Europa im Würgegriff
0619
2013
978-3-8649-6630-9
UVK Verlag
Gerald Pilz
Die Staatsschuldenkrise in der Eurozone nimmt immer größere Ausmaße an. Selbst renommierte Wirtschaftswissenschaftler warnen in einem öffentlichen Aufruf vor den verheerenden Folgen der Krise. Finnland erwägt, im Zweifelsfall aus der Eurozone auszutreten, und Griechenland gibt zu, dass es die Sparziele wieder einmal verfehlt hat. Als die Europäische Zentralbank schließlich die Leitzinsen auf ein historisches Rekordtief senkte, machte sich an den Börsen keineswegs Erleichterung breit. Vielmehr wächst die Sorge, dass sich weitere ernsthafte Probleme ergeben.
Dieses Buch erklärt die Staatsverschuldung für alle verständlich von Grund auf.
Da die wirtschaftliche und politische Entwicklung sowohl in naher als auch in ferner Zukunft unvorhergesehene Wendungen einnehmen wird, begleitet der Autor den Leser auf www.europa-im-wuergegriff.de mit 100 Blogbeiträgen in den nächsten 2 Jahren - mit Informationen zu aktuellen Entwicklungen und neuesten Bewertungen der Krisensituation.
<?page no="1"?> Gerald Pilz Europa im Würgegriff <?page no="3"?> Gerald Pilz Europa im Würgegriff UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München <?page no="4"?> Dieses Buch ist ein besonderes Buch: Der Autor wird ab Erscheinen des Buches zwei Jahre lang wöchentlich einen Beitrag in seinem Buch-Blog schreiben. So bleiben Sie immer informiert. Denn die Dynamik der Krise(n) in Europa hat inzwischen eine ungeahnte Geschwindigkeit erreicht. Rufen Sie einfach auf: http: / / www.europa-im-wuergegriff.de Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-86764-422-8 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft Konstanz und München 2013 Einband: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: © Zelfit - Fotolia.com Illustrationen: Elisa Schechler Druck und Bindung: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="5"?> 5 Inhalt Prolog: Athen brennt! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Die neue Weltwirtschaftskrise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Die ersten Auswirkungen in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Das Wunder der Geldvermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Europaliebe und Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Die berühmtesten Finanztorheiten der Geschichte . . . . . . . . . . . . 23 Reich in Amsterdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Reich in Mississippi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Reich in der Südsee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Die Geschichte des Staatsbankrotts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Die Geschichte der Währungsunionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Die Schuldenkrise in Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Der Schuldenschnitt in Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Wie konnte Griechenland in diese Lage geraten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Die Geschichte der Drachme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Die schweren Folgen in Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Der Schuldenschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Spanien: Schluss mit Siesta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Portugal und Italien: Das Schuldendesaster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Exodus in Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Italien: Eine Nation vor der Zerreißprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Zypern: Die Enteignung einer Nation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Die lustigen Thesen der Euroretter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Krisenursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Die Perspektive Frankreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Die Fehler bei der Gründung der Eurozone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Das Beispiel: Die Wiedervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Europas Zukunft in der Welt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 <?page no="6"?> 6 Inhalt Die Rettung des Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Die Notenbank kauft Staatsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Welche Schulden haben sich angesammelt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Wie sicher ist eigentlich die Einlagensicherung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Wohin wird uns die Eurokrise führen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Szenario 1: Die Apokalypse der Eurozone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Szenario 2: Die Abschaffung des Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Szenario 3: Der Euro bleibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Eine sichere Währung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Exkurs: Die Geschichte der Inflation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Die Gefahren einer Fiat-Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Die Geschichte des Goldverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Staatsunabhängige Währungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Die Währung der Nerds: Bitcoins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Haben Bitcoins eine Zukunft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Anmerkungenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 <?page no="7"?> Prolog: Athen brennt! <?page no="8"?> Prolog: Athen brennt! 8 Als einige Broker in New York auf die Bildschirme blicken, werden sie sofort blass Große Aufregung macht sich an der Wall Street breit, und immer mehr Menschen verfolgen ungläubig die Nachrichten In Athen brennen Banken lichterloh Wütende Demonstranten hatten einen Molotow-Cocktail in eine Filiale der Marfin Bank in der Stadion Avenue geschleudert Flammen züngeln an den Fassaden empor Zwanzig Menschen, die in der Bank arbeiten, rennen in Panik heraus Drei Angestellte versuchen verzweifelt, sich auf das Dach des Gebäudes zu retten, doch das Feuer hat bereits den Weg versperrt Die drei Menschen sterben einen qualvollen Tod Man hört Sirenen, Tränengasschwaden ziehen durch die Fußgängerzonen, Demonstranten flüchten In der griechischen Hauptstadt herrscht der absolute Ausnahmezustand; überall sieht man aufgebrachte Menschen, die durch die Straßen ziehen und Parolen skandieren Pflastersteine prasseln auf die Polizisten nieder; Autos und einzelne Gebäude stehen in Flammen Die wütenden und enttäuschten Menschen haben den rigiden Sparkurs der Regierung satt, der ihnen sinkende Löhne, hohe Arbeitslosigkeit, Armut und magere Renten beschert Auf der Akropolis, die einst der Göttin der Weisheit, Athene, geweiht war, flattert eine rote Fahne mit Hammer und Sichel im Wind Aktivisten spannen Transparente auf und fordern den Rest der Welt zur Solidarität auf <?page no="9"?> Die neue Weltwirtschaftskrise <?page no="10"?> Die neue Weltwirtschaftskrise 10 Rund um den Globus sorgen die Vorkommnisse in Athen für erhebliche Unruhe . Die Aktienkurse fallen, der Euro wird immer mehr zu einer unbeliebten Währung, die ganz Europa spaltet, und Investoren befürchten das Schlimmste . Hinter vorgehaltener Hand sprechen immer mehr von einer Weltwirtschaftskrise, die das schreckliche Ereignis von 1929 in den Schatten stellen könnte . Damals brach die Börse am so genannten »Schwarzen Donnerstag« in New York ein und büßte im Verlauf der kommenden Jahre mehr als 90 Prozent des Wertes ein 1 Fotografien aus den einst beschwingten roaring twenties zeigen, wie verzweifelte Investoren auf dem Fensterbrett stehen und sich vor den Augen der entsetzten Passanten in die Tiefe stürzen Solche Szenen spielten sich täglich an der Wall Street und in der Fifth Avenue in New York City ab Viele waren gänzlich ruiniert, doch das Schlimmste stand ihnen noch bevor Ganz Amerika versank in einer beispiellosen wirtschaftlichen Depression, bei der das Bruttosozialprodukt um mehr als 28 Prozent nachgab Die Krise wurde erst in den 1950er Jahren endgültig überwunden Nur einigen wenigen gelang es, ihr Vermögen rechtzeitig zu retten Einer Anekdote zufolge verkaufte der berühmte John D Rockefeller rechtzeitig alle Aktien, als ihm sein Schuhputzer einen Börsentipp gab . 2 Noch verheerender kam es in Europa, wo ganze Länder zusammenbrachen In Deutschland stieg die Arbeitslosigkeit im Jahr 1933 auf über 30 Prozent Am Ende stand das Grauen des Zweiten Weltkriegs Die ersten Auswirkungen in Europa Kommen wir zurück in unsere Zeit: Das Wort »Weltwirtschaftskrise« lässt selbst besonnene Gemüter schaudern und umfassende Vorkehrungen treffen Wie weit die Verunsicherung inzwi- <?page no="11"?> Die ersten Auswirkungen in Europa 11 schen reicht, zeigen die Reaktionen von Zeitgenossen, die um ihr Vermögen fürchten Ein Beispiel: In München vor der Filiale eines bekannten Edelmetallhändlers parkt ein Handwerker am Hinterausgang. Angestellte schleppen schwere Silberbarren zu einem Auto. »Sicher ist sicher«, lacht der Mann und berichtet, wie seine Eltern im Krieg alles verloren haben. »Währungsreform«, murmelte er, »aber ich mache es besser«. Man mag über diese Krisenvorsorge schmunzeln, aber gerade in Deutschland ist die Furcht vor einer Währungsreform deutlich ausgeprägt Auch bei Generationen, die Not, Hunger und Elend nur aus den Schilderungen der Großeltern kennen, machen sich Angst und Verunsicherung breit In Erinnerung an die schwere Zeit während des Kriegs und nach 1945 horten manche zu Hause im Keller Konserven, Weizen- und Roggensäcke, statten sich mit Wasserfilteranlagen und Notaggregatoren aus Seltsame Pfadfindertugenden wie das Feuermachen mit einem Stein und Holzspänen, das Beerensammeln im Wald und verschiedenste Survivaltechniken kommen wieder in Mode . 3 Mancher Familienvater verwandelt das eigene Einfamilienhaus in eine Trutzburg, die auch einer monatelangen Belagerung standhalten könnte Es gibt eigenwillige Menüs und Kochrezepte für solche Katastrophenfälle, die jeden Fünf-Sterne-Koch in den Wahnsinn getrieben hätten: Löwenzahnsalat, Kartoffeln mit Quark und Gerstenkaffee bilden die kulinarischen Höhepunkte einer solchen opulenten Mahlzeit Manche verkriechen sich in Erwartung der Apokalypse des Weltfinanzsystems gleich in den Tiefen des Schwarzwaldes oder <?page no="12"?> Die neue Weltwirtschaftskrise 12 der Alpen, weitab von jedweder Zivilisation, und frönen dem einfachen und bescheidenen Leben auf dem Land, wo Tugenden wie Weben, Gärtnern und Ernten gefragt sind Eine bizarre Prophezeiung der Maya für den Dezember 2012 trieb den skurrilen Krisenhype auf einen neuen Höhepunkt: Hunderte esoterischer Anhänger zelebrierten in einem abgelegenen Bergdorf namens Bugarach in den französischen Pyrenäen bereits den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang und die Errettung durch Außerirdische . 4 Nur der Bürgermeister des kleinen Fleckens freute sich über die willkommene Publicity, die ihm Dutzende von Reportern aus aller Welt bescherte Griechenland schlitterte unterdessen immer tiefer und unaufhaltsam in einen Abgrund Im Ausland wurden griechische Statistiken kaum noch ernst genommen, nachdem die Zahlen und Angaben immer wieder einer Revision unterzogen wurden Ein solches Zahlenwerk ist ohnehin mit erheblicher Vorsicht und Zurückhaltung zu genießen; denn viele Staaten verschweigen die tatsächliche Höhe der Schulden . 5 Dass Griechenland sich durch geschönte Zahlen in die Eurozone gemogelt hatte, galt vielen in der Politik als krasser Tabubruch Doch betrachtet man es genau, so war von Vornherein geplant, Griechenland in die Eurozone aufzunehmen Eindeutiges Indiz: Eurobanknoten trugen bereits griechische Buchstaben, als Hellas noch gar nicht zur Währungsunion gehörte Eigentlich hätte man in Frankfurt auch die Bezeichnung »Euro« in kyrillischen Buchstaben anführen müssen; denn auch Bulgarien könnte eines Tages Teil der Eurozone sein Aber seit dem endlosen Debakel um den Euro weist man solche Offerten im fernen Sofia mit diplomatischen Worten von sich Der Euro hat deutlich an Glanz verloren, und auch in Polen und in anderen osteuropäischen Ländern ist die Freude um die neue Währung längst einer bitteren Ernüchterung gewichen Zwar beteuert man gerne mit salbungsvollen und feierlichen <?page no="13"?> Die ersten Auswirkungen in Europa 13 Worten, wie wichtig die Europäische Integration sei und als welch große und lobenswerte Errungenschaft die Währungsunion gelte Aber in Wirklichkeit hoffen etliche osteuropäische Staaten, noch lange von dieser Plage verschont zu bleiben Die meisten offiziellen Angaben zur Staatsverschuldung haben in etwa den Wahrheitsgehalt von »Hänsel und Gretel« Tatsache ist: Viele Länder klammern einfach die so genannten impliziten Staatsschulden aus . 6 Haben Sie schon einmal überlegt, wie viel der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich schuldet? Allein die unüberschaubaren Sozialleistungen, Rentenansprüche, Beamtenpensionen und vieles mehr erhöhen den bereits gigantischen Schuldenberg um ein Vielfaches Selbst konservative Schätzungen gehen davon aus, dass die faktische Staatsverschuldung mindestens das Dreifache der offiziellen Angaben ausmacht Und hierbei haben wir noch nicht einmal mit griechischer Großzügigkeit kalkuliert, bei der sogar Verstorbene in den Genuss einer üppigen Altersversorgung kommen Aber Sie werden sich fragen: Wer soll das bezahlen? Die Frage stellt sich eigentlich so nicht; denn Staaten zahlen nie endgültig ihre Schulden Vielmehr werden die Verbindlichkeiten endlos in die Zukunft verschoben Ob dies eine solide Haushaltspolitik ist, sei dahingestellt Aber solange Staaten über die erforderliche Bonität und das entsprechende Ansehen verfügen und zumindest einigermaßen pünktlich die Zinsen zahlen, werden sie als kreditwürdig angesehen und können die Schulden beliebig vor sich herschieben In früheren Zeiten gab es dafür sogar ein amüsantes Wortspiel, das auch einen Bezug zu Griechenland hat: Schuldner zahlten dann »ad calendas graecas« (»an den griechischen Kalenden«) Mit »Kalenden«, wovon unser Wort für Kalender abgeleitet ist, bezeichneten die Römer immer den ersten Tag im Monat Da die Griechen aber keine solche Bezeichnung hatten, bedeutet ad calendas graecas am Sankt-Nimmerleins-Tag <?page no="14"?> Die neue Weltwirtschaftskrise 14 Bevor man aber vorwurfsvoll auf Griechenland deutet, sollte man zuerst einmal einen Blick nach Deutschland werfen Auch hierzulande übersteigt die Schuldenlast inzwischen die unvorstellbare Grenze von zwei Billionen Euro . 7 Und dies sind bekanntlich nur die offiziellen Zahlen! Die tatsächliche Bürde macht ein Vielfaches aus Ein Beispiel sind die Beamtenpensionen Da Deutschland immer schneller altert, kommt auf die Bundesregierung eine enorme Herausforderung zu: Immer mehr Bürgerinnen und Bürger gehen in den Ruhestand In den optimistischen siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden besonders viele verbeamtet, ohne dass der Staat eine entsprechende ausreichende finanzielle Vorsorge getroffen hat Jedes Unternehmen muss, wenn es der Belegschaft eine Betriebsrente zusagt, umfangreiche und genau festgelegte Rückstellungen in den Bilanzen bilden . Nicht so der Staat: Das Problem wurde einfach ausgeklammert und in die Zukunft verlagert Entwicklung des Standes der öffentlichen Hand in Deutschland (jeweils zum 31.12. des Jahres). Quelle: destatis.de <?page no="15"?> Die ersten Auswirkungen in Europa 15 In den neunziger Jahren begann man dann erstmals, die Brisanz der Thematik zu erahnen und stellte im Haushalt Mittel für die Beamtenversorgung bereit Aber diese Maßnahmen waren nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein In den kommenden Jahren werden vor allem die Länderhaushalte, da die meisten Beamten auf Landesebene alimentiert werden, unter der Last ächzen und in anderen Etats drastisch Mittel kürzen müssen Experten wie der renommierte Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen schätzen den Barwert dieser staatlichen Verpflichtungen auf rund 1,8 Billionen Euro 8 , was für die Bundesländer eine kaum zu bewältigende Belastung bedeutet Wenn Sie also immer mehr Schlaglöcher und marode Schwimmbäder vorfinden, Krankenhäuser, in denen der Putz von den Wänden rieselt, Schulen, in denen die Heizung regelmäßig ausfällt, dann wundern Sie sich nicht Dieses verhängnisvolle Spiel, Schuldenberge aufzuhäufen und deren Lösung in eine unbestimmte Zukunft zu verlagern, praktizieren nahezu alle Staaten in der Nachkriegszeit Selbst das reichste Land der Welt, das illustre Luxemburg, das 2011 ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Höhe von 113 .533 US-Dollar 9 aufwies, war nicht dagegen gefeit, Ausgaben durch Schulden zu finanzieren Wirft man einen Blick in die Geschichte, so ist es offensichtlich, dass eigentlich alle Nationen in der Vergangenheit auf Pump gelebt haben Problematisch wird diese Staatsfinanzierung mit Krediten erst, wenn die Zahlungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist Dies ist der Fall, wenn ein Staat die fälligen Zinsen nicht mehr bedienen kann Dann werden nämlich die Investoren verärgert und drehen den Geldhahn sofort zu Wir leben in Zeiten, in denen Staaten noch nicht einmal Kredite tilgen müssen - es genügt, wenn sie wenigstens noch die Zinsen begleichen Eine solche Praxis geht so lange gut, wie die Tilgung endlos in die Zukunft verschoben werden kann Sobald aber die Zinszahlungen aus- <?page no="16"?> Die neue Weltwirtschaftskrise 16 bleiben, wird auch dem letzten Gläubiger bewusst, wie es um den Schuldner eigentlich steht Die endlosen Beteuerungen der Politik, man müsse die Staatsschulden verringern, sind daher eine eher komische Einlage in einer Tragikomödie; denn auch Deutschland kann in langen Zeiträumen keine zwei Billionen Euro tilgen Selbst mit drakonischen Sparmaßnahmen wäre ein solches Sparziel in einem Zeitraum von 50 Jahren völlig unrealistisch Die amüsante Bezeichnung »ausgeglichener« Staatshaushalt könnte aus dem Vokabular eines notorischen Schuldenmachers stammen; »ausgeglichen« bedeutet nur, dass der Schuldenstand nicht weiter steigt, und selbst das gelingt der Bundesregierung trotz aller vollmundigen Ankündigungen so gut wie nie Das bizarre Schuldenspiel endet, wenn ein Staat inzwischen so prekär geworden ist, dass er nicht einmal mehr die Zinsen begleichen kann (für die Tilgung interessiert sich ohnehin niemand) 10 Für die Zinsen kann ein Land nicht mehr aufkommen, wenn die Zinslast inzwischen einen Großteil des Staatshaushalts verschlingt und den Etat so belastet, dass selbst wichtige sozialpolitische Ausgaben gekürzt werden müssen Sofort versiegt der vermeintlich endlose Geldstrom der Investoren wie ein dünnes Rinnsal in der Wüste Nur noch Glücksspieler und die Abenteurer der Finanzmärkte sind bereit, einem solchen maroden Staat, der weit über seine Verhältnisse lebt, gegen horrende Zins- und Renditeversprechen Geld zu leihen Ein Musterbeispiel für ein solches Debakel ist Argentinien, das wir noch öfter als Beispiel erwähnen werden Nachdem der südamerikanische Staat nach der Jahrtausendwende nicht mehr zahlen konnte, war Schluss mit Krediten von den internationalen Finanzmärkten Die Auswirkungen einer Staatspleite sind aber verheerend und haben eine langwierige Nachwirkung: Als vor einigen Jah- <?page no="17"?> Die ersten Auswirkungen in Europa 17 ren der argentinische Finanzminister in einem ersten Anlauf erneut eine Anleihe in New York auflegen wollte, musste er eine schmerzvolle Erfahrung machen Argentinien überwies für die Bezahlung der erforderlichen Transaktionen eine größere Geldsumme nach New York Doch innerhalb weniger Minuten wurde das Konto eingefroren und der Betrag von den Gläubigern beschlagnahmt, die in Big Apple vor einem Gericht geklagt hatten Der argentinische Minister musste vor Wut über die bösen »Gringos« geschäumt haben 11 , aber genützt hat es nichts Noch immer kann Argentinien sich nur über einheimische Anleihen finanzieren oder in Venezuela um Hilfe bitten, um über die Runden zu kommen Ein weiterer Akt in dieser Komödie geschah, als ein argentinisches Segelschulschiff der Marine in einem afrikanischen Hafen angelegt hatte US-Gläubiger bewirkten, dass das Schiff, dessen Wert sich auf 10 bis 15 Millionen US-Dollar belief, wochenlang festgehalten wurde Zumindest die 200 Matrosen konnten einen wohl verdienten Sonderurlaub unter tropischer Sonne in Ghana genießen 12 Wer die internationalen Geldgeber verprellt und sorglos zur Verschwendung und zur Überheblichkeit neigt, muss ernsthaft damit rechnen, dass er in Zukunft vom Geldstrom abgeschnitten ist und rund um den Globus mit Pfändungsbescheiden behelligt wird Und genau dieses Schicksal droht einigen EU-Staaten für längere Zeit Zu dieser Komödie gehört natürlich auch eine geschickt inszenierte Empörung, vorgetragen von Laienschauspielern und politischen Debütanten, die bösen, angeblich raffgierigen Spekulanten das Handwerk legen wollen Ein Angriff auf den Euro drohe, proklamiert man mit gekünstelter Heuchelei Solche Winkelzüge sollen natürlich vom eigenen Versagen ablenken Schließlich hat man über viele Jahrzehnte Schulden bedenkenlos angehäuft und den Wählerinnen und Wählern alles Erdenk- <?page no="18"?> Die neue Weltwirtschaftskrise 18 liche versprochen, nur um wieder gewählt zu werden Ein Staat kann sich leider nur den Wohlstand leisten, den er erwirtschaftet, so bitter und traurig dies auch anmuten mag Die Kreditfinanzierung verschleiert nur das drohende Ende Das Wunder der Geldvermehrung Führt die Schuldenlawine letztlich ins Verderben? Langfristig ja . Kurz- und mittelfristig wird das Schlimmste durch allerlei finanztechnische Tricks, Finessen und Winkelzüge abgewendet werden In manchen Publikationen wird mit fast prophetischem Eifer vor dem Gelddrucken gewarnt Und vor dem geistigen Auge des geneigten Publikums erscheint eine Tag und Nacht betriebene Rotationsmaschine, die ganze Fluten von Geldscheinen ausspuckt und die Inflation anheizt Doch wer so denkt, kennt die kaum fassbare Wahrheit des 21 Jahrhunderts nicht Heutzutage druckt niemand mehr Banknoten und Münzen machen nur noch wenige Prozent der Geldmenge aus 13 In früheren Jahrhunderten gab es die Gleichung Geld gleich Gold (oder Silber) Heute gilt: Geld gleich Bytes Sie haben richtig gelesen Wenn die Geldmenge schnell um ein paar hundert Milliarden erhöht werden soll (wir wollen doch nicht kleinlich sein), dann geht dies wahrscheinlich so, wie man es sich phantasievoll in einem Märchen ausmalt: In Frankfurt mit seinen Zaubertürmchen schreitet der Präsident der Europäischen Zentralbank in eine Halle und begibt sich würdevoll zu einem PC in der Mitte des Raumes und nimmt Platz Dann drückt er auf »Enter« und auf dem Vorplatz in der pulsierenden Mainmetropole wird im selben Moment feierlich eine Europafahne gehisst Tauben steigen über den Wolkenkratzern auf und streben gen Himmel Spaß beiseite: Vergessen Sie die Waschkörbe voller Geld, die Billionenscheine, die zur Zeit der Weimarer Republik in der <?page no="19"?> Das Wunder der Geldvermehrung 19 Mittagspause beim Bäcker gegen ein Brot getauscht wurden 14 Geld besteht heutzutage nur noch aus Bits und Bytes, aus elektronischen Zuständen Der Staat gibt Staatsanleihen heraus und verspricht, die Schuld zu einem bestimmten Zeitpunkt zu begleichen und regelmäßig Zinsen zu zahlen Doch was unternimmt man, wenn sich inzwischen überall in der Welt herumgesprochen hat, wie marode und klamm die Staaten sind, wenn niemand mehr bereit ist, Staatsanleihen zu kaufen - auch dann nicht, wenn man einen etwas höheren Zinssatz offeriert? Natürlich wäre es möglich, Anleger mit Zinsen von 10 oder 15 Prozent zu ködern, aber niemand glaubt ernsthaft, dass sich eine hoch verschuldete Nation so etwas über längere Zeit leisten kann Die Lösung dieses Problems hätte selbst einen Graf Cagliostro oder Ludwig XIV in Versailles kurz vor der Französischen Revolution in wahre Begeisterung versetzt Die fragwürdigen Staatsanleihen werden einfach von der Zentralbank aufgekauft Das ist in etwa so, als würde ein Sozialhilfeempfänger selbst geschriebene Schuldscheine ausstellen und diese dann bei der Bank in selbst gedruckte Banknoten umtauschen Banknote vom 5. November 1923 <?page no="20"?> Die neue Weltwirtschaftskrise 20 Die Notenbanken argumentieren nun natürlich, dass der Staat irgendwann die Schulden auslösen wird und so das Geld zurückfließt Dies erinnert wieder an das Prinzip vom Sankt- Nimmerleins-Tag Einige Volkswirte aber ahnen längst, dass dies kaum noch möglich ist, und gehen daher noch einen Schritt weiter: Einige Wissenschaftler behaupten dann allen Ernstes, man könnte doch einfach die vorhandenen Staatsanleihen mit dem geschöpften Geld aufrechnen oder - wie die Herrschaften zu formulieren pflegen - die Schulden »sterilisieren« Neben dieser komödiantischen Einlage verblasst selbst Shakespeare Im Klartext: Die Staatsschulden und das Geld, das die Notenbank dafür geschaffen hat, gleichen sich wie auf einer Waage aus Man kann die Schulden einfach auflösen wie bei einer mathematischen Gleichung: Null gleich null In früheren Zeiten wäre es völlig undenkbar gewesen, dass der Staat Staatsanleihen einfach gegen selbst geschöpftes Geld aus der Notenbank tauscht Man könnte in Anlehnung an ein Bonmot von Bertolt Brecht sagen: Was ist schon die Gründung einer Bank neben der Gründung einer Notenbank? Homer schrieb in der Ilias, die griechischen Götter auf dem Olymp hätten immer schallend über die armen Sterblichen gelacht Inzwischen hören wir das Gelächter bereits in Deutschland Europaliebe und Solidarität Wie fragwürdig der Euro ist, lässt schon eine andere Kleinigkeit erahnen In der Politik wird man nicht müde zu betonen, wie wichtig und bedeutsam Europa sei In Berlin und Paris übertrumpft man sich geradezu wechselseitig mit der Begeisterung und der innigen Liebe für diesen Kontinent Die Europa-Euphorie kennt zumindest unter den Volksvertretern kaum noch eine <?page no="21"?> Europaliebe und Solidarität 21 Grenze Umso erstaunlicher ist etwas anderes: Die so begeisterten Nationen konnten sich noch nicht einmal darauf einigen, den Banknoten ein würdiges Design zu verleihen Kleinliche Rechthaberei und ein fragwürdiger Neid verhinderten, dass die Geldscheine populäre Denkmäler wie der Pariser Eiffelturm, das Kolosseum, das Brandenburger Tor oder die Akropolis zieren Die EU-Staaten waren trotz aller offen bekundeter Hingabe zu diesem Kontinent nicht in der Lage, so viel Großmut walten zu lassen Jeder Franzose wäre vermutlich vor Schreck erstarrt, wenn auf dem Zahlungsmittel die Wiener Hofburg oder das Madrider Prado geprangt hätte Ein französischer Bäcker hätte sich energisch geweigert, den Fetzen Baumwolle entgegenzunehmen und dem Kunden stattdessen die Baguettes vor die Füße geschleudert, wenn eine niederländische Windmühle auf einem Zehn-Euro-Schein zu sehen gewesen wäre Griechen hätten entrüstet das »Geflatter« ins Meer geworfen, wenn dort kein griechisches »Euro« aufgeschimmert wäre Bei so viel Eintracht, Europaliebe und Einmütigkeit muss man schon staunen Nun schmücken die Banknoten fiktive Brücken und frei erdachte Gebäude, gleichsam Wolkenkuckucksheime und arkadische Traumlandschaften, wie sie Leonardo da Vinci nicht besser 5-Euro-Schein (neues Design ab 2013) <?page no="22"?> Die neue Weltwirtschaftskrise 22 hätte erfinden können (das wird natürlich verschwiegen, dann hätten ja die Italiener triumphiert) Böse Auguren würden kommentieren: Eine Währung, die imaginäre Traumgebilde von Häusern, Landschaften und Brücken sich zueigen macht, wird am Ende selbst nur etwas Imaginäres sein Eine solche Währung ist am Ende nur ein Albtraum, aus dem es ein böses Erwachen gibt Wenn die Liebe zu Europa nicht einmal dazu reicht, den anderen Nationen ein eigenes Monument zu gönnen, das Kolosseum, den Eiffelturm und das Brandenburger Tor, die Wiener Hofburg und die Akropolis als das kosmopolitische Erbe zu verstehen, dann wird diese Zuneigung nur eine Heuchelei sein, hinter der sich die Kleinstaaterei verbirgt Besonders skurril waren die Jubelfeierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des Euros, die im Januar 2009 begangen wurde - kurz bevor Griechenland den Offenbarungseid leisten und den drohenden Staatsbankrott eingestehen musste Übereifrige Journalisten jedweder Couleur wurden nicht müde, die große Erfolgsgeschichte des Euro zu rühmen Die Währung wurde zum erhabenen Symbol der Einheit Europas stilisiert Jahre danach konnte man über soviel Naivität nur noch bitter lachen <?page no="23"?> Die berühmtesten Finanztorheiten der Geschichte <?page no="24"?> Die berühmtesten Finanztorheiten der Geschichte 24 Bevor wir uns näher in die fragwürdige Geschichte des Euro vertiefen, sollten wir einen kurzen Blick in die Wirtschaftsgeschichte werfen Sie zeigt uns, dass die Fähigkeit des Staates, eine vernünftige, nachhaltige und sinnvolle Wirtschaftspolitik zu betreiben, schon immer bescheiden ausgeprägt war Reich in Amsterdam Wäre die Geschichte der Staatsschuldenkrisen und der Finanztorheiten nicht so abgrundtief traurig, müsste man eigentlich fortwährend darüber lachen Das Ganze ist eine Komödie, die von selbstgefälligen Wirtschaftspolitikern inszeniert wird Ich möchte Ihnen daher auch nicht vorenthalten, welche anderen Irrtümer die bewegte Geschichte der Finanzen noch vorweisen kann Denn schließlich gibt es eine lange Ahnenreihe Die erste Episode, die ich fantasievoll ausschmücke, um die Torheiten der Wirtschaftsgeschichte ins rechte Licht zu rücken, führt uns nach Amsterdam, in eine Zeit, als die Niederlande eine Großmacht waren und den Welthandel beherrschten Uns ist eine nette kleine Anekdote aus dieser Zeit überliefert: Ein reicher Kaufmann hatte einen Freund, der als Seemann arbeitete, zu sich eingeladen Als Dank bereitete er ein leckeres Menü für den Gastgeber Dieser war höchst zufrieden und betonte mit lobenden Worten, wie köstlich und vorzüglich der Salat gewesen sei und wie sehr die fein gehackten Zwiebeln mundeten Als der Gastgeber den Tisch abräumte, stellte er mit wachsendem Entsetzen fest, dass auf der Kommode drei Zwiebeln fehlten . Der Mann ahnte, was geschehen war, und begann nach Luft zu schnappen, fing an zu röcheln und fiel fast in Ohnmacht . Leider ist uns nicht überliefert, was aus dem Seemann geworden ist . Vielleicht musste er den Rest seines Lebens als Galeerensträfling auf den Weltmeeren ein trostloses und kar- <?page no="25"?> Reich in Amsterdam 25 ges Dasein fristen? »Was ist eigentlich passiert? «, werden Sie sich fragen Falls Sie nun mutmaßen, der Seemann könnte eventuell Grieche, Italiener oder gar Zyprer gewesen sein oder ein griechischer Bauernsalat hätte dem niederländischen Kaufmann Magengrimmen verursacht, muss ich Sie enttäuschen Im 17 Jahrhundert spielt Griechenland noch keine Rolle Bei den schmackhaften Zwiebeln handelte es sich in Wirklichkeit um Tulpenzwiebeln In den Niederlanden waren die Menschen damals völlig begeistert von den exotischen und farbenprächtigen neuen Tulpen, die ursprünglich aus Persien stammten und später über die Türkei nach Europa gelangten Reiche Leute wie Ärzte, Anwälte und Kaufleute waren fasziniert und pflegten das neue Hobby mit inniger Hingabe In Amsterdam wurden unzählige Häuser mit Gärten im Hinterhof angelegt, um Tulpen anzupflanzen Selbst bedeutende Maler wie Pieter Breughel der Jüngere verewigten die schmucke Wunderblume auf ihren Gemälden In den Jahren nach 1634 setzte in Holland eine wahre Spekulationsblase 15 ein, die die Preise für Tulpenzwiebeln in astronomische Höhen trieb Es gab eine offizielle Tulpenbörse, an der man gegen Kredit Zwiebeln erwerben und kurz danach wieder veräußern konnte Moderne Finanzinstrumente wie Terminkontrakte waren schon damals weit verbreitet Während die Börse in Chicago heutzutage mit schnöden und fast schon langweiligen Erdölkontrakten handelt, waren in Amsterdam Tulpenkontrakte der Hit schlechthin Der Handel nahm bis 1637 immer groteskere Formen an; schließlich wurden die erlesenen Kostbarkeiten aus der Flora sogar in Herbergen gehandelt Als Maßeinheit verwendete man nun die nur im Goldhandel üblichen asen (was 0,048 Gramm entsprach) <?page no="26"?> Die berühmtesten Finanztorheiten der Geschichte 26 Historiker konnten anhand von detaillierten Aufzeichnungen die Preisentwicklung akribisch rekonstruieren Die teuerste Tulpenzwiebelsorte war die »Semper Augustus« Sie kostete im Jahr 1623 bereits 1000 Gulden Im Jahr 1637, als der Höhepunkt der Spekulationsblase erreicht war, musste man für eine einzige Zwiebel immerhin 30 000 Gulden auf den Tisch legen Das durchschnittliche Jahreseinkommen betrug damals lediglich 150 Gulden Ein prachtvolles Haus im pittoresken Stadtzentrum von Amsterdam neben einer angesehenen und malerischen Gracht kostete rund 10 000 Gulden Für eine einzige Tulpenzwiebel hätten Sie demnach gleich drei Häuser im Herzen der Grachtenmetropole erhalten Der Wert läge heutzutage bei schätzungsweise mehr als zehn Millionen Euro Daneben verblassen selbst die Gemälde von Vincent van Gogh Im März 1637 brach schließlich der Markt vollständig zusammen Viele, die glaubten, durch die wunderschönen Tulpen im Handumdrehen reich zu werden, waren vollständig ruiniert, da die Preise innerhalb kürzester Zeit dramatisch nachgaben Der gesamte Terminmarkt kollabierte, und die Tulpenmanie fand ein schnelles Ende Als glanzvolles Erbe blieb einzig: Noch heute sind die Niederlande mit den großen Feldern und den Blumenmärkten ein prächtiges Tulpenland geblieben Vielleicht eröffnet demnächst in Athen ein Tulpenmarkt? Reich in Mississippi Hundert Jahre später ändert sich zwar der Schauplatz, aber der Ablauf und das Geschehen bleiben gleich Wie heißt es doch so schön: Es gibt nichts Neues unter der Sonne (ein Motto, das auf den Euro zumindest zutrifft) Ein gerissener und ehrgeiziger Schotte namens John Law (und dieser lustige Name ist nicht etwa ein gefälliges Pseudonym, sondern vielmehr der Ironie des Schicksals entsprungen! ) <?page no="27"?> Reich in Mississippi 27 freundete sich mit Philipp von Orléans an, der seit 1715 nach dem Tod des Sonnenkönigs Ludwigs XIV Frankreich regierte Nicht anders als in unseren wechselvollen und krisengeschüttelten Zeiten waren die Staatsfinanzen in Paris wie immer klamm; denn im Spanischen Erbfolgekrieg hatte Frankreich sich verausgabt und ruiniert, und man suchte verzweifelt nach neuen sprudelnden Geldquellen Damals gab es leider noch keine mondäne Europäische Zentralbank und keine Emergency Liquidity Assistance (ELA), die das Geld aus dem Füllhorn des Glücks bereithielt Und so musste man sich den obskuren und schillernden Finanzkünsten des berühmten Schotten anvertrauen, der schon zu jener Zeit zum Star der Finanzwelt avancierte 16 Von ihm stammt der überaus denkwürdige Ausspruch, den als amüsantes Motto sich manche Regierung in der Eurozone zueigen machen könnte: L‘ économie c‘est moi. John Law gründete mit der Unterstützung des Königs die Mississippi-Kompanie, die zahlreiche Privilegien in der damaligen französischen Kolonie Louisiana erhielt Anfangs stiegen die Aktienkurse nur sehr verhalten; am Anfang kostete eine Aktie 500 französische Livres Doch dann schoss der Wert der Papiere in die Höhe Im Januar 1720 war eine Aktie bereits 10 000 Livres wert Selbst die Kutscher in der Seine-Metropole spekulierten nun mit den Anteilsscheinen der Mississippi-Kompanie In Paris wurden zahlreiche Spekulanten und Abenteurer gleichsam über Nacht zu Multimillionären Der gerissene John Law gewann immer mehr das uneingeschränkte Vertrauen des Monarchen, der von dem märchenhaften Reichtum sehr angetan war 17 Der Schotte konnte nicht nur eine Einkommensteuer einführen, die es vorher in Frankreich nicht gegeben hatte, sondern auch Papiergeld in Umlauf bringen, das er zusätzlich durch Grundstücke absicherte <?page no="28"?> Die berühmtesten Finanztorheiten der Geschichte 28 Historisch betrachtet wurde das erste Papiergeld schon Jahrhunderte zuvor in China erfunden, und auch in Amsterdam waren Banknoten im 17 Jahrhundert gedruckt worden, die sich aber nur auf Buchgeld bezogen und eher den Charakter eines Hinterlegungsscheins hatten John Law scheiterte aber kläglich mit seinen utopischen Ideen Als einige vorsichtige Investoren nämlich genauer nachforschten, wurde sehr schnell bekannt, dass die Monopole und die Sonderrechte in der fernen Kolonie Louisiana kaum etwas wert waren und dass es dort auch keine Goldvorkommen gab Die einst gefeierte Aktie der Mississippi-Kompanie stürzte in einen Abgrund Bereits im Februar 1720 hatte sie 30 Prozent des Wertes eingebüßt Vor der illustren königlichen Bank in Paris, der Banque Royale, fuhren zahlreiche Adelige in ihren mit Wappen geschmückten Kutschen vor, die ihre Aktien verkaufen und die inflationsgefährdeten Geldscheine gegen Gold tauschen wollten Inzwischen hatte sich zudem herumgesprochen, dass ohne Genehmigung des Königs mehr Geld gedruckt worden war, was die Geldentwertung erheblich beschleunigte Der ganze Schwindel flog auf, und der Schotte musste 1720 bei Nacht und Nebel nach Venedig flüchten In der glamourösen Lagunenstadt starb er neun Jahre später völlig verarmt und geächtet Damals gab es noch keine internationalen Rechtshilfeabkommen, so dass John Law einigermaßen geruhsam und unbehelligt von den Häschern der Krone seinen Lebensabend in der italienischen Metropole mit den vielen Kanälen verbringen konnte Heutzutage müsste er mit Ländern wie Ecuador und anderen weniger geruhsamen Orten vorliebnehmen; ein Lebensabend in Venezuela in den revolutionären Straßenschluchten von Caracas oder in Nordkorea mag zwar abenteuerlich sein, aber ob es dort die Annehmlichkeiten aus Paris und das mondäne savoir vivre gibt, wage ich doch ernsthaft zu bezweifeln <?page no="29"?> Reich in der Südsee 29 Mississippi-Aktien waren nach dem verheerenden Börsencrash fast wertlos, und viele, die von großem Reichtum geträumt hatten, wurden bettelarm Frankreich gab das Experiment mit dem Papiergeld wieder auf und kehrte zu den Münzen zurück (erst in der Französischen Revolution wurde wieder auf die verwegene Idee des Papiergelds zurückgegriffen, die dann als Assignaten bezeichnet wurden) Reich in der Südsee Wer nun glaubt, solche Torheiten könnten sich nur im leichtlebigen Paris ereignen, wo der Staatssozialismus nach Meinung einiger konservativer Kritiker ohnehin Staatsdoktrin sei, irrt gewaltig Auch London lieferte ein wunderbares Beispiel, das in die Wirtschaftsgeschichte einging Im Jahre 1711 wurde die South Sea Company gegründet, der die britische Regierung in großzügiger Manier alle Privilegien für den Handel mit Südamerika und für alle noch nicht entdeckten Länder einräumte 18 Das größte Geschäft machte das sonderbare Südsee-Unternehmen aber nicht etwa mit bunten Korallen und Tropenholz von Trauminseln, sondern mit Staatsschulden Der englische König übergab der South Sea Company die Staatsschulden in Höhe von neun Millionen britischen Pfund Dafür durfte die Gesellschaft Aktien herausgeben, musste aber den Anteilseignern sechs Prozent Dividende ausschütten Liebe Leserinnen und Leser, falls Sie nun glauben, neun Millionen britische Pfund Staatsschulden seien »Peanuts«, dann muss ich Sie enttäuschen Damals war das eine drückende Last und eine horrende Summe, die den Staat in ernsthafte Schwierigkeiten brachte Heute könnte der Premierminister in London diese Kleinigkeit mit britischem Understatement aus der Portokasse oder aus der Privatschatulle der Königin begleichen Berücksichtigt man aber die Inflation seit drei Jahrhunderten, <?page no="30"?> Die berühmtesten Finanztorheiten der Geschichte 30 dann schwillt diese Summe auf astronomische Billionenbeträge an Doch kommen wir zurück zu unserer famosen Südseegesellschaft Die Aktie legte einen kometenhaften Aufstieg hin, der auch bekannte und renommierte Persönlichkeiten in den Bann zog In London fanden die Wertpapiere reißenden Absatz Selbst der heute noch berühmte Schriftsteller Daniel Defoe, dem wir den Roman um Robinson Crusoe verdanken, konnte der Aktie nicht widerstehen Der Kurs explodierte innerhalb weniger Monate von 100 Pfund auf 950 Britische Pfund im Juli 1720 und bescherte den Investoren einen wahren Geldsegen Ähnlich wie die Glückssucher des Jahres 2000, die Internetunternehmen und die New Economy als den Quell allen Wohlstands priesen, war damals eine ganze Generation auf der Suche nach dem schnellen und bequemen Reichtum, was zahlreiche dubiose Unternehmen und Hasardeure an die Londoner Börse schwemmte Versicherungen und abstruse Geschäftsideen feierten ihren Börsengang 19 Dann im August 1720 kam das Verhängnis: Die South Sea Company, die mit Staatsschulden große Gewinne machen wollte, konnte keine Dividende zahlen Es brach eine beispiellose Panik aus Und der Kurs der legendären Aktie fiel bis zum Dezember 1720 auf 100 Pfund zurück Zur gleichen Zeit platzte auch in Paris die Spekulationsblase, die John Law angeheizt hatte Einige Vorstände der Südseegesellschaft flohen ins Ausland; andere begingen Selbstmord oder wurden ins Gefängnis geworfen Einer der größten Verlierer war übrigens der weltberühmte Physiker Isaac Newton Er büßte im Zuge des Zusammenbruchs mehr als 20 000 Britische Pfund ein Von ihm soll der Spruch stammen: »Ich kann zwar den Lauf der Sterne berechnen, aber nicht die Kurse an den Börsen « Das Vorgehen der South Sea Company ist, wenn wir es genau betrachten, eigentlich das Gleiche wie in unserem Jahrhundert <?page no="31"?> Reich in der Südsee 31 Ein zahlungsunfähiges Land wie Griechenland verkauft seine Staatsschulden an die Europäische Zentralbank Der Unterschied: Die Europäische Zentralbank gibt keine Aktien heraus, die sie an Anleger veräußert und ihnen sechs Prozent Ausschüttung verspricht Der vom Schicksal gebeutelte Schriftsteller Daniel Defoe hätte jedenfalls herzhaft gelacht: Er hatte als Kaufmann schon vor dem Zusammenbruch der South Sea Company bankrott gemacht und verlor die immense Summe von 17 000 Pfund Danach arbeitete er als Journalist und Schriftsteller und erhielt für sein weltbekanntes Meisterwerk Robinson Crusoe auch nur schlappe 50 Pfund, obwohl das Werk schon zu seiner Zeit ein Bestseller wurde <?page no="33"?> Die Geschichte des Staatsbankrotts <?page no="34"?> Die Geschichte des Staatsbankrotts 34 An dieser Stelle sollten wir uns einmal die Geschichte des Staatsbankrotts näher ansehen Dies ist lehrreich, um die heutige Staatsschuldenkrise in Europa besser zu verstehen Für Aufsehen sorgte das Werk von Carmen M Reinhart und Kenneth S Rogoff mit dem Titel This Time is Different: A Panoramic View of Eight Centuries of Financial Crises Darin behaupten die Autoren, nachdem sie gründlich die Geschichte des Staatsbankrotts studiert haben, dass es ab einer bestimmten Verschuldungsgrenze keinen Weg mehr zurück zur Normalität gibt Der schicksalshafte point of no return ist dann erreicht, wenn die Staatsverschuldung mehr als 90 Prozent übersteigt In ihrer exemplarischen Studie berücksichtigen sie 66 Länder und erfassen einen Zeitraum von acht Jahrhunderten Eine der ersten Staatspleiten fand im mittelalterlichen China statt In der Ming-Dynastie hatten die Machthaber Papiergeld in großen Mengen gedruckt, so dass 1425 der Staatsbankrott eintrat Insgesamt betrachtet steht China jedoch weitaus besser da als Deutschland, Frankreich oder Griechenland Im Reich der Mitte gab es in seiner langen Geschichte lediglich drei Staatsinsolvenzen (1425, 1919 und 1939) Damit ist Peking aus historischer Sicht schon fast vorbildlich England genießt zwar einen guten Ruf, aber in der Geschichte war dies beileibe nicht immer so Bereits 1340 durfte der englische König schon einmal eine Staatspleite verkünden, als der Krieg mit Frankreich die Schatullen leerte Nach dem Hundertjährigen Krieg, der darauf folgte, musste Heinrich VIII schon wieder die Zahlungsunfähigkeit eingestehen Er wusste sich aber sofort zu helfen und nahm der katholischen Kirche sämtliche Ländereien weg Besonders auffällig verhielt sich Frankreich: Die beiden Wissenschaftler entdeckten im Zeitraum zwischen 1500 und 1800 immerhin acht Staatspleiten, was einen Rekord in der Geschichte darstellt Allerdings besserte sich mit Napoleon die Zahlungs- <?page no="35"?> 35 Die Geschichte des Staatsbankrotts moral, denn seit 1812 ist die Grande Nation ihren Verpflichtungen immer pflichtbewusst nachgekommen Portugal war über viele Jahrhunderte ein zuverlässiger Schuldner; aber im 19 Jahrhundert bricht das Land alle Rekorde: Fünf Mal in hundert Jahren gingen die Gläubiger leer aus Zweifel an der Zahlungsfähigkeit wurden dann erst wieder im Jahr 2009 akut Aber wenn es einen Rekordhalter in der Disziplin des Staatsbankrotts geben sollte, dann gebührt diese Auszeichnung zweifellos den Spaniern: Allein im 19 Jahrhundert war Spanien sieben Mal pleite Die Spanier schafften es sogar, die legendär reichen Fugger aus Augsburg, die einst bedeutende Bankiers waren, an den Rand des Ruins zu treiben Noch Erschreckenderes fanden die Historiker über Griechenland heraus: Seit der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich, die 1829 stattfand, rutschten die Hellenen fünf Mal in die Pleite Über die Hälfte der Zeit seit der Unabhängigkeit verbrachte das Land im Zustand des Staatsbankrotts Auch Österreich hat sich in der Geschichte nicht immer mit Ruhm bekleckert Allein im 19 Jahrhundert, als die K -und-k - Monarchie rauschende, walzerselige Bälle feierte und im Kaffeehaus die Melange trank, musste Wien fünf Mal den Staatsbankrott erklären Preußen sah sich genötigt, den Staatsbankrott in den Jahren 1807 und 1813 zu verkünden, als Napoleon einmarschierte und des Ende des Deutschen Reiches einläutete Im 20 Jahrhundert schlitterte Deutschland 1923 nach der dramatischen Hyperinflation und 1948 in die Staatspleite Seit dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 war Deutschland insgesamt acht Mal zahlungsunfähig Die Türkei war im 20 Jahrhundert fünf Mal insolvent Russland konnte im 20 Jahrhundert drei Mal die Zahlungsunfähigkeit nicht abwenden: 1918 nach der Oktoberrevolution, die die <?page no="36"?> Die Geschichte des Staatsbankrotts 36 Zarenanleihen nicht anerkannte, 1991 nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und 1998 im Rahmen der Russlandkrise, die durch die enge Anbindung an den US-Dollar entstanden war Argentinien konnte seit der Unabhängigkeit im Jahr 1816 sieben Mal die Schulden nicht mehr zurückzahlen Der Staatsbankrott ist eigentlich ein in der Geschichte häufig vorkommendes Phänomen; denn Staaten möchten gerne den Wählerinnen und Wählern zahlreiche Annehmlichkeiten versprechen So werden Sozialleistungen immer mehr ausgeweitet und erhöht, auch wenn die Produktivität in einer Volkswirtschaft solchen Ausgaben lässt nicht mehr gerecht wird Inzwischen sind die Staaten natürlich klüger geworden: Heutzutage verschuldet eine Nation sich so, dass eine hohe Inflation oder eine Währungsreform das Problem auf lange Sicht beseitigt Die modernen Währungssysteme, die einzig auf dem Vertrauen in eine Volkswirtschaft beruhen, erleichtern solche Interventionen Der römische Kaiser Mark Aurel hatte es beileibe nicht so leicht, als im römischen Imperium die Finanzlage prekär wurde und an den Außengrenzen der Machtanspruch Roms immer mehr unter Druck geriet Damals gab es natürlich auch kein »virtuelles« Geld, das man per Tastendruck am Computer aus dem Nichts schöpfen konnte und keine wohlklingenden englischen Namen für Sondermaßnahmen Man konnte auch Waren, die aus anderen Ländern importiert wurden, nicht durch ein ominöses »Target«-System bezahlen Römische Kaufleute wollten schon richtige Münzen sehen Der arme Mark Aurel versuchte die hohe Inflation durch ein Höchstpreisedikt zu stoppen; wer Waren teurer verkaufte, musste die Todesstrafe fürchten Als diese Regulierung langfristig misslang, mussten seine Beamten den Gold- und Silbermünzen im Rahmen einer Münzreform wertloses Metall wie Blei beimengen Hoffentlich <?page no="37"?> 37 Die Geschichte des Staatsbankrotts kamen die Beamten in Rom auch in den Genuss einer üppigen Schmutzzulage, wie sie griechische Beamte heute bei der griechischen Eisenbahn erhalten, auch wenn sie nur die Fahrkarten entwerten! <?page no="39"?> Die Geschichte der Währungsunionen <?page no="40"?> Die Geschichte der Währungsunionen 40 Die Idee, eine einheitliche Währung für Europa einzuführen, ist älter, als die meisten Menschen denken Auch in der Antike und im Mittelalter waren Gold und Silber letztlich eine universelle Währung im internationalen Handel Der Gedanke, Europa in einer Währungsunion zu vereinen, wurde explizit zuerst von Napoleon in Erwägung gezogen Diese Idee musste aber nach dem Wiener Kongress wieder aufgegeben werden, da die Entstehung der Nationalstaaten zu einer stärkeren Abgrenzung in Europa führte Als Philosoph hatte zuvor der Brite John Stuart Mill eine einheitliche Währung vorgeschlagen, die aber bei den Staaten aus Gründen der Machtpolitik keine Resonanz fand Nach dem Zweiten Weltkrieg befürwortete Winston Churchill eine einheitliche Währung für Europa, aber auch dieser wahrscheinlich nicht sehr ernst gemeinte Vorstoß scheiterte Eine erste tatsächliche Währungsunion wurde 1865 eingeführt und erstreckte sich auf Frankreich, Italien, Belgien, die Schweiz und Griechenland . 20 Schon damals wurde eine Zentralbank etabliert, die alle Maßnahmen koordinieren sollte Die so genannte Lateinische Währungsunion 21 beruhte auf Gold- und Silbermünzen Diese Währungsunion hielt bis 1927; dann wurde sie aufgegeben, da der Erste Weltkrieg in allen europäischen Ländern zu extrem hohen Staatsschulden geführt hatte Frankreich und Italien waren gezwungen, die Golddeckung ihrer Währungen einzuschränken, und begannen, die Geldmenge durch den Druck von Banknoten auszuweiten Gegen Ende der 1920er Jahre konnten überhaupt nur noch wenige Länder weltweit eine geringfügige Golddeckung aufrecht erhalten Der Goldstandard war bereits während des Ersten Weltkriegs immer mehr unter Druck geraten und außer Kraft gesetzt worden Anders als die heutige Euro-Währungsunion war die Lateinische Münzunion immerhin durch Gold- und Silbermünzen abgesichert und kaum durch eine Geldmengenausweitung manipulierbar <?page no="41"?> 41 Die Geschichte der Währungsunionen Ein zweites historisches Beispiel für eine Währungsunion ist die Skandinavische Währungsunion, die Dänemark, Schweden und Norwegen umfasste . 22 Sie begann im Jahre 1873 und dauerte bis 1920 Auch hier bediente man sich des Goldstandards, um die geldpolitischen Maßnahmen zu koordinieren Die Goldwährung beruhte auf dem Dezimalsystem und die einzelnen Münzen unterschieden sich lediglich durch ihren Prägeort Norwegische, schwedische und dänische Münzen wurden im Verhältnis eins zu eins anerkannt Auch diese Union wurde aufgegeben, da sich die Volkswirtschaften auseinander entwickelten, und dies obwohl die skandinavischen Staaten sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen Durch den Ersten Weltkrieg, der auch die nordischen Länder wirtschaftlich beeinflusste, traten immer größere Divergenzen auf Im Dezember 1915 entsprachen 100 schwedischen Kronen 97 dänische und 98 norwegische Kronen Dieses Ungleichgewicht führte dazu, dass beispielsweise dänische Kronen in Schweden umgetauscht wurden, was einen sofortigen Gewinn bedeutete Zwar konnte sich die Skandinavische Währungsunion bis 1931 dank des Goldstandards behaupten, aber bereits 1924 musste der Tausch von Scheidemünzen, die nicht aus dem jeweiligen Land stammten, verboten werden, was das eigentliche Ende der Währungsunion herbeiführte Eine Art Währungsunion stellt auch das Währungssystem von Bretton Woods dar Dieses System wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs konzipiert, als die USA eine stabile Nachkriegsordnung planten Namensgeber war ein mondänes Hotel in einem idyllischen Kurort am Mount Washington in der amerikanischen Provinz, wo die Tagung noch während des Krieges stattfand Bei dem lange Zeit erfolgreichen System von Bretton Woods bildet der US-Dollar die Ankerwährung, die durch eine definierte Menge Gold stabilisiert wird Alle anderen Währungen <?page no="42"?> Die Geschichte der Währungsunionen 42 wurden in festen Relationen zum US-Dollar gehandelt In den 1950er und 1960er Jahren sorgte dieses Konzept für eine enorme Stabilität, da alle Beteiligten sich darauf verlassen konnten, dass ihre Dollarnoten jederzeit gegen eine bestimmte Gold eingetauscht wurden, wenn sie dies forderten Für Amerikaner galt diese Regelung allerdings nicht, da der Besitz von Gold verboten war Im Verlauf der 1960er Jahre wuchs indes das Misstrauen bei den Ausländern: Frankreichs Präsident de Gaulle verlangte von den USA, die vorhandenen Dollarreserven in Gold umzutauschen Washington war überaus verärgert und ungehalten, lenkte aber ein und schickte die entsprechende Goldmenge mit Schiffen über den Atlantik Doch dies waren bereits die ersten Symptome für den unaufhaltsamen Niedergang dieses Währungssystems Die Risse waren schließlich unübersehbar, als sich die USA mit dem Vietnamkrieg finanziell und militärisch verausgabten und den Pfad einer soliden Haushaltsführung verließen Schließlich musste Nixon zuerst die Goldeinlösepflicht aufheben Kurz nach dieser Regelung wurde auch die eigentliche Goldbindung ersatzlos abgeschafft . 23 Der Preis des gelben Edelmetalls wurde durch diese Maßnahme regelrecht entfesselt: Der Goldpreis stieg innerhalb eines Jahrzehnts von 35 US-Dollar auf über 800 US-Dollar je Feinunze im Jahr 1980 Das Ende des Systems von Bretton Woods war damit besiegelt Und an den Devisenmärkten bildete sich nun der Währungskurs nach dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage Dieser freie Devisenhandel sorgte aber weltweit für Turbulenzen Daher wollte man in Europa ein stabileres und verlässlicheres System etablieren Zuerst vereinbarte man in der Europäischen Gemeinschaft eine Währungsschlange, die feste Währungsrelationen für europäische Währungen festlegte Doch das Experiment scheiterte bald: Großbritannien und Irland entschlossen sich nach <?page no="43"?> 43 Die Geschichte der Währungsunionen anfänglichen Überlegungen nicht mitzumachen Frankreich und Italien mussten nach einiger Zeit kapitulieren, da sie mit der starken D-Mark nicht mithalten konnten Dann versuchte man es gegen Ende der 1970er Jahre mit dem EWS, dem Europäischen Währungssystem Es sah Bandbreiten vor, innerhalb derer einzelne Währungen schwanken konnten Schon damals hatte die Italienische Lira mehr Spielraum als beispielsweise der Niederländische Gulden gegenüber der D-Mark Grundlage war der ECU (die Europäische Währungseinheit), der aus einem gewichteten Korb unterschiedlicher Währungen berechnet wurde Immer wieder musste in der Geschichte des EWS eine Anpassung vorgenommen werden, da die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften auseinanderdriftete Italien, Frankreich und Spanien waren häufiger Abwertungskandidaten, während für Hartwährungen wie den Österreichischen Schilling oder den Gulden nur eine Schwankungsbandbreite von 2,25 Prozent gegenüber der D-Mark vorgesehen war, die im Großen und Ganzen eingehalten wurde Eine Währung, die immer wieder durch unzählige Schwächeanfälle auffiel, war das Britische Pfund Im Jahr 1992 flog Großbritannien vollständig aus dem Währungssystem, obgleich die Bank of England durch unablässige Interventionen verzweifelt versucht hatte, das Pfund in letzter Minute zu stabilisieren . 24 Die bisherigen Währungsunionen sind, wie dieser Ausflug in die Geschichte zeigt, insgesamt gescheitert Volkswirtschaften, die sich zu sehr unterscheiden, können nicht über eine Währung aneinander gekettet werden Bislang gibt es nicht ein einziges überzeugendes Beispiel für eine erfolgreiche Währungsunion, die für wirtschaftliche Stabilität gesorgt hat Auch die früheren Experimente wie die Lateinische Münzunion und die Skandinavische Währungsunion funktionierten nur über Jahrzehnte, da sie an den Goldstandard angebunden waren Eine Union, die aber auf solche Sicherungsmechanismen <?page no="44"?> Die Geschichte der Währungsunionen 44 verzichtet (wie die verdeckte Staatsfinanzierung über eine Notenbank), wird über kurz oder lang auseinanderfallen Die Staatsverschuldung ist ein in der Wirtschaftsgeschichte weit verbreitetes Phänomen, das schon viele Weltreiche und Nationen in den Abgrund gestürzt hat Viele Länder leben auch heute trotz dieser historischen Erfahrung erheblich über ihren Verhältnissen und riskieren auf diese Weise eine finanzielle Katastrophe, die das Leben von mehreren Generationen beeinträchtigt Schauen wir uns nun einmal die Situation in Griechenland genauer an <?page no="45"?> Die Schuldenkrise in Griechenland <?page no="46"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 46 Die heiße Phase im griechischen Schuldendrama begann im Mai 2010 Nach monatelangem erbitterten Tauziehen und unzähligen Beteuerungen, dies sei die einzige und wirklich letzte erforderliche Hilfsmaßnahme, kam ein Abkommen zustande, das Griechenland bilaterale Hilfen in Milliardenhöhe zusicherte Unterstützt wurde dieser Schritt auch durch den Internationalen Währungsfonds IWF in Washington, was insbesondere für die Bundesregierung in Berlin eine Garantie dafür war, dass Griechenland nicht einfach die Zahlungen einstellen oder Modifikationen verlangen konnte Denn der Währungsfonds war verpflichtet, strenge Kriterien für eine Rückzahlung festzulegen Als Gegenleistung musste Athen verbindlich zusichern, 30 Milliarden Euro innerhalb von drei Jahren im öffentlichen Haushalt einzusparen Ein Großteil der Beobachter und Experten war skeptisch: Man musste nur eins und eins zusammenzählen, um zu erkennen, dass Griechenland früher oder später unter einer gigantischen Schuldenlawine begraben werden würde Die Vereinbarung wurde am 2 Mai 2010 feierlich unterzeichnet Doch schon zwei Tage später eskalierte die Lage: Die griechische Bevölkerung litt unter der verheerenden Wirtschaftskrise, die zu einer gravierenden Verarmung vieler Menschen führte Die Arbeitslosigkeit stieg rapide an Immer mehr Menschen suchten ihre Rettung auf dem Land Bücher über den Ackerbau avancierten zu Bestsellern Und das landwirtschaftliche Gut der Großeltern wurde zur letzten Zufluchtsstätte für perspektivlose Hochschulabsolventen Die Wut nahm zu Dabei wussten die Griechen noch gar nicht, dass alles noch viel schlimmer kommen würde Wirtschaftswissenschaftler gingen davon aus, dass das Preisniveau mindestens um ein Drittel oder sogar um die Hälfte sinken müsste, damit Hellas wieder wettbewerbsfähig würde Während das Nachbarland Türkei boomte, versank Griechenland immer mehr im Elend <?page no="47"?> 47 Die Schuldenkrise in Griechenland Zahlreiche Touristen machten mittlerweile einen großen Bogen um Griechenland und verbrachten ihren Urlaub lieber in Antalya Zeitungsberichte über Taxifahrer in Athen, die deutsche Fahrgäste mitten auf der Straße hinauswarfen, über tagelang streikende Hafenarbeiter, die ein Auslaufen von Fähren vereitelten, und über Streiks an den Flughäfen ließen Griechenland zu einer »No Go Area« auf der Weltkarte herabsinken Lieber verbrachten Deutsche ihren Urlaub gleich im Bayerischen Wald Die Katastrophe geschah am 4 und 5 Mai 2010 In der Athener Innenstadt fand eine Großdemonstration statt, die immer mehr ausuferte Das Parlament befand sich bereits in einem Belagerungszustand Das Chaos nahm seinen Lauf Steine wurden geworfen, aufgebrachte Menschenmassen randalierten in der Innenstadt von Athen Man sah wütende und grimmige Menschen, die Transparente schwenkten Zum Schluss eskalierte die Gewalt Eine Bank als Symbol des Kapitalismus wurde in Brand gesteckt Traurige Bilanz der Schreckenstage: drei Tote Auch in Griechenland machte sich Entsetzen breit International warf man bange und besorgte Blicke auf die Unruhen; die Staatsschuldenkrise in Europa konnte zu einem Fanal für große Aufstände und Generalstreiks werden In Deutschland wurden die ersten Rufe laut, den Mittelmeerländern mehr entgegenzukommen und die Sparpolitik zu lockern Einige befürchteten langfristig ein Auseinanderbrechen der Europäischen Union und das Ende der europäischen Einheit und Solidarität Die Griechen zeigten sich bitter enttäuscht - sie fühlten sich von Brüssel und vor allem von den Deutschen im Stich gelassen In Deutschland hingegen wurden die Krisenjahre als Zeit des Wachstums wahrgenommen Wie auf einer Insel der Seligen in einem Meer aus Krise und Armut freute man sich hierzulande <?page no="48"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 48 über eine sinkende Arbeitslosenquote und neue Exportrekorde Die deutsche Industrie beklagte sich notorisch über fehlende Fachkräfte, aber ansonsten gab es wenig zu beanstanden Wer durch die Straßen von Berlin schlenderte, fand eine Nation vor, die fast sorglos ihr Glück feierte und das Leben in vollen Zügen genoss Deutschland profitierte vom Niedergang der anderen europäischen Nationen Durch die historisch niedrigen Zinsen und die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft konnten neue Weltmarktanteile hinzugewonnen werden Frankreich, Spanien und Italien waren durch den Euro wie gelähmt und konnten nicht mehr wie in früheren Zeiten durch eine massive Abwertung den Außenhandel ankurbeln Das Währungskorsett des Euro schnürte den Mittelmeerländern förmlich die Kehle zu und erstickte sie langsam Deutschland wurde zum strahlenden Gewinner des Wettbewerbs in Europa und verbuchte Rekorderfolge Ganz anders sah es in Irland, Spanien, Portugal, Zypern und Griechenland aus Armut und Not zeigten sich allenthalben In Spanien sprangen verzweifelte Wohnungseigentümer vom Balkon in den Tod, wenn das Räumungskommando klingelte In Griechenland nahm die Zahl der Suppenküchen drastisch zu Auf Wochenmärkten verschenkten Händler an verzweifelte Menschen Gemüse, und Patienten mussten bei Hilfsorganisationen Schlange stehen, um eine kostenlose Behandlung zu erhalten Apotheker gaben selbst lebensrettende Medikamente nur noch gegen Barzahlung heraus Lehrer stellten erschreckt fest, dass einige Schüler Schwächeanfälle mitten im Unterricht erlitten, da sie kaum etwas gegessen hatten In manchen südeuropäischen Ländern war die Hälfte der Jugend arbeitslos - es wuchs eine verlorene und verbitterte Generation heran, die Mitte 30 noch bei den Eltern wohnte und auf dem Arbeitsmarkt nicht die geringsten Chancen hatte Wut staute sich an <?page no="49"?> 49 Die Schuldenkrise in Griechenland In der Politik wuchs langsam die Einsicht in die Notwendigkeit, weitere Maßnahmen beschließen zu müssen Das Griechenland gewährte Rettungspaket war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, der wirkungslos zu verpuffen drohte . Am 10 . Mai 2010 wurde daher entschieden, dass die Länder der Eurozone Garantien in Höhe von 440 Milliarden Euro geben würden . Der Internationale Währungsfonds unterstützte dieses Projekt mit zusätzlichen Garantien von 250 Milliarden Euro . Doch trotz der gigantischen Summen wurden schon die ersten besorgten Stimmen laut, dass der Betrag auf eine Billion und später sogar auf zwei Billionen Euro aufgestockt werden müsse Da alle Maßnahmen noch immer die Finanzmärkte nicht beruhigt hatten, kündigte die Europäische Zentralbank an, griechische Staatsanleihen an den Märkten aufzukaufen Hier beginnt ein gravierender Tabubruch durch eine fragwürdige Maßnahme Ein Staat, der für seine nahezu wertlosen Staatsanleihen keine Interessenten mehr an den weltweiten Finanzmärkten findet, verscherbelt sie einfach an die Notenbank; denn diese kann das benötigte Geld einfach durch Drucken oder (realistischer) durch einen Knopfdruck beschaffen Wer eine solche Intervention nötig hat, dem steht das Wasser buchstäblich bis zum Hals Ein solches Geschäft ist nur so lange sicher, wie das Land die Staatsschulden verlässlich zurückzahlen kann Denn sonst sind die Schuldverschreibungen nichts anderes als ein Stück wertloses Papier Im Juli 2010 musste das Parlament in Athen zumindest die erhitzten Gemüter in der Eurozone wieder besänftigen . Es wurde daher eine Reform des Rentensystems beschlossen, die darin gipfelte, dass das Rentenmindestalter auf 65 Jahre erhöht wurde . In der Presse war später zu lesen, dass Witwen schon mit 50 Jahren in Rente gehen konnten, und die griechische Generosität bezog auch Tote mit ein, die sich in ihren Gräbern <?page no="50"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 50 einer postmortalen Pension erfreuen konnten . Zehntausende von Bedürftigen erhielten auch noch im Hades ihre wohlverdiente Rente In Deutschland hingegen liegt das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren Und zahlreiche hart arbeitende Menschen können nach einem langen und beschwerlichen Arbeitsleben oft nicht bis zum hohen Alter durchhalten Oder können Sie sich einen Dachdecker im Alter von 67 Jahren vorstellen? Im Prinzip bedeutet ein solches Renteneintrittsalter nichts anderes als eine drastische Rentenkürzung, die als »freiwillig« hingestellt wird Auf dem Arbeitsmarkt ist es aber so, dass Ältere ab 50 Jahren kaum noch realistische Chancen haben, einen neuen angemessenen Arbeitsplatz zu finden Inzwischen denken einige Politiker schon darüber nach, das Renteneintrittsalter flexibel zu gestalten, was bedeutet, dass Sie im Zweifelsfall auch noch mit 70 arbeiten dürfen Solange Sie Vorlesungen über griechische Archäologie halten oder kurzweilige Vorträge über die europäische Finanzpolitik bei verschiedenen Stadtwerken zum Besten geben, mag dies noch ganz unterhaltsam sein Aber es ist zu bezweifeln, ob Sie mit 70 Jahren noch an einer Supermarktkasse sitzen möchten In Frankreich löste die sozialistische Regierung ein Wahlversprechen ein und reduzierte das Rentenalter wieder auf 60 Jahre (von zuvor 62 Jahren), wenngleich nur wenige in den Genuss der restriktiven Regelung kommen Nun werden einige einwenden, dass ein höheres Rentenalter unabdingbar sei, um die Staatsschuldenkrise zu meistern Das kann man so sehen Aber warum sollten Menschen in Deutschland, die ohnehin schon für einen Großteil der Lasten aufkommen, bis 67 Jahre oder demnächst 70 Jahre arbeiten, während man in Frankreich bereits mit 60 die Früchte des Ruhestands genießt? Wie wir noch sehen werden, ist ein »sozialer Kahlschlag« keine eigentliche Lösung des Problems, da die horrenden Staatsschulden nie <?page no="51"?> 51 Die Schuldenkrise in Griechenland zurückgezahlt werden können - ganz gleich wie eng der Gürtel geschnallt wird Im Laufe der Monate spannte sich die Lage in Griechenland weiter an Wieder musste ein neues Versprechen die aufgebrachten Europäer beruhigen Athen kündigte an, bis 2015 durch umfangreiche Privatisierungen mehr als 50 Milliarden Euro einzunehmen Natürlich war auch diese gefällige Zusage nicht mehr als ein Trostpflaster für die vielen Regierungen, die immer noch hofften, dass diese Staatsschuldenkrise sich von selbst erledigen würde Griechenland privatisierte schließlich nur einen winzigen Teil der Unternehmen Den ungeduldigen Ratingagenturen wurden im Juni 2011 die Hinhaltetaktiken der Griechen und die zahlreichen Ausflüchte und Ausreden zu bunt Sie stuften den ohnehin schon fragwürdigen Schuldner von B auf CCC herab, was einen drohenden Zahlungsausfall als sehr wahrscheinlich nahelegte Die EZB geriet erheblich unter Druck; denn solche »Schrottpapiere«, die noch weit unter dem Niveau von Weißrussland, Nepal und Albanien lagen, durfte sie als Sicherheiten nicht annehmen Der plötzliche Druck zeigte in Athen Wirkung: Der Ministerpräsident Giorgos Papandreou nahm ein Revirement in seinem Kabinett vor und ernannte Evangelos Venizelos zum Finanzminister, um international seine Entschlossenheit zu demonstrieren Durch diesen Schachzug gelang es dem Premier, eine Mehrheit im Parlament zu erlangen, die die harten Sparprogramme für die nächsten fünf Jahre nach zahlreichen Protesten und nächtlichen Sitzungen absegnete Die Eurozone honorierte die Bemühungen und das Wohlverhalten und zahlte weitere Tranchen des Hilfsprogramms aus Aber die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten gingen unvermindert weiter, da niemand ernsthaft an die vielen wortreichen Beteuerungen aus Athen glaubte Daher wurde in aller Eile ein zweites Rettungspaket ins Leben gerufen, das 110 Milliarden Euro umfasste <?page no="52"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 52 Die Bundeskanzlerin betonte fast gebetsmühlenartig, dass der private Sektor nun an diesen Kosten beteiligt werde und einem freiwilligen Schuldenschnitt zustimmen müsse In ganz Deutschland setzte ein wildes Spekulanten- und Bankenbashing ein Allenthalben hörte man, böse und habgierige Spekulanten seien an allem schuld (und nicht etwa prassende Regierungen, die ständig neue Schulden auftürmten) Mit solchen Vorwürfen kann man natürlich leicht vom eigenen Versagen in der Wirtschaftspolitik ablenken Der Beruf des Bankers rangierte damals noch weit unterhalb des Niveaus eines Politikers oder Straßenkehrers Der als Geniestreich gefeierte Schuldenschnitt gefiel allen Parteien Man stellte sich mit Gold behängte Investmentbanker und Spekulanten vor, die nun öffentlich auf dem Marktplatz an den Pranger gestellt werden konnten - mit fleißiger Unterstützung einer eigens gegründeten Kavallerie, die Trommeln schlagen und Spalier stehen konnte Die Parteien waren geradezu begeistert von der Idee, Investoren kalt (und natürlich freiwillig) zu enteignen Was dabei aber übersehen wurde: Der freiwillige Schuldenschnitt betraf auch Pensionsfonds und Versicherungen in Griechenland Die Altersvorsorge vieler Menschen wurde dadurch in Frage gestellt Laut Statistik hat in Deutschland jeder Haushalt zwei Kapitallebensversicherungen Glauben Sie, es war wirklich eine so brillante Idee, einen solchen Obolus zu fordern? Dieses bizarre Spiel wiederholte sich in Zypern, dessen Banken Milliarden von griechischen Staatsanleihen erworben hatten Durch den »freiwilligen« Schuldenschnitt, der in Athen dann vom Parlament mit Macht umgesetzt wurde, gerieten die Banken auf Zypern an den Rand des Abgrunds Schnell hatte man in Brüssel die notwendigen Schuldigen gefunden: die russischen Oligarchen <?page no="53"?> 53 Die Schuldenkrise in Griechenland In Wirklichkeit hatte Brüssel aber stets treuherzig beteuert, EU-Staatsanleihen seien absolut sicher Es werde nie einen Schuldenschnitt in der Eurozone geben Die Banken auf Zypern hatten diesen Versprechungen geglaubt Die Art und Weise, wie die EU-Kommission mit Zypern verfuhr, macht deutlich, dass inzwischen nichts mehr undenkbar ist Das Beste an dieser »Beteiligung privater Gläubiger«, die sich auf 50 Milliarden Euro belaufen sollte (am Ende sollten die Gläubiger auf 74 Prozent der Forderungen verzichten), war, dass es auch hier Unterschiede gab Griechenland wagte es zwar in einer Nacht- und Nebelaktion, im Parlament Staatsanleihen, die nach griechischem Recht begeben wurden, zu einem Schuldenschnitt zu verdonnern, aber die Regierung in Athen war vorsichtig genug, Papiere, deren Gerichtsstand einem anderem Rechtssystem zugeordnet war, nicht anzutasten Schließlich hätte es in Athen wahres Entsetzen ausgelöst, wenn griechische Marineschiffe einfach in einem fremden Hafen beschlagnahmt worden wären Argentinien, das sich um solche Feinheiten weniger Gedanken machte, musste sogar miterleben, wie auf einer Ausstellung in Rosenheim in Oberbayern ein Dinosaurier konfisziert werden sollte Gerissene und gewiefte Hedgefonds-Manager hatten sich natürlich in die juristischen Feinheiten griechischer Schuldverschreibungen vertieft und vorwiegend Staatsanleihen erworben, für die britisches oder Schweizer Recht galt Diese wurden dann vollständig zurückbezahlt Allerdings laufen bereits international Klagen gegen Griechenland, dass auch die anderen Anleihen, die griechischem Recht unterliegen, bedient werden müssen Experten sind sich einig: Nach diesem Schuldenschnitt dürfte Athen jahrzehntelang keinen müden Cent mehr von den internationalen Finanzmärkten bekommen Das Land wird zukünftig vollständig am Tropf der Europäischen Union hängen und zu einem Subventionsstaat herabsinken Ähnliches gilt für <?page no="54"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 54 Zypern, wo in einem ersten Lösungsvorschlag sogar Kleinsparer zur Kasse gebeten werden sollten Nun hält man sich an den Reichen schadlos, die bis zu 60 Prozent ihres Vermögens opfern sollen Bedenkt man, dass die zyprischen Banken vor allem durch den forcierten Schuldenschnitt Griechenlands zu Schaden gekommen sind, dann mutet diese Beteiligung zynisch und opportunistisch an Zypern ist nach dieser Aktion praktisch am Ende und wird künftig auf weitere Unterstützung angewiesen sein Interessant wird es zu beobachten sein, ob auch andere Länder in der Eurozone je nach Geschick und Relevanz unterschiedlich behandelt werden Unbedeutende Nationen werden einen drakonischen Schuldenschnitt von Brüssels Gnaden über sich ergehen lassen müssen, während Staaten mit mehr Druckpotenzial großzügige Sonderkonditionen erhalten Athen kam unterdessen nicht zur Ruhe Die Bereitschaft, weitere Sparmaßnahmen zu akzeptieren, sank von Tag zu Tag Wieder kam es am 21 Oktober zu einem Generalstreik, an den sich der Rest der Welt längst gewöhnt hatte und der in den amerikanischen Nachrichten noch nicht einmal nach Baseball- Ergebnissen Erwähnung fand In Athen gab es wieder heftige Ausschreitungen, die das Schlimmste befürchten ließen Die griechische Regierung war in der Defensive In Brüssel erkannte man die Gefahr und brachte ein neues Rettungspaket auf den Weg, das 130 Milliarden Euro umfassen sollte Ministerpräsident Papandreou, der die Ausweglosigkeit der wirtschaftlichen Situation erkannte, griff zu einem Schachzug, der in vielen europäischen Regierungssitzen einen Wutanfall ohnegleichen auslösen musste Papandreou verkündete, ohne vermutlich die Regierungen der Eurozone näher zu konsultieren oder sie auch nur informieren , dass die griechische Bevöl- <?page no="55"?> 55 Die Schuldenkrise in Griechenland kerung über das Rettungspaket und die damit verbundenen drakonischen Sparmaßnahmen abstimmen sollte Selbst in Frankreich, wo man sonst die Irritationen geschickt maskierte, geriet Präsident Nicolas Sarkozy in Rage Der verwegene und unbotmäßige Vorstoß aus Athen könnte ja schließlich in einem Desaster enden So traten Sarkozy und Angela Merkel wie selten einmütig vor die Presse, um anzukündigen, dass Griechenland keinerlei Hilfen mehr erhielte, wenn ein solches Referendum stattfände Griechenland wurde nicht mehr wie ein souveräner Staat behandelt, sondern wie eine abhängige Armutsprovinz in der Eurozone, die ihren Tribut nicht geleistet hatte Die Entrüstung dort war groß Erstaunlich aber ist auch, wie schnell man bereit ist, ein Land zu einem Befehlsempfänger zu degradieren Papandreou wurde vor den Augen der Weltöffentlichkeit abgekanzelt und musste zurückrudern Schon vier Tage später wurde erklärt, dass ein Referendum nun doch nicht vorgesehen sei Die Griechen waren empört, aber bestätigen Papandreou in einem Votum im Parlament und sprachen ihm das Vertrauen aus Doch die Mehrheit wurde immer brüchiger, so dass Papandreou weitreichende Kompromisse eingehen und die kämpferische Opposition in die Regierungskoalition mit einbeziehen musste Lucas Papademos, der früher sogar das Amt des Vizepräsidenten in der Europäischen Zentralbank bekleidete, wurde zum neuen Ministerpräsidenten in Griechenland ernannt, als Papandreou nach dem Überraschungscoup mit dem Referendum auf Druck der ausländischen Regierungen nicht mehr zu halten war Wegen der anstehenden Neuwahlen brachten sich schon einige Bewerber in Position Der Vorsitzende der konservativen Partei, Antonis Samaras, ließ gleich verlauten, dass er den Rettungsplan befürworte Doch wieder stand ein neuer Sparhaushalt für das Jahr 2012 an Und in Athen eskalierte erneut die Gewalt Zahlreiche Menschen kamen zu Schaden - die Verhaf- <?page no="56"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 56 tungen nahmen zu Das Parlament beschloss, der Staatshaushalt solle im Jahr 2012 auf 5,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert werden Im Februar 2012 schließlich sollte das Parlament den neuen Sparplänen und dem Rettungspaket, das von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds geschnürt worden war, zustimmen Nach überaus zähen Verhandlungen, die alle Beteiligten an den Rand der Kräfte brachten, und einem historisch denkwürdigen, zehnstündigen Verhandlungsmarathon im Parlament kam die Zustimmung schließlich widerwillig zustande In Griechenland stieg unterdessen die Arbeitslosigkeit auf einen Rekordwert von über 20 Prozent In Berlin und in den anderen Hauptstädten misstraute man aber den Griechen und verlangte eine verbindliche schriftliche Zusicherung der Parteien Vermutlich hat man in den anderen Ländern schon oft herzhaft über die preußische Manie gelacht, alles schriftlich in Händen zu halten Goethes Faust soll seinen Pakt mit Mephisto mit Blut unterschrieben haben In Athen bevorzugte man noch Tinte Aber bekanntlich musste Faust seine Seele nicht an den Teufel abtreten, denn der Pakt wurde für ungültig erklärt Um den guten Willen zu zeigen und um die Farce zu komplettieren, mussten die Griechen auch noch zusichern, dass sie zusätzlich 325 Millionen Euro einsparen wollten Als Ende Februar 2012 die anderen Euroländer ihr Einverständnis erteilen mussten, war die Spaltung offensichtlich Es dauerte lange 13 Stunden, ehe man zum Plazet gelangte und 130 Milliarden Euro bewilligte Damit dieses erneute Rettungspaket auch der eigenen Bevölkerung vermittelt werden konnte, musste Athen hoch und heilig versichern, bis zum Jahr 2020 seinen Schuldenstand auf 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken <?page no="57"?> Der Schuldenschnitt in Griechenland 57 Damit die Briten an dieser Stelle etwas zu lachen haben: Das Komma hinter den 120 Prozent ist wahrscheinlich auf deutsche Initiative zurückzuführen Viel besser wäre es gewesen, man hätte geschrieben: 120,3475 Prozent Sieht doch gleich viel wissenschaftlicher aus! Man muss vermutlich in Brüssel arbeiten, um nachvollziehen zu können, wie ein Ereignis im Jahr 2020 bei so vielen Unwägbarkeiten auf eine Dezimalstelle genau beziffert werden kann Der Schuldenschnitt in Griechenland Nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen mit Bankenverbänden und verschiedenen Fonds zeichnete sich im März 2012 ein Kompromiss beim privaten Schuldenschnitt ab Etliche Banken und Fonds sind unter dem erheblichen Druck der Politik bereit, auf einen Teil der Rückzahlungen zu verzichten Kleinanleger und Pensionsfonds konnten ihre Stimme aber kaum geltend machen und ihren Widerstand artikulieren Der Internationale Währungsfonds und die Europäischen Union waren nur dann willens, ein neues Rettungspaket zu genehmigen, wenn die Gläubiger einen Schuldenschnitt befürworteten Am 9 März 2012 verkündete die Regierung in Athen, dass fast 86 Prozent der Gläubiger ihr Einverständnis bekundet haben Um die Europäische Zentralbank als öffentlichen Gläubiger von diesem Opfer auszunehmen, werden für die griechischen Anleihen, die in Frankfurt der EZB zugeordnet sind, neue Wertpapierkennnummern vergeben Mit diesem Schritt wurde ein Präjudiz geschaffen, das die internationalen Finanzmärkte noch mehr verärgert hat und Zypern in das Chaos stürzte Anscheinend gibt es eine Zwei-Klassen-Gläubigergesellschaft: die privilegierten öffentlichen Einrichtungen wie die EZB und die leicht schröpfbaren privaten Gläubiger, die als Spekulanten, Oligarchen und Nutznießer hingestellt werden <?page no="58"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 58 Am 14 März 2012 zeigte sich die EU-Kommission zufrieden und bewilligte ein zweites Rettungspaket von 130 Milliarden Euro für das notorisch klamme Griechenland Natürlich ist offensichtlich, dass langfristig auch die öffentlichen Gläubiger nicht ungeschoren davon kommen Auch sie werden einen Schuldenschnitt erleben Wie konnte Griechenland in diese Lage geraten? Die Frage beantwortet sich leichter, wenn man sich die Geschichte des Landes näher anschaut Seit der Unabhängigkeit im 19 Jahrhundert vom Osmanischen Reich war Griechenland schon des Öfteren pleite Der Staatsbankrott trat sehr häufig auf Die Nachkriegsgeschichte Griechenlands ist geprägt von vielen politischen Wechselfällen Es begann mit der Gründung verschiedener Dynastien, in welchen die beiden mächtigsten Familien Griechenlands verwurzelt sind: Karamanlis und Papandreou, die Griechenland lange Zeit unangefochten regierten Georgios Papandreou begann seine Regierungszeit bereits im Jahre 1944, die bis zum Jahr 1965 dauerte Sein Sohn bestimmte die Politik während der 1970er und 1980er Jahre und prägte einen sozialistischen Stil, der die Nachkriegszeit in Griechenland weitgehend beeinflusste Der konservative Konstantin Karamanlis bestimmte die Politik in den 1950er Jahren und kehrte erst in den 1970er Jahren nach der beendeten Militärdiktatur zurück ins Amt Sein Neffe regierte von 2004 bis 2009 und verfolgte gleichwohl eine konservative und restaurative Politik, die jedoch zu immer mehr wirtschaftlichen Schwierigkeiten führte Demnach beherrschte die dynastische Familienpolitik das Land jahrzehntelang Es offenbart, dass Griechenland trotz aller Bemühungen längst noch nicht im 21 Jahrhundert angekommen ist Natürlich sollte man bedenken, dass auch in den USA Familiendynastien wie die <?page no="59"?> Wie konnte Griechenland in diese Lage geraten? 59 Kennedys lange Zeit die Politik nachhaltig beeinflussten Dennoch ist es ein Defizit in der modernen Kultur, wenn ein Land vorwiegend von Familiendynastien beherrscht wird Die griechische Geschichte ist bestimmt von vielen wirtschaftlichen Schwierigkeiten Seit der Unabhängigkeit im Jahre 1829 rutschte Athen mehrfach in die Staatsinsolvenz - so beispielsweise in den Jahren 1826, 1843, 1860 und 1893 Griechenland war das am meisten verschuldete Land in den letzten beiden Jahrhunderten Athen verbrachte mehr als die Hälfte seiner Zeit im Zustand der Staatsinsolvenz Lediglich die lateinamerikanischen Länder Ecuador und Honduras weisen eine noch schlechtere Bilanz auf Besonders verhängnisvoll war die Ära nach 1945 und während des Zweiten Weltkriegs Das Land litt entsetzlich unter dem Regime der Wehrmacht, die das Land rücksichtslos und mit äußerster Härte ausbeutete Es gab zahlreiche schwere Verbrechen und Massenmorde, die bis heute nicht vollständig aufgearbeitet wurden Als im Jahr 1945 der Zweite Weltkrieg zu Ende war, befand sich das Land politisch und wirtschaftlich am Boden Erschwerend kam hinzu, dass unmittelbar nach dem Ende des Kriegs ein erbitterter Bürgerkrieg ausbrach, der aus dem Konflikt zwischen Ost und West resultierte Es setzte eine brutale Auseinandersetzung ein, die vielen Menschen Leid und Elend bescherte Besondere Grausamkeit bedeuteten die zahllosen Zwangsadoptionen, bei denen Kinder in den Ostblock verschleppt wurden Die einflussreiche kommunistische Partei Griechenlands hatte den Konflikt im kalten Krieg erheblich angeheizt Stalin wollte Griechenland für sich gewinnen, um in Südeuropa dauerhaft Fuß zu fassen und seine Machtsphäre auszudehnen Neben den anderen Staaten Albanien, Bulgarien und Jugoslawien war Griechenland eine wichtige geostrategische Region am Mittelmeer Großbritannien und die USA wehrten sich erbittert da- <?page no="60"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 60 gegen, dass das Land unter sowjetischen Einfluss geriet Durch umfangreiche Militärhilfe wurde der schwere Bürgerkrieg in Griechenland entfesselt Was damals stattfand, war das Vorspiel für jene schweren Kriege in Korea und in Vietnam, die ebenfalls als Stellvertreterkriege zwischen Ost und West geführt wurden Georgios Papandreou hatte als Leiter der Exilregierung in Italien eine hohe Reputation inne und bildete das Sammelbecken für die demokratischen Kräfte in Griechenland In den Jahren 1947 und 1948 gewannen die von Moskau gesteuerten Kommunisten dennoch die Oberhand und hatten durch ihre Guerillataktiken große Teile des Landes an sich reißen können Insbesondere in Nordgriechenland gewannen sie zunehmend an Boden Erst als seit 1949 Präsident Tito Griechenland aufgab und Jugoslawien sich für neutral erklärte, fehlten der Sowjetunion entsprechende Nachschubbasen im Balkan, so dass die Kommunisten in Griechenland nicht mehr uneingeschränkt logistisch unterstützt werden konnten Damit setzten sich schließlich die westlichen Kräfte in Athen durch Der Ost-West-Konflikt hinterließ in Griechenland unbeschreibliche Narben und Traumata Es wird geschätzt, dass mehr als 30 000 griechische Kinder in den Ostblock verschleppt wurden In Griechenland löste dieser Vorgang äußerste Bitterkeit und Trauer aus, die Generationen lang anhielt Erst in den 1950er Jahren gelang es Griechenland wieder, zur Normalität zurückzukehren und die Region zu befrieden Unter dem konservativen Karamanlis wurden die Grundlagen für ein stabiles Griechenland geschaffen Zu dieser Zeit gab es noch den König Paul I , der 1947 den Königsthron bestiegen hatte Die griechische Wirtschaft war aber überwiegend auf amerikanische Unterstützung angewiesen und entwickelte keinesfalls eine hohe Dynamik Erst 1962 war Athen in der Lage, sich Westeuropa anzunähern und eine Anbindung an die europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG zu erreichen Mit einem <?page no="61"?> Wie konnte Griechenland in diese Lage geraten? 61 Kooperationsvertrag erhielt Griechenland Kredite in Höhe von 300 Millionen US-Dollar Diese Darlehen wurden in der Erwartung vergeben, dass Griechenland eines Tages zum Vollmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erhoben würde Die friedliche Entwicklung wurde indes im Jahre 1967 gewaltsam unterbrochen, als in Athen ein Staatsstreich stattfand und eine Militärjunta die Macht ergriff Die Diktatur hielt bis zum Jahr 1974 an Das Militär schaffte es nicht, die erforderlichen wirtschaftlichen Reformen in Gang zu bringen Stattdessen erstarrte das Land wie unter einer Eisdecke und wurde vom Ausland zunehmend durch Sanktionen abgeschottet Die Junta führte rigide Maßnahmen ein, die vor allem im Ausland für erhebliche Empörung sorgten Beispielsweise wurde die Presse streng zensiert - ebenso Filme und Bücher In Griechenland machte sich ein autoritäres Regime breit, das durchaus Ähnlichkeiten mit Pinochets Chile aufwies In den 1970er Jahren schließlich errang der Tourismus größere Bedeutung, von dem Griechenland vermehrt profitierte Insbesondere in Deutschland und Großbritannien waren Pauschalreisen nun für die breite Masse erschwinglich geworden Zwar dominierten noch Spanien und Italien als gängige klassische Destinationen, aber Griechenland wurde von Jahr zu Jahr beliebter Die großen Strände und die billigen Reisemöglichkeiten förderten den Tourismus in ungeahnter Weise Die Ägäischen Inseln wurden zur Attraktion Und viele Reisende aus Deutschland nahmen diese Gelegenheit wahr Im Jahr 1973 zeichnete sich bereits ab, dass das autoritäre Regime der Obristen dem Niedergang geweiht war Die Geldentwertung war inzwischen auf 30 Prozent angestiegen, und permanente Demonstrationen sorgten für Chaos auf den Straßen von Athen Schließlich musste die Junta zurücktreten, und Konstantin Karamanlis kehrte wieder ordnungsgemäß als Premierminister einer Demokratie an die Macht zurück Der konserva- <?page no="62"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 62 tive Karamanlis hatte stets das Ziel verfolgt, Griechenland in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu führen, um ein höheres Maß an politischer und wirtschaftlicher Stabilität zu erreichen Im Jahr 1979 war es endlich so weit, als der Beitrittsvertrag mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft feierlich unterzeichnet wurde Die faktische Mitgliedschaft trat im Jahre 1981 ein In den 1980er Jahren wurde der sozialistische Wirtschaftskurs weiter verfolgt Etliche Banken und auch Fluglinien wurden verstaatlicht Andreas Papandreou, der 1981 zum Premierminister gewählt wurde, förderte diesen sozialistischen Kurs, obwohl er selbst in Harvard Wirtschaftswissenschaften studiert hatte Während in Westeuropa der Neoliberalismus beispielsweise unter Margret Thatcher in Großbritannien die politische Diskussion bestimmte, entwickelte sich Griechenland in die entgegengesetzte Richtung und förderte sozialistische Experimente, die die Wettbewerbsfähigkeit zunehmend beeinträchtigten Während in Deutschland die Deregulierung und die Privatisierung von Staatsbetrieben im Vordergrund standen, schickte sich Athen an, immer mehr private Unternehmen zu verstaatlichen Die Löhne und Gehälter stiegen infolgedessen Im Jahre 1980 wurden noch 30 Prozent des griechischen Bruttoinlandsproduktes vom Staat kontrolliert; 1990 waren es bereits 45 Prozent Von allen europäischen Ländern war dies die höchste Zuwachsrate bei der Verstaatlichung Aufgrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit schoss die Geldentwertung in astronomische Höhen Am Ende des Jahrzehnts hatte sie bereits 25 Prozent überschritten Erst durch eine drastische Abwertung der Drachme konnte der Außenhandel wieder beflügelt und die Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden Als schließlich auch die starke Abwertung der Drachme nicht mehr weiterhalf, die Inflation zu bremsen, wurde ein System von systematischen Kontrollen im Außenhandel eingeführt, die den weiteren Niedergang der Wirtschaft forcierten <?page no="63"?> Die Geschichte der Drachme 63 Die Geschichte der Drachme Die Geschichte der Drachme belegt den wirtschaftlichen Niedergang der griechischen Wirtschaft während der 1980er und 1990er Jahre sowie zu Beginn unseres Jahrhunderts Die Drachme ist eine der ältesten und bekanntesten Währungen, die es gibt Bereits im klassischen Athen wurde die Drachme als Silbermünze eingeführt, die als Symbol für die Stadtgöttin Athene eine Eule trug Daher stammt auch das gängige Sprichwort, »Eulen nach Athen tragen« Die Drachme war als offizielles Zahlungsmittel im Gebrauch Durch Alexander den Großen wurde die Drachme im gesamten hellenistischen Weltreich der damaligen antiken Welt verbreitet Sogar in Afghanistan und in Indien fand man griechische Drachmen . 25 Als zu Beginn des 19 Jahrhunderts der griechische Staat nach langen, erbitterten Kämpfen wieder unabhängig vom Osmanischen Reich wurde, beschloss man, die Drachme als Währung erneut einzuführen Griechenland schaffte es sogar, der Lateinischen Münzunion im Jahr 1868 beizutreten, die später jedoch wieder aufgelöst wurde Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Währung aufgrund der desolaten Wirtschaftspolitik und der Plünderungen durch die Besatzungsmacht völlig zerrüttet, so dass eine umfassende Währungsreform eingeleitet werden musste Im Jahr 1944 gab daher die Zentralbank neue Drachmen aus, die gegen die alten Banknoten ausgetauscht werden mussten Schon bald setzte sich die Geldentwertung in hohem Maße fort, so dass im Jahr 1954 erneut neue Banknoten herausgegeben werden mussten und somit eine zweite Währungsreform stattfand Damals wurden tausend alte Drachmen gegen eine neue Drachme getauscht Griechenland trat auch dem Bretton-Woods-System bei, bei dem der US-Dollar die Ankerwährung bildete und die anderen <?page no="64"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 64 Währungen feste Relationen zum US-Dollar unterhielten Im System von Bretton Woods bestand eine Einlösepflicht für den US-Dollar gegen Gold Bei Beginn des Systems entsprachen 30 Drachmen einem US- Dollar Als schließlich der Euro im Jahre 1999 eingeführt wurde, war diese Relationen bereits bei 400 Drachmen für einen US- Dollar angelangt In Griechenland wurde die Einführung des Euro anfangs euphorisch begrüßt, denn die Griechen hatten es satt, mit einer inflationsgefährdeten Währung wie der Drachme zu leben Die Zustimmung in Athen war enorm; alle begrüßten nachdrücklich den Euro als eine stabile und vermeintlich zukunftsträchtige Währung Athen hatte sich bereits in den 1990er Jahren darauf festgelegt, der Währungsunion möglichst schnell beizutreten Daher strebte man danach, die Konvergenzkriterien, die vom Maastricht-Vertrag festgelegt wurden, möglichst schnell zu erfüllen Um die europäische Einheitswährung, den Euro, nutzen zu können, muss ein Land die im Maastricht-Vertrag definierten Kriterien erfüllen: ▶ das Haushaltsdefizit darf nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, ▶ die Schuldenquote darf nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, ▶ die Inflationsrate darf nicht mehr als 1,5 Prozent über dem Durchschnitt der drei besten EU-Länder liegen Dennoch konnte niemand ignorieren, dass es schwierig würde, der Währungsunion sofort beizutreten Schließlich nahm Griechenland noch nicht einmal am Wechselkurssystem in der Europäischen Union teil, das als Vorstufe für die Währungsunion galt Wie labil die Währung in Griechenland war, zeigte ein Vorfall, der sich 1994 ereignete <?page no="65"?> Die Geschichte der Drachme 65 Da Investoren international erkannt hatten, auf welch schwachen Beinen der griechische Außenhandel stand, gab es zahllose hartnäckige Angriffe auf die Währung Die Zentralbank in Athen konnte einen Zusammenbruch der Drachme nur dadurch verhindern, dass die Zinsen temporär auf über 500 Prozent erhöht wurden, um einen Abfluss von Geldern zu verhindern Innerhalb weniger Tage wurde dieser Satz auf 26 Prozent abgesenkt Schon diese kuriose Zinspolitik veranschaulicht, wie es um die Drachme und die wirtschaftlichen Verhältnisse stand Im Jahr 1994 beliefen sich die Staatsschulden auf über 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Da die anderen Europäer an der wirtschaftlichen Stabilität Athens erheblichen Zweifel hegten, legte der griechische Finanzminister einen Fünfjahresplan vor, der Griechenland aus den Schwierigkeiten herausführen sollte Erklärtes Ziel war es, die Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrags vollständig und in wenigen Jahren zu erfüllen Die Inflationsrate sollte bis 1999 von weit über 10 Prozent auf 3,3 Prozent verringert werden Doch alle Bemühungen erwiesen sich vorläufig als vergeblich, als im November 1997 die Drachme wieder unter Druck geriet Die Zentralbank in Griechenland musste mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar aufwenden, um die permanenten Angriffe abzuwehren Die Zinsen wurden zeitweilig auf 15 Prozent erhöht, um einen weiteren Abfluss von Kapital zu verhindern Zwar hatten sich einige Kennzahlen während der 1990er Jahre sichtbar verbessert, aber die Bemühungen erfüllten immer noch nicht die Erwartungen der anderen EU-Länder So war es Griechenland gelungen, das Haushaltsdefizit von 15 Prozent im Jahr 1990 auf 6 Prozent im Verlauf der 1990er Jahre zu senken Andere Kennziffern hingegen entwickelten sich in einer Besorgnis erregenden Weise: Im Jahr 1990 betrug die Staatsverschuldung noch 74 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während sie bereits 2004 bei 102 <?page no="66"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 66 Prozent lag Die Innovationsfähigkeit Griechenlands war ebenfalls beklagenswert Das Land gab beispielsweise für Forschung und Entwicklung, die als Schlüsselfaktoren der Innovation gelten, im Jahr 2000 lediglich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus In anderen europäischen Ländern lag diese Rate um ein Vielfaches höher Ein weiteres Indiz war die Zahl der Patente Im Jahr 2000 wurden, ausgehend von 10 000 Einwohnern, lediglich 0,4 Patente angemeldet Moderne Technologien und wissensintensive Wirtschaftsbereiche spielten in der griechischen Wirtschaft kaum eine Rolle Das Land fiel immer weiter zurück und wies nur eine unzulängliche Innovationskraft auf Griechenland hatte es versäumt, sich im Laufe des 20 Jahrhunderts zu modernisieren und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen Fairerweise muss allerdings hinzugefügt werden, dass das Land äußerst ungünstige Rahmenbedingungen hatte: Durch die Nähe zum Balkan war das Land auch stets von den Auswirkungen in der Region betroffen Der permanente Ausnahmezustand mit dem Nachbarn Türkei und die damit verbundenen hohen militärischen Ausgaben haben den zivilen Sektor erheblich beeinträchtigt Der Überfall Deutschlands auf Griechenland, die schrecklichen Verwüstungen und die grauenvollen Verbrechen haben tiefe Wunden hinterlassen, die bis heute das Verhältnis zu Deutschland belasten Historiker schätzen, dass ähnlich wie in Amsterdam, wo unzählige Menschen im Zweiten Weltkrieg verhungerten, auch in Athen 300 000 Menschen im Winter 1941/ 42 an Hunger starben Nazi-Deutschland hatte nahezu alle Lebensmittel beschlagnahmen lassen In Deutschland kaum thematisiert und im Geschichtsunterricht so gut wie nie behandelt wird das entsetzliche Massaker, das die Wehrmacht in der griechischen Stadt Kalavryta anrichtete, bei der die Stadt und 25 Dörfer im Umkreis dem Erdboden gleichgemacht wurden Im Rahmen <?page no="67"?> Die schweren Folgen in Griechenland 67 einer Vergeltungsaktion wurden alle männlichen Bewohner ermordet Nur 13 Männer, die für Deutsche gehalten wurden, überlebten das grausige Verbrechen, für das bis heute keine ausreichende Wiedergutmachung geleistet wurde Das Landgericht Augsburg eröffnete in dieser Angelegenheit ein Verfahren, bei der der angeklagte Hauptmann freigesprochen wurde Das Gericht begründete den Freispruch mit »völkerrechtlicher Notwehr« Die Angehörigen versuchten, über den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ein Urteil zu erlangen, was aber vom Gericht abgewiesen wurde Ein noch schrecklicheres Massaker fand in dem griechischen Ort Distomo statt Dort ermordete die SS 1 .800 Bewohner, darunter Kinder, Frauen, Säuglinge und alte Menschen Es kam zu abscheulichen Verbrechen, die an Grausamkeit kaum zu übertreffen sind; beispielsweise wurden den Menschen die Augen ausgestochen und Köpfe abgeschnitten . 26 Klagen der Angehörigen wurden vor dem Bundesverfassungsgericht und vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit dem Verweis auf die Staatenimmunität abgewiesen Dasselbe gilt für Italien, wo ebenfalls schwerste Verbrechen verübt wurden . 27 Der zynische Versuch Berlins, sich auf eine völkerrechtliche Immunität gegenüber italienischen und griechischen Gerichten zu berufen, stellt einen Affront dar, der das Verhältnis zu diesen beiden Ländern enorm beeinträchtigt . 28 Die schweren Folgen in Griechenland Zu Beginn des Jahres 2013 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote in der Eurozone bei 11,8 Prozent Doch diese Werte täuschen darüber hinweg, dass es einige Mittelmeerländer wesentlich schwerer traf Im Vergleich zu 2009 sank das Einkommen in Griechenland um ein Fünftel In weiten Teilen setzte <?page no="68"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 68 eine Stadtflucht ein, aber auch auf dem Land nahm die Armut erschreckend zu Ende 2012 hatten von den rund elf Millionen Einwohnern in Griechenland nur noch 3,7 Millionen eine regelmäßige Beschäftigung . 29 Immer mehr Griechen müssen zusätzlich von den spärlichen Renten der Eltern oder Großeltern leben In Athen eröffnen zunehmend Suppenküchen, die die Ärmsten mit einer Mahlzeit versorgen Allein 2011 wollten mehr als 700 Familien ihre eigenen Kinder in ein SOS-Kinderdorf schicken, damit sie wenigstens mit dem Nötigsten versorgt sind . 30 Allerdings weigerten sich die meisten SOS-Kinderdörfer, da sie den Kindern dieses Trauma nicht zumuten wollten und eher auf eine Lösung in der Familie setzten Im Winter konnten zahlreiche Wohnungen in Athen nur noch notdürftig beheizt werden, da der Heizölpreis aufgrund neu eingeführter Steuern inzwischen das Niveau des Benzinpreises erreicht hat Auf dem Land wichen viele auf Holz aus, was die Zerstörung der Landschaft und die Erosion des Bodens beschleunigt hat In den Straßen Athens ist es ruhiger geworden, da viele sich ihr Auto nicht mehr leisten können Die milliardenschweren Rettungspakete kommen nicht bei der verarmten Bevölkerung an, sondern dienen in erster Linie dazu, die Forderungen der Banken und der anderen Gläubiger zu befriedigen Bei den Menschen wachsen Verbitterung und Verzweiflung über die Kaltherzigkeit und Ignoranz in Europa Das häufigste Schild, das Touristen in Athen in diesen Tagen vorfinden, ist jenes mit der Aufschrift »Sale« Die Arbeitslosigkeit hat im Jahr 2013 mittlerweile einen historischen Rekordwert von über 30 Prozent erreicht In Griechenland herrschen nunmehr Zustände wie nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 Allein bei den Personen unter 24 Jahren sind 62 Prozent 31 arbeitslos Das Tarifvertragsrecht, das auf dem Grundrecht der Koalitionsfrei- <?page no="69"?> Die schweren Folgen in Griechenland 69 heit und der gewerkschaftlichen Betätigung beruht, wurde auf Druck der internationalen Gemeinschaft ausgesetzt Die Arbeitslosenhilfe hängt indirekt vom Mindestlohn ab - sie beträgt zurzeit 360 Euro monatlich und wird höchstens ein Jahr lang überwiesen Dann gibt es keine Leistungen mehr . 32 Im Vergleich dazu herrschen mit dem unbefristeten Hartz IV (der Arbeitslosenhilfe II) in Deutschland geradezu erträgliche Verhältnisse ▶ In Athen wächst die Zahl der Obdachlosen dramatisch - es wird geschätzt, dass inzwischen 20 000 Menschen allein in der Hauptstadt auf der Straße ihr Dasein fristen ▶ Nach einer Auswertung der EU-Statistikbehörde Eurostat leben 28 Prozent der Griechen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren unterhalb der Armutsgrenze . 33 ▶ In der Nacht werden Lebensmittel in den Abfall-Containern von Supermärkten gesucht An den Kassen stehen Behälter, in denen Kunden Lebensmittel als Spende für Bedürftige werfen können ▶ Zahlreiche Wohnungen bleiben auch im Winter nahezu unbeheizt, obwohl in Athen die Temperatur bis zum Gefrierpunkt sinken kann ▶ Die orthodoxe Kirche unterhält jeden Tag im ganzen Land Tafeln und Suppenküchen, die 250 000 Menschen mit einer warmen Mahlzeit versorgen Im Winter mussten in Nordgriechenland einige Schulen und Kindergärten geschlossen werden, da sie nicht mehr ausreichend beheizt werden konnten 34 Seit 2010 wurden die Mittel für die Betriebskosten der Schulen um 50 Prozent reduziert Die im Jahr 2011 verabschiedete Besoldungsverordnung legt für neu eingestellte Lehrer ein Anfangsgehalt von monatlich 575 Euro fest 35 <?page no="70"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 70 Es wächst eine verbitterte »Lost Generation« heran, die nach ihrem Abschluss nicht die geringste Chance hat, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen In Griechenland liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 586 Euro; ein Lehrer mit Berufserfahrung verdient im Durchschnitt 650 Euro Schwangere, die auf einen Kaiserschnitt angewiesen sind, dürfen diesen mit 1 .500 Euro aus eigener Tasche begleichen, sofern sie keine Krankenversicherung mehr haben . 36 In Elliniko, einem Vorort von Athen, haben Ärzte in einer Privatinitiative eine Anlaufstelle errichtet für jene, die ihre Krankenversicherung verloren haben und nicht über genügend Geld verfügen, um sich als Privatpatient behandeln zu lassen Das Netzwerk hilft diesen Bedürftigen Doch die Ärzte beklagen, dass die Regierung das leer stehende Grundstück bereits veräußert habe Die Ärzte sehen jeden Tag extrem schwere Fälle Kleinkinder sind nicht selten unterernährt Teure Medikamente, wie sie für eine Krebsbehandlung dringend benötigt werden, sind aufgrund der exorbitanten Kosten nicht mehr verfügbar Die schwere Wirtschaftskrise führt dazu, dass Menschen sterben, wenn sie krank sind, obwohl eine medizinische Behandlung sie retten könnte Während in Griechenland das Elend immer größere und bitterere Ausmaße annimmt, schaut man in Deutschland weg und lobt die Exporterfolge der deutschen Industrie und die niedrige Arbeitslosigkeit Es grenzt an Zynismus, wenn im Bundestag sich alle Parteien vollmundig zur Solidarität in Europa bekennen, aber diskret wegsehen, wenn in Athen Menschen sterben Der griechische Staat musste 2012 bei Arzneimitteln 1,1 Milliarden Euro einsparen Das Gesundheitssystem befindet sich am Rand des Kollapses Wer mehr als zwölf Monate arbeitslos ist, verliert nicht nur die Arbeitslosenhilfe und steht völlig mittellos da, sondern fällt auch aus der gesetzlichen Krankenversicherung heraus Ärzte, die ehrenamtlichen Dienst in den Not- <?page no="71"?> Die schweren Folgen in Griechenland 71 fallzentren leisten, sind immer wieder entsetzt, wenn Patienten auch um Essen betteln Man schätzt, dass rund 40 000 Griechen 37 die Städte verlassen haben, um auf das Land zu ziehen Durch Selbstversorgung gelingt es ihnen, die Krise einigermaßen zu überstehen Doch auch auf dem Land ist das Leben noch härter als sonst geworden In Griechenland dominieren kleine Bauernhöfe, die oft nur das Existenzminimum erwirtschaften Es fehlen effizient organisierte Vertriebsstrukturen und Genossenschaften, die das Gemüse, Obst und Getreide auf dem Weltmarkt zu besten Konditionen anbieten können Auf den örtlichen Märkten sind die Preise beträchtlich gesunken Ein Kilo Pfirsiche kostete vor der Krise bis zu drei Euro; inzwischen bewegen sich die Preise zwischen 50 Cent und einem Euro Unzählige Verarmte, die kaum noch über die Runden kommen, warten auf den Wochenmärkten bis zum Schluss, um am Ende vielleicht die übrig gebliebenen Lebensmittel noch billiger zu erstehen oder geschenkt zu erhalten Auch die Landwirte geraten durch diese Abwärtsspirale unter Druck Durch die kleinteilige und zersplitterte Agrarwirtschaft sind manche Gemüsesorten zu teuer, so dass beispielsweise Billigimporte von Tomaten aus den Niederlanden die Bauern noch unter zusätzlichen Druck setzen Auch in Griechenland gesteht man die Verfehlungen der Vergangenheit, die der Regierung angelastet werden, ein So ist es ein Kuriosum, wie aufgebläht der öffentliche Sektor ist Die Troika insistiert beispielsweise darauf, dass im öffentlichen Dienst im Jahr 2013 mehr als 25 000 Stellen abgebaut werden Bislang ist jedoch kaum etwas geschehen Und in den Fällen, in denen eine erste Auswahl stattfand, haben die Betroffenen vor Gericht ihre Arbeitsplätze bereits wieder eingeklagt Innerhalb der griechischen Gesellschaft findet eine zunehmende Polarisierung und Radikalisierung statt, die in fremdenfeindliche Exzesse umschlägt Die Partei »Goldene Mor- <?page no="72"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 72 genröte« erreicht inzwischen in den Umfragen eine beachtliche Wählerquote von 12 Prozent Einige Politologen halten es sogar für möglich, dass die Gruppierung bei den nächsten Wahlen die 20-Prozent-Marke mit Leichtigkeit überflügelt . 38 Darunter leiden auch die vielen Flüchtlinge in Griechenland, die über die relativ offenen Grenzen hereinströmen und sich ein besseres Leben in der Europäischen Union erhoffen Die Zustände in den Lagern sind katastrophal und menschenunwürdig So sind nach Berichten 39 in einem Lager 70 Flüchtlinge auf 100 Quadratmetern zusammengepfercht Der Europarat fordert die Mitgliedsstaaten auf, mehr Hilfe für diese Flüchtlinge zu gewähren In Deutschland werden Asylsuchende, die über Griechenland in die EU einreisten, trotz der rigiden Drittstaatenregelung nicht mehr abgeschoben, da in Griechenland ein rechtsstaatliches Asylverfahren nicht mehr gewährleistet ist Zur harschen Kritik führte auch, dass die Europäische Union 200 Millionen Euro für die Sicherung der Außengrenzen aufwendet, aber nur vier Millionen Euro für die Unterbringung der Flüchtlinge bereitstellt . 40 Auch viele Griechen suchen ihren Weg ins Ausland, um dem Elend zu entrinnen Allein im Jahr 2011 sind 84 Prozent mehr Griechen nach Deutschland gekommen als im Vorjahr, um einen Arbeitsplatz zu finden . 41 Allerdings sollte man diese vor allem in den Medien diskutierte Zuwanderung realistisch sehen Eine mit großer öffentlicher Anteilnahme durchgeführte Anwerbeaktion in Spanien, die in Stuttgart initiiert wurde, hatte keinen Erfolg Die Wirtschaftsförderung Stuttgart ließ 100 Ingenieure zu Bewerbungsgesprächen einfliegen . 42 Einen Vertrag erhielten lediglich vier Aspiranten Dabei wird diese Berufsgruppe in Deutschland, vertraut man den unablässigen Beteuerungen der Industrie, händeringend gesucht Überhaupt vergeht kaum ein Tag, ohne dass ein vielstimmiges Lamento über den vermeintlichen Fachkräftemangel ertönt Natürlich <?page no="73"?> Der Schuldenschnitt 73 mag der Misserfolg auch den fehlenden Sprachkenntnissen geschuldet sein Manche Ingenieure sind möglicherweise nicht bereit, in einer ländlichen Region zu arbeiten, sondern bevorzugen Ballungszentren Der Grund dafür ist, dass in den Mittelmeerländern die Infrastruktur auf dem Land schlechter ausgebaut ist, was auf Deutschland so nicht zutrifft Außerdem fällt es den Neuimmigranten in Großstädten wesentlich leichter, Kontakte zu anderen Migranten zu knüpfen Fast schon ironisch mutet der Vorschlag eines Wirtschaftsexperten an, der dafür plädiert, Griechenland in ein neues Florida umzuwandeln Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit könnte durch wohlhabende Rentner behoben werden, die sich in Griechenland niederlassen und von den geringeren Lebenshaltungskosten profitieren . 43 Der Schuldenschnitt Als die Lage in Griechenland immer aussichtsloser wurde, drängten die Regierungen, vor allem Deutschland, auf einen Schuldenschnitt, der im Englischen haircut heißt Doch damit wurde eine Weichenstellung vorgenommen, die sich als äußerst verhängnisvoll herausstellen könnte Mit diesem angeblich freiwilligen Schuldenschnitt, der den Anlegern aufgedrängt und oktroyiert wurde, schuf man eine gewaltige Verunsicherung Im Jahr 2012 schuldete Griechenland seinen Gläubigern rund 200 Milliarden Euro Um eine ungeordnete Insolvenz abzuwenden, verlangte die Bundesregierung unverhohlen, dass private Gläubiger auf ihre Forderungen größtenteils verzichten sollten Ein solches Vorgehen ist äußerst fragwürdig, denn erstens steht es Regierungen nicht zu, private Anleger aufzufordern zu verzichten, während sie selbst keineswegs dazu bereit sind und noch nicht einmal einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorlegen können Eine solche Ambivalenz schadet der Glaubwürdigkeit <?page no="74"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 74 der Politik in hohem Maße Dass die Europäische Zentralbank von diesem Schuldenschnitt ausgenommen wurde, sorgt für weiteres Ungemach, das allen Staatsanleihen schadet . 44 Wer wird in Zukunft noch Staatsanleihen kaufen, wenn Regierungen in selbstgefälliger Manier Anleger mehr oder minder unverhohlen zwingen, »freiwillig« auf ihre Forderungen zu verzichten? Die klare Antwort: Niemand Wie aber sollen sich Staaten refinanzieren, wenn niemand mehr diese sonderbaren Papiere haben will? Zypern wurde dieser radikale Schuldenschnitt zum Verhängnis und stürzte das Land in einen tiefen Abgrund, der die Insel jahrzehntelang zu Armut und Not verdammt Zyprische Banken waren im Vertrauen auf die Europapolitik davon ausgegangen, dass die vielen Beteuerungen aus Brüssel, in der EU werde es niemals einen Schuldenschnitt geben, auch der Wahrheit entsprechen Schließlich aber setzten die Verantwortlichen einen haircut durch, der Zypern vollständig ruinierte Natürlich ereifert man sich vorher über die Spekulanten, die sich angeblich bereichert haben Doch die Tatsachen sehen anders aus: Viele Lebensversicherungen haben zu einem Großteil die Gelder in Staatsanleihen angelegt Sollten also Frau Müller und Herr Meier jubeln, wenn gerade wieder ein paar böse und unverbesserliche »Spekulanten« zur Kasse gebeten werden, dann sollten sie sich auch nicht wundern, wenn ihre Lebensversicherung mit einem hohen Verlust ausgezahlt wird Im Alter werden, spätestens wenn die Rettungspakete für den Euro eine hohe Inflation nach sich ziehen, die staatlichen Renten keineswegs mehr ausreichen Gerät die Eurozone in eine existenzielle Krise, dann dürfte es auch um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands schlecht bestellt sein Die Lösung für dieses Problem könnte eine staatliche Garantierente in Höhe von 850 Euro monatlich sein, wie sie bereits gefordert wird Der Staat weiß natürlich, dass Staatsanleihen schon zum Ladenhüter geworden sind, den die meisten Investoren meiden Ein <?page no="75"?> Der Schuldenschnitt 75 Grund dafür dürfte zudem der Collective Action Clause (CAC) sein, eine Art Umschuldungsklausel, mit der alle Staatsanleihen künftig in der EU ausgestattet werden . 45 Nach dieser Regel können Staatsanleihen zwangsweise einer Umschuldung unterzogen werden, wenn zwei Drittel der Gläubiger zustimmen Diese Hürde klingt hoch, ist es aber nicht, da Großbanken größere Pakete halten und dem Druck der Regierungen eher nachgeben Schließlich können sie die hohen Verluste umfassend steuerlich geltend machen und erhalten ergänzende Erleichterungen für die bilanzielle Bewertung Für Frau Müller und Herr Meier sieht dies ganz anders aus: Wenn die Lebensversicherung keinerlei Rendite erwirtschaftet oder sogar mit Verlust zurückgezahlt wird, steht oft nicht nur die Immobilienfinanzierung, sondern auch die Altersvorsorge auf der Kippe Überhaupt ist es ein Armutszeugnis, dass deutsche Staatsanleihen neuerdings vorsorglich mit einer Umschuldungsklausel ausgestattet werden Besonders perfide ist, dass den Versicherungen nahegelegt wird, bevorzugt Staatsanleihen zu erwerben Denn im international vereinbarten Solvency II 46 wird vorgesehen, dass Versicherungsgesellschaften für Staatsanleihen in ihrem Anlagevermögen keinerlei Sicherheiten vorhalten müssen Ganz anders verhält es sich bei Aktien und Immobilien, denn diese sind verpflichtet, bis zu hundert Prozent mit Sicherheiten vorzusorgen Die Staaten wollen mit diesen leicht durchschaubaren Maßnahmen erreichen, dass Versicherungsgesellschaften auf wertbeständige Anlagen weitgehend verzichten und dafür den »Schuldenmüll« der Staaten in ihre Bücher übernehmen Das Beispiel Argentinien Wie sehr eine Schuldenkrise in kürzester Zeit eskalieren kann, zeigt das Beispiel Argentinien Als die Katastrophe 2002 ihren <?page no="76"?> Die Schuldenkrise in Griechenland 76 Lauf nahm, wurden Beamte nicht mehr mit Geld, sondern mit Schuldscheinen vergütet Am Automaten erfolgte nur noch eine begrenzte Auszahlung Und Dollar-Guthaben, die Bankkunden auf Konten hatten, wurden per Gesetz nach einem ungünstigen Zwangskurs umgetauscht In Buenos Aires schreckte man nicht einmal davor zurück, Geld, das in privaten Pensionsfonds für die Altersvorsorge investiert wurde, in die staatliche Altersvorsorge zu überführen, um sie dann dort auch für andere Zwecke verwenden zu können Selbst über elf Jahre nach der argentinischen Staatspleite ist dem südamerikanischen Land der Zugang zu den internationalen Finanzmärkten praktisch verwehrt Buenos Aires muss für jede Finanzierung die Bürgerinnen und Bürger um Hilfe bitten, was den Zugang zu ausländischen Währungen unmöglich macht Selbst heute noch sind Gläubiger über das Verhalten von Argentinien erbittert Eine Klage in New York soll prüfen, ob Argentinien nicht doch zahlen muss Das lateinamerikanische Land hatte Anleger einst gedrängt, auf 70 Prozent der ausstehenden Forderungen zu verzichten Durch diesen Schritt hätte eine Fremdsprachensekretärin in New York fast ihre gesamte Altersvorsorge eingebüßt . 47 Mit professioneller Unterstützung reichte die Geschädigte eine Klage ein Argentinien muss nun zittern, denn der Richter nahm eine Vertragsbestimmung unter die Lupe, die so genannte Pari-passu-Klausel, der zufolge alle Gläubiger gleich behandelt werden müssen Den Gläubigern, die bereit sind, auf 70 Prozent zu verzichten, könnte die Regierung in Buenos Aires nichts auszahlen, denn sie müsste nach der Auslegung dieser Vertragsbestimmung entweder an alle eine Zahlung leisten oder an niemanden Die Klage wird von so genannten »Geierfonds« (vulture funds) geführt, die gezielt marode Staatsanleihen aufkaufen, wenn sie nur noch ein paar Cents wert sind Durch systematische Klagen <?page no="77"?> Der Schuldenschnitt 77 vor US-Gerichten werden dann die Staaten gezwungen, den vollen Wert zurückzuzahlen Diese Strategie führte beispielsweise im Falle von Peru zum Erfolg, das die Gläubiger mit 30 Prozent des ursprünglichen Wertes abfinden wollte . 48 Verklagt wurden ebenfalls Staaten wie Nicaragua, Uganda und Äthiopien Die Fonds schreckten nicht einmal davor zurück, die Zahlungen westlicher Ölgesellschaften an Schuldnernationen zu pfänden Die Geschichte beweist einigen Humor, denn noch amüsanter ging es in Deutschland zu: Ein Augsburger Anwalt setzte eine Vollstreckung gegen den argentinischen Staat durch Im idyllischen Rosenheim nahe dem Chiemsee fand damals eine Dinosaurier-Ausstellung statt Einige der Exponate - die größten jemals gefundenen Dinosaurier der Welt - stammten aus Argentinien Prompt schaffte es der Anwalt beim zuständigen Gericht, eine Beschlagnahmung der kostbaren Ausstellungsgegenstände durchzusetzen Leider konnten die Rosenheimer nicht mit erleben, wie ein Gerichtsvollzieher die Ausstellung betrat und den Millionen Jahre alten Dinosaurier mit einem Kuckuck verzierte . 49 Die bayerische Staatsregierung befürchtete das Schlimmste und untersagte die Aktion Ungemach droht solchen unbotmäßigen Ländern auch sonst: Staatsflugzeuge können plötzlich nicht mehr im Ausland landen, ansonsten würden sie umgehend konfisziert Konten in New York lassen sich nicht mehr nutzen, denn sie würden eingefroren Marineschiffe dürfen selbst in exotischen afrikanischen Häfen nicht mehr anlegen, ohne dass findige Anwälte eine sofortige Konfiszierung erwirken und die Mannschaften monatelangen Sonderurlaub unter dem tropischen Himmel genießen dürfen <?page no="79"?> Spanien: Schluss mit Siesta <?page no="80"?> Spanien: Schluss mit Siesta 80 Die schwere Krise in Spanien ist vor allem durch den Immobilienboom der vergangenen Jahre verursacht In kaum einem anderen Land dominierte die Bauwirtschaft so sehr das Land Im Vergleich zu etlichen anderen europäischen Staaten, insbesondere Deutschland, ist die Eigentümerquote in Spanien sehr hoch Ein eigenes Heim gilt in Spanien als der Lebenstraum schlechthin Mit der Einführung des Euro wurde dieser ohnehin schon übersteigerte Boom weiter angeheizt, denn nun gab es Kredite zu Spottpreisen Und auch Studierende ohne eigenes Einkommen im Alter von 20 Jahren erhielten Finanzierungen von bis zu 200 000 Euro . 50 Banken beliehen Objekte oft bis zu 100 Prozent Die variable Verzinsung war die übliche Finanzierungsform, was etlichen später zum Verhängnis wurde: Als nämlich das Zinsniveau steil nach oben schoss, konnten unzählige Eigentümer die Kredite nicht mehr bedienen Insbesondere Sparkassen vor Ort erwiesen sich als sehr freigebig In Spanien entstand ein regelrechter Immobilienrausch: Jeder glaubte, durch Wohnungen und Häuser schnell reich werden zu können Zur Hochzeit des Booms wuchs das Land um stattliche vier Prozent pro Jahr, und der prosperierende Bausektor trug mehr als zehn Prozent zum gesamten spanischen Bruttoinlandsprodukt bei . 51 Es war eine beispiellose, glamouröse Party, die jahrelang zelebriert wurde Doch dann kam der Zusammenbruch Es erwies sich als ein gravierender Fehler, eine Volkswirtschaft vorwiegend auf die Säulen von Bauindustrie und Tourismus zu stützen An der Küste Spaniens blieben reihenweise hässliche Betonruinen zurück, die die Landschaft verschandelten Um die halbfertigen Bauten wieder abzureißen, fehlt nun das Geld In der Krise wurden die Probleme Spaniens immer offensichtlicher: Eine finanzstarke Mittelschicht konnte sich nicht etablieren, und die Ausbildung ist häufig theorieorientiert und praxisfern Forschung und Entwicklung sind in Spanien nur <?page no="81"?> 81 Spanien: Schluss mit Siesta unzureichend vorhanden Die Industriebetriebe dienen eher als ausführende Werkbänke, so dass das Know-how und die entsprechenden Fachkenntnisse, die für eine Innovation sorgen könnten, im Ausland bleiben Die hoffnungslose Generation, die in Spanien heranwächst, wird als ni-ni bezeichnet: ni estudian - ni trabajan (»weder studieren sie, noch arbeiten sie«) . 52 Selbst mit 30 Jahren wohnen viele noch bei ihren Eltern, da sie sich keine eigene Wohnung leisten können Als die Immobilienblase mit einem Knall platzte, riss sie die Banken mit in den Abgrund Etliche Kreditinstitute sind längst Zombiebanken, die nur noch dank ausländischer Hilfen als Untote vor sich hinvegetieren Der größten spanischen Sparkasse Bankia droht ein Verlust von 19 Milliarden Euro . 53 Der spanische Immobilienentwickler Reyal Urbis musste 2013 Insolvenz anmelden . 54 Zuvor hatte die Regierung in Madrid sich bereits 40 Milliarden Euro geliehen, um die Banken, die aufgrund der Immobilienblase am Rande des Zusammenbruchs standen, zu stützen Seit 2007 büßten Häuser in Spanien über 40 Prozent ihres Wertes ein . 55 Die spanische Zentralbank geht davon aus, dass Kredite im Wert von 191,6 Milliarden Euro nicht mehr zurückgezahlt werden können, was die Banken enorm unter Druck setzen wird Viele Kreditinstitute lagern daher ihre uneinbringlichen Forderungen in eine staatlich eingerichtete Bad Bank aus . 56 Diese Bad Bank ermöglicht es den angeschlagenen spanischen Banken, ihre Not leidenden Kredite an den Staat abzugeben, der dann diese »Finanzfriedhöfe« verwaltet Dafür müssen sie Abschläge zwischen 32,4 und 79,5 Prozent akzeptieren . 57 Erst im Dezember 2012 gab die EU-Kommission 39 Milliarden Euro zur Rettung spanischer Bank frei . 58 Spanien weigert sich aber nach wie vor, einen offiziellen Hilfsantrag zu stellen, denn dies würde bedeuten, dass sich Madrid einem harten Sanierungskurs der Europäischen Kommission unterwerfen muss Allein die Vor- <?page no="82"?> Spanien: Schluss mit Siesta 82 stellung eine Troika könnte wie eine von Goyas Schreckensgestalten in Madrid erscheinen, alle Daten einsehen wollen und eine gnadenlose Sparpolitik implementieren, löst bei spanischen Politikern endlose Albträume aus Stattdessen hofft man, dass die Ankündigung der Europäischen Zentralbank, den Euro im Zweifelsfall uneingeschränkt zu stützen, für genügend Abschreckung sorgt und Spanien höhere Zinsen erspart bleiben Hart traf es auch die Bevölkerung Wer nicht zahlen konnte, wurde nach kurzem Prozess zwangsgeräumt Zugleich stieg die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhen Im März 2013 waren mehr als fünf Millionen Spanier ohne Beschäftigung Die EU-Kommission rechnet mit einer Arbeitslosenquote von 26,9 Prozent im Jahr 2013 . 59 Die Immobilien- und Finanzkrise treibt immer mehr Spanier in die Verzweiflung In der Kleinstadt Almassora ging eine Frau in eine Bank und zündete sich vor den Augen der entsetzten Angestellten an 60 In Málaga erhängte sich ein Mann, nachdem er erfahren hatte, dass eine Zwangsräumung seiner Wohnung unmittelbar bevorstand Eine Frau stürzte sich von ihrem Balkon, als die Beamten läuteten, um die Zwangsräumung vorzunehmen Die Hilfsorganisation Teléfono de la Esperanza verzeichnete im Jahr 2012 allein 13 Suizide, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise standen . 61 Im Jahr 2013 lag die Schuldenquote bei 84 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Spanien musste täglich 400 Millionen Euro neue Schulden machen . 62 Große Konzerne fürchten, dass das Land auf einen tiefen Abgrund zusteuert und verlassen die iberische Halbinsel oder treffen zumindest Vorsichtsmaßnahmen Der Windelhersteller Kimberly-Clark zog sich weitgehend aus Europa zurück Und der deutsche Pharmakonzern Merck verringerte die Belegschaft in Spanien um ein Fünftel Der Schweizer Zementriese Holcim schloss gar ein Werk . 63 Die Konzerne meiden Südeuropa und bevorzugen eher Schwellenländer <?page no="83"?> 83 Spanien: Schluss mit Siesta auf anderen Kontinenten, die neben niedrigeren Löhnen auch bessere wirtschaftliche und steuerliche Rahmenbedingungen bieten In Spanien sind die Lohnstückkosten von 2000 bis 2009 um 31 Prozent gestiegen - in Griechenland lag der Zuwachs sogar bei stolzen 40 Prozent . 64 Die Arbeitsproduktivität konnte aber nicht im gleichen Umfang Schritt halten Die Länder in Südeuropa nutzten den Scheinboom, der im Zuge der Euro-Einführung entstand, für kräftige und unrealistische Lohnsteigerungen, die nun die Wettbewerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigen In Deutschland stiegen die Lohnstückkosten im gleichen Zeitraum lediglich um sieben Prozent Um der Krise entgegenzuwirken, hat Spanien die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent erhöht Im öffentlichen Dienst sollen 13 000 Stellen wegfallen In Spanien werden durchschnittlich 22 Urlaubstage gewährt, während in Deutschland 30 Urlaubstage in den meisten Tarifverträgen die Regel sind . 65 Noch ist offen, ob Spanien die Krise meistert Die Wahrscheinlichkeit, dass die iberische Halbinsel an den Rand einer Katastrophe gerät, ist sehr groß <?page no="85"?> Portugal und Italien: Das Schuldendesaster <?page no="86"?> Portugal und Italien: Das Schuldendesaster 86 Exodus in Portugal Auch Portugal leidet unter der anhaltenden Staatsschuldenkrise, die die schwerste Rezession seit den 1970er Jahren auslöste Im Jahr 2012 schrumpfte die Volkswirtschaft um drei Prozent Obwohl das Land von den anderen EU-Staaten für seine engagierte Reformpolitik einhellig gelobt wird, so konnte die Regierung beispielsweise mit dem Verkauf von zehn Flughäfen 3,08 Milliarden Euro einnehmen 66 , zeigen sich in Portugal selbst kaum erkennbare Fortschritte Im Jahr 2011 erhielt Lissabon ein Rettungspaket in Höhe von 78 Milliarden Euro Aber die Krise hat dies nicht gelindert Im März 2013 demonstrierten in der Hauptstadt mehr als eine halbe Million Menschen Die Europäische Union plant Zinserleichterungen für das krisengeschüttelte Land . 67 Die Arbeitslosenquote lag 2013 bei 16,9 Prozent Damit steht Lissabon zwar besser da als Spanien und Griechenland, aber andere statistische Daten offenbaren das ganze Ausmaß des Elends Die Jugendarbeitslosigkeit beläuft sich inzwischen auf 40 Prozent . 68 Die zahllosen Steuererhöhungen lassen die Einkommen drastisch sinken So wurde neben der Tabaksteuer auch die Immobilien-, die Kraftfahrzeug- und die Mineralölsteuer angehoben Darüber hinaus gab es einen allgemeinen Zuschlag von 3,5 Prozent auf die Lohnsteuer . 69 Ab einem Einkommen von 80 000 Euro wird der Spitzensteuersatz von 48 Prozent erhoben . 70 Ausnahmen von dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 23 Prozent wurden weitgehend abgeschafft . 71 Im Gesundheitswesen wurden die Ausgaben um erschreckende 17 Prozent gekürzt Portugal gilt als eines der ärmsten Länder in Westeuropa Vor allem junge Menschen leiden unter der anhaltenden Perspektivlosigkeit Viele wohnen noch Mitte oder Ende 20 bei ihren Eltern und versuchen, durch Praktika einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden Die Proteste und Demonstrationen in der <?page no="87"?> Exodus in Portugal 87 Hauptstadt erreichten in der vergangenen Zeit den Umfang von Hunderttausenden Teilnehmern und waren die größten ihrer Art seit der so genannten Nelken-Revolution, die in den 1970er Jahren den Übergang in die Demokratie einleitete Auch in Lissabon sind Wohnungen sehr teuer und für Geringverdiener kaum erschwinglich Die Lebensmittel haben generell ein höheres Preisniveau als in Deutschland Das Bildungssystem ist nach einer Untersuchung der OECD 72 reformbedürftig Nur 28 Prozent der Arbeitnehmer haben einen Abschluss, der der Mittleren Reife entspricht In Tschechien beispielsweise liegt dieser Anteil bei mehr als 80 Prozent Die Bevölkerung stimmt angesichts der trostlosen wirtschaftlichen Verhältnisse mit den Füßen ab In den vergangenen Jahren hat mehr als eine halbe Million Portugiesen das Land verlassen - allein im Jahr 2011 waren es 150 000 . 73 Während in den 1970er Jahren die Auswanderungswellen noch nach Westeuropa, insbesondere nach Deutschland und Frankreich, gingen, haben heute die ehemaligen Kolonien eine weitaus höhere Attraktivität Hierzu gehören Brasilien und das erdölreiche Angola Auch in Portugal zeigte sich, dass der in Deutschland mit großem Getöse verkündete Fachkräftemangel in einem ambivalenten Licht erscheint Die Stadt Schwäbisch Hall hatte in einer spektakulären Aktion in den portugiesischen Medien neue Fachkräfte anwerben wollen . 74 In einer einzigen Nacht gingen in der rührigen schwäbischen Kleinstadt per E-Mail 2 .500 Bewerbungen ein 65 Portugiesen entschlossen sich sogar, spontan nach Schwäbisch Hall zu reisen, von denen 20 sofort einen Job erhielten Insgesamt erbrachte die Aktion 15 000 Bewerbungen aus Portugal Doch das Projekt war ein herber Fehlschlag: Es wurden lediglich 25 Portugiesen eingestellt Die wenigen, die mit ihrer Bewerbung Glück hatten, erhielten einen Arbeitsplatz in der von Fluktuation gezeichneten Gastronomie <?page no="88"?> Portugal und Italien: Das Schuldendesaster 88 Der unerwartete Ansturm der Portugiesen ist aber verständlich: Im Jahr 2012 war jeder dritte Hochschulabsolvent in Portugal arbeitslos . 75 Einige bekamen, wenn sie Glück hatten, einen Job in einem Callcenter Italien: Eine Nation vor der Zerreißprobe Italien ist nach Griechenland das am höchsten verschuldete Land der Eurozone Viele Beobachter glauben, dass wenn Italien fällt, die Eurozone endgültig und unwiderruflich auseinanderbricht Eine Rettungsaktion für Italien würde die Möglichkeiten der EU bei weitem übersteigen und überfordern Für besondere Unruhe und Aufregung sorgte daher die Aussage des italienischen Protestpolitikers Beppe Grillo, der prophezeite, dass Italien noch im Jahr 2013 die Gehälter und Renten nicht mehr zahlen könne Das Land sei faktisch pleite . 76 Ein unmittelbarer Zusammenbruch stehe bevor In Berlin quittierte man dieses Statement mit der üblichen Nichtbeachtung und Gleichgültigkeit, zumal der Politiker früher als Komiker tätig war Doch so einfach sollte es sich die deutsche Bundesregierung nicht machen Grillo rechnete nämlich vor, dass Rom demnächst mindestens 100 Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt nur für Zinszahlungen aufwenden müsse Ein unhaltbarer Zustand, der Italien an den Rand des Kollapses bringt Grillos Fünf-Sterne- Bewegung wurde auf Anhieb nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2013 die stärkste Partei mit 25,5 Prozent, obwohl die Bewegung zuvor nie an Wahlen auf Landesebene teilgenommen hatte Die Fünf-Sterne-Bewegung ist keineswegs nur eine groteske Protestbewegung, wie sie im Ausland häufig wahrgenommen wird, sondern eine Plattform, auf der die Italiener ihr großes Unbehagen über die Selbstbedienungsmentalität der italienischen Nomenklatura artikulieren Die Bewegung will <?page no="89"?> Italien: Eine Nation vor der Zerreißprobe 89 ungerechtfertigte Privilegien abschaffen und für mehr Transparenz und Mitbestimmung sorgen Dieser fulminante Sieg bei den Wahlen zeigt auch, wie verdrossen die italienische Bevölkerung allmählich über den rigiden Sparkurs der crauti in Berlin ist Animositäten nehmen zu In Italien ist man es leid, ständig neue Ermahnungen aus Brüssel und Berlin zu hören Der Ausgang der Wahl sendet an Brüssel ein Warnsignal Zuvor hatte Berlusconi bereits angedeutet, der Euro könnte aufgegeben werden Beppe Grillo befürwortete sogar einen Schuldenerlass Die Unsicherheiten über die Regierungsbildung in Italien spiegelten sich auch an den Finanzmärkten wider Der Zins für zehnjährige Staatsanleihen stieg von 4,17 Prozent auf 4,83 Prozent . 77 Das hoch verschuldete Italien hat langfristig nur eine realistische Chance, wenn es gelingt, die Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu steigern Das Wahlpatt, das von vielen mit der Regierungsunfähigkeit in Rom in Verbindung gebracht wird, hat in Wirklichkeit einen enormen Vorteil: Es zwingt Brüssel und Berlin, endlich Farbe zu bekennen Die beharrliche Bereitschaft mancher Regierungen, unbequeme Krisen einfach auszusitzen, findet hier schnell ein Ende Es geht um eine Grundsatzentscheidung: Will Berlin den Euro wirklich unterstützen und dafür auch wirtschaftliche Belastungen und Schwierigkeiten akzeptieren? Wenn Berlin und die anderen EU-Staaten wirklich den Euro wollen, dann müssen sie jetzt ein ehrliches, offenes und aufrichtiges Bekenntnis ablegen und auch zu den Konsequenzen stehen Je länger aber die Verantwortlichen zögern, zaudern und vertagen, desto größer wird die Problemlawine Die Eurozone wird, wenn diese Unentschlossenheit anhält, früher oder später auseinanderbrechen <?page no="91"?> Zypern: Die Enteignung einer Nation <?page no="92"?> Zypern: Die Enteignung einer Nation 92 Zu einem erschreckenden Showdown kam es in Zypern In einer bisher beispiellosen Aktion wurde das Land regelrecht in die Enge gedrängt Die EU-Kommission stellte die Insel vor die Wahl, entweder mehr als sechs Milliarden Euro selbst für die Bankenrettung aufzubringen - andernfalls werde es kein Rettungspaket in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro vonseiten der EU geben . 78 In Brüssel waren die Verantwortlichen anscheinend entschlossen, ein deutliches und abschreckendes Exempel zu statuieren Die zyprische Delegation, die zweimal die Verhandlungen ernsthaft in letzter Minute abbrechen wollte, zeigte sich letztlich doch kompromissbereit Das Resultat löste jedoch am folgenden Morgen in ganz Europa Verwunderung und Entsetzen aus Alle, die in Zypern ein Konto unterhielten, sollten zur Kasse gebeten werden Diese in der Geschichte der Europäischen Union einzigartige Enteignung der Sparer eines Landes stieß auf erbitterten Widerstand Wer mehr als 100 000 Euro auf dem Konto hatte, sollte 9,9 Prozent abführen, und bei Beiträgen unterhalb dieser Schwelle wurden immerhin noch 6,75 Prozent fällig Ohne jegliche gesetzliche Grundlage und ohne dass das Parlament in Nikosia zuvor konsultiert wurde, hatten die Banken bereits die entsprechenden Beträge in einer Nacht- und Nebelaktion einbehalten, wie die verdutzten Zyprer auf ihren Kontoauszügen feststellen konnten Selbst bei einer Notverordnung, falls diese überhaupt zulässig und durch die Gesetze und die Verfassung gedeckt ist, müsste der Präsident das Dekret unterzeichnen und vorher in einem Gesetzesblatt verkünden Nichts davon geschah Daraufhin wurde am Wochenende der gesamte Online- Zahlungsverkehr bis auf Weiteres eingestellt, und die düpierten Bürgerinnen und Bürger der Mittelmeerinsel durften nur noch einen limitierten Betrag über Geldautomaten abheben In einem Rechtsstaat aber ist es absolut verwerflich, ohne jegliche <?page no="93"?> 93 Zypern: Die Enteignung einer Nation Rechtsgrundlage und ohne vorherige parlamentarische Debatte und einen rechtmäßigen Beschluss Geld einzubehalten und den Geldverkehr zu blockieren Die Banken wurden mehrere Tage geschlossen Natürlich tarnte Zypern diese Maßnahme als »Sondersteuer« . Aber selbst eine solche Steuer benötigt eine gesetzliche Grundlage, die vorher im Parlament debattiert werden muss Dabei sind auch die formalen Gesetzgebungsverfahren einzuhalten Die EU-Kommission hat damit ein neues Kapitel eröffnet, das in der gesamten Europolitik der Glaubwürdigkeit einen großen und unwiderruflichen Schaden zufügt Wenn rechtliche Erwägungen einfach beiseite geschoben werden, dann wird bei den Bürgerinnen und Bürger der Eurozone jegliches Vertrauen verspielt . 79 Die staatliche Einlagensicherung, die sich auf maximal 100 000 Euro erstreckt und in einer EU-Richtlinie verbindlich verankert ist, wird durch solche Maßnahmen ad absurdum geführt Dass Angela Merkel kurz darauf ihre Garantie für deutsche Einlagen bekräftigt hat 80 , wirkt wenig glaubwürdig Denn für eine solche Garantie wurde kein Gesetz verabschiedet, das den Bürgerinnen und Bürger einen Rechtsanspruch einräumt Dieses Misstrauen, dass die Entscheidung ausgelöst hat, könnte in mehreren Mittelmeerländern die Skepsis der Bankkunden erhöhen Zwar hielten die Mittelmeerländer still, aber niemand kann prognostizieren, was geschieht, wenn ein solches Vorgehen im Fall Griechenlands wiederholt wird In Deutschland herrscht der Tenor vor, dass Zypern an der misslichen Lage selbst schuld sei Immer wieder wird auf schillernde russische Oligarchen, das undurchsichtige Steuerparadies und die vielen Schwarzgelder verwiesen Doch mit solchen, teilweise berechtigten Argumenten möchte man das eigene Versagen verschleiern <?page no="94"?> Zypern: Die Enteignung einer Nation 94 Tatsache ist, dass Zypern vor dem Beginn der Krise im Jahr 2008 relativ stabil war und eine geringe Staatsverschuldung aufwies Dass die Banken am Ende ruiniert waren, lag an etwas anderem: Aufgrund der engen historischen Verflechtung mit der griechischen Volkswirtschaft waren die Kreditinstitute der Insel mit griechischen Staatsanleihen »bis zum Rand voll gepumpt« Man mag dies als sträflichen Leichtsinn anprangern oder als ungezügelte Profitgier geißeln, Fakt ist aber: Die EU-Kommission hat mehrfach beredt und im vielfältigen Chor berufener Politiker versichert, es werde grundsätzlich keinen Schuldenschnitt in einem Land der Eurozone geben Die Banken auf Zypern gingen daher zu Recht davon aus, dass es so etwas auch nicht geben werde Als nun Griechenland die Gläubiger zum einem »freiwilligen« haircut zwang und auch im Parlament ein entsprechendes Gesetz einfach in Kraft setzte, verloren zyprische Banken riesige Summen, was sie in die Zahlungsunfähigkeit trieb Auch wurde hier mit zweierlei Maß gemessen: Während Brüssel Griechenland trotzdem noch weiter unterstützte, ließ man Zypern einfach fallen Zwar distanzierte sich Brüssel energisch davon, es habe die Einbeziehung der Kleinanleger gefordert Aber die gesamte Art und Weise, wie gegen Zypern vorgegangen wurde, erschüttert das Vertrauen in die gesamte Eurozone <?page no="95"?> Die lustigen Thesen der Euroretter <?page no="96"?> Die lustigen Thesen der Euroretter 96 Ich möchte Ihnen einmal ein paar besonders verwegene Fehleinschätzungen der Politik auflisten, damit Sie sich selbst ein Bild von der Glaubwürdigkeit machen können Das Handelsblatt dokumentierte diese Kaskade an Beteuerungen und Heucheleien unter der Überschrift »Es gilt das gebrochene Wort« . 81 Behauptung: Griechenland benötigt keine Hilfen Diese Äußerung stammt tatsächlich von Angela Merkel Am 21 März 2010 ließ sie vollmundig verlauten: »Hilfe steht nicht auf der Tagesordnung, denn Griechenland sagt selbst, dass es im Augenblick keine Hilfe braucht « Fragt sich auch, ob die Griechen jemals selbst geglaubt haben, sie könnten alle Schulden zurückbezahlen Bereits sechs Wochen später musste Athen um Hilfe bitten, und im Mai wurde das erste Rettungspaket für Griechenland zur Verfügung gestellt Behauptung: Die Rettungspakete sind nur eine vorübergehende Maßnahme. Originalton Wolfgang Schäuble: »Die Rettungspakete laufen aus Das haben wir klar vereinbart « (Schäuble am 24 Juli 2010) Im Jahr 2012 wird der ESM (der Europäische Stabilisierungsmechanismus) etabliert, der natürlich unbefristet läuft Behauptung: In Griechenland gibt es keinen Schuldenschnitt. Originalton des griechischen Finanzministers Giorgos Papakonstantinou vom 18 April 2011: »Ich werde langsam müde, diese Gerüchte immer zu dementieren « Bereits im Oktober 2011 wurde dann jedoch beschlossen, dass die Gläubiger auf mindestens 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten sollten Das griechische Parlament erließ sogar ein Gesetz, dass auch jene enteignet wurden, die nicht bereit waren, nach massivem Druck freiwillig zuzustimmen <?page no="97"?> 97 Die lustigen Thesen der Euroretter Überhaupt hatten die Griechen und Römer, was Vorhersagen angeht, viel mehr Sinn für die richtige Form und den nötigen Humor Warum macht man Prognosen über die zukünftige Entwicklung der Eurozone, die Verschuldung und Wirtschaftsdaten nicht in einem für das Publikum und die Massenmedien geeigneteren Format? Bei den alten Römern durften die Auguren die Zukunft aus dem Flug der Vögel herauslesen Statt langweiliger Pressekonferenzen, bei denen Statements im einschläfernden Tenor abgelesen werden, könnten doch einige Politiker mit großem Tamtam eine Parade unter dem Brandenburger Tor abhalten, natürlich flankiert von der Ehrengarde der deutschen Kavallerie Anschließend lässt man unter dem Jubel der Berliner Bevölkerung ganze Heerscharen von Tauben aufsteigen, deren Flug die Grundlage für weitere Vorhersagen bildet Der Regierungssprecher könnte dann noch etwas unverständlich Griechisches murmeln <?page no="99"?> Krisenursachen <?page no="100"?> Krisenursachen 100 Die Europäische Union hatte von Vornherein ein großes Interesse daran, den Euro in möglichst vielen Ländern einzuführen Das bezeugt auch, dass die Aufschrift »Euro« von Anfang an in griechischen Buchstaben erfolgte Besonders erstaunlich: Die damalige rot-grüne Bundesregierung, die ihre Austeritätspolitik mit einer harten Agenda 2010 verwirklichte, befürwortete die schnelle Aufnahme Griechenlands, obwohl alle Experten wussten, dass das Land noch nicht aufnahmereif war Austerität bedeutet hier eine strenge und sparsame Haushaltspolitik und damit die Reduzierung von Staatstätigkeit Ökonomische Bedenken wurden mit einer leichtfertigen »Basta-Mentalität« beiseite geschoben Dabei war allen Beteiligten klar, dass Athen bei weitem nicht einmal annähernd die im Maastricht-Vertrag definierten Konvergenzkriterien erfüllen konnte, nach denen beispielsweise das Haushaltsdefizit nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen durfte . Der Vertrag von Maastricht schreibt auch vor, dass die Schulden eines Staates 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten dürfen Bis auf einige Sonderfälle wie Luxemburg brechen alle Länder dieses Kriterium - auch Deutschland Als Griechenland in die Eurozone eintrat, war der Schuldenstand bereits weitaus höher Schon im Jahr 2003 lag er bei 100 Prozent und ist seit dem rasant gestiegen Für Frankreich und Deutschland kein Problem Damit zumindest der Schein gewahrt blieb, manipulierte Griechenland seine Statistik und drückte die Staatsschulden durch zahlreiche finanztechnische Tricks Zudem hatte das Statistikamt Griechenlands mehrfach falsche Zahlen an die EU gemeldet, um das wahre Ausmaß der Verschuldung und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit zu verschleiern Selbst wenn Paris und Berlin treuherzig beteuern, sie hätten davon nicht gewusst, so war es doch für jeden, der eins und eins zusammenzählen konnte, <?page no="101"?> 101 Krisenursachen offenkundig, dass diese nach Brüssel gemeldeten Zahlen dem Reich der Märchen entstammten Um die Konvergenzkriterien zu erfüllen, hatte die Regierung in Athen im Rahmen eines Geschäfts die Lotterieeinnahmen und die Erträge aus dem staatlichen Flughafen an US-Investmentbanken abgetreten, die dafür indirekt Kredite bewilligten, die als Währungstransaktionen getarnt waren Auch sonst ist die Verwaltung in Griechenland relativ wenig effizient Es soll über 60 000 Rentner geben, die noch Leistungen beziehen, aber längst tot sind . 82 Der Eintritt in die Eurozone bereits im Jahr 2001 wirkte für Griechenland und die anderen Mittelmeerstaaten wie der Zugang zu enorm billigen Krediten Aber statt dieses Geschenk für eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und sinnvolle Investitionen zu nutzen, wurden die Konsumausgaben erhöht In Spanien setzte ein beispielloser Immobilienboom ein, obwohl das iberische Land bereits die deutsche Eigentümerquote um fast das Doppelte übertrifft Die Eurozone wirkt nun auf die jeweilige Wirtschaft wie eine Art Feuertaufe, die die Wettbewerbsfähigkeit offenlegt Es war so, als hätte sich die bisherige wirtschaftliche Konkurrenz in ein entfesseltes Wettrennen verwandelt, bei dem schonungslos alle Schwächen und Defizite offen gelegt und enthüllt wurden Was man früher durch Währungsabwertungen diskret verschleiern konnte, trat nun gnadenlos zutage Griechenland kam nur noch im Schneckentempo voran, während Deutschland im Galopp davonpreschte Je länger der Euro seine fatale Wirkung entfalten konnte, desto mehr vertiefte sich die Kluft zwischen den Eurostaaten und verbreiterte sich allmählich zu einem unüberwindbaren Abgrund Im Jahr 2008, als die durch die Hypothekenmarktkrise in den USA ausgelöste Beinahe-Depression mit den Ausmaßen von 1929 den Globus in Atem hielt, büßte Griechenland mehr <?page no="102"?> Krisenursachen 102 als 20 Prozent seiner Wirtschaftsleistung ein und befand sich in einem Sturzflug Im Jahr 2011 stand den Griechen das Wasser bis zum Hals: Der offizielle Schuldenstand erreichte mehr als 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts . Italien lag mit 120 Prozent auf dem zweiten Platz, gefolgt von Portugal (108 Prozent) und Irland (106 Prozent) . Deutschland, das immer gerne den unantastbaren Tugendbold in der Diskussion spielte, stand mit 80 Prozent auch nicht gerade vorbildlich da . Gemäß Maastricht-Kriterien waren schließlich maximal 60 Prozent erlaubt . Eigentlich sollten bei Überschreitungen der Kriterien harte Sanktionen greifen - doch auch hier erwies sich das Papier der Verträge als geduldig Wie immer, wenn die Politik mit großem Getöse Verträge und Zusicherungen fordert, sind sie in der Praxis nicht das Papier wert, auf dem sie stehen Der Versuch Berlins, eine Schuldenbremse als wirksame Lösung der Eurokrise zu verkaufen, wirkt wie eine komödiantische Einlage Nicht einmal die Bundesländer selbst werden sich daran halten Man wird jede kleinste Überschwemmung einer Rhein- oder Donauaue oder eine dreitägige Regenperiode in der Uckermark als Katastrophe deklarieren und damit die Ausnahme von der Regel rechtfertigen Griechenland kam aus dem Schuldendesaster nicht heraus; denn bereits im Jahr 2011 mussten erneut mehr als 21 Milliarden Euro aufgenommen werden Hellas war inzwischen ein Fass ohne Boden Im Jahr 2009, als mit Giorgos Papandreou ein Sozialdemokrat mit großen Ambitionen an die Macht kam, nutzte er die Gelegenheit, um das wahre Ausmaß der Verschuldung zu offenbaren Durch den Regierungswechsel war es erheblich leichter, das Versagen der Vorgängerregierung zuzuschieben Papandreou verkündete im Oktober 2009 der relativ erstaunten Öffent- <?page no="103"?> 103 Krisenursachen lichkeit, dass das Defizit nicht, wie bis dahin verlautbart, sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sondern 12 bis 13 Prozent betrage Die Weltöffentlichkeit war verblüfft: Plötzlich sahen alle, dass Griechenland am Ende war, aber niemand hatte es zuvor für möglich gehalten oder es zumindest verdrängt In Brüssel reagierte man verärgert Auch die unzähligen beredten Beteuerungen, Griechenland würde alle Schulden vollständig zurückbezahlen, wurden nicht mehr ernst genommen Die EU-Kommission zeigte sich humorlos und nahm Athen unter Kuratel Das Land musste nun in regelmäßigen Abständen einen Rechenschaftsbericht vorlegen, der sorgfältig überprüft wurde Als pikantes Ziel wurde festgelegt, dass Griechenland im Jahr 2012 die Neuverschuldung, wie offiziell bestimmt, auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringern sollte Auch diese Zahl ist inzwischen eine fiktive Größe aus dem Märchenland Als sich die Märkte immer noch nicht beruhigen wollten, wurde im Mai das erste Hilfspaket von der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds verabschiedet Die zweite Rettungsmaßnahme folgte im Juli 2011 mit Krediten in Höhe von 109 Milliarden Euro Die Einführung des Euro war ein Kardinalfehler, der viele Länder an den Rand einer Katastrophe gebracht hat Alle historischen Währungsunionen sind bislang gescheitert Es ist erstaunlich, dass gerade Deutschland die Einführung einer Gemeinschaftswährung befürwortet hat; denn jeder einigermaßen sachkundige Beobachter konnte das Desaster im Live- Experiment in Ostdeutschland bereits in allen Schattierungen mit verfolgen Die übereilte Ausdehnung der D-Mark auf die neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung mag nachvollziehbaren und schlüssigen politischen Gründen geschuldet sein und Fakten ge- <?page no="104"?> Krisenursachen 104 schaffen haben - aus wirtschaftlicher Perspektive beschleunigte sie den unaufhaltsamen Niedergang: Noch heute hinkt die Produktivität in vielen ostdeutschen Bundesländern weit hinterher Einige Provinzen in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen sind Armutsregionen, die den Anschluss an den Westen verpasst haben Die einst prophezeiten »blühenden Landschaften« sind auch zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall verdorrende Wüsten mit ein paar mühsam bewässerten Oasen geblieben Die kuriose Idee, besonders die Solarindustrie in Ostdeutschland heimisch zu machen, erwies sich nach dem Vordrängen der Chinesen auf den Weltmarkt für Solarmodule und dem lawinenartigen Preisverfall als ein grandioser Fehlschlag Wieso stimmte Deutschland eigentlich der Währungsunion zu? Nach einem Artikel des »Spiegels« 83 forderte Frankreich für sein Ja zur Wiedervereinigung eine Währungsunion, um die erfolgreichen Deutschen an Frankreich zu binden . 84 Eine solche Ressentiment beladene Sichtweise wird der Komplexität des Sachverhalts nicht gerecht Man könnte diesen Erklärungsversuch mit dem Begriff »Einkreisungsthese« beschreiben, die in der Geschichte schon einmal äußerst gefährliche Vorstellungen hervorbrachte An dieser Erklärung sind mehrere Aspekte falsch: ▶ Zum einen lässt sich das außenpolitische Handeln von Staaten nicht auf (tiefen-)psychologische Erklärungsmechanismen wie »Überkompensation« reduzieren Staaten sind keine Menschen, daher können solche psychologischen Argumentationen nur »metaphorisch« einen Einblick gestatten Wichtiger ist es, die strukturellen Mechanismen und die Dynamik der Außen- und Wirtschaftspolitik zu erläutern und sie im Gesamtkontext zu analysieren <?page no="105"?> Die Perspektive Frankreichs 105 ▶ Ein gravierender Fehler ist auch die Einseitigkeit, mit der solche Thesen gerne in hemdsärmeliger Manier am Stammtisch vorgetragen werden In einer befremdlichen Schwarz- Weiß-Malerei wird Deutschland zum »armen Sünder« stilisiert, der von den Nachbarmächten drangsaliert wird Eine solche Erklärung ist abwegig, denn sie blendet die Sichtweise der anderen Staaten in Europa vollständig aus ▶ Die objektive Analyse sollte aber stets alle beteiligten Nationen berücksichtigen Frankreich hat seit dem Wiener Kongress 1815 zunehmend an Bedeutung verloren Die Perspektive Frankreichs Während im 18 Jahrhundert die französische Kultur und Zivilisation als absolut vorbildlich galten und in ganz Europa zum Maßstab erhoben wurden, führte Napoleons Niedergang zum schrittweisen schmerzvollen Machtverlust der Grande Nation Der kometenhafte Erfolg Großbritanniens, das mit seinem Empire zur Weltmacht aufstieg, drängte Frankreich immer mehr in den politischen und wirtschaftlichen Hintergrund Paris lebte vorwiegend vom illusionären Glanz der Vergangenheit Auch Deutschland zog mit einer erfolgreichen Industrialisierung an Frankreich vorbei und wuchs zu einer innovativen Industrienation heran Im 20 Jahrhundert schließlich ging der Niedergang weiter Zwei Weltkriege beschleunigten die Prozesse, die bereits im 19 -Jahrhundert angelegt waren Durch die beiden Katastrophen sank Europa zu einer Provinz auf dem Globus herab, und die USA und die Sowjetunion wurden zu den neuen Weltmächten, die den Ton angaben Frankreich konnte sich nie mit dieser neuen Rolle einer relativ unbedeutenden Mittelmacht arrangieren Das krampfhafte Festhalten an Indochina, als sich schon die Entkolonialisierung abzeichnete, und der verbitterte, mit allen <?page no="106"?> Krisenursachen 106 Mitteln geführte Kampf um Algerien waren Symptome für eine schleichende Angst, die die Pariser Außenpolitik bestimmte In Europa war die Außenpolitik von einer vorsichtigen, behutsamen Annäherung an Deutschland geprägt, die aber uneingestanden von einer gewissen Furcht geleitet wurde Das Land jenseits des Rheins, das in Trümmern lag, konnte erstaunlicherweise schneller und besser mit den neuen Rahmenbedingungen in der Weltwirtschaft klarkommen Die unerwartete Wiedervereinigung machte den Nachbarn mächtig und zu einer 82 Millionen Menschen umfassenden Nation im Herzen Europas Eine neue Generation in Deutschland konnte mit den erstarrten Ritualen in Verdun nichts mehr anfangen Die feierlich inszenierte Beschwörung des Elysée- Vertrages wirkt heute wie ein leeres Relikt aus den fünfziger Jahren Das deutsch-französische Verhältnis muss neu belebt werden durch andere, bessere und zeitgemäßere Formen der Gemeinsamkeit und der Verbundenheit Was Frankreich möchte, ist: Sich neu in der Welt verorten Paris ist auf Deutschland angewiesen Und dies gilt auch umgekehrt Was die Deutschen lernen sollten: Frankreich sucht die Gemeinsamkeit und möchte enger und vertrauensvoller kooperieren Dies bedeutet eine einzigartige Jahrhundertchance für ganz Europa Was Frankreich erkennen sollte: Der Nachbar jenseits des Rheins ist anders, als man in Paris gemeinhin denkt Frankreich muss die gewohnheitsmäßige Voreingenommenheit und die Scheuklappen abschütteln und einen kühnen Blick auf das Deutschland des 21 Jahrhunderts werfen Eine ernsthafte Beziehung ist eine gelebte Beziehung Warum gibt es noch keine gemeinsame deutsch-französische Nationalität? Warum werden nicht mehr Gesetzesinitiativen parallel im Bundestag und in der Assemblee Nationale behandelt? Weshalb gibt es noch nicht längst die Vereinigten Staaten von Deutschland und Frankreich? <?page no="107"?> Die Perspektive Frankreichs 107 Das deutsch-französische Verhältnis ist an sichtbaren Ergebnissen zu messen Frankreich müsste aber auch Deutschland besser verstehen, um eine intensivere Zusammenarbeit zu erreichen Das Deutschland von heute ist nicht mehr die Bonner Republik mit einer korporatistischen Deutschland GmbH Die 68er- Bewegung hat das Land grundlegend verändert Die Ost-West- Konfrontation und die Attitüden aus den fünfziger Jahren sind heute Geschichte Deutschland orientiert sich längst an den Weltmärkten Die Erfahrung nach der Wiedervereinigung hat alles, was mit dem Etikett »Sozialismus« assoziiert wird, verdächtig gemacht Der Euro wird langfristig nur Bestand haben können, wenn Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Perspektive finden und eine vertrauensvollere Partnerschaft eingehen <?page no="109"?> Die Fehler bei der Gründung der Eurozone <?page no="110"?> Die Fehler bei der Gründung der Eurozone 110 Einer der Kardinalfehler bei der Gründung der Eurozone besteht darin, dass es sich um ein rein politisches Projekt handelt, das ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten forciert wurde Jeder Politiker sollte aus der Geschichte wissen, dass niemand an den ökonomischen Rahmenbedingungen vorbeiregieren kann Nehmen wir das illustrative Beispiel Ludwigs XVI Der französische König und Marie Antoinette verbrachten ihren Tag damit, im Garten von Versailles lustige Schäferspielchen im Rokokostil zu inszenieren oder sich wie der König handwerklichen Übungen zu widmen In ihrer Einfalt übersahen sie aber, dass sich in Frankreich eine schwere ökonomische Krise zusammenbraute, die sich dann gewaltsam in der Französischen Revolution entlud Statt nun dieses Problem beherzt zu lösen, beharrte das Königspaar mit geradezu beispielloser Sturheit auf Privilegien und althergebrachte Verfahren, Sinekuren und Pfründe Der König schien nicht einmal annähernd zu begreifen, was um ihn vor sich ging Stattdessen antichambrierten Adelige, Mätressen und kuriose Ratgeber, um den König zu beraten oder sich die eine oder andere Gefälligkeit zu erbitten Bei der Gründung der Eurozone zählten in erster Linie politische Vorgaben, sei es, dass man Europa weltweit mehr Gewicht verleihen sollte, sei es (wie an deutschen Stammtischen kolportiert wurde), dass Frankreich eine deutsche Vormachtstellung verhindern wollte Welche Motive auch immer maßgeblich waren: Man klammerte die ökonomischen Faktoren vollständig aus Der Euro wurde zum unanfechtbaren Dogma eines glücklichen Europas erhoben Nur so lässt sich auch Angela Merkels Ausspruch »Scheitert der Euro, scheitert auch Europa« erklären Wie wenig diese Doktrin mit Europaliebe und Solidarität zu tun hat, wird offensichtlich, wenn man bedenkt, dass Europa mehr ist als ein Kontinent, <?page no="111"?> 111 Die Fehler bei der Gründung der Eurozone der durch bunt bedruckte Baumwolle zusammengehalten wird Europa wird letztlich von der Idee einer gemeinsamen Identität bestimmt Eine Währungsunion ist dabei nur ein völlig unbedeutender Nebenaspekt Das ist in etwa so, als behauptete jemand, eine Familie werde nur durch Steuervorteile zusammengehalten Der Betrachter muss sich über das seltsame Verständnis der Europapolitik schon sehr wundern Als 1999 der Euro zumindest als Buchgeld eingeführt wurde, hatten die Verantwortlichen Italien trotz zahlreicher Bedenken zur Währungsunion zugelassen Ebenso erhielten Portugal und Spanien das uneingeschränkte Plazet der EU-Kommission, obwohl es in diesen Ländern beträchtliche wirtschaftliche Schwierigkeiten gab, die nicht zu leugnen waren Mit dieser Aufweichung der Zulassungskriterien, die politisch gewollt war, um der Einigung Europas Vorschub zu leisten, wurde ein Präzedenzfall für die Aufnahme Griechenlands geschaffen Ab dem Jahr 1999 begann Athen, die wirtschaftlichen Kennzahlen systematisch zu schönen und zu verändern Dieses absurde Zahlenspiel, das einige Beobachter ungläubig verfolgten, beruhte aber auf einer systematischen Manipulation von Daten So verringerte sich das Haushaltsdefizit gleichsam über Nacht und auf wundersame Weise auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts Auch die Geldentwertungsrate fiel auf unter fünf Prozent, obgleich sie zuvor eine horrende Intensität erreicht hatte Schließlich bereitete sich Griechenland im Jahr 2000 darauf vor, einen offiziellen Antrag zur Aufnahme in die Währungsunion zu stellen Die meisten Politiker in den europäischen Hauptstädten waren der Auffassung, dass der Beitritt Griechenlands zur Währungsunion dem Euro keinen größeren Schaden zufügen würde In dieser Hinsicht irrten sie aber vollständig Griechenland feierte den Beitritt zum Euro im Januar 2001 mit großem Pomp, einem offiziellen Fest und freute sich, endlich <?page no="112"?> Die Fehler bei der Gründung der Eurozone 112 diesem exklusiven Club der Europäer anzugehören Die Renditen für griechische Staatsanleihen sanken dramatisch, denn mit der Einführung des Euro verfügte Hellas nun über eine stabile und solide Währung Daher griffen auch ausländische Investoren zu, die geringfügig höhere Renditen auf diese Euroanleihen erhielten Der Abstand der griechischen zur deutschen Bundesanleihe betrug letztlich nur noch 55 Basispunkte, was eine äußerst geringe Differenz war, wenn man die unterschiedlichen Risiken bedenkt Griechenland musste somit nur ein halbes Prozent Aufschlag gegenüber Deutschland zahlen Es sah aus wie ein Wunder, denn das permanent klamme Griechenland erhielt nun von den honorigen Ratingagenturen die Qualitätsnote in Form eines A-Rating In Griechenland herrschte grenzenlose Euphorie vor, so dass etliche glaubten, mit der Einführung des Euro werde sich alles zum Besseren wenden Viele Intellektuelle verbanden auch mit der Zugehörigkeit zur Währungsunion die große und einzigartige Chance, Strukturreformen endlich umsetzen und die Nation zügig modernisieren zu können Für viele war es so, als verwandelte sich Griechenland über Nacht in ein neues, prosperierendes Singapur Jedem objektivem und unvoreingenommenen Beobachter musste aber von Vornherein klar sein, dass die Eurozone mit so unterschiedlichen Volkswirtschaften nicht realisierbar war Die Vorstellung, es wäre realistisch, Länder wie Griechenland und Finnland in einer Währungsunion zusammenzufassen, grenzt an Wunschdenken Eine solche Gemeinschaft lässt sich nur durch umfangreiche, unbefristete Transferzahlungen aufrecht erhalten Allen Beteiligten war dies von Vornherein bewusst Dass dieses Projekt dennoch mit einer solchen Vehemenz und Zielstrebigkeit umgesetzt wurde, ist allein politischen Motiven geschuldet, die nie offen gelegt wurden Es ging darum, die Währungsunion um jeden Preis durchzusetzen <?page no="113"?> 113 Die Fehler bei der Gründung der Eurozone Der mit großem Eifer verkündete Maastricht-Vertrag, der die Kriterien für die Währungsunion festzurrte, war nur ein Stück Papier, das im politischen Alltag schnell übergangen wurde Insofern verwundert es auch, wie leichtgläubig manche Menschen sind Im Zweifelsfall wird die Politik sich immer über Regeln und ein noch so ausgeklügeltes Vertragswerk mit allerlei Ausflüchten hinwegsetzen, wenn es die politische Opportunität oder das Machtkalkül erfordert Die Maastricht-Kriterien, die von den Initiatoren immer als ein sicheres und verlässliches Bollwerk gegen die Staatsverschuldung gefeiert wurden, erwiesen sich als Kartenhäuser, die beim leichtesten Lufthauch in sich zusammenbrachen Niemand war auch nur im Ansatz ernsthaft gewillt, die Kriterien langfristig einzuhalten oder glaubhaft zu verteidigen Selbst als Deutschland und Frankreich dagegen verstießen, wurden keinerlei Sanktionen in Gang gesetzt Der Regelverstoß wurde als zu tolerierende Kleinigkeit lächelnd abgetan Wer sich dermaßen über Vertragswerke hinwegsetzt, darf sich nicht wundern, wenn das ganze Gebäude am Ende einsturzgefährdet ist Deutschland und Frankreich lieferten für die anderen Nationen den Freibrief und die Blaupause, auch selbst den Vertrag als Marginalie der Geschichte zu betrachten Für Länder wie Spanien, Portugal, Griechenland und Italien musste die Art, mit der man in Paris und Berlin den offenen Vertragsbruch billigte, geradezu Tür und Tor für einen ungezügelten Kreditboom öffnen Wenn schon Deutschland mit seinem Stabilitätseifer und seiner Ordnungsliebe den Maastricht-Vertrag für eine Nebensächlichkeit erachtete, wer sollte da widerstehen, es genauso zu tun? Deutschland verletzte von 2002 bis 2005 in vier aufeinanderfolgenden Jahren das Maastricht-Kriterium der Drei-Prozent- Neuverschuldungsgrenze Seit 2003 liegt zudem der öffentliche Schuldenstand Deutschlands kontinuierlich über der 60-Prozent-Grenze <?page no="114"?> Die Fehler bei der Gründung der Eurozone 114 Selbst wenn wir davon ausgehen, dass politische Erwägungen die Grundlage für dieses Europrojekt bilden, so muss man sich ernsthaft fragen, welches Ziel mit einem solchen Chaos, das manche Länder an die Grenzen der Belastbarkeit und des Erträglichen treibt, erreicht werden soll? Vielleicht werden wir eines Tages in den Memoiren bekannter Politiker lesen, welche Beweggründe tatsächlich der Währungsunion zugrunde lagen Das Buch werden Sie dann aber längst nicht mehr mit Euro bezahlen Das Beispiel: Die Wiedervereinigung Eigentlich kann sich die Politik in Deutschland nicht darauf berufen, nicht gewusst zu haben, welche Folgen eine Währungsunion haben könnte Denn als eines der wenigen Länder auf diesem Kontinent hatte Deutschland bereits eine profunde und vielschichtige Erfahrung durch die Wiedervereinigung Die vermeintlich erfolgreiche Wirtschaftspolitik lässt sich in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und den anderen Bundesländern in Ostdeutschland unverkennbar besichtigen Auch bei dieser Entscheidung spielten vorwiegend politische Motive eine Rolle, und wirtschaftliche Erwägungen wurden als sekundär und nachrangig abgetan Noch heute sind die Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland trotz einer langsamen Annäherung unterschiedlich Den Solidaritätszuschlag, der einst mit den beträchtlichen Belastungen durch den (ersten! ) Irak-Krieg begründet wurde und der nur vorübergehend erhoben werden sollte, existiert noch heute Die Mehrwertsteuer wurde erhöht - ebenso die Mineralölsteuer, die Tabaksteuer, die Versicherungs- und die Erdgassteuer Allein die Arbeitslosenversicherung musste in den 1990er Jahren um 2,5 Prozentpunkte steigen <?page no="115"?> Das Beispiel: Die Wiedervereinigung 115 Als besonders gravierender ökonomischer Fehler erwies es sich, die Ost-Mark eins zu eins in D-Mark umzutauschen 85 Die tatsächliche Wertrelation lag bei 4,3 zu eins Menschlich und politisch ist es völlig verständlich und nachvollziehbar, dass den Menschen in der DDR kein erneuter Währungsschnitt zugemutet wurde Es hätte Empörung und tiefe Verbitterung nach sich gezogen Daher war es eine richtige und vernünftige Entscheidung, das Trauma einer Währungsreform zu vermeiden Um der historischen Wahrheit gerecht zu werden, muss hinzugefügt werden, dass der Umtausch nicht generell eins zu eins erfolgte Vielmehr wurden nur laufende Zahlungen wie Gehälter, Mieten und Renten eins zu eins übersetzt Bei den Sparguthaben und den Verbindlichkeiten fand tatsächlich ein Währungsschnitt statt, da die Relation hier auf 2 zu 1 festgelegt wurde Ausgenommen waren jedoch ein Betrag von 2000 Mark je Kind, 4000 Mark für Erwachsene und 6000 Mark für Personen, die 60 Jahre oder älter waren Diese Guthaben wurden im Verhältnis eins zu eins in D-Mark umgewandelt Die wirtschaftliche Dimension der Wiedervereinigung wurde völlig falsch eingeschätzt Noch im Jahre 1990 schloss die CDU Steuererhöhungen für die Wiedervereinigung kategorisch aus Vermutlich wird man in zwanzig Jahren noch darüber lachen, dass unsere Zeitgenossen Mehrbelastungen und Abgaben für die Eurozone für unwahrscheinlich hielten In den ersten Schätzungen der Belastungen, die aus der Wiedervereinigung resultierten, taxierte man die Kosten der Einheit auf schlappe 455 Milliarden Euro Die Kosten, die sich in vielen Haushaltspositionen verstecken und auch über die Sozialversicherungen teilweise finanziert werden, werden von Fachleuten mittlerweile auf 1,6 Billionen Euro 86 geschätzt Um Italien, Spanien und Frankreich zu sanieren, wird aber ein Vielfaches davon erforderlich sein <?page no="116"?> Die Fehler bei der Gründung der Eurozone 116 Die Missachtung der ökonomischen Gegebenheiten und Voraussetzungen führte dazu, dass eine Großzahl der Unternehmen zusammenbrach und nach Schätzungen 83 Prozent der Arbeitsplätze wegfielen Selbst im Jahr 2011 betrugen die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West noch immer im Durchschnitt 17 Prozent . 87 Das Beispiel Wiedervereinigung zeigt offenkundig, welche verheerenden Konsequenzen eine übereilte Währungsunion haben kann, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausblendet <?page no="117"?> Europas Zukunft in der Welt <?page no="118"?> Europas Zukunft in der Welt 118 Das 21 Jahrhundert ist das Jahrhundert Asiens An dieser grundlegenden Erkenntnis führt kein Weg vorbei Durch zwei Weltkriege hat sich Europa endgültig ruiniert und ins weltpolitische Abseits manövriert Danach erschienen die beiden Supermächte USA und Sowjetunion auf der Weltbühne und spalteten den gesamten Globus in zwei große Lager (und ein kleineres der Blockfreien) In der gesamten Menschheitsgeschichte hat es einen solchen, die ganze Welt erfassenden Dualismus noch nicht gegeben Das Wettrüsten und der kalte Krieg brachten die Welt an den Rand einer Katastrophe Die extrem hohen Rüstungsausgaben haben auf beiden Seiten Volkswirtschaften in den vollständigen Ruin getrieben Der Ostblock brach schließlich zusammen, ohne dass dies von den Experten überhaupt vorhergesehen wurde Zur gleichen Zeit stiegen die Schwellenländer immer weiter auf und gewannen an wirtschaftlicher Macht Das 21 Jahrhundert wird eine Abkehr vom atlantischen Zeitalter hin zu einer pazifischen Ära sein Europa will diesen unübersehbaren Wandel nicht wirklich wahrhaben Man muss nur einen Blick auf einige Metropolen in Südostasien werfen, um zu erkennen, wie schnell und unaufhaltsam sich dort die Ökonomie wandelt Langfristig wird die Weltwirtschaft stark von China beeinflusst werden Europa ist nur noch der Schatten der einstigen Größe Deutschland, Frankreich und Großbritannien firmieren als Mittelmächte, deren Stimme auf der Weltbühne an Bedeutung verliert Frankreich dankt als Wirtschaftsmacht immer mehr ab und muss sich mit Italien und Spanien als kaum wettbewerbsfähige Ökonomie einstufen lassen Großbritannien wendet sich vom europäischen Kontinent ab und nähert sich den Vereinigten Staaten an Ein letzter Versuch, den Westen zu stärken, besteht darin, eine transatlantische Freihandelszone zu etablieren, die ein Gegengewicht zu Asiens Stärke bildet Die USA haben bereits die ersten Gespräche begonnen Die Vereinigten Staaten erreichen <?page no="119"?> 119 Europas Zukunft in der Welt damit, dass die Nordamerikanische Freihandelszone, die neben den USA, Kanada und Mexiko umfasst, auf die Europäische Union ausgedehnt und erweitert wird Zwar werden gentechnisch veränderte Nahrungsmittel und hormonbehandeltes Fleisch eine Verhandlungshürde hinsichtlich der Europäischen Union darstellen, aber der Wille zum Kompromiss wird auf beiden Seiten sehr groß sein Die Gefahr der Europäischen Union bestand bisher nämlich darin, sich immer stärker zu isolieren und eine Burgmentalität zu entwickeln, die die Innovationsfähigkeit weiter beeinträchtigt hätte Schon jetzt tendiert Europa dazu, sich gegenüber dem Rest der Welt abzuschotten Der verhängnisvolle Fehler, den die DDR in ihrer Endphase begangen hat, droht sich hier zu wiederholen Aber auch die höchsten Mauern und unzählige bürokratische Vorschriften, die in nichttarifäre Handelshemmnisse münden, können nicht verhindern, dass die Festung Europa letztlich dem Ansturm der Schwellenländer zum Opfer fällt Sich hinter hohen Mauern zu verschanzen, ist ein untrügliches Zeichen für Angst und eine fehlende Zukunftsperspektive Will Europa im 21 Jahrhundert bestehen, ist es auf die Partnerschaft mit den USA angewiesen Außerdem muss Europa den Weltmarkt als Chance und nicht als Bedrohung begreifen Falsch ist es auch, eine Zweiteilung Europas vorzunehmen Immer mehr kristallisiert sich trotz aller anders lautenden Bekundungen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten heraus, bei dem die Euroländer das Herz und die anderen Staaten die weniger beachtete Peripherie bilden Es wäre aber das Ende der europäischen Integration, wenn die Länder in Ost- und Südosteuropa zu unbedeutenden Zaungästen degradiert würden Jedes Land in der EU verdient es, gleichermaßen respektiert zu werden Und dies gilt auch für Länder wie beispielsweise Bulgarien, die nur selten im Mittelpunkt der Europapolitik stehen <?page no="120"?> Europas Zukunft in der Welt 120 Die größte Herausforderung für die EU wird es aber sein, ob es ihr gelingt, die Eurokrise zu meistern Wenn nicht zügig eine Grundsatzentscheidung zur Rettung des Euro gefällt wird, wird die Zukunft für die neue Währung düster aussehen Wie inkonsequent und punktuell bisher alle Interventionen waren, belegt die bisherige Geschichte der Rettungsmaßnahmen <?page no="121"?> Die Rettung des Euro <?page no="122"?> Die Rettung des Euro 122 Als immer deutlicher wurde, dass der Euro ohne umfassende Rettungspakete nicht mehr zu halten war, beschloss die Europäische Union als erstes die so genannte Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) Die EFSF verfügt über ein Volumen von 780 Milliarden Euro und kann maximal - da sie Reserven als Sicherheit vorhalten muss, um die höchste Bonitätseinstufung zu erhalten - 440 Milliarden Euro an Kredithilfen vergeben Die Einrichtung und die Legitimierung der EFSF wurden auf eine sehr merkwürdige Weise bewerkstelligt Die Staaten beriefen sich auf Artikel 122 des AEU-Vertrages (Vertrag über die Arbeitsweise in der EU), der einen finanziellen Beistand gestattet, wenn ein Land von einer Naturkatastrophe heimgesucht wird oder ein außergewöhnliches Ereignis stattfindet Ob die Einführung des Euro eine Naturkatastrophe ist, mögen jene beurteilen, die ihn eingeführt haben Da der Wortsinn »Naturkatastrophe« selbst nach kunstvollen Neuinterpretationen sich nicht zurechtbiegen lässt, dürfte das »außergewöhnliche Ereignis« zur Rechtfertigung dienen Dass die überstürzte Einführung einer völlig unzulänglich durchdachten Währungsunion in der Geschichte einem außergewöhnlichen Ereignis gleichkommt, wird wohl niemand bestreiten Gemeint ist wohl: Die schwerwiegende Finanzkrise, die 2007 begonnen hat, ist als außergewöhnliches Ereignis anzusehen, das die Auflegung eines umfassenden Rettungspaketes erfordert Begründen kann man dies so Es bleibt aber ein schaler Geschmack zurück EFSF und ESM Die EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, englisch European Financial Stability Facility) ist mit Garantien der Euro-Staaten in Höhe von 780 Milliarden Euro abgesichert und kann maximal 440 Milliarden Euro verleihen Sie wurde <?page no="123"?> 123 Die Rettung des Euro im Sommer 2010 als Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht gegründet und dient als vorläufiger Stabilisierungsmechanismus Im Sommer 2013 wird diese Gesellschaft aufgelöst Der ESM (Europäische Stabilitätsmechanismus, englisch European Stability Mechanism) ist mit 700 Milliarden Euro Eigenkapital ausgestattet Er bietet seit Frühherbst 2012 überschuldeten Mitgliedstaaten Notkredite und Bürgschaften unter subventionierten Konditionen Er ist eine internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg Auch der Europäische Stabilisierungsmechanismus ignoriert die Nichtbeistandsklausel, die im Vertrag von Maastricht 1992 verankert wurde Dadurch entsteht ein Moral-Hazard-Problem, das bedeutet: Einzelne Nationen der Europäischen Union könnten die Rettungspakete für sich ausnutzen und ihre Disziplin bei der Haushaltsführung schleifen lassen Sie gehen implizit davon aus, dass der jeweilige Staat zu systemrelevant wäre, um fallen gelassen zu werden Die im Vertrag von Maastricht verankerte Stabilität und der Wachstumspakt wurden in den vergangenen Jahren etliche Male verletzt Schon von Anfang an war bei den beteiligten Staaten nicht die Bereitschaft vorhanden, den Vertrag buchstabengetreu einzuhalten und alle Kriterien zu erfüllen Der AEU-Vertrag, der die Arbeitsweise der Europäischen Union im Detail regelt, enthält in Art 125 eine Nichtbeistandsklausel, die im Englischen als No-Bailout-Klausel bezeichnet wird Was versteht man unter dem Moral-Hazard-Problem? Moral Hazard kann mit sittlicher Gefährdung übersetzt werden Grundsätzlich besteht diese Gefährdung, wenn ein Einzelner rational in seinem Sinne handelt und dadurch gleichzeitig der Allgemeinheit schadet In Artikel 122 wird diese Bestimmung dadurch aufgehoben und relativiert, dass sie bei Naturkatastrophen oder außerge- <?page no="124"?> Die Rettung des Euro 124 wöhnlichen Ereignissen außer Kraft gesetzt werden darf Darüber hinaus hat Großbritannien bei der Vertragsgestaltung sich ausbedungen, dass für die Rettungspakete, die innerhalb der Europäischen Union gewährt werden, nur die Länder der Eurozone haften London schlägt damit jegliche Beteiligung an der Haftung für Kredite aus, die von der Europäischen Union im Rahmen der Eurostabilisierung bewilligt werden Lediglich wenn Staaten außerhalb der Eurozone in die Krise geraten, wie beispielsweise Slowenien oder Ungarn, können Zahlungsbilanzhilfen gewährt werden, für die alle EU-Staaten einstehen Mehrere Wissenschaftler haben das Gesetz, das dem ESM zugrunde liegt, vor das Bundesverfassungsgericht gebracht Die Kläger beriefen sich dabei auf die Nichtbeistandsklausel, die im Vertrag von Maastricht festgelegt wurde Demzufolge sei es ausgeschlossen, dass die Eurozone zu einer Haftungs- und Transferunion werde Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fällte am 7 September 2011 das Urteil und verwarf die Klage Das höchste Verfassungsgericht argumentierte, mit der Bewilligung der Rettungspakete sei noch keine Obergrenze überschritten Es komme aber darauf an, dass diese Grenze eingehalten werde und dass der Bundestag tatsächliche Mitbestimmungsrechte wahrnehme Das Bundesverfassungsgericht schrieb vor, dass bei zukünftigen Rettungspaketen und Finanzhilfen der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages explizit zustimmen müsse Im Oktober 2011 präzisierte das höchste Gericht in Karlsruhe sein Urteil und ordnete an, dass der Bundestag die Entscheidung über Finanzhilfen nicht an ein neunköpfiges Sondergremium delegieren dürfe Stattdessen müsse der vollständige Haushaltsausschuss des Bundestages diese Finanzhilfen genehmigen Die Einrichtung des EFSF ist in Form einer Zweckgesellschaft in Luxemburg organisiert, die am Finanzmarkt Gelder durch Anleihenemissionen aufnehmen kann Die einzelnen Staaten der Eu- <?page no="125"?> 125 Die Rettung des Euro rozone haften in ihrem Verhältnis des Anteils an der Europäischen Zentralbank in Frankfurt Für Deutschland ergibt sich daraus eine Haftung für von 28 Prozent, was konkret einer Zahlungsverpflichtung von Einlagen über 123 Milliarden Euro entspricht Die Anleihen wurden von den Ratingagenturen mit der Höchstnote AAA bewertet und sind mit bis zu 120 Prozent abgesichert Da nicht alle Länder der Eurozone bei der Gründung die höchste Bonitätsnote innehatten, müssen die Staaten mit 20 Prozent mehr haften, um insgesamt für das Instrument die AAA-Einstufung zu erhalten Im Januar 2011 wurde die erste Anleihe in Höhe von 5 Milliarden Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren aufgelegt Die Anfangsrendite lag bei 2,89 Prozent Bei den ersten Hilfsaktionen war Griechenland nicht beteiligt, da das Land gesondert Kredite von der Europäischen Union erhielt Im Rahmen des zweiten erforderlichen Hilfspakets beliefen sich die Hilfen auf 109 Milliarden Euro: ▶ Irland, das ebenfalls schwer in die Krise geraten war, erhielt im November 2010 80 Milliarden Euro ▶ Portugal wiederum bekam im Mai 2011 rund 78 Milliarden Euro aus dem Hilfsprogramm ▶ Das krisengeschüttelte Spanien, das insbesondere durch die Immobilienkrise an den Rand des Abgrunds gedrängt wurde, wurde mit 100 Milliarden Euro pauschal unterstützt Im Juli 2012 wurde dieses Paket von den beteiligten Euro-Ländern gewährt und zwar zur Stabilisierung des gefährdeten Bankensektors Für Zypern wurde eine Hilfe von ca 10 Milliarden Euro genehmigt Zypern hat aufgrund des schwer angeschlagenen Bankensektors einen enormen Kapitalbedarf Ein weiteres Euroland, das ebenfalls unter einem angeschlagenen Bankensektor leidet, ist Slowenien Es wird damit gerechnet, dass Ljubljana in Zukunft die Hilfen des Euro-Rettungs- <?page no="126"?> Die Rettung des Euro 126 schirmes in Anspruch nehmen wird Die kritischen Stimmen zu dieser Vorgehensweise mehren sich unterdessen: ▶ Die Deutsche Bundesbank warnt in einer Stellungnahme vom September 2011 vor den zahlreichen Rettungsmechanismen Durch diese Interventionen würden die Reformanstrengungen der jeweiligen Krisenländer unterminiert, und es gäbe dann eine zu geringe Haushaltsdisziplin, so dass die Einflussmöglichkeiten der anderen Euroländer deutlich reduziert würden Aufgrund der mangelnden Bereitschaft, die Ausgabendisziplin zu erhöhen, könnte sich die Eurokrise dadurch erheblich verschärfen ▶ Besonders harsche Kritik kam vom Präsidenten des IFO- Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, der die gesamte Rettungsaktion als ein gefährliches Abenteuer brandmarkte Er kritisierte insbesondere den starken Anstieg der Schulden und die beträchtliche Erhöhung der Haftungsgrenzen ▶ Eine Protestaktion gab es auch vonseiten des FDP-Bundestagsabgeordneten und renommierten Finanzpolitikers Frank Schäffler, der den Rettungsschirm heftig kritisierte Er hielt der Europäischen Union vor, die Ignorierung und Außerkraftsetzung der Nichtbeistandsklausel stelle einen erheblichen Rechtsbruch dar ▶ Auch CSU-Politiker wie Peter Gauweiler erklärten, dass sie dem Rettungsschirm nicht zustimmen könnten ▶ Im September 2011 monierte Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Intention der Euroländer, den Rettungsschirm zusätzlich mit einer Banklizenz auszustatten Dieser Schritt würde den Weg der direkten Staatsfinanzierung durch die europäische Zentralbank in Frankfurt ebnen Es stellte klar, dass dies nach den Verträgen ausdrücklich ausgeschlossen sei <?page no="127"?> Die Notenbank kauft Staatsanleihen 127 Alle Maßnahmen erwecken den Anschein, als ob hier tatsächlich versucht wird, die Nichtbeistandsklausel zu umgehen und auszuhebeln . 88 Die bilateralen Kredite für Griechenland und die Rettungspakete dienen letztlich dazu, hoch verschuldete Staaten, die sich am Rande des Bankrotts befinden, zu finanzieren . Als der Maastricht-Vertrag in Kraft gesetzt wurde, sollte dieses bail out ausgeschlossen werden . Andere EU-Staaten sollten nie für die Schulden eines anderen Landes herangezogen werden Auch wenn mit allerlei überzogenen Interpretationen und Beschönigungen versucht wird, den bail out in Abrede zu stellen, so ist es doch für jeden unvoreingenommenen Beobachter offenkundig, dass genau dies geschieht Der Maastricht-Vertrag ist heute ebenso ein Stück wertloses Papier wie die Schuldenbremse und andere Vereinbarungen Auch der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB stellt einen Tabubruch dar, der die Geldpolitik ad absurdum führt Die Notenbank kauft Staatsanleihen Diese Staatsfinanzierung über den Ankauf von Anleihen durch die Notenbank macht allmählich weltweit Schule und trägt dazu bei, das Weltfinanzsystem zu zerrütten Nicht nur Griechenland, sondern auch andere Länder müssen darauf zurückgreifen Als wäre dies noch nicht genug, wird diese Praxis auch in Großbritannien, den USA und in Japan umgesetzt Im Grunde erinnert das Ganze an einen Trick Im Mittelalter holten Könige sich Scharlatane an den Hof, die ihnen versprachen, Blei in Gold zu verwandeln Der einzige König, der je davon profitiert hat, war übrigens der sächsische König im 18 Jahrhundert Sein Alchemist konnte zwar auch kein billiges Metall in Gold verwandeln, dafür aber entdeckte er etwas anderes: das »weiße Gold« Porzellan Das ist allerdings <?page no="128"?> Die Rettung des Euro 128 die einzige Ausnahme, in der ein Staat von diesen fragwürdigen Methoden profitiert hat Wenn eine Nation nicht mehr in der Lage ist, sich über Staatsanleihen an den offiziellen Märkten zu refinanzieren, bedeutet dies einen früher oder später eintretenden Bankrott Denn die Notenbank beschafft Geld, ohne dass sie dafür eine objektiv werthaltige Deckung erhält Was sind die möglichen Szenarien, die sich aus dieser Politik ergeben? Szenario 1: Der Staat zahlt pünktlich und gewissenhaft die Zinsen und tilgt vereinbarungsgemäß. Jeder kritische Beobachter weiß, dass Griechenland nie die Schulden vollständig wird zurückzahlen können. Man müsste die Arithmetik außer Kraft setzen, um dieses Kunststück zu vollziehen. Im Übrigen gab es bereits einen mehr oder minder freiwilligen Schuldenschnitt, der dann von Athen per Zwangsmaßnahme erweitert wurde. Szenario 2: Das Land zahlt weder die Zinsen, noch werden die Schulden getilgt. In diesem Fall bleibt die Notenbank auf einem Haufen wertloser Papiere sitzen. Problem ist nur: Die EZB gehört nicht Griechenland, sondern der Eurozone. Was dann geschieht ist wahrscheinlich Folgendes: Eines Tages würde eine graue Aktennotiz von der EZB bei einem Beamten im Finanzministerium eintreffen (die Österreicher sagen »einlangen«, das klingt noch amüsanter). In diesem Schreiben steht, dass Griechenland leider die Schulden nicht mehr begleichen kann. Die Europäische Zentralbank fordert daher alle Mitgliedsstaaten auf, die EZB entsprechend dem Anteil zu rekapitalisieren. Schätzen wir die Nachzahlungen, wenn mehrere Länder vom Zahlungsausfall betroffen wären, auf weit über 700 Milliarden Euro allein für Deutschland. <?page no="129"?> Die Notenbank kauft Staatsanleihen 129 Aber was geschähe dann? Nehmen wir an, die Bundesregierung weigerte sich, diese Nachzahlungen an die EZB zu leisten Der Euro wäre noch am selben Tag Geschichte; denn ohne eine funktionierende Zentralbank gibt es auch kein Euro-Geldsystem mehr Die Folgen wären verheerend Die Länder der Eurozone müssten quasi über Nacht zu einer nationalen Währung zurückkehren Natürlich darf an dieser Stelle schon spekuliert werden, welchen Namen diese neue Währung trüge: Vielleicht Uckermark-Taler als freundliche Reminiszenz an die Bundeskanzlerin? Oder wie wäre es mit Rheingold-Mark? Sind solche satirischen Überlegungen abwegig? Die Politik wird natürlich mit allen erdenklichen Mitteln versuchen, den Euro am Leben zu erhalten Gründe gibt es dafür mehrere: ▶ Zum einen wäre ein Scheitern der Gemeinschaftswährung eine eklatante Bankrotterklärung der Politik Die gesamte Europapolitik wäre mit einem Federstrich Makulatur Selbst wenn man ein solches Desaster als Ultima Ratio in Kauf nähme, wären die Folgen so gravierend, dass niemand dem Wahlvolk ein solches Schreckensszenario zumuten möchte ▶ Billionen würde sich in nichts auflösen Der Schock wäre so gewaltig, dass die gesamte Weltwirtschaft in eine Schieflage geriete Selbst in Peking, Washington, Brasilia und Tokio wäre das Beben zu spüren Das globale Finanzsystem würde von einem Tsunami mit unvorstellbaren Ausmaßen überrollt, da eine furchtbare Kettenreaktion sich nicht vermeiden ließe ▶ Auch in Japan und in den USA befinden sich die Staatsfinanzen in einem desolaten Zustand Wie ein Dominostein würde ein Kollaps in Europa die anderen Zentren der <?page no="130"?> Die Rettung des Euro 130 Weltwirtschaft zu Fall bringen und ruinieren Nur wenige Schwellenländer würden dieses beispiellose Desaster mit leichten Blessuren überstehen ▶ Die deutsche Exportwirtschaft müsste bei einer neuen nationalen Währung eine hohe Aufwertung verkraften ▶ Eine lang andauernde Rezession mit extrem hohen Arbeitslosenzahlen wäre die Folge Hinzu kommt: Deutschland hätte den Mittelmeerländern bei einem solchen Zusammenbruch der Währungsunion praktisch alle Exporte geschenkt Es gibt nämlich in der Eurozone ein Zahlungssystem, das selbst mittelalterliche Könige und absolutistische Herrscher in helle Begeisterung versetzt hätte Betrachten wir zuerst, wie es im normalen Leben funktioniert: Wenn ein Unternehmer A aus Hamburg von einem Unternehmer B eine Maschine bestellt, dann bezahlt er dieses Gerät nach der Lieferung mit einer Überweisung Ganz anders verhält es sich, wenn ein Unternehmen aus Athen in München eine Maschine bestellt Natürlich sind viele Firmen in Griechenland knapp bei Kasse und verfügen kaum noch über das nötige Geld Also könnte unser griechischer Unternehmer zu seiner Hausbank gehen und einen Investitionskredit beantragen Da aber die griechischen Banken kaum über Mittel verfügen und die Bank die zweifelhafte Bonität des Unternehmens kennt, wird sie nicht einen müden Cent herausrücken Doch so schnell gibt niemand auf Die Hausbank des fleißigen Hellenen kann sich das Geld bei der griechischen Notenbank leihen Sie haben richtig gelesen: Es gibt nicht nur die Europäische Zentralbank in Frankfurt, sondern jedes Land verfügt gleichsam über eine souveräne Filiale, eine eigene kleine nationale Zentralbank, die in Deutschland den Namen »Deutsche Bundesbank« trägt Diese kann zwar nicht die Leitzinsen festlegen und nimmt mehr Verwaltungsaufgaben wahr, aber einen gewissen Spielraum hat <?page no="131"?> Die Notenbank kauft Staatsanleihen 131 sie und kann über schwammig definierte Notmaßnahmen (die als Emergency Liquidity Assistance bezeichnet werden) eigenes Geld schaffen, was natürlich auch rege praktiziert wird Folglich wird die griechische Notenbank selbstverständlich der griechischen Bank die Summe zur Verfügung stellen Die Bezahlung erfolgt nun so: Der Unternehmer überweist nicht das Geld persönlich nach München, sondern seine Hausbank verschafft sich das Geld über die griechische Zentralbank, die aber das Geld auch nicht hat, sondern einfach eine Anweisung nach Frankfurt an die Europäische Zentralbank weiterleitet Die EZB wiederum löst einen Zahlungsvorgang über die Deutsche Bundesbank aus, die das Geld an die Hausbank des deutschen Geschäftspartners übermittelt Diese schreibt den Betrag dann auf dem Geschäftskonto des deutschen Unternehmers gut Dieses überaus verschachtelte und verwinkelte System, das im Zeitalter des Online-Banking einen Umweg über mehrere Noten- und Geschäftsbanken nimmt, kann man eigentlich nur noch mit dem Labyrinth des Minotaurus auf Kreta vergleichen Natürlich heißt auf Griechisch »Bank« »Trapeza« (wörtlich: »Tisch«); auf diesem »Trapez« werden derartige akrobatische Finanzkunststückchen vorgeführt, die uns lehren, wie man ein Zahlungssystem so kompliziert wie möglich gestalten kann, um die eigentliche Kreditschöpfung so lange wie möglich geheim zu halten Aus dem »Saldo mortale« wird so am Ende womöglich ein »Salto mortale« auf dem Trapez Natürlich könnte man eine Überweisung auch direkt von Athen aus vornehmen Aber der eigentliche Knackpunkt ist: Wovon soll das griechische Unternehmen das bezahlen? In Wirklichkeit zahlt natürlich die Europäische Zentralbank, die das Geld einfach aus dem virtuellen Nichts schafft Was geschieht nun, wenn der griechische Unternehmer den Kredit bei seiner Hausbank nicht ausgleichen kann? Dann setzt sich ein Dominostein in Bewegung, der alle anderen in einer <?page no="132"?> Die Rettung des Euro 132 Kettenreaktion umstößt Am Ende muss die Europäische Zentralbank um einen Ausgleich der Verbindlichkeit bitten Wer zahlt am Ende? Ganz einfach: Die Bundesregierung (und die anderen EU-Länder, sofern sie noch solvent sind) muss gleichsam als haftender Gesellschafter der EZB entsprechend ihrem Anteil einspringen und Geld nachschießen Am Ende wurde die Maschine unseres geschäftstüchtigen Unternehmers aus Athen durch die Steuerzahler finanziert aus jenen Ländern, die noch kreditwürdig sind und die die EZB zur Kasse bitten kann Deren Beitrag erhöht sich natürlich noch erheblich, wenn einige weitere Länder ausfallen Bislang musste noch keine Regierung der EZB weiteres Kapital zur Verfügung stellen Eine solche Maßnahme würde in der Eurozone einen Sturm der Entrüstung und Empörung auslösen, in manchen Ländern unangenehme Neuwahlen provozieren und die Steuerzahler ängstigen und verbittern Deshalb lässt man lieber die Verbindlichkeiten sich auftürmen, solange es geht Außer ein paar Experten versteht dieses skurrile Target2- System ohnehin niemand Vielleicht sollte die EU-Kommission eine amüsantere Bezeichnung einführen Bislang hat man Geistesgrößen wie Galileo und Erasmus mit EU-Projekten geehrt Für das Target-System kommt eigentlich nur ein ausgewiesener Komödiendichter in Frage: Wie wäre es mit Molière, Aristophanes (Griechen haben wahrscheinlich schlechte Chancen) oder Goldoni (statt »Diener zweier Herren« vielleicht »Diener vieler Herren«)? <?page no="133"?> Welche Schulden haben sich angesammelt? 133 Welche Schulden haben sich angesammelt? Der exakte Betrag lässt sich leider nicht ermitteln, da er auch vom Target-System 89 und der Zahlungsfähigkeit anderer Staaten in der Eurozone abhängt, aber zumindest ungefähr lässt sich die Summe beziffern Es muss unterschieden werden, zwischen Krediten an Griechenland, die durch einen bilateralen (völkerrechtlichen) Vertrag direkt an Athen vergeben wurden, und jenen Hilfspaketen, die auf dem EFSM und dem ESM beruhen Hinzu kommen noch Haftungen für Kredite, die der Internationale Währungsfonds in Washington vergeben hat Deutschland haftet als Mitgliedsstaat bei einem Ausfall im Rahmen der Quote Dasselbe gilt natürlich für alle Verbindlichkeiten, die Griechenland gegenüber der Europäischen Zentralbank in Frankfurt hat; diese entstehen auch durch die umfangreichen Staatsanleihenkäufe Sollte Griechenland die Staatsanleihen nicht zurückzahlen, muss Deutschland einspringen Auch hier gilt die Anteilsquote Zu guter Letzt haftet Berlin, wenn die ständig wachsenden Target-Verbindlichkeiten 90 nicht erfüllt werden Kredite Höhe Grundlage Erstes Hilfspaket Griechenland 110 Mrd Euro Bilaterale (zwischenstaatl ) Verträge Zweites Hilfspake Griechenland 109 Mrd Euro Hilfspaket Portugal 78 Mrd Euro EFSM, ESM, IWF Hilfspaket Irland 62,7 Mrd Euro EFSM, ESM, IWF Hilfspaket Zypern 10 Mrd Euro ESM, IWF Hilfspaket Spanische Banken 100 Mrd Euro EFSM EZB Staatsanleihen-Käufe 161 Mrd Euro EZB Target-Zahlungssystem 880 Mrd Euro EZB <?page no="134"?> Die Rettung des Euro 134 Wenn Griechenland, Portugal, Irland, Spanien und Zypern insolvent werden sollten, dann könnte Deutschland mehr als eine halbe Billion Euro verlieren Ein größeres Desaster ergäbe sich, wenn auch Italien in die Pleite rutscht Das wäre dann der größte anzunehmende Unfall im gesamten europäischen Finanzsystem Vermutlich würde in einem solchen Szenario Frankreich sofort kollabieren, und dann lässt sich der Schaden kaum noch vernünftig beziffern Eine Billion Euro wäre noch maßlos untertrieben Im Februar 2013 hatte die Deutsche Bundesbank einen positiven Target-Saldo in Höhe von mehr als 612 Milliarden Euro . 91 Dies bedeutet: Durch den Handel und Finanztransaktionen innerhalb der Eurozone sind bereits Schulden von 612 Milliarden Euro aufgelaufen, die die Mittelmeerländer Deutschland schulden Die EZB hat dieses Geld sozusagen »ausgelegt«, damit die Rechnungen deutscher Unternehmen beglichen werden können Sollten die Unternehmen und anderen Akteure in den Mittelmeerländern jedoch außerstande sein, für diese Target- Schulden aufzukommen, wird die EZB die Bundesregierung ersuchen, diese Vorauszahlungen umgehend zurückzuerstatten Jens Weidmann, der Direktor der Deutschen Bundesbank hatte eindringlich vor den Gefahren dieses Target-Systems gewarnt . 92 Die EZB verweigerte jeden Kommentar Allein Italien schuldete der Europäischen Zentralbank im Target2-System im Februar 2013 über 256 Milliarden Euro Die Risiken, die sich durch die zahlreichen Rettungspakete, die Kredite des IWF, für die Deutschland auch teilweise aufkommen muss, die Target-Salden und die zukünftigen Rettungsmaßnahmen ergeben, sind kaum noch zu überschauen Insbesondere das Target-System 93 könnte die Schuldenlast auf schleichende Weise noch dramatisch aufblähen und zum unweigerlichen Untergang des Euro beitragen Eine (schnelle oder mittelfristige) Rückkehr zu den nationalen Währungen ist schon allein deshalb nicht <?page no="135"?> Wie sicher ist eigentlich die Einlagensicherung? 135 möglich, da dann die Mittelmeerländer für ihre Schulden nicht mehr gerade stehen müssten Allein das Finanzloch, das das Target2-System im deutschen Staatshaushalt hinterließe, würde Deutschland schnell an den Rand einer finanziellen Katastrophe bringen Und das Schuldendrama geht unvermindert weiter: Andere Krisenländer in der Europäischen Union stehen schon vor der Tür ▶ In Slowenien benötigen die Banken wieder Finanzspritzen, ▶ und auch Ungarn taumelt in eine schwere Krise ▶ Spanien und ▶ Italien werden noch umfangreiche Rettungspakete in Anspruch nehmen müssen Ob dann nicht längst die Eurozone am Ende ist? Der Euro führt dazu, dass Länder mit einer geringen Wettbewerbsfähigkeit sich in ihrer Position immer mehr verschlechtern und auf dem Weltmarkt an Bedeutung verlieren Sie werden allmählich zu Staaten, die permanent auf Hilfe angewiesen sind und nie mehr aus ihrer prekären Lage herauskommen Wie sicher ist eigentlich die Einlagensicherung? Die Einlagensicherung dient dazu, das Ausfallrisiko einer Bank zu verringern Dabei wird eine Garantie der Einlagen gegeben, zu denen neben Giro- und Tagesgeldkonten auch Sparbücher zählen Wertpapiere wie Aktien, Anleihen, Investmentfonds, ETFs, Zertifikate und Optionsscheine werden nur von der Bank verwaltet und gelten daher als Sondervermögen, das vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters geschützt ist Solche Wertpapiere werden ähnlich behandelt wie der Inhalt eines Bankschließfachs Wenn die Bank Insolvenz anmeldet, muss der Verwalter die Inhalte und die Wertpapiere herausgeben <?page no="136"?> Die Rettung des Euro 136 Was ist ein ETF? Unter einem Exchange-traded fund (ETF) wird ein Investmentfonds verstanden, der an der Börse gehandelt wird Er wird meist passiv verwaltet und bildet einen zugrundeliegenden Index ab ETFs haben keinen Ausgabeaufschlag und nur geringe Verwaltungsgebühren Außerdem verfolgen sie die Wertentwicklung des zugrundeliegenden Index ganz genau Durch diese passive Struktur werden Kostenvorteile erzielt, die durch eine nur geringe Verwaltungsgebühr an den Anleger weitergegeben werden Ganz anders verhält es sich bei Sparbüchern und Konten: Kunden, die ihr Geld auf einer Bank einzahlen, gewähren dem Institut damit einen Kredit Wenn die Bank zahlungsunfähig wird, ist das Geld verloren Da dies in der Vergangenheit bereits mehrfach geschah, hat sich im Verlauf der Geschichte ein Sicherungssystem etabliert Dabei wird unterschieden zwischen einer staatlichen, einer institutionellen und einer privaten Einlagensicherung In Deutschland wurde die erste Einlagensicherung bereits 1937 auf eigene Initiative von den Genossenschaftsbanken eingeführt, die noch heute einen guten Ruf genießen Im Jahr 1960 haben die privaten Banken eine bundesweite Sicherungseinrichtung beschlossen Bei den Sparkassen galt hingegen die so genannte Gewährsträgerhaftung, die staatlich begründet war, aber schließlich aufgrund des EU-Rechts eingeschränkt wurde Die erste größere Belastungsprobe trat im Jahr 1974 ein, als die Herstatt-Bank Insolvenz anmelden musste Eine verbindliche staatliche Sicherung der Einlagen wurde endgültig erst im Jahre 1997 durch eine entsprechende EU- Richtlinie implementiert, die in allen beteiligten Staaten umzusetzen war Die oberste Ebene der Einlagensicherung bilden grundsätzlich Vorschriften, die festlegen, welches Eigenkapital eine Bank zur Vermeidung einer Insolvenz vorhalten muss Die- <?page no="137"?> Wie sicher ist eigentlich die Einlagensicherung? 137 se konkreten Regelungen sind im Kreditwesengesetz verankert Man spricht in diesem Fall von der Solvabilität der Bank Darüber hinaus gibt es eine Haftung innerhalb der jeweiligen (institutionellen) Bankengruppe, die die Einlagensicherung weiter verbessern soll Hierzu gehören beispielsweise die Sparkassengruppen, die untereinander eine Einlagensicherung unterhalten, sowie die Genossenschaftsbanken, die über ein eigenes System der Einlagensicherung verfügen Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken bieten eine zusätzliche Sicherung, da sie auch Schuldverschreibungen, die von diesen Kreditinstituten herausgegeben worden sind, in voller Höhe absichern Eine besonders herausgehobene Bedeutung hat die gesetzliche Einlagensicherung, die durch eine EU-Richtlinie genauer definiert ist Diese EU-Richtlinie, die in den EU-Ländern als nationales Gesetz transformiert werden muss, wurde in Deutschland durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz umgesetzt Seit Dezember 2010 werden in Deutschland maximal 100 000 Euro je Person vom Staat garantiert Diese Bestimmung trifft allerdings nicht auf Banken zu, die in Deutschland lediglich eine Niederlassung unterhalten, aber keine eigenständigen Bankfilialen Im Oktober 2008 gab die Regierung in Berlin eine Erklärung ab, dass Einlagen in Deutschland uneingeschränkt von der Regierung garantiert werden . 94 Experten betrachten jedoch diese Garantie lediglich als eine formlose Erklärung, die rechtlich nicht eingeklagt werden kann Ähnliche Äußerungen zu Garantieleistungen gab es auch von Seiten der österreichischen und der griechischen Regierung Solche Staatsgarantien gelten zwar als wirksames Mittel der Einlagensicherung, sind aber rechtlich unverbindlich und gleichen mehr einer politischen Absichtserklärung, die der Beschwichtigung dient Zusätzlich gibt es in Deutschland freiwillige Einlagensicherungssysteme, die von den jeweiligen Banken organisiert <?page no="138"?> Die Rettung des Euro 138 werden Dabei wird differenziert zwischen dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken und dem des Bundesverbandes öffentlicher Banken Experten gehen aber davon aus, dass der Ausfall mehrerer größerer Banken diese privaten Sicherungssysteme bei weitem überlasten würde Außerhalb der Europäischen Union sind diese Systeme der Einlagensicherung oft weit großzügiger ausgestaltet In Norwegen beispielsweise sind Konten mit bis zu 250 000 Euro pro Person abgesichert In den USA gilt ebenfalls eine Einlagensicherung je Person von 250 000 US-Dollar In Kanada werden Einlagen mit 68 000 Euro abgesichert und in der Schweiz mit 80 000 Euro In Japan gibt es einen Höchstbetrag von 10 Millionen Yen, was ungefähr 67 000 Euro entspricht In den USA wurde die umfassende Einlagensicherung von Guthaben bereits im Jahr 1933 eingeführt Schon damals belief sich der Entschädigungshöchstbetrag auf 100 000 US-Dollar Seit der Finanzkrise im Jahr 2007 wurde dieser Betrag auf 250 000 US-Dollar aufgestockt Durch die Zypernkrise wurde deutlich, dass die Verantwortlichen im Zweifelsfall auch bereit sind, die staatliche Einlagensicherung auszuhebeln Die erste Verhandlung in Brüssel lief darauf hinaus, auch Kleinsparer für die Rettungsaktion mit heranzuziehen und die 100 000-Euro-Garantie, die in der gesamten Europäischen Union gilt, zu ignorieren Die EU-Kommission bezeichnete diese Maßnahme als Abgabe, um rechtliche Probleme zu vermeiden In Zukunft könnte ein erneuter Vorstoß in anderen Ländern nicht ausgeschlossen werden Schon die sonderbare nächtliche Verhandlungsführung in Brüssel lässt erahnen, wie unkoordiniert und ziellos derartige Rettungsaktionen in Zukunft verlaufen werden Im Ernstfall ist die Einlagensicherung nichts wert Wenn ein Staat nicht über genügend Mittel verfügt, hilft auch der gesetz- <?page no="139"?> Wie sicher ist eigentlich die Einlagensicherung? 139 liche Anspruch nichts Die private Einlagensicherung gleicht nur einem Tropfen auf dem heißen Stein und wäre bei mehreren Insolvenzen bereits überfordert Am gefährdetsten sind Anlageformen, die eine Forderung gegen die Bank darstellen Hierzu gehören die in Deutschland so beliebten Sparbücher, Bausparkonten, Tagesgelder und Termineinlagen <?page no="141"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? <?page no="142"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? 142 Eine exakte Prognose zu geben ist schwierig, denn bislang gab es noch nie ein solch gewagtes Währungsexperiment von diesen Ausmaßen Alle Vergleiche sind daher problematisch und wenig zielführend Ich möchte die Frage mit verschiedenen Szenarien beantworten, die eine unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeit haben Szenario 1: Die Apokalypse der Eurozone Gehen wir einmal vom Schlimmsten aus, wenngleich dieses Szenario glücklicherweise am unwahrscheinlichsten ist Stellen wir uns folgende Geschichte vor: Die Familie Maier lebt auf einem kleinen Bauernhof im Schwarzwald, weit abgeschieden von jedem anderen Dorf Im solarbetriebenen Radio hören sie, dass in den Städten das Chaos ausgebrochen ist Menschen ziehen plündernd und marodierend durch die Supermärkte, wo die Regale fast leer sind Die Bundeswehr muss in den verwüsteten Straßen für Ordnung sorgen, und die Regierung plant die Ausgabe von Lebensmittelkarten An den Geldautomaten können die Bürger vier Wochen lang kein Geld mehr beziehen, bis die neue Währung, der »Rheintaler«, eingeführt wird Auch dann wird die Geldmenge auf das Nötigste begrenzt Sämtliche Spareinlagen sind eingefroren worden, und der Online-Zahlungsverkehr wurde komplett unterbrochen Die Zwangsabgabe, die unter dem Namen »Refinanzierungssteuer« bekannt gegeben wird, beträgt 60 Prozent auf alle Guthaben auf Sparbüchern, Giro-, Tagesgeld- und Bausparkonten Die Eurozone ist wie ein Kartenhaus zusammengebrochen Im Bundestag streitet man sich darüber, wie ein zukünftiger Umtauschkurs aussehen könnte Einige Parlamentarier schlagen vor, die noch verbleibenden Werte von Lebensversicherungen und Kontoguthaben im Verhältnis 10 zu 1 in den Rheintaler <?page no="143"?> Szenario 1: Die Apokalypse der Eurozone 143 umzutauschen Viele Lebensversicherungen sind ohnehin nichts mehr wert, nachdem die italienische und die spanische Regierung per Dekret einen kompletten Schuldenerlass durchgesetzt haben Zypern hat inzwischen die Eurozone verlassen und gilt als Armenhaus im Mittelmeer Griechenland und Portugal strichen im Rahmen einer »freiwilligen« Staatsinsolvenz sämtliche Schulden und beriefen sich auf einen höheren Notstand Einige Politiker schlugen vor, dass jeder eine Summe von 40 Rheintalern für den Neuanfang erhalten sollte Mehrere Banken sind krachend zusammengebrochen, nachdem sie Staatsanleihen aus Südeuropa erworben hatten, die plötzlich vollständig wertlos waren Die staatliche Einlagensicherung wurde außer Kraft gesetzt, da die Regierung Berlin nicht für sechs Billionen Euro einstehen konnte Viele Bürgerinnen und Bürger standen vor dem Nichts, obwohl sie naiv geglaubt hatten, der Staat würde für ihre Einlagen zumindest bis 100 000 Euro haften Die EU-Kommission begründete den Schritt mit einem außergewöhnlichen Ereignis Auch jene, die mit Immobilien vorgesorgt hatten, erlebten eine bitterböse Überraschung Zuvor waren die Preise für Häuser und Eigentumswohnungen in Metropolen wie München, Hamburg, Berlin, Köln, Stuttgart und Düsseldorf in schwindelerregende Höhe gestiegen Mit einer großen Mehrheit beschloss der Bundestag, alle Immobilien in Deutschland mit einer staatlichen Zwangshypothek zu belegen, die 30 Jahre lang abgezahlt werden musste Auch die Gemeinden, die vor dem Ruin standen, erhöhten die Grundsteuer um ein Vielfaches, die nun nicht mehr in wertlosen Euro, sondern in harten Rheintalern entrichtet werden musste Darüber hinaus beschloss die Bundesregierung eine zwangsweise Öffnung aller Bankschließfächer in der Anwesenheit eines Beamten im Rahmen eines Finanzstabilisierungsgesetzes Wer Gold besaß, musste eine hohe Goldsteuer zahlen Gold, das <?page no="144"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? 144 nicht innerhalb einer offiziellen Frist registriert wurde, wurde entschädigungslos beschlagnahmt Einige Bundesländer waren ruiniert Sie konnten die Staatsdiener zeitweise nur noch mit Schuldscheinen bezahlen Pensionen wurden weitgehend auf das Niveau der vor kurzem eingeführten Garantierente reduziert Auf deutschen Autobahnen galt angesichts des miserablen Straßenzustands Tempo 80 Für sämtliche Bundesstraßen und Autobahnen musste eine Maut entrichtet werden In den Großstädten gab es zusätzlich eine hohe Citymaut Die Kfz-Steuer wurde um das Zehnfache erhöht - ebenso die Tabaksteuer Die Mehrwertsteuer lag inzwischen bei 27 Prozent In den Städten gab es kaum noch Gas oder Heizöl, denn Russland und andere Staaten akzeptierten weder Euro noch US-Dollar als Zahlungsmittel Vielmehr mussten Rohstoffe mit Gold oder chinesischen Yuan bezahlt werden Die Familie Maier war glücklich, dass sie rechtzeitig die Katastrophe erahnt hatte Der kleine Einsiedlerhof im Schwarzwald erwies sich als sicheres Refugium, aber dennoch war auch hier das Leben äußerst hart und trostlos Jeden Morgen gab es selbst gerösteten Gerstenkaffee, der einen bitteren Nachgeschmack hatte Das Wasser wurde aus einem Bach oder der hauseigenen Zisterne geschöpft Längeres Abkochen war notwendig geworden, nachdem die Desinfektionstabletten ausgegangen waren Auch mehrfaches Filtern durch improvisierte Tücher (die Filteranlagen waren längst verstopft und verkeimt) konnte nicht verhindern, dass das Bachwasser nach schleimigen Algen schmeckte und grünlich schimmerte Mittags gab es kleinere Weizenfladen, die mühsam selbst gebacken werden mussten, Bohnen aus der Dose, Schafgarben- und Brennnesselsalat Am schwierigsten war das Kochen, weil sie nicht mehr genügend Brennholz hatten Trotz Solaranlage gab es selten genügend Strom, da Ersatzteile fehlten Weder Internet noch Fernsehen waren verfügbar <?page no="145"?> Szenario 1: Die Apokalypse der Eurozone 145 Schon vor dem Zusammenbruch des Euro boomten Unternehmen, die Menschen für die Selbstversorgung ausrüsteten Es wurden sogar mehrtägige Seminare angeboten, die das Einkochen von Nahrungsmitteln, das Konservieren mit Salz und das Weben von Schafwolle lehrten Es wurde empfohlen, Gold und Silber sorgfältig im Garten zu vergraben Um sich gegen Plünderer mit Metalldetektoren zu schützen, rieten die Experten, im Umkreis viele Kronkorken zu vergraben Für eine Familie mit zwei Kindern benötigte man zum Überleben einen Garten mit 200 Quadratmetern Andere Experten rieten zu 3,5 Hektar Ackerland Zur Wasserversorgung sind Zisternen, Regentonnen und vielleicht ein eigener Brunnen unerlässlich Doch die Maiers mussten erkennen, dass sie bald an Grenzen stießen Die teuren Solarkocher funktionierten im Schwarzwald kaum, da der Himmel häufig bedeckt war Auch die zahlreichen Kaninchen und die Hühner, die sie zur Selbstversorgung angeschafft hatten, nützten wenig Niemand brachte es über das Herz, sie zu schlachten So wurden sie fast zu Veganern und ernährten sich von den Getreidevorräten, den Bohnen und Erbsen aus dem Keller Löwenzahn, Heidelbeeren und Brombeeren bereicherten den kargen Speisezettel Ihr Hahn, den sie über alles mochten, weckte sie morgens pünktlich um vier Und die niedlichen Kaninchen, die durch den verwilderten Garten streunten, waren eher der lieb gewordene Streichelzoo als der kulinarische Höhepunkt Auch die Kinder hatten den ganzen Tag etwas Hunger, denn Bohnen und Weizenfladen waren eine dürftige Speise Familie Maier musste ihre Kinder selbst unterrichten, da die nächste Schule weit weg war und sie hatten kein Auto mehr Das Benzin konnte ohnehin niemand mehr bezahlen Die Tankstellen akzeptierten nur noch Gold oder Silber Am schlimmsten war es abends Ohne Fernseher und Internet waren sie auf Gesellschaftsspiele angewiesen <?page no="146"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? 146 - wie Mensch ärgere dich nicht, Halma oder Dame Die Kinder litten besonders und langweilten sich An manchen Abenden schauten sie von ihrer Dachterrasse aus zu den Sternen Manchmal wurde der Schulunterricht auch ein wenig abwechslungsreich, wenn es darum ging, neue Mahlzeiten zu kochen Am mühsamsten war der Gemüseanbau; der Boden erwies sich als lehmig und wenig ertragreich Schlimm waren auch die langen Nächte, die sie im Dunkeln verbrachten Sie hatten nicht genügend Kerzen, und die beiden Campinglampen, die man durch Kurbeln aufladen konnte, waren bald defekt Wie realistisch ist das Szenario? Auch wenn in vielen Ratgebern für die Krisenvorsorge ein solch drastisches, apokalyptisches Bild beschworen wird und in den grellsten Farben Aufstände, Unruhen und Plünderungen geschildert werden, realistisch ist davon glücklicherweise nichts Auch in schweren Katastrophenzeiten wird die Lebensmittelversorgung in Deutschland völlig gesichert sein, und gewalttätige Ausschreitungen sind hierzulande eher eine seltene Ausnahme Auch in einer gravierenden Wirtschaftskrise, wenn alles in einen Abgrund taumelt, eine Währungsreform durchgeführt wird oder die Hälfte der Eurozonen-Länder in einer Depression versinkt, wird sich hier kaum etwas Entscheidendes ändern Die Infrastruktur besteht weiterhin, und der Alltag wird, wenn auch unter sehr erschwerten Bedingungen, weitergehen Wer sich gerne solchen Endzeitvisionen hingibt, hat eher ein anderes Bedürfnis: Man möchte von den alltäglichen, kleinen Sorgen und Beschwernissen ablenken und sich der großen Katastrophe widmen Man muss nicht mehr an die vielen Ärgernisse im Beruf, in der Schule und in der Familie denken, an das kaputte Auto, die schlechten Mathenoten des Filius und den unausstehlichen Kollegen und kann sich statt dessen auf den <?page no="147"?> Szenario 2: Die Abschaffung des Euro 147 Getreidevorrat, die Installation einer Solaranlage, das Weben von Stoffen und das Anlegen einer Zisterne konzentrieren Szenario 2: Die Abschaffung des Euro In diesem Szenario erfolgt die Abschaffung des Euro in geordneten Bahnen In Griechenland kommt es zu tumultartigen Szenen vor dem Parlament Die konservative Regierung wollte gerade die Renten noch einmal um zehn Prozent absenken und im öffentlichen Dienst weitere 20 000 Beamte entlassen als unerwartet ein Misstrauensantrag von der Opposition gestellt wird, der für die Regierung eine krachende Niederlage mit sich bringt Nach den eilends anberaumten Neuwahlen hat die sozialistische Partei die absolute Mehrheit, aber auch die »Goldene Morgenröte« erreicht am rechten Rand ein Rekordergebnis Immer mehr Griechen leben unter dem Existenzminimum und müssen Suppenküchen aufsuchen, um sich noch einigermaßen ernähren zu können Trotz aller Hoffnungen befindet sich die griechische Volkswirtschaft seit vielen Jahren in einer hartnäckigen Depression, aber dennoch liegt das Lohn- und Kostenniveau noch viel zu hoch Als das neu gewählte Parlament eröffnet wird, verkündet der neue Ministerpräsident mit pathetischen Worten: »Die Ausbeutung Griechenlands durch Spekulanten und ausländische Banken und Regierungen wird hiermit beendet Wir zahlen keinen Cent mehr Alle Verträge sind null und nichtig, denn die Unterschrift wurde uns abgepresst Wir lassen uns nicht länger von ausländischen Regierungen in den Ruin treiben Griechenland wird nicht mehr zahlen « Vor dem Parlament auf dem Syntagma-Platz erhebt sich tosender Jubel Menschen tanzen auf den Straßen und liegen sich in den Armen Auf der Akropolis wird die rote Fahne mit <?page no="148"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? 148 Hammer und Sichel gehisst Über dem Parthenon steigen Friedenstauben auf In New York an der Wall Street brechen die Kurse dramatisch ein Der Dow-Jones-Index verliert innerhalb einer Stunde mehr als zehn Prozent, während die Goldnotierungen innerhalb weniger Minuten um fünf Prozent zulegen Weltweit von Shanghai bis Frankfurt geben die Aktienmärkte nach Noch schlimmer trifft es die Rentenmärkte: Bei den Staatsanleihen findet eine regelrechter Ausverkauf statt, der alles in den Schatten stellt Staatsanleihen aus Italien, Portugal, Spanien, Irland und Zypern sind praktisch wertlos Frankreichs Papiere sinken auf einen Tiefststand und werden nur noch zu 30 Prozent gehandelt Selbst deutsche Staatsanleihen werden an der Börse nur noch für die Hälfte des Wertes gekauft Die ersten Lebensversicherungen müssen zugeben, dass sie nicht mehr in der Lage sind, fällig werdende Policen auszuzahlen Im Bundestag treten die Fraktionen zu einer Sondersitzung ein Die Bundeskanzlerin muss aus Köln von einer Tagung »20 Jahre CDU - eine Erfolgsgeschichte für den europäischen Mittelstand« mit dem Hubschrauber nach Berlin geflogen werden »Wir wussten es immer«, tönt es ihr von einem Abgeordneten der Grünen entgegen, »wir brauchen einen umfassenden Schuldentilgungsfonds und eine Bankenunion Wir brauchen mehr Europa und weniger Egoismus « In einer Brandrede verteidigt die Bundeskanzlerin den Euro: »Griechenland müsse seiner hohen Verantwortung gerecht werden, und ich bin mir sicher, dass auch die neue Regierung nach einer neuen objektiven und umfassenden Bewertung der Sachlage ihren Verpflichtungen jederzeit nachkommen wird « Nach dieser Sitzung, die ergebnislos endet, erklärt Italien, es sehe sich außerstande, die Schulden, die es ausländischen Spekulanten, Nutznießern und raffgierigen Banken zu verdanken habe, zu tilgen Auch in Rom bricht frenetischer Jubel aus <?page no="149"?> Szenario 2: Die Abschaffung des Euro 149 Über dem Kolosseum steigen Feuerwerksraketen auf, und die Menschenmenge tanzt vor der Spanischen Treppe in wilder Begeisterung und ruft »Viva Italia« Eine halbe Stunde später ereignet sich Ähnliches in Madrid, in Lissabon, Dublin und in Paris Der Euro verliert gegenüber dem Dollar innerhalb von zwei Stunden 30 Prozent an Wert An den Tankstellen können die Preise gar nicht mehr schnell genug angepasst werden Obwohl die Bundesregierung eine Preisänderung nur einmal am Tag morgens zugelassen hat, ändern einige Unternehmen eigenmächtig die Preise Ein Liter Benzin kostet inzwischen 3,20 Euro Aufgebrachte Autofahrer rufen die Polizei, die den Tankstellen erklärt, dass diese Preismanipulation illegal sei Die Preise könnten erst am nächsten Morgen geändert werden Daraufhin schließen die Tankstellen, um kein Benzin verkaufen zu müssen Lange Schlangen bilden sich vor den Banken und den Geldautomaten Immer mehr Menschen wollen möglichst schnell all ihr Geld abheben Die meisten Geldautomaten sind jedoch bereits leer Onlineportale von Banken brechen zusammen, da immer mehr Anleger ausländische Währungen, Gold oder sichere Staatsanleihen aus Australien und anderen Ländern kaufen wollen Das Netz ist völlig überlastet Eine Stunde später tritt die Bundeskanzlerin mit ihrem Koalitionspartner vor die Fernsehkameras In einem pathetischen Ton verkündet sie: »Der Euro, meine liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ist sicher Dafür garantieren wir, ich und die Bundesregierung Wir werden diese historische Krise bestehen, wenn wir alle zusammenhalten und an Europa glauben « Zehn Minuten später verkündet auch der österreichische Bundeskanzler die gleiche Botschaft in Wien Doch das Drama geht weiter: Finnland erklärt, es werde die finnische Mark wieder einführen und möchte nun die Sicherheiten, die Griechenland für die Rettungspakete hinterlegt hat, pfänden lassen Als finnische Ge- <?page no="150"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? 150 sandte mit dem Flugzeug anreisen wollen, lässt die griechische Luftwaffe das Flugzeug abdrängen, das daraufhin in der Türkei notlanden muss Kurze Zeit später erklärt die niederländische Regierung in Den Haag, sie werde den Gulden wieder einführen Nun geht alles schnell In Brüssel findet eine Sondersitzung statt, in der alle beteiligten Staaten der Eurozone erklären, der Euro werde lediglich vorübergehend, um die nötigen Schritte zu prüfen, abgeschafft In Deutschland macht sich Verdrossenheit breit Die Bundesregierung erklärt, es sei notwendig, die D-Mark zu einem anderen Wechselkurs als ursprünglich einzuführen Alte Banknoten, die manche noch in Schubladen und auf dem Dachboden gehortet hatten, werden für wertlos erklärt Die Verluste sind dramatisch Einige Lebensversicherungen sind nur noch 20 Prozent wert Auch Sparbücher und Staatsanleihen verfügen nur noch über einen Bruchteil ihres ursprünglichen Wertes Die zahlreichen Euro-Rettungspakete und die Target2-Schulden, mit deren Hilfe das Ausland deutsche Waren auf Kredit bezog, belaufen sich inzwischen auf über eine Billion Euro Die Ratingagenturen in New York setzen zahlungswillige Euroländer auf die Bonitätsstufe B mit negativem Ausblick Alle Staaten, die einen Schuldenschnitt proklamiert haben, werden für zahlungsunfähig erklärt In London und New York werden die ersten Klagen gegen die Schuldnerländer eingereicht In Deutschland ist man verzweifelt Ein Großteil des Vermögens, das über Jahrzehnte mühsam angespart wurde, ist durch die drakonische Währungsreform zunichte gemacht worden Auch diejenigen, die auf das Betongold, Immobilien, gesetzt hatten, mussten mit Schrecken erkennen, dass die Regierung eine staatliche Zwangshypothek einführte, wie es sie bereits nach 1948 gegeben hatte Alle Parteien im Bundestag mit Ausnahme einer eurokritischen Partei stimmten für diese Maßnahme <?page no="151"?> Szenario 2: Die Abschaffung des Euro 151 Nur wer Gold oder Silber hatte, konnte einen Teil seines Vermögens retten Aber inzwischen fiel auch der Preis der Edelmetalle, da der Weltwirtschaft eine jahrelange schwere Depression bevorstand, die alle Rohstoffe in den Abgrund zog Selbst Aktionäre erlebten einen harten Börsencrash Die Regierung erwog, Aktionäre, die sich durch Spekulation »bereichert« hatten, zu enteignen, indem über die zuständige Clearingstelle das Eigentum in den Depots aufgehoben wurde Nur Aktionäre, die über andere Clearingstellen außerhalb der Europäischen Union Wertpapiere hielten, hatten Glück Im Vorteil waren auch Eigentümer von Immobilien in Ländern, die nicht in der Europäischen Union lagen Die Schweiz erklärte jedoch, sie werde alle Eigentümer mit einer Staatsangehörigkeit eines EU-Landes den jeweiligen Behörden melden, sofern sie Immobilien in der Schweiz hätten Die Bundesregierung erließ ein neues Gesetz, das Abgaben auch auf Grundstücke in der Schweiz ausdehnte Besonders reiche Sportler, Künstler und Unternehmer hatten auf Anraten ihrer Vermögensberatungen längst Immobilien in Kanada, Australien und anderen Ländern erworben Russland gewährte großzügig wohlhabenden Investoren ein Einwanderungsvisum Das Land warb mit einem erstaunlichen Einheitssteuersatz (einer flat tax) von 13 Prozent und bot als lukrative Zugabe eine Ansiedlung in Nowosibirsk und eine geräumige Plattenbauwohnung an Willige Immigranten sollten russische Grundkenntnisse vorweisen, den Eid auf den russischen Präsidenten schwören und eine Bewerbung bei dem neuen Integrationsminister einreichen Der spanische Finanzminister reiste in seiner Verzweiflung nach Mexiko City und bat im Ministerium um eine Audienz Der Pförtner erklärte, der Haupteingang befinde sich im Umbau; er müsse deshalb das Gebäude durch den Dienstboteneingang betreten Nach vier nervenaufreibenden Stunden <?page no="152"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? 152 Wartezeit empfing ihn der sichtlich gut gelaunte mexikanische Außenminister Portugal erging es nicht besser Der portugiesische Finanzminister musste währenddessen in Brasilia vorsprechen Die brasilianische Regierung brachte ihn voller Fürsorge im Studentenwohnheim unter, wo eine zehnstündige lärmende Samba-Party mit heißen Rhythmen stattfand Nachdem er völlig übernächtigt, den brasilianischen Finanzminister um Hilfe bat, ließ dieser sich erweichen Der Minister erhielt großzügig ein brasilianisches Rettungspaket für die arme Provinz in Europa Zur gleichen Zeit in Washington: Beim Internationalen Währungsfonds lag man vor Lachen fast unter den Tischen »Diese arroganten und schnöseligen Europäer«, witzelte der Mexikaner, »heute morgen habe ich dem EU-Beauftragten einen Zehn- Dollar-Schein zugeschoben, damit er sich etwas Anständiges zum Essen kaufen kann « Wieder dröhnte der Sitzungssaal vor Lachen Zusammenfassend lässt sich festhalten: Auch dieses Szenario ist unwahrscheinlich In der Geschichte ist es ein höchst seltenes Ereignis, dass sich die Politik offen zu einem Fehler bekennt Vielmehr wird man versuchen, den Euro so lange wie möglich beizubehalten Die Kosten, die eine Abschaffung der Währungsunion nach sich zöge, sind so haarsträubend, dass man zuvor jede andere Alternative ausschöpfen wird Allein die Vorstellung, dass das gesamte Target2-System einen gigantischen Schaden hinterlässt, würde ganz Europa in den Ruin treiben Szenario 3: Der Euro bleibt Wesentlich realistischer ist dieses Szenario: Der Euro bleibt Um dieses Wunder zu bewerkstelligen, wird man unzählige Billionen in den Geldkreislauf pumpen und sämtliche Regeln brechen (natürlich heißt es im Politikerdeutsch: »objektiv aus- <?page no="153"?> Szenario 3: Der Euro bleibt 153 legen«) müssen Dieser Geldregen wird dazu führen, dass ein Großteil der Eurozone für die nächsten Jahrzehnte am Tropf der wohlhabenderen nördlichen Länder hängt Vereinzelt werden die Bankkunden maroder Kreditinstitute geschröpft, sofern dies politisch durchsetzbar ist Die Wettbewerbsfähigkeit wird immer weiter absinken, so dass etliche Unternehmen Europa endgültig verlassen Weltweit kommt es zu einer Verschiebung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse Ähnlich wie bei der Entkolonialisierung nach 1945 verlieren die westlichen Staaten ihren Führungsanspruch Das Weltfinanzsystem wird multilateral und umfasst nun auch die neuen Führungsmächte China, Indien, Mexiko und Brasilien Der Westen hingegen verliert augenscheinlich an Einfluss und Reichtum In einem letzten Aufbäumen wird als Gegengewicht die »transatlantische Freihandelszone« zwischen der Nordamerikanischen Freihandelszone (USA, Kanada, Mexiko) und der Europäischen Union etabliert Doch der Siegeszug Chinas und anderer Schwellenländer wird nicht aufzuhalten sein Vielmehr entwickelt sich Shanghai zu einem neuen mächtigen Zentrum der Weltwirtschaft neben der Wall Street Europa ist dann nur noch ein unbedeutender krisengeschüttelter Nebenschauplatz In Deutschland werden zahlreiche Unternehmen lediglich deshalb höhere Gewinne und Umsätze erwirtschaften, da sie ohnehin schon vorwiegend außerhalb Europas tätig sind Der Niedergang wird schleichend, aber immer deutlicher sichtbar sein Zuerst verkommt die Infrastruktur: Auf Autobahnen wird - natürlich wegen des Umweltschutzes und der Sicherheit (was natürlich auch ein völlig legitimes Argument ist) - ein Tempolimit von 90 Stundenkilometern eingeführt Wegen der unzähligen Schlaglöcher dürfte ein höheres Tempo ohnehin nicht mehr in Frage kommen <?page no="154"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? 154 Die Mehrwertsteuer wird stufenweise auf 27 Prozent erhöht (alle ermäßigten Sätze werden gestrichen), die Einkommensteuer optimiert (d .h ebenfalls erhöht) Das Rentensystem wird schließlich in einer Garantierente (in Höhe von 850 Euro monatlich) enden, da der demografische Wandel und die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit keine andere Wahl mehr lassen An der Krankenversicherung werden vorsichtshalber keine Änderungen vorgenommen - Patienten müssen nun aber sechs Monate auf einen Arzttermin warten Und die Zuzahlungen für Medikamente belaufen sich mindestens auf 50 Euro Italien, Frankreich, Portugal, Spanien, Zypern, Slowenien und Griechenland können nur dank großzügiger Liquiditätshilfen aus Frankfurt überleben, die natürlich als transitorische Geldmengenoptimierungen deklariert werden Die nationalen Notenbanken können selbst ihre Banken mit ELAs (Emergency Liquidity Assistance) versorgen (also mit Geld) Stellen wir uns amüsanterweise einen Einkauf im Jahr 2030 in Berlin bei einem Möbelhaus vor: Familie Müller kauft ein neues Sofa und geht an die automatisierte Kasse zum Bezahlen Auf dem Monitor erscheint nun Folgendes: »Preis: 29 .600 Euro« (einschließlich Mehrwertsteuer von inzwischen 35-Prozent und Europasolidaritätsabgabe von 10 Prozent) Vater Bernd tippt auf das Eurozeichen; doch nichts tut sich Erneut berührt er das Feld mit dem Zeigefinger, worauf ein Hinweisfeld auf dem Monitor eingeblendet wird »Leider sind Zahlungen in Euro zurzeit nicht möglich Wir bitten um Ihr Verständnis und danken Ihnen für Ihr Vertrauen Wählen Sie bitte eine andere Währung Wenn Sie Probleme oder Fragen zu den verschiedenen Zahlungsmodalitäten und Finanzierungsmöglichkeiten haben, berät Sie unser freundlicher Kundenservice gerne ausführlich Nutzen Sie auch unsere Cafeteria Heute bieten wir Ihnen Ragout und Mandelpudding Dieses Menü können Sie sogar in Euro zahlen « Über der Kasse, an der die <?page no="155"?> Szenario 3: Der Euro bleibt 155 Familie Müller steht, ist bereits ein bläuliches Warnlicht aufgeleuchtet Kunden, die in Euro bezahlen wollen, gelten nach den Konzernrichtlinien als beratungsintensiv »So ein Mist«, schimpft Bernd Müller »Aber Papa«, sagt der Jüngste, es gibt doch noch mehr Auswahlmöglichkeiten « Der Vater brummt nur mürrisch Wer hat schon Gold, dachte er verärgert Kunden, die mit Gold zahlen wollen, werden in ein diskretes Büro geführt, wo ein Wolfram-Scanner die Echtheit überprüft und feststellt, ob der Kern des Barrens oder der Münze aus relativ wertlosem Wolfram besteht Außerdem hatte er kein Gold mehr - das haben sie für den Kauf des Hauses und die Abzahlung der staatlichen Zwangshypothek verbraucht Billig wäre es ja - in Gold kostete das Sofa nur einen zehntel »Philharmoniker« (das war eine in Deutschland gängige österreichische Goldmünze) Noch günstiger war die Zahlung in Bitcoins, da gab es sogar einen Rabatt von 20 Prozent: Für das Sofa wurden nur 2 Bitcoins fällig . Ach, hätte er doch damals auf die Piraten und ein paar Informatikfreaks gehört und sich die neue Internetwährung zugelegt . Sie war nicht manipulierbar und in ihrer Geldmenge nicht veränderbar . Bitcoins waren in ihrer Wertbeständigkeit fast noch sicherer als Gold . Dumm wie er war, hielt er das Ganze für ein närrisches Projekt von ein paar Nerds, die den ganzen Tag vor ihrem Computer in Sandalen ohne Socken herumlungerten Die Security des Möbelhauses musterte ihn schon grimmig und misstrauisch, da er noch immer ratlos vor dem Bildschirm stand Wie sollte er jetzt zahlen? Vielleicht tat es die alte Couch doch noch, obwohl an manchen Stellen schon die Sprungfedern herauskamen Vielleicht sollte er in »Globo« zahlen, der neuen Einheitswährung der europäisch-amerikanischen Freihandelszone (EUNAFTA) Aber auch hier weigerte sich das Gerät, die Zahlung entgegenzunehmen; diesmal leuchtete sogar ein rotes <?page no="156"?> Wohin wird uns die Eurokrise führen? 156 Warnlicht auf Mist, dachte er, er musste doch in wertvollen Renminbi, der »Volkswährung« wie es übersetzt hieß, bezahlen Selbst beim Bäcker und im Supermarkt nahm man die roten Scheine, die das Porträt Mao Tsetungs zierte, obwohl die Bundesregierung die Händler per Gesetz gezwungen hatte, Euro anzunehmen Aber wer beim Bäcker das Brot mit Euro zahlen wollte, erhielt das Altbackene von vorgestern, auch wenn die Verkäuferin wortreich beteuerte, das Brot sei frisch Er drückte auf das Feld mit der Aufschrift »Renminbi« und zahlte 500 Yuan für das Sofa Kein Schnäppchen, aber auch nicht zu teuer Der Betrag wurde per Near-Field-Communication über sein Smartphone abgebucht und zur Überwachung des Zahlungsverkehrs direkt an die Europäische Zentralbank in Paris weitergeleitet In Frankfurt befand sich nur noch eine kleinere Dependance, die das Gästehaus verwaltete Wie realistisch ist dieses Szenario? Auch wenn dieses Szenario satirisch überzogen sein mag, so enthält es doch einen realistischen Kern: Die Staaten der Eurozone werden so lange wie möglich versuchen, die Währungsunion beizubehalten Wegen des historischen Niedrigzinsniveaus wird eine schleichende »Enteignung« stattfinden Langfristig werden vermutlich mehrere Länder aus der Eurozone wie beispielsweise Griechenland ausscheiden Da aber auch die anderen Länder nur wenig wettbewerbsfähig sind, und dies gilt vor allem für Italien, Spanien und Frankreich, ist es fraglich, ob der Euro langfristig Bestand hat Am ehesten ist dies denkbar mit einigen wenigen Mitgliedsländern wie Deutschland, Österreich, die Niederlande, Finnland und Luxemburg Aufgrund der gigantischen Verschuldung, die allein durch das Target2-System und die Rettungspakete entstanden ist, gilt es aber dennoch als ungewiss, ob sich dieses Währungssystem langfristig halten wird <?page no="157"?> Eine sichere Währung <?page no="158"?> Eine sichere Währung 158 Die bisherige Wirtschaftsgeschichte zeigt überaus deutlich, dass es verhängnisvoll ist, die Ausgestaltung eines Währungssystems dem Staat zu überlassen In schwierigen Situationen ist die Versuchung für die Politik allzu groß, die Stabilität aufzuweichen und sämtliche Vereinbarungen, Zusicherungen und Verträge über Bord zu werfen Allein die wechselvolle Geschichte der Inflationen belegt, wie häufig Staaten ohne Skrupel bereit waren, das Vermögen ihrer Bürgerinnen und Bürger leichtfertig zu opfern In der Antike und im Mittelalter war es für die Machthaber weitaus schwieriger, eine Geldentwertung vorzunehmen Gold- und Silbermünzen mussten mit unedlem Metall gestreckt werden, was längere Zeit dauerte Die Betroffenen konnten die noch wertvollen Münzen horten Eine Währungsreform war praktisch unmöglich, da niemand den Wert des Goldes oder des Silbers außer Kraft setzen konnte Auch drakonische Gesetze verhinderten nicht, dass wertvolle Münzen zu Hause in Verstecken gebunkert wurden Moderne Währungssysteme hingegen öffnen Tür und Tor für jedwede Manipulation Mit der Virtualisierung des Geldes genügt ein einziger Knopfdruck, um eine Hyperinflation in Gang zu setzen oder um über Nacht Millionen von Konten einzufrieren, wie es in Zypern geschehen war Exkurs: Die Geschichte der Inflation Im Folgenden soll kurz die Geschichte der Inflation skizziert werden, damit Sie einen Eindruck erhalten, welche Auswirkungen dieses Phänomen hat <?page no="159"?> Exkurs: Die Geschichte der Inflation 159 Shakespeares Inflation Die erste extreme Inflation, die in der Wirtschaftsgeschichte relativ gut dokumentiert ist, ist die so genannte Große Elisabethanische Inflation, die zur Zeit Shakespeares in der zweiten Hälfte des 16 Jahrhunderts stattfand, als Elisabeth die Große in England regierte Der Historiker Georg Wiebe fand bereits 1895 heraus, dass damals die Preise um das Dreibis Vierfache stiegen Betroffen waren vor allem Grundnahrungsmittel . 95 Die Ursache für die damalige Hyperinflation war, dass zu viel Silber in den Geldkreislauf geriet Nachdem Kolumbus Amerika entdeckt hatte, konnte das Edelmetall in großen Mengen nach Europa importiert werden Aufgrund der Gier der spanischen Krone gab es immer mehr Silbermünzen So entstand eine gewaltige Geldentwertung Obwohl Spanien damals die mit Abstand größte Seemacht der Welt war und über einen enormen Reichtum verfügte, besiegelte die Inflation letztlich den Untergang, so dass England zur wichtigsten europäischen Macht aufstieg Der Dreißigjährige Krieg Eine weitere Geldentwertung trat zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) auf Historiker nennen diese Periode auch die Kipper- und Wipperzeit Diese merkwürdige und heute unverständliche Bezeichnung bedeutet Folgendes: »Wippen« ist ein altes Wort für »wiegen« Die Münzen, die sich im Umlauf befanden, wurden in den Kriegszeiten gewogen; schwere Münzen enthielten vor allem viel Edelmetall wie Gold und Silber und wurden daher vorsorglich aussortiert (»gekippt«) Diese Münzen wurden eingeschmolzen, neu geprägt und mit Blei, Zinn oder Kupfer vermengt Der Grund für diese Praxis war natürlich, dass die Heere im Dreißigjährigen Krieg riesige <?page no="160"?> Eine sichere Währung 160 Summen verschlangen Damals gab es keine stehenden Heere wie zur Zeit des Absolutismus und keine nationalen Armeen im Rahmen einer Wehrpflicht, sondern nur raffgierige und skrupellose Söldnerheere, die ausreichend besoldet werden mussten; ansonsten konnten diese Legionäre sehr schnell die Fronten wechseln Zwar gab es im Deutschen Reich eine einheitliche Reichsmünzordnung, die den genauen Edelmetallgehalt bei Silbermünzen festlegte; diese gesetzliche Regelung war aber nur für so genannte Reichskurantmünzen verbindlich, die im gesamten Deutschen Reich verwendet wurden Unter Kurantmünzen versteht man Münzen, die für den Geldumlauf gedacht sind und deren Wert in etwa ihrem Metallwert entspricht Auf den kleineren Marktplätzen in den Städten und Dörfern wurden Zahlungsmittel mit geringerem Wert wie Pfennige, Batzen oder Groschen eingesetzt, die nicht der Reichsmünzordnung unterlagen Die jeweiligen Herrscher nutzten diese Gesetzeslücke, um diese Zahlungsmittel durch die Beimischung von wertloseren Metallen zu verschlechtern . 96 Dieses Vorgehen uferte dann dermaßen aus, dass zunehmend mehr Münzen auch nachgeprägt wurden In der damaligen Zeit bezeichnete man diese als »Heckenmünzen« Im süddeutschen Raum wurden so die reichsweit geschützten Großmünzen nachgeprägt, die dann als wertlosere »Kippertaler« Verbreitung fanden Die Französische Revolution Eine weitere größere Geldentwertung gab es zur Zeit der Französischen Revolution, als im Jahr 1789 der Landbesitz der Adeligen auf vermögenslose Bauern aufgeteilt wurde Diese Landreform erfolgte durch »Berechtigungsscheine«, die Assignaten genannt wurden und allmählich die Funktion von Banknoten <?page no="161"?> Exkurs: Die Geschichte der Inflation 161 übernahmen . 97 Anfangs galten die neuen Papiere als sehr solide, da sie durch den Anspruch auf Grundbesitz gedeckt waren Später jedoch druckte die Regierung in Paris immer mehr Assignaten, so dass ihr Wert zunehmend verfiel Im Jahr 1793 hatten die Scheine wegen der rasanten Inflation nur noch die Hälfte der Kaufkraft Die Jakobiner versuchten, der fortschreitenden Geldentwertung Herr zu werden, indem sie Preisverordnungen erließen, die die Höchstpreise für Lebensmittel deckelten Wer sich weigerte, das Papiergeld anzunehmen, dem drohte die Todesstrafe durch die Guillotine Doch die Assignaten wurden dennoch immer weniger wert, so dass sich Händler weigerten, sie als Zahlungsmittel zu akzeptieren Schließlich fand 1796 eine Währungsreform statt, und die Assignaten wurden im Verhältnis 30 zu 1 gegen die neue Währung getauscht, die in Erinnerung an die Deckung durch Grundstücke den seltsamen Namen »Territorialmandate« trug Man konnte sie unmittelbar in Grund und Boden eintauschen Aber auch das konnte den dramatischen Verfall nicht mehr aufhalten: Ein Jahr später entsprach ihre Kaufkraft nur noch drei Prozent ihres ursprünglichen Wertes, so dass die Regierung alle »Mandate« für ungültig erklären ließ Damit beendete Frankreich vorerst das glücklose Experiment mit Papiergeld und kehrte zu Silbermünzen zurück, die nun als die neue Währung »Franc« eingeführt wurden Die Hyperinflation von 1923 Ein besonders dramatisches und lehrreiches Beispiel ist die Hyperinflation von 1923, die die Weimarer Republik in ihren Grundfesten erschütterte und Millionen von Menschen verarmen ließ Diese Katastrophe begann eigentlich mit dem Ersten Weltkrieg, der die Staatsfinanzen in ganz Europa ruinierte Schon im August 1914 hätten weitsichtige Zeitgenossen erken- <?page no="162"?> Eine sichere Währung 162 nen können, wohin das Ganze führt, und wären in der Lage gewesen, ihr Vermögen zu retten Denn bereits damals verkündete die Reichsbank öffentlich, sie werde Banknoten nicht mehr auf Wunsch mit Gold einlösen, wie es im Kaiserreich gesetzlich üblich war Jeder konnte damals eine Banknote auf Verlangen in Goldmünzen umtauschen Mit der Aufhebung der Noteneinlösungspflicht begann eigentlich schon der erste Schritt zur Enteignung durch Inflation Denn jeder, der etwas nachdachte, hätte sofort die Absicht hinter diesem Dekret erkannt Bekanntlich endete auch das an sich solide Bretton-Woods- System, das nach 1945 installiert wurde, damit, dass die USA ihre Dollarnoten nicht mehr gegen Gold eintauschen wollten - auch hier hatte ein Krieg, nämlich der Vietnam-Krieg, die Staatsfinanzen völlig zerrüttet Als weitere Maßnahme beschloss die Reichsbank in Deutschland, die Golddeckung aufzuheben Im Kaiserreich musste bislang ein Drittel aller Banknoten durch das gelbe Edelmetall abgesichert sein Auch hier hätten bei den Zeitgenossen die Alarmglocken schrillen müssen Doch statt dessen kaufte man sogar in einem falsch verstandenen Patriotismus Kriegsanleihen, die dann zur Zeit der Weimarer Republik zwar vollständig zurückgezahlt wurden; für den Gegenwert konnte man sich aber noch nicht einmal eine Streichholzschachtel kaufen Noch grotesker ist die Aktion »Gold gab ich für Eisen«, bei der die Bevölkerung aufgefordert wurde, Goldschmuck und (erschreckend genug) sogar Trauringe zu spenden, wofür die eifrigen Bürger eine wertlose »Medaille« der Reichsbank als Dank erhielten, die die denkwürdige Aufschrift »Gold gab ich zur Wehr - Eisen nahm ich zur Ehr« trug Wer weiß, vielleicht gibt es demnächst eine »Euroverdienstmedaille« für Verteidiger des Eurosystems? <?page no="163"?> Exkurs: Die Geschichte der Inflation 163 Als der Krieg zu Ende war, konnte die Weimarer Republik die hohen Folgekosten kaum noch schultern Es gab Millionen von Arbeitslosen, Verwundeten, Witwen und Hungernden Frankreich verlangte die Reparationen in Naturalien und besetzte das Ruhrgebiet, um Kohle zu beschlagnahmen Im Jahr 1923 schließlich druckte Berlin so viel Geld, dass die Inflation atemberaubende Ausmaße annahm Angestellte und Arbeiter mussten in der Mittagspause einkaufen gehen; denn schon am Abend war das Geld weniger wert Um einen einzigen Brief zu frankieren, musste man eine Briefmarke im Wert von 10 Milliarden Mark aufkleben Im November 1923 kostete ein US-Dollar unglaubliche 4,2 Billionen Mark Eine Goldmark aus dem Kaiserreich war am Höhepunkt der Krise 55 Milliarden Mark in Papiergeld wert Damals gab es natürlich noch keinen Aktienindex wie den DAX, der erst im Jahr 1988 eingeführt wurde Das Statistische Reichsamt berechnete aber einen eigenen Index des deutschen Aktienmarktes Dieser stand im Jahr 1919 bei 44 Punkten Im Jahr 1923 schließlich, als die Hyperinflation wütete, erreichte der Index den überwältigenden Stand von 299 409 865 171 Punkten Wer also vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs sein Vermögen hätte schützen wollen, hätte mehrere Möglichkeiten gehabt: Das gesamte Vermögen entweder in Gold oder Goldmünzen umtauschen oder ▶ in Aktien (beispielsweise von Siemens) anlegen Aktien wurden damals - anders als heute - noch als richtige Urkunden mit hübschen Motiven gedruckt und konnten daher zu Hause (im eigenen Safe oder unter der Matratze) aufbewahrt werden ▶ Wer hingegen auf Anleihen, Sparbücher und Guthaben gesetzt hatte, verlor alles Der Staat zahlte zwar zurück, aber selbst Tausende Mark, mit denen man vor dem Krieg ein <?page no="164"?> Eine sichere Währung 164 Einfamilienhaus hätte kaufen können, reichten noch nicht einmal mehr für eine Tasse Kaffee Aber auch wer vorgesorgt hatte, musste mit zahlreichen Repressalien rechnen, die einem Macchiavelli Ehre gemacht hätten: So war der Privatbesitz von Gold in den Jahren von 1923 bis 1931 in Deutschland verboten Hart traf es auch jene, die geglaubt hatten, Immobilien seien eine sichere Sache Zwar profitieren sie enorm, denn ihr Vermögen blieb trotz der galoppierenden Inflation erhalten, und die Preise für Häuser schossen in astronomische Höhen Aber die Eigentümer hatten die Rechnung ohne den Staat gemacht, der dank der sorgfältig verwalteten Grundbücher genau wusste, wer was besaß Der Staat führte unverzüglich eine hohe Hauszinssteuer ein, mit der 1924 alle Eigentümer belegt wurden . 98 Diese Steuer wurde bis 1943 beibehalten und diente in den Anfangsjahren vor allem der (sicher sinnvollen) Förderung des Wohnungsbaus Nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholte sich dieses Spiel; damals schreckte der Staat nicht davor zurück, alle Häuser mit einer Zwangshypothek (einer Hypothekengewinnabgabe) zu belegen, die jahrzehntelang abbezahlt werden musste Und diese Maßnahme wurde nicht etwa in der DDR umgesetzt, sondern in Westdeutschland Anleger, die glauben, sich mit Immobilien gegen eine schwere Eurokrise schützen zu wollen, sollten diese historischen Begebenheiten nie vergessen Die Währungsreform von 1948 Eine weitere Inflation gab es während der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg Durch zahlreiche gesetzliche Maßnahmen und durch die Ausgabe von Lebensmittelkarten sowie Lohnstopps konnte die Geldentwertung über viele Jahre systematisch verschleiert werden <?page no="165"?> Exkurs: Die Geschichte der Inflation 165 Nach dem Kriegsende wurde die Inflation immer sichtbarer Die Reichsmark war eine Währung, die keine Zukunft mehr hatte; denn 1945 lag die Staatsverschuldung nach Schätzungen von Experten bei 400 Prozent 99 Im Juni 1948 wurde daher die D-Mark als alleiniges Zahlungsmittel in den drei Westzonen der Alliierten eingeführt Jeder erhielt ein »Kopfgeld« in Höhe von 40 D-Mark, das an den Ausgabestellen für Lebensmittelkarten bar überreicht wurde; im Folgemonat wurden noch einmal 20 D-Mark ausbezahlt Unternehmen bekamen 60 D-Mark Durch ein kompliziertes Abwicklungsverfahren wurden Bargeldbestände an Reichsmark umgewandelt 100 Berücksichtigt man alle Schritte und alle späteren Gesetzesergänzungen (die im Jahr 1957 hinzukamen), dann erhielten die Menschen für 10 Reichsmark nur 1 D-Mark Löhne, Mieten und Renten wurde im Verhältnis von eins zu eins behandelt, während man für 100 Reichsmark Sparguthaben 6,50 D-Mark bekam Bausparkonten wurden in der Relation 10 zu eins umgewandelt Dasselbe gilt für Hypotheken Die neuen Banknoten, die heute sehr wertvolle Sammlerstücke sind, wurden in New York und Washington gedruckt und auf dem Seeweg nach Bremerhaven geliefert Als Vorbild für die Banknote über 50 D-Mark von 1948 <?page no="166"?> Eine sichere Währung 166 einfallsreiche grafische Gestaltung der Geldscheine dienten übrigens amerikanische Eisenbahnaktien Historiker glauben heute, dass die schnelle Einführung der D-Mark verhindern sollte, dass die Sowjetunion einen Vorschlag für eine gemeinsame Währung in allen vier Zonen unterbreitete Dadurch hätte Moskau seine Einflussmöglichkeit auf den Westteil stärken können Die Währungsreform von 1948 war vor allem für jene Menschen nachteilig, die keine Sachwerte hatten: Wer Waren oder Wertgegenstände gehortet hatte, erlitt durch die Währungsreform einen geringeren Schaden Hauseigentümer, die einigermaßen glimpflich durch den Zweiten Weltkrieg gekommen waren, mussten jedoch eine harte Hypothekengewinnabgabe leisten, die über eine Art staatliche Zwangshypothek abgewickelt wurde Wer durch Immobilieneigentum wegen der Währungsreform von 1948 Vorteile hatte, musste im Rahmen des Lastenausgleichs eine Abgabe entrichten Die Berechnung erfolgte auf diese Weise Die Grundschuld wurde im Verhältnis 10 zu eins umgestellt Das bedeutet beispielsweise: Eine bestehende Grundschuld von 1 000 Reichsmark wurde in 100 D-Mark umgewandelt Diese musste der Eigentümer weiterhin an die Bank entrichten Die Umstellung erfolgte aber nur scheinbar in der Relation 10 zu eins, denn der Eigentümer musste noch 900 D-Mark als Hypothekengewinnabgabe über mehrere Jahre an den Staat zahlen Diese Einnahmen wurden dann für den Lastenausgleich verwendet In Wirklichkeit wurden Hypotheken also nicht 10 zu eins, sondern eins zu eins umgewandelt, wenn man die Hypothekengewinnabgabe berücksichtigt <?page no="167"?> Exkurs: Die Geschichte der Inflation 167 Welche Vermögensgegenstände alle Krisen überstanden hätten Die Erfahrung aus dieser Zeit lehrt also: Wer möglichst unbeschadet sein Vermögen hätte retten wollen, wäre am besten gefahren, wenn er sich Gold, Silber, Kunst und andere Wertgegenstände zugelegt hätte Immobilien wurden im Nachhinein sehr hoch besteuert Bei Aktien ist die Beurteilung schwieriger Da viele Unternehmen nach 1945 ruiniert oder kaum noch funktionsfähig waren, dauerte es bis Ende der 1950er Jahre, ehe sich der Aktienmarkt deutlich erholte Natürlich gibt es nur ganz wenige Unternehmen, die seit dem 19 Jahrhundert sämtliche Katastrophen des 20 Jahrhunderts unbeschadet überstanden haben Siemens ist dafür ein Beispiel und in den USA das von Thomas Edison gegründete General Electric, das auch die Weltwirtschaftskrise von 1929 überstand Fassen wir zusammen: Wenn Sie die möglichen Katastrophen im 21 Jahrhundert unbeschadet überstehen und Ihren Kindern und Enkeln eine finanzielle Zukunft ermöglichen wollen, können wir aus der bisherigen Geschichte folgende Schlussfolgerungen ziehen: ▶ Die törichteste Anlageform sind mit großem Abstand Staatsanleihen Nationen ist es mit einem einzigen Federstrich nach Gutdünken möglich, Millionen von Menschen kalt lächelnd zu enteignen Angesichts der Vielzahl der Staatsbankrotte sind Staatsanleihen die schlechteste und gefährlichste Form der Krisenvorsorge Hinzu kommt die Inflation, die ein Vermögen sehr schnell dezimieren kann ▶ Unternehmensanleihen sind zwar, sofern das Unternehmen als solide gilt, vergleichsweise sicherer als Staatsanleihen, aber nur wenige Firmen haben alle Katastrophen überstanden Auch hier ist die Zahl der Insolvenzen gigantisch Des- <?page no="168"?> Eine sichere Währung 168 halb eignen sich auch die Schuldverschreibungen von Unternehmen nicht wirklich als Krisenvorsorge Schon nach zwei Jahrzehnten finden Sie auf den Kurslisten der Börsen die meisten Firmen nicht mehr Sie sind entweder pleite oder haben mit anderen Unternehmen fusioniert oder die Börsennotierung aufgegeben Niemand kann Ihnen sagen, welches Unternehmen noch im Jahr 2050 oder 2080 Bestand haben wird ▶ Aktien können auch Kriege, Staatsinsolvenzen, Hyperinflationen, Währungsreformen und schwere Krisen überstehen Sie sollten allerdings beachten, dass es nur wenige Unternehmen gibt, die sich über Jahrzehnte behaupten können; hier gilt sinngemäß das, was bereits über Unternehmensanleihen dargestellt wurde Ob es Apple in hundert Jahren noch geben wird, halte ich für fragwürdig Entscheidend ist auch, wo die Aktien aufbewahrt werden Viele Aktionäre hatten während der NS-Zeit ihre Papiere bei der Reichsbank in Berlin in einem sicheren Tresor deponiert, der auch schwere Bombardierungen überstand Das große Pech der Anleger war es allerdings, dass die Reichsbank im Ostteil Berlins lag Sämtliche Wertpapiere waren wertlos, da dort die DDR das Sagen hatte InunsererheutigenZeitwerdenWertpapiereelektronischüber Clearingstellen verwaltet Ein Staat oder die EU-Kommission müsste, um Aktionäre zu enteignen, nur entsprechende »Korrekturen« in den Dateien vornehmen und die Einträge löschen lassen Natürlich sind solche drastischen Maßnahmen, die der Eigentumsgarantie Hohn sprechen, heute nicht vorstellbar Aber die Geschichte lehrt uns, dass auch scheinbar unmögliche und unvorstellbare Dinge eintreten können Niemand hat heute mehr Originalurkunden im Safe liegen Das erspart den Behörden viel Aufwand, wenn es darum ginge, Vermögen im Rahmen eines »Euro-Lastenausgleichs- <?page no="169"?> Exkurs: Die Geschichte der Inflation 169 gesetzes« einzuziehen oder zu belasten Unter dem Gesichtspunkt der Transparenz ist das Wertpapierclearing genauso effizient wie ein Grundbuch ▶ Wesentlich besser geschützt sind natürlich Menschen, die in ihrer Krisenvorsorge auf Edelmetalle setzen Allerdings gab es in der Geschichte schon zahlreiche Goldverbote, die auch mit drakonischen Maßnahmen durchgesetzt wurden Sicherer ist es daher, auf Silber, das aber auch teilweise einem Verbot unterlag, oder andere Sachwerte zu setzen ▶ Das Problem bei vielen anderen Sachwerten besteht darin, dass es für sie keinen besonders transparenten und liquiden Markt gibt Darüber hinaus setzen Investments fundierte Fachkenntnisse voraus, und die Händler verursachen oft hohe Kosten durch Zuschläge, die zwischen 30 und 50 Prozent liegen können Um eine sinnvolle Rendite zu erwirtschaften, müssen solche Sachwerte schon exorbitant im Wert steigen, wenn allein beim Kauf der Händler 50 Prozent abkassiert Bei Kunst, Porzellan, alten Büchern und Briefmarken sind solche Margen nicht ungewöhnlich Auch auf Auktionen lässt sich dieser Händlergewinn kaum auf unter 20 Prozent drücken Nur wer sich intensiv und profund in einen solchen Markt eingearbeitet hat, kann angesichts dieser vielfältigen Gefahren eine vernünftige Rendite erzielen Beispiele für solche Sachwerte sind Kunst, seltene Briefmarken, Weine, Whisky, Bücher, Uhren und andere Sammlerwerte Man sollte beachten, dass solche wertvollen Sammlerstücke nur bei autorisierten Händlern zu erwerben sind Das Internet birgt in dieser Hinsicht große Gefahren Selbst kostbare Uhren wurden schon so täuschend echt gefälscht, dass Experten das Gehäuse öffnen mussten, um unter der Lupe das Firmenlogo auf winzigen, fast mikroskopisch kleinen Zahnrädern zu suchen Allerdings erfordert die Einarbeitung enorme Zeit Ohne eine umfassende Expertise läuft man sehr schnell Gefahr, <?page no="170"?> Eine sichere Währung 170 extrem hohe Verluste zu machen oder auf Fälschungen hereinzufallen Ein Beispiel sind Briefmarken Die meisten Sammlungen sind aus der Sicht von eingefleischten Philatelisten bestenfalls Altpapier Nur wenige erlesene Prachtstücke erzielen auf Auktionen hohe Preise und bieten eine einigermaßen akzeptable Rendite Briefmarken, die nach 1960 herausgebracht wurden, können Sie im Prinzip (mit Ausnahmen von seltenen Fehldrucken) vollständig vergessen Nur äußerst seltene Einzelstücke aus der Zeit der Währungsreform und den 1950er Jahren bringen vielleicht - wenn sie gut erhalten und echt sind - eine akzeptable Rendite Noch besser sind Briefmarken aus dem 19 Jahrhundert Insgesamt ist aber das Interesse an Briefmarken im Zeitalter der E-Mail überaus rückläufig Daher befürchten Fachleute weitere Preisrückgänge Wesentlich besser schneiden unter Renditegesichtspunkten Weine und Whisky ab Dennoch sollten Sie erkennen, dass solche eher exotischen Sachwerte nur für kleinere Vermögen eine Beimischung sein können und dass die Rendite und die Verwertbarkeit nach einer Krise immer mit einem Fragezeichen versehen werden müssen <?page no="171"?> Die Gefahren einer Fiat-Währung <?page no="172"?> Die Gefahren einer Fiat-Währung 172 Mit dem Begriff Fiat-Währung werden Geldsysteme bezeichnet, deren Wert nicht durch andere Vermögenswerte gedeckt ist, sondern allein auf dem Vertrauen in eine Volkswirtschaft beruht Der Staat schafft gleichsam aus dem Nichts (lateinisch fiat - »es werde«) Geld Ein solches Verfahren geht so lange gut, wie die Bürgerinnen und Bürger und das Ausland der Volkswirtschaft genügend Vertrauen entgegenbringen Der gesamte Wert des Geldes ist von einer soliden und durchdachten Wirtschaftspolitik abhängig Der Staat hat dadurch theoretisch die Möglichkeit, Geld in unbegrenzter Menge zu schaffen, sofern die Inflation nicht ausufert Je mehr aber Banknoten in Umlauf gebracht werden, desto schneller entwickelt sich die Geldentwertung China war das erste Land der Welt, das Banknoten in Umlauf brachte Die ersten Geldscheine lassen sich in der Stadt Chendu nachweisen, die bereits in der Song-Dynastie (960 - 1127) Papiergeld kannte Der Venezianer Marco Polo war der erste Europäer, der diese Errungenschaft mit Staunen in seinen Reiseberichten beschrieb In Europa selbst setzte sich das Papiergeld erst sehr viel später durch Eine Vorstufe bildete sich im 17 Jahrhundert in Amsterdam heraus, als Buchgeld bei kaufmännischen Transaktionen zugelassen wurde Allerdings wurde die Deckung durch Geldmünzen streng überwacht Die ersten richtigen Banknoten wurden im 17 Jahrhundert in Stockholm herausgegeben Auch in England gab es ab 1694 und in Köln ab 1705 die ersten Geldscheine Das Interesse in der Bevölkerung war aber gering, so dass es bei einem lokalen Experiment blieb Endgültig durchsetzen konnte sich das Papiergeld in der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts Damals wurde es aber weitgehend durch den Goldstandard abgesichert Im deutschen Kaiserreich nach 1871 waren die Banknoten zu einem Drittel mit Gold gedeckt Im 20 Jahrhundert schließlich wurde der <?page no="173"?> 173 Die Gefahren einer Fiat-Währung Goldstandard infolge des Ersten Weltkriegs und der Weltwirtschaftskrise aufgegeben 101 Nur im Bretton-Woods-System, das in der Nachkriegszeit für Stabilität sorgte, garantierten die USA die Einlösung von US-Dollar in Gold bis Anfang der 1970er Jahre 1973 wurde die Goldbindung beendet Die Fiat-Währung macht die Vermögen der Bürger vom Staat abhängig; zu Platons Zeiten oder im Mittelalter wäre es unmöglich gewesen, durch eine Währungsreform die Menschen zu enteignen Doch heute ist dies sofort realisierbar Die wechselvolle Geschichte des 20 Jahrhunderts illustriert, dass die Versuchung des Staates, sich größerer Schulden durch eine schnelle Währungsreform zu entledigen, sehr hoch ist Mit einem einzigen Gesetz kann man Millionen von Menschen ihres Vermögens berauben Zahlreiche Länder sind heutzutage infolge der Krise von 2007/ 2008, die am US-Immobilienmarkt ihren Anfang nahm, enorm hoch verschuldet Vorausgegangen waren aber auch stetig zunehmende Staatsausgaben, die in den Jahrzehnten immer mehr anstiegen 102 Es zeichnet sich ab, dass das Währungssystem der westlichen Länder vor einer gewaltigen Zerreißprobe steht: ▶ Mit den aufsteigenden Schwellenländern verschiebt sich der Schwerpunkt des Weltfinanzsystems in Richtung Asien und USA ▶ China wird eines Tages zur größten Wirtschaftsmacht der Welt aufsteigen ▶ In der Zukunft werden angesichts der extrem hohen Verschuldung in zahlreichen Ländern Alternativen notwendig, zumal das Vertrauen in einzelne Volkswirtschaften schwindet ▶ Auch die Eurozone gilt als permanenter Krisenherd Wie wenig verlässlich eine vom Staat geschaffene Währung ist, zeigt die Geschichte des Goldverbots Nicht nur in totalitären <?page no="174"?> Die Gefahren einer Fiat-Währung 174 Systemen und Diktaturen gab es strenge Goldverbote Mit solchen Maßnahmen wird erreicht, dass die Menschen keine Möglichkeit mehr haben, durch Silber oder Gold sich vor einer Währungsreform zu schützen und ihr Vermögen dem Zugriff eines Staates zu entziehen Die Geschichte des Goldverbots Goldverbote sind viel älter, als die meisten denken Bereits im Alten Ägypten durften nur die Pharaonen und die Priester Gold besitzen, da das gelbe Edelmetall als »göttlich« angesehen wurde Ähnlich totalitär ging es im militärisch organisierten Sparta zu, wo der Privatbesitz von Gold ebenfalls untersagt war Es fanden sogar Hausdurchsuchungen statt Wer gegen das Verbot verstieß, erhielt die Todesstrafe Der spartanische König dehnte das Verbot auf alle Gold- und Silbermünzen aus Im römischen Bürgerkrieg verfuhr man nicht ganz so streng, aber Julius Cäsar begrenzte die Menge, die private Bürger besitzen durften, auf 15 000 Denare 103 Im Mittelalter waren es die Mongolen, die ein Goldverbot verhängten Denn ihr Riesenreich, das sich bis an den Rand Europas ausdehnte, verschlang Unsummen an Geld für das Militär In China, das die Mongolen zeitweise eroberten, hatte es damals neben dem Druck mit Holzplatten auch schon Papiergeld gegeben Die Chinesen hatten für diese Banknoten eine Golddeckung vorgeschrieben Als die Mongolen an die Macht gelangten, wurde das Gold wegen der zahlreichen Kriege knapp Kublai Khan hob schließlich 1273 die Golddeckung auf und verbot den Besitz des gelben Edelmetalls Daraufhin kam es zu einer hohen Inflation, die zu zwei Währungsreformen führte Noch mehr Goldverbote weist die Neuzeit auf In Frankreich untersagte John Law im Jahre 1720 den Besitz von Gold, um sein Papiergeld zu verbreiten Zur Zeit der Französischen Re- <?page no="175"?> Die Geschichte des Goldverbots 175 volution sollten die Bürger ihre Gold- und Silbermünzen gegen Papiergeld (Assignaten) tauschen Danach wurde es verboten, mit Gold oder Silber Rechnungen zu begleichen oder mit Edelmetallen zu handeln Goldverbote im 20. Jahrhundert Drastische Goldverbote prägen fast das gesamte 20 Jahrhundert, und in totalitären Regimen verhängte man sehr schnell und ohne Bedenken die Todesstrafe Das Goldverbot in Deutschland In Deutschland war der Besitz von Gold zur Zeit der Weimarer Republik von 1923 (dem Beginn der Hyperinflation) bis 1931 verboten Als die Verordnung im August 1923 in Kraft trat, musste alles Gold und Silber innerhalb von drei Wochen abgegeben werden Dies galt auch für Goldmünzen, die bislang als Zahlungsmittel anerkannt waren Einen Monat später wurde dieses Verbot sogar auf ausländische Devisen erweitert 104 Die Polizei führte in Berlin verschiedene Razzien durch, bei denen die verblüfften Gäste in Cafés und Restaurants sogar die Portemonnaies öffnen mussten Ausländisches Geld wurde sofort einbehalten Selbst Kunden, die Banken oder Sparkassen verließen, wurde von der Polizei nach Gold, Silber und ausländischen Währungen durchsucht Der Reichspräsident Hindenburg hob zwar das Edelmetallverbot im Jahr 1931 wieder auf Aber schon kurze Zeit später wurden neue Zwangsmaßnahmen eingeführt So gab es bald eine so genannte Reichsfluchtsteuer, die es Emigranten untersagte, größere Mengen Geldes außer Landes zu bringen In der NS-Zeit wurde schließlich 1933 ein Gesetz verabschiedet, das eine Anzeigepflicht für Gold und Devisen vorsah Gold musste zwangsweise an die Reichsbank verkauft werden Von <?page no="176"?> Die Gefahren einer Fiat-Währung 176 dieser Maßnahme waren nur Goldmünzen ausgenommen, die noch offiziell als Währung galten 105 Im Jahr 1936 wurde erneut eine Ablieferungspflicht für sämtliches Gold und ausländische Devisen eingeführt und die bisherige Gesetzgebung verschärft Ausländische Vermögenswerte mussten vollständig nach Deutschland transferiert werden Wer nicht Folge leistete, wurde wegen Wirtschaftssabotage angeklagt und mit dem Tode bestraft Eine Verordnung aus dem Jahre 1938 verschärfte die Gesetzeslage noch weiter: Nun wurden auch Goldmünzen mit dem Nennwert von 10 und 20 Mark erfasst, die bislang in Deutschland und in Österreich offizielles Zahlungsmittel waren Diese letzten Reichsgoldmünzen mussten nun auch an die Reichsbank abgeliefert werden, die dafür den Nennwert in Reichsmark auszahlte Im Jahr 1940 wurden schließlich auch Silbermünzen (im Wert von zwei Reichsmark), die bislang noch gesetzliches Zahlungsmittel waren, außer Kurs gesetzt und eingezogen Das Goldverbot in anderen Staaten In der Sowjetunion trat ein solches Goldverbot bereits 1918 nach der Oktoberrevolution in Kraft Es wurde erst wieder 1987 im Rahmen der von Gorbatschow vorangetriebenen Perestroika, der Umgestaltung der Sowjetunion, aufgehoben Auch in vielen osteuropäischen Staaten wurde lange Zeit der Besitz von Edelmetallen vollständig verboten wie etwa in Polen 1950 Die Volksrepublik China verhängte ein Verbot im Jahr 1949, das bis 1983 galt Danach öffnete sich China und gab Goldmünzen mit dem Motiv des Pandabären heraus Im Jahr 2002 wurde eine eigene Goldbörse, die Shanghai Gold Exchange, eröffnet In Großbritannien gab es zeitweilig ein Goldverbot: von 1966 bis 1971 Da im Vereinigten Königreich das gelbe Edelmetall knapp wurde, ordnete die damalige Labour-Regierung an, dass alle Goldmünzen an die Bank of England abzuliefern seien Erst <?page no="177"?> Die Geschichte des Goldverbots 177 die konservative Nachfolgeregierung hob das Verbot 1971 wieder auf In Indien wurden über mehrere Jahrzehnte starke Restriktionen für den Goldbesitz erlassen, die schon seit der Unabhängigkeit den Edelmetallhandel einschränkten 1963 kam es zu einer Notverordnung, die den Goldbesitz grundsätzlich für illegal erklärte - ausgenommen wurde nur Schmuck bis zu 14 Karat Erst 1990 wurde der Goldbesitz wieder freigegeben Das Goldverbot in den USA Aber auch die USA verhängten ein drastisches Verbot Präsident Franklin Roosevelt setzte es im Mai 1933 in Kraft; begründet wurde dieser schwerwiegende Eingriff in das Eigentumsrecht durch den nationalen Notstand infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 Die Bürger mussten innerhalb von 14 Tagen alles Gold (in Form von Münzen, Barren und Zertifikaten) bei staatlichen Sammelstellen abliefern Sie erhielten dafür eine Entschädigung von 20,67 US-Dollar je Feinunze (rund 31 Gramm) Eine geringe Menge Gold im Wert von 100 US-Dollar durfte jeder besitzen Ausnahmen wurden für die Industrie, für künstlerische Zwecke und das Handwerk festgelegt Danach ordnete der Staat umfangreiche Durchsuchungen an Bankschließfächer wurden versiegelt und durften nur in Anwesenheit eines Steuerbeamten wieder geöffnet werden Sofern sich Gold darin befand, wurde es entschädigungslos beschlagnahmt Der Besitz von Gold wurde mit bis zu zehn Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von bis zu 10 000 US-Dollar sanktioniert Im Jahr 1934 stieg der offizielle Goldpreis auf 35 US-Dollar je Feinunze Von diesem Preisanstieg profitierten jedoch nur Amerikaner, die Gold im Ausland hatten Denn dort galt das Verbot nicht <?page no="178"?> Die Gefahren einer Fiat-Währung 178 Roosevelt ließ viele Goldmünzen einschmelzen Nur wenige Exemplare haben sich im Ausland erhalten, die heute zu den wertvollsten Münzen der US-Geschichte überhaupt zählen Im Jahr 1961, als immer mehr des gelben Edelmetalls ins Ausland abfloss, handelte die US-Regierung und dehnte das Verbot auch auf Bestände aus, die im Ausland gelagert wurden Im Dezember 1974, als das Währungssystem von Bretton Woods wegen der extrem hohen Verschuldung infolge des Vietnam- Kriegs bereits Geschichte war und die Währungen international frei gehandelt wurden, hob US-Präsident Gerald Ford das Goldverbot endgültig auf <?page no="179"?> Staatsunabhängige Währungssysteme <?page no="180"?> Staatsunabhängige Währungssysteme 180 Platon und Aristoteles hätten es grotesk gefunden, dass sie ihr gesamtes Vermögen, ihr Hab und Gut, einem Staat anvertrauen sollten, der ihnen dafür bunt bedruckte Baumwolle überreicht, auf der man Brücken und Gebäude sehen kann, die der reinen Fantasie entsprungen sind Und im Mittelalter hätte man über so viel Gutgläubigkeit, über so viel Vertrauensseligkeit und die Vorstellung, dass man durch einen einzigen Knopfdruck ein ganzes Volk enteignen kann, geradezu gelacht Wahrscheinlich hätte Macchiavelli den Euro allen gierigen Stadtstaaten in Italien als die beste Lösung aller Probleme empfohlen Der Ansatz, dass ein gesamtes Vermögen nur aus Nullen und Einsen in Form elektrischer Zustände bestehen kann, hätte wahrscheinlich auch Newton und Leibniz verblüfft Im 21 Jahrhundert wirkt das verkrustete nationale Währungssystem wie ein Fossil aus längst vergangenen Zeiten Das Konzept, dass der Staat mit Hilfe einer Notenbank eine Währung in Umlauf bringt, hat sich nach zwei Weltkriegen, totalitären Systemen, Revolutionen, unzähligen Finanzkrisen, Währungsreformen und Hyperinflationen überlebt Das Vertrauen ist endgültig dahin Auch der Euro wirkt wie eine instabile Währung, nachdem sämtliche Konvergenzkriterien verletzt und die Vertragsbestimmungen umgedeutet und kreativ neu interpretiert wurden Manche Kritiker schlagen als probates Mittel vor, den Goldstandard wieder einzuführen . Doch das Problem ist: Es gibt auf diesem Planeten nicht genügend Gold, um fast 200 Staaten einen umfassenden Goldstandard zu ermöglichen . Engagierte Befürworter dieses Weges werden nun einwenden, das sei gerade der Sinn der Sache . Da Gold nicht beliebig vermehrt werden könne, garantiere das Edelmetall die Stabilität des Währungssystems Man sollte dabei aber nicht übersehen, dass mittlerweile die Geldmenge weltweit nach Jahrzehnten einer Politik des groß- <?page no="181"?> Die Währung der Nerds: Bitcoins 181 zügigen Ausgebens und einer expansiven Sozialpolitik so weit aufgebläht ist, dass die plötzliche Einführung einer Goldwährung dem Platzen eines Ballons gleichkäme Die Deflation wäre katastrophal und würde die gesamte Welt in ein endloses Chaos stürzen und eine Weltwirtschaftskrise auslösen, die 1929 in den Schatten stellte Eine solche »Rosskur« würde keine Nation unbeschadet überstehen Realitätsnäher sind daher Vorschläge, die ein Geldsystem auf einem Mix solider Währungen zu gründen versuchen, in den auch der russische Rubel und der chinesische Renminbi 106 mit einbezogen werden könnten Ein solcher Währungskorb hat sich in der Europäischen Gemeinschaft in Form des ECU immerhin etliche Jahre bewährt Diesmal müssten die Staaten eine derartige Konstruktion auf globaler Ebene etablieren und auch die Schwellenländer mit einbeziehen Allerdings wären auch hier der Manipulation Tür und Tor geöffnet, denn die Staaten könnten im Nachhinein die Zusammensetzung des Währungskorbes verändern und andere Gewichtungen vornehmen Die Währung der Nerds: Bitcoins Unzählige Menschen werden noch nie etwas von Bitcoins 107 gehört haben Aber diese Innovation klingt angesichts der Bedeutung des Internets und der Informationstechnologie besonders faszinierend und wird in Zukunft vielleicht eine nicht unerhebliche Rolle spielen Der Bitcoin oder eine ähnliche virtuelle Währung könnte sich als weltweite, staatsunabhängige Währung etablieren 108 Der Bitcoin wurde 2008 von dem Japaner Satoshi Nakamoto entwickelt Erste Entwürfe dafür gab es bereits 1977, als das Verschlüsselungsverfahren RSA konzipiert wurde Im Jahr 1998 sprachen einige Informatiker wie Wei Dai von b-money oder bit gold (Nick Szabo), das anhand der Verschlüsselungsverfahren <?page no="182"?> Staatsunabhängige Währungssysteme 182 geschaffen werden könnte Die ersten Einheiten des Bitcoins wurden im Januar 2009 erzeugt Die virtuelle Währung Bitcoin (BTC) wird als absolut fälschungssicher angesehen, da die Münzen durch ein enorm starkes kryptologisches Verfahren erzeugt werden Zusätzlich tragen die virtuellen Münzen eine Signatur, und das gesamte System ist zur Sicherheit dezentral organisiert und damit unabhängig von den Rahmenbedingungen eines Staates Nach dem heutigen Stand der Informatik ist es völlig unmöglich, diesen Sicherheitsstandard auszuhebeln Jeder Betrag kann nur einmal ausgegeben werden, da die Transaktionen aufgezeichnet werden Im Prinzip aber ist jeder Zahlungsvorgang anonym Nur wer sich die Mühe macht, sämtliche Vorgänge lückenlos zurückzuverfolgen, könnte eine Zahlungskette aufdecken Zurzeit sind Bitcoins im Wert von 278 Millionen US-Dollar im Umlauf Die Zahl der Einheiten kann nicht erhöht werden, sondern ist durch die Art, wie dieses virtuelle Geld strukturiert ist, auf eine Höchstgrenze beschränkt, die im Programmiercode verankert ist Bitcoins werden durch »Mining« erzeugt Das heißt, es gibt keine Zentralbank Vielmehr werden die virtuellen Münzen dadurch »geborgen«, dass jemand komplizierte mathematische Gleichungen lösen muss Diese Aufgaben sind überaus anspruchsvoll und erfordern einen hohen Rechenaufwand, der exponentiell ansteigt Mit diesem ausgeklügelten Verfahren wird verhindert, dass zu schnell viele Bitcoins in den Umlauf gelangen Auch wenn sich Nutzer sehr bemühen, immer mehr Münzen durch das Lösen von Gleichungen aufzuspüren, wird dies immer schwerer, je mehr Münzen bereits entdeckt sind Mit Hilfe mathematischer Methoden kann ungefähr prognostiziert werden, wann die letzte Gleichung gelöst sein wird Dies wird im Jahr 2033 der Fall sein - dann sind alle 21 Millionen Bitcoins entdeckt und im Umlauf <?page no="183"?> Die Währung der Nerds: Bitcoins 183 Für den Bitcoin gibt es inzwischen einen internationalen Devisenmarkt, auf dem das Geld in andere Währungen wie US-Dollar, Euro und andere konvertiert werden kann Im März 2013 kostete ein Bitcoin mehr als 80 US-Dollar 109 Noch im Juni 2012 mussten für einen Bitcoin nur zwei US-Dollar bezahlt werden Auch die Krise auf Zypern führte zu einem Ansturm auf die virtuelle Währung 110 Sogar ein Wechselkurs von 500 US-Dollar für einen Bitcoin wird für möglich gehalten 111 Bitcoins gelten inzwischen als eine Art »Standardwährung« des Internets, obwohl die Akzeptanz, der Bekanntheitsgrad und die Verbreitung bislang relativ gering sind Spötter sprechen von einer Hacker- und Piratenwährung 112 , wenngleich dies völlig überzogen ist Bezahlt werden können inzwischen IT-Dienste wie der bekannte Blog-Hoster Wordpress com; aber auch einige Cafés in New York und Berlin akzeptieren die Internetwährung als Zahlungsmittel Das bekannte »Internet Archive«, das als die größte weltweite digitale Bibliothek angesehen wird, vergütet seine Mitarbeiter auf Wunsch mit Bitcoins Die Aufbewahrung der virtuellen Münzen erfolgt durch private Schlüssel, die auf einem Rechner gespeichert werden . Das Problem ist jedoch häufig, dass die Computer nur unzulänglich gesichert sind . Durch Trojaner und andere Malware können die Schlüssel, die letztlich Bargeld darstellen, ausgespäht werden, wenn der Benutzer seinen Rechner nicht sorgfältig und umfassend absichert . Dies erfordert, dass der PC ständig auf dem neuesten Stand ist, ein wirksames Anti-Viren-Programm installiert hat und eine zuverlässige Firewall bietet . Selbst dann können diverse unerkannte Sicherheitslücken auftreten . Einen besseren Schutz bietet ein solideres Betriebssystem wie Linux und die verschlüsselte Speicherung der Bitcoins auf einem USB-Stick <?page no="184"?> Staatsunabhängige Währungssysteme 184 Der Erwerb der Währung erfolgt meist über Bitcoin Exchanges (Online-Börsen) Hier ist jedoch die Sicherheit ein wichtiger Aspekt In der Vergangenheit waren diese Börsen oft nur unzulänglich gegen Hackerangriffe abgesichert Einige Plattformen bieten allerdings eine Versicherung gegen mögliche Verluste an Darüber hinaus können Bitcoins auch über »Wechselstuben« (Fixed Rate Shops) gekauft werden, was aber nicht selten mit Gebühren zwischen 1,5 und 5 Prozent verbunden ist Bei den wesentlich kostengünstigeren Online-Börsen beträgt die Gebühr maximal ein Prozent Darüber hinaus existieren Handelsplattformen, die den Handel mit Bitcoins zwischen Privatpersonen ermöglichen Haben Bitcoins eine Zukunft? Tatsache ist, dass das Zentralbankmonopol angesichts der zahlreichen Pannen im Zuge der Eurorettung an Akzeptanz verliert Die horrende Verschuldung vieler Länder und die Unzuverlässigkeit der Geldpolitik führen zu einer Abkehr vom staatlichen Monopol 113 Im 21 Jahrhundert wird die Vorstellung immer weniger plausibel, dass ein Staat durch einen Willkürakt sämtliche Geldscheine für ungültig erklären oder jederzeit eine Währungsreform durchführen kann Das Beispiel Zypern zeigt, dass man auch nicht davor zurückscheut, über Nacht ohne parlamentarische Debatte und öffentliche Kundmachung von Kleinsparern Zwangsabgaben, die als Steuern deklariert werden, einzubehalten Zwar wurde der Schritt auf der Mittelmeerinsel wieder rückgängig gemacht, aber schon das Vorgehen illustriert, wozu Bürokratien im Zweifelsfall imstande sind Selbst im Mittelalter hatten es die Menschen besser, denn Gold und Silber konnte man nicht einfach per Knopfdruck für wertlos erklären, was heute bei Banknoten und Buchgeld auf <?page no="185"?> Haben Bitcoins eine Zukunft? 185 Konten und Sparbüchern ganz einfach möglich ist Daher wird der Druck, ein Währungssystem zu entwickeln, das staatlicher Willkür entzogen ist, zunehmen Auch das Bretton-Woods-System nach 1945 sah zumindest eine Einlösepflicht von US-Dollar in Gold vor Bitcoins sind nach wie vor umstritten und werden kontrovers diskutiert Ursache dafür sind zum einen die zahlreichen Hackerangriffe, die hohe Verluste mit sich brachten Für Schlagzeilen sorgte beispielsweise eine Attacke auf die Bitcoin-Börse Mt Gox, bei der ein Hacker 500 000 BTC entwendete (was damals einem Wert von 8,75 Millionen US-Dollar entsprach) Es wurden auch Passwörter und Nutzerdaten ausgespäht, die später im Internet veröffentlicht wurden Seit diesem Ereignis kam es zu mehreren weiteren gravierenden Zwischenfällen auf anderen Bitcoin-Börsen, die das Vertrauen nachhaltig erschüttert haben Die Notwendigkeit, die Schlüssel auf dem eigenen Rechner sicher und zuverlässig aufzubewahren, überfordert viele private Nutzer In der Vergangenheit wurden Bitcoins auch dazu benutzt, um anonyme Zahlungen für illegale Aktivitäten durchzuführen Ein berechtigter Grund für die Ablehnung dieser Währung ist dies allerdings nicht Denn die meisten illegalen Transaktionen werden heutzutage immer noch in den gängigen Währungen US-Dollar, Euro und anderen abgewickelt, ohne dass eine Regierung jemals ein sofortiges Verbot von US-Dollar oder Euro gefordert hätte Hinter dem Versuch, Bitcoins als »Hackerwährung« zu diffamieren, steht die offensichtliche Angst einiger nahezu bankrotter Staaten, es könnte sich eines Tages eine sichere internationale Währung etablieren, die nicht mehr von einem Staat kontrolliert werden kann Eine Währungsreform, um das eigene wirtschaftspolitische Versagen zu kaschieren, wäre dann nämlich nicht mehr möglich <?page no="186"?> Staatsunabhängige Währungssysteme 186 Insofern ist eine staatsunabhängige, stabile internationale Währung durchaus die optimale Lösung für die Staatsverschuldung in aller Welt 114 Kein Land könnte mehr die Ausgabenexzesse und den horrenden Schuldenberg einfach auf die Bürgerinnen und Bürger abwälzen und deren Ersparnisse durch einen Schuldenschnitt oder eine Inflation ruinieren Eine solche virtuelle Währung wäre - vorausgesetzt, sie ist absolut sicher verschlüsselt und hervorragend konstruiert - noch zuverlässiger, globaler und leichter handhabbar als Gold Der Goldpreis ist letztlich manipulierbar, da die Notenbanken über riesige Goldreserven verfügen, die sie bei Bedarf auf den Markt werfen können, um den Preis des gelben Edelmetalls zu drücken Das umstrittene Monopol der Notenbanken hat die einzelnen Bürgerinnen und Bürger eines Landes von der Wirtschaftspolitik abhängig gemacht Ein Staat, der durch unsinnige Entscheidungen eine Volkswirtschaft in den Bankrott treibt, hält sich schließlich bei der Bevölkerung durch Zwangsabgaben schadlos Bei einer sicheren internationalen Währung, die völlig unabhängig von Notenbanken ist, hat der Staat keinen so leichten Zugriff mehr auf das Vermögen der Bürger Die Menschen in der Antike und im Mittelalter waren klüger als ihre Nachfahren, die mit Assignaten und bunt bedruckter Baumwolle sich der Willkür von verschwenderischen Staaten ausgeliefert haben Eine virtuelle Währung würde eine Demokratisierung des Währungssystems bedeuten Damit sie aber Akzeptanz findet, ist es wichtig, dass die Sicherheit stets vorhanden ist Es wird sich in der Zukunft zeigen, ob der Bitcoin oder eine andere virtuelle Währung sich zumindest teilweise als paralleles Zahlungssystem weltweit durchsetzt Denkbar wäre es auch, dass ein neues Bretton-Woods-System installiert wird, das die Unterstützung mehrerer Staaten erhält Anstelle des Goldstandards könnte eine Gold- und Silberde- <?page no="187"?> Haben Bitcoins eine Zukunft? 187 ckung eingeführt werden, um einen deflationären Schock zu verhindern Wie auch immer die Zukunft eines globalen Währungssystems aussehen wird - eines ist gewiss: Es wird eine Lösung notwendig sein, denn sonst könnte die hohe Verschuldung in vielen Ländern der Welt in eine schwere Weltwirtschaftskrise münden <?page no="189"?> 189 Anmerkungen 1 K indleberger , C harles P oor : Die Weltwirtschaftskrise, 1929-1939. 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In: Die Zeit (2007) <?page no="191"?> 191 Anmerkungen 49 b uChter , h eiKe : Hedgefonds-Klage: Geierfonds sind oft die Einzigen, die auf Einhaltung der Spielregeln bestehen. In: Die Zeit (2013) 50 s eith , a nne : Spanien: Kicken gegen die Krise. In: Spiegel Online (2010) 51 h irn , W olfgang : Euro-Krise: Spaniens Schwächen wurden lange überdeckt. In: Spiegel Online (2011) 52 h irn , W olfgang : Euro-Krise: Die Produkte sind teuer und selten konkurrenzfähig. In: Spiegel Online (2011) 53 Spanien: Bankia droht Verlust von 19 Milliarden Euro. In: Spiegel Online (2013) 54 Spanien-Krise: Immobilienfirma Reyal insolvent. In: Spiegel Online (2013) 55 Spanien-Krise: Immobilienfirma Reyal insolvent. In: Spiegel Online (2013) 56 Spaniens Banken haben immer mehr faule Kredite. In: Spiegel Online (2013) 57 Spanische Bad Bank soll 60 Milliarden Euro übernehmen. In: Spiegel Online (2012) 58 EU-Kommission gibt Milliarden für spanische Banken frei. In: Spiegel Online (2012) 59 Spanien: Arbeitslosigkeit steigt auf mehr als fünf Millionen. In: Spiegel Online (2013) 60 Spanische Schuldenkrise: Frau zündet sich in spanischer Bank an. In: Spiegel Online (2013) 61 s tuCKe , a ngeliKa : Psychologische Folgen der Krise in Spanien: Zahl der Suizide steigt nicht. In: Spiegel Online (2013) 62 Spanien macht so viele neue Schulden wie noch nie. In: Spiegel Online (2013) 63 b all , d eborah ; f uhrManns , v anessa ; d eutsChland , W all s treet J ournal : Unternehmen: Großkonzerne fliehen aus Südeuropa. In: Spiegel Online (2012) 64 b öll , s ven ; b öCKing , d avid : Euro-Krise: Mythos vom faulen Südeuropäer. In: Spiegel Online (2011) 65 b öll , s ven ; b öCKing , d avid : Euro-Krise: Mythos vom faulen Südeuropäer. In: Spiegel Online (2011) 66 Portugal nimmt eine Milliarde Euro mehr ein als geplant. In: Spiegel Online (2012) 67 Portugal: Hunderttausende protestieren gegen Sparpolitik. 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Allein im März hat sich der Wechselkurs fast verdreifacht. <?page no="194"?> 194 Anmerkungen 112 s töCKer , C hristian : Hacker-Währung Bitcoin: Geld aus der Steckdose. In: Spiegel Online (2011) 113 W arner , b ernhard : Jittery Spaniards Seek Safety in Bitcoins. In: Business- Week: innovation_ and_ design (2013) 114 Bitcoin interest spikes in Spain as Cyprus financial crisis grows (Wired UK). URL http: / / www.wired.co.uk/ news/ archive/ 2013-03/ 20/ bitcoin-spaincurrency-run. abgerufen 2013-04-03. — Wired UK <?page no="195"?> 195 Literaturverzeichnis Banken, Ralf: Edelmetallmangel und Grossraubwirtschaft: die Entwicklung des deutschen Edelmetallsektors im »Dritten Reich« 1933-1945, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. Beiheft. Berlin: Akademie Verlag, 2009. Beyer, Frank: Geldpolitik in der Römischen Kaiserzeit: von der Währungsreform des Augustus bis Septimius Severus. Wiesbaden: DUV, 1995. 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München: C.H.-Beck, 1995. <?page no="197"?> 197 Register A Absolutismus 160 Abwertung 62 Arbeitslosenhilfe 69 Arbeitslosenquote 67, 82 Arbeitslosenversicherung 114 Arbeitsmarkt 70 Arbeitsproduktivität 83 Argentinien 16, 36, 75 Armut 68 Assignaten 29, 160, 175 Ausfallrisiko 135 Außenhandel 62 Auswanderungswelle 87 B Bad Bank 81 Bailout 127 Bankengruppe 137 Banklizenz 126 Banknote 162 Bauwirtschaft 80 Beamtenpension 13 Beitrittsvertrag 62 Bitcoin 155, 181, 186 Bitcoin Exchange 184 Boom 80 Börsencrash 29 Bretton-Woods-System 63, 162, 185 Bruttoinlandsprodukt 65 Bundesverfassungsgericht 124 Bürgerkrieg 59 C China 34, 174 Clearingstelle 168 Collective Action Clause 75 D Drachme 63 E Edelmetallgehalt 160 Edelmetallhandel 177 EFSF 122 Eigentümerquote 80 Eigentumsgarantie 168 Einlagen 135 Einlagensicherung 93, 135, 136 Einlagensicherungssystem 137 Eintrittswahrscheinlichkeit 142 Emergency Liquidity Assistance 154 Eule 63 EU-Richtlinie 93 Euro 64 Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 61 Europäische Zentralbank 49 Eurozone 110 EWG 60 Existenzminimum 71 EZB 51 F Fachkräftemangel 87 Familiendynastie 59 Fiat-Währung 172 Finanzstabilisierungsfazilität 122 Finanztorheit 24 Fixed Rate Shop 184 Frankreich 34 Freihandelszone 155 Fünfjahresplan 65 <?page no="198"?> Register 198 G Garantie 137 Geierfonds 76 Geldentwertung 61 Gold 174, 177 Goldbindung 173 Golddeckung 162 Goldmünzen 176 Goldpreis 186 Goldstandard 172 Goldverbot 169, 173, 174, 178 H Haircut 73 Haushaltsdefizit 65, 100 Haushaltsdisziplin 126 Hauszinssteuer 164 Heizölpreis 68 Hyperinflation 35, 159, 161 Hypothekengewinnabgabe 164 Hypothekenmarktkrise 101 I Immobilienboom 80 Immobilienkrise 125 Inflation 158 Innovationsfähigkeit 66 Insolvenz 135 J Jugendarbeitslosigkeit 86 K Konsumausgaben 101 Konvergenzkriterien 64, 100 Krankenversicherung 70 Krisenvorsorge 11, 146 L Lastenausgleich 166 Lateinische Münzunion 63 Liquiditätshilfe 154 Lohnstückkosten 83 Lost Generation 70 Luxemburg 15 M Maastricht-Kriterien 113 Maastricht-Vertrag 64 Mandate 161 Massaker 66 Militärdiktatur 58 Militärjunta 61 Mindestlohn 69 Ming-Dynastie 34 Mitbestimmungsrecht 124 Monopol 186 Moral-Hazard-Problem 123 Münzen 159 N Nachkriegsgeschichte 58 Nachkriegszeit 58 Napoleon 34 Naturkatastrophe 122 Neoliberalismus 62 Nichtbeistandsklausel 123 No-Bailout-Klausel 123 Noteneinlösungspflicht 162 O Österreich 35 P Pandabär 176 Papiergeld 29, 34, 172 Pari-passu-Klausel 76 Patent 66 <?page no="199"?> Register 199 Perspektivlosigkeit 86 Peru 77 Portugal 86 Privatisierung 62 R Ratingagentur 51 Referendum 55 Reformpolitik 86 Reichsgoldmünzen 176 Renminbi 156 Renteneintrittsalter 50 Rentensystem 49 Rettungsmaßnahme 120 Rettungspaket 51, 56 Rezession 86 Russlandkrise 36 S Sachwert 169 Schuldenberg 13 Schuldenbremse 102 Schuldenlast 14 Schuldenquote 82 Schuldenschnitt 52 Schuldenstand 100 Schuldverschreibung 168 Schwellenländer 118 Selbstversorgung 71 Silbermünzen 176 Spanien 35 Sparhaushalt 55 Sparta 174 Spekulationsblase 26 Staatenimmunität 67 Staatsanleihen 49, 74, 167 Staatsbankrott 34 Staatsfinanzierung 15, 127 Staatsinsolvenz 59 Staatspleite 76 Staatsschulden 13, 65 Staatsschuldenkrise 34 Staatsverschuldung 34, 65 Stadtflucht 68 Stellvertreterkrieg 60 Suppenküche 68 Survivaltechnik 11 T Tagesgeldkonten 135 Target2-System 132 Target-Schulden 134 Terminkontrakt 25 Territorialmandate 161 Tourismus 61 Transferunion 124 Transferzahlung 112 Tulpenbörse 25 Tulpenmanie 26 Türkei 35 U Umschuldung 75 Umschuldungsklausel 75 V Verschlüsselungsverfahren 181 Verschuldungsgrenze 34 Verstaatlichung 62 virtuelle Währung 181 Vollmitglied 61 W Währungsexperiment 142 Währungsreform 11, 63, 164, 173, 185 Währungsschnitt 115 Währungssystem 180, 185 Währungsunion 112 Wechselkurssystem 64 Weltfinanzsystem 127 Weltmarktanteil 48 Weltwirtschaftskrise 10 <?page no="200"?> Register 200 Wettbewerbsfähigkeit 62, 101 Wiedervereinigung 103, 115 Wirtschaftsgeschichte 158 Y Yuan 156 Z Zahlungsbilanzhilfe 124 Zahlungssystem 130 Zentralbank 63 Zinsniveau 80 Zinszahlung 88 Zombiebank 81 Zwangshypothek 143, 166 Zwangsräumung 82 Zweiter Weltkrieg 10 Zypern 92
