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Praxis der strategischen Bedeutung der Unternehmenskultur

Strategisches Management konkret

0401
2013
978-3-8649-6690-3
UVK Verlag 
Franz Xaver Bea
Jürgen Haas

Die Unternehmenskultur ist Teil eines dynamischen und komplexen Beziehungsgefüges. Sie wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst und hat ihrerseits maßgeblichen Einfluss auf die Strategie und die Struktur eines Unternehmens. Die Autoren vollziehen eine systematische Annäherung an das Phänomen Unternehmenskultur. Sie erklären, welche Bereiche und Faktoren auf die Entwicklung Einfluss nehmen und wie die Kultur selbst innerhalb der Unternehmung wirkt. Abschließend wird aufgezeigt, wie sie zielorientiert gestaltet werden kann.

<?page no="0"?> Strategisches Management konkret Franz Xaver Bea Jürgen Haas <?page no="1"?> Strategisches Management konkret Praxis-der-strategischen-Zielbildung- Praxis-der-strategischen-Unternehmensanalyse Praxis-der-Strategiewahl-und-‐implementierung Praxis-des-strategischen-Informationsmanagements Praxis-der-strategischen-Informationssysteme Praxis-der-strategischen-Bedeutung-der-Organisation Praxis-der-strategischen-Bedeutung-der-Unternehmens‐ kultur- Praxis-der-strategischen-Leistungspotenziale <?page no="2"?> Franz Xaver Bea Jürgen Haas Praxis der strategischen Bedeutung der Unternehmenskultur Strategisches Management konkret UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz und München <?page no="3"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-86496-050-5 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2013 Covergestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Covermotiv: iStockphoto.com, Empato UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="4"?> Inhaltsverzeichnis 1 - Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur.................................. 10 - 2 - Das Phänomen Unternehmenskultur...................................................... 13 - 2.1 - Begriff und Kennzeichen einer Kultur............................................................ 13 - 2.2 - Begriff der Unternehmenskultur ...................................................................... 14 - 2.3 - Ebenen der Unternehmenskultur..................................................................... 16 - 2.4 - Typen der Unternehmenskultur ....................................................................... 18 - 3 - Einflüsse auf die Unternehmenskultur ................................................... 22 - 3.1 - Einflussbereiche .................................................................................................. 22 - 3.1.1 - Individuum........................................................................................................... 24 - 3.1.2 - Gesellschaft und Branche ...................................................................... 25 - 3.1.3 - Führungsverhalten, Strategie und Organisation................................. 26 - 3.2 - Empirische Forschung ....................................................................................... 27 - 4 - Wirkungen der Unternehmenskultur ...................................................... 29 - 4.1 - Grundlegende Wirkungen ................................................................................. 29 - 4.2 - Spezielle Wirkungen ........................................................................................... 30 - 4.2.1 - Strategische Planung ............................................................................... 31 - 4.2.2 - Strategische Kontrolle ............................................................................ 36 - 4.2.3 - Information .............................................................................................. 37 - 4.2.4 - Organisation............................................................................................. 38 - 5 - Gestaltung der Unternehmenskultur....................................................... 39 - 5.1 - Grundfragen der Gestaltung ............................................................................. 39 - 5.2 - Aufgabenfelder der Gestaltung......................................................................... 41 - 5.2.1 - Sollkultur................................................................................................... 41 - 5.2.2 - Istkultur..................................................................................................... 42 - 5.2.3 - Realisation ................................................................................................ 43 - 6 - Zusammenfassung .................................................................................. 47 - Literaturverzeichnis...................................................................................... 48 - Stichwortverzeichnis..................................................................................... 66 <?page no="5"?> 6 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Unternehmenskultur Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Das Phänomen Unternehmenskultur Einflüsse auf die Unternehmenskultur Wirkungen der Unternehmenskultur Gestaltung der Unternehmenskultur Zusammenfassung Strategische Leistungspotenziale Organisation Unternehmenskultur Information Information Information Information Strategische Kontrolle Strategische Planung <?page no="6"?> Beispiele aus der Unternehmenspraxis 7 Vorbemerkung  Unternehmenskultur ist ein im Kern unsichtbares und ungreifbares menschengeschaffenes Phänomen, das sich in Sozialisations- und Lernprozessen entwickelt.  Die Unternehmenskultur ist Teil eines dynamischen und komplexen Beziehungsgefüges. Sie wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst und hat ihrerseits maßgeblichen Einfluss auf die Strategie und die Struktur. Die Unternehmenskultur muss i.S. des Fit-Gedankens mit den übrigen Subsystemen des Strategischen Managements abgestimmt werden. Die Unternehmenskultur ist allerdings nur begrenzt gestaltbar. Beispiele aus der Unternehmenspraxis [1] Vertrauen und Teamwork: The HP Culture Die HP-Unternehmenskultur geht zurück auf die HP-Gründer Bill Hewlett und Dave Packard, zwei an der Stanford Universität ausgebildete Ingenieure. Sie nutzten ihre Erfahrungen aus den Anfängen ihrer Zusammenarbeit in der Garage in Palo Alto und machten Vertrauen, Teamwork und flache Hierarchien zu den Grundlagen ihres Unternehmens. Basis der Unternehmenskultur sind seit Jahrzehnten die bereits als „The HP-Way“ legendär gewordenen Grundwerte des Unternehmens:  Wir haben Vertrauen in unsere Mitarbeiter sowie Achtung und Respekt vor ihrer Persönlichkeit.  Wir legen besonderen Wert auf das hohe Niveau unserer Leistungen und Beiträge.  Wir legen unserem Tun kompromisslose Integrität zu Grunde.  Wir erreichen unsere Unternehmensziele im Team.  Wir fordern und fördern Flexibilität und Innovation. Darauf aufbauend formulierte 1999 die damalige Präsidentin und CEO Carleton S. Fiorina die „Regeln der Garage“.  Geh davon aus, dass Du die Welt verändern kannst.  Arbeite schnell, ganz egal, wann.  Bleibe flexibel: arbeite allein oder im Team - je nach Situation.  Teile alles mit Deinen Kollegen: Arbeitsmittel, Ideen, Probleme.  Keine Machtspielchen. Keine Bürokratie.  Radikal neue Ideen sind zumeist gute Ideen.  Liefere jeden Tag Ergebnisse. Sind sie überzeugend, verlassen sie die Garage.  Denke immer daran: Es ist der Kunde, der darüber entscheidet, ob ein Job gut gemacht ist.  Und vergiss nie: Gemeinsam kann man alles schaffen.  Sei erfinderisch. <?page no="7"?> 8 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Die Umsetzung der HP-Kultur erfolgt in Form von weiteren acht konkreten Verhaltens-Leitlinien: Offene Kommunikation - Effiziente Teamarbeit - Hohes Niveau der Leistungen - Bleibe flexibel: arbeite allein oder im Team - je nach Situation - Stabile Kundenbeziehungen - Meinungsvielfalt Führung durch Zielvereinbarung - Innovation - Risikobereitschaft - Flexibilität - Engagement Persönliche Verantwortung und Eigeninitiative - Schnelle Entscheidungen - Freude an der Arbeit - Permanente Weiterentwicklung - Hohe Wettbewerbsfähigkeit Respekt und Vertrauen - Keine Stechuhren - Übertragung von Verantwortung - Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung - Fehler machen dürfen Teamgeist - Verzicht auf Statussymbole - Großraumbüro (open door policy) - Anrede mit Vornamen - Breites Netz an Informationsmedien - Informeller Umgang und offene Kommunikation - Gegenseitiges Helfen - Management by wandering around Flexibilität und Innovation - Breites Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen - Führen durch Zielvereinbarung - Übersichtliche Bereiche durch Dezentralisierung - Flexibles Arbeitszeitmodell Hohes Niveau der Leistungen - Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg - Qualitätsphilosophie TQC Kompromisslose Integrität - Allgemein verbindliche Geschäftsgrundsätze - Wachstumsfinanzierung aus Eigenmitteln [2] KPMG: Unsere Werte Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ist mit 138.000 Mitarbeitern in 150 Ländern erfolgreich. Für alle gelten dieselben Grundwerte. KPMG dazu (siehe auch www.kpmg.de): „Wir beschäftigen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Nationen und Kulturen. Durch unser Handeln wollen wir unserem Unternehmen bei aller Vielfalt einer globalen Organisation ein einheitliches Gesicht geben. Kunden von KPMG können deshalb überall auf der Welt die gleiche hohe Qualität, Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit erwarten. Wir haben uns auf eine Reihe gemeinsamer Werte verständigt. Sie bestimmen unsere Unternehmenskultur und sind uns Verpflichtung im persönlichen und professionellen Verhalten: <?page no="8"?> Beispiele aus der Unternehmenspraxis 9  We lead by example At all levels we act in a way that exemplifies what we expect of each other and our member firms’ clients.  We work together We bring out the best in each other and create strong and successful working relationships.  We respect the individual We respect people for who they are and for their knowledge, skills and experience as individuals and team members.  We seek the facts and provide insight By challenging assumptions and pursuing facts, we strengthen our reputation as trusted and objective business advisers.  We are open and honest in our communication We share information, insight and advice frequently and constructively and managing tough situations with courage and candor.  We are committed to our communities We act as responsible corporate citizens by broadening our skills, experience and perspectives through work in our communities and protecting the environment.  Above all, we act with integrity We are constantly striving to uphold the highest professional standards, provide sound advice and rigorously maintain our independence. Our values are at the heart of our Global Code of Conduct, which defines the standards of ethical conduct we require of people in KPMG member firms worldwide. <?page no="9"?> 10 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur 1 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur „I came to see, in my time at IBM, that culture isn’t just one aspect of the game - it is the game.” Louis Gerstner, CEO IBM von 1993 bis 2002 Das Phänomen „Kultur“ hat in den letzten Jahren verstärkt Eingang in die Betriebswirtschaftslehre und speziell in die Lehre vom Strategischen Management gefunden. Nachdem kulturelle Aspekte Jahrzehnte nicht oder nur am Rande Beachtung fanden, ist die Zahl von Veröffentlichungen zu diesem Themenkomplex mit Beginn der 80er Jahre sprunghaft angestiegen. Es stellen sich somit zwei Fragen: − Worin liegen die Gründe für das zunehmende Interesse von Wissenschaft und Unternehmenspraxis an Fragen der Unternehmenskultur? − Was rechtfertigt die Berücksichtigung kultureller Aspekte im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre und insbesondere des Strategischen Managements? [1] Gründe für das zunehmende Interesse an der Unternehmenskultur (a) Ein Grund für das wachsende Interesse an der Kultur im Unternehmen ist in der kritischen Überprüfung der dem Wirtschaften in Unternehmungen zu Grunde liegenden Werthaltungen auf dem Boden einer allgemeinen Sinn- und Orientierungskrise der Betriebswirtschaftslehre zu sehen (vgl. Heinen/ Fank [Unternehmenskultur] 1ff.). Zahlreiche Diskussionen über Wertprobleme in den Wirtschaftswissenschaften und entsprechende Veröffentlichungen zum Thema „Wirtschaft und Ethik“ sind Indikatoren dieser Entwicklung. (b) Ein weiterer Grund ist im großen Erfolg japanischer Unternehmen in den USA und - etwas verzögert - in Europa in den 80er und 90er Jahren zu sehen. Es wird in diesem Zusammenhang von einem „Japan-Schock“ gesprochen. Vereinfacht kann man auch sagen: Was für die Entwicklung von Früherkennungssystemen der „Ölpreis-Schock“, war für die Unternehmenskultur der „Japan-Schock“. Niedrigere Lohn- und Lohnnebenkosten sowie eine Industriepolitik, deren Ziel die Integration der japanischen Wirtschaft und die Schaffung der dazu notwendigen Strukturen war, sind Ansätze, welche die Überlegenheit japanischer Unternehmen nur z.T. erklären konnten. Zunehmend rückten vielmehr kulturelle Aspekte ins Blickfeld. Wichtige Veröffentlichungen, wenngleich mit teilweise populärwissenschaftlichem Charakter, sind: „Culture`s Consequences“ (Hofstede, 1980), „Theory Z“ (Ouchi, 1981), „The Art of Japanese Management“ (Pascale/ Athos, 1981), „In Search of Excellence“ (Peters/ Waterman, 1982), „Corporate Cultures“ (Deal/ Kennedy, 1982), „Organizational Culture and Leadership“ (Schein, 1985). Alle diese Autoren kommen zu der Erkenntnis, dass neben den Organisationsstrukturen ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Unternehmung in der sie umgebenden Kultur bzw. in ihrer eigenen Unternehmenskultur zu sehen ist. Sie füllt die Struktur „mit Leben“. <?page no="10"?> 1 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur 11 (c) Die zunehmenden Internationalisierungsbestrebungen von Unternehmen und die damit zusammenhängende Globalisierung der Märkte führen dazu, dass tagtäglich unterschiedliche kulturelle Prägungen aufeinander treffen. Lieferanten, Nachfrager, Wettbewerber sowie staatliche Stellen entstammen mitunter höchst ungleichen Kulturen. Die Gründung eigener Tochtergesellschaften oder eines Joint Venture im Ausland führt ebenso zur Begegnung verschiedenartiger Kulturen wie der Abschluss von Kooperationen oder die Bildung strategischer Allianzen. Kultur und Unternehmenskultur werden so zu wichtigen Faktoren im Unternehmensalltag. Erfolg im internationalen Wettbewerb hängt, wie diese Beispiele zeigen, auch von der Kenntnis und der Berücksichtigung der kulturellen Heterogenität des Umfeldes ab. (d) Ein weiterer Grund für die Hinwendung zu Fragen der Kultur bzw. zu qualitativen Faktoren allgemein findet sich im methodischen Bereich. Es ist inzwischen eine gewisse Ernüchterung bezüglich der Problemlösungsfähigkeit quantitativer Methoden in der Betriebswirtschaftslehre und eine Rückbesinnung auch auf qualitative, weiche Größen und entsprechende Methoden eingetreten. Hinzu kommt der Übergang von einer isolierten und reduktionistischen zu einer integrierten und ganzheitlichen Sichtweise. Diese legt die Beachtung kultureller Aspekte nahe. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass mit dem Begriff „Kultur“ ein theoretisch wenig fundiertes Terrain beschritten wird. Nach wie vor besteht ein beträchtlicher Erklärungsbedarf bezüglich des Zusammenhangs von Unternehmenserfolg und Stärke der Unternehmenskultur. [2] Ansatzpunkte für die Berücksichtigung der Unternehmenskultur im Strategischen Management Ob allein das gestiegene Interesse an Fragen der Kultur schon ihre Einbeziehung in die Betriebswirtschaftslehre rechtfertigt, ist zweifelhaft. Entscheidend hierfür ist vielmehr, ob die Berücksichtigung kultureller Phänomene zu einem Erkenntnisfortschritt in der betriebswirtschaftlichen Theorie einerseits und der unternehmerischen Praxis andererseits führt. Es wird im Folgenden zu klären sein, inwieweit die Einbeziehung kultureller Aspekte den deskriptiven, theoretischen und pragmatischen Zielen der Wissenschaft vom Strategischen Management dienen kann oder ob man damit lediglich einer kurzweiligen Modeerscheinung folgt: − Kann durch die Berücksichtigung kultureller Aspekte ein der Realität näher kommendes Bild von Unternehmen, ihren Umweltbeziehungen und ihren internen Prozessen gezeichnet werden (deskriptives Wissenschaftsziel)? − Werden durch den Einbezug kultureller Phänomene die Reichweite und Erklärungskraft theoretischer Aussagen im Strategischen Management verbessert (theoretisches Wissenschaftsziel)? − Kann die Effizienz betriebswirtschaftlicher und insbesondere strategischer Entscheidungen durch die Berücksichtigung kultureller Aspekte gefördert und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen verbessert werden (pragmatisches Wissenschaftsziel)? <?page no="11"?> 12 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Wir werden im folgenden Abschnitt zunächst eine systematische Annäherung an das Phänomen „Unternehmenskultur“ vollziehen, um eine möglichst genaue Kenntnis von diesem Gegenstand zu erlangen. In den Abschnitten 3 und 4 ist zu zeigen, welche Bereiche und Faktoren auf den Charakter und die Entwicklung von Unternehmenskultur Einfluss nehmen und wie Unternehmenskultur selbst innerhalb der Unternehmung wirkt. Im abschließenden fünften Abschnitt werden wir uns der Frage zuwenden, ob und ggf. wie Unternehmenskultur zielorientiert gestaltet werden kann. <?page no="12"?> 2 Das Phänomen Unternehmenskultur 13 2 Das Phänomen Unternehmenskultur Bevor wir uns mit den oben skizzierten Fragen und Problemfeldern der Unternehmenskultur beschäftigen, sind zunächst die Grundlagen des Phänomens „Kultur“ zu erörtern. Anschließend wollen wir die gewonnenen Erkenntnisse auf den Kulturträger „Unternehmung“ übertragen und dort vertiefen. 2.1 Begriff und Kennzeichen einer Kultur Das Phänomen „Kultur“ ist traditionell Gegenstand von Anthropologie, Soziologie und Psychologie. Diese Wissenschaften haben eine Reihe von Begriffsfassungen hervorgebracht, die sich teilweise in Abhängigkeit von der Forschungsrichtung in ihrer inhaltlichen Akzentuierung und ihrem Geltungsbereich unterscheiden:  Kultur ist ein Muster von gemeinsamen Wert- und Normenvorstellungen, die über bestimmte Denk- und Verhaltensweisen die Entscheidungen und Handlungen der Organisationsmitglieder prägen (Heinen/ Fank [Unternehmenskultur]).  Kultur ist die im Laufe der Zeit erworbene kollektive Programmierung, die Mitglieder einer Gruppe von anderen unterscheidet. Kultur wirkt als normative Klammer integrierend (Scholz [Strategisches Management]).  Culture is a pattern of shared basic assumptions - invented, discovered, or developed by a given group as it learns to cope with its problems of external adaptation and internal integration - that has worked well enough to be considered valid and, therefore, to be taught to new members of the group as the correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems (Schein [Organizational Culture]). Kultur kann zunächst als Unterscheidungs- und Abgrenzungskriterium für soziale Gruppen aufgefasst werden, wobei Werte und Normen sowie die daraus abgeleiteten Denk- und Handlungsweisen die eigentlichen Kriterien der Unterscheidung und Abgrenzung sind. Die in den Kulturbegriffen angesprochenen sozialen Gruppen können Volksgruppen, Völker oder Völkergemeinschaften sein. Darüber hinaus ist der Kulturbegriff auch übertragbar auf Institutionen aller Art wie politische Parteien, Regierungen, Verbände, Vereine, Schulen, Krankenhäuser oder Unternehmungen. Entsprechend können wir Gruppenkulturen, Organisationskulturen (Unternehmenskulturen), Branchenkulturen und Gesellschaftskulturen unterscheiden (vgl. Abb. 6-2). Der Kulturbegriff kann, in Abwandlung der gegebenen Definition, an Stelle von Gruppen auch für Individuen benutzt werden. Es ist dann von Individual- oder Privatkultur die Rede. Kultur wird häufig durch Attribute wie „unsichtbar“, „ungreifbar“ oder „komplex“ beschrieben. Deshalb spricht man gerne, so auch hier, von einem Phänomen. Bleicher ([Organisation II] 175 f.) kennzeichnet die Kultur einer sozialen Gruppe durch folgende Eigenschaften: <?page no="13"?> 14 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur − Kultur ist menschengeschaffen: Sie ist ein Produkt kollektiven gesellschaftlichen Denkens und Handelns von Menschen. − Kultur ist überindividuell: Sie ist ein soziales Phänomen, das die einzelne Person überdauert. − Kultur ist verhaltenssteuernd: Sie drückt sich in (nichtformalisierten) Regeln, Normen, Werten, Einstellungen und Verhaltenskodices aus (shared basic assumptions). − Kultur strebt nach innerer Konsistenz und Integration: Sie stellt jedem einzelnen Individuum bewährte Methoden zur Lösung der Probleme des täglichen Überlebens und zur Befriedigung biologischer und sozialer Grundbedürfnisse zur Verfügung. − Kulturen sind anpassungsfähig und unterliegen Veränderungsprozessen, die im Falle der Kultur-Evolution (im Gegensatz zur Kultur-Revolution) graduell und allmählich ablaufen. − Kultur ist erlernbar. Diese Eigenschaften kennzeichnen das Wesen der Kultur allgemein. Zur Unterscheidung verschiedenartiger Kulturen können die Kriterien „Art“ und „Stärke“ der Kultur herangezogen werden. (a) Stärke bezeichnet das Maß, in dem das Normen- und Wertesystem von der Gesamtheit der Kulturmitglieder geteilt und akzeptiert wird. Eine starke Kultur ist gegenüber äußeren Einflüssen resistenter als eine schwache. In den Abschnitten 3 und 4 werden wir explizit auf diesen Aspekt zurückkommen. (b) Bezüglich der Art von Kultur sind, je nachdem, welche Elemente oder Kombinationen von Elementen die Kultur kennzeichnen, verschiedene Ausprägungen zu finden. So können Kulturen bspw. eher individualistisch oder eher kollektivistisch ausgeprägt sein. In individualistisch orientierten Gesellschaften (dazu werden die USA und die meisten westeuropäischen Länder gezählt) stehen das Wohl des Einzelnen und damit auch die Anforderungen an ihn im Vordergrund, wohingegen in kollektivistischen Gesellschaften oder Kulturen (z.B. in Japan) die Bindung des Einzelnen an die Gemeinschaft (Familie, Unternehmung etc.) wesentlich stärker ausgeprägt ist. Kollektive Entscheidungen und Verantwortung dominieren dort gegenüber einer individuellen Grundeinstellung. 2.2 Begriff der Unternehmenskultur Wir wollen uns nun, nachdem im vorangegangenen Abschnitt eine erste Annäherung an das Phänomen „Kultur“ erfolgt ist, den kulturellen Aspekten der Institution „Unternehmung“ zuwenden. In Anlehnung an die oben dargestellten Kulturbegriffe wollen wir Unternehmenskultur wie folgt definieren: Unternehmenskultur ist die Gesamtheit von im Laufe der Zeit in einer Unternehmung entstandenen und akzeptierten Werten und Normen, die über bestimmte Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster das Entscheiden und Handeln der Mitglieder einer Unternehmung prägen. <?page no="14"?> 2 Das Phänomen Unternehmenskultur 15 Unternehmenskultur kann auch als ein Bündel von emotional gewonnenen, verhaltensbeeinflussenden Wertvorstellungen verstanden werden. Scholz ([Strategisches Management] 88) spricht vom impliziten Bewusstsein eines Unternehmens, das sich aus dem Verhalten der Organisationsmitglieder ergibt und das umgekehrt die formalen sowie die informalen Verhaltensweisen der Individuen steuert. Scott- Morgan ([Spielregeln]) spricht in diesem Zusammenhang von „den heimlichen Spielregeln, der Macht der ungeschriebenen Gesetze in Unternehmen“. Ähnlich wie beim Organisationsbegriff werden auch hier bezüglich des Verhältnisses von Unternehmung und Kultur zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansichten vertreten: Instrumenteller Unternehmenskulturbegriff Nach ihm ist die Unternehmenskultur als Instrument der Unternehmensführung zu verstehen. In diesem Fall hat die Unternehmung eine Kultur, ähnlich wie sie über ein Planungs- und Kontrollsystem oder über bestimmte Technologien verfügt. Der Unternehmenskultur wird v.a. die Aufgabe der Koordination und der Motivation zugesprochen. Institutioneller Unternehmenskulturbegriff Er fasst die Unternehmung als soziales Gebilde mit akzeptierten und gelebten Werten und Normen auf. Die Mitarbeiter sind Kulturträger und Kulturgestalter zugleich. In diesem Fall ist die Unternehmung eine Kultur (vgl. Schreyögg [Organisationskultur] 1525). Verwandt aber nicht zu verwechseln mit dem Begriff „Unternehmenskultur“ sind die Begriffe „Betriebsklima“ und „Corporate Identity“. Im Gegensatz zur Unternehmenskultur beschreibt das Betriebsklima den Grad der Übereinstimmung zwischen den Erwartungen und Bedürfnissen der Organisationsmitglieder und der Arbeitsatmosphäre in der Unternehmung (vgl. Bleicher [Unternehmungskultur] 224f.). Dabei resultieren die Erwartungen und Bedürfnisse aus der kulturellen Prägung der Individuen bzw. der Unternehmung. Corporate Identity bezeichnet das einheitliche Erscheinungsbild der Unternehmung nach außen, die Repräsentanz der Unternehmung. Auch hier besteht eine Beziehung zum Begriff der Unternehmenskultur. Corporate Identity ist als Teil des nach außen sichtbaren Symbolsystems einer Unternehmenskultur aufzufassen. Unternehmenskultur selbst ist jedoch weit mehr als nur symbolische Repräsentation. Auf die Bedeutung von Symbolen innerhalb des Phänomens „Unternehmenskultur“ werden wir im folgenden Abschnitt genauer eingehen. <?page no="15"?> 16 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur 2.3 Ebenen der Unternehmenskultur Bei genauerem Hinsehen wird durch den verwendeten Unternehmenskulturbegriff vor allem das Normen- und Wertesystem der Unternehmung beschrieben und in seiner Wirkung gekennzeichnet. Dieses Normen- und Wertesystem begreifen wir als den Kern der Unternehmenskultur. Wie aber verhält es sich mit ihren sichtbaren Elementen? Wenngleich wir wissen, dass Unternehmenskultur ein unsichtbares und ungreifbares Phänomen ist, so kennen wir doch eine Reihe von Indikatoren, anhand derer ihre Beschreibung und Beurteilung möglich erscheint. Diese Indikatoren oder Artefakte bezeichnen wir als Symbolsystem einer Unternehmenskultur. Elemente eines derartigen Symbolsystems der Unternehmenskultur können sein: − Riten und Rituale (Feiern, Jubiläen, Beförderungen, Verabschiedungen, Entlassungen, Ernennung zum „Verkäufer des Jahres“), − Mythen und Geschichten (Pioniere, Gründer, Erfolge und Krisen der Vergangenheit), − Corporate Identity (Architektur des Gebäudes, Fuhrpark, Druckerzeugnisse, Messestand, Kleidung, Logo), − Wahrgenommene Atmosphäre und Leistungen (Sprache, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Besucherempfang, Prämien, Namensschilder). Das Symbolsystem bildet die oberste Ebene in einem Schichtenmodell der Unternehmenskultur. Symbole sind Sinnbilder, die stellvertretend für etwas anderes, nicht direkt Wahrnehmbares stehen. Als sichtbare Oberfläche der Unternehmenskultur stellt das Symbolsystem den einzigen praktischen Anknüpfungspunkt für ihre Beschreibung und Bewertung und damit ihre Gestaltung dar. Das Normen- und Wertesystem ist zwar der Kern einer Unternehmenskultur, ihre Wurzeln liegen jedoch tiefer. Die Basis einer Unternehmenskultur ist in einem System von Grundannahmen zu sehen, das von den Mitgliedern der Unternehmung vorbehaltlos und ohne weitere Hinterfragung und Überprüfung geteilt wird. Die Grundannahmen sind unsichtbar, werden nur selten bewusst wahrgenommen und stellen die Grundlage für das Denken und Handeln dar. Sie bilden die unterste Ebene der Unternehmenskultur. Abb. 6-1 zeigt das bekannte Schichtenmodell der Unternehmenskultur nach Edgar Schein. Es stellt eine wesentliche Hilfe zur gedanklichen Durchdringung des Phänomens „Unternehmenskultur“ dar. Dieses Schichtenmodell lässt sich auf alle Kulturbereiche anwenden. Man findet diese drei Ebenen bei der Gesellschaftskultur ebenso wie bspw. bei der Individualkultur. <?page no="16"?> 2 Das Phänomen Unternehmenskultur 17 Abb. 6-1: Unternehmenskulturebenen (Quelle: Schein [Organizational Culture] 14) Abb. 6-2 zeigt die verschiedenen dargestellten Aspekte (Merkmale, Bereiche und Ebenen) von Kultur bzw. Unternehmenskultur im Zusammenhang: Abb. 6-2: Merkmale, Bereiche und Ebenen von Kultur bzw. Unternehmenskultur Bisher haben wir vereinfachend eine homogene Unternehmenskultur i.S. einer Einheitskultur unterstellt. Eine derartige Vorstellung entspricht nur selten den realen Gegebenheiten. Unternehmenskulturen setzen sich i.d.R. aus verschiedenartigen Teil- oder Subkulturen zusammen. Die Geltungsbereiche derartiger Sub- Symbolsystem Normen- und Wertesystem System der Grundannahmen - Riten und Rituale - Mythen und Geschichten - Corporate Identity - Wahrgenommene Atmosphäre und Leistung - Gebäude - Führungsgrundsätze - Verhaltensrichtlinien - Pläne, Standards formale und informale Regeln Vorstellungen über - Sinn und Entstehung des Lebens menschliches Zusammenleben - Rolle des Menschen auf der Erde - Religion Symbolsystem Normen- und Wertesystem System der Grundannahmen Art Stärke Individualkultur Gruppenkultur Unternehmenskultur Branchenkultur Gesellschaftskultur Kulturebenen Kulturmerkmale Kulturbereiche <?page no="17"?> 18 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur kulturen sind häufig identisch mit den Grenzen spezifischer Teilsysteme oder -bereiche der Unternehmung (z.B. FuE). Dabei können regionale, funktionale, hierarchische oder interessenspezifische Aspekte einzelne Teilsysteme entwickeln, die dann eigene Subkulturen herausbilden. Es muss sich also nicht um formal organisatorische und damit leicht zu identifizierende Teilsysteme handeln. Die Gesamtheit aller Subkulturen sowie die zwischen diesen bestehenden Beziehungen bilden dann die Unternehmenskultur. Das Verhältnis von Subkulturen untereinander wird deutlich, wenn man auf die von Burns/ Stalker geprägte Unterscheidung zwischen organischen und mechanistischen Organisationsstrukturen zurückgreift (vgl. Bleicher [Unternehmenskultur] 232): Mechanistische Subkulturen entstehen in Teilsystemen mit vorwiegend standardisierten, formalisierten und weitgehend programmierbaren Arbeitsabläufen. Die Identifikation mit der Aufgabe tritt in den Hintergrund. Mechanistische Subkulturen findet man demzufolge häufig in Produktionsbereichen oder im Rechnungswesen/ Controlling. Organische Subkulturen entwickeln sich, wenn die Aufgaben komplexer werden und einen relativ hohen Neuigkeitsgrad besitzen. Möglichkeiten der Standardisierung und Formalisierung sind stark begrenzt, Motivation und Kreativität, die Arbeit in Teams sowie offene Kommunikationsstrukturen und hohe Umfeldsensibilität sind kennzeichnend. Organische Subkulturen entwickeln sich häufig in den Bereichen FuE oder Marketing. Die Beziehungen zwischen den Subkulturen können komplementär, indifferent oder konfliktär sein. Ergänzen und fördern sich die Werte und Normen der Subkulturen, so liegt ein komplementäres Verhältnis vor, widersprechen und bekämpfen sie sich, so ist das Verhältnis konfliktär. Indifferenz herrscht, wenn sich Werte und Normen weder fördern noch behindern. Das Aufeinandertreffen mechanistischer und organischer Subkulturen kann bspw. erhebliche Spannungen und Probleme und damit Ineffizienz verursachen. Dominiert die mechanistische Subkultur in der Unternehmung, so wird die Innovationsfähigkeit in den FuE-Bereichen leiden, dominiert die organische Subkultur, wird die Effizienz der Produktion zurückgehen. Die Existenz unterschiedlicher Subkulturen in der Unternehmung hat, wie gezeigt, durchaus ihre Berechtigung. Unterschiedliche Funktionen, Hierarchieebenen oder Regionen können unterschiedliche subkulturelle Prägungen erfordern bzw. entwickeln. Die Abstimmung bzw. Harmonisierung der Subkulturen untereinander - was nicht Vereinheitlichung, sondern Herstellung eines Intra-Kultur-Fit bedeutet - ist damit eine wichtige Aufgabe im Strategischen Management (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“ Teil 1, S. 16ff.). 2.4 Typen der Unternehmenskultur Will man eine Unternehmenskultur beschreiben und erfassen, so wird man sich an den sichtbaren Symbolen der Unternehmenskultur orientieren. Die Ausprägungen derartiger Symbole bedürfen jedoch in aller Regel der Interpretation. Hieraus er- <?page no="18"?> 2 Das Phänomen Unternehmenskultur 19 geben sich Probleme, nicht zuletzt dadurch, dass der Beobachtende und Interpretierende selbst eine bestimmte kulturelle Prägung besitzt (Ethnozentrismus). Eine grundsätzliche Eigenschaft jeder Unternehmenskultur ist ihre Intensität oder Stärke. Eine starke Unternehmenskultur kann unterstellt werden, wenn das Normen- und Wertesystem unternehmensweit einen nachhaltigen Einfluss auf das tägliche Denken und Handeln in der Unternehmung hat, also bspw. durch die Erzeugung eines Basiskonsenses gemeinsame Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsprozesse ermöglicht. Eine derartige Konstellation ist häufig in mittelständischen Unternehmen anzutreffen, die von einer starken Persönlichkeit dominiert sind. Da wir davon ausgehen, dass sich die Unternehmenskultur aus einer Reihe von Subkulturen zusammensetzt, bedeutet dies zugleich, dass bestimmte Anforderungen an die Subkulturkonstellation zu stellen sind. Nicht die Identität von Subkulturen i.S. von Gleichheit, sondern die Form des Intra-Kultur-Fit sind für die Stärke der (Gesamt-)Unternehmenskultur entscheidend. Abb. 6-3: Merkmale der Unternehmenskultur (nach Bleicher [Unternehmungskultur] 235ff.) Neben der Stärke gibt die Art der Unternehmenskultur Hinweise auf ihre Beschaffenheit. Die Ausprägung einer Unternehmenskultur kann u.a. anhand der in Abb. 6-3 genannten acht Merkmale beschrieben werden. Die Verbindungslinie innerhalb des Kreises soll eine konkrete Unternehmenskultur charakterisieren. Bei aller Überzeugungskraft derartiger Beschreibungen muss man sich der starken Vereinfachung und damit Distanz zur Realität bewusst sein. 1 6 5 4 3 7 2 8 Aussenorientiert Binnenorientiert Änderungsfreundlich Änderungsfeindlich Basisorientiert Spitzenorientiert Subkulturell geprägt Einheitskulturell geprägt Entwicklungsorientiert Instrumentell orientiert Kostenorientiert Nutzenorientiert Mitglieder als Mitarbeiter Mitglieder als Akteure Individuelles Rollenverständnis Kollektives Rollenverständnis <?page no="19"?> 20 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Ebenfalls zur Vereinfachung der Realität wurden Typen der Unternehmenskultur entwickelt. Dabei wurden stets mehrere Kulturmerkmale gleichzeitig herangezogen. Auch solche Typologien dienen primär einem deskriptiven Wissenschaftsziel und reduzieren die Komplexität durch die Konzentration auf einige wenige Merkmale. Darin liegen gleichzeitig Wert und Gefahr von Typologien begründet. Die wohl populärste Typologie von Unternehmenskulturen haben Terrence E. Deal und Allan A. Kennedy (1982) vorgelegt. Sie gehen von zwei Kriterien aus: − Risikobereitschaft (bei Entscheidungen) und − Geschwindigkeit des Feedback aus dem Markt, mit der eine Aktivität sich als nachteilig oder vorteilhaft erweist. Aus der Kombination dieser beiden Dimensionen mit den Ausprägungen hoch/ niedrig (Risikobereitschaft) und schnell/ langsam (Feedback) resultieren vier Kulturtypen (vgl. Abb. 6-4). Abb. 6-4: Kulturtypen nach Deal/ Kennedy ([Corporate Cultures] 107ff.) Deal/ Kennedy kennzeichnen diese vier Typen wie folgt: [1] The tough-guy, macho culture (Macho-Kultur) Die Mitarbeiter sind Individualisten mit hoher Risikobereitschaft. Sie erwarten ein schnelles Feedback zum Erfolg ihrer Aktionen. Beispiele: Unternehmensberatungen, Finanzdienstleister, Broker, Marketing- und Werbeagenturen. [2] The work-hard/ play-hard culture (Harte Arbeit-Viel Spaß-Kultur) Die Mitarbeiter leisten harte, aber attraktive Arbeit. Das Risiko ist relativ gering und es wird ein rasches Feedback erwartet. Beispiele: Telekommunikationsunternehmen, Computer- und Softwarehersteller, (Automobil-)Handel. Risikobereitschaft niedrig hoch Geschwindigkeit des Feedback aus dem Markt langsam schnell bet-your company process tough-guy, macho work hard/ play hard <?page no="20"?> 2 Das Phänomen Unternehmenskultur 21 [3] The bet-your-company culture (Risiko-Kultur) Die Unternehmungen und ihre Mitarbeiter gehen mit sehr großen Investitionen sehr hohe Risiken ein. Ein Feedback erfolgt erst nach Jahren. Beispiele: Anlagenbau, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und -institute. [4] The process culture (Prozess-Kultur oder Bürokratie) Die Mitarbeiter erfüllen ihre Aufgaben mit geringem Risiko. Ein schnelles Feedback wird nicht erwartet. Beispiele: Versicherungen, Banken, Bilanzabteilungen. Eine weitere Typologie hat Bleicher entwickelt. Sie ist mehrdimensional angelegt und beruht auf den in Abb. 6-3 genannten Merkmalen. Welche Kulturtypen Bleicher im Einzelnen aus diesen Dimensionen gewinnt, zeigt die folgende Übersicht in Abb. 6-5: Abb. 6-5: Kulturtypen in Anlehnung an Bleicher ([Unternehmungskultur] 235ff.) Offenheit der Unternehmenskultur außenorientiert/ offen änderungsfreundlich vernetzte, zukunftsorientierte Kultur binnenorientiert/ geschlossen änderungsfeindlich insulare, traditionsorientierte Kultur Differenziertheit der Unternehmenskultur basisorientiert subkulturell geprägt Subkulturen spitzenorientiert einheitskulturell geprägt Einheitskultur Kulturprägende Rolle der Führung entwicklungsorientiert nutzenorientiert unternehmerische Führungskultur instrumentell orientiert kostenorientiert Technokratie Kulturprägende Rolle der Mitarbeiter Akteursrolle individ. Rollenverständnis Individualkultur Mitgliedschaftsrolle kollekt. Rollenverständnis Teamkultur <?page no="21"?> 22 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur 3 Einflüsse auf die Unternehmenskultur Beispiel: Die Drogeriemarktkette Schlecker ist im Jahre 2012 in die Insolvenz geraten. Der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz sieht im Einfluss des Firmengründers auf die Unternehmenskultur die Hauptursache für den Niedergang des Schlecker-Imperiums und gleichzeitig auch den Ansatz für die Lösung des Problems: „Wiederholt sprach der Insolvenzverwalter vom „kompromisslosen Kulturwandel“, der Schlecker wieder das Vertrauen zurückbringen soll, das man unter der „patriarchalischen Führung“ des Firmengründers verloren habe. Geiwitz zollte Anton Schlecker seine Anerkennung für dessen unternehmerische Leistung. Aber sein größter Fehler sei womöglich dieser Führungsstil und die Undurchsichtigkeit der Entscheidungsprozesse gewesen.“ (Stuttgarter Zeitung vom 01.03.2012) Stefanie Nutzenberger vom Verdi-Vorstand argumentiert so: „Jetzt komme es darauf an, ein glaubwürdiges Konzept zu erarbeiten. Außerdem sei es unerlässlich, einen Kulturwandel einzuleiten. Dazu ist es wichtig und notwendig, einen Bruch mit der alten Führung und den alten Führungsmethoden und eine Neuausrichtung vorzunehmen.“ (Stuttgarter Zeitung vom 01.03.2012) 3.1 Einflussbereiche Was macht eine Unternehmenskultur zu dem, was sie ist? Welche Elemente haben prägenden Einfluss auf die Unternehmenskultur (determinieren sie) und wie sehen die Mechanismen dieser Prägung aus? Die Beantwortung dieser Fragen führt zur Entwicklung einer Theorie der Unternehmenskultur. Erst auf der Grundlage solchen Wissens ist eine zielorientierte Gestaltung der Unternehmenskultur möglich. Eine derartige Theorie liegt jedoch nur in Fragmenten vor. Dies liegt vor allem an der Komplexität des Beziehungsgeflechts von Unternehmenskultur und ihren Einflussfaktoren einerseits sowie ihren Wirkungen auf dritte Größen andererseits. Entsprechend komplex ist auch der Prozess, in dem die Unternehmenskultur selbst entsteht, und entsprechend vielschichtig sind die Wirkungen der Unternehmenskultur. Hinzu kommt, dass die Unternehmenskultur beeinflussende und von der Unternehmenskultur beeinflusste Größen teilweise identisch sind, das Beziehungsgeflecht also durch interdependente Beziehungen gekennzeichnet ist. Diese Erkenntnisse sind nicht weiter verwunderlich, sind doch bereits bei der Beschreibung des Unternehmenskulturphänomens erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten. Um dennoch einen Einblick in die Entstehung und Entwicklung einer Unternehmenskultur zu gewinnen, wollen wir einzelne, besonders augenfällige Einflussgrößen und -wirkungen schlaglichtartig erhellen. Wir müssen uns dabei aber bewusst sein, dass ohne empirische Prüfung solche Aussagen durchaus spekulativen Charakter besitzen können. <?page no="22"?> 3 Einflüsse auf die Unternehmenskultur 23 Zunächst geht es um die Frage der Determinanten der Unternehmenskultur. Abb. 6-6 können wir entnehmen, dass die Unternehmenskultur in eine Branchenkultur bzw. in eine Gesellschaftskultur eingebettet ist. Es ist plausibel anzunehmen, dass diese Kulturbereiche, die unter dem Begriff „Umkultur“ zusammengefasst werden können, über die zahlreichen Beziehungen, welche zwischen einer Unternehmung und ihrer Umwelt existieren, einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung der Unternehmenskultur haben. Abb. 6-6: Einflussfaktoren auf die Unternehmenskultur Aus der Beschreibung der Eigenschaften von Kulturen (vgl. Abschnitt 2.1) wissen wir, dass „Kultur“ zwar ein überindividuelles, dennoch aber ein menschengeschaffenes und soziales Phänomen ist. Wenngleich damit gesagt ist, dass eine Unternehmenskultur weit mehr als die bloße Summe der Individualkulturen ihrer Mitarbeiter darstellt, so impliziert dies zugleich, dass das einzelne Individuum und seine kulturelle Prägung die Unternehmenskultur wesentlich mitbestimmen. Dem Individuum kommt auch insofern eine Sonderstellung zu, als angenommen werden kann, dass viele der anderen Determinanten indirekt über die Individualkulturen der Mitarbeiter auf die Unternehmenskultur wirken. Individuum Branche Organisation Strategie Führungsverhalten Gesellschaft Unternehmenskultur <?page no="23"?> 24 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Als letzte Determinantengruppe wollen wir unternehmensinterne Faktoren behandeln. Dabei scheinen die Strategie, die Organisation (im strukturellen Sinn) und das Führungsverhalten als Einflussgrößen plausibel. Die Forderung nach einem Intra-System-Fit aller Subsysteme legt die Annahme eines Einflusses dieser Faktoren auf die Unternehmenskultur nahe. 3.1.1 Individuum Wir haben gesehen, dass es sinnvoll ist, in Abwandlung des auf soziale Gruppen bezogenen Kulturbegriffs, auch von der kulturellen Prägung von Personen zu sprechen. Wie bei einer Personenmehrheit manifestiert sich die Individualkultur in den drei Ebenen „System der Grundannahmen“, „Normen- und Wertesystem“ sowie „Symbolsystem“. Das Sozialisationskonzept vermittelt einen Eindruck davon, wie die individualkulturelle Prägung entsteht. Kultur wird nicht bewusst gelernt, sondern in einem Sozialisationsprozess vermittelt. Sozialisation wird dabei als unbewusster Lernprozess des Hineinwachsens in ein soziales Beziehungsgefüge verstanden, wobei verschiedene Phasen dieses Prozesses unterschieden werden. Wir wollen hier - etwas vereinfachend - von zwei Phasen der Sozialisation ausgehen: Die primäre Sozialisation findet im Kindesalter eines Menschen statt und ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet (vgl. Giddens [Sociology] 60): − Das Lernen erfolgt zunächst fast ausschließlich über die affektive Beziehung zu einem bestimmten Sozialisationspartner (häufig ein Elternteil). − Die Stabilität und teilweise Zwanghaftigkeit dieser Beziehung führt zu einer Identifikation mit den vorgelebten Werten und Normen und so zu ihrer Internalisierung. − Im fortschreitenden Kindesalter nimmt die Zahl der Sozialisationspartner allmählich zu (z.B. Freunde), was zu einer Modifikation und Festigung der internalisierten Werte führt. − Die Phase der primären Sozialisation endet, wenn eine eigene Identität gewonnen wurde, die Gesellschaft und die eigene Position darin erkannt sind, und ein sich selbst bewusster, wissensfähiger Mensch entstanden ist. Die sekundäre Sozialisation schließt sich an die primäre an und dauert das ganze Leben über fort. Eine exakte Grenzziehung zwischen primärer und sekundärer Sozialisation ist nicht möglich. Die zentralen Unterschiede zwischen beiden Phasen bestehen darin, dass jetzt die affektive Komponente gegenüber der (rational-)kognitiven an Bedeutung verliert, die Zahl der Sozialisationspartner erheblich zunimmt (z.B. Schule und Lehrer, Kirche, Politik, Kollegen und Vorgesetzte am Arbeitsplatz) und eine relativ große Freiheit bezüglich der Wahl der Sozialisationspartner besteht. Der Mensch kann hier also über die Annahme und Internalisierung von Werten in gewissem Umfang selbst entscheiden, er kann bestimmte Rollen übernehmen oder ablehnen. Da die primär sozialisierten Werte tief im Individuum verankert sind, sozusagen seine Identität bilden, stellen sie eine inhaltliche Restriktion für sekundär zu erlernende Normen und Werte dar. <?page no="24"?> 3 Einflüsse auf die Unternehmenskultur 25 Die Mitarbeiter einer Unternehmung treten mit ihrer durch primäre und sekundäre Sozialisation entstandenen Individualkultur in die Unternehmung ein. Dabei treffen Individualkultur und bestehende Unternehmenskultur bzw. kulturelle Erwartungen an die jeweilige Rolle des anderen aufeinander. Der Ausgang dieses sekundären Sozialisationsprozesses ist sowohl für die Individualkultur als auch für die Unternehmenskultur offen. Bestehende Werte werden ersetzt, ausgetauscht oder bestätigt, wobei neben der inhaltlichen Komponente auch die Art der Präsentation auf der Symbolebene und die Stärke der Verankerung der Werte eine Rolle für die entstehende Unternehmenskultur spielen. Durch den Zu- und Abgang von Mitarbeitern (Individualkulturen) ist die Unternehmenskultur selbst ständig in Bewegung. Sie kann relativ homogen oder auch heterogen, d.h. in viele unterschiedliche Subkulturen zersplittert sein. Die Möglichkeiten der Gestaltung des Entstehungs- und Entwicklungsprozesses der Unternehmenskultur über die Individuen beziehen sich also vor allem auf die Beeinflussung der sekundär sozialisierten Werte der Organisationsmitglieder, da die primär sozialisierten Werte kaum bzw. nur in Extremsituationen veränderbar sind. Daneben kann durch die Zusammensetzung von Teams oder Abteilungen begrenzt Einfluss auf die Entstehung der Subkulturkonstellation genommen werden. 3.1.2 Gesellschaft und Branche Der Einfluss der Gesellschaftskultur auf die Unternehmenskultur über die Individualkulturen der Mitarbeiter ist offensichtlich. So nehmen Mitarbeiter außerhalb der Unternehmung (in der Gesellschaft) zahlreiche verschiedenartige Funktionen oder Rollen wahr, die kulturelle Austauschprozesse ermöglichen. Daneben stellt die Gesellschaft auf der Grundlage ihrer Kultur bestimmte Erwartungen an Unternehmen, bspw. bezüglich ihres Wettbewerbsverhaltens gegenüber Marktpartnern, ihrer ökologischen Verantwortung oder ihres Verhaltens gegenüber ihren Mitarbeitern. Diesen Erwartungen muss eine strategisch denkende und erfolgsorientiert handelnde Unternehmung gerecht werden. Findet ein gesellschaftlicher Wertewandel statt, so entsteht ein Zwang zur Anpassung für die Unternehmung. Augenfällig wird die Bedeutung der Gesellschaftskultur, wenn im Rahmen einer Internationalisierungsstrategie bspw. eine Niederlassung in einem anderen Kulturkreis gegründet wird. Im Heimatland erfolgreiche Führungsstile treffen dort häufig auf Widerstände und lassen sich nicht anwenden. So wurde bspw. festgestellt, dass das in den USA und West-Europa weit verbreitete Konzept des „Management by Objectives“ in ost-asiatischen Kulturen weit weniger praktiziert wird. Die kollektivistische Orientierung der japanischen Kultur kann vermutlich als Grund dafür angesehen werden, dass der Kooperationsgedanke in Japan eine weit wichtigere wirtschaftliche Bedeutung erlangt hat (in Form der netzartigen Unternehmensverbindung „Keiretsu“), als dies bspw. in Europa oder den USA der Fall ist. Die Verbreitung von Allianzen und strategischen Netzwerken setzte in westlichen Kulturen später, eher als Reaktion auf den Erfolg dieser japanischen Strategie ein. Der Einfluss der Religion auf die Gesellschaftskultur und dadurch auf die Unternehmenskultur spielt hierbei eine gewichtige Rolle. Der Unterschied von kollektivistischer (in Japan) und individualistischer Kulturprägung (in Europa und USA) <?page no="25"?> 26 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur kann in erheblichem Umfang auf Unterschiede zwischen buddhistischer und hinduistischer Religion einerseits und dem christlichen Glauben andererseits zurückgeführt werden. Max Weber hat die These aufgestellt, die asketische Arbeitsethik des Calvinismus habe den Kapitalismus hervorgebracht. Der calvinistisch geprägte Gläubige empfinde sich durch ein arbeitsames Leben als Auserwählter Gottes. In der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien und den USA habe diese Einstellung die Unternehmenskultur geprägt (vgl. Weber, Max: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Tübingen 1934). Häufig existiert neben der Gesellschaftskultur auch eine spezifische Branchenkultur. Diese wird bspw. durch bestimmte strategische Verhaltensweisen der Wettbewerber oder ein fachlich bedingtes, brancheneinheitliches Berufs- und Bildungssystem geprägt (z.B. Ärzte und Apotheker). Über die marktlichen Beziehungen zu Absatz- und Angebotsmärkten besteht die Möglichkeit, branchenübliche Werte und Normen zu übernehmen oder zu verändern und damit die eigene Unternehmenskultur zu beeinflussen. 3.1.3 Führungsverhalten, Strategie und Organisation Über das Symbolsystem der Unternehmenskultur hat das Führungsverhalten Einfluss auf die Unternehmenskultur. Die Wahl eines spezifischen Führungsstils (z.B. autoritär oder partizipativ) beeinflusst die sekundären Sozialisationsprozesse und damit die Gestalt der resultierenden Unternehmenskultur. Ebenso kann die Präferierung bestimmter Koordinationsmechanismen (z.B. Selbstabstimmung an Stelle persönlicher Weisung) oder die Gestaltung des betrieblichen Anreizsystems (z.B. Orientierung am Shareholder Value) Werthaltungen in der Unternehmung beeinflussen. Umgekehrt wird natürlich auch das Führungsverhalten selbst durch die Existenz einer bestimmten Unternehmenskultur ganz erheblich tangiert. Die Interdependenz von Unternehmenskultur und Führungsverhalten drückt Schein ([Organizational Culture] 2) wie folgt aus: „Culture and leadership ... are two sides of the same coin, and neither can really be understood by itself.“ Die Strategien, welche die Unternehmung verfolgt bzw. in der Vergangenheit verfolgt hat, und der mit ihnen verknüpfte Erfolg bzw. Misserfolg prägen sich ebenfalls in das kulturelle Bewusstsein der Unternehmung ein. Führt die Unternehmung einen Verdrängungswettbewerb erfolgreich durch, so wird diese Vorgehensweise auch die Unternehmenskultur und die Individualkulturen beeinflussen. Verdrängung und Egoismus können zu Merkmalen des zwischenmenschlichen, sozialen Umgangs innerhalb der Unternehmung werden. Auf den umgekehrten Einfluss der Unternehmenskultur auf die Strategie werden wir in Abschnitt 4.2 ausführlich eingehen. Die Interdependenz von Strategie und Organisation einerseits und Strategie und Kultur andererseits impliziert eine solche Beziehung auch für das Verhältnis von Organisation und Kultur. Eine spezifische Aufbauorganisation und die damit verbundene Existenz bzw. Dominanz spezifischer Informations-, Kommunikations- und Koordinationsbeziehungen determinieren in gewissem Umfang die Entwicklung der Unternehmenskultur: <?page no="26"?> 3 Einflüsse auf die Unternehmenskultur 27 Eine Matrixorganisation wird mit dem ihr innewohnenden Konfliktpotenzial eine andere Unternehmenskultur hervorbringen als eine hierarchisch ausgerichtete und zentralisierte Funktionale Organisation. Die Matrixorganisation stellt höhere Anforderungen an die Bereitschaft der Mitarbeiter, Konflikte zu akzeptieren und durch ihre Lösung kreative Entwicklungen hervorzubringen, als dies die Funktionale Organisation vermag. Dort werden Konflikte eher als negativ und - aufgrund der hierarchischen Strukturierung - häufiger als bedrohlich empfunden. Die Interdependenz der Beziehung wird wiederum dadurch deutlich, dass die Wahl einer Struktur entscheidend von den innerhalb der Unternehmung vorherrschenden Werten, also der Unternehmenskultur, abhängt (vgl. Abschnitt 4.2.4). 3.2 Empirische Forschung Die vorangegangenen Aussagen sind nur z.T. empirisch fundiert und haben deshalb oft den Charakter von Plausibilitätsüberlegungen. Umfangreiche empirische Forschung kann zur Entwicklung einer Theorie der Unternehmenskultur beitragen. Die Defizite auf diesem Gebiet sind jedoch nicht zufälliger Art, sondern lassen sich mit den spezifischen Eigenschaften des Phänomens „Kultur“ erklären. Die unzureichenden Möglichkeiten der Operationalisierung von Kultur, die mit der Unschärfe des Kulturbegriffs und der prinzipiellen Ungreifbarkeit von Kultur in Form von informellen Regeln zusammenhängen, bereiten die größten Probleme. Es fehlt daher bis heute weitgehend an empirisch bestätigten Hypothesen, die bspw. den (quantitativen) Anteil der Unternehmenskultur am Erfolg einer Unternehmung erklären können. Vielmehr hat Kultur eine Art Lückenbüßerfunktion. Als „Variable X“ soll sie diejenige Varianz erklären, die durch andere Faktoren ungeklärt geblieben ist (vgl. Hofstede [Kultur]). Eine Operationalisierung von Kultur kann nur über beobachtbare Tatsachen, also die Indikatoren und Symbole, erfolgen. Diese können sich in Worten (verbal) und/ oder Taten (nicht verbal) niederschlagen. Das Verhalten kann vom Erhebenden stimuliert sein oder natürlich zu Stande kommen. Hofstede unterscheidet danach vier Operationalisierungsstrategien: Beobachtung Einflussgrad Worte Taten Stimuliert - Interviews - Fragebogen - Projektive Tests - Laborexperimente - Feldexperimente Natürlich Inhaltsanalyse von: - Reden - Gesprächen - Dokumenten - Direkte Beobachtung - Verwendung von verfügbarem beschreibendem und statistischem Material Abb. 6-7: Vorgehensweisen zur Erfassung und Operationalisierung von Kultur (Quelle: Hofstede [Kultur] 1174) <?page no="27"?> 28 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur In der folgenden Abb. 6-8 sind 6 Indikatoren aufgeführt, die messbar sind und die Stärke der Unternehmenskultur zum Ausdruck bringen können. Abb. 6-8: Messgrößen für die Stärke der Unternehmenskultur Ein weiteres Problem der empirischen Forschung zur Unternehmenskultur ist in der Tatsache zu sehen, dass der Forscher selbst eine kulturelle Prägung besitzt, die ihm selbst nur begrenzt bewusst ist, und die deshalb wie ein Filter seine Wahrnehmung beeinflusst. Diese Prägung ist zwar bei jeder empirischen Arbeit im Spiel, wirkt sich jedoch bei der Erfassung und Interpretation kultureller Phänomene zwangsläufig besonders stark aus. Im Zusammenhang mit der Gestaltung von Unternehmenskultur werden wir noch einmal auf die Erfassung unternehmenskultureller Phänomene zurückkommen (vgl. Abschnitt 5.1). 1. Umfang der Teilnahme der Mitarbeiter an freiwilligen Firmenveranstaltungen 2. Anzahl der von den Mitarbeitern selbst organisierten Aktivitäten 3. Umgesetzte Verbesserungen aus dem Vorschlagswesen 4. Zahl der Weiterbildungstage 5. Anzahl von Prozessmodifikationen aus dem Team 6. Häufigkeit von Absenzen, Krankheitstagen <?page no="28"?> 4 Wirkungen der Unternehmenskultur 29 4 Wirkungen der Unternehmenskultur Zunächst wollen wir auf grundlegende, allgemeine Wirkungen der Unternehmenskultur eingehen. Anschließend soll der spezifische Einfluss der Unternehmenskultur auf die übrigen Subsysteme des Strategischen Managements untersucht werden. Die Defizite in der Theorie der Unternehmenskultur betreffen auch unser Wissen über die genauen Wirkungen der Unternehmenskultur. Deshalb sind wir - ähnlich wie oben - z.T. auf Plausibilitätsüberlegungen angewiesen. 4.1 Grundlegende Wirkungen Positive Wirkungen Negative Wirkungen Koordination (gemeinsames Orientierungsmuster) Integration (Wir-Gefühl) Motivation (Engagement für das Unternehmen) Repräsentation (positives Erscheinungsbild eines Unternehmens) Selbstüberschätzung Reduktion von Umweltsensibilität Wahrnehmungsfilterung Konformitätsdruck Behinderung von strategischer Neuorientierung struktureller Anpassung - Innovation organisationalem Lernen Abb. 6-9: Grundlegende Wirkungen der Unternehmenskultur Es ist mit positiven und negativen Effekten zu rechnen. [1] Koordinationswirkung Unternehmenskultur erzeugt ein einheitliches, unternehmensweit akzeptiertes Orientierungsmuster. Dadurch wird die Abstimmung zwischen den Organisationsmitgliedern vereinfacht, sie stellt sich gleichermaßen von selbst ein. Unsicherheit des Einzelnen bezüglich des Verhaltens anderer wird reduziert, seine Erwartungen werden stabilisiert. [2] Integrationswirkung Unternehmenskultur vermittelt dem einzelnen Mitarbeiter Solidarität und damit eine Rollensicherheit. Der Zusammenhalt des Gesamtsystems wird gefördert: „Das Unternehmen sind wir.“ Die Bereitschaft zur Solidarität mit dem Unternehmen umfasst auch die Verpflichtung, die Regeln des Unternehmens zu beachten. Man bezeichnet heute die Einhaltung von Gesetzen, Regeln und Unternehmensrichtlinien als Compliance (to comply = Folge leisten, sich fügen). <?page no="29"?> 30 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur [3] Motivationswirkung Eng verknüpft mit der Integrationswirkung ist die Motivationswirkung. Die kulturelle Integration gibt dem Einzelnen ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer sozialen Gruppe (Abteilung, Gruppe, Unternehmung) und kann die Erkennung von Sinnzusammenhängen fördern. Von beidem geht eine positive motivationale Wirkung aus, die sich bspw. in geringeren Fehlzeiten, abnehmender Fluktuation oder zunehmender Innovationskraft niederschlagen kann. [4] Repräsentationswirkung Schließlich kann eine Unternehmenskultur die Außenwirkung einer Unternehmung (Corporate Identity) verstärken. Dies wird unterstützt durch Symbole wie das Firmenlogo und die Architektur des Gebäudes. Durch die Verbesserung des Erscheinungsbildes eines Unternehmens werden positive Erwartungen der Umwelt geweckt. Günstige Auswirkungen auf den Absatzerfolg und die Rekrutierung von Personal können die Folge sein. Den genannten vier positiven Wirkungen stehen mitunter auch negative Wirkungen gegenüber. Eine starke Unternehmenskultur und das damit verbundene „Wir- Gefühl“ können zu Selbstüberschätzung und mangelnder Sensibilität für Anforderungen und Veränderungen der Umwelt führen: „Success breeds failure“. Das eigene Normen- und Wertesystem schiebt sich unbemerkt zwischen Unternehmung und Umwelt und behindert als Wahrnehmungsfilter das rechtzeitige Erkennen relevanter Umweltveränderungen, bspw. durch die Aufnahme Schwacher Signale (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“, S. 305ff.). Zu starkes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten kann zur Unterschätzung der Dynamik im Bereich technologischer Entwicklungen führen und damit innovationshemmend wirken. Neuerungen werden im Lichte traditioneller Erfolgsmuster gesehen. Somit kann eine starke Unternehmenskultur in Abhängigkeit ihrer inhaltlichen Ausprägung strategische Neuorientierung und Strukturanpassungen hemmen. Schließlich kann eine starke, unternehmensweit homogene Kultur die Lernfähigkeit der Unternehmung, insbesondere das Double-Loop- und das Deutero-Loop- Learning, behindern (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“, S. 416). 4.2 Spezielle Wirkungen Die Herbeiführung eines strategischen Fit ist zentrales Anliegen des Strategischen Managements (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“ Teil 1). Im Folgenden soll die Bedeutung der Unternehmenskultur im Rahmen dieses Fit-Konzepts beleuchtet werden. Da im Zusammenhang mit Subkulturen bereits über den Intra-Kultur-Fit gesprochen wurde, werden wir uns deshalb vor allem mit der Ebene des Intra-System-Fit beschäftigen und die Wirkungen der Unternehmenskultur auf die Subsysteme  strategische Planung,  strategische Kontrolle,  Information und  Organisation untersuchen. <?page no="30"?> 4 Wirkungen der Unternehmenskultur 31 4.2.1 Strategische Planung Im Folgenden wollen wir die Wirkung der Unternehmenskultur auf folgende ausgewählte Komponenten des strategischen Planungsprozesses analysieren: − Strategische Zielbildung, − Strategiewahl und − Strategieimplementierung. Dabei sollen die Wirkungen der Unternehmenskultur auf die Prozesse der Zielbildung, der Strategiewahl und der Strategieimplementierung sowie auf das Ergebnis dieser Prozesse getrennt untersucht werden. [1] Strategische Zielbildung Das auf dem System der Grundannahmen basierende Normen- und Wertesystem einer Unternehmung bringt Präferenzen zum Ausdruck und hat somit maßgeblichen Einfluss auf Entstehung und Gestalt des Zielsystems der Unternehmung. Prozess der Zielbildung Der Zielbildungsprozess, also die Art des Entstehens des Zielsystems der Unternehmung, ist eng mit der Unternehmenskultur verbunden. Strategische Ziele können innerhalb eines kleinen elitären Kreises entwickelt und anschließend „von oben“ vorgegeben werden. Sie können jedoch auch innerhalb eines multipersonalen, multioperationalen und multitemporalen Prozesses unter Einbeziehung sämtlicher hierarchischer Ebenen gewonnen werden. In der unternehmerischen Realität dürften Art und Ausmaß der Einbeziehung unterer Hierarchieebenen situationsspezifisch auf einem Kontinuum zwischen den beiden beschriebenen Extremen zu finden sein. Wo genau sich ein Unternehmen auf diesem Kontinuum positioniert, ist auch eine Frage seiner Kultur. Eine offene, basisorientierte, den Mitarbeiter als Mitglied und nicht als Ausführungsorgan berücksichtigende Unternehmenskultur wird tendenziell eine weit gehende Beteiligung aller Hierarchieebenen an der Entwicklung strategischer Ziele bewirken. In einer spitzenorientierten, den Mitarbeitern misstrauisch gegenübertretenden Unternehmenskultur hingegen dürften strategische Ziele unter Ausschluss der Basis entstehen. Geheimhaltung und Misstrauen verhindern die Nutzung von Know How und Kreativität im Unternehmen. Da unterstellt werden kann, dass Organisationsmitglieder eigene Ziele sowie Ziele für die Gruppe bzw. die Unternehmung in den Zielbildungsprozess einbringen, spielen die kulturellen (Vor-)Prägungen aller an diesem Prozess beteiligten Individuen, ihre Individualkultur, eine gewichtige Rolle. Im Falle der Zielvorgabe durch das Top-Management wird das Zielsystem von der Kultur der Führungsgruppe geprägt sein. Akzeptanz und damit Implementierbarkeit des Zielsystems hängen dann entscheidend davon ab, inwieweit es der Führung gelingt, ihr Wertesystem unternehmensweit zu verankern. Werden die strategischen Ziele nicht „von oben“ vorgegeben, ist eine höhere Akzeptanz des Zielsystems zu erwarten, wenngleich der Aufwand eines derartigen Zielbildungsprozesses sehr hoch sein dürfte und Konflikte ggf. in die Zielbildungsphase vorverlagert werden. <?page no="31"?> 32 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Zielsystem Zwischen der Gestalt des Zielsystems (Arten-, Höhen-, Sicherheits- und Zeitpräferenz) und der Unternehmenskultur besteht nicht nur auf operativer Ebene, sondern auch und gerade auf strategischer Ebene ein Zusammenhang. Aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“, S. 72ff.) sind strategische Ziele in besonderer Weise von der Unternehmenskultur abhängig. Sie können als Spiegel des Werte- und Normensystems der Unternehmenskultur aufgefasst werden. Beispiel: Bei der Deutschen Telekom bilden die sog. Leitlinien (Guiding Principles) und der darauf aufbauende Verhaltenskodex (Code of Conduct) das Grundgerüst für das unternehmerische Handeln - in der Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten, Partnern und der Öffentlichkeit ebenso wie innerhalb des Unternehmens. Die Leitlinien sind:  Kunden begeistern.  Integrität und Wertschätzung leben.  Offen zur Entscheidung - geschlossen umsetzen.  An die Spitze! Leistung anerkennen - Chancen bieten.  Ich bin die Telekom - auf mich ist Verlass. Diese Leitlinien wurden unter Einbindung von Sozialpartnern entwickelt und im Januar 2009 veröffentlicht. Seither gelten sie konzernweit - in 19 Sprachen, 34 Ländern und 50 Geschäftseinheiten. Die Leitlinien repräsentieren die zentralen Wertvorstellungen und Überzeugungen und prägen strategische Entscheidungen zu den Zielen und ihrer Umsetzung. Sie haben in den zurückliegenden Jahren bereits einen starken Beitrag dazu geleistet, die durch Jahrzehnte des Monopols geprägte tendenziell bürokratische, binnen- und spitzenorientierte Unternehmenskultur zu einer kundenorientierten Kultur weiterzuentwickeln. [2] Strategiewahl Der Prozess der Entscheidung für eine Strategie und das Ergebnis dieses Wahlaktes sind ebenfalls von der Unternehmenskultur beeinflusst. Prozess der Strategiewahl Die Unternehmenskultur nimmt Einfluss auf die Wahl bestimmter Analyse- und Bewertungsverfahren im Rahmen des strategischen Planungsprozesses. Ob strategische Entscheidungen unter Einbezug quantitativer Bewertungsverfahren getroffen werden oder ob sie sich als subjektiv intuitive Entscheidungen vollziehen, ist im Wesentlichen eine Frage der Unternehmenskultur. Die Unternehmenskultur beeinflusst im Prozess der Entscheidung auch die Wahl der Koordinationsmechanismen. Die durch eine starke Unternehmenskultur bereitgestellten Orientierungsmuster ermöglichen bspw. einen hohen Grad an Selbstabstimmung und reduzieren somit den Bedarf an formal struktureller Koordination. Der kulturelle Einfluss der kollektivistisch geprägten Gesellschaftskulturen <?page no="32"?> 4 Wirkungen der Unternehmenskultur 33 fernöstlicher Länder auf die Koordination ist offensichtlich: Der von Ouchi beschriebene Clanmechanismus, die Koordination durch eine starke, homogene Unternehmenskultur, ist in Japan weit häufiger anzutreffen als in der abendländischen Welt. Bestimmte Entscheidungen können dann ohne konkrete vorherige Absprache getroffen werden. Es wird auch vermieden, dass Entscheidungsprozesse zu reinen Macht- und Verteilungskämpfen entarten. Auf die Gefahren einer starken Unternehmenskultur wurde jedoch bereits hingewiesen (vgl. Abb. 6-9 in Abschnitt 4.1). In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder angeführt, dass die auf Konsens ausgerichtete japanische Unternehmenskultur weniger zur heutigen Wettbewerbswirtschaft passe, die von schnellen Entscheidungen lebt. Eine Gefahr für den Fit von Strategie und Unternehmenskultur besteht, wenn eine „unternehmenskulturfremde“ Führung strategische Entscheidungen trifft, wie dies vor allem nach der Akquisition einer Unternehmung häufig der Fall ist. Eine Strategie wird „von oben“, eigentlich „von außen“, vorgegeben bzw. aufgezwungen. Dabei werden unternehmenskulturelle Faktoren oft nicht berücksichtigt bzw. die Möglichkeiten der Gestaltung und Veränderungen der Unternehmenskultur überschätzt. Ähnliche Wirkungen resultieren, wenn bei einer strategischen Neuorientierung kulturelle Aspekte zu wenig berücksichtigt werden. Beispiel: Eine Unternehmung produziert jahrelang einfache, qualitativ niederwertige Güter in hoher Stückzahl und war mit einer Strategie der Kostenführerschaft erfolgreich. Veränderungen im Nachfrageverhalten der Kunden, veränderte Rohstoffpreise sowie neue Umweltschutzauflagen verlangen eine strategische Neuorientierung. An Stelle der Massengüter soll in Zukunft hochwertige Spitzentechnologie für Nachfrager mit speziellen Anforderungen produziert werden (Differenzierungsbzw. Nischenstrategie). Die entsprechenden Investitionen in Sachanlagen und Know How werden vorgenommen. Auch nach einiger Zeit bleibt der Erfolg jedoch aus. Die für die Produktion von Spitzentechnologie und Qualität notwendige Unternehmenskultur ist nicht vorhanden. Mitarbeiter, die jahrelang Billigprodukte hergestellt haben, sind nur schwer in der Lage, auf einmal Qualität vor Quantität zu sehen. Dies trifft nicht nur auf die ausführenden Mitarbeiter in der Produktion zu, sondern auf sämtliche Funktionsbereiche und insbesondere auf alle Ebenen der Führung in der Unternehmung. Im umgekehrten Fall, dem Übergang von der Differenzierungsbzw. Nischenstrategie zur Kostenführerschaftsstrategie, sind ebenfalls kulturell bedingte Probleme zu erwarten. Diese werden sich darin äußern, dass es erheblicher Anstrengungen bedarf, das angestrebte Kostenniveau zu realisieren. Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern und infolgedessen eine steigende Fluktuationsrate können die Folge sein. In beiden Fällen wäre eine schnelle Anpassung der Unternehmenskultur an die Anforderungen der neuen Strategie wünschenswert. Da die Unternehmenskultur jedoch stark in der Vergangenheit verwurzelt ist und in einem langjährigen, evolutionären Prozess entsteht, stößt ein Kulturmanagement, das schnelle Kulturänderungen anstrebt, schnell an seine Grenzen. Bei der Wahl einer Strategie ist deshalb die Unternehmenskultur als Restriktion zu beachten, die nur mittelbis langfristig gestaltbar ist. <?page no="33"?> 34 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Beispiel: Vor tief greifenden kulturellen Veränderungsprozessen dürften all jene Unternehmen weltweit stehen, deren geschützte Wettbewerbsposition oder Monopolstellungen im Zuge handelsrechtlicher oder regulatorischer Veränderungen ganz oder teilweise wegfallen (z.B. Post und Telekommunikation, Energieversorgung, Versicherungen). Dies bedeutet i.d.R. die Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken wie  Kampf um Wettbewerbsvorteile und Kunden mit neuen (nationalen und internationalen) Wettbewerbern (Kostendruck/ Preis, Kundenorientierung, Qualität, Zeit)  Markteintrittschancen in neue regionale/ internationale Märkte  Diversifikation in neue Geschäftsfelder Ergebnis der Strategiewahl Wie der Prozess, so ist auch das Ergebnis der Strategiewahl kulturdeterminiert. Welche Alternativen im Rahmen einer Vorauswahl überhaupt erkannt werden und einer ersten Plausibilitäts- und Realisierbarkeitsprüfung standhalten, hängt wiederum von dem durch die Unternehmenskultur vorgegebenen Orientierungsmuster ab. Die Entscheidung für eine strategische Alternative orientiert sich nur selten ausschließlich an quantitativen, eindeutig messbaren Größen. Globales und vernetztes Denken, Risikobereitschaft oder soziale Kompetenz sind Faktoren, welche den subjektiv wahrgenommenen Alternativenraum determinieren. Im Folgenden wollen wir anhand ausgewählter Strategien einige Zusammenhänge zwischen Unternehmenskultur und Strategie aufzeigen: Die Entscheidung für eine Wachstumsstrategie und die damit verbundene Bereitschaft zur Übernahme von Risiken sind weitgehend kulturgeprägt. Selbst wenn, wie das PIMS-Programm ermittelt, Größe und Marktanteil positiv auf den Erfolg der Unternehmung wirken, so ist die Frage, wie ein Unternehmen letztlich Erfolg definiert, stets abhängig von seinem Normen- und Wertesystem, also seiner Kultur. An Stelle der Maximierung von diskontiertem Cash Flow und RoI könnte das Unternehmen auch eine Satisfizierung bei diesen Zielgrößen anstreben und primär soziale oder ökologische Ziele verfolgen. Ähnlich wertbeladen ist die Entscheidung für eine Internationalisierungsstrategie und bspw. gegen eine nationale Nischenstrategie. Das im System der Grundannahmen verankerte Weltbild und die damit verknüpfte Offenheit gegenüber der Umwelt und speziell anderen Kulturen determinieren u.a. diese Entscheidung. Beispiel: International agierende Unternehmungen treffen an den einzelnen Standorten auf unterschiedliche kulturelle Umfeldbedingungen, denen gegenüber sie sich zielgerecht verhalten müssen. Die Annäherung an die kulturellen Bedingungen des Gastlandes führt i.d.R. eher zum Erfolg als die Durchsetzung der kulturellen Normen und Werte der Muttergesellschaft. Unterhält die Unternehmung Niederlassungen in anderen Ländern (Gesellschaftskulturen), so entstehen regional geprägte Subkulturen, die wiederum in Konflikt mit anderen Subkulturen der Unternehmung geraten können. <?page no="34"?> 4 Wirkungen der Unternehmenskultur 35 Die auf Grundannahmen beruhende Risikobereitschaft wirkt sich auf die Wahl zwischen offensiver und defensiver Grundhaltung aus. Das risikofreudige Unternehmen wird bei dem Versuch, neue Märkte zu erschließen, hohe Investitionen für Forschung und Entwicklung oder die Überwindung von Markteintrittsbarrieren nicht scheuen und auch bereit sein, Anfangsverluste hinzunehmen. Im umgekehrten Fall werden die Verteidigung vorhandener Marktsegmente und evtl. der Rückzug in Nischen das strategische Handeln dominieren. Ähnliche kulturelle Aspekte können in der von Miles/ Snow [Strategy] entwickelten Typologie strategischer Grundhaltungen (Defender, Reactor, Analyzer, Prospector) identifiziert werden. Aufgrund des evolutionären Charakters der Unternehmenskultur kann bezüglich des Verhältnisses von Unternehmenskultur und Strategie tendenziell die Beziehung „strategy follows culture“ unterstellt werden. [3] Strategieimplementierung Die Strategieimplementierung umfasst einen sachlichen Aspekt der Umsetzung sowie organisatorische und personale Aspekte der Durchsetzung (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“, S. 206ff.). Die Durchsetzung einer Strategie ist im Wesentlichen eine ablauforganisatorische Aufgabe, die sich im Rahmen einer gegebenen Aufbauorganisation vollzieht. Die Unternehmenskultur determiniert die Wahl zwischen synoptischem oder inkrementalem Vorgehen bei der Planung und damit die Gestalt der Implementierung. Dominieren Werte wie langfristige Orientierung sowie Streben nach Sicherheit die Unternehmenskultur, wird die Implementierung im Rahmen eines synoptischen Planungsansatzes als letzte Phase des Planungsprozesses ausschließlich instrumentellen, vollziehenden Charakter besitzen. Werden hingegen Kurzfristigkeit, Satisfizierung und Intuition präferiert, so wird der Planungsansatz eher inkremental und die Implementierung parallel mit der Planung verlaufen. Der personale Aspekt der Durchsetzung ist vor allem durch das Auftreten und Bewältigen von Konflikten der durch die Strategieimplementierung betroffenen Organisationsmitglieder gekennzeichnet: Ziel- und Verteilungskonflikte resultieren einerseits aus den in den Individualkulturen festgelegten Wertemustern bezüglich Sicherheit, Status und Hierarchie. Ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis oder das Festhalten an Besitzständen können zu Verhaltenswiderständen gegenüber neuen Verfahren oder Strukturen führen. Die anderen Quellen solcher implementierungshemmender Konflikte sind die Prozesse der Zielbildung und Strategiewahl selbst. Der Grad und die Form der Mitarbeiterbeteiligung können die Identifikation mit und die Unterstützung von Veränderungen sowohl hemmen als auch fördern. Kulturelle Konflikte können in direkter Weise - bspw. durch eine heterogene Subkulturkonstellation - die Implementierung behindern. Die für die Implementierung notwendige Koordination wird erschwert, der für die Implementierung erforderliche Zeitrahmen vergrößert. Eine starke und homogene Einheitskultur ist der Durchsetzung von Strategien und Veränderungen hingegen zuträglich, da sie einen einheitlichen Orientierungsrahmen und unternehmensweit identische Koordinationsinstrumente liefert. <?page no="35"?> 36 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Die Wirkung der Unternehmenskultur auf den sachlichen Aspekt der Umsetzung soll anhand einer Internationalisierungsstrategie deutlich gemacht werden. Internationalisierung kann einerseits durch Akquisition, andererseits durch Kooperation umgesetzt werden. Es ist auch eine Frage der Werthaltung der Unternehmen bzw. ihrer Führungsspitzen, ob mit der Akquisition eine Lösung mit hoher Bindungsintensität, umfangreichen Steuerungsmöglichkeiten und geringem Wissenstransfer nach außen gewählt wird oder ob die Kooperation mit den Vorteilen der geringen Bindungsintensität und der Risikostreuung, aber dem Nachteil des hohen Wissenstransfers nach außen, präferiert wird. Auf operativer Ebene wird sich die Umsetzung beider Varianten in Abhängigkeit von den Unternehmenskulturen der Partner in der Verhandlungsstrategie, im sozialen Umgang miteinander und schließlich in Form und Inhalt des Vertragswerks niederschlagen. Zum Zusammenhang von Strategiewahl und Unternehmenskultur vgl. auch Abb. 1-5 in UTB-Buch „Strategisches Management“, S. 20. 4.2.2 Strategische Kontrolle Die Unternehmenskultur beeinflusst zunächst die Gestalt des strategischen Kontrollprozesses, insbesondere die Gewichtung der Bausteine der strategischen Kontrolle. Eine stark von Erfolgen der Vergangenheit geprägte, durch ein intensives „Wir- Gefühl“ gekennzeichnete „Vertrauenskultur“ wird zunächst dazu führen, dass die strategische Kontrolle generell vernachlässigt wird. Eine Unternehmenskultur, in der quantitativen Größen weit mehr Bedeutung beigemessen wird als qualitativen, wird im Bereich der strategischen Kontrolle tendenziell den Schwerpunkt auf die strategische Prämissen- und Durchführungskontrolle legen und die strategische Überwachung, welche durch die Wahrnehmung und Verarbeitung schwacher bzw. qualitativer Informationen gekennzeichnet ist, vernachlässigen. Daneben hat die Unternehmenskultur auch Einfluss auf die Effizienz der eingesetzten Kontrollarten. Der Erfolg einer Prämissenkontrolle hängt bspw. vom Grad der Außenorientierung der Unternehmung und dem Denken über die eigene Stärke ab. Wird die Bedeutung des Umfeldes unterschätzt und die eigene Stärke überschätzt, so wird man der Prämissenkontrolle weniger Beachtung und einer eventuellen Kritik weniger Glauben schenken. Bei der strategischen Überwachung ist wiederum die Filterwirkung der Unternehmenskultur relevant. Da die strategische Überwachung als ungerichtete Kontrollart die Defizite der übrigen strategischen Kontrollarten kompensieren soll, wird ihr Erfolg bei einer starken, innenorientierten und von überhöhter Selbsteinschätzung geprägten Unternehmenskultur ausbleiben. Ebenso lassen sich Wirkungen der Unternehmenskultur auf die Gestalt des strategischen Kontrollsystems erkennen: Die Beantwortung bspw. der Frage, ob strategische Kontrolle ausschließlich Aufgabe des Top-Managements oder aber aller Organisationsmitglieder auf allen Hierarchieebenen ist, hängt von der Werthaltung der Unternehmung (des Top-Managements) gegenüber den Mitarbeitern ab. <?page no="36"?> 4 Wirkungen der Unternehmenskultur 37 Die dezentrale, organische Organisationslösung der strategischen Kontrolle, wie sie von Schreyögg/ Steinmann ([Organisatorische Umsetzung]) vorgeschlagen wird, basiert auf der Delegation von Kompetenzen und der Gewährung individueller Freiräume. Sie setzt so ein erhebliches Maß an Vertrauen in die fachlichen und persönlichen Qualifikationen der Mitarbeiter und ihre Bereitschaft zu unternehmerischem Handeln voraus. Die Wahl der Kontrolltechniken (eher quantitative oder eher qualitative) ist ebenfalls von der Unternehmenskultur abhängig. Wird ausschließlich den hard facts Vertrauen geschenkt, so wird dem Konzept der Schwachen Signale wenig Bedeutung beigemessen. Damit hängt auch zusammen, ob und inwieweit eine strategische Kontrollrechnung installiert wird. 4.2.3 Information Die Vielzahl der Beziehungen innerhalb des Systems „Unternehmung“ und vor allem zwischen der Unternehmung und ihrem relevanten Umfeld führt zu einem explosionsartigen Anwachsen der Zahl strategisch relevanter und damit zu beschaffender Informationen. Zur Komplexität dieses Beziehungsgefüges kommt eine hohe und steigende Dynamik des Umfeldes mit zunehmend diskontinuierlichen Tendenzen hinzu. Die rechtzeitige Wahrnehmung und korrekte Interpretation strategisch relevanter Entwicklungen, insbesondere im Umfeld der Unternehmung, also das Management externer Informationen, wird somit zu einer Kernaufgabe des Strategischen Managements (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“ Teil 4). Welchen Einfluss aber hat die Unternehmenskultur auf die Fähigkeit einer Unternehmung, strategisch relevante Umfeldinformationen, und dazu gehören auch zunehmend qualitative und schwache Signale, wahrzunehmen und adäquat zu verarbeiten? In diesem Zusammenhang ist die bereits angesprochene Filterfunktion der Unternehmenskultur von besonderer Bedeutung. Die Unternehmenskultur wirkt wie ein Filter, der die Menge und die Qualität der wahrgenommenen und als relevant erachteten Signale verarbeitet. Das Perzeptionsvermögen (Umfeldsensibilität) innerhalb der Unternehmung wird entscheidend vom Normen- und Wertesystem der Unternehmung beeinflusst. Eine stark nach innen orientierte Unternehmenskultur wird tendenziell weniger Umfeldveränderungen wahrnehmen als eine Unternehmenskultur, die durch das Wissen um die Bedeutung des Umfeldes und die Beziehungen mit diesem geprägt ist. Dem einerseits positiven Aspekt der Filterfunktion, nämlich der Reduktion von Umfeldkomplexität, steht die Gefahr gegenüber, wichtige Entwicklungen im Umfeld der Unternehmung nicht oder zu spät zu erkennen. Die Unternehmenskultur hat auch maßgeblichen Einfluss auf die Interpretation der wahrgenommenen Signale aus dem Umfeld. Sie liefert ein Orientierungsmuster, das nicht nur als Filter die Wahrnehmung, sondern auch als Wertesystem die Verarbeitung der Informationen steuert. Ein Signal, welches in der Unternehmenskultur A als wichtig, ggf. bedrohlich und deshalb als höchst beachtenswert <?page no="37"?> 38 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur eingestuft wird, kann ceteris paribus in Unternehmenskultur B als nicht relevant eingeschätzt und deshalb vernachlässigt werden. Die Qualität einer bestimmten Unternehmenskultur ist somit für die Institutionalisierung und den Erfolg eines betrieblichen Diskontinuitätenmanagements, seine organisatorische Gestaltung und für die Wahl der dabei eingesetzten Techniken von elementarer Bedeutung. Im Grundsatz gilt das Gesagte auch für Signale über Entwicklungen und Veränderungen innerhalb des Systems „Unternehmung“ selbst, also das Management interner Informationen. So wird in einer binnenorientierten Unternehmenskultur diesen Aufgaben mehr Bedeutung beigemessen als in einer außenorientierten. 4.2.4 Organisation Das Verhältnis von Unternehmenskultur und Organisation ist sehr eng und interdependent. Die Organisation legt die Struktur einer Unternehmung fest, die Kultur füllt die Struktur mit Leben. Aber auch die Organisation nimmt Einfluss auf die Unternehmenskultur. Am Beispiel der Matrixorganisation haben wir gezeigt, wie eine solche Struktur die Entwicklung bestimmter kultureller Standards fördern kann (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“, S. 402ff.). Umgekehrt bringen verschiedenartige Unternehmenskulturen langfristig unterschiedliche Organisationsstrukturen hervor bzw. stehen der Etablierung bestimmter Organisationsformen im Wege. So wird sich die Entwicklung einer Teamorganisation im Rahmen einer spitzenorientierten, zentralistischen, die Mitarbeiter als Vollzugspersonen betrachtenden Unternehmenskultur kaum durchsetzen. Hier wird es bereits am Willen zur nötigen Dezentralisierung, Delegation und Segmentierung und damit zur Bereitschaft, die Unternehmenskultur als Koordinationsinstrument zu akzeptieren, fehlen. Die Unternehmenskultur beeinflusst auch die Intensität der Kooperationsbereitschaft einer Unternehmung. Wir haben oben bereits am Beispiel von Japan die Wirkungen unterschiedlicher Gesellschaftskulturen auf den Kooperationsgedanken angesprochen. Ähnlich verhält es sich mit unterschiedlichen Unternehmenskulturen. Die Entscheidung zwischen Akquisition und Kooperation, die Wahl von Kooperationsform und Kooperationspartner sowie die vertragliche Festlegung der Kooperationsinhalte sind Entscheidungen, welche durch die Wertemuster einer Unternehmung mitgeprägt werden. Das Verhältnis von Organisation und Unternehmenskultur ist weniger problematisch, als zunächst anzunehmen ist. So schafft eine Unternehmenskultur im Laufe der Zeit Strukturen, welche das Verhalten der Organisationsmitglieder beeinflussen und dadurch wiederum auf die Unternehmenskultur wirken. Es erfolgt eine weitestgehende Selbstabstimmung zwischen Unternehmenskultur und Struktur. Aufgrund einer gewissen, im Vergangenheitsbezug begründeten Trägheit von Kultur spricht manches für eine Beziehung „structure follows culture“. Eine empirische Bestätigung steht hierfür jedoch noch aus (vgl. Bea/ Göbel [Organisation] 479ff.). <?page no="38"?> 5 Gestaltung der Unternehmenskultur 39 5 Gestaltung der Unternehmenskultur 5.1 Grundfragen der Gestaltung Bezüglich der Gestaltung bzw. Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur stellen sich zwei Grundfragen: − Inwieweit ist die Gestaltung der Unternehmenskultur überhaupt notwendig? − In welchem Umfang und mit welchen Methoden ist die Gestaltung der Unternehmenskultur möglich? (a) Die Notwendigkeit des Kulturmanagements ergibt sich zwingend aus dem Fit-Ansatz des Strategischen Managements. Die Forderung nach einer Abstimmung der Subsysteme des Strategischen Managements bedeutet, dass auf die Entwicklung und den Zustand der Unternehmenskultur Einfluss genommen werden muss. Besondere Situationen, wie Unternehmensübernahmen, die Gründung von Auslandstochtergesellschaften oder die Vereinbarung strategischer Allianzen erfordern zudem eine Koordination der aufeinander treffenden Unternehmenskulturen, wiederum im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten. (b) Wie umfangreich sind diese Möglichkeiten? In Abschnitt 2 haben wir uns eingehend mit den Merkmalen von Kultur und Unternehmenskultur befasst. Unternehmenskultur haben wir dabei gekennzeichnet als − menschengeschaffenes, überindividuelles, soziales, weitgehend unsichtbares und unbewusstes Phänomen, das − Teil eines komplexen und dynamischen Beziehungsgeflechts ist und sich in − evolutionsähnlichen Sozialisations- und Lernprozessen selbst entwickelt. Die Gestaltung der Unternehmenskultur muss sich an diesen Eigenschaften orientieren. Dabei müssen auch die theoretischen Defizite bzgl. der Einflüsse auf die Unternehmenskultur und der Wirkung der Unternehmenskultur berücksichtigt werden. Die Gestaltung der Unternehmenskultur umfasst die Gesamtheit aller Aktivitäten, welche der zielgerichteten Entwicklung der Unternehmenskultur dienen. Wir unterscheiden zwei Ansätze des Kulturmanagements:  Den evolutionären Ansatz und  den revolutionären Ansatz. <?page no="39"?> 40 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur [1] Evolutionärer Ansatz Die Unternehmenskulturgestaltung ist nicht mechanistisch-positivistisch ausgerichtet, sondern muss dem evolutionären Charakter der Unternehmenskultur Rechnung tragen. Die Rolle des Kulturmanagements entspricht in diesem Fall mehr jener des Gärtners als der des Handwerkers. Der evolutionäre Charakter der Unternehmenskultur schließt auch den Versuch aus, die Gestaltung der Unternehmenskultur in klar abgrenzbare Handlungsbereiche zu zerlegen und diese einem festen Phasenschema zuzuordnen. Solche Schemata werden den Anforderungen der Unternehmenskultur nur ungenügend gerecht. So liegen bspw. weder operationale Ziele noch entsprechende Kontroll- oder Steuerungsgrößen vor. Dennoch lassen sich auch bei der Gestaltung der Unternehmenskultur bestimmte, bei jeder gestalterischen Tätigkeit relevante Aufgabenfelder oder Bausteine abgrenzen. [2] Revolutionärer Ansatz Im Gegensatz dazu versteht man unter Kultur-Revolution die kurzbis mittelfristige bzw. schlagartige Veränderung der Unternehmenskultur durch gezielte Maßnahmen (Kehrtwende). Insbesondere aus dem Bereich der Unternehmensberatung wurden hierzu zahlreiche Vorschläge, meist in Form von Maßnahmenkatalogen, gemacht und publiziert. Die Möglichkeiten der Kulturrevolution durch kurzbis mittelfristig angelegte Maßnahmen wurden häufig überschätzt. Übersehen wurde dabei oft der Widerspruch zwischen dem langfristigen, evolutorischen Charakter der Entwicklung von Unternehmenskulturen und dem Wesen kurzbis mittelfristig orientierter Maßnahmen. Beispiel: Die Herausforderungen und teilweise Grenzen der Gestaltbarkeit von Unternehmenskulturen werden häufig sichtbar, wenn besondere Ereignisse einen schnellen und tief greifenden kulturellen Wandel erforderlich machen. Der Wegfall von Monopolen und der (internationale) Wettbewerb stellen neuartige Anforderungen an die Unternehmenskultur. Ein solcher Wandel ist beispielsweise bei den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost, Deutsche Post World Net und Deutsche Telekom erforderlich. Besonders sichtbar wird der Bedarf an kultureller Veränderung, wenn Unternehmen unterschiedlicher Kulturen zusammenarbeiten wollen. Je intensiver und breiter die Zusammenarbeit und je höher die Bindungsintensität sein sollen, desto kritischer wird die „Kulturharmonisierung“ für den Erfolg der gemeinsamen Aktivitäten. Zahlreiche Fusionen und Kooperationen sind an kulturellen Unterschieden der Beteiligten bereits gescheitert. Erfolge stellten sich häufig erst nach vielen Jahren ein, wie das Beispiel Siemens-Nixdorf zeigt. Die zwischen Daimler-Benz und Mitsubishi zu Beginn der 80er Jahre geplante breit angelegte Kooperation wurde nach anfänglicher Euphorie auf ein bescheidenes Maß zurückgeführt, als die Unterschiedlichkeit der beiden Unternehmenskulturen sichtbar wurde. Beim „Mega-Merger“ zwischen Daimler-Benz und Chrysler versuchte man, solche Fehleinschätzungen von Beginn an zu vermeiden. So wurde bereits im Vorfeld des Mergers eine sehr detaillierte Analyse der Kulturprofile vorgenommen. <?page no="40"?> 5 Gestaltung der Unternehmenskultur 41 Zahlreiche «Integrationsteams» arbeiteten am Zusammenwachsen beider Konzerne - dabei auch Teams für den Bereich Unternehmenskultur. Dem Bereich der Kulturrevolution zuzuordnen sind bspw. Versuche, das bestehende Werte- und Normensystem einer Einzelperson oder einer sozialen Gruppe durch die Erzeugung einer Extremsituation zu verändern. Der schlagartige Austausch von Führungskräften wäre ein Beispiel hierfür. Mit Blick auf die Phasen der Sozialisierung erhofft man sich von der Herbeiführung solcher Situationen die Infragestellung und ggf. den Austausch primär sozialisierter Werte im Zuge der sekundären Sozialisation. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass das Ergebnis solcher Maßnahmen aufgrund der Komplexität und des evolutionären Charakters der Unternehmenskulturentwicklung letztlich nicht vorhersehbar ist. 5.2 Aufgabenfelder der Gestaltung 5.2.1 Sollkultur Die Herstellung des strategischen Fit ist oberste Leitlinie für die Ableitung von Zielen des Kulturmanagements. Ausgangspunkt der Unternehmenskulturgestaltung ist damit die Bewusstmachung von Bedeutung und Wirkung der Unternehmenskultur in Verbindung mit dem Zielsystem der Unternehmung und der Gestaltung weiterer Subsysteme. Die Zielbildung als Teilaufgabe der Gestaltung der Unternehmenskultur ist damit zu integrieren in eine Gesamtplanung der strategischen Unternehmensentwicklung. Das Zielsystem für das Kulturmanagement wird ausschließlich qualitative Ziele enthalten, die nur wenig operational und detailliert sind. Die exakte Festlegung eines Soll-Kulturprofils und bspw. die Beantwortung der Frage, ob eher die Strategie der Kultur oder umgekehrt die Kultur der Strategie anzupassen ist, können nur situativ erfolgen. Beispiele für Ziele der Unternehmenskulturgestaltung können sein: − Steigerung der Identifikation der Mitarbeiter mit der Unternehmung und ihrem Zielsystem („Der Kunde ist dann zufrieden, wenn auch die Mitarbeiter zufrieden sind“), − Abbau von Misstrauen innerhalb der Unternehmung, z.B. durch Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, − Lösung von Konflikten in einzelnen Subkulturen der Unternehmung, − Überwindung kultureller Widersprüche zweier, im Rahmen von Akquisition oder Kooperation aufeinander treffender Partner. Die Festlegung einer Sollkultur kann i.d.R. nur auf der Grundlage der Kenntnis der Istkultur erfolgen. Diese Kenntnis wird durch den Baustein Diagnose gewonnen. Es wird deutlich, weshalb es nicht zweckmäßig ist, von einem Phasenschema der Unternehmenskulturgestaltung zu sprechen. Zwischen den einzelnen Aufgabenfeldern bestehen vielfältige, teilweise interdependente Beziehungen. <?page no="41"?> 42 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur 5.2.2 Istkultur Neben der Existenz eines Zielsystems benötigt jede Gestaltung i.S. einer bewussten Einflussnahme eine vorherige Diagnose. Die Diagnose dient primär der Feststellung des Istzustandes der Unternehmenskultur. Ansatzpunkt für diese Aufgabe ist, wie oben bereits mehrfach angedeutet, das Symbolsystem der Unternehmenskultur als sichtbare, wenngleich interpretationsbedürftige Kulturoberfläche (vgl. Abb. 6-1 in Abschnitt 2.3). Ergänzt werden sollte die reine Querschnittsanalyse der Istkultur um eine Analyse der Entwicklung der Unternehmenskultur in der Vergangenheit. Eine derartige Längsschnittsanalyse könnte sich einerseits wiederum an den Symbolen oder Artefakten der Unternehmenskultur selbst orientieren, zum anderen aber auch auf den Bereich der Unternehmenskulturdeterminanten (z.B. Gesellschaft, Branche, Strategie und Struktur) ausgedehnt werden. Die Vielfalt existierender Unternehmenskulturtypen und Subkulturkonstellationen stellt den Diagnostizierenden jedoch vor ein Dilemma. Einerseits benötigt er zur Komplexitätsreduktion ein standardisiertes Erhebungsschema, andererseits birgt dieses die Gefahr in sich, systemspezifische Unternehmenskulturprägungen zu übersehen. Ein weiteres Problem bei der Diagnose ist in der oben bereits beschriebenen kulturellen Prägung des Diagnostizierenden zu sehen. Scholz ([Strategisches Management] 91) schlägt vor, im Rahmen der Diagnose die Unternehmenskultur als „doppelt skalierte Variable“ aufzufassen, „und zwar als − eine zumindest ordinal skalierte Variable für die Stärke der Unternehmenskultur und − eine nominal skalierte Variable für die Art der Unternehmenskultur.“ Als Instrumente zur Erfassung der Symbole der Unternehmenskultur als Indikatoren ihrer Eigenschaften bzw. der Unternehmenskulturdeterminanten im Rahmen einer historischen Längsschnittanalyse können die in Abb. 6-7 (Abschnitt 3.2) dargestellten Vorgehensweisen eingesetzt werden. Die Dokumentenanalyse kann sich bspw. auf offizielle Unternehmensbroschüren, Geschäftsberichte, Websites bzw. Internetseiten und Pressemitteilungen, auf Organigramme und Stellenbeschreibungen, Pläne und Programme stützen. Im Rahmen der Beobachtungen können Architektur und aktueller Zustand der Gebäude, Maschinen und Anlagen, das wahrgenommene Betriebsklima oder das Erscheinungsbild des „schwarzen Brettes“ Aufschlüsse über die Unternehmenskultur geben. Befragungen können mittels Fragebogen schriftlich oder im direkten Gespräch mündlich bzw. schriftlich mündlich kombiniert erfolgen. Beispiel: Im Rahmen eines durch unser Institut begleiteten Beratungsprojekts wird zur Diagnose der Istkultur ein mehrstufiges Verfahren angewendet: In einer ersten Stufe wird eine Befragung aller Organisationsmitglieder (Vollerhebung) durchgeführt. Die Beteiligung der Basis an der Unternehmenskulturgestaltung soll einerseits eine Sensibilisierung für die bestehende Kultur- <?page no="42"?> 5 Gestaltung der Unternehmenskultur 43 problematik erzeugen, um etwaigen Widerständen gegen Veränderungsmaßnahmen vorzubeugen. Andererseits ist sie bereits Ausdruck einer Vorstellung der künftigen Sollkultur. Durch die Befragung werden die Einstellungen der Mitarbeiter zu kulturrelevanten Bereichen wie Identifikation mit dem Unternehmen, Zusammenarbeit, Kommunikation, Entwicklungsmöglichkeiten, Lohn- und Gehaltssystem oder Management erfasst. Die Antworten werden auf Gesamtunternehmensebene und bereichsspezifisch statistisch ausgewertet (Ermittlung von Mittelwerten, Standardabweichungen und Verteilungsfunktionen relativer Häufigkeiten). In einer zweiten Stufe wird ein Diagnose- und Interpretationsworkshop mit Organisationsmitgliedern veranstaltet, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Position im Unternehmen und ihrer Motivation ein weiteres Vordringen zum Kern der Unternehmenskultur erwarten lassen. In Diskussionsrunden wird versucht, die dem Denken und Handeln in der Unternehmung tatsächlich zugrundeliegenden Regeln, das Normen- und Wertesystem der Unternehmenskultur, zu ergründen. Schließlich wird eine Befragung des Top-Managements durchgeführt. Ziel ist es festzustellen, inwieweit das bereits vorhandene Potenzial des Managements, insbesondere die Bandbreite der Führungsstile, Spielräume für Kulturveränderungsmaßnahmen bietet. Die Befragungsergebnisse werden durch Eindrücke ergänzt, die im Rahmen eines Firmenrundgangs gewonnen werden (Atmosphäre, Architektur etc.). Sämtliche Diagnoseschritte werden durch externe Unternehmensberater initiiert und begleitet. Ähnlich wie bei der Institutionalisierung eines Diskontinuitätenmanagements (vgl. UTB-Buch „Strategisches Management“ Teil 4) oder der Organisationsgestaltung (ebd. Teil 5) sind ihr Know How, mehr aber noch ihre Neutralität und Unvoreingenommenheit entscheidende Voraussetzungen für den Erfolg des Kulturmanagements. Wichtig ist jedoch, dass die Unternehmenskulturgestaltung nicht von außen oktroyiert, sondern durch die Organisationsmitglieder selbst erarbeitet wird. 5.2.3 Realisation Realisation kann sich manifestieren in der − Entwicklung einer neuen Unternehmenskultur, − Erhaltung einer bestehenden Unternehmenskultur oder − Veränderung einer bestehenden Unternehmenskultur. Realisation als Entwicklung einer neuen Unternehmenskultur kommt bei der Gründung einer Unternehmung in Betracht. Hier besteht nicht das Problem, eine bestehende, gefestigte Unternehmenskultur abbauen zu müssen, wenngleich auch hier die kulturelle Vorprägung der Mitarbeiter, insbesondere aber der Unternehmensgründer, zu berücksichtigen ist. <?page no="43"?> 44 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Abgesehen von diesem Spezialfall werden jedoch in Abhängigkeit der Kulturziele sowie der Ergebnisse der Unternehmenskulturdiagnose entweder die Erhaltung der bestehenden Unternehmenskultur oder ihre Veränderung Gegenstand der Realisation sein. In den beiden Bereichen „Erhaltung“ und „Veränderung“ spielt das Symbolsystem der Unternehmenskultur als Vermittlungsinstrument eine große Rolle. Wichtig ist jedoch, sich dabei des Kerns der Unternehmenskultur, des Normen- und Wertesystems, sowie des evolutionären Charakters der Unternehmenskulturentwicklung bewusst zu sein. Zu beachten sind ebenso Interdependenzen zwischen Elementen und Ebenen der Unternehmenskultur. Veränderungen an einem Ort können unvorhergesehene Konsequenzen an einem anderen nach sich ziehen. Neben dem Intra-System-Fit ist somit auch der Intra-Kultur-Fit zu beachten. Bleicher ([Umbruch] 105) schlägt folgenden Katalog rahmengebender kulturverändernder Maßnahmen vor:  Sinnvermittelnde Maßnahmen (Unterrichtung der Mitarbeiter zur Verdeutlichung der „Mission“ der Unternehmung),  Unterstützende Maßnahmen (z.B. Entwicklung eines Unternehmensleitbildes),  Durchführung gemeinsamer Projekte (Überlagerung der formalen Organisationsstruktur durch zeitlich befristete interdisziplinäre Organisationsformen),  Rotation von Subkulturträgern (zur Förderung der internen Kenntnis und Akzeptanz der subkulturellen Struktur),  Maßnahmen der Personalentwicklung (z.B. Personalauswahl oder interdisziplinäre Lerngruppenzusammensetzung),  Ausrichtung von Anreizsystemen (z.B. Belohnung von Kollegialität, Engagement im sozialen Bereich). Neben diesen eher als direkt zu bezeichnenden Maßnahmen könnte auch eine Einflussnahme über die Führungssubsysteme „Strategie“ und „Organisation“ als Determinanten der Unternehmenskultur in Erwägung gezogen werden. Zu bedenken ist jedoch einerseits, dass Organisation und Strategie nicht isoliert in den Dienst der Kulturgestaltung gestellt werden können. Zum anderen lässt sich das Ergebnis einer solchen indirekten Gestaltung aufgrund der nur begrenzten Kenntnis der Interdependenzen von Unternehmenskultur, Strategie und Organisation nicht besser vorhersehen als das einer direkten Maßnahme. Zusammenfassend ist zur Gestaltung der Unternehmenskultur Folgendes festzuhalten: <?page no="44"?> 5 Gestaltung der Unternehmenskultur 45 Die Gestaltung der Unternehmenskultur hat stets im Rahmen eines Gesamtplans der strategischen Unternehmensentwicklung zu erfolgen. Ansonsten wirken Maßnahmen des Kulturmanagements künstlich „aufgesetzt“. Die spezifischen Eigenschaften des Phänomens „Unternehmenskultur“ und das damit verbundene Defizit im Bereich der Theorie der Unternehmenskultur führen dazu, dass die Ergebnisse der Kulturgestaltung grundsätzlich nur begrenzt prognostizierbar sind. Die kurzfristige, mechanistische Kultur-Revolution steht somit in antithetischem Verhältnis zum Wesen der Unternehmenskultur und ist deshalb skeptisch zu beurteilen bzw. dürfte nur in Ausnahmefällen (z.B. Existenzgefährdung) durchführbar sein. Eine langfristig orientierte Gestaltung der Unternehmenskultur i.S. einer Kultur- Evolution wird dem dynamischen Charakter der Unternehmenskultur besser gerecht. Abschließend soll am Beispiel von Siemens, ähnlich wie bei den vorangegangenen Beispielen zur Deutschen Telekom, zu Hewlett Packard oder zu KPMG die Bedeutung von „Unternehmenskultur“ noch einmal veranschaulicht werden: Peter Löscher, CEO von Siemens: „Unsere Werte sind der Ankerpunkt unseres Denkens und Handelns. Auf ihnen basiert unser Anspruch, uns auf den Pioniergeist des Unternehmens rückzubesinnen und die Welt nachhaltig mitzugestalten. Nur wenn wir unseren Werten und unserer Vision treu bleiben, können wir langfristig erfolgreich sein.“ (www.siemens.com) Die drei zentralen unternehmerischen Werte bei Siemens sind: (Geschäftsbericht 2010 und www.siemens.com)  Verantwortungsvoll: Wir verpflichten uns zu ethischem und verantwortungsvollem Handeln. Wir bei Siemens sind entschlossen, alle gesetzlichen und ethischen Anforderungen zu erfüllen - und, wo wir können, sogar zu übertreffen. Unsere Verantwortung liegt darin, das Unternehmen entsprechend den höchsten professionellen und ethischen Standards und Praktiken zu führen: ohne Spielraum für nichtkonforme Verhaltensweisen. Die Prinzipien, die für den Wert „verantwortungsvoll“ stehen, dienen als Kompass, den wir nutzen, um unsere Geschäftsentscheidungen zu treffen. Darüber hinaus müssen wir Geschäftspartner, Lieferanten und andere Interessenvertreter dazu ermutigen, einen ähnlichen Standard für ihre Geschäftsschäftsethik anzuwenden.  Exzellent: Wir erzielen Höchstleistungen und exzellente Ergebnisse. Wir bei Siemens setzen uns ehrgeizige Ziele - die wir von unserer Vision ableiten und anhand von Benchmarks verifizieren - und tun alles, um diese Ziele zu erreichen. Wir unterstützen unsere Kunden bei der Suche nach perfekter Qualität und bieten ihnen Lösungen, die ihre Erwartungen übertreffen. <?page no="45"?> 46 Strategische Bedeutung der Unternehmenskultur Exzellent können wir nur sein, wenn wir einen Weg der kontinuierlichen Verbesserung definieren und die bestehenden Prozesse permanent hinterfragen. Darüber hinaus müssen wir Veränderungen annehmen, damit unser Unternehmen entsprechend aufgestellt ist, wenn sich neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Exzellent sein bedeutet zudem, dass wir als Unternehmen für die besten Köpfe, die der Markt bietet, attraktiv sind. Es bedeutet, ihnen die Qualifikationen zu vermitteln und Chancen zu geben, die erforderlich sind, um Höchstleistungen zu erbringen. Denn wir wollen eine leistungsfähige Unternehmenskultur fördern.  Innovativ: Wir sind innovativ, um dauerhaft Wert zu schaffen. Innovationen sind der Grundstein des Erfolges von Siemens. Daher richten wir unsere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten eng an unserer Geschäftsstrategie aus, halten wichtige Patente und nehmen eine starke Position bei den etablierten sowie neuen Technologien ein. Unser Ziel ist, in allen unseren Geschäftsfeldern Trends zu setzen. Wir sorgen dafür, dass die Energie und Kreativität unserer Mitarbeiter freigesetzt werden, wir beschreiten auch neue und ungewohnte Wege. Darüber hinaus sind wir erfinderisch und nehmen diese Eigenschaft in den unterschiedlichsten Bedeutungen an - geistreich, einfallsreich und kreativ. Wir handeln unternehmerisch und unsere Innovationen sind weltweit erfolgreich. Wir messen den Erfolg unserer Innovationen am Erfolg unserer Kunden. Wir erneuern unser Portfolio kontinuierlich, um Antworten auf die wesentlichen Herausforderungen der Gesellschaft zu bieten und schaffen dadurch nachhaltige Werte. <?page no="46"?> 6 Zusammenfassung 47 6 Zusammenfassung Das Phänomen „Unternehmenskultur“ hat in den letzten Jahren verstärkt Eingang in die Betriebswirtschaftslehre und speziell in die Lehre vom Strategischen Management gefunden. Ein Hauptgrund für das zunehmende Interesse an der Unternehmenskultur ist im sog. Japan-Schock zu sehen. Vereinfacht kann man auch sagen: Was für die Entwicklung von Früherkennungssystemen der Ölpreisschock, war für die Unternehmenskultur der Japan-Schock. Unternehmenskultur ist die Gesamtheit von im Laufe der Zeit in einer Unternehmung entstandenen und akzeptierten Werten und Normen, die über bestimmte Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster das Entscheiden und Handeln der Mitglieder der Unternehmung prägen. Nach Schein unterscheiden wir drei Ebenen der Unternehmenskultur: das Symbolsystem, das Normen- und Wertesystem sowie das System der Grundannahmen. Die Unternehmenskultur wird von einer Vielzahl von Einflüssen geprägt. Zu nennen sind die Individualkultur der Mitarbeiter, Gesellschaft und Branche, Führungsverhalten, Strategie und Organisation. Die Unternehmenskultur erzeugt eine Koordinationswirkung, Integrationswirkung, Motivationswirkung und eine Repräsentationswirkung. Die Gestaltung der Unternehmenskultur umfasst die Gesamtheit aller Aktivitäten, welche der zielgerichteten Entwicklung der Unternehmenskultur dienen. Wir unterscheiden zwei Ansätze des Kulturmanagements: Den evolutionären Ansatz und den revolutionären Ansatz. Die grundsätzliche Aufgabe der Kulturgestaltung besteht darin, die Ist-Kultur mit einer Soll-Kultur in Übereinstimmung zu bringen. Beim evolutionären Ansatz entspricht die Rolle des Kulturmanagers eher jener des Gärtners als der des Handwerkers. Im Gegensatz dazu versteht man unter „Kultur-Revolution“ die schlagartige Veränderung der Unternehmenskultur durch gezielte Maßnahmen (Kehrtwende). Eine langfristig orientierte Gestaltung der Unternehmenskultur i.S. einer Kultur- Evolution wird dem dynamischen Charakter der Unternehmenskultur besser gerecht. <?page no="47"?> Literaturverzeichnis Abell, D.F.: [Defining] the Business: The Starting Point of Strategic Planning. Englewood Cliffs 1980. Abell, D.F. u. J.S. Hammond: [Strategic] Market Planning. Englewood Cliffs 1979. Adam, D.: [Produktions Management]. 9. A., Wiesbaden 1998. Aiken, M. u. J. Hage: Organizational [Alientation]: A Comparative Analysis. In: American Sociological Review, Vol. 33 (1968), S. 497-507. 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