als 100 Betten umgewandelt werden musste, um ihr einigermaßen gerecht zu werden. Auch seine Angebote für finanzkräftigere Gäste musste schnell ausgebaut und weitere fünf Häuser dazugenommen werden. Mehr als 20.000 Personen hatten am Ende der Ausstellung sein Angebot nachgefragt und viele von ihnen blieben mehr als nur eine Nacht. Firmen waren mit Teilen ihrer Belegschaft nach London gereist und hatten bei ihm Quartier gemacht. Auch ausländische Besucher nahmen die Dienste der Familie Cook in Anspruch: „Vierzig Italiener aus Turin blieben für sechs Wochen, fünfundsechzig Deutsche aus Mecklenburg für vierzehn Tage.“ 261 Nicht zuletzt verdiente der findige Thomas Cook aber auch an einem Stand außerhalb der Ausstellungshalle, an dem er schottische Memorabilien verkaufte und damit geschickt das wiedererwachte Interesse an keltischer Kultur und Geschichte ausnutzte, das er schon für seine erfolgreichen Touren nach Schottland genutzt hatte. Hier verkaufte er auch seinen Excursionist und ließ es sich nicht nehmen, gegen Provision auch Reisen nach Schottland zu verkaufen. „Er konnte zwar davon abgehalten werden, Gruppen nach Schottland zu begleiten, aber er konnte immer noch hunderte, ja tausende an Hin- und Rückfahrkarten verkaufen.“ 262 <?page no="84"?> ‚Sankt Montag‘ und andere Rahmenbedingungen 85 1862 war auch das Jahr, in dem Thomas Cook mit seiner Frau Marianne und seiner Tochter Annie nach London zog. In der Great Russel Street 59, direkt gegenüber dem Britischen Museum, im eleganten Stadtteil Bloomsbury, mieteten sie ein Haus, das dem Grafen von Bedford gehörte. 263 Mit ihm kam auch das Hauptquartier seines Unternehmens und ‚Cook’s British Museum Boarding House‘, auch wenn er es in diesem Wohnviertel nicht mit einem entsprechenden Firmenschild am Haus anzeigen, sondern dort nur ein Türschild mit seinem Namen anbringen durfte. 264 Das Temperenzlerhotel in Leicester wurde zusammen mit der neuen Pension als ein Unternehmen weitergeführt. Da er sein Büro in Leicester ebenfalls weiterbetrieb, konnte Thomas Cook seine wenigen Angestellten zunächst in einem Wintergarten auf der Gebäuderückseite unterbringen. <?page no="86"?> General Feldmarschall Napoléon überquert die Alpen eder war schon in Schottland, manche von uns haben Land’s End abgehakt, Irland ist nicht jedermanns Sache, die Internationale Ausstellung hat uns allen London überdrüssig gemacht, Scarbro‘ ist nur etwas für Invalide und Kinder, im Lake District schon vor Jahren gewesen und Fleetwood ist schlimmer als Scarbro‘ - wohin sollen wir als nächstes fahren? “ 265 Diese 1863 drängende Frage offensichtlich wohlhabender Kreise Englands konnte Thomas Cook mit sehr preisgünstigen Touren nach Paris und seiner ersten Reise in die Schweiz beantworten. Seine Antwort war jedoch weniger dem Überdruss eines Teils seiner Klientel an den üblichen Reisezielen als der Tatsache geschuldet, dass die schottischen Eisenbahngesellschaften für dieses Jahr auf seine Dienste verzichteten und die von ihm eingeführten Schottlandreisen in eigener Regie durchführten. 266 Um weiterhin im Geschäft zu bleiben, brauchte er attraktive Reisealternativen - schließlich hatte er jedes Jahr mehrere tausend Touristen nach Schottland gebracht. Aber auch mit den anderen Eisenbahngesellschaften gab es in diesem Jahr Schwierigkeiten. Erst durch die Intervention von Sir Joseph Paxton bei George Hawkins, dem Direktor der South Coast Railway in Brighton, bekam Thomas Cook seine Chance für die geplanten Reisen nach Paris und in die Schweiz. „Mr. Hawkins hatte vorgetragen, dass sowohl sein Unternehmen als auch das von Mr. Thomas Cook verlören, wenn man den Vorschlägen des letzteren folgte, aber er stimmte widerstrebend einem Versuch zu, wenn die Western Railway of France, mit der sein Unternehmen in einer Allianz verbunden war, ebenfalls zustimmte.“ Genau dies gelang Thomas Cook in Paris bei einem Treffen mit Vertretern dieser Eisenbahngesellschaft. „Der Erfolg war viel größer als angenommen und der Direktor des Unternehmens in Brighton hat später zugegeben, dass seine Bahnlinie nie ein gewinnträchtigeres Geschäft gemacht hat als das, welches man widerwil- J <?page no="87"?> 88 Thomas Cook - Pionier des Tourismus lig mit Mr. Thomas Cook eingegangen ist.“ 267 Dies bezieht sich in erster Linie auf die Vergnügungsreisen mit der Bahn von England nach Paris, wobei die Kanalüberquerung über die kleinen Häfen in Newhaven (an der Mündung der Ouse zwischen Brighton und Eastbourne) in England und Dieppe in der Normandie durchgeführt wurde. Auch wenn es kürzere Wege von London nach Paris gab, insgesamt war die Fahrtdauer nicht länger als die von London nach Edinburgh. Die Werbekampagne für die ersten beiden Reisen nach Paris brachte um die 1.600 Buchungen und es wurden zunächst zwei Exkursionen durchgeführt. Die erste leitete Thomas Cook selbst, die zweite sein Assistent John Ripley, den er von den Temperenzlern aus Leicester her kannte. 268 Nach Angaben von John Mason Cook wurden in den nächsten fünf Jahren etwa 70.000 Touristen über diese Strecke befördert. 269 Nicht zuletzt spielte hier auch der geringe Preis eine Rolle, zu dem Cook anbieten konnte: Er war nur halb so hoch wie der von London nach Edinburgh. Auch für die Häfen war dies ein gutes Geschäft und brachte ihnen den entscheidenden Entwicklungsschub. 1872 wurden deshalb beide Hafeneinfahrten vertieft, um gezeitenunabhängig angelaufen werden zu können und Reiseverzögerungen zu vermeiden. 270 Damit hatten sich die finanziellen Verluste, die Thomas Cook mit seinen ersten Reisen auf den europäischen Kontinent 1855 gemacht hatte, letztlich doch als langfristige Investitionen erwiesen, denn jetzt konnte er die dabei gemachten Erfahrungen gewinnbringend anwenden. Nachdem sich dieser Erfolg abzeichnete, reiste er sofort in die Schweiz zur Vorbereitung der ersten Rundreise, die dann vom 26. Juni bis zum 17. Juli 1863 stattfand. Die Reise ging mit etwa 130 Personen von London zunächst über die bekannte Route nach Paris, von dort ging es mit 62 Teilnehmern 271 weiter mit der Eisenbahn nach Genf, mit Kutschen durch Savoyen nach Chamonix, zu Fuß und mit Maultieren für das Gepäck nach Martigny, weiter mit der Bahn die kurze Strecke bis Sion und dann wieder per Kutschen über Leukerbad, Kandersteg, Spiez, Lauterbrunnen und Grindelwald bis Interlaken, Brienz, Stans, Alpnach und schließlich Luzern. Teile dieser Strecke wurden auch zu Fuß (Gemmipass) und mit Dampfern auf dem Thuner-, dem Brienzer- und dem Vierwaldstättersee zurückgelegt. Nach Abstechern zum Rigi und nach Küssnacht <?page no="88"?> General Feldmarschall Napoléon überquert die Alpen 89 fuhr man mit der Bahn weiter nach Olten und Neuchâtel, bevor es über das französische Pont Arlier wieder zurück nach Paris (wo man noch einige Tage verbrachte) und London ging - das Ganze für umgerechnet 19 £, 17 Schilling und 6 Pence. 272 Vergleicht man das mit dem Preis für den Erste- Klasse-Rückfahrschein London-Paris von 1 £, 7 Schilling und 6 Pence und den 17 Schilling, 6 Pence für die zweite Klasse, die Thomas Cook verlangte 273 , wird deutlich, dass dieser Preis in Verbindung mit den drei Wochen, die man für die Reise in die Schweiz aufwenden musste, eine ganz andere Klientel ansprach als mit seinen kurzen und vor allem billigen Exkursionen. Das zeigt sich auch darin, dass Mitglieder des 1857 in London von Bergsteigern gegründeten Alpine Club diese Reise mitmachten. Diese Vereinigung hatte 1863 39 Mitglieder, die vor allem der aufstrebenden oberen Mittelklasse angehörten - die größte Gruppe stellten Rechtsanwälte mit 14 Mitgliedern, gefolgt von Geschäftsleuten, Universitätsdozenten und Schulrektoren. 274 Sich dessen bewusst, hatte Cook in der Schweiz auch nicht die billigsten Quartiere ausgesucht und in Genf gehörte ein opulentes Zwölf-Gänge-Menü dazu, von dem Jemina Morrell in ihrem Reisebericht anmerkte, dass es sich auf der Speisekarte „wie das Register eines Kochbuches“ lese. 275 Bis September 1863 hatte Thomas Cook mehr als 2.000 Besucher nach Paris gebracht, von denen 500 auch die Reise in die Schweiz gemacht hatten. 276 Vor dem Hintergrund der anfänglichen Schwierigkeiten, die er bei seinen Schottlandtouren, aber auch bei den Reisen auf den Kontinent, hatte, war er nicht wenig überrascht, wie schnell auf einmal alles doch ging. Im Excursionist notierte er im Jahr darauf: „Das, was zu erlangen in Schottland Jahrzehnte dauerte, scheint in der Schweiz in einem Sprung gelungen zu sein, wo ‚Cook’s Tours‘ schon zu den Institutionen der Konföderation zählt.“ 277 Möglicherweise hing dieser schnelle Erfolg auch damit zusammen, dass er hier auf Erfahrungen seines Konkurrenten Henry Gaze aufbauen konnte. Jedenfalls hatte dieser im Jahr zuvor bereits die zweite Auflage eines Reiseführers für die Schweiz veröffentlicht und es liegt nahe, zu vermuten, dass er auch entsprechende Reisen organisiert hatte. 278 <?page no="89"?> 90 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Dieser Erfolg befeuerte Thomas Cook zur weiteren räumlichen Expansion seiner Touren auf den Kontinent. Im nächsten Schritt nahm er Italien ins Visier, das nach langen kriegerischen Auseinandersetzungen im März 1861 mit der Proklamation von Victor Emanuel II. zum König einen wesentlichen Schritt zur Einheit (die 1870 vollendet wurde) gemacht hatte, auch wenn Venetien zunächst noch unter österreichisch-habsburgischer Herrschaft blieb und Rom weiterhin im Kirchenstaat lag. Gleichzeitig wollte Thomas Cook damit den Massentourismus weiter voranbringen. In der Ausgabe vom 11. Juli 1863, als die erste Touristengruppe noch in der Schweiz unterwegs war, schrieb er im Excursionist: „Ich sehe keinen Grund, weshalb hundert nicht ebenso einfach zusammen reisen können wie ein Dutzend, und ich meine, dass der Tag nicht weit ist, an dem eine Hundertschaft (a Centurion’s corps) über einige dieser Alpenpässe marschiert, so wie der erste Napoléon die Alpen mit seiner großen Armee überquert hat.“ 279 Auch wenn Thomas Cook alles Kriegerische verabscheute, hat er die militärische Organisation, die in der Lage war, große Menschenmengen auf geordneten Bahnen zu bewegen und zu ihren Zielpunkten zu führen, wenn auch vielleicht nicht bewundert, sich aber teilweise doch ihrer Prinzipien bedient. William Fraser Rae schrieb 1891 sehr zurückhaltend dazu: „Es war eine spezielle Eigenart in diesem System von Touren, dass jede Gruppe von jemandem begleitet wurde, der Informationen übermitteln und darauf achten sollte, dass das Programm pünktlich ausgeführt wurde. In England und Schottland war die Begleitung durch einen Leiter eine Voraussetzung für die Durchführung der Exkursionen. Im Ausland war die Notwendigkeit für die persönliche Aufsicht sogar größer, da nur wenige derjenigen in den Reisegruppen, die Mr. Thomas Cook anführte, mit irgendeiner anderen als der eigenen Sprache vertraut waren. Mr. Thomas Cook wurde begleitet von einem Führer und Dolmetscher, über dessen Dienstleistungen seine Gruppe verfügte und die Touristen waren daher in der Lage, sich in einer Weise an dem, was sie sahen, zu erfreuen, die ihnen nicht möglich gewesen wäre, wenn sie alleine gereist wären und konnten dies zu erheblich niedrigeren Kosten tun als wenn sie gezwungen gewesen wären, Führer und Dolmetscher an jedem Halt selbst zu en- <?page no="90"?> General Feldmarschall Napoléon überquert die Alpen 91 gagieren.“ 280 Etwas unverblümter war der schottische Drucker, Verleger und Politiker William Chambers (1800-1883), den Thomas Cook auf seinen Schottlandreisen kennen- und zu schätzen gelernt hatte. Er war so beeindruckt von der Art, mit der er seine Touristentruppen durch Schottland führte, dass er ihn „den Feldmarschall“ nannte. 281 In einem nach seinem Tod 1892 in Australien erschienem Nachruf auf Thomas Cook ist die Rede von „vielen Anekdoten, die sich auf ihren [282] durchdringenden Generalston (acute generalship) bei der Führung von Touristengruppen durch fremde Länder“ 283 beziehen. Daher auch der Spitzname „der General“, den man dem friedliebenden kleinen Mann verpasste. „Einmal befahl er einer Gruppe von Touristen (die früh aufgestanden waren und kein Frühstück bekommen hatten): ‚Schultert die Schals - hebt die Koffer - geschwind marschiert! ‘“ 284 Insofern war der Bezug auf Napoléon und seine Armee in den Ausführungen Cooks sicher nicht aus der Luft gegriffen, auch wenn seine ‚Invasion‘ mit Touristen nur friedlichen Zwecken diente und nicht nur den Wünschen der Touristen entsprach, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile für die Destinationen mit sich brachte. Es dauerte auch nicht lange, bis Thomas Cook unter dem Spitznamen ‚Napoléon of Excursions‘ gefeiert wurde. 285 Dieser zivile Napoléon reiste jedoch im Herbst 1863 erst einmal alleine über die Alpen, um das ihm unbekannte Terrain für seine nachfolgenden Touristentruppen zu erkunden. Von Frankreich aus überquerte er den Mont Cenis mit der Kutsche und gelangte ins italienische Susa. Hier ging es weiter nach Turin, Mailand, Florenz, Livorno, Genua und von dort fuhr ein weitgehend begeisterter Thomas Cook zurück nach Paris. Meistens reiste er zweimal in ein neues Zielgebiet, bevor er seine ersten Reisegruppen dorthin führte. Beim ersten Mal ging es dabei nur um seine Erkundung und die Festlegung möglicher Routen, beim zweiten Mal wurde dann konkret mit Eisenbahngesellschaften und Hotels verhandelt. 286 Die erste der von Thomas Cook angebotenen Reisen startete am 4. Juli 1864 und die Nachfrage überstieg zunächst die Anzahl der verfügbaren Plätze. 287 Dafür gab es mehrere Gründe. Zum ersten gehörte Italien zu den klassischen Zielen der adeligen Grand Tour, an deren Muster sich auch die Reisen <?page no="91"?> 92 Thomas Cook - Pionier des Tourismus des aufstrebenden Bürgertums orientierten. Dass es von den Grand-Touristen des 18. Jahrhunderts Frankreich vorgezogen wurde, lag nicht zuletzt an seiner damaligen politischen Schwäche in Verbindung mit der glorreichen Vergangenheit des Imperium Romanum. Frankreich dagegen wurde in Großbritannien bereits damals mehr als weltpolitischer Konkurrent denn als Kulturnation wahrgenommen. „Italien, auf der anderen Seite, war keine Bedrohung, denn es schien offensichtlich ein Land im Niedergang zu sein. Italiens Größe lag in der Vergangenheit, das war genau das, was seine Anziehungskraft für den Grand-Touristen des 18. Jahrhunderts ausmachte.“ 288 Zum zweiten hatten Schriftsteller und Dichter wie John Keats (geboren 1795 in London, gestorben 1821 in Rom), Percy Shelley (geboren 1792 in Sussex, gestorben 1822 bei Viareggio), bei dem Keats seine letzten Lebensjahre in Rom verbrachte, Robert Browning (geboren 1812 in London, gestorben 1889 in Venedig) und seine Frau Elizabeth Barret Browning (geboren 1806 in Durham, gestorben 1861 in Florenz) sowie Lord Byron (geboren 1788 in London, gestorben 1824 in Griechenland) durch ihre Wohnsitze in Italien das Land ebenso interessant gemacht wie das Idol des Risorgimento, Guiseppe Garibaldi. Dieser Held der italienischen Einheit, der mit den militärischen Aktionen seiner ‚Rothemden‘ wesentlich zur Errichtung des Nationalstaates auf dem Appennin beigetragen hatte, sprach vor allem die englischen Arbeiter an. „Er strahlte eine romantische Aura aus, die viele aus der Arbeiterklasse, die selbst politische Rechte für sich erreichen wollten, mitreißend fanden. Die neue italienische Regierung hatte einen Glanz wie keine andere und konnte sich sogar Guiseppe Verdis als Mitglied des ersten nationalen Parlamentes rühmen.“ 289 Diese Bewunderung wurde besonders deutlich, als Garibaldi, den der Papst wegen seines Angriffs auf den Kirchenstaat exkommuniziert hatte, im April 1864 für knapp drei Wochen das protestantische England besuchte. Zu seinem ‚Empfang für das Volk‘ im Kristallpalast in London gab es, wie 13 Jahre zuvor, als hier mit der Great Exhibition die erste Weltausstellung stattgefunden hatte, Sonderzüge aus allen Teilen Englands. Nach einem Bericht der Times vom 19. April 1864 waren offiziellen Schätzungen zufolge zwischen 24.000 und 25.000 Menschen dieser Einladung gefolgt. 290 <?page no="92"?> General Feldmarschall Napoléon überquert die Alpen 93 Es war also kein Wunder, dass die spezielle Italienbegeisterung dieses Jahres in England zu einer so großen Nachfrage nach Cooks erster Tour in dieses Land führte. Diese Begeisterung wurde aber sicher auch dadurch befördert, dass es ihm nicht nur gelungen war, selber Rundreisefahrkarten auszustellen, die den größten Teil der Fahrten mit Eisenbahnen, Dampfern und Kutschen abdeckten, sondern - unter der Bedingung, dass seine Gruppen aus mindestens 50 Reisenden bestanden - auch erhebliche Preisnachlässe auszuhandeln, die er an seine Kunden weitergab. 291 Ein geschäftlicher Erfolg allerdings waren diese Reisen für Thomas Cook und sein Unternehmen jedoch immer noch nicht. Die 140 Touristen, die er 1864 über 3.000 Meilen nach und durch Italien brachte, trugen ebensowenig zu einem Gewinn bei wie die 1.200, die in diesem Jahr durch die Schweiz reisten, oder die 3.000, die Paris besuchten. „Cooks Gewinnspannen waren immer klein. Aber das Problem war, worauf John aufmerksam machte, dass sein Vater gerne das Geschäft dem Altruismus opferte. Er erlaubte es Baptisten oder Temperenzlern manchmal, zu Selbstkosten mitzufahren. Er hörte sich oft Geschichten vom Pech der Leute an und versäumte es gelegentlich, hart zu verhandeln.“ 292 In einem späteren Brief an seinen Vater beschwerte John Mason Cook sich, dass „effektive Geschäftsvereinbarungen ständig gegenüber Persönlichem zurücktreten müssen, wohingegen ich es niemals zugelassen habe, dass meine Familien- oder Privatangelegenheiten meine Geschäftstätigkeit oder meine Pflichten auch nur für eine Stunde beeinträchtigen.“ 293 <?page no="94"?> Unternehmer mit und ohne Klauen: der Familienkonflikt im Hause Cook n eignergeführten Unternehmen prallen zwangsläufig zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein können und die für die meisten Menschen strikt voneinander getrennt sind - Arbeitswelt und private Existenz. Ihr Zusammenspiel ist in der Tat problematisch. Beide Welten unterscheiden sich fundamental voneinander. Das System der Familie ist bestimmt von verwandtschaftlicher Bindung und emotionaler Nähe. Im Idealfall zählen in der Familie die Positiva Liebe, Geborgenheit und Fürsorge. Aber Emotionen sind ambivalent. Entsprechend sind auch die Negativa wirksam - Abneigung, Kälte und Distanz. Im System Unternehmen dominieren dagegen rationale, an Wettbewerb und Gewinnmaximierung orientierte Gesichtspunkte. Weil beide Sphären so eng miteinander verknüpft sind, werden Entscheidungen gleichermaßen von sachlichen und emotionalen Motiven geprägt. […] Die beiden Systeme werden von unterschiedlichen Personen und Denkarten dominiert. Zudem sind sie miteinander verbunden und stehen in Wechselwirkung. Damit beginnen die Probleme und das heikle Thema der Rollen in diesen so verschiedenen Welten.“ 294 Was hier allgemein und aus heutiger Warte beschrieben wird, traf grundsätzlich auch auf das Verhältnis von Thomas Cook zu seinem Sohn John Mason zu, auch wenn es im Speziellen, wie jeder andere Fall auch, besondere Eigenarten und Umstände aufwies. John Mason ist uns schon mehrfach als Gehilfe seines Vaters begegnet, der schon in jungen Jahren verantwortungsvolle Aufgaben nicht nur in der väterlichen Druckerei, sondern vor allem auch als Reiseleiter auf den von seinem Vater organisierten Exkursionen übernommen und offensichtlich ohne Probleme gemeistert hat. „Seine nicht zu bändigende Energie zeigte er schon als sechsjähriges Kind, als er sich alleine zu einer dreitägigen Reise aufmachte, bei der er zu Fuß, mit dem [Pferde-]Omnibus, der Eisenbahn und über Kanäle mit I <?page no="95"?> 96 Thomas Cook - Pionier des Tourismus vielem Umsteigen unterwegs war, um auf dem Land das Haus seiner Mutter persönlich kennenzulernen.“ 295 Diese Energie, seine frühe engagierte Mitarbeit im Unternehmen und die zweifellos vorhandenen Talente seines Sohnes hat Thomas Cook lange nicht erkannt oder wohl eher nicht wahrhaben wollen. Er hat vor dem Hintergrund seiner baptistischen Berufung und seines Engagements für die Sache der Temperenzler, inklusive der in diesem Zusammenhang entstandenen Reiseaktivitäten, auch nicht gesehen, dass er seinen Sohn „schon fast im Kleinkindalter praktisch für seine Zwecke abgerichtet und eingespannt hatte (broken to harness almost as an infant)“, wie es in einem Nachruf auf John Mason Cook 1899 etwas sarkastisch hieß. 296 Das Verhältnis zu seinen Eltern, besonders das zu seinem Vater, war daher gespannt. „John Mason Cook war ein Opfer der Philanthropie seines Vaters. Er stand nach Thomas’ Zuneigung zu seiner Temperenz und seinem Einsatz für das Reisen an zweiter Stelle“ 297 , nahm also genaugenommen nur den dritten Rang ein - wobei die Frage zu stellen wäre, welchen Stellenwert eigentlich seine Frau Marianne und später seine Tochter Annie bei ihm hatten. Ein Zeichen seiner Nachrangigkeit und ‚Zähmung‘ mag man auch darin sehen, dass John Mason einerseits zwar bis zum Alter von 14 Jahren zur Schule gehen konnte, andererseits außerhalb der Schulzeit jedoch entweder am Setzkasten in der Druckerei seines Vaters oder mit dem Versenden der monatlich erscheinenden Publikationen beschäftigt war. 298 Dies hatte auch mit dem geringen Einkommen zu tun, das der „Prediger und Enthusiast der Temperenz aus Leicestershire, welcher der Verbreitung von Prinzipien viel Zeit widmete, die er gewinnträchtiger in seinem Handwerk angelegt haben könnte“ 299 , erzielte. Entsprechend waren die Schulleistungen seines Sohnes auch nicht die besten, so dass er, wie schon berichtet, ab 1848 nicht mehr in die Schule ging, sondern in Derby bei einem Drucker arbeitete. „Was er in seinem späteren Leben wusste (und er wusste viel), hatte er sich selber beigebracht.“ 300 Darin unterschied er sich zunächst nicht von Thomas Cook, der ja schon vier Jahre früher als sein Sohn die Schule verlassen musste. Jedoch war er, wie Piers Brendon anmerkt, „kein Autodidakt wie sein Vater und <?page no="96"?> Der Familienkonflikt im Hause Cook 97 er hat einmal vor der versammelten Belegschaft eingestanden, dass viele von ihnen über eine bessere Bildung verfügten als er selbst. Er stemmte sich auch gegen Thomas’ menschliche Interessen und seine liberalen Ideale.“ 301 Gleichzeitig war er sozusagen Temperenzler von Geburt und hat in seinem ganzen Leben wohl keinen Alkohol getrunken. In diesem Punkt hat er seinem Vater also nie widersprochen. Anders beim Rauchen: Im Gegensatz zu seinem Vater war er Raucher und vor allem ein großer Freund von Zigarren. 302 John Mason war das, was man heute - in diesem Fall nicht ohne Ironie - einen ‚Workaholic‘ nennen würde: In Derby arbeitete er oft 18 Stunden am Tag. 303 Der Lohn, den er dafür bekam, war ihm jedoch zu gering und so kam er zurück in die Druckerei seines Vaters. Hier lag ihm die harte körperliche Arbeit als Drucker, der die schwere Handpresse bedienen musste, mehr als die penible Arbeit als Setzer. Schon als Lehrling konnte er Plakate schneller abziehen als irgendein erfahrener Druckergeselle. Auch verteilte er die Plakate für die Ausflüge und Touren seines Vaters über die gesamten Midlands und machte generell Werbung dafür. Im Sommer arbeitete er bereits in sehr jungen Jahren als Zugbegleiter auf den Touren nach Schottland und in andere Zielgebiete. Der Konflikt zwischen Thomas und seinem Sohn John Mason lag nicht nur in den unterschiedlichen Temperamenten und Weltsichten der beiden - hier der weiche Idealist, dort der harte Pragmatiker -, er hatte auch, wie kaum anders zu erwarten, eine starke familiäre Komponente. Als seine Schwester Annie 1845 geboren wurde, war John Mason Cook bereits elf Jahre alt und längst eingespannt in die verschiedenen unternehmerischen Aktivitäten seines Vaters. Und wie es mit Nachkömmlingen, besonders Mädchen, oft der Fall ist, waren die Eltern hier besonders permissiv - vor allem aus der Sicht des Erstgeborenen, der auf eine harte und arbeitsreiche Kindheit zurückblickte. „Auch wenn es keinen Zweifel an der Zuneigung seiner Eltern zu ihm gibt, dürfte John kaum der Kontrast zwischen der Nachgiebigkeit seiner Schwester […] gegenüber mit dem strengen Regime, dem er ausgesetzt war, entgangen sein. Der folgende Konflikt zwischen Vater und Sohn legt nahe, dass ihre Differenzen anhaltend und tiefsitzend waren.“ 304 1856 trennten sich daher ihre Wege zunächst. <?page no="97"?> 98 Thomas Cook - Pionier des Tourismus John Mason nahm das Angebot von John Ellis, dem Direktor der Midland Railways, an, bei ihm die Abteilung für den Ausflugsverkehr zu übernehmen - eine Position, die seinen Erfahrungen und Fähigkeiten entsprach und die er, frei von den empfundenen Einschränkungen durch seinen Vater, voller Energie anging. Wie schon als Drucker in Derby waren auch hier 18-stündige Arbeitstage, vor allem in den Sommermonaten, keine Ausnahme. Er blieb allerdings auch weiterhin in Kontakt mit seinem Vater und half ihm auch gelegentlich aus. Indes war die Bezahlung bei der Eisenbahngesellschaft mit 75 Pfund im Jahr nicht gerade üppig, so dass er sich nach drei Jahren entschloss, in seinen alten Beruf zurückzukehren und eine eigene Druckerei in Leicester aufzumachen, die er dann fünf Jahre lang betreiben sollte. Diese Entscheidung war möglicherweise auch dadurch beeinflusst, dass er als Selbständiger freier war und seinem Vater in seinen Geschäften bei Bedarf zur Seite stehen konnte. 305 In dieser Zeit, 1861, heiratete er Emma Hodges, die Tochter eines wohlhabenden Webwarenfabrikanten aus Leicester, die im Jahr darauf das erste der vier gemeinsamen Kinder zur Welt brachte. 306 1864 bat Thomas Cook seinen Sohn, doch wieder zu ihm in das Unternehmen, das seit zwei Jahren in London beheimatet war, zurückzukehren. 307 John Mason war jedoch skeptisch und wies in seinem Antwortbrief darauf hin, dass sie in der Vergangenheit nicht in der Lage gewesen wären, ihre unter- Frank Henry Cook * 1862 † 1931 Edith Anne Cook * 1863 † 1916 Ernest Edward Cook * 1865 † 1955 Thomas Albert Cook * 1867 † 1914 Margret Russel Thomas Cook * 1808 † 1892 Marianne Mason John Mason Cook * 1834 † 1899 Emma Hodges Henry Cook * 1835 † 1835 Annie Maria Cook * 1845 † 1880 N.N. * ? † ? Beatrice Elliot Lindell Albert Henry Williams Cook <?page no="98"?> Der Familienkonflikt im Hause Cook 99 schiedlichen Auffassungen zusammenzuführen. Weshalb sollte es jetzt besser werden? Thomas Cook wollte die Probleme, die sie in der Vergangenheit miteinander hatten, vergessen und versprach, ihm größere Autonomie einzuräumen. Dazu bot er ihm konkret die Büroleitung im neuen Hauptquartier an, das im April 1865 in der Fleet Street 308 , dem damaligen Zentrum der britischen Presse, in London eröffnet wurde und in das Thomas Cook praktisch seine ganzen verfügbaren Mittel steckte. Das war zu einem Zeitpunkt, als das ganze Unternehmen nach späteren Angaben von John Mason Cook „nur aus Thomas Cook, mir, zwei Assistenten und einem Boten bestand; und die gesamten Jahreseinnahmen unter zwanzigtausend Pfund lagen - was sowohl mein Vater als auch ich als großen Erfolg empfanden.“ 309 Familienfoto von John Mason Cook mit seiner Frau Emma und seinem Sohn Frank Henry (ca. 1870) Man kann darüber spekulieren, was John Mason, trotz aller begründeten Skepsis dem Angebot seines Vaters gegenüber, schließlich dazu veranlasste, es anzunehmen. 310 Eine nicht unwesentliche Rolle spielte auf der einen Seite die harte Konkurrenz, der seine Druckerei in Leicester ausgesetzt war - eine Erfahrung, die vor ihm dort auch schon sein Vater gemacht hatte. Auf der anderen Seite sah er erhebliches geschäftliches Potenzial in der Reiseunternehmung, die seiner Ansicht nach unternehmerisch immer noch in der Kinderschuhen steckte. In Verbindung mit der deutlich zu erkennenden positiven Entwicklung des britischen Reisemarktes und eines Trends zu Reisen ins Ausland waren die Aussich- <?page no="99"?> 100 Thomas Cook - Pionier des Tourismus ten für ein erhebliches Wachstum des Unternehmens so gut, dass er der Versuchung wohl nicht widerstehen konnte. Bestärkt darin hat ihn sicher auch das zunächst noch vage Angebot einer vollen Partnerschaft, die allerdings erst Jahre später, 1871, realisiert und das Unternehmen im Jahr darauf entsprechend in Thos. Cook & Son umbenannt wurde. „Während dieser Jahre hat John in Wirklichkeit das Unternehmen erschaffen. Oder überführte vielmehr die wackelige Mission guten Willens seines Vaters in eine effiziente kommerzielle Organisation. Nur jemand mit außergewöhnlicher Entschlossenheit konnte dies erreichen und John hatte diese Eigenschaft im Überfluss.“ 311 Demgegenüber war die Motivation Thomas Cooks einfach: Er wollte einerseits dem Büroalltag entfliehen und wieder mehr selbst reisen. Die häufige und lange Abwesenheit des Vaters eröffnete dem Sohn andererseits Chancen der Verwirklichung eigener Vorstellungen und Ideen, die allerdings dadurch stark eingegrenzt wurden, dass die letzte Entscheidung zunächst im Prinzip bei Thomas Cook als alleinigem Besitzer des Unternehmens blieb. Die langen Jahre, bis er seinen Sohn als gleichberechtigten Partner akzeptierte, sind Ausdruck der auch weiterhin konflikthaften Beziehung zu ihm. In einem ausführlichen Nachruf auf John Mason Cook wurde er als „in manchem als Gegenstück“ zu seinem Vater gesehen, „der Qualitäten aufwies, die der andere nicht hatte. Dennoch kann bezweifelt werden, dass der ältere dem jüngeren vollständig traute; er tat es sicherlich nicht bevor der letztere seit längerem die reiferen Jahre erreicht hatte. Väter vor Thomas Cook waren langsam, die Fähigkeiten ihres eigenen Fleisches und Blutes wahrzunehmen und anzuerkennen. Es dauerte lange, bevor er seinen Sohn als ständigen Assistenten akzeptierte und noch länger, bis er ihn als Partner in seinen schnell wachsenden Konzern aufnahm.“ 312 Wir haben es hier mit dem eher seltenen Fall zu tun, dass nicht nur das Misstrauen des Firmengründers seinem Sohn als späterem Nachfolger gegenüber offensichtlich unbegründet ist, sondern dieser sogar der bessere Unternehmer und Geschäftsmann ist. Das wird nicht zuletzt deutlich an dem Vermögen, dass sie bei ihrem Tod jeweils hinterließen. Als der Vater 1892 starb, belief es sich auf die für die damalige <?page no="100"?> Der Familienkonflikt im Hause Cook 101 Zeit sehr ansehnliche Summe von 2.497 Pfund, 1 Schilling und 6 Pence. 313 Als ihm sein Sohn John Mason nur sieben Jahre später folgte, hinterließ er dagegen ein Vermögen, das auf 736.420 Pfund geschätzt wurde. 314 Nicht ohne Grund: „Wenn John Mason nicht zur Firma zurückgekehrt wäre“, stellt Jill Hamilton fest, „wäre es unwahrscheinlich, dass sie überlebt hätte.“ 315 Es wäre Thomas Cook dann nicht anders ergangen als den frühen Konkurrenten, deren Unternehmen allesamt von der Bildfläche verschwunden sind. „Seine Stellung als Unternehmer ist an seine Leistung geknüpft und überlebt seine Tatkraft nicht. Sie ist essentiell nur temporär, namentlich auch nicht vererbbar: Die soziale Stellung entgleitet dem Nachfolger, der mit der Beute nicht auch die Klaue des Löwen geerbt hat.“ 316 Im Falle Cook kehrt sich dieses Diktum Joseph Schumpeters um: Die Klaue des Löwen hatte John Mason, nicht sein Vater Thomas - was der Sohn ihm, wie wir gesehen haben, auch durchaus vorwarf. Erst die Enkel werden sie einziehen und das Unternehmen verlassen. Darüber später mehr. Der eingangs in diesem Kapitel beschriebene strukturelle Konflikt in Familienunternehmen war bei Cook schon deshalb besonders ausgeprägt, weil „für Thomas […] die Firma wenig mehr [war] als eine Erweiterung der Familie; für John war Geschäft Geschäft.“ 317 Das zeigte sich bespielhaft an der Auseinandersetzung zwischen John Mason und seinen Eltern, als dieser die Entnahme von 2.000 Pfund, die seine Mutter vom Firmenauf ihr Privatkonto überwiesen hatte, monierte, weil er sich dadurch übervorteilt sah. Das Geld stammte aus dem äußerst erfolgreichen Hotelgeschäft, das Thomas Cook zusammen mit seiner Frau Marianne 1867 anlässlich der Weltausstellung in Paris gemacht hatte. Von den etwa 20.000 Besuchern, deren Reise John Mason organisiert hatte, übernachtete etwa die Hälfte im firmeneigenen Hotel. Er selbst habe, schrieb er später in einem Brief an seinen Vater, mehr als 100 Nächte durchgearbeitet, um Reisende für die Weltausstellung zusammenzubekommen. 318 Umgekehrt traute auch Thomas seinem Sohn nicht und beschuldigte ihn 1870, den Kassenbestand für seine eigenen Zwecke manipuliert zu haben. John Mason verließ daraufhin aufgebracht das Büro und kehrte erst zwei Tage später wieder zurück, nach- <?page no="101"?> 102 Thomas Cook - Pionier des Tourismus dem Thomas ihn persönlich - wohl nicht, ohne sich bei ihm zu entschuldigen - von zu Hause abgeholt hatte. 319 Deshalb war John Mason zunächst auch nicht unbedingt daran interessiert, Partner in dem von seinem Vater gegründeten Unternehmen zu werden. Er fürchtete, dass die Konflikte dadurch noch zunehmen würden. Selbst als Thomas, der wohl langsam begriffen hatte, was er an seinem Sohn hatte, ihm die Unternehmensmehrheit anbot, lehnte John Mason erst einmal ab. Dass Thomas weiterhin insistierte, hing sicherlich auch mit seinem Alter zusammen: 1871, als der Sohn schließlich, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der glänzenden Geschäftsaussichten für das Unternehmen, nachgab, war er bereits 62 Jahre alt. John Mason wollte jedoch nicht die Mehrheit, sondern eine gleichberechtigte Partnerschaft mit seinem Vater. Immer noch skeptisch, vereinbarte er zudem eine zunächst auf sieben Jahre begrenzte Laufzeit seines Engagements für die Firma. 320 Aus seiner Sicht blieb die Skepsis mehr als berechtigt. Nach wie vor warf er dem Vater vor, seine religiösen und vor allem seine Ziele als Temperenzler den Geschäftsinteressen voranzustellen. Auch wenn er selbst immer ein Temperenzler war, in der Folge sah er sich und seine Arbeit missbraucht, um die Hobbys seines Vaters zu subventionieren. Einen entsprechenden Brief schickte er Thomas, als dieser, auf der Rückkehr von seiner Weltreise, 1873 wegen des über Erwarten gut gehenden Geschäfts in Palästina und Ägypten noch dort tätig war. In einem Brief an seine Frau Marianne schrieb Thomas darüber: „Ich werde mich nicht selbst unter Druck setzen. Ich weiß, dass meine Empfindungen ihm und Dir gegenüber richtig sind, und ebenfalls die zu meinem lieben Mädchen [seine Tochter Annie], und ich werde mich nicht vom Pfade der Pflichterfüllung zu einer Spaltung meiner Familie abbringen lassen. Er [John Mason] mag die Vermischung meiner Mission mit dem Geschäft nicht; aber er kann mir nicht das Vergnügen vorenthalten, das ich aus dieser Verbindung gezogen habe; es hat mir meine Reise versüßt und ich hoffe, auch mein Herz vervollkommnet, ohne dem kommerziellen Zweck meiner Reise zu schaden. Ich lasse mich weder aus meiner Position vertreiben, noch werde ich den Geist meiner <?page no="102"?> Der Familienkonflikt im Hause Cook 103 Äußerungen einschränken, und ich habe ihm das sehr deutlich gesagt.“ 321 Der nächste Konflikt war da schon längst angelegt. Schon vor der Unterzeichnung der Partnerschaftsvereinbarung stimmte er John Mason zwar im Prinzip zu, dass ihr Unternehmen wegen der weiter wachsenden Aktivitäten mehr Platz und damit ein neues Bürogebäude in London brauchte, aber Thomas Cook selbst wollte die Entscheidung dafür nicht treffen. Gleichwohl gab er seinem Sohn die etwas vage formulierte Erlaubnis, sich darum zu kümmern und soviel Geld wie nötig für diesen Zweck zu verwenden, ohne dass jedoch das Geschäft davon beeinträchtigt wird. 322 Dieser wartete klugerweise bis zur Abfahrt des Vaters zu seiner Weltreise, die er im Herbst 1872 antrat. 323 Ludgate Circus ca. 1873 Am Ludgate Circus, am östlichen Ende der Fleet Street, ließ er mit Blick auf die vermutete zukünftige positive Entwicklung des Reisegeschäftes ein so großes Gebäude errichten, das es den momentanen Raumbedarf des Unternehmens überschritt. Deshalb wurden die zunächst nicht gebrauchten Teile des Gebäudes vermietet. Zur Finanzierung der Investition von 30.000 Pfund nahm er zudem einen Bankkredit in Anspruch. Vorher hatte er die noch bestehende Hypothek auf das Hotel in Leicester in Höhe von 1.100 Pfund abgelöst. Nachdem Thomas Cook nach fast acht Monaten Abwesenheit durch seine Weltreise nach London zurückgekehrt war, kam es deshalb zu einem handfesten Streit. Nachdem er John Mason vorwarf, er müsse entweder ihn oder jemand anderes beraubt haben, um die Hypothek in Leicester abzulösen 324 , beschuldigte er ihn zudem, das Gesellschaftsvermögen für seine persönlichen Spekulationsgeschäfte in Verbindung mit <?page no="103"?> 104 Thomas Cook - Pionier des Tourismus dem Gebäude eingesetzt zu haben. Auch den Kredit, den John Mason für den Bau des neuen Verwaltungsgebäudes aufgenommen hatte, missbilligte er. John Mason hielt dagegen, dass das Geschäft so gut liefe, dass man es sich sehr wohl habe leisten können, die eine Hypothek abzulösen und einen neuen Kredit aufzunehmen. Zudem sei er durch den Gesellschaftsvertrag berechtigt, solche Geschäfte zu tätigen. John Mason hatte wohl in jedem Punkt recht: Nur zwei Jahre nach Eröffnung des neuen Hauptquartiers des Unternehmens hatte er den Kredit dafür bereits abbezahlt. Damit konnte er feststellen, dass die Entscheidung für das neue Verwaltungsgebäude mehr zur positiven Entwicklung des Unternehmens beigetragen hatte als alle anderen seit dem Umzug des Unternehmens nach London im Jahre 1862. Damit waren die Konflikte im Hause Cook aber keineswegs beendet. Letztlich gingen sie darauf zurück, dass Thomas Cook „die Firma als eine Art gemeinnütziges Unternehmen gegründet hatte und berechtigt war, ihren altruistischen Charakter zu wahren.“ 325 John Mason dagegen war für eine strikte Trennung von Geschäft und privaten Angelegenheiten, zu denen er nicht nur die Familie zählte, sondern auch die Philanthropie. Zudem hatte er aus der vom Vater gegründeten und mehr nebenbei und eher chaotisch geleiteten Firma, die nicht selten dem Zusammenbruch nahe war, erst ein professionell geführtes, solides Unternehmen gemacht. Die Interessen von Thomas lagen nach wie vor in erster Linie im sozialen (Arbeiter und Temperenzler) und religiösen (Baptisten) Bereich und zumindest ein Teil seiner Reiseaktivitäten war weitgehend unverändert entsprechenden Zwecken untergeordnet. So insistierte Thomas auf Rabatte für Reisegruppen von Baptisten und setzte durch, dass zum Beispiel 1875 und 1877 entsprechende Fahrten nach Rom und in die Vereinigten Staaten zu Sonderkonditionen stattfanden. John dagegen stemmte sich gegen Rabatte für Baptisten und andere Freunde seines Vaters und wollte das Reisegeschäft strikt an Profitabilitätskriterien ausrichten. Beide Positionen waren nicht kompatibel und es war klar, dass John Mason, wenn er nicht vorher das gemeinsame Unternehmen im Streit verlassen würde, diesen Kampf gewinnt. <?page no="104"?> Der Familienkonflikt im Hause Cook 105 Der Konflikt eskalierte nicht zuletzt auch wegen des Partners in den USA, Edwin M. Jenkins, mit dem die Cooks 1872 das Gemeinschaftsunternehmen Cook, Son & Jenkins in New York gegründet hatten, nachdem 1867 ein erster Versuch der Etablierung eines US-amerikanischen Ablegers gescheitert war. 326 Edwin M. Jenkins war ein Bankkassierer aus Alleghany in Pennsylvania, den die Cooks zuvor anlässlich einer von ihnen organisierten Europareise für eine Gruppe USamerikanischer Freimaurer, die Knights Templar, kennengelernt und den sie für den idealen Partner gehalten hatten. 327 An dem Gemeinschaftsunternehmen hielten die Cooks und Jenkins jeweils 50 Prozent des Stammkapitals in Höhe von 10.000 Dollar, wobei sie die gesamte Summe stellten und Jenkins seinen Teil gegen einen Schuldschein liehen. Noch im Jahr der Gründung begleitete Edwin M. Jenkins die erste Gruppe nach Europa. 1873 erschien die erste Nummer des US-amerikanischen Excursionist und die neue Firma brachte mehr als 1.400 Amerikaner nach Europa. Gleichzeitig wurden Touren durch die USA angeboten und Zweigstellen in Boston, Philadelphia und Washington D.C. eröffnet. Kurzum: Edwin M. Jenkins brannte ein Feuerwerk von Aktivitäten ab, zu denen auch erfolgreiche Verhandlungen mit den Eisenbahngesellschaften gehörten, an deren Ende Cook, Son & Jenkins eigene Tickets in einer Vielzahl von Kombinationen durch die gesamten USA ausstellen konnte. Zur Jahrhundertausstellung 328 1876 in Philadelphia - sein Unternehmen war von der Britischen Kommission dafür als offizieller Agent für die Beförderung der Aussteller bestimmt worden 329 - reiste Thomas Cook selbst in die USA und verbrachte in der Doppelrolle als Repräsentant seines Unternehmens und der britischen Temperenzler 330 den größten Teil des Jahres dort - was John Mason in London durchaus gelegen kam. Das neue Unternehmen war unter der persönlichen Leitung von Thomas Cook mit einem der mehr als 200 Pavillons, dem ‚World Ticket Office‘, auch selbst auf dem riesigen Gelände vertreten. Ausgestellt waren u.a. die Zelte und Ausrüstungen, mit denen Cooks Gruppen durch das Heilige Land reisten und die Mumie einer ägyptischen Prinzessin. Obwohl mehr als eine halbe Million Besucher den Weg in das ‚World Ticket Office‘ fanden, konnte man am Ende nicht viel mehr als eine schwarze Null verbuchen. Das hatte auch damit zu tun, dass die Reiseagenturen sich dagegen wandten, dass Cook, Son & <?page no="105"?> 106 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Jenkins eigene Tickets ausstellen konnten und Druck auf die etwa 150 Verkehrsunternehmen ausübten, mit denen entsprechende Verträge abgeschlossen worden waren. Einige davon hielten dem nicht stand und verweigerten in der Folge die Akzeptanz der von Cook ausgestellten Tickets. Für den liberalen Thomas Cook war dies Ausdruck des von ihm bekämpften Protektionismus. Aber das war nicht das eigentliche Problem, denn letztlich setzte sich Cook auf dem Markt durch. Das eigentliche Problem war Edwin M. Jenkins. Schon 1875 hatte John Mason Cook ihn anlässlich seines Vorschlages, gemeinsam in Kohle zu spekulieren, in einem Brief darauf hingewiesen, dass er seine gesamte Zeit und Energie nicht irgendwelchen Spekulationen, sondern dem gemeinsamen Unternehmen zu widmen habe. 331 Vor dem Hintergrund trotz starken Umsatzzuwachses anhaltender Verluste drohte er im gleichen Jahr bereits mit einer Auflösung der Partnerschaft, die sein Vater jedoch beibehalten wollte. In diesem Fall zeigte sich die Kehrseite des gegenseitigen Vertrauens, das für Thomas Cook, wie wir gesehen haben, eine zentrale Position im Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern wie mit Menschen generell einnahm. Er war, wie es Henry H. Spiller (1847-1938), ein 1873 zur Firma gestoßener junger Mitarbeiter von Cook, Son & Jenkins ausdrückte, „ein ruhiger, unbekümmerter Mann, der jedem vertraute, und deshalb wurde er von dem Mann, mit dem er sich in Amerika zusammengetan hatte, ausgenutzt.“ 332 So übernahm Thomas Cook im Februar 1875 persönlich die Verantwortung für die Rückzahlung eines Schuldscheins von Jenkins in Höhe von 2.740 Dollar, der in diesem Monat fällig war. Gleichzeitig pries er ihn in der US-amerikanischen Ausgabe des Excursionist als jemanden, der in drei Jahren „so viel gelernt hat, wie ich in dreiunddreißig Jahren.“ 333 Gelernt hatte Jenkins aber vor allem, wie man fremdes Geld für eigene Interessen ausgibt. Nicht nur, dass er mit der neuen Firma gleich zu Anfang ein elegantes und teures Büro mit einer Jahresmiete von 1.200 Pfund 334 am New Yorker Broadway bezog, er hatte nach John Masons Überzeugung auch viel zu viel Geld für die Jahrhundertausstellung in Philadelphia ausgegeben. Dieser warf ihm auch vor „eindeutig nach dem Prinzip zu arbeiten, dass alle Einnahmen der New Yorker Firma gutgeschrieben werden <?page no="106"?> Der Familienkonflikt im Hause Cook 107 und Thos. Cook & Son mit allen Ausgaben belastet wird.“ 335 Nachdem die Cooks bis 1875 7.000 Pfund in das Gemeinschaftsunternehmen investiert hatten, drohte John Mason Cook schließlich mit einem Kontrolleur aus London. Geschickt nutzte Jenkins seine Freundschaft mit Thomas Cook, mit dem zusammen er über die Mehrheit der drei Gesellschafter verfügte, um diese Drohungen abzuwenden - was letztlich den Konflikt zwischen Vater und Sohn noch vertiefte. 1878 riss John Mason endgültig der Geduldsfaden und er schickte einen Kontrolleur nach New York. Der wurde schnell fündig: Edwin M. Jenkins war nicht nur mit 15.000 Dollar an Firmengeldern nach Europa gereist, sondern hatte die Firma auch um mehr als 3.000 Pfund betrogen. Offensichtlich hatte Jenkins daraufhin seine Unehrlichkeit auch in Briefen an Thomas Cook eingestanden. Damit hatte John Mason nicht nur dem betrügerischen Edwin M. Jenkins das Handwerk gelegt, sondern auch einen Sieg auf ganzer Linie gegenüber seinem in diesem Falle zu gutgläubigen Vater davongetragen, der menschlich tief enttäuscht und getroffen gewesen sein muss. Das Gemeinschaftsunternehmen mit Jenkins wurde zum 31. Dezember 1878 aufgelöst und seine Aktivitäten in ein eigenes Tochterunternehmen von Thos. Cook & Son überführt. In einem Prozess musste Jenkins auch zugeben, dem Unternehmen eigenmächtig 10.000 Dollar als ‚Vorschuss für spätere Gewinne‘ entnommen zu haben. Den Prozess angestrengt hatte Jenkins, weil John Mason so unvorsichtig war, ihn öffentlich des Betruges zu bezichtigen. Er ging aus wie das Hornberger Schießen und Jenkins bekam statt der verlangten 50.000 Dollar ganze sechs Cent an Kompensation und die gleiche Summe für seine Prozesskosten zugesprochen. 336 Nachdem der vom mittlerweile unheilbar erkrankten Jenkins angestrebte außergerichtliche Vergleich gescheitert war, strengte der unerbittliche John Mason Cook ein Zivilverfahren gegen ihn an, obwohl sowohl sein Anwalt als auch sein Statthalter in New York ihm vor dem Hintergrund der Erkrankung Jenkins’ davon abrieten. Kurze Zeit später, am 17. Dezember 1883, starb Edwin M. Jenkins, ohne dass der Prozess über die Klage auf Schadensersatz hätte zu Ende geführt werden können. 337 Als das Gemeinschaftsunternehmen 1878 aufgelöst wurde, war Thomas bereits Ende 60 und sein Rückzug aus dem <?page no="107"?> 108 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Geschäft war nur noch eine Frage der Zeit. Zum 1. Januar 1879 schließlich, Thomas Cook war sechs Wochen zuvor 70 geworden, übernahm John Mason alle Geschäftsanteile und wurde alleiniger Geschäftsführer des Unternehmens. Thomas Cook zog sich in sein Haus nach Leicester zurück. Bis dahin allerdings wurde das Familienporzellan von beiden Seiten gründlich zerschlagen. Als sich Thomas zum Beispiel 1875 am Rande von Leicester mit ‚Thorncroft‘ 338 ein großes Haus baute, wollte er dafür einen Kredit zu fünf Prozent aufnehmen, bis John Mason ihn darauf hinwies, dass es günstiger sei, das Geld der Firma zu entnehmen. „Aber als er es tat, beschwerte sich John, dass er selbst das Unternehmen bezuschussen müsse - ‚jeder Geschäftsmann würde sich geschädigt fühlen.‘“ 339 Thomas Cook wiederum warf seinem Sohn immer wieder vor, dass er Firmenmittel unterschlage. Diese Vorwürfe wurden auch von seiner Frau Marianne und seiner Tochter Annie wiederholt, die ihm zudem vorwarfen, von ihm nicht unterstützt zu werden, so dass mittlerweile die ganze Familie in Streit mit John Mason lag. 340 Dabei wohnten sie kost- und logisfrei im Hotel, das auch im Verwaltungsgebäude von Thos. Cook & Son untergebracht war und konnten die Gewinne aus dem Verkauf von Büchern behalten, die sie im ebenfalls im Gebäude eingerichteten Laden anboten. 341 John Mason schrieb an Thomas: „In Deinem [Brief] vom 16. schreibst Du, kein Vater und Mutter oder Schwester waren jemals mehr berechtigt, die Dankbarkeit und Liebe eines Sohnes und Bruders zu erfahren […], meine Antwort ist, dass kein Sohn jemals mehr nach diesem Prinzip gehandelt hat als ich es tat und dass Vater, Mutter oder Schwester jemals mehr Grund hatten anzuerkennen, dass der Sohn und Bruder sie in die Position gebracht hat, die sie nun einnehmen: aber stattdessen kann kein Sohn und Bruder gemeiner und boshafter behandelt worden sein […].“ 342 Schließlich schrieb John Mason Cook im November 1877 in einem weiteren Brief an seinen Vater: „Ich sage Dir, dass die Zukunft unseres Friedens und die Fortführung dieses Unternehmens unter dem Namen Thos. Cook & Son vollkommen von Dir und entsprechenden Schritten zur Herbeiführung einer solchen Sitzung und der Rücknahme der widerwärtigen Lügen abhängt, die über mich und meine Handlungen in der Führung des Unternehmens verbreitet werden.“ 343 Auch warf <?page no="108"?> Der Familienkonflikt im Hause Cook 109 John Mason nach der Darstellung Piers Brendons seinen Eltern vor, sie hätten ihn „vor den Augen seiner eigenen dreizehnjährigen Tochter kritisiert, ‚offensichtlich zu dem speziellen Zweck, das Verhältnis zu ihrem Vater zu zerrütten, der, wenn er auch nur in der Hälfte der gegen ihn vorgebrachten Anklagen schuldig wäre, einer der übelsten Schufte ist, der noch nicht vor Gericht gestellt wurde.‘“ 344 Der Konflikt mit seinen Eltern und seiner Schwester eskalierte zudem, als John Mason erfuhr, dass Annie sich heimlich mit einem der Londoner Angestellten von Thos. Cook & Son namens A. Akin Higgins verlobt hatte. In einen Brief an einen Freund schrieb er: „Was Higgins angeht, so ist es in der Tat zutreffend, dass ich ihm erlaubt habe, seine Kündigung einzureichen, anstatt dass ich ihn entlassen hätte. […] Ich habe beiden gleich erklärt, dass ich keinen Schwager als Mitarbeiter haben könnte und dass er, wenn sie heirateten, unseren Dienst verlassen müsste. Er hat mehrfach auf verschiedenen Wegen versucht, mich umzustimmen, aber ich habe es abgelehnt, meine Entscheidung zu revidieren. Er hat das Unternehmen verlassen und ich weiß so wenig wie Du, wann die Heirat stattfinden wird.“ 345 Higgins war es wohl wirklich ernst, denn er zog ebenfalls nach Leicester und nahm dort eine Stelle als Effektenmakler an. 346 Die Hochzeit sollte schließlich niemals stattfinden, denn am 8. November 1880 fand man die 35-jährige Annie Cook tot in der Badewanne in ‚Thorncroft‘, dem Haus in Leicester, in dem sie bis dahin mit ihren Eltern gelebt hatte. Ein undichter Gasofen hatte sie offensichtlich ohnmächtig werden lassen, so dass sie im Bad ertrank 347 Nach dieser Tragödie gibt es nach Edmund Swinglehurst, lange Jahre Leiter des Thomas Cook Firmenarchivs, keine Hinweise mehr auf eine Fortführung der vordem andauernden Familienstreitigkeiten. Man nahm noch Teil am Schicksal des jeweils anderen, ging aber getrennte Wege. 348 <?page no="110"?> Auf Umwegen in das Gelobte Land und nach Ägypten rotz aller Querelen und aller Kritik an seinem Sohn: Thomas Cook muss es als Erleichterung empfunden haben, dass er John Mason nach der Eröffnung des Büros in der Fleet Street die Zentrale in London überlassen und sich selbst wieder mehr auf Reisen begeben konnte. „Ein wichtiges Ereignis war 1864 die Einwilligung meines Sohnes, dem Unternehmen beizutreten, das das Steckenpferd und die Arbeit eines Einzelnen für dreiundzwanzig vorherige Jahre war. […] Seine Rückkehr zu meiner Unterstützung befreite mich von den Einzelheiten der Büroarbeit und versetzte mich in die Lage, lang geplante Projekte sowohl in der östlichen als auch in der westlichen Hemisphäre durchzuführen.“ 349 Nicht überraschend zog es den Baptistenprediger zunächst vor allem ins Heilige Land, um dort selbst die biblischen Stätten besuchen und sie seinen Gästen zeigen zu können. Weder die Infrastruktur noch die Unsicherheiten der politischen Verhältnisse, die damit verbundenen Gefahren und kaum kalkulierbaren Kosten machten es jedoch ratsam, eine solche Reise zu unternehmen. Nach einer gut gelaufenen Saison in Italien und in der Schweiz, in die 1865 mehr als 1.600 seiner Kunden gefahren waren, entschied er sich stattdessen relativ spontan im November für eine Reise nach Nordamerika. In den Jahren zuvor noch Schauplatz des bitteren Bürgerkrieges und acht Monate nach der Ermordung des Präsidenten Abraham Lincoln (1809-1865) war es jetzt möglich, ein weitgehend befriedetes Land zu besuchen, in dem Eisenbahnen weiter zur Erschließung des riesigen Gebietes der USA beitrugen und Temperenzler wie der junge Baptist und erfolgreiche Unternehmer John D. Rockefeller (1839-1937) an politischem Einfluss gewannen. Mehr als 4.000 Meilen fuhr Thomas Cook im Winter mit der Eisenbahn kreuz und quer durch Kanada und die Vereinigten Staaten und war stark beeindruckt von dem Komfort, den die Züge hier mit ihren Gängen, Waschräumen und den zwei Jahre zuvor von Pullman eingeführten Schlafwagen im Gegensatz zu denen in Europa T <?page no="111"?> 112 Thomas Cook - Pionier des Tourismus boten. 350 Diese Reise diente nicht nur der Erkundung einer neuen Destination, sondern auch der Erschließung eines neuen Marktes. In Briefen an amerikanische Zeitungen erläuterte er bereits vor der Abfahrt seine Erfahrungen als Reiseorganisator und stellte sein Unternehmen einer breiteren Öffentlichkeit in den USA und in Kanada vor. 351 Zunächst jedoch organisierte nicht er selbst, sondern sein Sohn John Mason am 21. April 1866, zwei Monate nach der Rückkehr des Vaters, die erste Tour nach Amerika, die er auch selbst begleitete. Die etwa 60 Teilnehmer kamen auf verschiedenen Wegen und in verschiedenen Gruppen von Großbritannien nach New York, von wo aus sie die vorgeplante Rundreise antraten. Sie führte von New York nach Washington D.C., zu den Niagarafällen, nach Chicago, den Mammuthöhlen in Kentucky und den Schlachtfeldern des im Jahr zuvor beendeten Bürgerkriegs in Virginia, auf denen makabererweise noch die Leichenteile von Gefallenen zu besichtigen waren. 352 Die neunwöchige Reise über 10.900 Meilen verlief jedoch nicht ohne Schwierigkeiten. So gab es Probleme mit den Agenten der Schifffahrtsgesellschaften und in New York musste John Mason Cook feststellen, dass die Vereinbarungen, die sein Vater mit den dortigen Bahnmanagern, die mit Cooks Touristentickets nicht vertraut waren, getroffen hatte, auf einmal nicht mehr galten und neu verhandelt werden mussten. 353 Am Ende konnte John Mason erreichen, dass Cook mehr als 40 verschiedene Tickets ausstellen konnte, die alle von den amerikanischen Bahngesellschaften anerkannt wurden und von ihren Erwerbern jederzeit verwendet werden konnten. 354 1866 leitete Thomas Cook eine Reisegruppe nach Italien, die am 7. November in Venedig Augenzeuge des von den Einwohnern bejubelten Einzugs von König Victor Emmanuel II. wurde, nachdem Österreich einen Monat zuvor im Vertrag von Wien, der den Deutschen Krieg zwischen Preußen und Italien auf der einen und Österreich auf der anderen Seite beendete, Venetien an Italien abtreten musste. 355 Im gleichen Jahr reiste er auch nach Paris, um die Vorbereitungen für die Weltausstellung zu treffen, die 1867 in Paris stattfinden sollte. Ausgestattet mit offiziellen Empfehlungsschreiben wurde er auch dem Sozialreformer Pierre Guilleaume Fréderic Le Play <?page no="112"?> Auf Umwegen in das Gelobte Land und nach Ägypten 113 vorgestellt, der zu dieser Zeit als Berater von Napoléon III. tätig war und ihm versicherte, „dass der Kaiser bereit war, ihm bei der Förderung des Besuches englischer Arbeiter behilflich zu sein.“ 356 Darauf bauend investierte er in verschiedene Unterkünfte in Paris. Für diejenigen mit schmalem Geldbeutel, die seine preisreduzierten Beförderungsangebote nutzen wollten, mietete er ein großes früheres Schulgebäude im zentral gelegenen Pariser Stadtteil Passy, das er mit seiner Frau unter dem Namen Cook’s Anglo-American Exhibition Hotel führte. Damit konnte er auch eine nicht geringe Anzahl nordamerikanischer Besucher der Ausstellung ansprechen und beherbergen. Auf dem ehemaligen Schulgelände ließ er zudem weitere Behelfsunterkünfte errichten, um der großen Nachfrage gerecht zu werden. Für nur 36 Schilling konnten Arbeiter eine viertägige Exkursion mit Hin- und Rückfahrt inklusive Übernachtung und Verpflegung bei ihm buchen. Für Gäste mit hohen Ansprüchen mietete er darüber hinaus ein leerstehendes sechsstöckiges Gebäude am Boulevard Hausmann an und ließ es in Zusammenarbeit mit einem Hotelier entsprechend luxuriös ausstatten. 357 Während der Weltausstellung 1867 arbeitete Thomas Cook acht Monate in Paris. Nach dieser anstrengenden Zeit war er froh, wieder eine Reisegruppe nach Venedig führen und dem seiner Ansicht nach durch den Gebrauch von Alkohol zügellosen Pariser Leben den Rücken kehren zu können. Das nunmehr wieder italienische Venedig schien ihm nach dem Ende der österreichischen Herrschaft wie gewandelt: Die Bettler waren verschwunden und „die Gondoliere sangen fröhlichere Lieder.“ 358 Österreich-Ungarn, das er auch besuchte, missfiel ihm dagegen. Budapest sah er voll von „federgeschmückten Jägern“ und Wiener Sonntage empfand er als „Jahrmarkt der Verrücktheit und des Lasters“. 359 Das Heilige Land hatte da, wie auch das angrenzende Ägypten, aus der Sicht des Temperenzlers andere Qualitäten aufzuweisen. „Thomas, der nahezu dreißig Jahre damit verbracht hatte, den Konsum alkoholischer Getränke zu unterbinden, sah seine Überzeugungen in muslimischen Ländern verwirklicht.“ 360 Wie wir gesehen haben, hatte Thomas Cook schon 18 Jahre zuvor zu den biblischen Stätten im Nahen Osten aufbrechen wollen, aber der Forschungsreisende James <?page no="113"?> 114 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Silk Buckingham hatte ihn vor den unkalkulierbaren Gefahren und der mangelnden Infrastruktur dort gewarnt. „[D]er war jetzt tot“, schreibt Jill Hamilton, „und so schlug er alle Bedenken in den Wind“ 361 und machte sich im Herbst 1868 auf den Weg zu einer Erkundungstour in die Türkei, nach Syrien, Palästina und Ägypten. 362 Da lag Buckinghams Tod allerdings bereits 13 Jahre zurück. Naheliegender ist daher die Vermutung, dass sich Cook durch seinen mittlerweile ebenfalls in London residierenden Konkurrenten Henry Gaze herausgefordert sah, der 1868 bereits die ersten drei Veranstalterreisen, wenn auch nur für sehr kleine Gruppen, in den Nahen Osten organisiert hatte. 363 Im gleichen Jahr, 1869, in dem Thomas Cook endlich seine erste Gruppe in das Gelobte Land führte, konnte Henry Gaze in seiner Heimatstadt Southampton mit einer Multimediashow (wie man heute sagen würde) samt Musik, Kostümen, Bildern und Ausstellungsstücken einem interessierten Publikum bereits ausführlich über seine Erfahrungen in Palästina berichten. 364 Ein weiterer Grund für die Tour mag gewesen sein, sollte Cook Kenntnis davon gehabt haben, dass zur gleichen Zeit wie die geplante Reise der Prince of Wales mit seiner Entourage ebenfalls Ägypten besuchen und mit sechs Dampfern den Nil aufwärts fahren sollte. 365 Dazu gab es später eine Kontroverse mit dem Times-Journalisten William Howard Russell, der den Prince of Wales begleitet und Thomas Cook vorgeworfen hatte, das Schiff der Royals verfolgt zu haben, um seine Touristen in ihre Nähe zu bringen. Wir werden darauf zurückkommen. Für die Reise auf dem Nil hatte Thomas Cook mit der Benha und der Bensooif zwei Schiffe unter Vertrag genommen und in Palästina ließ Cook zwei Lager für seine Touristen errichten. Das schwierigste Problem war es jedoch, Maßnahmen zur Sicherheit der Touristen zu organisieren. Machtstrukturen, die, wie heute noch in vielen Entwicklungsländern, ohne die Existenz eines staatlichen Gewaltmonopols, auf ‚großen Männern‘ und ihrer lokalen Basis beruhen 366 , machten es schwer, Fehden zwischen den arabischen Stämmen, Überfällen, Geiselnahmen und Erpressungen zu entgehen und die richtigen Ansprechpartner für entsprechend sichere Reisearrangements zu finden. Selbst „einige Jahrzehnte nach seinem ersten Besuch hing freies Geleit immer noch von primitiven <?page no="114"?> Auf Umwegen in das Gelobte Land und nach Ägypten 115 Vereinbarungen zwischen der Regierung, den örtlichen Scheichs und den Reisenden ab.“ 367 Wie diese Vereinbarungen noch in den 1880er-Jahren aussahen, wird so geschildert: „Wie Mutter in ihrem Brief über ihren Besuch bei den Beduinen zu verstehen gab, war das Land unsicher und die türkische Regierung ließ sich einen klugen Behelf zum Schutz der Reisenden einfallen. Eines der Dörfer wurde als ‚das Räubernest‘ von Ostpalästina angesehen. Die Familie des obersten Scheichs wurde offiziell für die Sicherheit auf der Jericho Straße verantwortlich gemacht. Alle Reisenden zahlten dieser Familie ein Entgelt, worauf ein Familienmitglied die Gruppe begleitete. Damit wurden der Scheich und seine Familie für die Sicherheit verantwortlich gemacht und sie sorgten dafür, dass es keine Belästigungen gab. Aber wehe der Gruppe, die ihren Obolus nicht entrichtete. ‚Gaunereien‘ sind keine amerikanische Erfindung! “ 368 Nach seiner Rückkehr im Dezember 1868 schrieb Thomas die für den Frühling 1869 geplante Reise nach Palästina und nach Ägypten aus. Innerhalb nur eines Monats konnte Thomas Cook 32 Reservierungen für die 105-tägige Gesamtreise und weitere 30 nur für die siebzig Tage in Palästina verbuchen. 369 Der Aufwand für diese Reisen war enorm. Für 60 Reisende benötigte man 21 Schlaf-, drei Küchen- und zwei Speisezelte, die für jede Etappe auf- und wieder abgebaut werden mussten. Für den Transport der Reisenden, ihres Gepäcks, des Proviants, der 77 Helfer und nicht zuletzt der Zelte waren 65 Sattelpferde, 87 Packpferde, 28 Esel und eine große Zahl an Maultieren erforderlich. 370 Kurz: Es handelte sich jeweils um eine lange Karawane, die sich auf den beschwerlichen Weg durch das Heilige Land und Ägypten machte. Wie nicht anders zu erwarten, gab es eine Reihe von unerwarteten Ereignissen auf der ersten von Thomas Cook geführten Tour. Nicht nur ereigneten sich einige, zum Glück glimpflich abgelaufene Unfälle, vor allem durch das Fallen vom Pferd der im Reiten wenig erfahrenen Touristen (von Thomas Cook witzelnd die ‚Begrüßung der Erde‘ genannt). 371 Am 24. März 1869 wurden Thomas Cook in Jerusalem nachts 450 britische Pfund in Gold gestohlen, den Reisenden zusammen 200 Pfund. Einige der Diener wurden zunächst der Tat verdächtigt und von der türkischen Polizei festgenom- <?page no="115"?> 116 Thomas Cook - Pionier des Tourismus men, aber nach einer Intervention Thomas Cooks wieder freigelassen. 372 Nachdem die wirklichen Täter gefasst waren, konnte der größte Teil des Geldes wiederbeschafft werden. Darüber hinaus konfiszierten die osmanischen Behörden das Haus eines der Diebe in Bethlehem und übergaben es an Thomas Cook, der es wiederum der Gesellschaft für die Förderung des Christentums unter den Juden vermachte. 373 Später starb einer der Reiseteilnehmer, eine ältere Frau, und musste vor Ort beerdigt werden. 374 Für Thomas Cook war es dennoch die Erfüllung eines langgehegten Traumes: nicht nur selbst das gelobte Land zu sehen, sondern dieses Erlebnis auch vielen anderen zu ermöglichen. „Thomas wusste, dass der Glaube durch das Nacherleben der biblischen Geschichten vertieft wurde. Für ihn konnte die Existenz Gottes nicht durch die Geschichte des Alten Testaments und das Evangelium bewiesen werden, aber die Wirksamkeit religiöser Praktiken war offensichtlich.“ 375 Die Teilnehmer seiner Reisen waren daher nicht nur mit dem 1858 erschienenen ‚Handbuch für Reisende in Syrien und Palästina‘ von John Murray ausgerüstet, sondern auch mit der Heiligen Schrift 376 unterwegs und suchten die biblischen Orte auf, „die Kirchen und Schreine in Betlehem, dem Ort von Christi Geburt; wo Salomon gewohnt hatte; wo Abraham gesprochen hatte und wo noch die Mauern standen, die das Spektakel der Kreuzigung gesehen hatten.“ 377 Wenig übrig hatte der Nonkonformist Thomas Cook dagegen für die Grabkirche und andere Orte wie den der behaupteten Auferstehung Christi, die seiner Ansicht nur etwas für Katholiken und Orthodoxe waren. Den damit verbundenen religiösen Kitsch und die falschen Reliquien, mit denen man hier schon damals seine Geschäfte machte, lehnte er ab. 378 Mit dieser ersten Reise war der Grundstein gelegt für eine äußerst erfolgreiche Entwicklung des Reisegeschäftes in den Nahen Osten. Innerhalb von nur drei Jahren entwickelte es sich zu einem der wichtigsten Geschäftszweige des Unternehmens. Reisen nach Palästina und Ägypten konnte man auch und gerade im Winter anbieten, wenn die anderen Ziele nicht nachgefragt wurden. Zudem wurde hier auch von wohlhabenden und erfahrenen Reisenden in der Regel ein Veranstalter gebraucht, weil die komplizierten und unsiche- <?page no="116"?> Auf Umwegen in das Gelobte Land und nach Ägypten 117 ren Verhältnisse vor Ort ohne entsprechende Kontakte und eine aufwendige Reiseorganisation ein großes finanzielles und nicht zuletzt auch persönliches Risiko bargen. „Es ist keine einfache Sache, die Kosten für das Reisen bei Völkern zu ermitteln und unter Kontrolle zu halten, die so völlig gleichgültig jeder Art von moralischer Verpflichtung gegenüberstehen, wie die der östlichen Nationen“ schrieb Thomas Cook 1870 vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen aus bis dato drei Reisen in den Nahen Osten. 379 Zu diesem Erfolg beigetragen hat neben der Beharrlichkeit des baptistischen Unternehmers, der seine Ziele trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge nie aus dem Auge verlor, auch die feierliche Eröffnung des Suezkanals am 17. November 1869, zu der Thomas Cook gleich nach der Rückkehr nach England begann, eine Reise zu organisieren. Auch wenn er nach eigenen Angaben zeitweilig nicht sicher war, ob er wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten nicht alleine fahren sollte, gelang es ihm doch, allerdings erst „ein paar Tage vor der tatsächlichen Abfahrt von London […], die Reise anzukündigen.“ 380 Um die 70 Personen buchten kurzfristig die 20-tägige Tour über Venedig und Triest, wo man sich auf die Amerika der Österreichischen Lloyds Gesellschaft für die Fahrt nach Port Said einschiffte. „Früh am […] Morgen fuhren wir in den Hafen von Port Said und nahmen unsere Position zwischen den ungefähr siebzig Dampfern, Kriegsschiffen und anderen Schiffen aus verschiedenen Ländern ein, zu denen sich später noch ungefähr zwanzig andere gesellten. Die Amerika hatte kaum ihren Anker geworfen, als angesagt wurde, dass der österreichische Kaiser uns folgte, was kurz danach durch hunderte von Kanonen in- und außerhalb des Hafens bestätigt wurde. An diesem Tag kam es immer wieder zu weiteren Salutschüssen, als Prinzen, Botschafter und andere bekannte Persönlichkeiten in rascher Folge ankamen. Aber der lebendigste und größte Salut wurde für die Ankunft der Kaiserin von Frankreich aufgespart […] als die Begeisterung mit dem langsamen Einlaufen der ‚Aigle‘ ihren Höhepunkt erreichte.“ 381 Thomas Cook war überzeugt von den Reiseperspektiven, die mit der Eröffnung des Kanals verbunden waren: „Die zwei Meere sind schon vereinigt; Afrika wurde durch die Verbin- <?page no="117"?> 118 Thomas Cook - Pionier des Tourismus dung von Mittelmeer und Rotem Meer zu einer Insel. Schiffe mit geringem Tiefgang können bereits über die gesamte Länge des Kanals fahren und es gibt schon Projekte für die Einrichtung eines Linienverkehrs zwischen Europa und dem Osten. Alles was jetzt gebraucht wird ist genügend Geld, um die Arbeiten zu vollenden.“ 382 Er sah aber auch „gierige und rücksichtslose Spekulanten“, die sich entlang des Kanals breitgemacht hatten, „begleitet oder gefolgt von einer Gruppe (race) von Hyänen der übelsten Sorte, welche die schlimmsten Leidenschaften einer bestechlichen Menschheit begünstigen. […] Port Said, Ismailia und Suez sind anschauliche und lebendige Repräsentationen des Lasters und es ist nahezu unmöglich, hier irgendein gutes Buch zu finden. […] Einem der Passagiere unseres eigenen Schiffes wird nachgesagt, er habe fünfhundert Pfund Sterling an einem Spieltisch in Port Said verloren.“ 383 Nachdem außer dem britischen Botschafter in der Türkei keine ranghohen offiziellen britische Repräsentanten bei der Eröffnungsfeier präsent waren 384 - die britische Regierung hatte mehrfach versucht, den von dem Franzosen Ferdinand de Lesseps organisierten Bau des Kanals zu verhindern, weil es die Mittelmeerländer zu stark begünstige 385 und in Konkurrenz zum britischen Eisenbahnprojekt in Ägypten gesehen wurde 386 - wurde Thomas Cook und anderen englischen Geschäftsleuten große Aufmerksamkeit zuteil. „Auch wenn er sich der geschäftlichen Vorteile des halboffiziellen Status bei solchen Ereignissen bewusst war, lagen die Folgen davon jenseits seiner kühnsten Träume.“ 387 1870 wurde Thos. Cook & Son vom damaligen Khediven 388 , Ismail Pascha (1830- 1895), zunächst zum offiziellen Agenten für die Nilpassagierschifffahrt bestimmt, kurz darauf zudem das exklusive Recht des gesamten Personendampfschiffverkehrs auf dem Strom eingeräumt. Allerdings waren mit diesem Monopol auch Abhängigkeiten und Risiken verbunden: So mussten sie zum Beispiel in die von Ismail Pascha gemieteten Schiffe investieren und das gesamte Management der Flotte auf eigene Kosten übernehmen. 389 Im Murray von 1880 über Ägypten ist über das Angebot zu lesen: „Die Unterbringung ist ziemlich komfortabel und das Essen gut. Jeder Dampfer hat Platz für fünfundzwanzig bis dreißig Passagiere. Einige der Kabinen haben ein, andere zwei Betten. Ein Arzt und ein Dragoman <?page no="118"?> Auf Umwegen in das Gelobte Land und nach Ägypten 119 stehen den Reisenden an Bord zur Verfügung.“ 390 Die Schiffe hatten zudem Bars und Gemeinschaftsräume, in denen die Passagiere lesen, sich treffen, ihre Tagebücher schreiben oder Karten spielen konnten, und ein mit einem Sonnensegel geschütztes Promenadendeck, das nachts geschlossen werden konnte, 391 so dass man ohne von Insekten belästigt zu werden noch draußen sitzen und sich unterhalten konnte. Die Orientreisen führten nicht nur zur Erfüllung des langgehegten Wunsches des Baptistenpredigers Thomas Cook, die biblischen Orte selbst zu erfahren und anderen nahezubringen, sondern sie hatten auch den großen Vorteil für den Unternehmer Thomas Cook, dass sie aus dem vordem saisonalen ein ganzjähriges Geschäft machten. Mit diesem Reiseangebot, schrieb er 1873 im Excursionist, „gibt es bei uns den Sommer das ganze Jahr über.“ 392 Um dieses Geschäft zu sichern und auszubauen, eröffnete Thos. Cook & Son im gleichen Jahr die erste Dependance im Shepheards Hotel in Kairo und eine weitere in Jaffa in Palästina. Gleichzeitig wurde ein Stamm von lokalen Fremdenführern und Dolmetschern, von Kurieren, Gepäckträgern und Flussschiffern für die Betreuung der Gäste aufgebaut - wobei, wenn dessen Einlassungen dazu stimmen, auch Personal vom Konkurrenten Henry Gaze, dem eigentlichen Pionier der organisierten Reisen in dieses Gebiet, abgeworben wurde. 393 Neben dem Monopol für die Nilschifffahrt trugen auch verschiedene Faktoren auf der Nachfrageseite zum herausragenden Erfolg dieses Zielgebiets für Thos. Cook & Son bei. 394 Zum einen lagen Ägypten und das Heilige Land auf dem Weg in die britischen Kolonien in Indien und Hinterindien. Viele Beamte und Militärs des britischen Empire, die zwischen dem Mutterland und ihren Einsatzgebieten unterwegs waren, schätzten auf halbem Wege eine erholsame und anregende Unterbrechung dieser langen und anstrengenden Reise. Dabei spielte zum anderen auch die Attraktivität dieser beiden durchaus unterschiedlichen Regionen des Nahen Ostens eine wichtige Rolle. Ägypten war nicht nur durch die Funde britischer Archäologen interessant geworden, sondern hatte mit seinen mittlerweile an den wichtigsten Orten entstandenen Hotels und vor allem der unter der Regie der Cooks betriebenen Nilschifffahrt auch eine entsprechende, nicht selten lu- <?page no="119"?> 120 Thomas Cook - Pionier des Tourismus xuriöse, Infrastruktur. Diese fehlte zwar immer noch in dem durch Stammesgebiete zersplitterten Heiligen Land, das aber aufgrund seiner religiösen und kulturellen Bedeutung viele Menschen, die es sich leisten konnten, dorthin zog. Gerade diese Touren hatten aber auch ihre Schattenseiten. Manchmal konnten die Gruppen nur unter dem Schutz von Soldaten reisen, so zum Beispiel zwischen Gaza und Hebron, als dort Konflikte zwischen Beduinenstämmen ausgetragen wurden. 395 Zudem führten schlechte Wege und Straßen, miserables Wetter, Wanzen und Flöhe dazu, dass „(manche Reisen) trotz aller Bemühungen […] katastrophal verliefen und zu bitteren gegenseitigen Beschuldigungen führten.“ 396 Extrem schlechtes Wetter führte im April 1874 dazu, dass die Straße zwischen Beirut und Damaskus durch Schnee blockiert und die normale Route nach Balbek unpassierbar war, so dass Damaskus und Balbek aus dem Programm gestrichen werden mussten, wie aus einem Telegramm von Thos. Cook & Son aus Beirut an die Times hervorgeht. 397 Thomas Cook notierte zu den daraus resultierenden Problemen 1875 im Excursionist: „Oft genug haben wir Gruppen gesehen, die im Sonnenschein fröhlich und höflich waren, aber bei Sturm und überschwemmten Pfaden zu sehr dazu geneigt sind, sich zu beschweren und zu murren.“ 398 Aber auch bei Sonnenschein gibt es oft Probleme mit Sonnenbrand, Hitzschlag und Durchfall, meist ausgelöst durch unangemessenes Verhalten und falsche Kleidung, die man gerne der Reiseleitung vorhält. Die britische Reiseschriftstellerin Isabel Burton (1831- 1896), die einige Jahre mit ihrem Mann, dem Forschungsreisenden Richard Francis Burton (1821-1890), in Damaskus lebte, ironisiert in einem ihrer Bücher die Mitglieder einer 1871 von Thomas Cook geleiteten Reisegruppe: „Gewiss muss der geschäftstüchtige Mr. Cook für seine untunliche Versammlung werben, um dann die wunderlichsten herauszusuchen und auszuwählen. Er hat es selbst aber auch schwer. Die einen hadern mit ihm, weil es regnet, die andern, weil sie von ihrem Pferd fallen und alle haben sie ihre Beschwerden.“ 399 Gleichzeitig ist sie aber voller Bewunderung für die Art und Weise, mit der Thomas die Reisegruppe führt: „Mit seiner großen Karawane ist Mr. Cook gezwungen, bestimmte Regeln aufzustellen, die mit militärischer Strenge eingehalten werden müssen. Ab und zu nimmt jemand, für den jede Art <?page no="120"?> Auf Umwegen in das Gelobte Land und nach Ägypten 121 von Einschränkung ungewohnt ist, daran Anstoß und nörgelt darüber. Mr. Cook nimmt dies alles ruhig und gutgelaunt hin, nimmt davon keine Notiz oder spricht darüber, noch verliert er die Beherrschung, sondern geht ruhig seinen Weg, zieht das Programm durch, wie ein Kindermädchen mit einem störrischen Kind umgehen sollte. Ich habe mir oft gedacht, was für ein Wissen über die menschliche Natur muss er sich erworben und was für eigenartige Erlebnisse muss er gehabt haben! “ 400 Der Erfolg dieser Reisen lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Bis 1872 konnte Thomas Cook nach Angaben von Piers Brendon, der die leider nur vereinzelt noch greifbaren Statistiken ausgewertet hat, 400 Reisende nach Ägypten und 230 für Palästina verzeichnen. 1873 hatte das Unternehmen 200 Gäste auf dem Nil. Das mag aus heutiger Sicht wenig erscheinen, für die damaligen Verhältnisse waren dies beachtliche Zahlen, zumal damit jeweils ein ordentlicher Profit für das Unternehmen verbunden war. Alleine mit den Palästinareisen machte es Mitte der 1870er-Jahre zwischen 800 und 1.500 Pfund Gewinn pro Jahr. Etwa zwei Drittel aller Reisen in das Heilige Land aus Großbritannien und Nordamerika wurden 1879 nach Angaben John Mason Cooks von Thos. Cook & Son organisiert. Drei Jahre später hatte das Unternehmen insgesamt 5.000 Besucher durch Palästina geführt. 401 Dennoch zeigte sich auch hier wieder der Konflikt zwischen Vater und Sohn, der schließlich dazu führte, dass John Mason die Geschäfte in Ägypten maßgeblich bestimmte. Als er 1876 mit der Absicht, das erfolgreiche Geschäft auszuweiten, in die Renovierung der Nilschiffe investierte und ein Gesundheitshotel in Luxor eröffnet, in dem auch ein Arzt arbeitete, „ließ ihn der Vater durch seine Anwälte wissen, dass er die Verwendung von Kapital der Firma in diese Unternehmung nicht erlauben würde.“ Ein Fehler, wie sich auch in diesem Fall herausstellte, denn „[e]s wurde später gesagt, dass Thomas Cook lange genug lebte, um einen größeren Gewinnanteil vom ägyptischen Ableger als von irgendeinem anderen Bereich seines Unternehmens zu erhalten.“ 402 Dazu trug auch bei, dass Thos. Cook & Son 1875 das Angebot des Khediven, alleiniger Postagent zwischen Assiut und Assuan auf dem Nil zu werden, angenommen hatte. „Ein Dienst, der <?page no="121"?> 122 Thomas Cook - Pionier des Tourismus mit der dafür bezahlten Gebühr nicht hätte betrieben werden können und erst in Verbindung mit dem Passagiertransport profitabel wurde.“ 403 Dies zeigt den betriebswirtschaftlichen Sachverstand von Thos. Cook & Son, die diesen Service auch gleich für ihre Reisegäste zu nutzen wussten. Auf den Nilschiffen gab es zum Beispiel einen Leseraum mit englischen Zeitungen und Magazinen, „die eine dauerhafte Verbindung mit der Heimat herstellten“ 404 und der so direkt mit den neuesten Ausgaben beliefert werden konnte. <?page no="122"?> Mit der Heimat in die Fremde uch wenn der Reiz des Neuen und Fremdheit wesentliche Elemente der touristischen Erfahrung sind, ist noch nicht einmal der moderne Mensch bereit, sich vollständig in eine fremde Umwelt zu vertiefen. Wenn die Erfahrung zu befremdend wird, kann er zurückschrecken. Dies hängt mit der Einbindung des Menschen in seine heimische Kultur und deren übliche Verhaltensmuster zusammen. Daher kann die vollständige Aufgabe dieser Gewohnheiten und das vollständige Abtauchen in eine neue und fremde Umgebung als unangenehm und sogar als bedrohlich erfahren werden, vor allem wenn sie länger andauert. Die meisten Touristen scheinen etwas Gewohntes um sich herum zu brauchen, etwas, das sie an ihr Zuhause erinnert, sei es das Essen, Zeitungen, Unterkünfte oder eine andere Person aus der Heimat. Viele der heutigen Touristen können die Erfahrung von Veränderung und Neuem nur von einer soliden Grundlage der Vertrautheit aus genießen, die es ihnen erlaubt, sich sicher genug zu fühlen, Gefallen am Erlebnis der Fremdheit zu finden. Sie möchten die Erfahrung der neuen Makroumwelt eines fremden Ortes aus der Sicherheit eines gewohnten Mikroumfeldes heraus erleben. […] Der moderne Tourist verlässt weniger seine gewohnte Umwelt für eine neue, als dass er unter einer ‚Käseglocke‘ (‘environmental bubble‘) seiner eigenen Kultur ins Ausland transportiert wird.“ 405 Diese auf moderne Besucher fremder Kulturen gemünzten Feststellungen des israelischen Soziologen Erik Cohen gelten in weit höherem Maße für die frühen Touristen im 19. Jahrhundert. Gab es doch damals noch keine elektronischen Medien, die stetig aktualisierte Bilder, Filme, Artikel, Blogs und gesprochene Berichte über fremde Länder und Kulturen verbreiteten. Reiseinteressierte waren auf vergleichsweise wenige Darstellungen, zum Beispiel in Zeitungen und Zeitschriften, (teuren) Büchern, auf Erzählungen und Vorträge angewiesen, wenn sie Informationen über fremde Länder und A <?page no="123"?> 124 Thomas Cook - Pionier des Tourismus mögliche Reiseziele suchten. Insoweit war die Distanz zwischen den Kulturen damals sogar noch stärker als heute, wo man sich zudem neben den Reiseteilen der Tages- und Wochenpresse über eine Vielzahl von Reiseführern und speziellen Reisezeitschriften weltweit noch über die entlegensten Reiseziele und ihre kulturellen Eigenheiten informieren kann. Zudem sind die europäischen Gesellschaften heute durch Zuwanderung viel kosmopolitischer und geprägt von größerer kultureller Vielfalt als im 19. Jahrhundert. Informationen und Bruchstücke interkultureller Erfahrung im eigenen Land sind aber das eine, das reale Erleben vor Ort im fremden Ausland ist dagegen etwas ganz anderes. Wer sich alleine in die fremde Kultur eines anderen Landes begibt, wird nicht selten einer Reizüberflutung etwa durch Lärm, Gerüche, unverstandene Laute, Zeichen und Signale ausgesetzt, die ihn hilf- und orientierungslos macht, und empfindet daher zunächst einfach nur noch Angst. „Denn in einem gewissen Augenblick, so fern von unserer Heimat, unserer Sprache (eine französische Zeitung wird unerschwinglich teuer […]) überfällt uns eine unbestimmte Angst, und wir empfinden unwillkürlich das Verlangen, in den Schutz unserer alten Gewohnheit zurückzukehren. Das ist das augenfälligste Ergebnis des Reisens“, notierte der französische Journalist, Schriftsteller und spätere Nobelpreisträger für Literatur, Albert Camus (1913-1960), im Januar 1936 zu seinem Aufenthalt im Sommer des Vorjahres auf den Balearen. 406 Die in fremden Umgebungen grundlegend und angsterzeugend in Frage gestellten eigenen Erfahrungen und Gewissheiten können in Extremfällen, wenn man alleine und ohne verständige Hilfe bleibt, zu einer Art Angststarre führen, zu einem Rückzug in das Schneckenhaus eines Hotelzimmers, das man erst am Ende des Aufenthalts für die Rückreise wieder verlässt. Demgegenüber entschärft das Reisen in Gruppen diesen möglichen Kulturschock oder vermeidet ihn sogar. Mit der Gruppe nimmt man quasi seine eigene Kultur ein Stück weit mit in die Fremde und bleibt nicht allein mit seinen Eindrücken, Wahrnehmungen und Empfindungen. Die Kommunikation mit den Gruppenmitgliedern dient nicht zuletzt auch der Selbstvergewisserung in neuen und unbekannten Umwelten. Sie wird gefördert durch ein Gefühl von Gemeinsamkeit, das sich beim Unterwegssein entwickelt und <?page no="124"?> Mit der Heimat in die Fremde 125 das die im Alltagsleben normalerweise bestehenden Kontaktbarrieren zwischen Unbekannten verkleinert. „Die Reisebekanntschaft, solange sie wirklich nur eine solche ist und nicht einen von ihrer Anknüpfungsart unabhängigen Charakter annimmt, entwickelt oft eine Intimität und Offenherzigkeit, für die eigentlich kein innerer Grund zu finden ist. Hierzu scheinen mir drei Veranlassungen zusammenzuwirken: die Gelöstheit von dem gewohnten Milieu, die Gemeinsamkeit der momentanen Eindrücke und Begegnisse, das Bewusstsein des demnächstigen und definitiven Wiederauseinander-Gehens.“ 407 Neben der dadurch erleichterten Verarbeitung neuer Eindrücke und - im wahrsten Sinne des Wortes - Erfahrungen trägt auch der bei Gruppenreisen in der Regel anwesende Reiseleiter in seiner Teilrolle als Vermittler zwischen den Kulturen 408 zur psychischen Festigung der Touristen bei ihrer Reise in das Unbekannte bei. Aber auch individuell ergreift man Maßnahmen, um die möglichen destabilisierenden Wirkungen des Neuen auf das eigene Befinden abzumildern. So wie kleine Kinder den Teddybär als „ihre eiserne Ration an Vertrautem ständig bei sich und überall mit sich“ 409 herumtragen, ist es bei den englischen Reisenden des 19. Jahrhunderts oft die handliche Reiselektüre, „the Tauchnitz“, mit der man ein Stück eigene Kultur, auch wenn sie aus einem Leipziger Verlag stammte, mit in die Fremde nahm und, wie Miss Jamina von Thomas Cooks erster organisierter Reise in die Schweiz berichtet, vor der Neugier der strengen Zöllner in den Taschen der Kleidung versteckte: „Mit einem Augenaufschlag wurden alle unsere ‚Tauchnitze‘ zu Taschenbuchausgaben.“ 410 Über seine Reisenden in die Schweiz, vor allem Londoner, bemerkte Thomas Cook, „dass sie London überallhin mitnehmen in der Form von Kleidung, Gewohnheiten und Gesprächen.“ 411 Es ist also kein Zufall, dass die von Thomas Cook und seinen Konkurrenten angebotenen Gruppenreisen ein solcher Erfolg waren. Das galt schon für Touren innerhalb Großbritanniens, denn eine Reise nach Wales oder Schottland war auch für Engländer zunächst eine Reise in die Fremde, in der zum Teil auch andere Sprachen gesprochen wurden. So fand Thomas Cook 1845 bei seiner ersten kommerziellen Reise nach Wales in Caernarvon zum Beispiel nur einen einzigen Mann, der <?page no="125"?> 126 Thomas Cook - Pionier des Tourismus genügend Englisch sprach, um als Reiseführer eingesetzt werden zu können. 412 Allerdings war die Nachfrage nach seinen Reisen so groß, dass er „nicht alle seine Gruppen selber beaufsichtigen (konnte) […] Manchmal verließ er die eine Gruppe, die dann alleine auskommen musste, während er nach einer anderen sah. Und immer wieder fanden sich seine Touristen auf Bahnhöfen in einem Gedränge für Essen und auf der Jagd nach Zimmern in den Städten und Orten, in denen sie waren. Nach wie vor waren Cooks Touristen eine abgehärtete, selbständige Truppe.“ 413 Denn Thomas Cook organisierte innerhalb Großbritanniens in der Regel keine Hotelarrangements für seine Kunden, „sorgte aber dafür, dass die Hoteliers über die zu erwartenden Gäste informiert waren und er dachte, dass Hoteliers in den Highlands und anderswo durch eine in seinem Programm veröffentlichte Liste ihrer Preise in Zaum gehalten werden.“ 414 Auch wenn Thomas Cook seine Funktion als Reiseleiter nicht immer durchgehend ausüben konnte, blieb die Gruppe bestehen. Allein das Reisen in einer Gruppe vermittelt schon ein Gefühl von Sicherheit. Ohne den Schutz der Gruppe wäre es vor allem vielen Frauen nicht möglich gewesen, überhaupt zu verreisen. „Seine Touren boten ihre Unabhängigkeit behauptenden alleinstehenden Frauen einen Sicherheitsschirm, unter dem sie die Welt erkunden konnten.“ 415 Nicht nur auf den von Thomas Cook veranstalteten Auslandsreisen waren Frauen deshalb meist in der Mehrheit. Mit der Teilnahme an einer Gruppenreise umgingen Frauen auch soziale Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit, denen sie im viktorianischen England ausgesetzt waren. So war es damals für eine Frau kaum gesellschaftlich akzeptabel, alleine und ohne Begleitperson zu verreisen. Thomas Cook beantwortet daher „die immer wieder gestellte Frage: Ist es sicher und angemessen für Damen, die Fahrten in die Highlands mitzumachen? […] Von den Tausenden von Touristen, die mit uns gereist sind, waren die meisten Frauen. Bei familiär verbundenen Gruppen überwiegt die weibliche Seite; aber es gibt auch eine große Anzahl von Damen, die alleine kommen und immer finden sie angenehme Begleitung und sie stehen es ohne spezielle Schwierigkeiten oder Unannehmlichkeiten durch. […] Was ihre Energie, Tapferkeit und das Ertragen von Mühen betrifft, sind sie regelmäßig den Männern voll gleichwertig […] Die Fallen der aktuellen Mode mögen sie <?page no="126"?> Mit der Heimat in die Fremde 127 manchmal beim Klettern […] und zwischen groben Granit- und Basaltfelsen verwirren; aber es gibt eine große Zahl von ihnen, die, jenseits von Mode oder Gepflogenheiten, […] alle Schwierigkeiten überwinden.“ 416 Dass Frauen in seinen Gruppen oft überrepräsentiert waren, hing vor allem auch damit zusammen, dass sie in der Regel nicht arbeiteten und daher über mehr Zeit verfügten als Männer. 417 Jenseits der Gepflogenheiten auf dem Schneefeld in Chamonix - mit Bergstock überwinden im 19. Jahrhundert Damen auch ohne angemessene Kleidung alle Schwierigkeiten. Es ist also die glückliche Verschränkung von den die Gruppenreisen verbilligenden Skaleneffekten einerseits, die durch die geringeren Beschaffungskosten von Transport- und Beherbergungsleistungen bei Abnahme großer Mengen entstehen, und den reiseerleichternden Gruppeneffekten andererseits, die letztlich den großen Erfolg dieser Reiseform ausmachten. Vor allem für die Ägyptenreisen spielte der zweite Effekt eine wesentliche Rolle, war hier doch die kulturelle Distanz am größten, nicht zuletzt in den ländlichen Regionen entlang des Nils. Viele Reisende „waren entsetzt über zerlumpte Slumbewohner, aufdringliche Bettler, die vielen Hunde und heruntergekommenen Esel“ 418 sowie die Existenz von Sklavenmärkten. „Cook erkannte schnell, dass der Erfolg seiner Ägyptenreisen davon abhing, seine Kunden von den weniger willkommenen Gegebenheiten des ägypti- <?page no="127"?> 128 Thomas Cook - Pionier des Tourismus schen Lebens fernzuhalten […] Er machte sich daher daran, aus den Nilschiffen ein Refugium, ein Zuhause weg von zu Hause, zu machen, von dem aus seine Touristen das Leben aus sicherer Entfernung beobachten konnten.“ 419 Dazu trug nicht zuletzt auch das englische Frühstück an Bord mit Porridge, Speck und Eiern, Fisch und Schinken bei, das auf den Schiffen serviert wurde. 420 Dafür wurden „unter anderem große Mengen an englischem Schinken, Yorkshire Speck, eingetopftem Lachs, Dosen von Ölsardinen und Gläsern von Orangenmarmelade“ 421 importiert. Kurz: „Die Nildampfer der Cooks waren schwimmende Kokons der Mittelklassensicherheit und des Komforts.“ 422 Nildampfer (1912) Auch die Touren durch Palästina boten den Reisenden zum einen durch das Beibehalten englischer Ernährungsgewohnheiten und zum anderen durch ihre Mitgliedschaft in einer Gruppe Schutz und Sicherheit. Aus der Sicht einer Außenstehenden beschreibt Isabel Burton in ihrem 1875 erschienen Buch eine solche Gruppe, die von Thomas Cook selbst geleitet wurde: „Mein Aufenthalt ermöglichte mir ein Vergnügen, wenn nicht zwei. Cooks Gruppe war angekommen und ich verbrachte so viel Zeit wie möglich mit ihnen und aß jeden Mittag und Abend an ihrem table d’hôte. Es waren ungefähr 180 und sie bereiteten mir unendlich viel Vergnügen und Belehrung. Sie fallen wie die Heuschrecken in einem Ort ein und es ist schwierig für habitués [Stammgäste], Unterkunft und Verpflegung während ihres Aufenthaltes zu finden. Die Einheimischen pflegten zu sagen ‚Ma hum Sayyáhín: Hum Kukíyyeh‘ (‚Dies sind keine Reisenden: dies sind Cookii‘); allerdings kann man Mr. Cook und sein Unternehmen nicht <?page no="128"?> Mit der Heimat in die Fremde 129 genug loben. Es ermöglicht Tausenden, die sonst zu Hause blieben, l’éducation d’un voyage; und Reisen ist eine Notwendigkeit für den ‚engen insularen Geist‘. Es wird Länder öffnen, die derzeit kaum zugänglich sind; eine Gruppe von ‚Cooks‘ wird nicht geplündert oder misshandelt, wo ein Einzelner kaum in der Lage wäre, hinzukommen.“ 423 Passagierliste eines Nildampfers (1892) Gerade im Heiligen Land gab es, wie wir bereits gesehen haben, aufgrund von Stammesfehden und kriminellen Banden oftmals nur eine sehr eingeschränkte Sicherheit, die es Einzelreisenden nahezu unmöglich machte, bestimmte Wege zu nutzen und Gebiete zu besuchen. Es bedurfte manchmal einigen organisatorischen Aufwands und nicht zuletzt des Militärs, um die Gruppen vor Überfällen und die Verwicklung in lokale Konflikte zu schützen, wie Thomas Cook schreibt: „Auf meinem Weg zurück aus Palästina habe ich hier heute die Times von letztem Dienstag bekommen, in der Sie so ausgesprochen freundlich waren, meinen Brief, den ich Ihnen aus Jaffa geschrieben hatte, zu veröffentlichen. Es bereitet mir eine sehr große Befriedigung, den Freunden der beiden einflussreichen Gruppen von Wüstenreisenden versichern zu können, dass beide entsprechend der Planung, die ich für sie in Kairo gemacht habe, sicher in Jerusalem angekommen sind. Ich habe die Schnelligkeit des Herrn Konsuls Moore in Jerusalem und des Paschas dieser Stadt anzuerkennen, mit der sie meinem Ersuchen nach einer Eskorte von Soldaten entsprochen haben, die Gruppen zwischen Hebron und Gaza zu treffen, wo der Beduinenkonflikt für einige Tage tobte, bevor ich Jerusalem verließ.“ 424 Trotzdem waren die meisten Reisen nicht durchweg mit traditionellen Veranstalterreisen gleichzusetzen, sondern gli- <?page no="129"?> 130 Thomas Cook - Pionier des Tourismus chen eher dem, was man heute Bausteinreisen nennen würde. Meist hatten die Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Leistungspaketen, von den puren Tickets über Vorausbuchungen für Hotels bis hin zu geführten Touren. Hier gab es bereits zu Lebzeiten von Thomas Cook, wie wir später noch genauer sehen werden, eine Reihe von Vorurteilen. „Dass man nur in einer Gruppe reisen kann; […] dass Schlösser, Städte, Galerien, Paläste, Berge, Seen, Antikes in Herden und nur in Herden besucht werden [...] ist eine weit verbreitete Vorstellung.“ Jedoch buchten nicht einmal fünf Prozent der Kunden Thomas Cooks, die den europäischen Kontinent bereisten, geführte Gruppenreisen. „Von Zeit zu Zeit wird eine sogenannte Exkursion gemacht, wenn Mr. Cook selbst oder sein Vertreter mit denen verreist, die sich dafür entscheiden, sich seiner Führung zu bedienen; aber dies wird im Gegenteil als außergewöhnlicher Vorteil und nicht als eine der Bedingungen für das System von Touren angesehen.“ 425 So sah es einige Jahre später auch der Verfasser eines Artikels über geführte Reisen in der in London erschienenen Zeitschrift The Graphic: „Wenn man persönlich geführt wird, macht man die Dinge in einer gründlicheren und befriedigerenden Weise, als wenn man versuchte, seine eigenen Wege zu gehen.“ Der Vorteil liege im systematischen Zeigen. „Sonst würden einige der Hilflosen ratlos umherlaufen und vielleicht nichts sehen.“ 426 Aber es gibt natürlich auch entgegengesetzte Sichtweisen. Der umfassend gebildete Ästhet und Schriftsteller John Ruskin (1819-1900) gibt der Einsamkeit den Vorzug, wenn er seinem Publikum im Oktober 1874 in einer Vorlesung im Museum von Oxford Ratschläge für das aus seiner Sicht richtige Sehen der Schweizer Alpen erteilt: „[D]ie Art und Weise, Berge zu sehen ist, einen Rucksack und einen Spazierstock zu nehmen; überlasse das Herumfuchteln mit Bergstöcken in anderer Leute Gesicht und zwischen ihren Beinen den Touristen von Cook; und versuche etwas Gesellschaft in Dir selbst mit Dir selbst zu finden; und sei für Deine Zuversicht weder abhängig vom Klatsch am Pensionstisch oder vom kumpelhaften Führer und sei er noch so herzlich und sogar der sympathischste aller gerühmten Fremdenführer.“ 427 Ein Rat, der in der damaligen Zeit wohl nur für Männer gedacht war. <?page no="130"?> Mit der Heimat in die Fremde 131 Dabei war das Cook’sche System nicht zuletzt sehr flexibel: Im bereits erwähnten Help-Book for Travellers to the East, das 1870 von Thos. Cook & Son herausgegeben wurde, findet sich für Touristen, die ihre Reise auf dem Nil selbst organisieren wollen, auch ein Mustervertrag für das Mieten eines Nilschiffes mit einem Führer, nicht ohne den Hinweis, dass er mit dem Siegel des britischen Konsuls in Kairo versehen sein sollte. 428 Auch auf der ersten Amerikatour mit John Mason Cook entschieden sich einige Teilnehmer, früher als geplant von New York aus weiterzureisen, andere, die geplanten Stationen in umgekehrter Reihenfolge als ursprünglich vorgesehen abzufahren. 429 Es geht den Cooks also nicht allein darum, sie von den weniger angenehmen Dingen in den Reiseländern fernzuhalten, sondern sie sollten sich auch zu selbständigen Reisenden entwickeln: Diejenigen, die sich seiner Reiseleitung anvertraut hatten, verließ John Mason Cook in Chicago, um eine andere Route zu nehmen „im Vertrauen darauf, dass jeder nach dem Training, das sie über die vorangegangenen 3.000 Meilen erhalten haben, selbst zurechtkommt.“ 430 <?page no="132"?> Reiche Prinzen und arme Fischer: Öffentlichkeitsarbeit und soziales Engagement ie Öffentlichkeitsarbeit von Thomas Cook ist bemerkenswert. Vor allem in diesem Punkt unterscheidet er sich von seinen damaligen Konkurrenten. Zwar haben auch Henry Gaze & Sons hier und dort Berichte über ihre Reisegruppen in der Presse lanciert - so z.B. über einen Besuch auf dem Berg Ararat 431 -, aber keiner von ihnen, auch Joseph Crisp und Henry Robert Marcus nicht, haben neben der Möglichkeit, Anzeigenwerbung zu betreiben, die Chance genutzt, die darin liegt, regelmäßig auch in den redaktionellen Teilen von Zeitungen und Zeitschriften vertreten zu sein und damit breite Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Anders Thomas Cook. Über viele Jahre hinweg finden sich in britischen Zeitungen, vor allem in der einflussreichen Londoner Times, Mitteilungen und Berichte über die Touren seines Unternehmens. Das gilt nicht nur für die erste Weltreise, sondern auch für die nach wie vor in großer Zahl durchgeführten Eisenbahnexkursionen in Großbritannien 432 , auf den europäischen Kontinent und vor allem für die ihm besonders am Herzen liegenden Reisen in das Gelobte Land und nach Ägypten. Dabei schreibt Thomas Cook nicht nur ausführliche Leserbriefe, die in der Regel abgedruckt werden, sondern lässt auch kurze Mitteilungen über den Fortgang der von ihm und seinem Unternehmen organisierten Reisen versenden. Dabei wird nicht vergessen zu erwähnen, welchen illustren Kundenkreis das Unternehmen mittlerweile auch auf seinen Reisen betreut. 1876 war es der Herrscher des damaligen Kaiserreichs Brasilien mit seiner Gemahlin, von denen berichtet wird, dass sie mit ihrer Gesellschaft in Assuan eingetroffen sind, um sich dann in Philae auf dem Flussdampfer Nile für die von Thos. Cook & Son arrangierte Weiterreise auf dem zweiten Katarakt einzuschiffen. 433 Im Jahr darauf schreibt die Times über eine Reise des Prinzen Heinrich von Preußen, der zusammen mit 50 Mitkadetten von der Fregatte Niobe eine von Thos. Cook & Son organisierte Reise durch Schottland D <?page no="133"?> 134 Thomas Cook - Pionier des Tourismus unternahm. 434 Auch später finden sich solche kleinen Meldungen, so zum Beispiel im Frühjahr 1885, als in einer kurzen Notiz in der Times darauf hingewiesen wird, dass Gruppen von Thos. Cook & Son Ostern in Neapel, Rom, Paris und im Heiligen Land verbringen. „Unter denjenigen, die in dieser Saison mit Thos. Cook & Son durch Palästina gereist sind, befinden sich Prinz Jerome Napoléon, zwei schwedische Prinzen, der Herzog von Sutherland und Prinz Franz von Österreich.“ 435 Trotz allen Reisens hat Thomas Cook auch seine religiöse und die damit bei ihm eng verflochtene, im wahrsten Sinne des Wortes berufliche Herkunft nicht vergessen. Das gilt nicht nur, wie wir gesehen haben, für seine christlichen Wurzeln in der nonkonformistischen Glaubensgemeinschaft der Baptisten und sein langes Engagement in der Bewegung der Abstinenzler, sondern auch für die damit jeweils verbundene Tätigkeit als Drucker und Verleger. Das Reisen ist und bleibt bei ihm trotz allen Erfolgs und der internationalen Ausweitung seiner Klientel bis in allerhöchste gesellschaftliche und politische Kreise im Grunde genommen eine Erweiterung seiner gemäßigt missionarischen Intentionen und sozialreformerischen Aktivitäten. Von daher wusste er um den Nutzen und die Notwendigkeit von Öffentlichkeitsarbeit und war deshalb mit seinen Reiseunternehmungen nicht nur in der eigenen Zeitschrift, dem Excursionist, und in der britischen Tagespresse präsent, er sammelte auch seine veröffentlichten und nicht veröffentlichten Schilderungen und publizierte sie in Buchform in seinem Unternehmen, so dass sie über den Tag hinaus Wirkung entfalten könnten. Auch als Reiseorganisator und -agent blieb Thomas Cook also aus guten Gründen im Verlagsgeschäft - schließlich gehörten auch die vielen bei ihm verlegten Reisehandbücher zu den Produkten seines Unternehmens, das manchmal auch als ‚Cook’s Tourist & Publication Office‘ firmierte. Die von ihm organisierten Reisen waren auch eine Möglichkeit, Menschen in den Zielgebieten seiner Touren bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. Schon in den Anfangszeiten seines Unternehmens, als er die schnell populär gewordenen Reisen nach Schottland durchführte, war er so vom Schicksal der von Armut gezeichneten Einwohner der klei- <?page no="134"?> Öffentlichkeitsarbeit und soziales Engagement 135 nen Insel Iona berührt, dass er eine Aktion startete, um ihnen eine Einkommenschance zu geben. Vordem über Jahrhunderte das geistliche Zentrum Schottlands, von dessen Abtei (in der wahrscheinlich auch das Book of Kells verfasst wurde) aus das Land christianisiert wurde, war sie in Vergessenheit geraten und in den 1840er- und 1850er-Jahren musste der größte Teil der Bevölkerung die armseligen Hütten verlassen und sein Glück woanders suchen. Thomas Cook war nicht nur von der historischen Bedeutung der Insel beeindruckt, auch der Umstand, dass es dort keinen Alkoholausschank gab, gefiel ihm. „Wenn er Touren nach Iona führte, muss er oft den ‚großen, imposanten Stein‘ erklommen haben, wie er es 1856 tat, und eine ‚Lobrede‘ (unterbrochen von Bravorufen) auf die Insel gehalten […] und um Spenden gebeten haben.“ 436 Im Jahr darauf „erklärte sich der wohlgeborene Thomas Cook aus Leicester, der philanthropische Gentleman, der jährlich Iona besucht, bereit, ehrenamtlicher Sekretär [der Society for the Relief of Fishermen] für die Midlands zu werden, und hat ein Boot für die oben genannte Insel in Auftrag gegeben, das Leigh Richmond genannt werden soll, um den verstorbenen frommen Pfarrer, der dort eine Bücherei eingerichtet hatte, zu ehren, und dessen Sohn beim letztjährigen Besuch ein Porträt seines Vaters in der Bibliothek im Beisein einer großen Gruppe von Ausflüglern aufgehängt hat.“ 437 Aber nicht nur Thomas Cook selbst sorgte dafür, dass die Not der Einwohner von Iona bekannt wurde, auch unter seinen Reisegästen fanden sich Menschen, die seine Aktivitäten zur Verbesserung ihrer Lage publik machten. So schrieb der Glasgow Herald 1858: „Ein Tourist schickt uns einen Bericht von einer Abendveranstaltung für die Einwohner der heiligen Insel Iona, die der Manager von Ausflugsgruppen, Mr. Thomas Cook, in seiner Funktion als Repräsentant der Gesellschaft für die Unterstützung der Fischer im westlichen Hochland und den Inseln von Schottland gegeben hat.“ 438 Auf dieser Veranstaltung wurden nicht nur die Kinder von Iona mit Tee und Zuckerwerk verwöhnt, sondern den Fischern auch dargelegt, mit welchen Maßnahmen die Gesellschaft zur Unterstützung der Fischer ihnen konkret helfen wollte. „Mr. Thomas Cook bemühte sich in passenden Worten zu erklären, dass die Gesellschaft … fortan Arrangements treffen werde, um einen schnellen Transport ihrer Fische zu den besten Märkten zu ermöglichen, von denen er hoffe, <?page no="135"?> 136 Thomas Cook - Pionier des Tourismus dass sie als starker Anreiz zu größerer Sorgfalt und Ausdauer auf der Seite der Fischer wirken würden, als sie bis daher gezeigt haben.“ 439 Der ehrbare Kaufmann und missionarische Baptist möchte Hilfe zur Selbsthilfe leisten und verlangt daher auch ein entsprechendes Engagement auf Seiten der Unterstützungsempfänger. Sonst kann das Konzept nicht aufgehen. Insgesamt war diese Aktion offensichtlich sehr erfolgreich. „Die Touristen gaben großzügig und 1861 hatten sie den Bau einer Fischereiflotte von vierundzwanzig Schiffen bezahlt (eines von ihnen Thomas Cook genannt) plus Netzen und Takelage, ganz zu schweigen von anderen Geschenken wie Büchern.“ 440 Am 30. September 1861 greift Thomas Cook im Albion Hotel in Edinburgh zur Feder und schreibt in einem Leserbrief an den Caledonian Mercury: „Für viele Jahre hat das Befinden der Leute dieser berühmten Insel die Sympathien der Besucher erregt, auch dadurch, dass man ihnen viele harte Sachen gesagt hat. Es ist eine große Freude, in der Lage zu sein, ihre jüngsten lobenswerten Anstrengungen zur Selbstverbesserung bezeugen zu können. Seit den Hungerjahren 1846- 1847 habe ich die Insel fast einhundertmal (nearly threescore times) besucht, und ich sehe eine deutliche Verbesserung im äußeren Erscheinungsbild der Leute und ihrer bescheidenen Wohnungen.“ Dennoch sah er Bedarf für weitere Hilfen. „Jetzt ist die Zeit, eine helfende Hand für diese ‚Kinder der Wellen‘ auszustrecken; und ich werde zurück nach England gehen und meine Touristenfreunde wieder bitten, ihnen zu helfen. Darf ich abschließend an die weitherzigen Söhne und Töchter des teuren alten Schottland appellieren, dies zu unterstützen? “ 441 Heute würde man in Thomas Cook daher wohl einen der frühen Vertreter eines Konzepts sozialer Unternehmensverantwortung 442 sehen. Vermutlich hätte er es nicht nur deshalb nicht verstanden, weil auch heute niemand so recht weiß, was genau damit gemeint ist 443 , sondern weil er mit seinen sozialreformerischen Vorstellungen alle seine Tätigkeiten als Teil einer Mission ansah, mit der vor allem die Lebensverhältnisse der arbeitenden und armen Bevölkerung verbessert werden sollten. Mit anderen Worten: Er ist in erster Linie Unternehmer geworden, um seine christlichen und <?page no="136"?> Öffentlichkeitsarbeit und soziales Engagement 137 sozialen Ziele zu erreichen, nicht um Geld zu verdienen und schon gar nicht, um reich zu werden. Das galt bereits für seine Tätigkeit als nonkonformistischer Drucker und Verleger christlicher und später die Ziele der Abstinenzbewegung unterstützender Bücher, Traktate und Zeitschriften und setzte sich bei den ersten von ihm organisierten Reisen fort. Mit ihnen wollte er, wie wir gesehen haben, der oft unter kaum zumutbaren Bedingungen lebenden arbeitenden Klasse eine positive Alternative zur selbstzerstörerischen, soziale Bindungen und Strukturen gefährdenden Flucht in den Alkohol bieten. „Es liegt eine Freude in diesem Streben, die Egoismus niemals erreichen kann“ schrieb Thomas Cook am 18. September 1856 in seinem Excursionist. 444 „Wirtschaft ist eine Aktivität zur Linderung von Not.“ 445 Sicher hätte er dieser Äußerung eines erfolgreichen deutschen Unternehmers zugestimmt, die darauf aufmerksam macht, dass Wirtschaft kein Selbstzweck und soziale Unternehmensverantwortung kein Beiwerk ist. Auch in seinen späteren Jahren hat Thomas Cook sein unternehmerisches Credo nicht vergessen. So schreibt er während einer Reise ins Heilige Land am Ende eines Leserbriefs an die Times: „Ich nutze hier auch die Gelegenheit, Ihnen für die Veröffentlichung des Teils meines Briefes zu danken, der die Bitte für die armen arabischen und jüdischen Arbeiter enthält - eine Bitte, die bereits Früchte trägt, denn ich habe hier eine Reihe von Briefen bekommen, die große Mengen der von ihnen hergestellten Güter aus Olivenholz betreffen.“ 446 Im gleichen Jahr berichtet er auch über den Erfolg seiner Aktion: „Der durch Ihre Freundlichkeit veröffentlichte Brief in der Times hat bei vielen Kreisen Interesse geweckt und meine Anregung hat zur Beschäftigung von fünfzig Arbeitern geführt, die in den letzten drei Monaten fünfhundert Francs pro Woche umsetzen konnten.“ 447 Es gibt aber auch etwas umstrittene Aspekte dieser Aktivitäten. Das betrifft besonders die Zeit zwischen dem 19. Juli 1870 und dem 10. Mai 1871, als der Deutsch-Französische Krieg nicht nur zu Schwierigkeiten beim Transport der Touristen in ihre Zielgebiete auf dem europäischen Kontinent, sondern zunächst auch dazu führte, dass die Touristen auf dem Kontinent in Panik gerieten und ihre Zielorte Hals über Kopf verließen. Auch Thomas und John Mason Cook befanden sich gerade mit einer Gruppe britischer und US-amerikanischer <?page no="137"?> 138 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Touristen bei den Passionsspielen in Oberammergau, als sie von der Kriegserklärung überrascht wurden und so schnell wie möglich nach London zurückkehrten. „Cook wurde mit einer großen Menge von nicht genutzten Tickets konfrontiert und erstattete ihre Kosten ‚ohne zu Zögern‘, obwohl, wie er notierte, ‚unsere eigenen Risiken und Verluste erheblich sind‘. Die Krise versetzte die Cooks jedoch in die Lage, wie nie zuvor ihre Beherrschung der Reiseszene zu demonstrieren.“ 448 Nicht zuletzt mit dieser, wenn auch zunächst kostspieligen, Maßnahme hatte er das, wie wir gesehen haben, für das Reisegeschäft so wichtige Vertrauen in sein Unternehmen bei den Reisenden enorm gestärkt. Zu diesem Zweck brachte er auch ein tägliches Bulletin mit Nachrichten vom Kontinent heraus, in dem die aktuellen Telegramme seiner Auslandsmitarbeiter veröffentlicht wurden. 449 Um Informationen aus erster Hand über die Situation bei den Eisenbahnen und in den Zielgebieten zu erlangen, reiste Thomas Cook selbst nach Frankreich, Deutschland und in die Schweiz und berichtete darüber unter anderem wieder in Leserbriefen an die Times. Am 3. August 1870 notierte er in Luzern: „Wir durchquerten Paris und fuhren ohne die kleinste Unterbrechung nach Genf. Seitdem bin ich durch die ganze Schweiz gereist […] und habe überall Ruhe und Frieden gesehen. Vom Mont Cenis bis nach Splügen sind alle alpinen Straßen offen und Züge und Kutschen fahren ihre regelmäßigen Kurse nach und von Italien; Dampfer verkehren regelmäßig auf allen Seen, wenn auch wegen einer befürchteten Kohleknappheit nicht ganz so häufig wie angezeigt; und aus dem gleichen Grund wurden einige Züge in der Zentral- und der Nordostschweiz annulliert. […] Mit der Ausnahme einiger ernst dreinschauender Soldaten hier und dort […] gibt es keine Zeichen des Krieges. Als ich aber den Bodensee nach Friedrichshopesen [gemeint ist Friedrichshafen] überquerte, erblickte man überall an der badischen [sic! ] Grenze eine traurige Szene. Mit der Ausnahme von ein paar Zöllnern und ein oder zwei Soldaten auf dem Dampfer und auf dem Bahnhof konnte man kaum einen regsamen oder starken Mann erblicken. Nirgendwo, weder auf dem Pier noch auf dem Bahnhof, ein Gepäckträger, und der Dienst an den Stationen scheint von einigen wenigen alten Männern, kleinen Jungen und Frauen versehen zu werden. Es gab aber auch wenig zu tun zwischen Konstanz und Basel, da es täglich nur noch <?page no="138"?> Öffentlichkeitsarbeit und soziales Engagement 139 zwei Zugverbindungen gibt, die Stationen frei von Waggons und Lokomotiven sind, und alle Fabriken und Betriebe stehen still. […] Aus Konstanz wurde ein Regiment in den Krieg geschickt und ich hörte von einem kleinen Ort, aus dem sechsundvierzig Männer entsendet wurden - praktisch die gesamte [männliche] Bevölkerung. […] Die Schweiz war nie attraktiver für englische Besucher wie derzeit und obwohl sich die Preise für Lebensmittel erhöht haben, sind die Hotelpreise, von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen, gleich geblieben und werden wahrscheinlich auf etwa dem gleichen Stand bleiben. Durch die Abwesenheit anderer Völker ist es naheliegend anzunehmen, dass englische und amerikanische Besucher von Hoteliers und anderen Kaufleuten, die hauptsächlich vom saisonalen Geschäft abhängig sind, herzlich willkommen geheißen werden.“ 450 Wieder zurück in London garantiert er in einem weiteren Leserbrief an die Times, „dass mir die […] angegebenen Preise für diese Saison für die Coupons garantiert wurden“ und dass auch da, wo die Preise erhöht worden sind, „meine Coupons ihren vollen Wert behalten.“ 451 Aber nicht nur die neutrale Schweiz, die kaum ohne die Durchquerung Frankreichs oder Deutschlands zu erreichen ist, soll als Reiseziel für Cooks Touristen während des Krieges erhalten bleiben, auch die Länder der Kriegsparteien selbst werden noch bereist. So hatte Thomas Cook im August noch eine Reisegruppe auf einem Rheindampfer begleitet. 452 Dies veranlasste den Observer dazu, in einer kurzen, kleingedruckten Notiz am 4. September 1870, britische Touristen als die „unbezähmbarsten Wesen“ zu bezeichnen und über Cooks Touristen in Deutschland und Frankreich hieß es: „Kein Deutscher wird sie wohl für eine Gesellschaft von Franzosen halten; kein Gendarm wird sie mit einer Körperschaft preußischer Spione verwechseln. Gleichzeitig können wir nicht anders, als den fragwürdigen Geschmack zu missbilligen, der zu einer organisierten Gesellschaft von Touristen führt, die, gelinde gesagt, in Orte gehen, an denen sie sicherlich nicht erwünscht sind.“ 453 Das sah Thomas Cook anders. Einige Tage nach dieser Veröffentlichung und kurz nach der Proklamation der Dritten Republik am 4. September 1870 findet man ihn, wie aus einem weiteren Leserbrief an die Times hervorgeht, wieder in Paris, wo er mit Vertretern der <?page no="139"?> 140 Thomas Cook - Pionier des Tourismus französischen Eisenbahnen die Lage sondiert. Da in weiten Teilen Frankreichs nichts mehr geht, telegraphiert er seinem Vertreter in Genf, „alle Reisenden über Basel und durch Deutschland und Belgien zu schicken, was ich unter den gegebenen Umständen für die beste Route halte. […] Für Touristen ist der Weg in die Schweiz und nach Italien über Holland, Belgien, den Rhein und Baden frei und ich habe derzeit eine beträchtliche Anzahl von Tickets in dieser Richtung im Umlauf. […] Auf der Rheinseite ist alles frei und die Besuche von Reisenden und Touristen werden mit Dankbarkeit willkommen geheißen.“ 454 Zwar hatte sein Assistent John Ripley wenige Tage zuvor noch in einem Leserbrief von einem Vorfall am 3. September berichtet, als ungefähr 40 französische Freischärler auf Züge zwischen Freiburg und Basel geschossen hatten, 455 aber jetzt schien die Lage wieder unter Kontrolle. Welches persönliche Risiko Thomas Cook mit seinem Besuch in Paris eingegangen war, zeigte sich am 19. September, als die Belagerung der Stadt durch preußische und verbündete Truppen begann. Großes Lob erntete Thomas Cook für die Organisation der Reise von Archibald Campbell Tait (1811-1882), des kränkelnden Erzbischofs von Canterbury und damit des Oberhaupts der anglikanischen Kirche, der auf dringendes Anraten seiner Ärzte den Winter 1870/ 71 an der kriegsbedingt jedoch nur schwer erreichbaren Riviera verbringen sollte. Insgesamt war er mit einer Begleitung von 15 Personen, darunter seine Schwester, Charlotte Lady Wake (1800-1888), unterwegs. Wie sie in ihren Erinnerungen schreibt „wäre es äußerst ungerecht, nicht anzuerkennen, was wir Mr. Cook schuldig sind, der, nachdem er von der geplanten Reise gehört hatte, sich freiwillig als Reiseleiter für den Erzbischof zur Verfügung gestellt hatte. Das Ergebnis war großartig. Von Beginn an standen immer die bequemsten Salonwagen für uns bereit. Jedesmal, wenn wir uns dem Ort näherten, an dem wir übernachten sollten, kam uns der Besitzer unseres Hotels eine Bahnstation entgegen; bei der Ankunft standen drei gut ausgestattete Kutschen bereit, um uns […] ins Hotel zu bringen, wo wir nicht nur unsere Zimmer bereit fanden, sondern auch den Namen von jedem von uns über den Türen, auch den der Zofen. Cook wusste instinktiv, was jeder von uns brauchte. Natürlich war ich sehr neugierig, den Zauberer, der diese <?page no="140"?> Öffentlichkeitsarbeit und soziales Engagement 141 Wunder vollbrachte, selbst zu sehen, weil ich ihn auf den überfüllten Bahnhöfen nicht ausmachen konnte. Meine Überraschung war groß, als man mich auf einen ruhigen, mittelalten Mann, der aussah wie ein daheim gebliebener pensionierter Handwerker, verwies, der, die Hände in den Taschen, den Bahnsteig auf und ab lief und scheinbar von niemandem Notiz nahm. Er sprach kein Wort irgendeiner Sprache außer seiner eigenen. Wie konnte er dann alle diese Wunder vollbringen? Er hatte Agenten in jeder Stadt und eine Zeile von ihm konnte immer jede Schwierigkeit aus dem Wege räumen und jede Annehmlichkeit organisieren. […] Ganz anders empfanden wir die Rückreise nach England ohne seinen Zauberstab, mit dem er den Weg freimachte.“ 456 Im Jahr darauf wagte sich auch sein Sohn John Mason, nachdem er kurz zuvor in Paris war, um während des am 31. Januar 1871 für 21 Tage vorgesehenen Waffenstillstands gut 70 Tonnen Lebensmittel für das Komitee des Oberbürgermeisters von London zur Unterstützung von Paris zu verteilen 457 , mit einer Reisegruppe von 150 Personen in das Kriegsgebiet. „Britische und amerikanische Touristen, begierig nach Paris zu kommen, fanden, dass sie mit John Mason gehen konnten, der zum wiederholten Mal und alle Formen des Transports nutzend, in den Fußstapfen der französischen Truppen nach Paris zurückkehrte.“ 458 An den seit März 1871 durchgeführten Touren in die Ruinen von Paris wurde von einem Mitglied der gesetzgebenden Versammlung in Versailles im Sommer darauf heftige Kritik geübt und er schlug daher eine hohe Einreisesteuer vor, um diese Besuche möglichst zu unterbinden. Thomas Cook, der diesen Vorschlag wenig zimperlich „ein verrücktes Ausbrechen von Wahnsinn und falscher Politik“ nannte, schrieb in einem Brief an Louis Favre, den damaligen französischen Außenminister, „dass die Touristen, wie sein Sohn, nicht so sehr durch Neugier zu einem Besuch von Paris bewegt werden, als durch Sympathie.“ 459 Auch unter der späteren Ägide von John Mason Cook wurden soziale Organisationen und Projekte unterstützt. So zum Beispiel The British and Foreign Sailors‘ Society, gemeinnützige Vereine zur Unterstützung von Bahnarbeitern, ein Blindenheim in Leicester, die Akademie für blinde Musiker, Schulen in Jaffa und die Anglo-Indian Temperance Society. 460 <?page no="141"?> 142 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Von Thos. Cook & Son unterstützt wurde laut einem Bericht der Times 1888 auch ein Vorbereitungstreffen zur Schaffung einer Lady Guide Association. Anders als das, was man heute unter einem solchen Begleitservice versteht, war „[d]as vornehmliche Ziel […], die Bereitstellung von einträglicher Beschäftigung für vornehme Damen und die Eröffnung von anderen Quellen des Lebensunterhaltes für Damen in wirtschaftlicher Notlage (straitened circumstances). Dies wird dadurch geschehen, dass fremden Besuchern Londons kompetente Lady Guides zu Verfügung gestellt werden, die in der Lage sind, diejenigen, die danach verlangen, zu den Sehenswürdigkeiten und den Unterhaltungsmöglichkeiten Londons zu führen und ihnen alle Informationen zu geben, die Fremde in London wahrscheinlich benötigen. Die Vereinigung traf auf freundliche Unterstützung (warm support) der Anwesenden und Entschließungen, die dies zum öffentlichen Wohl sowohl diesem Land als auch Amerika und den Kolonien empfehlen, wurden einstimmig angenommen.“ 461 Offensichtlich ein Erfolg, denn am 26. März 1891 berichtet die Londoner Daily News, dass mittlerweile 60 Damen dafür zur Verfügung standen und die Vereinigung ein eigenes Büro in zentraler Lage in London eröffnen konnte. Sie sorgten nicht nur für eine kompetente Begleitung von Besuchern der britischen Hauptstadt, sondern führten u. a. auch Reiseleitungen innerhalb des Königreiches sowie nach Paris, Italien, Deutschland und Amerika durch. 462 <?page no="142"?> Wider die ‚Cookophobie‘ ls W. H. Russell Thomas Cook in seinem 1869 erschienenen Buch A Diary in the East angreift, reagiert dieser mit einem umfangreichen Pamphlet, in dem auch seine ebenfalls attackierten Kunden zu Wort kommen. Wir erinnern uns: Zur gleichen Zeit, zu der Thomas Cook mit seiner ersten Reisegruppe Ägypten bereiste, waren auch der Prince of Wales 463 mit Frau und Entourage auf dem Nil unterwegs und Russell warf Cook vor, die königliche Familie mit seinen Touristen verfolgt zu haben. William Howard Russell (1820-1907) war nicht irgendwer, sondern ein gefeierter Journalist, der als der Begründer der modernen Kriegsberichterstattung gilt, nachdem er fast zwei Jahre lang als Korrespondent vor Ort und aus eigener Anschauung über die Geschehnisse im Krimkrieg (1853-1856) berichtet hatte. Er gehörte als Korrespondent der Londoner Times zum Begleittross des Prinzen auf einer längeren Reise, die ihn vor allem durch Ägypten, aber auch auf die Krim, nach Konstantinopel und nach Griechenland 464 führte und über die er in epischer Breite in mehreren Ausgaben der Zeitung berichtete. In seinem Buch über die Reise schreibt er dazu: „Ich würde mich schämen zu sagen, wie sehr viel mehr wir an der Beobachtung des Vorankommens der königlichen Yacht und der Beobachtung der Personen an Bord interessiert waren als daran, uns die berühmten Sehenswürdigkeiten an beiden Ufern des Flusses oberhalb Kairos anzusehen. […] Aber die konnte man jederzeit sehen, während es nicht so sicher war, wann wir einen Blick auf den Prinzen auf dem Nil, selbstvergessen in der Schießsportjacke und in Knickerbockern, wiederbekämen […] Wenn dies die Gefühle des Begleittrosses waren, was könnte man nicht zur Entschuldigung von Mr. Cooks Touristen anführen, die flussaufwärts auf der Jagd nach dem Prinzen und der Prinzessin zur Hochform aufliefen? Einige unserer Mitreisenden waren aus Brindisi mit der britischen Karawane angereist und ihre Schilderungen ließen uns nicht unbedingt ihre nähere Bekannt- A <?page no="143"?> 144 Thomas Cook - Pionier des Tourismus schaft ersehnen. Alles achtbare Leute - würdig - intelligent - was immer man möchte; aber alle wurden aus dem Gleichgewicht geworfen durch die Aussicht, den Prinzen und die Prinzessin von Wales in einer Pyramide zur Strecke zu bringen, sie in der Wüste zu stellen, sie in die Nischen einer Ruine zu jagen - hingerissen von der Idee, vielleicht in der Lage zu sein, ‚eine Bittschrift‘ an sie im Tempel von Karnak zu richten oder das sich auf der Insel Philae abmühende königliche Paar ungezwungen anzuglotzen.“ 465 Seine Erwiderung richtet Thomas Cook publikumswirksam als eine Art offenen Brief direkt an den Prince of Wales, weil dessen Frau es W. H. Russell erlaubt hatte, ihr A Diary in the East zu widmen. 466 In erster Linie möchte er mit seiner Antwort natürlich verhindern, dass durch solche Schilderungen und die generelle Abqualifizierung seiner Reisekunden Leute davon abgehalten werden, seine Angebote zu buchen, „während einige von denen, welche die Zivilcourage haben, den verletzenden Bemerkungen und dem Spott herablassender Reisender im Ausland entgegenzutreten, es als Ärgernis empfinden, als eine minderwertige Art von Touristen gebrandmarkt zu werden.“ 467 Konkret weist er darauf hin, dass er während der Reise mit Russell gesprochen und ihm gegenüber betont hat, „wie nachteilig es für meine geschäftlichen Interessen war, zur gleichen Zeit in Ägypten und auf dem Nil zu sein wie Ihre Königliche Hoheit, weil dadurch die Hotelunterkünfte beschränkt und die Kosten erhöht wurden.“ 468 Zudem schreibt Thomas Cook: „Bei unserer Ankunft in Denderah wurde uns vom Telegraphenagenten berichtet, dass Ihre Königliche Hoheit eine Nachricht geschickt habe, in der er sich nach unserem Verbleib erkundigte; und als wir am folgenden Tage in Luxor ankamen, sagte der britische und amerikanische Konsul dort, dass ‚der Prinz für den vorangegangenen Abend Ihre Gesellschaft gewünscht hatte.‘“ Dann fügt er listig hinzu: „Ich will damit nicht sagen, dass [der Konsul] Mustapha Aga wirklich meinte, was er sagte; denn die Ägypter haben so seltsame Arten sich auszudrücken, dass er damit das Gegenteil gemeint haben könnte.“ 469 Wenig amüsiert war Thomas Cook allerdings von einer Stelle über seine Person in Russells Buch, die er in ihrer „Mischung aus Kompliment und kühler Berechnung eines drohenden <?page no="144"?> Wider die ‚Cookophobie‘ 145 Zusammenbruchs“ seines Unternehmens „als etwas unerreicht Provozierendes“ 470 ansah: „Der tatkräftige Herr, der sich soviel Schmach durch seine Veranstaltungen (organizing tendencies), mit denen er Touristen durch die ganze Welt leitet, zugezogen hat, beeindruckte mich mit der Vorstellung, dass er ein ehrlicher, unverblümt betriebsamer Mann ist, mit sehr viel Fingerspitzengefühl im Geschäft und bedeutender Leistung im Management. Wenn das, was man hört, stimmt, wird er sein Geschäft nicht mehr lange betreiben, es sei denn, er wäre wirklich besorgt darüber, dass er seine Gesellschaften mit einem Verlust für sich selbst herumführt.“ 471 Damit nicht genug. Im Einklang mit der damals parallel zum wachsenden Reisemarkt aufkommenden elitären Tourismuskritik 472 , welche die individuellen Reisen einzelner, gebildeter und kultivierter Kenner den wertlosen Gruppentouren wenig informierter und unbeholfener Touristen gegenüberstellt, schreibt Dr. William Howard Russell über Cooks Gäste in Ägypten: „Die Leute in Alexandria waren, soweit ich das beurteilen kann, sehr respektabel - es war nur im gegebenen Fall, dass sie unangenehm wurden. Mr. Monpensier Brown und Miss Clara de Mowbray als Individuen mögen famose Begleiter sein, abstrakt gesehen; aber als ‚Cooks Touristen‘ werden sie zu einer konkreten Verbindung des Schreckens. […] Es ist das Prinzip an sich, das zu beanstanden ist; niemand wird einen Fehler darin sehen, wenn sich zehn oder ein Dutzend Menschen zusammentun, um eine Tour zu machen, einen Führer bestimmen und ihn mit der gemeinsamen Kasse betrauen … Die Vorstellung, die mit dem dazugehörenden Touristen verbunden ist, ist jedoch die, dass er eine arme, hilflose Art von Kreatur ist, die keinen Freund findet, um ihn zu begleiten, der nicht seine eigenen Wege gehen kann und der, mit einem Vertrag gebunden, von anderen zu Geld gemacht wird, der seine Handlungsfreiheit aufgibt und zustimmt, mit Menschen zusammengebracht zu werden, von denen er nichts weiß, damit er fremde Länder billig und im allgemeinen auf unbequeme Weise besuchen kann. ‚Quae regio in terris nostri non plena laboris‘ mögen diese einfallsreichen Unternehmer in ein paar Jahren ausrufen, wenn wir danach gehen, was wir so hören. Die Rocky Mountains, die Chinesische Mauer - ‚rien ne sacré‘ vor die- <?page no="145"?> 146 Thomas Cook - Pionier des Tourismus sen stürmischen Pionieren auf dem Weg zu Reisen für die Millionen.“ 473 In der Station Street in Nottingham, in der Mr. und Mrs. Dennett ihren Wohnsitz haben, kommen solche Sätze, wie sie Thomas Cook aus Russells Buch über die Ägyptenreise zusammengestellt und an seine Reiseteilnehmer geschickt hatte, gar nicht gut an. Mit Datum vom 1. Januar 1870 schreiben sie einen Brief an Thomas Cook, in dem sie klarstellen, dass sie keineswegs dem Prinzenpaar in Ägypten nachjagen wollten. „Wahrlich, eine sonderbare Art für arme Leute ihr Geld auszugeben, die den Prinzen und die Prinzessin einige Monate zuvor in England gesehen hatten, ohne Kosten oder Mühen, so wie Mrs. D. und ich es getan haben! […] Mrs. D. und ich haben es miteinander besprochen und wir können uns an niemanden auf unserem Schiff erinnern, der den Prince of Wales einholen wollte, eher im Gegenteil. Und wir erinnern uns sehr wohl, dass Sie die Hoffnung äußerten, sowohl in Brindisi als auch in Alexandria, dass der Prinz mit seiner Entourage Kairo vor unserer Ankunft verlassen haben würde; und wir glauben, dass dies der allgemeine Wunsch aller Touristen war.“ 474 Auch an vielen anderen Orten Englands nehmen Cooks Reiseteilnehmer die Feder in die Hand und äußern sich in diesem Sinne über die Anschuldigungen Russells. 23 dieser Briefe veröffentlichte Thomas Cook in Ergänzung zu seinen Ausführungen in dieser Publikation. Sie beschäftigt sich aber nicht nur mit den abfälligen Bemerkungen Russells, sondern Cook nutzt die Gelegenheit, sich auch beim britischen Außenminister, dem Earl of Clarendon 475 , öffentlich über Charles Lever, den britischen Konsul in Triest, zu beschweren, der sich, wenn auch unter dem Pseudonym ‚Cornelius O’Dowd‘ 476 , ebenfalls mit Sotissen gegenüber seinen Touristen und ihm hervorgetan hatte. In seinem offenen Brief verweist er insbesondere auf einen Artikel Levers, der im Vorjahr in Blackwood’s Edinburgh Magazine erschienen war. 477 Bereits fünf Jahre zuvor hatte Lever mit einem ähnlichen Artikel in der gleichen Zeitschrift den Unmut Cooks erregt, der daraufhin eine Erwiderung in seinem Excursionist veröffentlichte. Beides druckt er jetzt der Vollständigkeit halber noch einmal in seiner Broschüre ab. <?page no="146"?> Wider die ‚Cookophobie‘ 147 Es sind Zitate wie diese, die Thomas Cook dazu veranlassen, Charles Lever „Cookophobie“ vorzuwerfen 478 und die seinen entschiedenen Widerspruch erregen: „Ebenso wie andere meiner Landsleute, die viel im Ausland leben, musste ich oft die unfaire Einschätzung missbilligen, die durch die Exemplare von Männern und Frauen, die Eisenbahnzüge füllen, Dampfschiffe bevölkern und die Hotels auf dem Kontinent überschwemmen, geäußert werden muss. Wie oft musste ich fragenden Ausländern versichern, dass diese Leute nicht die Elite unserer Nation sind! […] Dieses Übel hat sich jetzt jedoch zu einer Form der Übertreibung entwickelt, auf die ich in keiner Weise vorbereitet war. Es scheint, dass sich irgendein geschäftstüchtiger und skrupelloser Mann den Plan ausgedacht hat, um die vierzig oder fünfzig Personen, unabhängig von Alter oder Geschlecht, von London nach Neapel und zurück zu einem Festpreis zu führen. Er schließt einen Vertrag mit ihnen, nach dem er sie befördert, ernährt, ihnen eine Unterkunft gewährt und sie belustigt. […] In einem Wort: Es wird alles ‚für sie gemacht‘ in der umfassendsten Weise und nichts von ihnen verlangt außer der Bezahlung in so und soviel Pfund Sterling und alle Einzelheiten betreffs des Weges oder der Herberge, des Theaters, der Galerie oder des Museums werden sorgfältig beachtet von dieser glücklichen Persönlichkeit, deren Name sicherlich Barnum sein sollte! “ 479 An anderer Stelle bezeichnet Charles Lever Thomas Cook, ebenfalls ohne ihn beim Namen zu nennen, als „aufgeregten und geschäftigen kleinen Glatzkopf“. 480 Auch bei der Beschreibung der Touristen behält er seinen beleidigenden Ton: „[D]ie Städte Italiens werden in Scharen überschwemmt mit diesen Kreaturen, denn sie trennen sich nie, und man sieht sie, vierzig an der Zahl, sich über die Straße ergießen mit ihrem Führer - mal vorne, mal hinten - sie wie ein Schäferhund umkreisend - und es ist in der Tat wie das Hüten einer Herde. Ich bin bereits auf drei Horden getroffen und alle waren so ordinär, wie ich es nie zuvor gesehen habe - die Männer, meist älter, farblos, traurig ausschauend, sichtlich gelangweilt und müde - die Frauen, etwas jünger, reisegeschüttelt, zerknittert, aber quicklebendig, hellwach und drollig.“ 481 Selber oft unterwegs in Europa, übernimmt Charles Lever damit implizit die in der elitären Tourismuskritik seither behauptete Trennung des gebildeten Reisenden, als der er <?page no="147"?> 148 Thomas Cook - Pionier des Tourismus sich natürlich selbst sieht, vom ignoranten Touristen als dem „Idioten der Reise“ 482 . Aus dieser Sicht sind „Reisen […] verbunden mit Abenteuer, authentischer Erfahrung, Geschmack, Individualität und Selbsterfahrung, wogegen Tourismus vorgefertigt, vorbezahlt, bequem und vorhersagbar ist. Reisende treffen ihre eigene Wahl; Touristen lassen sich ihre Entscheidungen von anderen treffen.“ 483 Eine, wie auch die zitierten Autoren wissen, wenig sinnvolle Unterscheidung, denn zum einen können auch durch Veranstalter vororganisierte Reisen individuell gestaltet werden, während zum anderen alle, die unterwegs sind, die gleiche Infrastruktur, von den Verkehrsmitteln bis zu den Unterkünften, nutzen. Gerade in dieser Gemeinsamkeit liegt in Wirklichkeit auch der Grund für die der Unterscheidung zugrundliegende Kritik, „weil gut situierte Reisende ihre Lieblingsdestinationen mit weniger vermögenden, weniger kultivierten Männern und Frauen teilen mussten.“ 484 Auch wenn dies im Prinzip richtig ist und sicherlich auch für viele der Ausflüge und Touren Thomas Cooks zutrifft - die Reisen nach Italien und in andere, weiter entfernte europäische Destinationen, setzen nicht nur kulturelles Interesse, sondern auch einen trotz der durch Cooks System des Großeinkaufs günstigen Fahrt- und Aufenthaltskosten entsprechend gefüllten Geldbeutel voraus. Deshalb weist Thomas Cook im März 1865 in seiner Antwort auf den ersten Artikel von Charles Lever dessen Kritik zurück: „Mr. Lever ist ein irischer Gentleman aus genau der gleichen Klasse, zu der zweifellos die englischen Geistlichen, Ärzte, Banker, Bauingenieure und Kaufleute gehören, die mir die Ehre gaben, letztes Jahr meine Begleitung nach Italien zu akzeptieren. Mit welchem Recht spielt er sich als deren Sittenrichter auf? Mit welchem Recht spricht er ihnen die Fähigkeit ab, angemessen genießen und verständnisvoll die Wunder der Natur und die Kleinode der Kunst schätzen zu können? “ 485 Seine Kritik geht aber noch weiter - schließlich ist Charles Lever nicht irgendeine Privatperson, sondern, wie wir gesehen haben, als britischer Konsul in Triest im diplomatischen Dienst Ihrer Majestät. Er wendet sich daher direkt an den britischen Außenminister: „Ich frage Sie, mein Herr - und das ist der Hauptzweck meines Briefes -, passt dieser Mann zum Amt eines Repräsentanten der britischen Regierung im Ausland? Nachdem er den Dreck aus den Rinnsteinen Spezias <?page no="148"?> Wider die ‚Cookophobie‘ 149 zusammengefegt hat, um meine Touristen und mich damit zu bespritzen, bekam er eine höhere und lukrativere Stelle in Triest. Geschah dies als Belohnung für seine Derbheit bei der Verteidigung des Toryismus und seine Bösartigkeit gegenüber politischen und sozialen Reformern, dass er von der vergangenen Regierung befördert wurde? Soll ein solcher unflätiger Verschmäher britischer Staatsbürger, unendlich höher an Haltung und Charakter als er, dadurch in seiner Position gehalten werden, dass die Objekte seiner Übellaunigkeit aufgefordert werden, Steuern zu zahlen? Und ist das die Art von Mann, an den man sich wenden muss, wenn Touristen irgendwelche Schwierigkeiten in Triest haben? “ 486 Das lässt an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig und unterstreicht erneut die politische Position Cooks, der den Konservativen wenig abgewinnen kann und sich auch weiterhin als Reformer sieht. Er lässt auch keinen Zweifel daran, dass er sich zu diesem Selbstverständnis bekennt und keinen Widerspruch zwischen Unternehmertum und seinen Idealen sieht - im Gegenteil: „Wenn es eine strafbare Handlung gegenüber dem Staatswesen oder sogar gegen den korrekten Geschmack ist, voranzugehen und viele, die sich sonst nicht in Länder gewagt hätten, die wegen ihrer Landschaften, der Entwicklung von Kunst und Wissenschaften, wegen historischer oder moderner Attraktionen, dazu zu bewegen; wenn es eine Sünde gegen die Gesellschaft ist, die Vermischung von Völkern zu fördern und beim Herunterreißen der Barrieren aus Vorurteil, Ignoranz und Leidenschaft zu helfen, durch die Länder sich voneinander entfremdet haben und aus denen Fehden, die zu Krieg und Blutbädern führten, entstanden sind; wenn dies Verbrechen in der ‚Entwicklung unserer heutigen Gesellschaft‘ sind, dann bekenne ich mich schuldig, denn über mehr als dreißig Jahre habe ich der Verfolgung dieses Ziels Zeit, Ideen und strebsame Arbeit gewidmet.“ 487 Als später auch im Punch „reichlich gegen Cook und seine Touristen gestichelt“ 488 wird, sieht sich der damals sehr bekannte Journalist und Schriftsteller George August Sala (1828- 1895), obwohl mit Charles Lever befreundet gewesen, genötigt, 1880 in den Illustrated London News Partei für Thomas Cook zu ergreifen: „Wäre es nicht an der Zeit, mit der dummen und ungerechten Gewohnheit, Cooks Touristen zu verspotten, ein Ende zu machen? […] Weiter möchte ich bemer- <?page no="149"?> 150 Thomas Cook - Pionier des Tourismus ken, dass ich vielen Hunderten von Cooks Touristen auf meinen Reisen begegnet bin: Nie konnte ich einen Unterschied zwischen diesen und anderen Reisenden auf dem Kontinent feststellen, außer dass sie sich in der Regel besser benahmen und lernbegieriger waren als die gewöhnliche Sorte eingebildeter ‚T.G.’s‘ (travelling gents = umherreisende Leute; die Abkürzung stammt aus den Tagen des Krimkrieges).“ 489 In seinen später veröffentlichten Erinnerungen geht Sala noch weiter, wenn er von einem Aufenthalt in Rom schreibt: „Mein anderer angenehmer Begleiter war der gute alte Mr. Thomas Cook, der Gründer von Cook’s Tourist Agency: eine Institution, die meiner bescheidenen Meinung nach in den letzten dreißig Jahren immens zum moralischen und sozialen Wohlergehen beigetragen hat. Das Unternehmen hat, nicht nur für den Londoner Mittelschicht-Cockney, sondern auch für den weltabgeschiedensten Provinzler, Länder und Städte zugänglich gemacht, von der sie ohne die ‚persönlich geführte‘ Tour nicht einmal geträumt hätten.“ 490 Das deckt sich weitgehend auch mit der Einschätzung der Leistung Thomas Cooks durch Lynne Withey, die in ihrem Vergleich der vormodernen, kaum von zeitlichen und finanziellen Restriktionen beschränkten Grand Tour des aristokratischen Nachwuchses mit den notwendigerweise durchgeplanten, kurzen und kostengünstigen Reisen der arbeitenden Klassen zu dem Schluss kommt: „Wegen seines Hintergrundes und seiner persönlichen Verbundenheit mit den Menschen, die die Kundschaft für seine Ausflüge in den ersten Jahren waren, verstand Cook die Sehnsüchte seiner Kunden und respektierte sie als Individuen. Vor allem erkannte er, dass sie genauso neugierig auf andere Teile der Welt waren wie diejenigen, die in der sozialen Hierarchie über ihnen standen und, wenn sie die Gelegenheit dazu hatten, genauso begierig waren zu reisen. Dieses Einfühlungsvermögen in seine Kunden - und die Gewohnheit, mit ihnen zu reisen und auf ihre Meinung zu hören - sollte sich als entscheidend für seinen Erfolg herausstellen, auch als er sein Geschäft weit über die Grenzen der Ausflüge für die Arbeiterklasse hinaus ausdehnte.“ 491 <?page no="150"?> Viel Zeit, viel Geld, viel Dampf: die Weltreise Am 26. September 1872 lief die Oceanic der White Star Line - die Reederei, die 1912 auch die Titanic auf der gleichen Route in Dienst stellen sollte - mit dem Ziel New York aus dem Hafen von Liverpool. An Bord befand sich auch Thomas Cook, der eine kleine Gruppe von acht Personen verschiedener Nationalitäten führte, die mit ihm die erste Weltreise seines Unternehmens machen sollten. 492 Vater und Sohn Cook stimmten diesmal darin überein, dass diese Reise von großer Bedeutung für das gemeinsame Unternehmen war - wenn auch aus jeweils ganz unterschiedlichen Gründen. Thomas Cook ging es nicht zuletzt darum, seinen Ruf als Reisepionier zu festigen, schließlich war er dabei, den Glanz seines Namensvetters James Cook (1728-1779), der 1770 als erster Europäer in Botany Bay anlandete, wo 18 Jahre später die britische Besiedelung Australiens begann, zu überstrahlen. So hatte die Daily Mail 1869 geschrieben, dass Thomas „von Tausenden als ein größerer Mann als der Kapitän angesehen“ werde, weil er „eure ehrlichen Landsleute zu den erhebendsten Orten […] der Welt“ befördert, er sie „aus dem glanzlosen Alltagstrott herauszieht und tüchtiger, glücklicher und besser zurückbringt.“ 493 Es sollte quasi die Pilotreise werden, der viele andere folgen sollten. 494 John Mason dagegen ging es, wie wir bereits gesehen haben, vor allem darum, dass sein Vater ihn nicht weiter bei der Führung der Geschäfte hinderte. Aufgrund der großen Reisenachfrage standen nicht nur organisatorische Veränderungen, sondern auch Investitionen in das Wachstum des Geschäftes an, nicht zuletzt in ein neues Geschäftsgebäude, bei denen sich der Vater regelmäßig mehr als zögerlich zeigte. Als die Oceanic am frühen Morgen des 8. Oktober 1872 in New York anlegte, 495 ging für Thomas Cook eine stürmische Überfahrt zu Ende, während der er die meiste Zeit seekrank war. Auf seinem Programm stand aber nicht nur Sightseeing mit seinen Gästen, sondern auch Geschäftliches. So traf er sich <?page no="151"?> 152 Thomas Cook - Pionier des Tourismus mit seinem neuen US-amerikanischen Partner E. M. Jenkins. Frühere Geschäftsverbindungen waren an den „Eifersüchteleien der Agenten und dem Wettbewerb konkurrierender Schifffahrtslinien“ gescheitert und der „teure amerikanische Balg starb 1867 einen schleichenden Tod“, stellte Thomas Cook 1874 in der Rückschau fest. 496 Aber auch die Verbindung mit Jenkins sollte sich als mehr als problematisch erweisen, wie wir bereits gesehen haben. Broschüre zur Weltreise (1891) Auch auf der Weiterreise vergaß Thomas Cook das Geschäftliche nicht: Wohl angeregt von dem im gleichen Jahr erschienenen Buch von James Brooks (1810-1873), dem Gründer und Chefredakteur des New York Daily Express und Mitglied des Repräsentantenhauses, das die Berichte von seiner Weltreise in Briefen an den N.Y. Evening Express zusammenfasste 497 , hatte Thomas Cook in London mit der Times ausgemacht, dass er ebenfalls in Briefen regelmäßig über den Verlauf der Reise berichten würde. Sechs der sieben ausführlichen Briefe, die er an die Times schrieb, wurden veröffentlicht; der siebte war zwar bereits gesetzt, fiel aber immer wieder aktuellen Berichten zum Opfer. 498 „Ich habe versprochen, das beste Medium für die Kommunikation […] mit Freunden und der britischen Öffentlichkeit zu verwenden, in der Hoffnung, […] dass ich Briefe schreiben kann, die in der Times veröffentlicht werden und damit die Notwendigkeit entfällt, viele Briefe an einzelne Personen oder an Zeitungen mit lokaler und begrenzter Verbreitung zu schreiben. Aus diesen Gründen bitte ich um Ihre Nachsicht, überzeugt davon, dass Reisen um die Welt für diejenigen, die über die dafür notwendige Zeit und das Geld verfügen, bald eine populäre und aufschlussreiche <?page no="152"?> Viel Zeit, viel Geld, viel Dampf: die Weltreise 153 Freizeitbeschäftigung sein wird.“ 499 An anderer Stelle fügt er noch hinzu, dass man auch über viel Dampf verfügen muss, „denn es ist die mächtige Kraft des Dampfes, bereitgestellt für die Fortbewegung auf dem Land und auf der See, die uns in die Lage versetzt, eine Kette von Reisearrangements rund um den Globus miteinander zu verbinden.“ 500 Diese erste Weltreise der Firma Cook dauerte 222 Tage und führte von New York weiter über die Niagarafälle, Chicago, Salt Lake City und San Francisco - wo zwei weitere Reisende dazukamen - zunächst über den Pazifik nach Japan, das den größten Eindruck auf Thomas Cook und die kleine Gruppe machte: „Die japanische Inlandsee mit der herrlichen Szenerie von fünfhundert Meilen an Inseln und Bergen vereinigt alle Schönheiten der Seen und Berglandschaften Englands, Schottlands, Irlands, der Schweiz und Italiens mit der der griechischen Inseln […].“ 501 Über keine andere Landschaft äußert sich Thomas Cook so begeistert wie über die Japans. „Wir verließen Japan mit dem größten Bedauern, weil unser Aufenthalt nicht verlängert werden konnte, und an keinen Ort unserer Tour erinnern wir uns mit größerem Interesse als an Japan.“ 502 Von da ging es über Shanghai nach Hongkong. Indien war die nächste Station, die über Singapur und Ceylon (heute Sri Lanka) erreicht wurde. Hier standen u.a. die Hafenstadt Kalkutta und luxuriöse Bahnreisen nach Benares, Lucknow, Delhi und Bombay auf dem Programm: „Einige der leitenden Vertreter der Eisenbahn waren mir aus England wohlbekannt; und von ihnen wurde ich so herzlich empfangen, wie ich es mir nur wünschen konnte. Meiner Gruppe wurde ein Salonwagen mit Schlafabteilen, Bädern und Schränken zur Verfügung gestellt, den wir über drei Wochen behielten, und der nach unseren Wünschen über die gesamten zweitausenddreihundert Meilen an- und abgehängt wurde.“ 503 Von Bombay aus ging die Reise dann mit dem Schiff weiter durch den neuen Suezkanal in die für Thomas Cook mittlerweile schon fast heimischen Gefilde nach Ägypten und Palästina, bevor die eigentliche Rückreise über die Türkei, Griechenland, Italien und Frankreich begann. Sein Interesse an den bereisten Ländern ist breitgefächert. In seinen Berichten finden sich natürlich viele Details zur touristischen Infrastruktur der Länder, zu Verkehrsmitteln, in <?page no="153"?> 154 Thomas Cook - Pionier des Tourismus erster Linie Schiffen und Eisenbahnen, zu Hotels und Restaurants, die auch für potenzielle Reisende von Interesse sind, die auf seinen Spuren und mit seinem Unternehmen die Welt umrunden möchten. Er vergleicht und bewertet. An den US-amerikanischen Hotels, die er denen in allen anderen Ländern vorzieht, lobt er besonders die „auf jedem Tisch stehenden großen Karaffen mit Eiswasser“ und den Umstand, dass man „Tee und Kaffee mit jeder Mahlzeit haben kann.“ Besonders beeindruckt den Temperenzler, dass „[d]ie Amerikaner frei von der Sklaverei der Trinksitten sind“ und die Speisekarten auf ihrer Rückseite zwar eine Weinliste haben, aber „es gibt keine Verpflichtung zu trinken und es wird auch nicht erwartet, dass man Wein und harte Getränke zu den Mahlzeiten trinkt.“ Im Falle der Eisenbahnen kommt er zu dem Schluss, dass „die Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks zu gegenseitigem Nutzen voneinander lernen können.“ 504 Sein Interesse gilt auch den Missionsstationen, vordringlich denen der Baptisten, die er in fast allen Ländern vorfindet. Über die oft schon sehr lange dort lebenden Missionare erfahren er und seine Mitreisenden auch viel über die Wirtschaft, die sozialen Verhältnisse und die Kultur der bereisten Länder. Es ist dem sozialen Liberalen Thomas Cook ein Anliegen, dass die bereisten Länder sich weiter „auf der Straße der Zivilisation“ bewegen, „zu der Eisenbahnen, Telegraphen, Gaslicht, soziale Reformen, die Abschaffung aller Systeme von Sklaverei und die Förderung von Bildung in jedem Wissensbereich“ gehören, wie er am Beispiel Japans bemerkt. 505 Weniger liberal ist er allerdings, wenn es um Glaubensfragen geht. Nicht nur, dass er durchgehend den Begriff ‚Götzendienst‘ benutzt, wenn es um die religiöse Praxis anderer Religionen geht. Ebenfalls für Japan notiert er erfreut: „In Yedo und Osaka sah ich im Bau befindliche schöne neue Schulhäuser, während die alten buddhistischen Tempel dem Verfall anheimgegeben werden, und es wird berichtet, dass einige der alten Priester, den Niedergang ihres Systems vor Augen, um biblische Unterweisung bitten, so dass sie ihren Beruf als Lehrer […] fortsetzen können.“ 506 Diese Intoleranz anderen Religionen gegenüber kann man bei Anhängern aller Glaubensbekenntnisse beobachten und hängt u.a. wohl damit zusammen, dass man sich jeweils deshalb so stark von ihnen abgrenzen muss, weil sie sich im Grunde kaum voneinander unterscheiden. Wie George Bern- <?page no="154"?> Viel Zeit, viel Geld, viel Dampf: die Weltreise 155 hard Shaw spöttisch bemerkte: „Es gibt nur eine Religion, allerdings in hundert Versionen.“ 507 Insofern ist auch die Umschulung auf eine andere Spielart des Glaubens kein Problem. Einerseits scheinen Thomas Cook „die tiefen religiösen Gefühle und die große Liberalität der Hindus“ 508 stark beeindruckt zu haben, denen er in Indien begegnet ist. Andererseits schrieb er in seinem fünften Bericht für die Times: „In der heiligen Stadt Benares wurden wir durch Zentren voll götzendienerischen Schmutzes und Obszönitäten geführt, die Kühe, Pfaue, Affen und andere unbeschreibliche Objekte der Anbetung miteinander kombinieren.“ 509 Er selbst scheint diesen Widerspruch aber nicht empfunden zu haben, als er an Bord der Colorado auf dem Pazifik über sich schrieb: „In meiner Reisetätigkeit bin ich vollkommen kosmopolitisch, ohne politisches, soziales und religiöses Glaubensbekenntnis.“ 510 Man darf ihm abnehmen, dass er es versucht hat, aber, wie andere auch, den Einschränkungen seiner imperialen Zeit, Herkunft, Erfahrungen und eigenen starken Anschauungen und Prinzipien bei der Wahrnehmung anderer Länder, Gesellschaften, Religionen und Kulturen unterlegen ist. Auch den bekennenden Temperenzler konnte Thomas Cook auf seinen Reisen nicht verbergen. So lobte er die Reederei P&O dafür, dass sie das all inclusive-System an Bord ihrer Schiffe aufgegeben hatte, bei dem man so viel Alkohol trinken konnte, wie man wollte. Dafür wurden die Fahrpreise reduziert, Passagiere mussten fortan für Getränke extra zahlen „und die Nicht-Konsumenten werden von der Last befreit, für den Wein anderer aufzukommen.“ 511 Geradezu verzückt war er, als er nach dem Taj Mahal die in Agra stationierte britische Garnison besuchte und hörte, dass von den 950 Soldaten 400 das Gelöbnis der Abstinenz abgelegt hatten und 26 der 30 Stabsoffiziere keinen Alkohol tranken. „Ich wurde gebeten, über meine Erfahrungen von fast vierzig Jahren Abstinenz in vielen Ländern und auf vielen Meeren […] zu berichten und es war die begeisterndste Veranstaltung über Temperenz, der ich je beigewohnt habe.“ 512 Er ist auch deshalb so begeistert, weil das schlechte Beispiel betrunkener Briten oft die christliche Mission in Indien behinderte. „Die Hindus haben bislang Trunkenheit noch nicht zu ihren anderen Götzendiensten hinzugefügt. Mr. Bate erzählte uns, dass <?page no="155"?> 156 Thomas Cook - Pionier des Tourismus die größte Schwierigkeit in den Auseinandersetzungen der Missionare mit den Heiden das Trinken ist, wenn die Hindus sich betrunkene Engländer herausgreifen und fragen: ‚Wollt ihr, dass wir so werden wie sie? ‘“ 513 Auch wenn er selbst aufgrund der Zeitgebundenheit seines Selbstverständnisses und seiner Weltsicht nicht immer in der Lage ist, die daraus resultierende Beschränktheit seiner Wahrnehmungen, Einsichten und Erfahrungen zu erkennen, so möchte er sie doch überwinden und zur Durchsetzung seines kosmopolitischen Programms beitragen. „[I]ch bleibe dabei, dass, wenn es möglich wäre, alle künstlichen Barrieren zwischen den Völkern (race & race) niederzureißen, weit entfernte Länder in die Reichweite auch der ärmsten und am wenigsten gebildeten unserer Brüder zu bringen, dies in der Summe ein Gewinn für die Menschheit wäre.“ 514 Für ihn ist Reisen, wie er mit einem Zitat aus dem erwähnten Buch von James Brooks deutlich macht 515 , in diesem Zusammenhang ein wichtiger Aspekt der Bildung, die wiederum Voraussetzung für den Kosmopolitismus ist. Brooks fordert in einem der letzten seiner hier versammelten Reisebriefe seine Leser auf: „Überfliege, lies, studiere, höre, frage, halte Deine Augen und Ohren weit offen und, mit guten Kenntnissen der Geographie eines Landes in Deinem Kopf, bist Du später in der Lage, seine Wirtschaft, seinen Handel und das Leben in ihm zu verstehen.“ 516 Vorher hat er aber noch darauf hingewiesen, dass man „die Geographie eines Landes nur versteht, indem man es bereist.“ 517 Kaum zugestimmt hätte Thomas Cook dagegen dem jungen Albert Camus, der voller Ernst in seinem Tagebuch notierte: „Es gibt kein Vergnügen des Reisens. Ich möchte eher eine Askese darin sehen. Man reist um der Bildung willen, wenn wir unter Bildung die Betätigung des geheimsten unserer Sinne sehen, nämlich des Sinns für das Ewige. Das Vergnügen lenkt von uns selbst ab […] Das Reisen, das gleichsam eine höhere und ernstere Wissenschaft ist, führt uns zu uns zurück“ 518 Für Thomas Cook dagegen ist Reisen, wie wir gesehen haben, Teil des Vergnügens, mit dem er zunächst das Elend der arbeitenden Klasse im frühen viktorianischen England abmildert und das er gegen die Flucht der Arbeiter in den Alkohol einsetzt, die alles noch viel schlimmer macht. Es soll ablen- <?page no="156"?> Viel Zeit, viel Geld, viel Dampf: die Weltreise 157 ken, um das Leben erträglicher zu machen. Aber es soll mit zunehmender Reiseerfahrung auch bilden, den Horizont im wahrsten Sinne des Wortes erweitern und letztlich, bei allen damit verbundenen Problemen, auch Vorurteile abbauen und zur Völkerverständigung beitragen. Zugestimmt hätte er daher wohl seinem Zeitgenossen Theodor Mundt (1808-1861), einem unbedeutenderen Vertreter des Jungen Deutschland, der 1840 eine sich durch das Reisen „immer mehr ausbreitende harmonische Bildung des Völkerlebens“ konstatierte, „welche eine große ausgleichende Melodie des Geistes erstrebt, wo sonst lauter getrennte und vereinzelte Takte in der Menschheit schlugen.“ 519 Spezieller hat John Mason Cook mit Blick auf das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien auf die Notwendigkeit des Reisens hingewiesen: „Ich bin überzeugt davon, dass es keine zwei Nationen gibt, die mit weniger Gründen solche falschen Meinungen voneinander haben wie wir und unsere Yankee-Cousins: und die einzige Möglichkeit, wahre und korrekte Auffassungen über die Gefühle und Stimmungen der beiden Nationen zu bekommen, ist das vorurteilsfreie gegenseitige Besuchen und der Wille, erst alle Tatsachen zu erfassen, bevor man sich eine eigene Meinung bildet.“ 520 In diesem Zusammenhang spielt auch der von Camus angesprochene Aspekt der Selbstfindung eine Rolle, denn „[b]eim Durchqueren fremder Länder erkennt der Reisende nicht nur die ‚Allgemeinheit‘ der anderen, sondern auch seine eigene - das, was er mit den anderen gemeinsam hat, ungeachtet aller Unterschiede von Sprache, Kultur, Rasse, Religion oder Ernährung.“ 521 Auch wenn das Angebot und der Aktionsradius der Touren Thomas Cooks schneller wächst als sich die Lage der arbeitenden Klasse verbessert, die erst einmal nicht die Zeit und vor allem nicht das Geld hat, ihm in allem dabei zu folgen, sieht er sich, nicht zuletzt auch mit seiner Weltreise, doch als Pionier, der solche Reisen auf lange Sicht für alle erschwinglich machen möchte. Das Pionierhafte dieser langen Tour zeigt sich auch darin, dass ihr Reiseweg zum Standard für folgende Weltreisen wurde - „aus ziemlich naheliegenden Gründen: Ihre Route folgte den bequemsten Verkehrswegen, die wiederum den Spuren westlichen Einflusses im Nahen <?page no="157"?> 158 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Osten und in Asien folgten. Die meisten Reisenden hüpften von einem Außenposten des britischen Empires zum nächsten, mit den von Amerika dominierten japanischen Häfen […] als Zugabe.“ 522 Zum Ende dieser langen Fahrt schreibt er in einem seiner Briefe: „In einem Wort, ich denke, dass ich dieses ‚Vergnügungsgeschäft‘ um die Welt herum verstehe und es bleibt jetzt abzuwarten, inwieweit die verschiedenen Verkehrsunternehmen auf meine Ansichten und Vorschläge mit Blick auf die Popularisierung von Touren nach und durch Amerika auf der einen und Indien auf der anderen Seite sowie um die Welt, reagieren.“ 523 Die Reaktion war, wie kaum anders zu erwarten, positiv, und Thos. Cook & Son bot seitdem jedes Jahr eine Weltreise an. Allerdings nicht unter der Leitung von Thomas Cook. Er selbst, der im November des gleichen Jahres sein 65. Lebensjahr vollendete, sah sich hier eher als Vorreiter und Organisator denn als aktiver Reiseführer. Eine zweite Weltreise wollte er nicht mehr unternehmen. Gegen Ende der Reise notierte er: „Nach 32 Jahren fast ununterbrochenen Reisens, mit der Absicht, das Reisen einfach, billig und sicher für andere zu machen, sollte ich ‚ausruhen und dankbar sein‘, dass mir nichts Übles widerfahren ist.“ 524 <?page no="158"?> Außenseiter im eigenen Unternehmen ährend Thomas Cook am Ende seiner Weltumrundung über seinen Abschied aus dem aktiven Reise- und Geschäftsleben nachdenkt, entwickelt sich die von ihm gegründete Agentur dynamisch weiter. Auch wenn er vorher mit der Erschließung des Heiligen Landes, von Ägypten und jetzt mit der ersten Weltreise jeweils neue und zukunftsträchtige Kapitel für die Entwicklung seines Unternehmens aufgeschlagen hatte, ist es, wie ganz am Anfang, die Eisenbahn, die erheblich zum Wachstum des Geschäftes beiträgt. Und wieder ist auch die verlegerische Tätigkeit des Unternehmens einer der Schlüsselfaktoren für den sich einstellenden Erfolg. Dass der „Tourismus als Informationsgeschäft“ 525 gesehen werden muss, wusste schon in den frühen Tagen der Entwicklung der Eisenbahnnetze der Kartograph, Drucker und Verleger George Bradshaw (1801-1853), der seit 1839 in Bradshaw’s Railway Companion die Fahrpläne der verschiedenen Eisenbahngesellschaften in Großbritannien zusammenstellte und vereinheitlichte. Nach dem gleichen Muster brachte er 1847 den ersten Continental Railway Guide heraus, in dem er die Fahrpläne der Bahngesellschaften auf dem europäischen Kontinent in einer einzigen Publikation verfügbar machte. Über die Jahre war dieses Kompendium jedoch so umfangreich geworden, dass man es auf Reisen kaum noch mit sich führen konnte. Anfang der 1870er-Jahre umfasste es mehr als 1.000 Seiten, ergänzt durch ein Hotelverzeichnis von noch einmal 400 Seiten. Das brachte John Bredall, einen jungen Mitarbeiter von Thos. Cook & Son, auf die Idee eines Taschenfahrplans, in dem die wichtigsten Verbindungen zusammengefasst werden sollten. John Mason Cook griff diesen Vorschlag auf und im März 1873, Thomas Cook befindet sich noch auf seiner Weltreise, erscheint in London die erste Ausgabe von Cook’s Continental Time Tables & Tourist Handbook. 526 W <?page no="159"?> 160 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Dieses Vademecum wird ein wichtiges Verkaufsinstrument für die Bahntickets, die Thos. Cook & Son nach langen und oft zähen Verhandlungen für viele Bahngesellschaften in eigener Regie ausstellen können. Mit der regelmäßigen Herausgabe dieser praktischen Taschenfahrpläne schuf das Unternehmen die notwendige Informationsgrundlage für Reiseentscheidungen und die Durchführung von Eisenbahnreisen. Nun konnte man auch während der Reise jederzeit in den Fahrplan schauen, seine Zeit entsprechend einteilen und zusätzlich aktuelle Informationen zu den Stationen der Reise nachschlagen. Damit wurde das Reisegeschäft für alle Beteiligten einfacher. Der Beschaffungsaufwand für die vorab erforderlichen Reiseinformationen auf Seiten der Interessenten war vorher so hoch, dass aus Zeit- und Kostengründen kaum jemand in der Lage war, seine Reisen angemessen zu planen und zu kalkulieren, zumal ja auch noch unterschiedliche Währungen zu berücksichtigen waren. Mit den integrierten Fahrplänen und einheitlichen Preislisten in für die Kunden jeweils einheimischer Währung öffnete man auch den Bahngesellschaften Zugang zu neuen Kundenkreisen außerhalb ihres normalen Wirkungsbereiches, die sie ansonsten entweder gar nicht oder nur unter Einsatz hoher Werbungs- und Vertriebskosten hätten erreichen können. Der Vorteil liegt auf der Hand: Durch die größere Nachfrage erhöht sich die Auslastung der Züge und der Ertrag der Verkehrsunternehmen steigt. Gleichzeitig werden damit Spielräume für Fahrpreissenkungen eröffnet, die das Reisen insgesamt verbilligen und damit wiederum zusätzliche Nachfrage erzeugen, die neben weiteren Preissenkungen 527 auch zum Ausbau weiterer Kapazitäten führen kann. In Cooks System gehen diese Verbilligungen in erster Linie als Rabatte an die Kunden, die damit nicht nur ein transparentes und kalkulierbares, sondern auch ein deutlich verbilligtes Angebot erhalten. In zweiter Linie werden daraus die Provisionen in Höhe von in der Regel fünf Prozent des Verkaufspreises gezahlt, mit denen Cook seine Aufwendungen wie die Sammlung und Aufbereitung der Daten sowie den Druck von Fahrplänen und die Ausstellung von Tickets finanziert. Kurz: Alle Beteiligten profitierten von diesem ebenso einfachen wie ausgeklügelten Verfahren. Es fügt sich ein <?page no="160"?> Außenseiter im eigenen Unternehmen 161 in das System der zwar von Henry Gaze 1865 eingeführten, aber seit 1868 auch von Thos. Cook & Son erfolgreich verwendeten Hotelcoupons, mit denen Hotelübernachtungen zu Festpreisen im Voraus gebucht und bezahlt werden konnten. Damit war man nicht mehr der Willkür von Hoteliers ausgeliefert, die oft die Unkenntnis ihrer ausländischen Gäste ausnutzten und ihnen überhöhte Preise abverlangten. Auch wenn viele Hoteliers diese Art der Bezahlung zunächst ablehnten, sorgte sie doch für einen stetigen Zufluss von Gästen, der für eine bessere Auslastung ihrer Kapazitäten und damit eine Verbesserung der Ertragslage sorgte. Bereits 1871 akzeptierten daher mehr als 150 Hotels die Coupons von Thos. Cook & Son, darunter auch heute noch berühmte Häuser wie zum Beispiel das Beau Rivage in Lausanne oder das Shelbourne in Dublin, die bis dahin 90.000 dieser Gutscheine im Wert von 37.000 Pfund eingelöst hatten. 528 In der 1890 in Wien herausgekommenen ersten Ausgabe von Cooks monatlich erscheinender Welt-Reise-Zeitung werden die Hotels auf zwei kleingedruckten großen Seiten in mehreren Spalten aufgeführt, welche die von Thos. Cook & Son in drei Kategorien ausgegebenen Hotelcoupons akzeptieren. Alleine schon der Umstand, dass man durch die Verwendung von Eisenbahn- und Hotelcoupons nicht mehr gezwungen war, „ganze Taschenbücher fremder Währungen“ 529 mit sich herumzutragen, vereinfachte nicht nur das Reisen, sondern machte es für die Reisenden auch sicherer. Vermindert wurde durch die Vorabzahlung nicht nur das finanzielle, sondern auch das persönliche Risiko, zum Beispiel Opfer eines Diebstahls zu werden. Ein weiterer wichtiger Schritt von Thos. Cook & Son in diese Richtung war 1872 die zunächst versuchsweise Einführung von Circular Notes, den Vorläufern der Travellerschecks, auf dem US-amerikanischen Markt. Sie unterscheiden sich vom ursprünglichen Konzept insoweit, als sie flexibler eingesetzt und nicht nur bei den ausländischen Partnern der ausstellenden Banken, sondern auch in Hotels und in Reiseagenturen eingelöst werden konnten. 530 Perfektioniert und weiträumig eingeführt wurde dieses System aber erst ab den 1890er-Jahren durch American Express und, last but not least, Thos. Cook & Son. <?page no="161"?> 162 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Trotz der heute durch (auch mobil nutzbares) Internet schon lange möglichen umfassenden Fahrplanauskünfte und Buchungsmöglichkeiten wurden die Eisenbahnfahrpläne erst nach 140 Jahren nahezu kontinuierlichen Erscheinens (nur während des Zweiten Weltkriegs gab es eine Unterbrechung) im August 2013 mit dem Erscheinen der 1526. Ausgabe durch die Thomas Cook Group eingestellt. Damit verbunden war auch die Einstellung der verlegerischen Tätigkeiten der Gruppe, die bis dahin die von Thomas Cook begründeten Reisehandbücher und Reiseführer herausgebracht hatte, weil man sich nur noch auf sein heutiges Kernprodukt - Pauschalreisen - konzentrieren möchte. 531 Es liegt auf der Hand, dass die angeführten Vereinfachungen nicht nur Freizeitreisenden das Leben erleichterten, sondern in zunehmendem Maße auch das von Dienst- und Geschäftsreisenden. Man kann daher davon ausgehen, dass ein Teil der von Thos. Cook & Son ausgestellten Eisenbahn- und Hotelcoupons von öffentlichen Dienststellen und Firmen genutzt wurden. Nicht nur das von London aus dirigierte britische Imperium verlangte für seinen Erhalt eine lebhafte Reisetätigkeit 532 , die Thos. Cook & Son auch als Agent verschiedener Schifffahrtslinien unterstützen konnte, auch das Wachstum der immer arbeitsteiliger an verschiedenen Standorten produzierenden Industrie war ohne persönliche Kontakte zwischen Kunden und Lieferanten nicht möglich. Reisen wurden zu einem immer bedeutenderen Inputfaktor der Wirtschaft und, wie auf dem Titelbild dieses Buches zu sehen, die Aktentasche zu einem ebenso wichtigen Reiseutensil wie der Kleiderkoffer. Auch das Reiseunternehmen selbst entwickelte sich fast nach industriellen Normen und die Ausstellung der Tickets und der Hotelcoupons erfolgte bereits damals, wie die oben angeführten Zahlen zeigen, in großem Maßstab, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Ausstellung von Fahrkarten und Gutscheinen auf vorgedruckten Coupons damals noch weitgehend personalintensive Handarbeit war. Deshalb reichten auch die Räumlichkeiten der Zentrale in der Londoner Fleet Street nicht mehr aus und 1873 wurde das Unternehmen, wie wir bereits gesehen haben, nicht weit davon entfernt in ein eigens dafür gebautes, größeres Gebäude am Ludgate Circus <?page no="162"?> Außenseiter im eigenen Unternehmen 163 verlegt. Es verfügte neben den Büros für die Mitarbeiter des Unternehmens über ein eigenes Post- und Telegraphenamt, einen Wartesaal, einen Leseraum und eine Informationstafel, auf der täglich das Wetter für Stationen in ganz Europa und im Nahen Osten angezeigt wurde. 533 Mit Thomas Cook haben diese Entwicklungen nicht mehr viel zu tun. Vielmehr nutzte John Mason Cook die Zeit der Abwesenheit seines Vaters, um das Unternehmen nach seinen Vorstellungen weiter auszubauen. So wurden nicht nur die Eisenbahnfahrpläne neu in das Programm aufgenommen, sondern 1872 und 1873 auch neue Vertretungen in Genf und Kairo eingerichtet. Im Jahr darauf, Thomas Cook ist wieder zurück, folgten Reisebüros in Liverpool, Dublin, Edinburgh und Rom. Auch in London wurde die Zahl der Buchungsstellen 1875 in Piccadilly und Regent Circus erweitert. Weitere Filialen wurden 1876 in Bradford, Leeds und London Strand (hier hatte der Konkurrent Henry Gaze seinen Firmensitz) eröffnet. 1878 erweiterte John Mason Cook das Unternehmen auf Initiative seines Mitarbeiters Henry H. Spiller, der vorher das Angebot einer Partnerschaft mit Henry Gaze abgelehnt hatte, mit der Einrichtung des Foreign Banking & Money Exchange Department um ein neues Geschäftsfeld. Fünf Jahre später wird sein zweitältester Sohn Ernest Edward Cook in diese Abteilung eintreten. 534 1876 ist auch das Jahr, in dem John Mason Cook erhebliche Summen in das Geschäft in Ägypten investiert. Zum einen in den Ausbau der Nilflotte und zum anderen in den Bau eines Hotels in Luxor. Es ist als eine Art Sanatorium vor allem für Lungenkranke gedacht, denen die trockene Luft Linderung und Besserung ihrer Leiden bringen soll. Aus diesem Grunde gibt es dort, wie auf den Nilschiffen des Unternehmens, auch einen Arzt. Es ist ein weiteres Projekt seines Sohnes, dem Thomas Cook zunächst seine Zustimmung verweigert. „Es wird erzählt, dass der Vater, als der Sohn mit Leib und Seele in das großartige Geschäft mit dem ägyptischen Passagierverkehr einstieg, das so glänzende Ergebnisse brachte, ihm über seine Anwälte förmlich mitteilen ließ, das er es nicht erlaubte, Kapital des Unternehmens für diese Unternehmung zu verwenden.“ 535 Offensichtlich konnten Vater und Sohn bei diesen Projekten jedoch einen Kompromiss finden, denn <?page no="163"?> 164 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 1878, in der zweiten Saison des Hotels, wurde bereits ein neuer Flügel angebaut, der die Zahl der Zimmer auf 45 nahezu verdoppelte. 536 Dabei ließ die Qualität des Hauses in den ersten Jahren offensichtlich zu wünschen übrig. Das Urteil des Murray-Reiseführers Ägypten von 1880 im Kapitel über Luxor war geradezu vernichtend: „Hotel. - Das zur Zeit einzige ist Cook’s. Die Unterbringung ist nicht gut und die Küche ist schlecht und für Kranke ungeeignet; Unterkunft und Verpflegung fünfzehn Schilling pro Tag und es gibt viele Extras, die es sehr teuer machen.“ 537 Das veranlasste John Mason Cook zu einer Reihe von wirksamen Maßnahmen zur Verbesserung des Angebots, so dass das Hotel in späteren Auflagen des Reiseführers als „exzellent“ eingestuft wurde. 538 Cooks Nilflotte (ca. 1890) Die Nachfrage war schließlich so groß, dass noch ein zweites Hotel gebaut werden musste und, nachdem auch dies nicht reichte, zeitweilig einer der Nildampfer als Hotelschiff für die Unterbringung weiterer Touristen herhalten musste. 539 Auch in diesem Falle zeigte es sich, dass die geschäftliche Urteilsfähigkeit des Vaters, getrübt durch den immer wieder aufflackernden persönlichen Konflikt mit seinem Sohn, stark eingeschränkt war. Schließlich lebte Thomas Cook „lange genug, <?page no="164"?> Außenseiter im eigenen Unternehmen 165 um eine größere Dividende aus dem Ägyptengeschäft zu ziehen als aus irgendeinem anderen Zweig seines Unternehmens.“ 540 Thomas Cook selbst hatte zwar mit seinen Aktivitäten nicht nur die Grundlagen für das Reise- und das dazugehörige Verlagsgeschäft gelegt, sondern es auch zu einem bemerkenswert großen transnationalen Unternehmen ausgebaut. Auch wenn man im Detail geteilter Meinung darüber sein kann, muss man der Einschätzung von A. Griffith aus dem Jahre 1899 wohl grundsätzlich zustimmen: „Der ältere Cook war ein Genie, ein Erfinder, ein Mann mit originellen Ideen, die er sich ausdachte und entwickelte. Es gäbe wahrscheinlich keine Reisebüros in der Welt ohne Thomas Cook. […] [E]r könnte nicht so viel erreicht haben - er hätte es nicht versucht -, ohne die breite Unterstützung, den Weitblick und die unerbittliche Entschiedenheit seines Sohnes.“ 541 Sowohl sein Alter als auch sein damit zusammenhängendes zunehmendes Unverständnis für die sich aus dem Wachstum ergebenen notwendigen Konsequenzen für die Führung des Unternehmens lassen ihn in den 1870er-Jahren jedoch zum Außenseiter in der eigenen Organisation werden. Wie so viele anfangs sehr erfolgreiche Unternehmensgründer wird auch er ein, wenn auch zu seinem Glück spätes, Opfer des eigenen Erfolgs. Er versteht nicht, dass die Führung eines Unternehmens ab einer gewissen Größe nicht mehr über eher informelle persönliche Beziehungen erfolgen kann, sondern eines distanzierten geschäftlichen Bezugsrahmens und klarer geschäftlicher Vorgaben und Zuständigkeiten bedarf. Er vermag nicht einzusehen, dass er die jahrzehntelang erfolgreich gelebte Einheit von Privatleben und Firma - auch seine Frau Marianne ist als geschäftstüchtige Leiterin der Beherbergungsbetriebe in sie eingebunden - für eine strikte Trennung dieser beiden Lebensbereiche aufgeben müsste. Sie mag ihm auch deshalb vielleicht nicht einleuchten, weil er einen großen Teil seines Lebens unterwegs und damit getrennt von seiner Familie war, Privates bei diesem Lebensstil also ohnedies in den Hintergrund gedrängt war. Verschärft wird sein dadurch befördertes Abdriften in die unternehmerische Bedeutungslosigkeit, wie wir gesehen haben, durch den bitteren persönlichen Dauerkonflikt mit seinem, wie sich <?page no="165"?> 166 Thomas Cook - Pionier des Tourismus immer wieder zeigt, ihm als Manager eines großen und weitverzweigten Unternehmens weit überlegenen Sohn. Er scheint es gespürt zu haben, ohne es jedoch wahrhaben zu wollen. Die Weltreise 1872/ 73 bildete rückblickend wohl eine Zäsur in seinem Unternehmerleben. Die Auseinandersetzungen mit seinem Sohn halten zwar an, aber er erfährt praktisch nur noch Niederlagen wie im Falle des Ausbaus des Ägyptengeschäfts oder, wie wir ebenfalls bereits gesehen haben, in den späteren Auseinandersetzungen um Cook, Son & Jenkins in den USA. 1874, er war 65 Jahre alt, überlegte es sich Thomas Cook, im Falle seines Ausscheidens aus dem Unternehmen, einen Landsitz zu nehmen. Er versuchte Melbourne Hall, das gerade frei geworden war, zu mieten. „Das war völlig untypisch für ihn. Die meiste Zeit seines Lebens war er nicht interessiert am Erwerb von Land oder Prunkhäusern auf weiträumigen Liegenschaften (rolling acres), voll mit antiken Möbeln. Genausowenig suchte er die Mitgliedschaft in Londoner Clubs oder vergoldeten Salons. Vielleicht wusste er, dass er von der Klasse nie voll akzeptiert werden würde, die sie besuchten.“ 542 Auch in der wirtschaftlichen und sozialen Umbruchszeit des viktorianischen England sind die auf privilegierter Geburt beruhenden Klassenstrukturen weiterhin wirksam, schotten sich die alten Eliten gegenüber den bürgerlichen und unternehmerischen, durch ihre Leistungen zu Erfolg gekommenen Aufsteigern ab. Es ist also (noch) keineswegs so, dass der Beruf bzw. die Anerkennung darin die soziale Stellung bestimmt, sondern das Gegenteil ist die Regel. „Bis in das 19. Jahrhundert hinein galten die ‚professions‘ als die einzigen Berufe ‚fit for a gentleman‘. Das bedeutete jahrhundertelang zunächst, dass der ‚gentleman‘, der Angehörige der ‚leisure class‘ sich hier und nur hier, betätigen konnte, ohne Gefahr zu laufen, gesellschaftliches Ansehen und gesellschaftlichen Einfluss zu verlieren. Es bedeutete nicht, dass die Zugehörigkeit zu einer ‚profession‘ den Status eines ‚gentleman‘ verliehen hätte. Wer von Geburt und Lebensweise kein ‚gentleman‘ war, der wurde es auch nicht dadurch, dass er die Aufnahme in eine ‚profession‘ erreichte.“ 543 Dazu kommt, dass Unternehmer auf nahezu allen Gebieten tätig werden und daher nicht einmal einen Berufsstand konstituieren, der durch Bildung und Ausbildung normiert wäre. Sie machen sich praktisch aus dem Nichts <?page no="166"?> Außenseiter im eigenen Unternehmen 167 heraus selbst dazu, von nichts anderem getrieben als ihren Ideen und dem Erfolg ihrer Unternehmungen. Aus einem nonkonformistischen Milieu nach den Maßgaben protestantischer Ethik handelnd, ist der aus kleinsten Verhältnissen stammende Thomas Cook ein auffälliges Beispiel für einen solchen Aufsteiger, über den der Makler E. F. Fox in seinem Brief vom 17. August 1874 an den damaligen Besitzer von Melbourne Hall, Francis Cowper (1834-1905), den siebten Earl Cowper, schreibt: „Ich habe Mr. Cook einmal getroffen & er scheint ein höchst ehrenhafter und intelligenter Mann zu sein, aber in Melbourne Hall wäre er leider fehl am Platz. - Er ist Baptist und hier richten sie meines Erachtens großes Unheil durch ihre Engstirnigkeit in Sachen Bildung &c an.“ 544 Zudem möchte Thomas Cook, der, wenn die Aussagen in dem Brief stimmen, sein Unternehmertum nicht lassen kann, aus Melbourne Hall „eine Sehenswürdigkeit mit Sonderzügen usw.“ machen. Eine Absicht, der Earl Cowper eine vehemente Absage erteilt: „Ich möchte auf keinen Fall, dass aus Melbourne Hall eine Sehenswürdigkeit gemacht wird. Wenn ich gewusst hätte, dass dies die Absicht von Mr. Cook ist, hätte ich sofort geschrieben, um meine entschiedene Ablehnung zu erklären.“ 545 Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Melbourne Hall mit seinen Parkanlagen, immer noch im Besitz der Familie, heute genau das ist. 546 <?page no="168"?> Die späten Jahre ls ihm die späte Genugtuung verwehrt bleibt, das Anwesen von Melbourne Hall zu pachten, auf dem er als zehnjähriger Junge sein langes Berufsleben als Gärtnereigehilfe für einen Penny den Tag begann, besinnt er sich wieder stärker auf seine selbstgewählte religiöse Herkunft bei den Baptisten. Statt also Mieter eines stattlichen Landsitzes zu werden, kaufte Thomas Cook im Jahr darauf in Rom eine bescheidene Kapelle für die Baptisten. Mit Frau und Tochter ist er über mehrere Wochen in der italienischen Hauptstadt, um sie für die Eröffnung als baptistisches Gotteshaus vorzubereiten und den Pfarrer, Reverend R. N. Shaw und seiner Frau bei Versammlungen zu unterstützen. 547 Noch 2005 konnte Jill Hamilton schreiben, dass „die Baptisten- Kapelle, für deren Eröffnung er in Rom in den 1870er-Jahren so hart gearbeitet hat, immer noch gut besucht ist.“ 548 Was das eigene Unternehmen betrifft, das ihm zusammen mit seinem Sohn gehört, ging Thomas Cook, wie Piers Brendon schreibt, in jeder Beziehung seine eigenen Wege. In einem Brief an seinen Vater beschwert sich John Mason am 16. November 1877: „[D]a Du mir nicht den geringsten Hinweis über Deine Bewegungen gibst, bin ich nicht geneigt, irgend jemanden des Personals nach Informationen zu fragen, die Du mir persönlich gegeben haben solltest.“ 549 In den Jahren danach zieht Thomas Cook sich immer mehr nach Leicester zurück. Hier lädt er alte Weggefährten aus der Temperenzlerbewegung zu sich nach Hause nach Thorncroft ein, da er „merkte, dass er nicht mehr so jung war und da er soviel gereist war, konnte er nicht so viele Temperenzlertreffen besuchen, wie er es vorher getan hatte, obwohl er mit dem Herzen immer dabei war. Er war über vierzig Jahre Temperenzler, ist siebenunddreißig Jahre lang gereist und wo immer er war, versuchte er für die Sache der Temperenzler zu werben.“ 550 Ende 1878 zieht er sich, wie bereits erwähnt, ganz aus seinem Unternehmen zurück, das von nun an auch formell allein von seinem Sohn geführt wird. 1880 trifft ihn der Unfalltod seiner geliebten Tochter hart. Für die Sonntags- A <?page no="169"?> 170 Thomas Cook - Pionier des Tourismus schule im ärmsten Viertel von Leicester, an der Annie unterrichtet hatte, ließ er für 7.000 Pfund die Annie Cook Memorial Hall, inklusive neuer Klassenräume, errichten. Seine Frau Marianne wird den Tod ihrer Tochter nie verwinden und stirbt nach langer Krankheit und für alle Beteiligten schweren Jahren am 8. März 1884. Es wird einsam um Thomas Cook, der die letzten acht Jahre seines Lebens alleine verbringen muss. Da auch sein Augenlicht schwindet, kann er kaum noch lesen und das Schreiben fällt ihm schwer. Dafür träumt er viel. „In meinen Träumen bin ich mit verschiedenen Dingen meiner Arbeit in Zusammenhang mit Touren beschäftigt und ich mache viele Reisen durch das Land der Träume, die ihren Eindruck auf mich in den schlaflosen Morgenstunden nicht verfehlen.“ 551 Schließlich bricht er noch einmal in ein reales Land seiner frühen Träume auf. 1888 führt ihn seine letzte große Reise im Alter von fast 80 Jahren noch einmal nach Jerusalem und nach Ägypten - das Land, das seit diesem Jahr den größten Anteil am weltweiten Geschäft des von ihm gegründeten Unternehmens hat. 552 Zusammen mit einigen alten Bekannten, die schon seine ersten Touren dorthin mit ihm gemacht hatten, fährt er mit dem Zug nach Venedig und von dort aus mit dem Schiff nach Alexandria, wo er den (neuen) Khediven trifft. Schließlich landen sie am 1. April 1888 in Jaffa, gerade rechtzeitig zum 25-jährigen Bestehen der dortigen Tabeetha Mission School. In der von Jane Walker-Arnott (1834-1911) 1863 gegründeten Schule wurden christliche, jüdische und muslimische Kinder gemeinsam unterrichtet. Als 1875 ein Schulgebäude errichtet werden musste, gehörte Thomas Cook zu den Spendern. 553 Während des Aufenthalts in Jericho, Bethlehem und Jerusalem erkennen ihn trotz seiner stark gealterten Erscheinung viele Einwohner, die zu ihm eilen und ihn enthusiastisch begrüßen. 554 Wegen ungewöhnlich stürmischen Wetters verzögert sich die Einschiffung in Jaffa um eine Woche, in der er Labeebeh, eine junge Frau aus Syrien, kennenlernt, die, zunächst Schülerin in Jane Walker-Arnotts Schule, jetzt dort selber unterrichtet. Sie zeigt starkes Interesse an England und so bucht Thomas Cook sie kurzerhand auf einen der Dampfer dorthin. Er selbst kehrt über Athen, Korfu, Triest, Venedig und Mainz, von wo aus er mit dem Rheindampfer bis Köln fährt, via Calais nach England zurück. Doch <?page no="170"?> Die späten Jahre 171 damit nicht genug: Mit weiteren Freunden fährt er gleich darauf zu seinem jährlichen Aufenthalt nach Schottland, wo in Edinburgh Anfang Juni Labeebeh eintrifft, die für sechs Monate an seiner Seite bleibt. Man könnte meinen, dass damit ein weiterer Traum des alten Mannes in Erfüllung ginge, „aber in Wirklichkeit war dies die Geste eines Christen und Ausdruck seines Wunsches, etwas vom Heiligen Land zurück nach Leicester zu bringen. Viele Reisende, darunter auch Captain Cook, haben einen ‚Mustereingeborenen‘ mit nach Hause gebracht. Labeebeh war wohl der kurze Versuch, eine Ersatztochter zu finden.“ 555 Am 23. November 1888, einen Tag nach Thomas Cooks 80. Geburtstag, den sie mit seinen Freunden in Liverpool verbringen, verlässt sie, wie geplant, an Bord der S.S. Britannia England wieder in Richtung Jaffa. 556 Welchen Stellenwert der Name Cook mittlerweile in der britischen Gesellschaft hatte, wurde 1891 deutlich, als die Times anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des ersten von Thomas Cook veranstalteten Eisenbahnausflugs von Leicester nach Loughborough schrieb: „Ist es der sehnsüchtige Wunsch, den wir alle hegen, aus London weg in die Berge oder an die See zu kommen, der bei jedermann so freundliche Gefühle gegenüber den H ERREN C OOK und ihr Jubiläum aufkommen lässt? Ihnen ist es gelungen, ihren Namen und ihre Organisation so tief in das öffentliche Bewusstsein zu bringen, dass wir nicht an Zermatt oder Oban, die Orkneys oder die Mitternachtssonne denken können, ohne gleichzeitig die H ERREN C OOK und die kleinen Bücher mit Reisecoupons im Kopf zu haben, die wir am Ludgate-Circus kaufen können.“ 557 Kein Wunder: Im Jahr zuvor hatte das Unternehmen rund 3,2 Millionen Tickets verkauft; 1891 verfügte es weltweit über 84 Büros und 85 Agenturen mit zusammen 2.692 Mitarbeitern, von denen allein 978 in Ägypten und Palästina beschäftigt wurden. 558 Zu diesem Jubiläum fand am Mittwoch, den 22. Juli 1891 in London im Hotel Métropol unter dem Vorsitz von John Mason Cook ein festliches Bankett mit über 300 illustren Gästen statt. „Es waren Prinzen dort, hohe Adelige und Exzellenzen; es waren Soldaten und Seeleute dort, Mitglieder des Parlaments, Journalisten, Bohemiens - jedermann.“ 559 Thomas <?page no="171"?> 172 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Cook selbst war jedoch nicht darunter. Die Times berichtet diesbezüglich über die Rede John Masons: „Es war die Quelle größten Bedauerns für ihn, dass sein Vater, Thomas Cook, wegen seines extrem hohen Alters nicht in der Lage war, an diesem Abend dabei zu sein.“ 560 Diese Aussage war nach Einschätzung von Jill Hamilton „dramatisiert und falsch“. 561 Sie bezieht sich dabei vor allem auf diese Passage in der Rede von John Mason Cook: „Unglücklicherweise könnte er, wenn er hier wäre, niemanden von uns sehen. Das letzte Mal, als ich mit ihm sprach, hat er meine Stimme nicht erkannt.“ 562 Ihrer Meinung nach „implizierte das, dass Thomas auch unter Gedächtnisverlust gelitten haben kann, aber dies war nicht der Fall. Thomas reiste häufig nach Melbourne und schrieb oder diktierte eine bewundernswerte Serie von Rundschreiben und Erinnerungen.“ 563 In Wirklichkeit sei es John Mason, der gerne alles unter seiner Kontrolle hatte, darum gegangen, selbst im Rampenlicht zu stehen und er wollte dies nicht mit irgend jemandem teilen, schon gar nicht mit seinem Vater. „In Anbetracht all dessen ist es schwer, den Verdacht zu unterdrücken, dass John seinen Vater absichtlich von den Jubiläumsfeierlichkeiten ausschloss.“ 564 John Mason Cook (ca. 1890) Dieser Verdacht liegt auch deshalb nahe, weil der unermüdliche Philanthrop Thomas Cook immer noch genügend Energie hatte, um im Herbst des gleichen Jahres ein von ihm finanziertes Projekt zum Bau einer Siedlung von 14 Armenhäusern nebst Infrastruktur und Ferienwohnungen für Baptistenprediger und ihn selbst in seinem Geburtsort Melbourne zu beginnen. Zur Eröffnung kam am 10. März 1892 auch sein alter Freund und Mitprediger bei den Baptisten, John Earp, mit dem er mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor im Morgen- <?page no="172"?> Die späten Jahre 173 grauen durch das Fenster der Kapelle in Melbourne gestiegen war. 565 Am 13. Juli 1892 fuhr er von dieser Wohnung in Melbourne nach Leicester, um seine Stimme für den Kandidaten der Liberalen, die auch der Sache der Temperenzler aufgeschlossen gegenüberstanden, bei den Parlamentswahlen abzugeben. 566 Fünf Tage später, in den frühen Morgenstunden des 19. Juli 1892, starb Thomas Cook in seinem Haus in Leicester im Alter von 83 Jahren. Am 26. Juli berichtet The Leeds Mercury: „Die sterblichen Überreste von Mr. Thos. Cook von Thorncroft, Leicester, dem Gründer und Chef der Firma Thos. Cook and Son, dem großen Ausflugsagenten, wurden gestern in Leicester beerdigt. Die Beerdigung war eine der meistbesuchten, die man seit langer Zeit in der Grafschaft miterleben konnte.“ 567 Sein Sohn war jedoch nicht unter den vielen Trauergästen. Wie schon bei den Begräbnissen seiner Schwester und seiner Mutter war er wieder unterwegs, diesmal in Norwegen. Obwohl mehr als eine Woche zwischen Thomas’ Tod und seiner Beerdigung lag, blieb er abwesend. Vor Thomas Cooks Grabstein liegt ein steinernes, aufgeschlagenes Buch mit den Daten seines ersten Eisenbahnausfluges und seiner Weltreise und dem eingemeißelten Satz: „He brought Travel to the Millions.“ <?page no="174"?> Epilog Schon zu Lebzeiten seines Vaters hatte John Mason Cook, wie wir gesehen haben, das Unternehmen, das es ohne seine Tatkraft wohl gar nicht mehr gegeben hätte, stark geprägt. „Thomas Cook legte das Fundament, aber er wäre nicht in der Lage gewesen, das internationale Reisesystem zu errichten, zu dem das Unternehmen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurde.“ 568 Während für Thomas sein Unternehmertum eingebettet war in einen durch seine Religiosität und das Engagement bei den Temperenzlern geprägten philanthropischen Lebensstil, war John Mason, obwohl er quasi von Geburt an abstinent war, in erster Linie Unternehmer, dem alles andere untergeordnet wurde. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich einen Monat nach dem Tod seines Vaters zum Präsidenten der Leicester Temperance Society wählen zu lassen. 569 In religiösen Dingen dagegen war er weniger prinzipientreu und wurde Mitglied der von seinem liberalen Vater äußerst skeptisch gesehenen anglikanischen Staatskirche. „In ähnlicher Weise wie so viele Kinder finanziell erfolgreicher Nonkonformisten, genoss er es, den Rang eines Trägers der etablierten Kirche einzunehmen.“ 570 In Ägypten hatte er bereits seine Nähe zum britischen Staat tatkräftig unter Beweis gestellt. Als der Sudan sich 1881 unter dem Mahdi Muhammad Ahmad (1844-1885) gegen die osmanisch-ägyptische Herrschaft auflehnte, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit ägyptischen Truppen. Nachdem das nicht zuletzt durch den Bau des Suezkanals hochverschuldete Ägypten nach einer befürchteten nationalistischen Erhebung 1882 von britischen Truppen besetzt wurde, weitete sich der Konflikt im Sudan aus. Vor dem Hintergrund militärischer Niederlagen entschied sich die britische Regierung 1883, den Sudan aufzugeben. Allerdings waren noch viele Soldaten und Verwaltungsangestellte im Land, die mit ihren Familien evakuiert werden mussten. Die Leitung dieser Operation wurde General Charles Gordon (1833-1885) übertragen, der von 1877-1879 bereits Gouverneur im Sudan gewesen <?page no="175"?> 176 Thomas Cook - Pionier des Tourismus war. Er fuhr im Januar 1884 mit einem der Nildampfer Cooks bis Korosko südlich von Luxor, bis er mit seiner Gruppe mit dem Kamel weiterreiste. 571 Er hatte seinen Auftrag teilweise erfüllt, als im März Khartum von den Rebellen eingeschlossen und für zehn Monate belagert wurde. Die bis dato 2.000 Evakuierten wurden auf den Schiffen Cooks - die Firma hatte schließlich das Monopol auf dem Nil - zurück in den Norden gebracht. Gleichzeitig wurden - die britische Regierung hatte beschlossen, Gordon in Khartum zu befreien - Soldaten und Ausrüstung in den Süden geschafft. „Das war eine kommerzielle und imperiale Unternehmung ganz nach dem Geschmack von John und er stürzte sich mit mehr als seiner üblichen Energie in sie.“ 572 Am Ende waren es 18.000 Soldaten, 130.000 Tonnen an Vorräten und 800 Boote, die von Cook über den Nil transportiert wurden. Dafür war eine Flotte von 28 großen Frachtschiffen erforderlich, die zwischen Nordengland und Alexandria pendelten, mehr als 6.000 Güterwaggons wurden auf der Bahnlinie zwischen Alexandria und Kairo oder Assiut eingesetzt. 27 Nildampfer waren Tag und Nacht unterwegs, unterstützt von 650 Segelschiffen. Dafür beschäftigte Cook 5.000 Männer und Jungen. 573 „Es war das einzige Mal in der Geschichte, dass ein privates Unternehmen den Transport einer britischen Armee besorgte.“ 574 Dabei hatte bereits 1871 der Abgeordnete J. White während einer Haushaltsdebatte im Unterhaus moniert, dass Truppentransporte mit der Eisenbahn 50 Prozent mehr pro Soldat kosten, als Privatpersonen für die gleiche Strecke zahlen müssten, „und er wagte die Behauptung, dass, wenn Mr. Cook […] hierfür eingesetzt würde, er die Arbeit für die Hälfte des Geldes, die man jetzt dafür aufwendet, machte, und zwar in einer Weise, die dem Komfort der Truppen viel förderlicher wäre (Gelächter).“ 575 Trotz aller Bemühungen: Das eigentliche Ziel, die Rettung Charles Gordons, wurde nicht erreicht. Am 26. Januar 1885 wurde dieser nach einem erfolgreichen Angriff der Mahdisten auf Khartum getötet. „Wenn man die Wehmut über das Scheitern der Expedition gegen die bewundernswerte Art setzt, in denen die Herren Cook ihren Vertrag erfüllten, ist man versucht zu bedauern, dass die letzteren nicht in die Rettung von Gordon und die der Garnisonen im Sudan einbezogen wurden.“ 576 <?page no="176"?> Epilog 177 Diese Verbindung von Geschäft und Patriotismus war eine, wenn auch höchst spektakuläre, Ausnahme. Keine Ausnahme dagegen war John Masons Ergebenheit gegenüber Königshäusern. Bereits 1896 hatte John Mason den deutschen Kaiser Wilhelm II. persönlich auf den Vesuv begleitet - die Seilbahn, die auf den Gipfel führte, hatte er 1888 erworben 577 -, bevor er für Ende 1898 eine Reise ins Heilige Land für ihn organisierte und zusammen mit seinem Sohn Frank führte. Die kaiserliche Entourage bestand aus mehr als 100 Personen, darunter auch die Kaiserin mit ihrem Hofstaat. Sie wurden begleitet von 27 Paschas mit ihrem Gefolge aus weiteren 80 Personen. Gesichert wurde die Karawane von 600 türkischen Soldaten. Das war eine weitere logistische Herausforderung, denn alleine zum Transport der illustren Gruppe mit ihrem Gepäck waren 116 Kutschen, 1.500 Tiere und 800 Maultiertreiber erforderlich. 578 Auf dieser Reise erkrankte John Mason Cook an Ruhr und er versuchte sich, als Gast auf der kaiserlichen Yacht Hohenzollern, in Ägypten davon zu kurieren. Nachdem sich jedoch sein Gesundheitszustand weiter verschlechterte, kehrte er nach Hause zurück. „John Mason Cook starb in Walton-on-Thames am 4. März 1899, nachdem er die einzigartige Auszeichnung genießen konnte, von den Herrschern in nahezu jedem Land, bis auf sein eigenes, in Europa geehrt und dekoriert worden zu sein.“ 579 Das Unternehmen wurde von seinen Söhnen Frank Henry und Ernest Edward Cook erfolgreich weitergeführt. Thomas Albert Cook wurde ausbezahlt. Sie führten das Unternehmen gemeinsam bis 1928, als sie es am 8. Februar an die belgische Compagnie International des Wagon Lit für 3,5 Millionen Pfund verkauften. Das war das Ende von Thos. Cook & Son als Familienunternehmen. Seitdem hatte das Unternehmen unterschiedliche Besitzer. Durch den Zweiten Weltkrieg kam es in erhebliche Schwierigkeiten und wurde an britische Eisenbahngesellschaften verkauft. Als diese nach dem Krieg 1948 durch die Labour- Regierung verstaatlicht wurden, wurde Thomas Cook & Son dadurch ebenfalls ein staatliches Unternehmen. Erst 1972 wurde Thomas Cook unter der konservativen Regierung von Edward Heath mit dem Verkauf an ein Konsortium aus der Midland Bank, Trust House Forte und dem britischen Auto- <?page no="177"?> 178 Thomas Cook - Pionier des Tourismus mobil-Club wieder privatisiert. Fünf Jahre später kaufte die Bank auch die restlichen Anteile. 1992 wurde das Unternehmen an die Westdeutsche Landesbank (WestLB) und die Düsseldorfer Charterfluggesellschaft LTU verkauft, die ihren Anteil von zehn Prozent 1995 an die Bank veräußerte. 1999 kaufte die Preussag, größter Anteilseigner war die WestLB, nach der Übernahme der TUI 24,9 Prozent der Anteile. Nach der Übernahme des damals größten britischen Reiseveranstalters, Thomson Travel, durch die TUI, musste die Beteiligung an Thomas Cook aufgegeben werden. 2001 übernahm daher die 1997 gegründete C&N Touristic, das der damaligen Lufthansa-Chartertochter Condor und Quelle-Karstadt - die Muttergesellschaft von Neckermann, daher der Name C&N - zu gleichen Teilen gehörte, Thomas Cook. Noch im gleichen Jahr übernahm C&N den Namen der Tochtergesellschaft und firmiert seitdem unter Thomas Cook. 580 Damit ist der Name Thomas Cook auch in Deutschland, wo das britische Unternehmen vorher nur mit wenigen Filialen bzw. Wechselstuben vertreten und kaum bekannt war, nun flächendeckend in Reisebüros als einer der größten Reiseveranstalter vertreten. <?page no="178"?> Das Leben von Thomas Cook (Zeittafel) Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1808 22. November Geburt in Melbourne, Derbyshire, England, als Sohn von John Cook und Elizabeth Perkins, der Tochter von Thomas Perkins, einem der Pastöre der Melbourne Baptist Church. Im Jahr zuvor Abschaffung des Sklavenhandels in England durch Parlamentsbeschluss; Annexion Finnlands durch Russland; Umsetzung der Freiherr von Stein’schen Reformen in Preußen; Beginn des Schwedisch-Russischen Krieges. 1812 Tod des Vaters; Wiederverheiratung der Mutter mit James Smithard. Russlandfeldzug Napoleons: Eroberung Moskaus; Rückzug der napoleonischen Truppen, Schlacht an der Beresina; Lord Byron äußert im britischen Oberhaus Verständnis für die Maschinenstürmer; der britische Premierminister Spencer Perceval wird auf dem Weg ins Unterhaus von John Bellingham erschossen; Gleichstellung jüdischer Bürger in Preußen durch das Judenedikt von Friedrich Wilhelm III. 1819 Verlassen der Schule im Alter von zehn Jahren; Arbeit als Gartengehilfe auf den Besitztümern von Lord Melbourne. Spanien verkauft seine Kolonien Ost- und Westflorida an die USA; Ermordung des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand, die u.a. zu den im gleichen Jahr erlassenen Karlsbader Beschlüssen führt. 1820 Tod des Stiefvaters James Smithard. Nach einem Staatsstreich wird Spanien konstitutionelle Monarchie. 1822 Beginn der Ausbildung als Drechsler und Möbeltischler bei Onkel John Pegg, die er nicht abschloss. Beginn des Unabhängigkeitskampfes der Griechen gegen die osmanische Herrschaft. <?page no="179"?> 180 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1826 Taufe am 26. Februar durch Joseph Foulkes Winks. In Paris erscheint die erste Ausgabe des Figaro; die University of London wird als weltliches Gegenstück zu den religiös geprägten Universitäten in Oxford und Cambridge gegründet; erste Photographie durch Joseph Nicéphore Nièpce. 1828 Baptistischer Wanderprediger für zunächst 36 £ pro Jahr, später reduziert auf 26 £, weil er bei den Gläubigen meist unentgeltlich übernachten und essen konnte. Kaspar Hauser taucht in Nürnberg auf; Gründung des Reclam Verlags in Leipzig; Ignaz Bösendorfer beginnt mit der Herstellung von Klavieren in Wien; der Brite John Cree wird das erste Todesopfer der Eisenbahngeschichte, als seine Lokomotive zwischen Stockton und Darlington explodiert; Legung des Grundsteins für die erste Eisenbahn der USA. 1829 Erste Reiseerfahrungen: Als Wanderprediger legt er 2.629 Meilen zurück, 2.106 davon zu Fuß; Umzug nach Barrowden (Northamptonshire), dort erste Begegnung mit der ein Jahr älteren Bauerntochter Marianne Mason, die auch als Sonntagsschullehrerin tätig war. Entdeckung einer Oase im Westen Nordamerikas, die später Las Vegas genannt wird; Gründung der Ersten Donau- Dampfschifffahrtsgesellschaft in Wien; Uraufführung von Goethes Faust I in Weimar; Wiederaufführung der vergessenen Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach durch Felix Mendelssohn-Bartholdy, der dadurch eine Bach-Renaissance einleitete; Annahme des Catholic Relief Act in Großbritannien, der Katholiken das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. 1830 Eisenbahnausflug für Arbeiter anlässlich der Eröffnung der Bahnlinie zwischen Manchester und Liverpool. <?page no="180"?> Zeittafel 181 Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1832 Niederlassung in Market Harborough. Annahme des Great Reform Act durch das Parlament, mit dem eine bessere Vertretung der Bürger in England und Wales im Unterhaus erreicht wurde; das Hambacher Fest wird zum Manifest für die deutsche Einheit und Freiheit; Entdeckung des Beagle Kanals durch die HMS Beagle mit Charles Darwin an Bord. 1833 Am 1. Januar Gelöbnis der Abstinenz; 2. März Heirat mit Marianne Mason; Arbeit als Holzdrechsler und Messingdreher (wood and brass turner). Inbesitznahme der Falkland- Inseln durch Großbritannien und Vertreibung der argentinischen Besatzung; Abschaffung der Sklaverei im British Empire; Der Factory Act schränkt die Jugend- und Kinderarbeit in der Textilindustrie Großbritanniens ein und verbietet die Arbeit von Kindern unter neun Jahren; Samuel Morse baut den ersten Schreibtelegraphen. 1834 13. Januar Geburt des Sohnes John Mason Cook; im August Geburt des zweiten Sohnes, Henry, der nach nur vier Wochen stirbt; Öffnung des Hauses als Unterkunft für reisende Temperenzler; Leitung der Erwachsenenschule der Baptisten. Georg Büchner gründet die geheime Gesellschaft der Menschenrechte; Erscheinen des Der Hessische Landbote; Rebellion der Seidenweber in Lyon. 1835 Erscheinen des ersten Murray- Handbook über Ägypten; 1836 Mitbegründer der ersten lokalen Temperenz- Gesellschaft in Market Harborough, er wird ihr erster Sekretär. Eisenbahnausflug von Wadebridge in das 13 Meilen entfernte Wenford Bridge. <?page no="181"?> 182 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1837 Am 8. Oktober Ausschluss aus der Baptistengemeinde wegen angeblich unseriösen Geschäftsgebarens, der nach fünf Monaten wieder aufgehoben wurde; Beginn der Veröffentlichung von Pamphleten gegen den Alkoholismus in der eigenen kleinen Druckerei. Victoria wird britische Königin und Ernst August I. wird Herrscher im Königreich Hannover, das bis dahin 123 Jahre lang in Personalunion von der britischen Krone geführt wurde; mit ihrem Einzug wird der Buckingham Palace zur Hauptresidenz britischer Monarchen; die Göttinger Sieben (darunter die Gebrüder Grimm) protestieren schriftlich gegen die Rücknahme der liberalen Verfassung durch Ernst August I., der sie daraufhin aus ihren Professorenämtern entlässt; die ersten Folgen von Charles Dickens‘ Oliver Twist erscheinen als Fortsetzungsroman in England. 1839 Im November erscheint die erste Nummer des von ihm mitherausgegebenen Monthly Temperance Messenger. Erscheinen der ersten Ausgabe von Bradshaw’s Railway Companion, in dem die Fahrpläne der verschiedenen Eisenbahngesellschaften zusammengefasst werden; nach dem Verbot des Opiumimports ausländischer Handelsgesellschaften durch den chinesischen Kaiser Ausbruch des Ersten Opiumkriegs - Besetzung Hongkongs durch die Briten als Ausgangsbasis für den Krieg gegen China; Inbetriebnahme der ersten Pferdeomnibuslinie zwischen dem dänischen Altona und Hamburg; Charles Goodyear entdeckt die Vulkanisation; Charles Darwins Buch The Voyage of the Beagle erscheint. <?page no="182"?> Zeittafel 183 Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1840 Im Januar erscheint die erste Ausgabe des von ihm ebenfalls mitherausgegebenen Children’s Temperance Magazine, a Cabinet of Instruction and Amusement for Little Teetotallers, edited by a Father (eingestellt 1848). Einführung eines allgemeinen Postsystems mit Briefmarken in Großbritannien, das den kostengünstigen Versand von Briefen und Zeitschriften ermöglichte; die RMS Britannia ist das erste Schiff im Postdienst; Gründung des ersten Kindergartens durch Friedrich Fröbel. 1841 Am 9. Juni schlägt er auf einem Treffen der Temperenzler in Leicester den Einsatz eines Eisenbahnzuges von dort nach Loughborough zum dort stattfindenden vierteljährlichen Treffen der Delegierten vor; am Montag, den 5. Juli findet diese Fahrt mit ca. 500 Passagieren statt, denen zudem am Zielort auch noch ein Picknick geboten wird; Umzug nach Leicester und Eröffnung seiner Buchhandlung und -druckerei; Beginn der Organisation und Durchführung weiterer Eisenbahnausflüge für die Temperenzler. Auslieferung der ersten Lokomotive durch die Maschinenfabrik Borsig in Berlin; Einweihung der Semperoper in Dresden; Hoffmann von Fallerleben verfasst auf Helgoland den Text des Deutschlandliedes. 1842 Veröffentlichung des Leicestershire Almanack, Directory Guide to Leicester and Advertiser und Druck weiterer Publikationen wie Unterkunftsverzeichnisse und einen Hotelführer für Temperenzler in Großbritannien. Der erste Siedlertreck rollt von Missouri aus nach Westen; Gründung der liberalen Rheinischen Zeitung in Köln, deren Redaktionsleitung noch im gleichen Jahr von Karl Marx übernommen wird; erste Weltumrundung mit einem Dampfschiff durch die HMS Driver. <?page no="183"?> 184 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1844 Organisation eines ersten Ausfluges für Sonntagsschüler und Jugendliche, um sie von den Gefahren des Glückspiels und des Alkohols während der Pferderennsaison fernzuhalten - um die 5.000 Teilnehmer buchen und müssen auf zwei Tage verteilt werden; weitere dieser Ausflüge folgen; erstes Treffen mit dem Forschungsreisenden Silk Buckingham, der später sein Hauptberater für Reisen ins Heilige Land wird. Beginn des schlesischen Weberaufstandes; die Dominikanische Republik wird ein von Haiti unabhängiger Staat; Eröffnung der Bahnstrecke von Köln nach Bonn; Übermittlung der ersten telegraphischen Nachricht durch Samuel Morse von Washington D.C. nach Baltimore; William Turner malt das Bild Rain Steam and Speed - the Great Western Railway; Heinrich Heine veröffentlicht Deutschland. Ein Wintermärchen. 1845 Geburt der Tochter Annie; Ausschreibung und Durchführung der ersten kommerziellen Gruppenreise nach Liverpool mit Weiterfahrmöglichkeiten nach Nordwales, die Isle of Man und nach Dublin. Florida wird 27. Bundesstaat, Texas, nach seiner Annexion durch die USA, 28.; Ausbruch der Großen Hungersnot in Irland; das erste Dampfschiff mit Schiffspropellerantrieb, die SS Great Britain, startet zu ihrer Jungfernfahrt nach New York; Friedrich Engels veröffentlicht Die Lage der arbeitenden Klasse in England; Uraufführung von Richard Wagners Oper Tannhäuser in Dresden. 1846 Führung der ersten einer ganzen Reihe von Gruppenreisen nach Schottland. Deklaration der Unabhängigkeit Kaliforniens von Mexiko; Annexion Kaliforniens durch die USA; Ausbruch des Krieges zwischen Mexiko und den USA; nach Missernten große Hungersnot in Irland; der belgische Instrumentenbauer Adolphe Sax erhält das Patent für sein Saxophon; Carl Zeiss eröffnet in Jena seine optische Werkstatt. <?page no="184"?> Zeittafel 185 Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1851 Etwa 165.000 Besucher der Ersten Weltausstellung (Great Exhibition) im legendären Crystal Palace im Hyde Park werden von den Midlands nach London gebracht; Erscheinungsbeginn des Vorläufers der Zeitschrift Cook’s Excursionist. Staatsstreich in Frankreich: Charles-Louis-Napoléon Bonaparte lässt sich mit diktatorischen Vollmachten ausstatten; der britische Außenminister John Henry Palmerston tritt wegen eigenmächtiger Anerkennung des neuen französischen Regimes zurück; Beweis der Erdrotation mit einem Pendel durch Jean Bernard Léon Foucault; David Livingston erreicht den Oberlauf des Sambesi; Erscheinen von Harriet Beecher Stowes Onkel Toms Hütte und Herman Melvilles Moby Dick. 1853 Organisation von Besucherreisen zur Great Industrial Exhibition in Dublin und von Ausflügen zu weiteren irischen Destinationen. Nach dem Vorbild der Great Exhibition in London 1851 findet die Zweite Weltausstellung (Exhibition of the Industry of All Nations) in New York City statt; Ausbruch des Krimkrieges durch Kriegserklärung des Osmanischen Reiches an Russland, nachdem die Donaufürstentümer durch Russland besetzt worden waren; Gründung der Klavierhersteller Bechstein, Blüthner und Steinway & Sons; Eröffnung der Neuen Pinakothek in München. 1854 Tod der Mutter, Elizabeth Tivey, verw. Cook und verw. Smithard, im Februar. Ende März Eintritt Großbritanniens und Frankreichs in den Krimkrieg durch Kriegserklärungen an Russland; Florence Nightingale fährt mit 38 weiteren Krankenschwestern auf die Krim; der Ausbruch der Cholera in London fordert ca. 10.000 Tote. <?page no="185"?> 186 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1855 Die geplanten Touren zur ersten Pariser Weltausstellung werden durch Probleme bei der Erlangung von Rabatten für die Eisenbahnfahrten verhindert: Es können nur Passagen von Leicester nach Calais und zurück verkauft werden; am 4. Juli Durchführung der ersten Gruppenreise auf den Kontinent; Wiederholung der Reise mit kleinen Modifikationen am 16. August. Weitere Schlachten des Krimkriegs (1853-1856); Alexander II. wird nach dem Tod seines Vaters russischer Zar; Gründung des Daily Telegraph in London; Einweihung der heutigen Hohenzollernbrücke in Köln; Robert Bunsen erfindet den gleichnamigen Gasbrenner; David Livingstone erreicht die Viktoriafälle. 1856 Sein Sohn John Mason nimmt eine Stelle bei den Midland Railways an. Ende des Krimkrieges; Durchsetzung des ersten Achtstundentages bei den Steinmetzen im australischen Bundesstaat Victoria; Gründung des Langenscheidt Verlages in Berlin; Gustave Flauberts Roman Madame Bovary erscheint in Paris. 1859 John Mason gibt seine Position bei den Midland Railways auf und gründet eine Druckerei in Leicester. Veröffentlichung von Charles Darwins The Origins of Species und von John Stuart Mills Essay On Liberty. 1861 In der Pfingstwoche Durchführung der ersten sechstägigen Auslandsreise für Arbeiter nach Paris; Hochzeit des Sohnes, John Mason Cook, mit Emma Hodges aus Leicester am 27. Dezember. Nach dem Amtsantritt Abraham Lincolns verlassen mehrere Südstaaten die Union und gründen die Konföderierten Staaten von Amerika; Beginn des Bürgerkrieges in den USA; Ausrufung der italienischen Monarchie unter Viktor Emanuel II. im März; Tod von Prinz Albert am 14. Dezember. <?page no="186"?> Zeittafel 187 Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1862 Nachdem die Bahngesellschaften das Transportgeschäft zur zweiten Londoner Weltausstellung selber machten, Organisation von Unterkünften, die von etwa 20.000 Besuchern in Anspruch genommen wurden; Umzug von Leicester nach London zusammen mit Frau und Tochter Annie; Geburt des ersten Enkels, Frank Henry Cook. Great London Exposition, zweite Weltausstellung in London; Otto von Bismarck wird preußischer Ministerpräsident; Gründung einer Nähmaschinenmanufaktur durch Adam Opel in Rüsselsheim. 1863 Weigerung der schottischen Bahngesellschaften für die Schottlandreisen weiterhin mit ihm zusammenzuarbeiten; erfolgreicher Beginn der Reisen nach Paris - bis September wurden mehr als 2.000 Gäste nach Paris gebracht; erste Gruppenreise durch die Schweiz. Inkrafttreten des von Abraham Lincoln unterzeichneten Emancipation Act in den USA, mit dem die Sklaverei beendet werden soll; Schlacht bei Gettysburg, in der die Konföderierten den Nordstaaten unterliegen; Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins in Leipzig; Eröffnung der ersten U-Bahn der Welt in London. 1864 Erste Gruppenreise durch Italien; Wiedereintritt des Sohnes John Mason Cook in das Reiseunternehmen. Ausbruch des Deutsch- Dänischen Krieges, Erstürmung der Düppeler Schanzen durch die Preußen - Frieden von Wien, nach dem die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg von Dänemark abgetreten werden; Proklamation Ludwig II. in Bayern. <?page no="187"?> 188 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1865 Eröffnung des Büros in der Fleet Street in London; erste Amerikareise im November. Der britische Reiseunternehmer Henry Gaze führt die ersten Hotel-Voucher ein; Ermordung Abraham Lincolns; George Pullman bekommt mit dem Transport der Leiche in einem seiner Luxuswaggons von Washington D.C. nach Springfield, Illinois, seine große Chance bekanntzuwerden; Ende des Bürgerkriegs in den USA; Annahme des 13. Verfassungsartikels, der die Sklaverei in den USA verbietet; Gründung der BASF. 1866 John Mason leitet die erste Gruppenreise des Unternehmens in die USA und nach Kanada. Gründung des Norddeutschen Bundes; Österreichischpreußischer Krieg; Sieg Preußens in der Schlacht von Königgrätz; Gründung der Royal Aeronautical Society in London; das erste Transatlantikkabel wird in Betrieb genommen; Veröffentlichung von Fjodor Dostojewskis Schuld und Sühne. 1868 Einführung der Hotel- Voucher (Hotel-Coupons). Henry Gaze organisiert die erste Veranstalterreise in den Nahen Osten; Beginn des Kampfes um die Unabhängigkeit Kubas von Spanien; Gründung der heutigen Technischen Universität München; Erscheinen von Leo Tolstois Roman Krieg und Frieden; Uraufführung von Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg. 1869 Leitung einer Reisegruppe nach Ägypten und Palästina; er wird zur Eröffnung des Suezkanals im November eingeladen. Gründungskongress der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) in Eisenach, die später in SPD umbenannt wird; Wahl August Bebels zum Vorsitzenden; Inbetriebnahme der Central Pacific Railroad, der ersten transkontinentalen Eisenbahnstrecke in den USA. <?page no="188"?> Zeittafel 189 Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1870 Reise in die Schweiz, nach Württemberg und Baden, um die Lage im Deutsch- Französischen Krieg zu erkunden. Beginn des Deutsch- Französischen Kriegs; Vollendung der Einheit Italiens; Gründung der Commerzbank in Hamburg und der Deutschen Bank in Berlin; Durchstich des Mont-Cenis- Tunnels. 1871 Sein Sohn James Mason Cook wird gleichberechtigter Partner des Familienunternehmens und der Name in Thos. Cook & Son geändert. Sieg Preußens im Deutsch- Französischen Krieg (1870- 1871); Gründung des Deutschen Reiches; König Wilhelm I. von Preußen wird im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zum ersten deutschen Kaiser proklamiert; Otto von Bismarck wird Reichskanzler; Pariser Kommune; erste Fahrplankonferenz der deutschen Eisenbahnen. 1872 Gründung von Cook, Son & Jenkins mit dem neuen Partner E. M. Jenkins in New York; versuchsweise Einführung von Circular Notes, Vorläufer der Traveller Cheques, in den USA; Beginn der von ihm geleiteten, 222-tägigen ersten Weltreise des Unternehmens. Hochverratsprozess gegen Wilhelm Liebknecht und August Bebel in Leipzig, weil sie 1870 im Reichstag einen Friedensvorschlag für den Deutsch-Französischen Krieg gemacht hatten. 1873 Einführung von Cook’s Continental Time Tables; Tod des Halbbruders James Smithard. In Frankreich erscheint Jules Vernes Die Reise um die Erde in achtzig Tagen; in den USA erhalten Levi Strauss und Jacob Davis ein Patent auf Jeans; Zusammenlegung der Städte Buda, Óbuda und Pest zur ungarischen Hauptstadt Budapest; Weltausstellung in Wien; durch Dekret des Osmanischen Reiches wird Ägypten unter dem Khediven Ismail Pascha weitgehend unabhängig. <?page no="189"?> 190 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1875 Veranstaltung der ersten Reisen nach Skandinavien, darunter auch eine Mittsommernachtstour; Gebäudekauf in Rom und Einrichtung einer Baptistenkirche; Erhalt des Postmonopols auf dem Nil; erste Konflikte mit John Mason wegen E. M. Jenkins Geschäftsgebaren in New York. Einführung der Zivilehe und der Scheidungsmöglichkeit im Deutschen Reich; Verkauf der ägyptischen Staatsanteile des Suezkanals an Großbritannien, das jetzt zusammen mit Frankreich den Kanal kontrolliert. 1876 Teilnahme an der Jahrhundertausstellung in Philadelphia. Einführung der Mark als Einheitswährung im Deutschen Reich; Alexander Bell erhält das Patent für das Telefon; Niederlage von General Custer gegen Sitting Bull und Crazy Horse in der Schlacht am Little Bighorn; Queen Victoria wird zur Kaiserin von Indien ernannt. 1878 Tod des Halbbruders Simeon Smithard im Februar; Auflösung von Cook, Son & Jenkins nach der Aufdeckung der Betrügereien Jenkins - Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft. Berliner Balkan-Kongress unter dem Vorsitz von Bismarck: Rumänien, Serbien und Montenegro werden selbständig, Bulgarien erhält einen Sonderstatus, Großbritannien erhält Zypern; Verbot der Sozialdemokraten; erstes Mutterschutzgesetz im Deutschen Reich; erste Glühbirne von Thomas Alva Edison in den USA. 1879 Mit Jahresbeginn Austritt aus dem Unternehmen, das sein Sohn John Mason als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter weiterführt; Rückzug nach Leicester. Der Khedive Ismail Pascha wird wegen Verschwendung abgesetzt und verlässt Kairo; Gründung des ersten Instituts für Psychologie in Leipzig durch Wilhelm Wundt; Einsturz der Firth-of-Tay-Eisenbahnbrücke in Schottland in einem Orkan mit mehr als siebzig Toten. <?page no="190"?> Zeittafel 191 Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1880 Sein ältester Enkel, Frank Henry, führt eine Reise auf den Spuren der Israeliten für Jugendliche zwischen sechzehn und einundzwanzig Jahren; Unfalltod der Tochter Annie. Komplettes Zufrieren von Boden- und Zürichsee; nach dreißig Jahren Arbeit veröffentlicht Konrad Duden das erste Orthographische Wörterbuch; Weltausstellung in Melbourne (Australien); Gründung der Münchner Rückversicherungsgesellschaft. 1882 Frank Henry Cook leitet die Reise der beiden Söhne des Prince of Wales durch das Heilige Land. Besetzung Ägyptens durch britische Truppen. 1883 Eintritt seines Enkels Ernest Edward in das das Banking & Exchange Department des Unternehmens. Mahdisten nehmen die ägyptische Stadt El Obeid ein; Niederlage einer britisch-ägyptischen Armee gegen die Mahdisten; erste Fahrt des Orient-Express von Paris nach Varna in Bulgarien, von wo aus es mit dem Schiff nach Konstantinopel weitergeht. 1884 Organisation von Truppentransporten auf dem Nil durch Thos. Cook & Son im Auftrag der britischen Regierung zur Rückführung britischer Staatsbürger aus Khartum; am 8. März Tod seiner Frau Marianne. Gründung der Fabian Society, eines Vorläufers der Labour Party in London; Grundsteinlegung für das Reichstagsgebäude in Berlin durch Kaiser Wilhelm I.; Einführung der Krankenversicherung für Arbeiter in Deutschland. 1885 Letzte Reise in die USA. Gottlieb Daimler erhält das Patent für das erste Motorrad; erstes Selbstbedienungsrestaurants in New York. 1888 Letzte Reise nach Ägypten und Palästina. Tod Kaiser Wilhelm I.; erstes Erscheinen der Financial Times in London; Bertha Benz fährt mit dem Motorwagen von Mannheim nach Pforzheim - die erste Überlandfahrt eines Automobils. <?page no="191"?> 192 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Jahr Thomas Cook Zeitereignisse 1892 Tod am 19. Juli im Alter von 83 Jahren in Leicester, er hinterlässt ein Vermögen von 2.497 Pfund, 1 Schilling und 6 Pence. Gründung des Deutschen Hauptvereins des Blauen Kreuzes zur Bekämpfung von Suchtkrankheiten, vor allem des Alkoholismus; Arthur Conan Doyles Die Abenteuer des Sherlock Holmes erscheinen in England; das Ballett Der Nussknacker von Pjotr Tschaikowski wird in St. Petersburg uraufgeführt. Wissenswertes zu den Nachfahren James Mason Cook 1896 Ernennung zum persönlichen Reisemanager von Queen Victoria. 1898 Organisation und Begleitung der Palästinareise des deutschen Kaisers Wilhelm II. 1899 Tod von James Mason Cook im Alter von 65 Jahren; seine Hinterlassenschaft wurde auf 663.534 Pfund geschätzt. Das Unternehmen wird nun von seinen beiden ältesten Söhnen geleitet, der jüngste, Thomas Albert, wird ausbezahlt. Frank Henry und Ernest Edward Cook 1928 am 8. Februar Verkauf des Unternehmens an die belgische Compagnie Internationale des Wagon Lit für 3½ Mio. Pfund. <?page no="192"?> Anmerkungen Eine alphabetische Literaturliste finden Sie unter www.uvk-lucius.de/ thomascook 1 Walther Rathenau: Vom Ziel der Geschäfte. In: Ders. Reflexionen und Aufsätze. Berlin: S. Fischer Verlag 1925, S. 87-105, hier: S. 87. - Walther Rathenau (1867-1922) war vordem u.a. Aufsichtsratsvorsitzender der AEG und wurde am 24. Juni 1922 in Berlin als Außenminister der Weimarer Republik von Rechtsradikalen ermordet. Prolog: Das Ende einer Legende… 2 Jürgen Krönig: Der eilige Thomas. Beim Kampf gegen Trunksucht und Tabakqualm erfand der englische Laienprediger Cook vor 150 Jahren die Pauschalreise. In: Die Zeit Nr. 30 v. 19. Juli 1991, S. 47 3 Merete Blatz: Weg von der Ginflasche und hinaus an die frische Luft. Thomas Cook und die Folgen - Geschichte und Geschichten aus der Frühzeit des Reisens. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 112 vom 15. Mai 1985, S. R 3 4 Petra Krempien: Geschichte des Reisens und des Tourismus. Ein Überblick von den Anfängen bis zur Gegenwart. Limburgerhof: FBV-Medien-Verlags GmbH 2000, S. 109. Wir werden auf diese Reise zurückkommen. 5 Rüdiger Hachtmann: Tourismus-Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007 (= Grundkurs Neue Geschichte; UTB Bd. 2866), S. 67 6 Marcel Amrein: Mit einem Abstinenzler auf Tour de Suisse. Vor 150 Jahren führte Thomas Cook die erste Pauschalreise in die Schweiz. In: Neue Zürcher Zeitung Nr. 148 v. 29. Juni 2013, S. 15 7 Gunter Frohnemann in Die Zeit Nr. 11 vom 12. März 1982, S. 58 8 W. Fraser Rae: The Business of Travel. A Fifty Years‘ Record of Progress. London: Thos. Cook & Son 1891; Hervorh. i. Orig., Übers. J.W.M. - Öffentlich beworbene Eisenbahnausflüge gab es allerdings bereits davor, insofern irrt Rae. Siehe dazu Susan Barton: The Mechanics Institutes: Pioneers of Leisure & Excursion Travel. In: Transactions (Leicestershire Archaeological & Historical Association), Vol. 67, 1993, S. 47-58 9 Nach den damaligen Regeln durfte in Großbritannien eigentlich nur die staatliche BEA (British European Airways) solche Flüge durchführen, die aber die Verbindung nach Calvi nicht bediente. Nach einigem Hin und Her mit dem Ministry of Civil Aviation durfte Horizon Holidays schließlich die Flüge durchführen - aber nicht für alle, sondern eingeschränkt nur für Schüler und Lehrer. Roger Bray & Vladimir Raitz: Flight to the Sun. The Story of the Holiday Revolution. London & New York 2001: Continu- <?page no="193"?> 194 Thomas Cook - Pionier des Tourismus um, S. 7 ff. - Insofern ist auch die Darstellung in der FAZ nicht zutreffend, die 2013 Josef Neckermann als ‚Erfinder‘ der Pauschalreise zum vermeintlichen 50-jährigen Jubiläum dieser Reiseart feierte. Brigitte Scherer: Die Revolution frisst ihre Kinder. Vor 50 Jahren erfand Josef Neckermann die Pauschalreise. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 56 vom 7. März 2013, S. R 1 - Die Sache wird allerdings dadurch etwas kompliziert, dass der englische Begriff package tour weniger spezifisch ist als die deutsche Pauschalreise, da er nicht auf den Reisepreis, sondern auf die Bündelung von Reiseleistungen verweist. Thomas Cook mag also einer der Pioniere der package tour sein, aber er ist gewiss nicht der Erfinder der Pauschalreise. Mit der englischen Version der europäischen Reiserechtsrichtlinie (90/ 314/ EWG) vom 13. Juni 1990 sind allerdings auch die Begriffe package tour, package travel und package holidays genauso definiert wie die deutsche Pauschalreise. Es ist im Übrigen nicht ohne Ironie, dass das Unternehmen Thomas Cook bis in die 1970er-Jahre eher dem entsprach, was man heute eine Reisebürokette (allerdings mit angeschlossenem Devisengeschäft) nennen würde, als einem Reiseveranstalter. Es war sogar so, dass das Aufkommen der reinen Reiseveranstalter nach 1950 das ursprünglich dominante Geschäftsmodell des Unternehmens als Reisevermittler in Frage stellte und Thomas Cook erst in den 1970er-Jahren nach einer Krise selbst zu einem in erster Linie Pauschalreiseanbieter umorganisiert wurde. 10 John Pudney: Alles Inbegriffen. Die Geschichte des Hauses Cook. Stuttgart: Bernhard Tauchnitz Verlag 1955, S. 51 11 Beispiele dazu bei Jack Simmons: Thomas Cook of Leicester. In: Transactions (Leicestershire Archaeological & Historical Association), 49 (1973- 74), S. 18-32; hier: S. 20. Siehe dazu auch Douglas A. Reid: The ‚Iron Roads‘ & ‚the Happiness of the Working Classes‘. The Early Development & Social Significance of the Railway Excursion. In: Journal of Transport History, Vol. 17 (1), 1996, S. 57-73; Arthur Jordan & Elisabeth Jordan: Away for the Day: The Railway Excursion in Britain, 1830 to the Present Day. Kettering: Silver Link Publishing 1991, S. 11 ff.; Benedikt Bock: Baedeker & Cook. Tourismus am Mittelrhein 1756 bis ca. 1914. Frankfurt am Main etc.: Peter Lang Verlag 2010, S. 312 (Fußnote 879) und J[ohn] Christopher Holloway: The Business of Tourism. Harlow (Essex): Pearson Education 2006 (7. Auflage), S. 35 12 Clement F. Stretton: The History of the Midland Railway. London: Methuen & Co. 1901, S. 42 13 R. Marchant: Early Excursion Trains. In: The Railway Magazine, 1954, S. 426-429 14 Children’s Employment Commission (Trade & Manufactures): Appendix to the Second Report of the Commissioners, I. Reports & Evidence from Subcommissioners, PP, 1843, XV, S. 154, cit. n. Douglas A. Reid, op. cit., S. 67; Übers. J.W.M. 15 Arthur Jordan & Elisabeth Jordan: op. cit., S. 103 f., die dort auch eine Reihe späterer Bahnausflüge zu öffentlichen Hinrichtungen aufführen - diese Exekutionsexkursionen endeten erst 1868 mit dem Verbot öffentlicher Hinrichtungen in England; siehe auch John Pudney, op. cit., S. 51. <?page no="194"?> Anmerkungen 195 Allerdings war die Nachfrage nach diesem Hinrichtungstourismus so groß, dass auf öffentliche Exekutionen im Ausland ausgewichen wurde. So organisierte der Reiseveranstalter Thos. Cook & Son noch 1899, sieben Jahre nach dem Tod seines Gründers, Reisen zu Hinrichtungen in Paris. Siehe David Hirschel, William Wakefield & Scott Sasse: Criminal Justice in England & the United States. Sudbury (MA): Jones & Bartlett Publishers 2008, S. 244 16 North Wales Chronicle vom 31. Dezember 1853; cit. n. Susan Major: ‚The Million Go Forth‘: Early Railway Excursion Crowds, 1840-1860. Ph. D. Thesis. York: The University of York (Railway Studies) 2012, S. 60; Übers. J.W.M. 17 Liverpool Mercury Nr. 3345 vom 5. November 1858; Übers. J.W.M. 18 Liverpool Mercury Nr. 8705 vom 11. Dezember 1875; Übers. J.W.M. 19 Susan Major, op. cit., S. 108 20 Richard Mullen & James Munson: The Smell of the Continent. The British discover Europe. London: McMillan 2009, S. 25; Übers. J.W.M. 21 Susan Major, op. cit., S. 104 22 „Das Zufällige ist ‚das, was auch anders sein könnte‘ und gerade nicht durch uns änderbar ist […], also kaum entrinnbares Schicksal. […] Der Zufall ist keine mißlungene Absolutheit, sondern - sterblichkeitsbedingt - unsere geschichtliche Normalität. Deswegen ist jeder von uns Menschen stets mehr seine Zufälle als seine Wahl.“ Odo Marquard: Einwilligung in das Zufällige. In: Ders.: Endlichkeitsphilosophisches. Über das Altern (hrsg. v. Franz Josef Wetz). Stuttgart, Reclam 2013, S. 17-23, hier: S. 22; vgl. auch Ders.: Apologie des Zufälligen. Stuttgart: Reclam 1986, bes. S. 117-139. Ergänzend kann man auch sagen: Nahezu alles im Leben ist Zufall, es kommt nur darauf an, was man daraus macht. So gesehen ist Zufall eben auch Chance. „Individuen haben in ihrer gesellschaftlichen Existenz Lebenschancen; ihre Lebenschancen können sie zur Entfaltung bringen oder zerbrechen; aber ihr Leben ist eine Antwort auf diese Chancen.“ Ralf Dahrendorf: Lebenschancen. Anläufe zur sozialen und politischen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979, S. 49. Die Antwort von Thomas Cook auf die sich aus dem Zufälligen ergebenden Lebenschancen bleibt bei aller Kritik an der Legendenbildung, zu der er sicher auch hier und da selbst beigetragen hat, mehr als beeindruckend. 23 Halo ist ursprünglich der Mondring, dessen Lichtschein andere Lichtquellen am Himmel überdeckt. Hier ist es eher die Bedeutung eines Heiligenscheins, der alle anderen Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen überstrahlt. Siehe u. a. Theo Hermann: Lehrbuch der empirischen Persönlichkeitsforschung, Göttingen: Verlag für Psychologie Dr. C. J. Hogrefe 1969, S. 168 24 Pierre Bourdieu: Die biographische Illusion. In: Bios - Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen, Vol. 5 (1), 1990, S. 75-81, hier: S. 76 25 Schreibt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk in der ‚Nachbetrachtung‘ seines Buches: 17. Juni 1953. Geschichte eines Aufstands. München: C.H. Beck 2013, S. 122 <?page no="195"?> 196 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 26 Andreas Kilb, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 124 vom 30. Mai 2012, S. 25 27 Ein literarisches Beispiel dafür ist der Roman Past Imperfect von Julian Followes, London: Weidenfeld & Nicolson 2008 28 Niklas Luhmann: Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. Stuttgart Lucius & Lucius 2000 (= UTB, Bd. 2185; Erstausgabe 1968), S. 13 29 Es gibt auch eine 1959 bei Cassell erstmals erschienene einbändige, gut tausendseitige gekürzte Fassung, Winston S. Churchill: The Second World War. Abridged Edition. With an Epilogue on the Years 1945-1957. London: Pimlico 2002. Nicht zuletzt für die ursprüngliche Edition bekam er 1953 den Nobelpreis für Literatur. Das bestätigt die Bemerkung Egon Friedells: „Der Unterschied zwischen dem Historiker und dem Dichter ist in der Tat nur ein gradueller. Die Grenze, vor der die Phantasie halt zu machen hat, ist für den Historiker der Stand des Geschichtswissens in Fachkreisen, für den Dichter der Stand des Geschichtswissens im Publikum.“ Egon Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit. Band 1. München: C. H. Beck 1927 (cit. n. der Neuausgabe München: dtv 1976, S. 15). Mit Bezug auf den Historiker Theodor Mommsen (1817-1903), der 1902 ebenfalls den Nobelpreis für Literatur für seine Publikationen zur römischen Geschichte zuerkannt bekam, bemerkt Thomas Nipperdey: „Geschichte war eigentlich eine Kunst, eine literarische Gattung. […] Das erscheint uns heute, obwohl es in England und in Frankreich noch einige Reste davon gibt, im Grunde als Vergangenheit. Wir leben unter dem Anspruch: Wissenschaft oder Kunst.“ Thomas Nipperdey: Neugier, Skepsis und das Erbe. Vom Nutzen und Nachteil der Geschichte für das Leben. In: Ders.: Nachdenken über die deutsche Geschichte. München, C. H. Beck 1986, S. 7-20, hier S. 14 30 David Reynolds: In Command of History. Churchill Fighting & Writing the Second World War. London: Penguin 2005 31 John K. Walton: Thomas Cook: Image & Reality. In: Richard W. Butler & Roslyn A. Russell (Hrsg.): Giants of Tourism. Wallingford: CABI 2010, S. 81- 91; hier: S. 83 f. 32 Helmut E. Lück: Geschichte der Psychologie. Strömungen, Schulen, Entwicklungen. Stuttgart: W. Kohlhammer 2013 (6. Aufl.), S. 29; Hervorh. i. Orig. 33 Das betrifft zum Beispiel das Fehlen sämtlicher Akten des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Psychologie aus den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft. Helmut E. Lück, op. cit., S. 29 34 Eine weitgehend darauf beruhende zusammenfassende Darstellung befindet sich in dem Buch von Alexander H. Japp: Successful Business- Men. Short Accounts of the Rise of Famous Firms with Sketches of the Founders. London: J. S. Virtue & Co. 1892, S. 46-86 35 John Pudney, op. cit.; Edmund Swinglehurst: The Romantic Journey. The Story of Thomas Cook & Victorian Travel. New York, Evanston, San Francisco, London: Harper & Rowe 1974; Ders.: Cook’s Tours. The Story of Popular Travel. Poole (Dorset): Blandford Press 1982; Piers Brendon: Thomas Cook. 150 Years of Popular Tourism. London: Secker & Warburg 1991; Bill Cormack: A History of Holidays 1812-1990. London: <?page no="196"?> Anmerkungen 197 Routledge/ Thoemmes Press 1998 (= The History of Tourism: Thomas Cook & the Origins of Leisure Travel, Vol. 4) 36 Jill Hamilton: Thomas Cook. The Holiday Maker. Stroud (Gloucestershire): Sutton Publishing 2005, S. vii 37 Robert Ingle: Thomas Cook of Leicester. Bangor: Headstart History 1991 38 Susan Major, op. cit., S. 15; Übers. J.W.M. 39 Walther Rathenau, op. cit., S. 92. - Man kann es, wie der Soziologe Heinz Bude, auch schärfer formulieren: „So nachgiebig der Unternehmer seinen Geldgebern begegnet, so skrupellos verhält er sich zu seinen Ideengebern. In seinem Verhältnis zum Erfinder erweist sich der Unternehmer als der geborene Parasit. In der Frühgeschichte erfolgreicher Unternehmen findet man oft eine signifikante Paarbildung: Ein genialer Erfinder trifft auf einen cleveren Kaufmann, der dessen geistige Schöpfung in ein marktgerechtes Produkt verwandelt. Die besondere Kreativität des Unternehmers besteht im Verbinden, Verknüpfen und Verteilen bereits existierender Dinge und Vorgänge.“ Heinz Bude: Der Unternehmer als Revolutionär der Wirtschaft. In: Merkur - deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Vol. 51 (1-3), 1997, S. 866-876; hier: S. 871. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass Unternehmer in der Konkurrenz untereinander nicht weniger skrupellos handeln. 40 vgl. ausführlich John Booker: Travellers’ Money. Stroud: Alan Sutton Publishing 1994; Bill Cormack, op. cit., S. 12; J. Christopher Holloway, op. cit., S. 35 f.; Peter Symes: Circular Notes of Australian Banks. Canberra 2007 (www.pjsymes.com.au/ articles/ CircularNotes. htm; 19. Dezember 2012) 41 Piers Brendon, op. cit., S. 114 f.; Benedikt Bock, op. cit., S. 332 42 Lynne Withey: Grand Tours and Cook’s Tours. A History of Leisure Travel, 1750-1915. New York: William Morrow & Company 1997, S. 161; Übers. J.W.M. 43 Lynn Withey, op. cit., S. 161 f.; Übers. J.W.M. 44 Benedikt Bock, op. cit., S. 313 45 Benedikt Bock, op. cit., S. 333 (Fußn. 943) 46 John K. Walton, op. cit., S. 84, Übers. J.W.M. 47 Trent S. Newmeyer: ‘Moral Renovation & Intellectual Exaltation‘: Thomas Cook’s Tourism as Practical Education. In: Journal of Tourism & Cultural Change, Vol. 6 (1), 2008, S. 1-16, hier: S. 2; Übers. J.W.M. 48 http: / / austrianaviation.net/ im-focus/ im-focus-detail/ datum/ 2013/ 03/ 31/ nachgefragt-bei-hans-rudolf-woehrl.htm (12. Juni 2013) … und der Beginn eines außergewöhnlichen Lebens 49 Jill Hamilton, op. cit., S. 7 50 Derek Seaton: The Local Legacy of Thomas Cook. Botcheston (Leicestershire) 1996: Derek Seaton, S. 1 51 John Pudney: op. cit., S. 17 52 Robert Ingle, op. cit., S. 1; Seaton, op. cit., S. 2 53 cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 22 f.; Übers. J.W.M. 54 Jill Hamilton, op. cit., S. 12 55 Jill Hamilton, op. cit., S. 22 <?page no="197"?> 198 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 56 1889; cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 24; Übers. J.W.M. 57 Jill Hamilton, op. cit., S. 24 58 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 23; Übers. J.W.M. 59 Jill Hamilton, op. cit., S. 15 f. 60 William Henry Watson: The History of the Sunday School Union. London: Sunday School Union 1853, S. 3; Übers. J.W.M. 61 William Henry Watson, op. cit., S. 3 62 Piers Brendon, op. cit., S. 22 63 Piers Brendon, op. cit., S. 19; Übers. J.W.M. 64 Piers Brendon, op. cit., S. 19 65 Die Darstellung dieses Abschnitts beruht vor allem auf den Angaben in Piers Brendon, op. cit., S. 23 f., John Pudney, op. cit., S. 20 ff. und Jill Hamilton, op. cit., S. 25 f. 66 John Pudney, op. cit., S. 20 67 Jill Hamilton, op. cit., S. 35 f.; vgl. auch Friedrich Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England. Leipzig: Verlag von Otto Wigand 1845 (cit. n. Marx-Engels Werke [MEW], Bd. 2, Berlin: Dietz Verlag 1972, S. 225-506; hier: S. 391 f.) 68 John Pudney, op. cit., S. 23 69 Piers Brendon, op. cit., S. 24; John Pudney, a.a.O.; die erste öffentliche Eisenbahn Englands zwischen Stockton und Darlington gab es erst seit 1825, die Midlands waren zu der Zeit noch ohne Eisenbahn. 70 John Pudney, op. cit., S. 22 71 Jill Hamilton, op. cit., S. 39 72 Jill Hamilton, op. cit., S. 34 73 John Pudney, op. cit., S. 23 74 Piers Brendon, op. cit., S. 25; Jill Hamilton, op. cit., S. 46. Der Nachruf auf Thomas Cook in der Times, Nr. 33695 v. 20. Juli 1892, S. 7, dagegen datiert die Heirat auf 1832. 75 John Pudney, op. cit., S. 25; Derek Seaton, op. cit., S. 11; Robert Ingle, op. cit., S. 3 76 Robert Ingle, op. cit., S. 12; Piers Brendon, op. cit., S. 25 77 Vermutlich wurde sie als früherer Ort von Mysterienspielen so genannt. John Bland: Bygone Days in Market Harborough. Market Harborough: Green & Co. 1924, S. 89, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 25 78 Derek Seaton, op. cit., S. 14 f. 79 Piers Brendon, op. cit., S. 24; Er beruft sich dabei auf die Erinnerungen von Albert H. Bishop, den Sohn des damals amtierenden Pfarrers der Archdeacon Lane Baptist Church in Leicester, der 1892 dort die Totenmesse für Thomas Cook gelesen hat; Übers. J.W.M. 80 Piers Brendon, op. cit., S. 24 81 Piers Brendon, op. cit., S. 24; Übers. J.W.M. 82 Jill Hamilton, op. cit., S. 37; Übers. J.W.M. Reisen gegen den Alkoholismus 83 Friedrich Engels, op. cit., S. 331 f.; Hervorh. i. Orig. <?page no="198"?> Anmerkungen 199 84 George Bailey Wilson: Alcohol & the Nation. A Contribution to the Study of the Liquor Problem in the United Kingdom from 1800 to 1935. London: Nicholson & Watson 1940, S. 229; Übers. J.W.M. 85 Friedrich Engels, op. cit., S. 332 86 Thomas Cook im Temperance Magazine II, S. 130; cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 30; Übers. J.W.M., Hervorh. i. Orig. 87 Piers Brendon, op. cit., S. 30; Übers. J.W.M. 88 hier und im Folgenden siehe Jan-Willem Gerritsen: The Control of Fuddle & Flash. A Sociological History of the Regulation of Alcohol & Opiates. Leiden: Brill 2000, S. 153 f. 89 Jan-Willem Gerritsen, op. cit., S. 153; Übers. J.W.M. 90 Jill Hamilton, op. cit., S. 14 91 John Pudney, op. cit., S. 27 92 Piers Brendon, op. cit., S. 27 93 cit. n. Robert Ingle, op. cit., S. 5, ohne Quellenangabe; Übers. J.W.M. 94 cit. n. John Pudney, op. cit., S. 33, ohne Quellenangabe 95 Eintragung im Protokollbuch der Baptistengemeinde von Market Harborough; cit. n. Robert Ingle, op. cit., S. 5 f.; Übers. J.W.M. 96 Robert Ingle, op. cit., S. 5 f. 97 Jill Hamilton, op. cit., S. 53 98 John Pudney, op. cit., S. 30, ohne Quellenangabe 99 Samuel Couling: History of the Temperance Movement in Great Britain and Ireland from the Earliest Date to the Present Time. London: William Tweedie 1862, S. 189; John Pudney, op. cit., S. 32, nennt dagegen 1834 als Gründungsdatum. Allerdings sind seine Angaben oft unzuverlässig. 100 Die zweite Ausgabe erschien im Februar 1840 als Nr. 1, Bd. 1 des Temperance Messenger & Tract Magazine; John Pudney, op. cit., S. 42. Das erklärt, weshalb Robert Ingle, op. cit., S. 9, das erste Erscheinen dieser Zeitschrift auf Februar 1840 datiert. 101 Jill Hamilton, op. cit., S. 54; von beiden Zeitschriften, die nur von lokaler Bedeutung waren, sind leider keine Ausgaben erhalten geblieben. Thomas Cook selbst hat 1886, gegen Ende seines Lebens, noch eine Suchanzeige aufgegeben, die aber erfolglos blieb; siehe John Pudney, op. cit., S. 44. 102 Jill Hamilton, op. cit., S. 55. Zunächst hatte er das Auslieferungslager für die von der Hand in den Mund lebende Organisation der Temperenzler in den Midlands verwaltet, im April 1841 in Übereinstimmung mit der Organisation aber in eigene Verantwortung überführt; Robert Ingle, op. cit., S. 10. 103 Robert Ingle, op. cit., S. 13 104 Piers Brendon, op. cit., S. 31; Übers. J.W.M. 105 a.a.O. 106 J. S. Buckingham (Chair): Evidence on Drunkenness, Presented to the House of Commons, by the Select Committee Appointed by The House to Inquire into this Subject, & Report the Minutes of Evidence, with their Opinions Thereupon. London 1834, S. 588, Übers. J.W.M.; James Silk Buckingham (1786-1855) war Forschungsreisender, von 1832 bis 1837 Mitglied des Unterhauses und 1834 Vorsitzender des erwähnten Untersuchungsausschusses. 1851 wurde er Präsident der London Temperance League. Wir werden ihm 1850 bei Thomas Cook wieder begegnen. <?page no="199"?> 200 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 107 Heute würde man es wohl als eine Form des japanischen ‚Karaoke‘ bezeichnen. 108 Peter Bailey: Leisure & Class in Victorian England: Rational Recreation & the Contest for Control 1830-1885. London: Routledge & Kegan Paul 1978, S. 16 f.; Übers. J.W.M. 109 Jill Hamilton, op. cit., S. 57 f. 110 R. Marchant, op. cit., S. 426; Susan Barton: Working-class Organisations & Popular Tourism, 1840-1970. Manchester: Manchester University Press 2005, S. 29 111 Zeitungsberichte über den Ausflug, cit. n. Jack Simmons, op. cit., S. 20; weitere Beispiele für öffentlich beworbene Eisenbahnausflüge zu reduzierten Preisen bei John Pudney, op. cit., S. 50 f. 112 Susan Barton, Working Class Organisations, op. cit., S. 29; siehe auch Jack Simmons, op. cit., S. 20 113 Susan Barton, The Mechanics Institutes, op. cit., S. 48 114 Susan Barton, The Mechanics Institutes, op. cit., S. 54 115 W. Fraser Rae, op. cit., S. 20 116 cit. n. John Pudney, op. cit., S. 47 117 Jill Hamilton, op. cit., S. 59 118 cit. n. Robert Ingle, op. cit., S. 11, ohne Quellenangabe; Übers. J.W.M. 119 W. Fraser Rae, op. cit., S. 21 120 Robert Ingle, op. cit., S. 11, führt dafür den Leicester Chronicle als Quelle an, der unter der Überschrift Loughborough Teetotal Demonstration über das Ereignis berichtet hat. Thomas Cook selbst wird in diesem Bericht nicht erwähnt. Von 570 Teilnehmern dagegen schreibt W. Fraser Rae erst im Jahre 1891 (op. cit., S. 22), ohne eine Quelle dafür anzugeben. Thomas Cook selbst nannte immer nur eine Zahl von ‚ungefähr fünfhundert‘; siehe Jill Hamilton, op. cit., S. 255 (Anm. 7). 121 Jill Hamilton, op. cit., S. 60 122 cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 60, ohne Quellenangabe 123 Jill Hamilton, op. cit., S. 62 124 a.a.O. Philanthropie plus fünf Prozent 125 ‚amateur performances’, Jill Hamilton, op. cit., S. 70; John Pudney, op. cit., S. 54 126 Derek Seaton, op. cit., S. 22 127 Werner Sombart: Der kapitalistische Unternehmer. In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 29, 1909, S. 689-758; hier: S. 729 128 dargelegt im Leicestershire Almanack, 1843; cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 33; Übers. J.W.M. 129 Piers Brendon, op. cit., S. 33; Übers. J.W.M. 130 Piers Brendon, op. cit., S. 34 131 John Pudney, op. cit., S. 56 132 John Pudney, op. cit., S. 59 133 P. S. Brown: Herbalists & Medical Botanists in Mid-Ninetieth-Century Britain with Special Reference to Bristol. In: Medical History, 26, 1982, S. 405-420 <?page no="200"?> Anmerkungen 201 134 John Pudney, op. cit., S. 59 f.; John Ingle, op. cit., S. 16 135 Piers Brendon, op. cit., S. 33 f.; Jill Hamilton, op. cit., S. 72 136 Sie war nach mehreren Anläufen schließlich 1846 erfolgreich, als der damalige Premierminister Robert Peel (1788-1850) im Januar einen entsprechenden Antrag im Unterhaus einbrachte, der in der Folge auch vom Oberhaus angenommen wurde. Die Außerkraftsetzung des Gesetzes hatte keinen negativen Einfluss auf die englische Getreideerzeugung. Im Gegenteil: Die Jahre danach „waren ein goldenes Zeitalter für die sehr gewinnträchtige Landwirtschaft“. Asa Briggs: A Social History of England. London: Weidenfeld & Nicolson 1983, S. 229; Übers. J.W.M. 137 Piers Brendon, op. cit., S. 35 138 cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 70, ohne Quellenangabe; Übers. J.W.M. 139 Jill Hamilton, op. cit., S. 74 140 cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 74, ohne Quellenangabe; Übers. J.W.M. 141 Piers Brendon, op. cit., S. 36 142 Cecil Rhodes (1853-1902) war ein britischer Unternehmer (Mitbegründer des lange als Monopolist den Markt beherrschenden Diamantenförderers De Beers) und Politiker, der den britischen Kolonialismus im Süden Afrikas förderte. Von 1890 bis 1895 war er Premierminister der Kapkolonie (heute Teil der Republik Südafrika). Damals einer der reichsten Männer der Welt, stiftete er testamentarisch sein Vermögen der heute noch existierenden Rhodes Stiftung. 2003, zu ihrem 100-jährigen Jubiläum, wurde zusätzlich die Mandela Rhodes Foundation gegründet. Beide Stiftungen fördern Studierende mit Stipendien. Rhodesien, das heutige Simbabwe, war nach ihm benannt. 143 Piers Brendon, op. cit., S. 36; Übers. J.W.M. - Grundsätzlicher hat sich Thomas Cook später dazu geäußert, als er schrieb, dass er versuchen wolle, seine Arbeit so zu machen, dass sie „sowohl einträglich als auch von öffentlichem Nutzen ist; und es ist noch nicht gelungen nachzuweisen, dass kommerzieller Erfolg wahrer Philanthropie in irgendeiner […] Weise schadet.“ Excursionist vom 1. Mai 1865, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 63; Auslassung i. Orig., Übers. J.W.M. 144 Piers Brendon, op. cit., S. 36 f. 145 cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 78, ohne Quellenangabe; Übers. J.W.M., Auslassung und Einfügung im Original. 146 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 37; Übers. J.W.M. 147 Jill Hamilton, op. cit., S. 79 148 cit. n. John Pudney, op. cit., S. 68, Auslassung im Original 149 Max Weber (a): Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In: Ders.: Die protestantische Ethik I. Eine Aufsatzsammlung. Herausgegeben von Johannes Winckelmann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Mohn 1981 (6., durchgesehene Aufl.), S. 27-277; hier: S. 184; Hervorh. i. Orig. Schottland, Konkurs und Wiederanfang 150 cit. n. John Pudney, op. cit., S. 73; der Ben Lomond ist ein Berg im Süden von Schottland <?page no="201"?> 202 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 151 Alistair J. Durie: Scotland for the Holidays. Tourism in Scotland, 1780- 1939. East Lothian: Tuckwell Press 2003, S. 21 ff. 152 vgl. Anthony V. Seaton: The History of Tourism in Scotland: Approaches, Sources & Issues. In: Rory Mclellan & Ronnie Smith (Eds): Tourism in Scotland. London: International Thomson Business 1998, S. 1-41; hier: S. 2 153 Excursionist vom 1. Juli 1868; cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 38; Übers. J.W.M., Hervorh. i. Orig. 154 Piers Brendon, op. cit., S. 38 155 Christian Ostersehlte: Auf den Spuren des Kaisers. Die deutschen Nordlandkreuzfahrten vor dem Ersten Weltkrieg. In: Sonja Kinzler & Doris Tillmann (Hrsg.): Nordlandreise. Die Geschichte einer touristischen Entdeckung. Hamburg: Mare Verlag, 2010, S. 132-139 156 vgl. hier und im Folgenden John Putney, op. cit., S. 74 ff. und Jill Hamilton, op. cit., S. 83 ff. 157 Piers Brendon, op. cit., S. 39, führt dagegen ohne Quellenangabe und abweichend von Pudney, Hamilton und W. Fraser Rae, op. cit., S. 35, „ungefähr fünfhundert Teilnehmer“ auf. 158 Jill Hamilton, op. cit., S. 84 159 John Pudney, op. cit., S. 75 160 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 40, und Jill Hamilton, op. cit., S. 85; Hervorh. u. Auslassung i. Orig.; Übers. J.W.M. - Bereits im 17. Jahrhundert bezeichnete der Begriff projector im Englischen einen „aktiv tätigen Unternehmer“; Hans Jaeger: Unternehmer. In: Otto Brunner (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 6 (St - Vert), Stuttgart: Klett 1990, S. 707-732; hier: S. 709. Ursprünglich war er ein Schimpfwort, bezeichnete jedoch bis ins 19. Jahrhundert „Neuerer aller Art, nämlich Erfinder, schöpferische Unternehmer, Sozial- und sonstige Reformer, weitblickend Führer auf allen möglichen Wegen, aber auch Phantasten und Schwindler“; Fritz Redlich: Der Unternehmer. In: Erwin von Beckerath (Hrsg.): Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Bd. 10 (Städtebau - Verbrauchsteuern). Stuttgart: Fischer 1959, S. 486-498; hier: S. 490. In Zusammenhang mit Thomas Cooks Reisunternehmungen ist es im heutigen Sinne mit ‚Veranstalter‘ am besten übersetzt. Vermutlich hat der Schreiber diesen Begriff hier aber vor allem wegen seiner ambivalenten Bedeutung, die auch den Schwindler einschließt, verwendet. 161 John Pudney, op. cit., S. 80 162 Der Verlagsname existiert auch heute noch als Imprint der britischen Octopus Publishing Group in London 163 Piers Brendon, op. cit., S. 40 f. 164 John Pudney, op. cit., S. 31 f. 165 Piers Brendon, op. cit., S. 41 166 alle Angaben in diesem Absatz aus Robert Ingle, op. cit., S. 19; Jill Hamilton, op. cit., S. 95 167 Robert Ingle, op. cit., S. 19; Jill Hamilton, op. cit., S. 95 168 Piers Brendon, op. cit., S. 42 169 a.a.O.; Übers. J.W.M. 170 a.a.O.; Übers. J.W.M. <?page no="202"?> Anmerkungen 203 171 Robert Ingle, op. cit., S. 20 172 aus einem nicht näher bezeichneten Artikel Thomas Cooks aus The Leisure Hour, 1878, cit. n. Robert Ingle, op. cit.., S. 20; Auslassung u. Übers. J.W.M. 173 Piers Brendon, op. cit., S. 43 174 Piers Brendon, op. cit., S. 42 175 Piers Brendon, op. cit., S. 43; er bezieht sich dabei auf die populären Romane von Charles Dickens (1812-1870); Übers. J.W.M. 176 Jill Hamilton, op. cit., S. 98 177 cit. n. W. Fraser Rae, op. cit., S. 38; Übers. J.W.M. 178 Robert Ingle, op. cit., S. 20 179 Piers Brendon, op. cit., S. 46; Übers. J.W.M. 180 cit. n. John Ingle, op. cit., S. 24, und Jill Hamilton, op. cit., S. 104, jeweils ohne weitere Quellenangabe Ein Reiseführer, dem man vertraut 181 vgl. Susanne Müller: Die Welt des Baedeker. Eine Medienkulturgeschichte des Reiseführers 1830-1945. Frankfurt am Main, New York: Campus 2012, S. 34 ff. 182 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 37; Übers. J.W.M. 183 John M. Mackenzie: Empires of Travel: British Guide Books and Cultural Imperialism in the 19 th and 20 th Centuries. In: John K. Walton (Ed.): Histories of Tourism. Representation, Identity and Conflict. Clevedon etc.: Channel View Publications 2005, S. 19-38 184 The Tourist’s Guide: A Hand Book of the Trip from Leicester, Nottingham, & Derby to Liverpool & the Coast of North Wales. Containing a Description of the Places & Objects of Interest on the Route, the “Lions” of Liverpool, Scenes on the Coast of North Wales; Distance Table, Houses of Accommodation, &c. Compiled by T. Cook. Leicester: Printed by T. Cook, 26, Granby Street. 1845; Übers. J.W.M. 185 Thomas Cook 1845, op. cit., S. iii-iv; Übers. J.W.M. 186 Thomas Cook 1845, op. cit., S. 15; Übers. J.W.M. 187 Thomas Cook 1845, op. cit., S. 22; Übers. J.W.M. 188 Thomas Cook 1845, op. cit., S. 28 189 Thomas Cook 1845, op. cit., S. 29 ff. 190 Thomas Hobbes: Leviathan, or the Matter, Forme & Power of a Common Wealth Eccleseasticall & Civill. London: Andrew Crooke 1651; cit. n. der Ausgabe v. Dover Publications, Mineaola, New York, 2006, S. 74 f. 191 Max Weber (b): Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus. In: Ders.: Die protestantische Ethik I. Eine Aufsatzsammlung. Herausgegeben von Johannes Winckelmann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Mohn 1981 (6., durchgesehene Aufl.), S. 279-317; hier: S. 282 192 Niklas Luhmann, op. cit., S. 36 f. 193 Excursionist vom 6. August 1855; cit. Piers Brendon, op. cit., S. 69; Übers. J.W.M. 194 Liverpool Mercury Nr. 3345 v. 5. November 1858; Übers. J.W.M. 195 Thomas Cook: Letters to His Royal Highness The Prince of Wales, & to The Right Honourable the Earl of Clarendon, Foreign Secretary of State: In <?page no="203"?> 204 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Reply to various Misstatements & Calumnies contained in “A Diary in the East,” by W. H. Russell, LL.D.; & to certain papers by “Cornelius O’Dowd” (Charles Lever, Her Majesty’s Consul at Trieste), in Blackwood’s Magazine. By Thomas Cook (Tourist Manager) & Numerous Eastern & Continental Tourists. London: Cook’s Tourist & Publication Office 1870, S. 64 196 [Edmund Yates]: My Excursion Agent. In: All the Year Round - A Weekly Journal, Vol. XI, No. 263, May 7, 1864, S. 301-304, hier: S. 302; Übers. J.W.M. 197 W. Fraser Rae, op. cit., S. 84 f.; Übers. J.W.M. - Piers Brendon schreibt, jedoch ohne einen Beleg dafür anzuführen, dass Thomas Cook die vier Pfund von den Reisenden gefordert habe. Piers Brendon, op. cit., S. 108 198 Oder allgemeiner und in den Worten von Christoph Hennig: „Vor der Reiseerfahrung steht die Fiktion; daher hat das Wiedererkennen im Tourismus fundamentale Bedeutung.“ Christoph Hennig: Reiselust. Tourismus, Touristen und Urlaubskultur. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag 1997, S. 95; Hervorh. i. Orig. Er verweist auch auf den Zusammenhang zwischen dem einem Drehbuch folgenden Film und touristischer Erfahrung; op. cit., S. 96 ff.; zu Thomas Cooks Zeiten allerdings gab es noch keinen Film. The Great Exhibition 199 o. V.: Ein Besuch in London während der großen Industrie-Ausstellung. Ein verläßlicher Führer und Wegweiser für den deutschen Reisenden aus den besten Quellen bearbeitet. Mit einer Außenansicht und einem Plane des Innern des Ausstellungsgebäudes. Wien, 1851. Aus der kaiserl. königl. Hof= und Staatsdruckerei, S. 5; Hervorh. u. Schreibweise i. Orig. 200 John Pudney, op. cit., S. 100; Jill Hamilton, op. cit., S. 109 f. 201 Jill Hamilton, op. cit., S. 105 202 Jill Hamilton, op. cit., S. 106 203 Piers Brendon, op. cit., S. 44 204 Jill Hamilton, op. cit., S. 107 205 Piers Brendon, op. cit., S. 58 206 Robert Ingle, op. cit., S. 26 207 Piers Brendon, op. cit., S. 63; Jill Hamilton, op. cit., S. 109 208 Eine Übersicht über die insgesamt neun verschiedenen Namen und die Zeiträume, in denen das Magazin mit der jeweiligen Bezeichnung herauskam, findet sich bei Benjamin Bock, op. cit., S. 358 209 Jill Steward: ‚How and Where to Go‘: The Role of Travel Journalism in Britain and the Evolution of Foreign Tourism, 1840-1940. In: John K. Walton (Ed.) 2005, op. cit., S. 39-54, hier S. 46 210 Jill Hamilton, op. cit., S. 110; Piers Brendon, op. cit., S. 60 f.; ein Teil der Ausgaben von Cook’s Welt-Reise-Zeitung ist bei der Österreichischen Nationalbibliothek unter http: / / anno.onb.ac.at/ cgi-content/ annoplus? aid =coo einsehbar. - Auch Henry Gaze & Son gaben zumindest später mit der Tourist Gazette eine Informationsschrift mit praktischen Hinweisen für Reisende heraus, auf die zum Beispiel das Londoner Lloyd’s Weekly Newspaper Nr. 2424 v. 5. Mai 1889 anlässlich der Ausgabe zur Pariser Weltausstellung hinwies. <?page no="204"?> Anmerkungen 205 211 W. Fraser Rae, op. cit., S. 46 212 John Pudney, op. cit., S. 101 f.; Jill Hamilton, op. cit., S. 113 213 Jill Hamilton, op. cit., S. 113 214 Susan Major, op. cit., S. 108 215 Genau waren es 6.063.986 und es gab eine beträchtliche Zahl an Besitzern von Dauerkarten; Official Statistics of the Crystal Palace. In: The Illustrated Exhibitor. A Tribute to the World’s Industrial Jubilee; Comprising Sketches, By Pen & Pencil, of the Principal Objects in the Great Exhibition of the Industry of all Nations 1851. London: Printed & Published by John Cassell 1851, S. XLI 216 John Pudney, op. cit., S. 102; Jill Hamilton, op. cit., S. 115 217 Samuel Couling, op. cit., S. 207 Entscheidung und erste Erfahrungen im Ausland 218 Jill Hamilton, op. cit., S. 117 219 Robert Ingle, op. cit., S. 28 220 a.a.O. 221 Jill Hamilton, op. cit., S. 121; Übers. J.W.M. 222 John Pudney, op. cit., S. 104 f.; Jill Hamilton, op. cit., S. 117 f., S. 122 223 Piers Brendon, op. cit., S. 63 224 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 34; Übers. J.W.M. 225 Jill Hamilton, op. cit., S. 130 226 Thomas Cook unterschied zwischen diesen beiden Begriffen wie folgt: „Der Begriff Exkursion wird allgemein zur Bezeichnung einer speziellen Reise oder von Reisen zu stark ermäßigten Preisen und mit besonderen Arrangements verwendet […] während das Wort Tour eine breitere und umfassendere Bedeutung hat, bei der die Beförderung zu Sondertarifen und nach einem differenzierteren System (more organized system), aber mit regulären Verkehrsmitteln erfolgt.“ Cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 123 f., die wiederum aus der englischen Originalausgabe des Buches von John Pudney zitiert, der wiederum, ausweislich der deutschen Ausgabe, op. cit., S. 106, keine Quelle dafür angibt; Hervorh. u. Auslassung i. Orig., Übers. J.W.M. - Heute versteht man entsprechend der Klassifikation der Welttourismusorganisation (UNWTO) unter einem Ausflug eintägige Reisen ohne Übernachtung; als touristische Reisen werden solche mit mindestens einer Übernachtung und einer maximalen Dauer von einem Jahr bezeichnet. UN & UNWTO: International Recommendations for Tourism Statistics. New York & Madrid: United Nations Department of Economic & Social Affairs (Statistics Division) & World Tourism Organisation 2008 227 Thomas Cook, cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 123, ohne weitere Quellenangabe 228 Elizabeth Selby Meloy: Imagining the West of Ireland: Landscape & Memory in the Wake of the Great Famine, 1845-1860. Ph.D. dissertation. Providence, Rhode Island: Brown University (Department of History) 2012, S. 153 f. 229 cit. n. Elizabeth Selby Meloy, op. cit., S. 159; Übers. J.W.M. 230 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 64; Übers. J.W.M. <?page no="205"?> 206 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 231 a.a.O. 232 Jill Hamilton, op. cit., S. 125 233 Piers Brendon, op. cit., S. 65; Übers. J.W.M. 234 John Pudney, op. cit., S. 108 235 Jill Hamilton, op. cit., S. 128 236 Bill Cormack, op. cit., S. 31; Übers. J.W.M. 237 Benedikt Bock, op. cit., S. 321 (Anm. 904) 238 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 38; Jill Hamilton, op. cit., S. 128 f. 239 Benedikt Bock, op. cit., S. 320 240 Thomas Cook, cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 129, ohne weitere Quellenangabe; Übers. J.W.M. 241 Benjamin Bock, op. cit., S. 325 242 Jill Hamilton, op. cit., S. 130 243 W. Fraser Rae, op. cit., S. 53 f. ‚Sankt Montag‘ und andere Rahmenbedingungen 244 Ken Roberts: The Leisure Industries. Basingstoke & New York: Palgrave Macmillan 2004, S. 63 245 Peter Bailey, op. cit., S. 11 f.; Übers. J.W.M.; vgl. auch Susan Barton, The Mechanics Institutes, op. cit., S. 56 246 Peter Bailey, op. cit., S. 13; Übers. J.W.M. 247 Hartmut Berghoff: From Privilege to Commodity? Modern Tourism & the Rise of the Consumer Society. In: Ders., Barbara Korte, Ralf Schneider, & Christopher Harvie (Hrsg.): The Making of Modern Tourism: The Cultural History of the British Experience, 1600-2000, New York: Palgrave Macmillan 2002, S. 159-179, hier: S. 163 248 cit. n. Peter Bailey, op. cit., S. 82; Übers. J.W.M. 249 vgl. John Tower: The Grand Tour. A Key Phase in the History of Tourism. In: Annals of Tourism Research, Vol. 12, 1985, S. 297-333 250 nicht 1856, wie es irrtümlich bei Jill Hamilton, op. cit., S. 131, heißt; vgl. W. Fraser Rae, op. cit., S. 50, Piers Brendon, op. cit., S. 72, John Putney , op. cit., S. 116 und o. V. Catalogue of the Art Treasures of the United Kingdom. Collected at Manchester in 1857. Bradbury & Evans, printed to the Manchester Art Treasures Exhibition, Whitefriars, London 1857 251 Nach den Angaben W. Fraser Raes „besuchten, dank der Anstrengungen Mr. Thomas Cooks fünfzigtausend Personen die Ausstellung und bewahrten sie damit vor einem finanziellen Verlust“, op. cit., S. 51, Übers. J.W.M. - Diese Darstellung ist nicht zutreffend, denn bis zum Ausstellungsende im Oktober 1857 hatten mehr als 1,3 Millionen Besucher die Ausstellung gesehen, darunter die erwähnten 26.000 durch Thomas Cook, und es wurden um die 100.000 Pfund an Eintrittsgeldern eingenommen, so dass ein kleiner Gewinn erzielt wurde; vgl. Jill Hamilton, op. cit., S. 132 und http: / / en.wikipedia.org/ wiki/ Art_Treasures_ Exhibition, _Manchester_1857 (27. Mai 2013). Allerdings hat die Kampagne Thomas Cooks wohl entscheidend zum Erfolg der Ausstellung beigetragen, denn ihm wurde von den Organisatoren zum Dank für die geleisteten Dienste eine silberne Schnupftabakdose überreicht. „Ein sinniges Geschenk für den ehemaligen Besitzer und Verleger des Anti-Smoker, der das Schnup- <?page no="206"?> Anmerkungen 207 fen samt Tabak, Opium und Zigarren als berauschendes Genussmittel verurteilte! “ John Pudney, op. cit., S. 118; Hervorh. i. Orig. 252 Als Architekt des Kristallpalastes, in dem die Great Exhibition 1851 in London stattfand, war er von Königin Viktoria geadelt worden. 253 cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 135 ohne weitere Quellenangebe; Hervorh. u. französischer Begriff i. Orig.; Übers. J.W.M. 254 Piers Brendon, op. cit., S. 73; Jill Hamilton, op. cit., S. 136 255 Fahrkarten wurden insgesamt 1.673 verkauft, aber nicht alle gebuchten Plätze wurden auch eingenommen; John Pudney, op. cit., S. 120 256 Piers Brendon, op. cit., S. 74 257 John Pudney, op. cit., S. 120 258 cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 138 f.; Übers. J.W.M.; s. a. Piers Brendon, op. cit., S. 76 f. 259 cit. n. John Pudney, op. cit., S. 122 260 Jill Hamilton, op. cit., S. 139 261 Jill Hamilton, op. cit., S. 140; Übers. J.W.M. 262 Jill Hamilton, op. cit., S. 141; Übers. J.W.M. 263 Jill Hamilton, op. cit., S. 142 264 Piers Brendon, op. cit., S. 77 f. General Feldmarschall Napoléon überquert die Alpen 265 Anonymes Vorwort zu Jemina Morrell: Miss Jemina’s Swiss Journal. The First Conducted Tour of Switzerland [1863]. London: Routledge/ Thoemmes Press 1998, S. xiii; Übers. J.W.M. 266 W. Fraser Rae, op. cit., S. 55 f. - ein weiteres Beispiel für die von Heinz Bude, op. cit., S. 871 skizzierte ‚parasitäre‘ Rolle des Unternehmers (siehe Anm. 39) 267 W. Fraser Rae, op. cit., S. 56 f.; Übers. J.W.M. 268 Piers Brendon, op. cit., S. 79 269 Thomas Cook Archive, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 78 270 Piers Brendon, op. cit., S. 78 271 Jemina Morrell, op. cit., S. 5; Jill Hamilton, op. cit., S. 146 272 Jemina Morrell, op. cit., S. xii und Appendix II, nicht paginiert (S. 114) 273 Piers Brendon, op. cit., S. 79 274 C. S. Bennet: The Golden Age of Mountaineering 1850-1870. London: Alpine Archives (1922/ C146) 1950. Cit. n. www.summitpost.org/ how-thebritish-created-modern-mountaineering/ 713630 (2. Juni 2013) 275 Jemina Morrell, op. cit., S. 15; Übers. J.W.M. 276 Piers Brendon, op. cit., S. 79; Jill Hamilton, op. cit., S. 146 277 Excursionist vom 4. August 1864, cit. n. Brendon, op. cit., S. 80; Übers. J.W.M. 278 Henry Gaze: Switzerland: How to See it for Ten Guineas. London: W. Kent & Co. 1862 (2 nd ed.); cit. n. d. Kurzkritik in The Bristol Mercury, Nr. 3773 v. 12. Juli 1862, S. 6 279 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 80; Übers. J.W.M. 280 W. Fraser Rae, op. cit., S. 58 f.; Übers. J.W.M. 281 Jill Hamilton, op. cit., S. 122 282 Gemeint ist neben ihm auch sein Sohn John Mason Cook. <?page no="207"?> 208 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 283 The Bendigo Advertiser, Friday, July 22, 1892, S. 2; Übers. J.W.M. 284 Excursionist v. 3. Juni 1858; cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 46 285 Civil Service Gazette, 14 May 1864; cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 80 286 W. Fraser Rae, op. cit., S. 62 287 W. Fraser Rae, op. cit., S. 62 288 Lynne Withey, op. cit., S. 31; Übers. J.W.M. 289 Jill Hamilton, op. cit., S. 148; Übers. J.W.M. 290 General Garibaldi, The Times, Nr. 24850 v. 19. April 1864, S. 11 291 Piers Brendon, op. cit., S. 99; Jill Hamilton, op. cit., S. 149 292 Piers Brendon, op. cit., S. 99; Übers. J.W.M. 293 undatierter Brief John Mason Cooks an Thomas Cook, geschrieben zwischen dem 29. November 1877 und dem 19. Januar 1878 (Thomas Cook Archive); cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 99, Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. Unternehmer mit und ohne Klauen: der Familienkonflikt im Hause Cook 294 Kirsten Baus: Die Familienstrategie. Wie Familien ihr Unternehmen über Generationen sichern. Wiesbaden: Gabler 2010 (3. Aufl.), S. 24 - Die Situation in Königshäusern ist ganz ähnlich, nur dass die Nachfolge hier konstitutionell geregelt ist. Ob das ein Vor- oder ein Nachteil ist, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. 295 [A. Griffiths]: John Cook. [Nachruf] In: Blackwood’s Edinburgh Magazine, Vol. CLXVI, No. MVL, August 1899, S. 211-223, hier: S. 212; Übers. J.W.M. - Diese Darstellung unterscheidet sich von der bei William Fraser Rae aus dem Jahre 1891, nach der er von Market Harborough nach Melbourne, dem Geburtsort seines Vaters, gelaufen ist: „Am ersten Tag ging er zu Fuß von Harborough nach Kibworth, am zweiten mit dem [Pferde-] Omnibus nach Leicester, am dritten fuhr er mit der Eisenbahn von West Bridge nach Longlane, dann mit dem Kanalboot nach Shardlow und von Shardlow nach Derby mit dem Omnibus. Am vierten Tag wurde er nach Melbourne von Derby auf einem Gemüsekarren mitgenommen.“ W. Fraser Rae, op. cit., S. 222, Übers. J.W.M. Vermutlich ist diese Darstellung richtig, denn sie wurde zur Feier des 50-jährigen Jubiläums des Eisenbahnausflugs von Leicester nach Loughborough 1841 verfasst und von der Firma Thos. Cook & Son veröffentlicht, zu einem Zeitpunkt also, zu dem sowohl Thomas als auch sein Sohn noch lebten. John Mason hätte dann wohl seine Großmutter besucht, die zu dieser Zeit noch in Melbourne lebte. - Es ist allerdings zu bezweifeln, dass der Sechsjährige diese Reise alleine gemacht hat und ihn in Wirklichkeit sein Vater begleitet hat, auch wenn dies an keiner Stelle erwähnt wird; John Ingle, op. cit., S. 8. 296 [A. Griffiths], op. cit., S. 211; die Formulierung ist vielleicht auch eine Anspielung auf einen Roman von Edmund Yates: Broken to Harness. A Story of English Domestic Life, Vol. I. London: John Maxwell & Company 1864. Abrichtung und Einspannen beziehen sich hier jedoch eher auf weibliche Charaktere. Edmund Yates hatte Thomas Cook im gleichen Jahr für ein von Charles Dickens herausgegebenes Wochenblatt interviewt. [Edmund Yates], op. cit. <?page no="208"?> Anmerkungen 209 297 Piers Brendon, op. cit., S. 101; Übers. J.W.M. 298 W. Fraser Rae, op. cit., S. 222 299 [A. Griffiths], op. cit., S. 211; Übers. J.W.M. 300 [A. Griffiths], op. cit., S. 211; Übers. J.W.M. 301 Piers Brendon, op. cit., S. 102; Übers. J.W.M. 302 Piers Brendon, op. cit., S. 101 303 vgl. hier und im Folgenden Piers Brendon, op. cit., S. 102 f. 304 Piers Brendon, op. cit., S. 103; Übers. J.W.M. 305 John Pudney, op. cit., S. 119 306 John Pudney, op. cit., S. 128, gibt als Heiratsdatum fälschlicherweise 1864 an. Wie Jill Hamilton, op. cit., S. 137 f., schreibt, fiel der Heiratstermin 27. Dezember 1861 in die Trauerperiode für Prinz Albert, der kurz zuvor, am 14. Dezember 1861, im Alter von nur 42 Jahren gestorben war. Dennoch entschied man sich, beim geplanten Termin zu bleiben. Zudem wurde der erste Enkel von Thomas Cook, Frank Henry Cook, bereits am 25. September 1862 in Leicester geboren. 307 hier und im Folgenden Jill Hamilton, op. cit., S. 153 308 W. Fraser Rae, op. cit., S. 73; allerdings war es, wie wir gesehen haben, nicht das erste Londoner Büro, wie Rae schreibt, aber das erste, das auch offiziell mit einem Firmenschild versehen werden konnte. 309 John Mason Cook in Banquet to Commemorate the Fiftieth Year of the Business of Thomas Cook & Son at the Hôtel Métropol, July 22 nd , 1891. Vorsatz zum Buch von W. Fraser Rae, op. cit., S. 13; Übers. J.W.M. 310 hier und im Folgenden Piers Brendon, op. cit., S. 104 311 Piers Brendon, op. cit., S. 115; Übers. J.W.M. 312 [A. Griffiths], op. cit., S. 214; Übers. J.W.M. 313 Piers Brendon, op. cit., S. 221. Nimmt man die Hinterlassenschaft als Indikator für die unternehmerische Leistung, dann war sogar sein Konkurrent Henry Gaze, der bei seinem Tod 1894 nach Angaben des The Leeds Mercury (Nr. 17620 vom 25. September 1894) eine Summe von 4.207 Pfund hinterließ, deutlich erfolgreicher. Allerdings war Henry Gaze bei seinem Tod auch 13 Jahre jünger als Thomas Cook, der knappe zwei Jahre zuvor im Alter von 83 Jahren gestorben war. 314 Lloyd’s Weekly Newspaper Nr. 2942 vom 9. April 1899 315 Jill Hamilton, op. cit., S. 202; Übers. J.W.M. 316 [Alois] Joseph Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Leipzig: Verlag von Duncker & Humblot 1912, S. 529 317 Piers Brendon, op. cit., S. 112; Übers. J.W.M. 318 Briefwechsel zwischen Thomas und John Mason Cook in der Zeit von November 1877 bis Januar 1878, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 111 f. 319 Piers Brendon, op. cit., S. 143 320 Piers Brendon, op. cit., S. 119 321 Brief Thomas Cooks an seine Frau Marianne vom 24. März 1873; cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 149; Übers. J.W.M. 322 Piers Brendon, op. cit., S. 143 323 Die folgende Darstellung beruht auf Piers Brendon, op. cit., S. 152 f., der sich dabei zum Teil auf einen Brief stützt, den John Mason Cook am 2. März 1875 an W. Gregory geschrieben hatte, zum anderen auf einen Brief <?page no="209"?> 210 Thomas Cook - Pionier des Tourismus von John Mason an seinen Vater, der aus der Zeit zwischen November 1877 und Januar 1878 stammt. 324 ergänzend Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 119 325 Piers Brendon, op. cit., S. 176; Übers. J.W.M. 326 Piers Brendon, op. cit., S. 108 327 Vgl. hier und im Folgenden Piers Brendon, op. cit., S. 160 ff. 328 hundert Jahre zuvor, am 4. Juli 1776, hatten die USA ihre Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien erklärt. 329 W. Fraser Rae, op. cit., S. 164 330 John Pudney, op. cit., S. 239 331 Brief John Mason Cooks an E. M. Jenkins vom 6. April 1875; Piers Brendon, op. cit., S. 170 332 Thomas Cook Archive, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 171; Übers. J.W.M. 333 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 171; Übers. J.W.M. 334 W. Fraser Rae, op. cit., S. 173 335 ohne weitere Quellenangabe cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 171, Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. 336 Piers Brendon, op. cit., S. 177 337 Piers Brendon, op. cit., S. 178 338 244 London Road, Leicester LE2 3HP; siehe Derek Seaton, op. cit., S. 84 339 John Mason Cook in einem Brief an Thomas Cook, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 172; Übers. J.W.M. 340 Worauf genau diese Vorwürfe gründeten, ist unbekannt, da nur John Masons Briefe im Thomas Cook Archiv erhalten geblieben sind. Piers Brendon, op. cit., S. 172 341 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 119 342 cit. n. Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 121 ohne weitere Quellenangabe; Auslassungen i. Orig.; Übers. J.W.M. 343 John Mason Cook in einem Brief vom 27. November 1877 an seinen Vater; cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 172 f.; Übers. J.W.M. 344 Hier wird offensichtlich aus einem Brief John Masons ohne weitere Quellenangabe zitiert. Piers Brendon, op. cit., S. 173 f.; Übers. J.W.M. 345 cit. n. Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 121 ohne weitere Quellenangabe; Übers. J.W.M. 346 Jill Hamilton, op. cit., S. 210 347 Sad Death of a Young Lady. The Ipswich Journal, Nr. 7896 v. 13. November 1880 348 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 124 Auf Umwegen in das gelobte Land und nach Ägypten 349 Thomas Cook, cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 153, ohne weitere Quellenangabe; Übers. J.W.M. 350 Jill Hamilton, op. cit., S. 156; Piers Brendon, op. cit., S. 107 351 W. Fraser Rae, op. cit., S. 77 f. 352 John M. Cook: Hasty Notes of the First Excursion to America. In: Cook’s Excursionist & Tourist Advertiser, July 28, 1866, S. 3-4, hier: S. 3 353 a.a.O. <?page no="210"?> Anmerkungen 211 354 John M. Cook, op. cit., S. 4; W. Fraser Rae, op. cit., S. 83 355 W. Fraser Rae, op. cit., S. 85 f.; Isabella Ackerl: Geschichte Österreichs in Daten. Von 1806 bis heute. Wiesbaden: Marixverlag 2008, S. 40 f. 356 W. Fraser Rae, op. cit., S. 89; Übers. J.W.M. 357 Piers Brendon, op. cit., S. 110 f.; W. Fraser Rae, op. cit., S. 52, 89; Lynn Withey, op. cit., S. 157 358 Thomas Cook, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 112, ohne weitere Quellenangabe 359 Thomas Cook im Excursionist vom 15. August 1868, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 112 360 Jill Hamilton, op. cit., S. 168; Übers. J.W.M. 361 Jill Hamilton, op. cit., S. 167; Übers. J.W.M. 362 W. Fraser Rae, op. cit., S. 104 363 Piers Brendon, op. cit., S. 120 364 The Era, Nr. 1627 v. 28. November 1869 365 Jill Hamilton, op. cit., S. 170; Piers Brendon, op. cit., S. 125 366 Ausführlich zu diesem Thema informiert das exzellente Buch von Patrick Chabal & Jean Pascal Daloz: Africa Works. Disorder as Political Instrument. Oxford & Bloomington: James Curry & Indiana University Press 1999 367 John Pudney, op. cit., S. 184 368 Bertha Spafford Vester: Our Jerusalem. An American Family in the Holy City, 1881-1949. Garden City (N.Y.): Doubleday & Company 1950, S. 150 (Übers. J.W.M.). Die Übersiedlung von den USA nach Palästina machte die Familie 1881 übrigens mit Tickets von Thomas Cook & Son. Herbert Clark, der örtliche Agent des Unternehmens, begleitete die Familie daher auf dem Weg vom Küstenort Jaffa nach Jerusalem. „Weil der hohe Wagensitz mich ängstigte, hielt mich Mr. Clark den ganzen Weg bis nach Jerusalem auf seinen Knien.“ Bertha Spafford Vester, op. cit., S. 63; Übers. J.W.M. 369 W. Fraser Rae, op. cit., S. 104 f.; John Ingle, op. cit., S. 39 370 John Pudney, op. cit., S. 186 371 Jill Hamilton, op. cit., S. 173 372 Jill Hamilton, op. cit., S. 175 f. 373 Piers Brendon, op. cit., S. 128 374 Jill Hamilton, op. cit., S. 177 375 Jill Hamilton, op. cit., S. 173; Übers. J.W.M. 376 „Die Bibel ist das beste Handbuch für Palästina; das vorliegende Buch ist nur als Ergänzung dazu gedacht.“ John Murray: A Handbook for Travellers in Syria & Palestine. Part I. London: John Murray 1858, S. xi; Übers. J.W.M. 377 Jill Hamilton, op. cit., S. 175; Übers. J.W.M. 378 a.a.O. 379 Thomas Cook: Second Division of the Help-Book for Travellers to the East. General Travelling & Tourist Arrangements & Requirements. In: Jabez Burns with Tourist Arrangements by Thomas Cook: Help-Book for Travellers to the East; Including Egypt, Palestine, Turkey, Greece & Italy. London: Published at Cook’s Tourist Office 1870, S. 161-208, hier: S. 162; Übers. J.W.M. <?page no="211"?> 212 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 380 [Thomas Cook]: Observations on the Opening of the Suez Canal. In: Jabez Burns with Tourist Arrangements by Thomas Cook, op. cit., 1870, S. 8-14, hier: S. 8; Übers. J.W.M. 381 [Thomas Cook], op. cit., S. 9; Übers. J.W.M. 382 [Thomas Cook], op. cit., S. 12 f.; Übers. J.W.M. 383 [Thomas Cook], op. cit., S. 13.; Übers. J.W.M. 384 Percy Fitzgerald: The Great Canal at Suez: Its Political, Engineering, & Financial History. Vol. II, London: Tinsley Brothers 1876, S. 28 385 Percy Fitzgerald: op. cit., Vol. I, S. 25 386 Percy Fitzgerald, op. cit., Vol. I, S. 32 f. 387 Jill Hamilton, op. cit., S. 181; Übers. J.W.M. 388 Bezeichnung für den osmanischen Vizekönig in Ägypten 389 Jill Hamilton, op. cit., S. 181 390 John Murray: A Handbook for Travellers in Lower and Upper Egypt in Two Parts - Part II. London: John Murray 1880 (6 th Edition), S. 386; Übers. J.W.M. 391 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 86 392 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 129 393 ohne weitere Quellenangabe dazu Piers Brendon, op. cit., S. 132; siehe auch Edmund Swinglehurst, op. cit. 1982, S. 88 394 vgl. hier und im Folgenden Edmund Swinglehurst, op. cit. 1982, S. 88 ff. 395 Leserbrief von Thomas Cook in der Times Nr. 28910 v. 7. April 1877, S. 12 396 Piers Brendon, op. cit., S. 132; Übers. J.W.M. 397 The Times Nr. 27971 v. 8. April 1874, S. 6 398 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 132; Übers. J.W.M. 399 Isabel Burton: The Inner Life of Syria, Palestine, & the Holy Land. In two volumes. Vol. II. London: Henry S. King & Co. 1875, S. 18 f.; Übers. J.W.M. 400 Isabel Burton, op. cit., S. 20; Übers. J.W.M. - Ein erfahrener Tourmanager, der sein Geld mit der Führung US-amerikanischer Reisegruppen durch Europa verdiente, hat dem Autor einmal gesagt, man müsse die Fehler der Menschen lieben, ansonsten könne man diesen Beruf nicht langfristig ausüben. 401 Piers Brendon, op. cit., S. 135 402 [A. Griffith], op. cit., S. 214; Übers. J.W.M. 403 [A. Griffith], op. cit., S. 215; Übers. J.W.M. - Die gleiche Mischkalkulation verwenden heute Fluggesellschaften, die in den Frachträumen ihrer Passagiermaschinen gut die Hälfte des weltweiten Luftfrachtaufkommens, inklusive Post, transportieren. 404 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 86; Übers. J.W.M. Mit der Heimat in die Fremde 405 Erik Cohen: Toward a Sociology of International Tourism. In: Social Research, Vol. 39 (1), 1972, S. 164-182, hier: S. 166; Übers. J.W.M. 406 Albert Camus: Tagebücher 1935-1951. Reinbek: Rowohlt 2011, S. 21 - Dieses Zitat zeigt zudem, wie sehr sich die Wahrnehmung des Fremden durch unsere Reiseaktivitäten in den letzten Jahrzehnten verschoben hat. Heute würde kaum jemand die Balearen als „so fern von unserer Heimat“ empfinden, zumal sich die Inseln auch durch die mit dem Tourismus <?page no="212"?> Anmerkungen 213 verbundene wirtschaftliche und soziale Entwicklung gegenüber damals stark verändert haben. 407 Georg Simmel: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Leipzig: Duncker & Humblot 1908 (cit. n. d. v. Otthein Rammstedt herausgegebenen Georg Simmel Gesamtausgabe, Bd. 11, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992 [7. Aufl. 2013], S. 752) - Der „von ihrer Anknüpfungsart unabhängige Charakter“ von Beziehung spielte bei den Gruppenreisen Thomas Cooks durchaus auch eine Rolle: „[E]r hatte immer wieder Fälle von Liebesheiraten, die auf den Reisen ihren Anfang nahmen, und hat das glückliche Paar im folgenden Jahr als Hochzeitsreisende wieder gehabt.“ [Edmund Yates], op. cit., S. 302; Übers. J.W.M. 408 J[ohn] Christopher Holloway: The Guided Tour. A Sociological Approach. In: Annals of Tourism Research, Vol. 8 (3), 1981, S. 377-402 409 Odo Marquard: Zeit und Endlichkeit. In: Ders.: Endlichkeitsphilosophisches, op. cit., S. 40-54, hier: S. 48 410 Jemina Morrell, op. cit., S. 94; Übers. J.W.M. - In dem 1837 von Bernhard Tauchnitz (1816-1895) in Leipzig gegründeten und nach ihm benannten Verlag erschienen seit 1841 quasi als Vorläufer des heutigen Taschenbuchs preisgünstige und kleinformatige Ausgaben britischer und nordamerikanischer Literatur in der Originalsprache, die vor allem im englischsprachigen Raum weit verbreitet waren. Nach 1945 übersiedelte der Verlag nach Stuttgart und 1955 erschien hier in der Reihe „Der Deutsche Tauchnitz“ die Übersetzung von John Pudneys Buch über Thomas Cook. Leider existiert der Verlag heute nicht mehr. 411 [Edmund Yates], op. cit., S. 302; Übers. J.W.M. 412 Piers Brendon, op. cit., S. 37 413 Piers Brendon, op. cit., S. 46 f.; Übers. J.W.M. 414 [Edmund Yates], op. cit., S. 302; Übers. J.W.M. 415 Jill Hamilton, op. cit., S. 152; Übers. J.W.M.; zum Thema Frauenreisen im 18. und 19. Jahrhundert siehe auch Rüdiger Hachtmann, op. cit., S. 62-65 416 Thomas Cook, cit. n. Jill Hamilton, op. cit., 152, ohne weitere Quellenangaben; Auslassungen teilweise i. Orig.; Übers. J.W.M. - Man muss sich vor Augen halten, dass zum Beispiel in Deutschland, auch wenn es vorher immer wieder Ausnahmen gab, Hosen für Frauen bis in die 1960er- Jahre hinein verpönt und für Mädchen an Schulen sogar verboten waren. 417 Lynn Withey, op. cit., S. 158 418 Piers Brendon, op. cit., S. 134; Übers. J.W.M. 419 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 86; Übers. J.W.M. 420 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1974, S. 87 421 Piers Brendon, op. cit., S. 132; Übers. J.W.M. 422 Edmund Swinglehurst, op. cit. 1982, S. 95; Übers. J.W.M. 423 Isabel Burton, op. cit., S. 18; französische Wörter und Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. 424 Thomas Cook: Travellers in the Desert. In: The Times Nr. 28910 v. 7. April 1877, S. 12; Übers. J.W.M., Hervorh. i. Orig. 425 Cook’s Excursions, Daily News Nr. 7258 v. 5. August 1869, S. 5; Übers. J.W.M. <?page no="213"?> 214 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 426 Personally Conducted, The Graphic Nr. 95 v. 23. September 1871, S. 298; Übers. J.W.M. 427 Selection from the Writings of John Ruskin, Second Series 1860-1888. Orpington and London: George Allen 1893, S. 184; Übers. J.W.M. - Ein Bergstock (Englisch alpenstock) ist ein langer, die Körpergröße des Menschen übersteigender Stock mit einer scharfen, axtähnlichen Spitze. Siehe auch die Abb. auf S. 127. 428 Jabez Burns with Tourist Arrangements by Thomas Cook, op. cit., S. 37 ff. 429 John M. Cook, op. cit., S. 3 430 John M. Cook, op. cit., S. 4, Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. Reiche Prinzen und arme Fischer: Öffentlichkeitsarbeit und soziales Engagement 431 Freeman’s Journal & Daily Commercial Advertiser (Dublin) v. 14 September 1886 432 Sie werden von der Times aber auch durchaus kritisch gesehen. In einem bereits 1861 erschienenen Leitartikel schreibt sie über eine „Ausflugsmanie, […] die alle Grenzen sprengt“. Dabei gesteht sie zu, dass „[w]ir nicht überrascht sein können, dass Familien, die in den Gassen Londons oder den großen Städten nach Luft japsen, etwas ungestüm in Regionen mit frischer Luft drängen, wenn sie ein paar Tage frei haben. […] Aber die Ausflugsmanie […] in ihrer gegenwärtigen extremen Form ist eine Irreführung. […] Gelände werden abgesperrt, Häuser abgeschlossen, um die einfallenden Gäste außen vor zu halten und dort, wo die Touristen mit Zuvorkommenheit willkommen geheißen wurden, findet man nun verschlossene Gesichter und zugesperrte und verriegelte Türen. […] Der Ausflügler weiß, dass er Natur unter dem Marktpreis erworben hat […]. Es hat die Würde eines Großhandels. Der Charme und die Schönheiten der Erde, die vielfältigen Landschaften, das abgeschiedene kleine Tal, der Berg und der Felsen, der ruhige See und der schäumende Wildbach wären kaum absetzbar, wenn man sich daran machte, mit ihnen nach Einzelhandelsprinzipien umzugehen; man muss sie wagemutig im Dutzend kaufen. Eine große Bestellung ist das beste Konzept. […] Wir fragen uns allerdings, ob sich die Natur ohne Weiteres dem vertragsmäßigen Verkauf unterwirft und ob sich die herausgerissenen Teile bei näherer Betrachtung nicht als beschädigte Ware entpuppen.“ Dann geht es ganz im Sinne heutiger kritischer Überlegungen zum Tourismus weiter: Wenn die Leute „daran glaubten, gäbe es genügend wohltuende Orte innerhalb weniger Meilen von ihnen. Wenn sie einen Tag zur Verfügung haben, brauchen sie keine hundert Meilen zu reisen, um ihn zu genießen; wenn sie eine Woche zur Verfügung haben, brauchen sie für den gleichen Zweck nicht tausend Meilen unterwegs zu sein.“ The Times, Nr. 24058 v. 8. Oktober 1861, S. 6; Übers. J.W.M. - An den oben beschriebenen Reaktionen der Bereisten würde dies jedoch nichts ändern. 433 The Times Nr. 28823 v. 27. Dezember 1876, S. 4; Dom Pedro II. (1825- 1891), Enkel des österreichischen Kaisers Franz I., war von 1831-1889 Kaiser von Brasilien. <?page no="214"?> Anmerkungen 215 434 The Times Nr. 29001 v. 23. Juli 1877, S. 5 - Prinz Heinrich von Preußen (1862-1929) war der jüngere Bruder des späteren deutschen Kaisers Wilhelm II.; er trat 1877 als 15-Jähriger in die Marine ein und wurde später Großadmiral. 435 The Times Nr. 31414 v. 7. April 1885, S. 8; Übers. J.W.M. - Bei Prinz Jerome Napoléon (1830-1893) handelt es sich um den in den USA geborenen Enkel von Jérôme Bonaparte (1784-1860), dem jüngeren Bruder von Napoléon I, der 1807-1813 dem Königreich Westphalen vorstand. Der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand von Österreich-Este (1863-1914) fiel am 28. Juni 1914 zusammen mit seiner Frau Sophie in Sarajewo dem Attentat zum Opfer, das vielfach als Auslöser des Ersten Weltkriegs angesehen wird. 436 Piers Brendon, op. cit., S. 50; Übers. J.W.M. 437 Society for the Relief of Fishermen, The Caledonian Mercury Nr. 21165 v. 28. Juli 1857; Übers. J.W.M. 438 Soiree at Iona, Glasgow Herald Nr. 5996 v. 10. November 1858, S. 6; Übers. J.W.M. 439 a.a.O.; Übers. J.W.M. 440 Piers Brendon, op. cit., S. 50, Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. 441 The Caledonian Mercury Nr. 22467 v. 1. Oktober 1861; Übers. J.W.M. 442 Aus einem unerfindlichen Grund auch im Deutschen in der Regel als ‚corporate social responsibility (CSR)‘ bezeichnet. 443 vgl. dazu die unterschiedlichen Beiträge in Andrew Crane; Abagail McWilliams; Dirk Matten; Jeremy Moon & Donald S. Siegel (Hrsg.): The Oxford Handbook of Corporate Social Responsibility. Oxford & New York: Oxford University Press 2008 444 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 51; Übers. J.W.M. 445 Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 202 v. 1. September 2009, S. 16 446 Thomas Cook: Travellers in the Desert. In: The Times Nr. 28910 v. 7. April 1877, S. 12; Übers. J.W.M., Hervorh. i. Orig. 447 The Times Nr. 29058 v. 27. September 1877, S. 12; Übers. J.W.M., Hervorh. i. Orig. 448 Piers Brendon, op. cit., S. 116; darin teilweise zitiert aus dem Excursionist v. 1. August und v. 18. Juli 1870; Übers. J.W.M. 449 Piers Brendon, op. cit., S. 117 450 Thomas Cook: Tourists in Switzerland, The Times Nr. 26823 v. 8. August 1870, S. 10; Übers. J.W.M. 451 Thomas Cook: Hotel Charges in Switzerland, The Times Nr. 26832 v. 18. August 1870, S. 8 452 Jill Hamilton, op. cit., S. 183 453 The Observer v. 4. September 1870, S. 5; Übers. J.W.M. 454 Thomas Cook: Routes to the Continent, The Times Nr. 26854 v. 13. September 1870, S. 3: Übers. J.W.M. 455 John Ripley: The Railway between Heidelberg & Basle, The Times Nr. 26852 v. 10. September 1870, S. 12 456 Lucy Wake (Ed.): The Reminiscences of Charlotte, Lady Wake. Edinburgh & London: William Blackwood & Sons 1909 (second impression), S. 301 f.; Übers. J.W.M. <?page no="215"?> 216 Thomas Cook - Pionier des Tourismus 457 W. Fraser Rae, op. cit., S. 122 f.; Piers Brendon, op. cit., S. 118. Er kam jedoch zu dem Schluss, dass „Geld eher benötigt wird als Lebensmittel“, weil man zum Beispiel in St. Germain „Straßen voll mit Lebensmitteln jeglicher Art zu vernünftigen Preisen“ findet und das gleiche auch für Kleidung gelte. John M. Cook: Leserbrief, The Times Nr. 26981 v. 8. Februar 1871, S. 5; Übers. J.W.M. 458 Jill Hamilton, op. cit., S. 184 f.; Übers. J.W.M. 459 Piers Brendon, op. cit., S. 118; Übers. J.W.M. 460 Edmund Swinglehurst, op. cit., 1974, S. 149 461 The Times Nr. 32574 v. 20. Dezember 1888, S. 4; Übers, J.W.M. 462 The Lady Guide Association, Daily News Nr. 14032 v. 26. März 1891, S. 2 Wider die ‚Cookophobie‘ 463 Prinz Albert Edward (1841-1910), ältester Sohn von Königin Victoria und Prinz Albert; er wurde nach Victorias Tod 1901 als Edward VII. König von England. Er war seit 1863 verheiratet mit Prinzessin Alexandra von Dänemark (1844-1925). 464 Darüber schrieb die Times in einer namentlich nicht gezeichneten, sehr ausführlichen Rezension des Buches von W. H. Russel: „Wir halten Griechenland, gemessen an seinen Möglichkeiten, für so ziemlich das am schlechtesten geführte Land der Welt. Mit Banditen, Interessengruppen und Patrioten, die auf türkische Eroberungen, und Finanziers, die auf europäische Kredite aus sind, […] gibt es wenig Hoffnung für die Zukunft.“ The Times Nr. 26596 v. 16. November 1869, S. 5; Übers. J.W.M. 465 William Howard Russell: A Diary in the East During the Tour of the Prince & Princess of Wales. London: George Routledge & Sons 1869, S. 145 f.; Übers. J.W.M. 466 Siehe die Widmung in William Howard Russell, op. cit., S. v 467 Thomas Cook: Letters to His Royal Highness, 1870, S. 4; Übers. J.W.M. 468 Thomas Cook: Letters to His Royal Highness, 1870, S. 10; Übers. J.W.M. 469 Thomas Cook: Letters to His Royal Highness, 1870, S. 6; Übers. J.W.M. - Es dürfte Thomas Cook eine tiefe persönliche Genugtuung gewesen sein, dass 13 Jahre später sein ältester Enkel, Ernest Edward Cook, die von Thos. Cook & Son 1882 organisierte 14-tägige Reise der beiden Söhne des Prince of Wales (darunter der 1910 als George V. König gewordene George Frederick Ernest Albert, 1865-1936) durch das Heilige Land geleitet hat. 470 Thomas Cook: Letters to His Royal Highness, 1870, S. 10; Übers. J.W.M. 471 William Howard Russell, op. cit., S. 321; Übers. J.W.M. 472 Lynne Withey, op. cit., S. xi 473 William Howard Russell, op. cit., S. 321 f.; Übers. J.W.M., fremdsprachige Worte im Orig. - Das lateinische Zitat heißt sinngemäß etwa: ‚Welche Region unserer Welt wird nicht durch unsere Arbeit gefüllt? ‘, das französische: ‚nichts ist heilig‘. 474 zitiert nach Thomas Cook: Letters to His Royal Highness, 1870, S. 19 f., Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. 475 George Villiers (1800-1870) war der 4. Earl of Clarendon. Er hatte im Verlaufe seines Lebens eine Reihe von Regierungsämtern und Ministerposten inne und war in verschiedenen Kabinetten mehrmals Außenmi- <?page no="216"?> Anmerkungen 217 nister, das letzte Mal unter Gladstone von 1868 bis zu seinem Tod am 27. Juni 1870. 476 Charles Lever (1806-1872), wie Russell irischer Herkunft, war Mediziner, Schriftsteller und Publizist. Nach vielen Reisen in Europa wurde er später britischer Vizekonsul in La Spezia. 1867 wurde er dann vom damaligen britischen Premierminister, Edward Smith Stanley, 14. Earl of Derby (1799-1869), mit der Bemerkung „Hier liegen sechshundert Pfund pro Jahr fürs Nichtstun; sie sind der Mann, sie zu verdienen“ (cit. n. John Pudney, op. cit., S. 164) zum Konsul in Triest befördert. In Blackwood’s Edinburgh Magazine hatte er eine Art erweiterte Kolumne (teilweise unter dem übergreifenden Titel Cornelius O’Dowd Upon Men & Women, & Other Things in General), in der er sich regelmäßig zu den verschiedensten Themen äußerte. 477 Cornelius O’Dowd [Charles Lever]: A Light Business Requiring no Capital. In: Blackwood’s Edinburgh Magazine, Vol. CVL, No. DCLVIII, October 1869, S. 451-454 478 Thomas Cook: Letters to His Royal Highness, 1870, S. 13 479 Cornelius O’Dowd [Charles Lever]: Continental Excursionists. In: Blackwood’s Edinburgh Magazine, Vol. XCVII, No. DXCII, February 1865, S. 280-283, hier S. 280; Hervorh. i. Orig., Übers. J.W.M. - Phineas Taylor Barnum (1810-1891) war Gründer des gleichnamigen Zirkus in den USA. 480 Cornelius O’Dowd [Charles Lever]: Continental Excursionists, 1865, S. 281; Übers. J.W.M. 481 a.a.O. 482 Jean-Didier Urbain: L’idiot du voyage. Histoires de touristes. Paris: Édition Payot & Rivage 1993 (= Petite Bibliothèque Payot/ Documents 166) 483 Richard Sharpley: Tourism, Tourists & Society. Huntingdon: ELM Publications 1994, S. 66; Übers. J.W.M. 484 Lynne Withey, op. cit., S. xi; Übers. J.W.M. 485 Thomas Cook: Letters to His Royal Highness, 1870, S. 59; Übers. J.W.M. 486 Thomas Cook: Letters to His Royal Highness, 1870, S. 52 f.; Übers. J.W.M. 487 Thomas Cook, Letters to His Royal Highness, 1870, S. 50 f.; Übers. J.W.M. 488 John Pudney, op. cit., S. 168 489 cit. n. John Pudney, op. cit., S. 169 490 George Augustus Sala: The Life & Adventures of George Augustus Sala - Written by Himself; in Two Volumes; Vol. II., New York: Charles Scribner’s Sons: 1895, S. 186; Übers. J.W.M. 491 Lynne Withey, op. cit., S. 138 f.; Übers. J.W.M. Viel Zeit, viel Geld, viel Dampf: die Weltreise 492 Möglicherweise hat sich Jules Verne (1828-1905), der die Ankündigung der Reise gelesen hatte, davon zu seinem erfolgreichen Roman Reise um die Erde in achtzig Tagen inspirieren lassen, der 1873 erschien; siehe Piers Brendon, op. cit., S. 150 und Lynne Withey, op. cit., S. 250 493 Cook’s Excursions, Daily News Nr. 7258 v. 5. August 1869, S. 5; Übers. J.W.M. 494 Auch hier erweist sich das Buch von Rüdiger Hachtmann über ‚Tourismusgeschichte‘ als wenig zuverlässig, wenn der Autor behauptet, das <?page no="217"?> 218 Thomas Cook - Pionier des Tourismus Reisebüro Stangen aus Berlin habe „1878 dann noch vor Cook die erste Weltreise“ arrangiert; op. cit., S. 70 495 The Times Nr. 27504 v. 10. Oktober 1872, S. 5 496 in der US-Ausgabe des Excursionist im Juni 1874; cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 108; Übers. J.W.M. 497 James Brooks: A Seven Months’ Run, Up & Down, & Around the World. (Written in Letters to the N.Y. Evening Express). New York: D. Appleton & Company 1872 - Thomas Cook erwähnt dieses Buch in seinem sechsten, von der Times nicht veröffentlichten Brief (siehe folgende Anmerkung), wobei er Brooks irrtümlich als Chefredakteur und Besitzer des New York Oberserver bezeichnet. Thomas Cook, Letters from the Sea & from Foreign Lands, Descriptive of a Tour Around the World. London und New York: Thomas Cook & Son, 1873, S. 41 498 Thomas Cook: Letters from the Sea, 1873, S. v. Die Briefe eins bis fünf und der siebte wurden veröffentlicht. Sie wurden, bis auf den ersten, der unter der Überschrift A “Circular“ Tour am 27. November 1872, und den letzten, der mit der Schlagzeile Tours in Egypt & Palestine am 27. Mai 1873 erschien, immer unter dem Titel Round the World am 23. Januar 1873, am 5. Februar 1873, am 12. März 1873 und am 24. März 1873 publiziert. - Insgesamt hatte Thomas Cook 18 Briefe, darunter auch einige an mehrere Zeitungen in Leicester, an christliche Blätter und an Zeitschriften für Temperenzler geschrieben, die er dann in dem oben angegebenen Buch zusammen mit einem weiteren kurzen Artikel von Dr. Jabez Burns über das Yosemite-Tal veröffentlicht hat. 499 Thomas Cook: A “Circular” Tour. In: The Times Nr. 27545 v. 27. November 1872, S. 4 500 Thomas Cook: Letters from the Sea 1873, S. 52; Übers. J.W.M. 501 Thomas Cook: Letters from the Sea 1873, S. 69; Übers. J.W.M. 502 Thomas Cook: Round the World. In: The Times Nr. 27635 v. 12. März 1873, S. 4; Übers. J.W.M. 503 Thomas Cook: Round the World. In: The Times Nr. 27645 v. 24. März 1873, S. 4; Übers. J.W.M. 504 Thomas Cook: Round the World. In: The Times Nr. 27594 v. 23. Januar 1873, S. 4; Übers. J.W.M. 505 Thomas Cook, Letters from the Sea 1873, S. 59; Übers. J.W.M. - Japan hatte sich erst 1868 mit dem Beginn der Regierungszeit des jungen Tennos Meiji (1852-1912) dem Ausland gegenüber geöffnet und Modernisierungen eingeleitet. Zivilisation ist dabei für Thomas Cook wie für die meisten seiner europäischen Zeitgenossen per se christlich, wie er an anderer Stelle über Japan bemerkt, das sich nach seiner Ansicht „im Übergang vom barbarischen Götzendienst zu christlichem Licht und christlicher Zivilisation befindet.“ Thomas Cook, op. cit., S. 69; Übers. J.W.M. 506 Thomas Cook, Letters from the Sea 1873, S. 72; Übers. J.W.M. 507 George Bernhard Shaw: The Four Pleasant Plays. Leipzig: Bernhard Tauchnitz 1914 (= Collection of British Authors. Tauchnitz Edition, Vol. 4472), S. 7 (Preface); Übers. J.W.M. 508 Thomas Cook, Letters from the Sea 1873, S. 90; Übers. J.W.M. <?page no="218"?> Anmerkungen 219 509 Round the World, The Times Nr. 27645 v. 24. März 1873, S. 4; Übers. J.W.M. 510 Thomas Cook, Letters from the Sea 1873, S. 52; Übers. J.W.M. 511 Thomas Cook, Letters from the Sea 1873, S. 98; Übers. J.W.M. 512 Thomas Cook: Round the World. In: The Times Nr. 27645 v. 24. März 1873, S. 4 513 Thomas Cook, Letters from the Sea 1873, S. 82; Übers. J.W.M. 514 Thomas Cook, Letters to His Royal Highness, 1870, S. 59; Übers. J.W.M. 515 Thomas Cook, Letters from the Sea, 1873, S. 41 516 James Brooks, op. cit., S. 339; Übers. J.W.M. 517 James Brooks, op. cit., S. 338; Übers. J.W.M. 518 Albert Camus, op. cit., S. 22 519 Theodor Mundt: Völkerschau auf Reisen. Erster Band. I. Südfranzosen. - II. Polen. - III. Naturvölker. Stuttgart: Verlag von Adolph Krabbe 1840, S. VII 520 John M. Cook, op. cit., S. 4; Übers. J.W.M. 521 Eric J. Leed: Die Erfahrung der Ferne. Reisen von Gilgamesch bis zum Tourismus unserer Tage. Frankfurt am Main: Campus 1993, S. 84 522 Lynne Withey, op. cit., S. 272; Übers. J.W.M. 523 Thomas Cook, Letters from the Sea, 1873, S. 67; Übers. J.W.M. 524 Das Zitat stammt aus dem Brief, den die Times nie veröffentlicht hat. Thomas Cook, Letters from the Sea, 1873, S. 47; Übers. J.W.M. Außenseiter im eigenen Unternehmen 525 so der Titel eines von Walter Schertler herausgegebenen Bandes; Wien: Wirtschaftsverlag Ueberreuter 1994 526 Brendan Fox: Thomas Cook Timetables - Covering the World. In: Japan Railway & Transport Review, No. 53, September 2009, S. 18-23 527 Der größte Teil der Kosten für den Betrieb eines Zuges oder eines anderen Verkehrsmittels ist fix, d.h., die Kosten entstehen unabhängig von der Zahl der beförderten Passagiere. Je mehr Personen befördert werden können, desto geringer werden damit die anfallenden Fixkosten pro Person (Fixkostendegression bzw. economies of scale). 528 Personally Conducted, The Graphic Nr. 95 v. 23. September 1871, S. 298 529 a.a.O.; Übers. J.W.M. 530 Piers Brendon, op. cit., S. 163 531 The Independent v. 1. Juli 2013 (www.independent.co.uk/ travel/ news- &-advice/ thomas-cooks-european-rail-timetable-reaches-end-of-theline-8682078. html; 5. November 2013). Allerdings sollen, laut einer Pressemitteilung der Thomas Cook Group vom 1. November 2013, die Fahrpläne unter der Verantwortung eines von ehemaligen Mitarbeitern des European Rail Timetable gegründeten Unternehmens weiter erscheinen (www.thomascook.com/ press-centre/ thomas-cook-european-railtimetable-lives-on/ ; 6. November 2013). 532 So schrieb der Diplomat und Schriftsteller Robert Bulwer-Lytton (1831- 1891), erster Earl Lytton, kurz nach seiner Zeit als Gouverneur und Vizekönig von Indien (1876-1880): We may live without poetry, music & art / We may live without conscience, & live without heart / We may live without <?page no="219"?> 220 Thomas Cook - Pionier des Tourismus friends / We may live without books / But civilized man cannot live without Cooks. Thomas Cook Archive, cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 203 533 Jill Hamilton, op. cit., S. 195 534 Piers Brendon, op. cit., S. 167 f., 185 f. 535 [A. Griffith], op. cit., S. 214; Übers. J.W.M. 536 Piers Brendon, op. cit., S. 136 537 John Murray, op. cit. 1880, S. 450, Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. 538 Piers Brendon, op. cit., S. 137 539 W. Fraser Rae, op. cit., S. 167 540 [A. Griffith], op. cit., S. 214; Übers. J.W.M. 541 a.a.O.; Übers. J.W.M. 542 Jill Hamilton, op. cit., S. 195; Übers. J.W.M. 543 Hans A. Hesse: Berufe im Wandel. Ein Beitrag zur Soziologie des Berufs, der Berufspolitik und des Berufsrechts. Stuttgart: Enke 1972 (2. Aufl.), S. 128 544 cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 196; Übers. J.W.M. 545 a.a.O.; Übers. J.W.M. 546 nähere Informationen dazu unter www.melbournehall.com Die späten Jahre 547 Jill Hamilton, op. cit., S. 197 f. 548 Jill Hamilton, op. cit., S. vii; Übers. J.W.M. 549 cit. n. Piers Brendon, op. cit., S. 172, Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. 550 Pall Mall Gazette, Nr. 4017 v. 4. Januar 1878 551 Thomas Cook, ohne weitere Quellenangabe cit. n. Jill Hamilton, op. cit., S. 214; Übers. J.W.M. 552 Jill Hamilton, op. cit., S. 215 553 Elspeth Kerr: Roots and Fruits - Israel/ Palestine. www.towards2010.org/ downloads/ Israel%20Palestine%20Elspeth%20Kerr.pdf; 20. November 2013 554 Jill Hamilton, op. cit., S. 216 555 Jill Hamilton, op. cit., S. 217 f.; Übers. J.W.M. 556 Jill Hamilton, op. cit., S. 218 557 Editorial, The Times, Nr. 33384 v. 23. Juli 1891, S. 9, Hervorh. i. Orig.; Übers. J.W.M. 558 The Cook Jubilee. The Times, Nr. 33384 v. 23. Juli 1891, S. 5 559 Editorial. The Times, Nr. 33384 v. 23. Juli 1891, S. 9; Übers. J.W.M. 560 The Cook Jubilee. The Times, Nr. 33384 v. 23. Juli 1891, S. 5; Übers. J.W.M. 561 Jill Hamilton, op. cit., S. 219; Übers. J.W.M. 562 John Mason Cook in Banquet to Commemorate the Fiftieth Year of the Business of Thomas Cook & Son at the Hôtel Métropol, July 22 nd , 1891. Vorsatz zum Buch von W. Fraser Rae, op. cit., S. 12; Übers. J.W.M. 563 Jill Hamilton, op. cit., S. 219; Übers. J.W.M. 564 Piers Brendon, op. cit., S. 220; Übers. J.W.M. 565 Jill Hamilton, op. cit., S. 220 f. 566 Jill Hamilton, op. cit., S. 221 567 Funeral of Mr. Thomas Cook, the Excursion Agent, The Leeds Mercury, Nr. 16943 v. 26. Juli 1892 <?page no="220"?> Anmerkungen 221 Epilog 568 John K. Walton, op. cit., S. 89; Übers. J.W.M. 569 Jill Hamilton, op. cit., S. 224 570 Jill Hamilton, op. cit., S. 222; Übers. J.W.M. 571 W. Fraser Rae, op. cit., S. 187 572 Piers Brendon, op. cit., S. 191; Übers. J.W.M. 573 W. Fraser Rae, op. cit., S. 190 574 Piers Brendon, op. cit., S. 191; Übers. J.W.M. 575 House of Commons - Last Night. The Debate on the Budget. Freeman’s Journal and Daily Commercial Advertiser (Dublin) v. 25. April 1871; Übers. J.W.M. 576 Charles Royle: The Egyptian Campaigns 1882 to 1885. London: Hurst and Blacket 1900 (new and revised edition, continued to December 1899), S. 554 (Anm.); allerdings waren Charles Royle und John Mason Cook laut Piers Brendon, op. cit., Anm. 65, S. 342, befreundet. 577 zu den damit verbundenen Problemen und Auseinandersetzungen siehe John Pudney, op. cit., S. 244 f. 578 Piers Brendon, op. cit., S. 240 579 Charles Royle, op. cit., S. 554 (Anm.); Übers. J.W.M. 580 Seit dem Konkurs 2009 der zwei Jahre zuvor noch in Arcandor umbenannten Karstadt-Quelle werden die Aktien des Unternehmens an der Londoner Börse gehandelt. Vorher hatte Arcandor noch den kompletten Anteil der Deutschen Lufthansa AG an der Condor erworben. Eine alphabetische Literaturliste finden Sie unter www.uvk-lucius.de/ thomascook