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Silicon Valley in Berlin

Erfolge und Stolpersteine für Start-ups

0520
2015
978-3-8649-6747-4
978-3-8676-4589-8
UVK Verlag 
Nadine Schimroszik

Dieses Buch stellt die Berliner Start-Up-Szene vor und zeigt sowohl Schwierigkeiten und Stolpersteine als auch die Erfolgsfaktoren von Gründern auf. Viele Aspekte - wie zum Beispiel die Finanzierungsfragen - lassen sich dabei auch auf Gründungen in der gesamten Republik übertragen. Die Autorin bedient sich sowohl Zahlen und Fakten als auch den aussagekräftigen Interviews mit Machern und Beobachtern, die interessante und überraschende Insider-Einblicke gewähren.

<?page no="2"?> Nadine Schimroszik Silicon Valley in Berlin <?page no="4"?> Nadine Schimroszik Silicon Valley in Berlin Erfolgsfaktoren und Stolpersteine für Start-ups UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München <?page no="5"?> Nadine Schimroszik ist Redakteurin bei Reuters in Berlin und beschäftigt sich vorwiegend mit Unternehmens- und Technologieberichterstattung. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-86764-589-8 (Print) ISBN 978-3-86496-746-7 (E-PUB) ISBN 978-3-86496-747-4 (E-PDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. 8$3$ 7$! =$! DB5G : B*$! E: <6 3$! $5G$5 @! $5($5 3$F ; ! E$6$! ! $4EDF. G$F$D($F CFD 'E5$ 1BFDC99B5G 3$F 7$! <: G$F B5(B<#FFCG B53 FD! : "6: ! , / : F GC<D C5F6$F'53$! $ "&! 7$! AC$<"#<DCGB5G$50 +6$! F$D(B5G$50 2C>! 'A$! "C<9B5. G$5 B53 3C$ -C5F%$C4E$! B5G B53 7$! : ! 6$CDB5G C5 $<$>D! '5CF4E$5 ? )FD$. 9$5, © UVK Verlagsgesellschaft Konstanz und München 2015 Einband: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: © %: FD'! F4'D - C? D'4>%E'D' Druck und Bindung: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="6"?> › uvk.de 5 InhaltInhaltInhal t Inhalt Teil 1.............................................................................................................................................9 Kapitel 1. Gründerzeit auf der Silicon Allee............................................................10 Ausnahme Berlin? ........................................................................................ 14 Kapitel 2. Wie Berlin seinen Start-ups den Hof macht ......................................21 Kapitel 3. Und warum machen in Berlin alle in Software und Internet? ..25 Neu auf beiden Seiten des Atlantiks? ...................................................... 29 Kapitel 4. Das A und O - wie kommt man an die besten Leute? .................32 „War of Talent“ ............................................................................................. 37 Kapitel 5. Was und wer hilft den Start-ups in Berlin? .........................................40 Orte .................................................................................................................. 41 Events .............................................................................................................. 45 Helfer ............................................................................................................... 47 Kapitel 6. Berlin auf dem Weg zum Big Player? ....................................................49 Gutes erhalten................................................................................................ 52 Mehr als nur bewahren ............................................................................... 54 Nun will ganz Europa dem Silicon Valley Konkurrenz machen ...... 56 Der Berlinder Markt lockt ........................................................................... 58 Teil 2..........................................................................................................................................61 Kapitel 7. Die erste Adresse: Family, Friends and Fools....................................64 Kapitel 8. KfW und andere Fördermittel - wie der Staat Start-ups unterstützt..............................................................................................................................68 Erste Hürde Businessplan........................................................................... 68 Gut Geld will Weile haben ......................................................................... 70 Erste Förderadresse: Kreditanstalt für Wiederaufbau ......................... 71 Und wer hilft in Berlin? ............................................................................... 73 Mit Exist von der Uni direkt zum eigenen Start—up.............................. 75 Weitere Programme außerhalb der KfW— und IBB—Welt..................... 77 <?page no="7"?> 6 › uvk.de Machen Fördermittel für jedes Start—up Sinn? ....................................... 77 Wer hilft beim Filtern? ................................................................................. 78 Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert ................................80 Über die Mikroinvestition zur Eröffnungsparty ................................... 85 Von der Uni über die Crowd in die Welt hinaus .................................. 87 Crowdinvesting und seine Herausforderungen ................................... 89 Regulierung - wie macht man das Crowdinvesting sicher? .............. 93 Bergfürst - vom Crowdinvesting zur Bank............................................ 95 Kapitel 10. Mit den Flügeln der Privatinvestoren zum Start-up ...................97 Wo findet sich ein Business Angel und was dann? ............................ 100 Was sollte das Start—up mitbringen? ...................................................... 103 Invest und wie man Angel noch fördern könnte ................................ 104 Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder und warum Konzerne die Start-up-Welt für sich entdeckt haben ..................................... 107 Blütezeit für Inkubatoren und Acceleratoren ...................................... 110 Checklisten, Bewerbungsstress und das liebe Geld ........................... 113 Wenn ein Companybuilder die Ideenfindung übernimmt .............. 115 Rocket macht es mit Größe und Masse ................................................. 117 Kritik und Lob für Rocket gleichermaßen ............................................ 119 Warum bei Family Offices viele an Maschmeyer denken ................ 121 Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups ... 123 Seedfinanzierung mit Venture Capital.................................................. 126 Wählerisch - drum prüfe, wer sich nicht ewig bindet....................... 127 Venture Capital in Deutschland - Vormarsch im Gänseschritt....... 129 Worauf achten Venture—Capital—Geber? ................................................ 134 Am Ende immer international? ............................................................... 136 Einige Berliner Start—ups sind im großen Stil unterwegs .................. 138 Und worauf müssen Start—ups achten? ................................................. 140 Kapitel 13. Wie alles endet − Börsengänge und Trade Sales ...................... 145 Der steinige Weg zum Börsen—Wunderland ........................................ 147 Zalando und Rocket - der Börsenschrei vor Glück? .......................... 150 Und wer ist der Nächste? ......................................................................... 153 Inhalt <?page no="8"?> Inhalt Teil 3....................................................................................................................................... 157 Kapitel 14. Die Flops und ihre Gründe(r) .............................................................. 158 Warum scheitern Start—ups überhaupt? ................................................ 160 Drum lasst uns drüber reden ................................................................... 163 Der zweite Versuch .................................................................................... 166 Kapitel 15. Fernziel Silicon Valley? ........................................................................... 169 Gradmesser Fernsehen .............................................................................. 170 Was kann getan werden? .......................................................................... 171 Vom Kleckern statt Klotzen...................................................................... 173 Think Big....................................................................................................... 175 Auf die eigenen Kräfte vertrauen............................................................ 176 Kapitel 16. Was kann die Politik tun? ...................................................................... 179 Den Mangel an Wachstumskapital bekämpfen................................... 181 Gründen kommt von Grundschule ........................................................ 184 Weitere Denkanstöße zur Unterstützung von Start—ups ................... 186 Kritik am Mindestlohn .............................................................................. 188 Was steht auf der Haben—Seite? ............................................................... 188 Nachwort: Vom Werden und Sein............................................................................ 190 Danksagung........................................................................................................................ 192 Sachverzeichnis ................................................................................................................. 193 Anmerkungen .................................................................................................................... 199 <?page no="10"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin <?page no="11"?> › uvk.de 10 Kapitel 1. Gründerzeit auf der Silicon Allee „Jedem, der gründen will, sollte bewusst sein, dass er nicht Mark Zuckerberg ist, sondern Mustafa’s Gemüse Kebab.“ Darius Moeini, Managing Director bei Berlin Startup Consulting Die Spitznamen Silicon Allee und Berlin Valley hat sich die deut— sche Hauptstadt erst kürzlich in der internationalen Presse verdient. Die Anfänge dieser Erfolgsgeschichte, die immer mehr Start—ups aus dem Berliner Sand sprießen lässt und weltweit immer stärkere Beachtung findet, liegen schon einige Jahre zurück. Für viele gelten die Gründung des Online—Auktionsh auses Alando 1999 und der schnelle Verkauf an den US—Handelsriesen eBay als Startschuss für den neuen Mut am Gründen in Berlin. „Zu diesem Zeitpunkt ent— stand eine neue Generation digitaler Unternehmern, die noch heute den Markt aufmischt. Sie kamen damals zu Geld und sind weiter— hin in der Br anche aktiv“, sagt der Vorsitzende des Bundesverban— des Deutscher Startups, Florian Nöll. Schließlich verziehe sich ein erfolgreicher Gründer nach dem Exit in der Regel nicht auf die Sey— chellen, sondern investiere sein frisch erworbenes Vermögen lieber wieder in Start—ups. Hinter Alando stand neben den heute berühmt—berüchtigten Samwer—Brüdern Alexande r, Marc und Oliver auch Jörg Rhein— boldt, der nun den Accelerator Axel Springer Plug & Play des be— kannten Medienhauses leitet. Kurz nach dem Alando—Verkauf star— teten die Samwers den damals sehr erfolgreichen Klingeltonanbie— ter Jamba, bei dem der derzeitige Chef und Gründer des Spiele— anbieters Wooga, Jens Begemann, sein Handwerk lernte. Dama ls wie heute ist die Branche eng vernetzt und doch hat sich seit diesen Tagen vieles getan. Zunächst platzte die Dotcom—Blase, der Neue Markt ging unter und eine Zeitlang wollte eigentlich nie— <?page no="12"?> Kapitel 1. Gründerzeit auf der Silicon Allee › uvk.de 11 Rheinboldt nennt diese Episode gern den „nuklearen Winter“. Es gibt nicht mehr nur Autodidak ten als Gründer, sondern auch welche, die das gelernt haben. mand mehr mit Informationstechnologie zu tun haben. Gegen Ende der Nullerjahre ging es dann mit Zalando und Co. wieder los und die Start—up—Branche schöpfte Hoffnung. „Eigentlich ist nichts gleich geblieben, außer dass sich weiterhin alles ums World Wide Web dreht“, findet Christoph Räthke, der sein erstes Start—up 1999 gründete und damit ba den ging. Trotzdem blieb er der Branche treu. Seit 2012 leitet er den Accel— erator Berlin Startup Academy. Laut Räthke hat sich die gesamte Start—up—Szene mit der zweiten Gründungswelle rund um Zalando und Rocket Internet enorm professionalisiert und an Erfahrung gewonnen. „Alles ist viel vernetzter und ma n kann sich über das Internet viel besser informieren. Als wir früher Alando gegründet haben, gab es noch nichts davon“, sagt Rheinboldt. Ähnliche Veränderun— gen macht auch Shoepassion—Gründer Tim Keding aus: „Als ich 2008 hier anfing, kannte in der Branche noch jeder jeden. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute is t die Berliner Start—up—Welt ge— nauso groß und kunterbunt wie die Stadt selbst.“ Das weckt Ambitionen. Einige sehen Berlin auf dem Weg zum Si— licon Valley Europas. Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Berlin Partner, Stefan Franzke, der schon aufgrund seiner Position zum Optimismus verpflichtet ist, sagt: „Ich bin zutiefst überzeugt, da ss es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Hauptstadt einmal mit Tel Aviv oder New York gleichzieht. Dafür benötigen wir ein Ökosys— tem, was auf Gründer eingestellt ist. Dazu gehören Anwälte, die sich auskennen und Banken sowie Sparkassen, die nicht nur den Handwerker finanzieren, der gerade seinen Meister ge macht hat, sondern auch die Gründung im digitalen Bereich. Auch Hauseigen— tümer sollten der Meinung sein, dass man auch mit Start—ups einen guten Mietvertrag abschließen kann.“ Allein die Liste von Franzke zeigt, dass noch genügend Arbeit vor Berlin liegt. Zwar gehören Start—ups längst zum Stadtbild, und Namen wie Wooga oder Za lando sind auch dem Otto Normalverbraucher vertraut, doch die <?page no="13"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 12 › uvk.de Es gibt viele Gründe, warum es sich für eine Volkswirtschaft lohnt, Startups den Boden zu bereiten. Frage ist, ob sie bereits so ernst genommen werden wie Großkon— zerne. Immerhin überwiegt derzeit die positive Grundstimmung. Franzke geht sogar so weit zu behaupten, dass die aktuelle Grün— dergeneration in Berlin schneller und flexibler als ihr Pendant im Silicon Valley ist. Einer der wenigen wissenschaftlichen Beobachter der Start—up— Branche, Professor Tobias Ko llmann, bestätigt: „Wir haben inzwi— schen eine substanzielle Gründerlandschaft, die sich gut entwi— ckelt.“ Allerdings schwingt in diesem Satz auch gleich ein großes ‚aber‘ mit. Denn Kollmann sagt auch: „Das genügt noch nicht.“ Vor allem im Vergleich zum Silicon Valley laufe Deutschland hoff— nungslos hinterher. Das liege unter anderem dar an, dass es immer noch zu wenig Gründer gebe und das Unternehmertum in Deutsch— land zu wenig ausgeprägt sei, betont der Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an der Universi— tät Duisburg—Essen. Das könne für eine Volkswirtschaft zu einem Problem werden, kritisiert Kollmann und fordert, aktiv zu werden. „Ohne neue Unternehmen verliert ein Land die Fähigkeit zur Inno— vation und es werden weniger Jobs geschaffen. Man hat keine Chance mehr, die Weltmarktführer von morgen aufzubauen. Die kommen dann aus anderen Staaten.“ Die derzeit dominanten Schlüsselkonzerne, die ganze Industrien aufmischen - nämlich Apple, Google, Amazon und Facebook - kommen allesamt au s den USA und zwar eben aus dem Silicon Valley. Ähnlich klangvolle Namen hat kein anderes Land zu bieten. Neben den positiven Effekten für die künftige Wettbewerbsfähig— keit spielt dabei vor allem der Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle. <?page no="14"?> Kapitel 1. Gründerzeit auf der Silicon Allee › uvk.de 13 „Wenn wir mehr gute Startups in Deutsch land haben wollen, benötigen wir eben auch einfach erstmal mehr Startups.“ Dies zeigt auch eine entsprechende OECD—Studie. Demnach wa— ren im vergangenen Jahrzehnt bei Firmen, die erst fünf Jahre alt oder jünger waren, ein Fünftel aller Menschen angestellt, die au— ßerhalb des Finanzsektors arbeiten. Entscheidend ist, dass in die— sen jungen Firmen fast die Hälfte aller neuen Jobs kreiert wurde 1 . Problematisch in Deutschland ist, dass die Mehrheit der Bevölke— rung mit dem Thema Gründen überhaupt nicht vertraut ist und es damit dem Einzelnen entsprechend fern liegt. Der TEA—(Total Early— Stage Entrepreneurship Activity)—Index, der sich auf die Grün— dungsaktivitäten der Gesamtbevölkerung bezieht, hält alarmieren— de Zahlen parat. Deutschland belegte 2013 mit 5 Pro zent den 22. Platz von 26 innovationsbasierten Volkswirtschaften. Im Jahr 2012 hatte der Wert noch bei 5,3 Prozent gelegen 2 . Noch drastischer fällt das Ergebnis des Europa—Barometers aus, einer Umfrage unter Eu— ropäern zwischen 16 und 30 Jahren. Demnach sind 72 Prozent der befragten Deutschen nicht an einer Unternehmensgründung inte— ressiert. Damit belegt Deutschland europaweit den letzten Platz 3 . Bitter für die Start—up—Branche ist, dass auch für diesen Sektor die Zahlen kläglich ausfallen. Laut einer Studie des Vodafone Instituts wollen ein Drittel der Deutschen im Alter zwischen 18 und 30 Jah— ren auf keinen Fall eine Karriere in der digitalen Wirtschaft begin— nen. 70 Prozent können sich ni cht vorstellen, für ein Start—up zu arbeiten oder ein Unternehmen in der digitalen Wirtschaft zu grün— den (77 Prozent). In Ländern wie Spanien und Italien ist die Bereit— schaft hingegen höher 4 . Diese Zahlen findet auch Bitkom—Geschäfts— führer Niklas Veltkamp alarmierend: Natürlich zeichnen diese Statistiken ein einseiti— ges Bild. Vielen Deutschen ist das Gründen so fern, weil ihre Ar— beitsplätze vergleichsweise sicher und die Aussichten, einen guten Job zu finden, hoch sind. Zugleich sind Fachkräfte gefragt wie nie. <?page no="15"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 14 › uvk.de Im Jahr 2012 kam es laut der Studie des Bundeswirtschafts— ministeriums ‚Gründerland Deutschland‘, die sich auf Daten des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) bezieht, zu 346.400 Existenzgründungen. Da allerdings deutlich mehr Unternehmen Insolvenz anmeldeten, war der Saldo am Ende negativ. Deutsch— land zählte zum Jahresausklang rund 24.000 weniger Firmen als Ende 2011. Auch die Gründungen aus der Arbeitslosigkeit nah— men ab D und zwar im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Dri: el. Aus Unternehmersicht kam es zuletzt sogar zu traurigen Rekorden. Laut KfW—Gründungsmonitor wurde 2012 mit 775.000 Gründern der niedrigste Stand seit Beginn der Erhebung in 2000 erreicht. Demnach lagen die Ursachen neben den bereits genannten Gründen in bürokratischen Hürden bei der Firmeneröffnung, finanziellen Belastungen und Problemen bei der Finanzierung. Doch KfW— Chefvolkswirt Jörg Zeuner macht eine positive Entwicklung aus: „Ausgehend vom Tiefpunkt 2012 ist die Anzahl der Gründer 2013 deutlich auf 868.000 gestiegen. Der Anstieg beruht zwar ausschlieߗ lich auf so genannten Nebenerwerbsgründern.“ Aber insgesamt hätten deutlich mehr Gründer angegeben, mit ihrer Selbstständig— keit einer expliziten Geschäftsidee zu folgen. Im Gegensatz zu Not— gründern, die eine Selbstständigkeit aufgrund fehlender Alternati— ven angingen, seien Chancengründer typischerweise innovativer und brächen ihr Gründungsprojekt seltener ab. AUSNAHME BERLIN? Angesichts dieser Erhebungen scheint es eher überraschend, dass es in Deutschland überhaupt eine Stadt gibt, die mit einem Start—up— Hype in Verbindung gebracht wird. Doch in Berlin hat sich die neue Gründergeneration Deutschlands niedergelassen. „Endlich gibt es Unternehmer, die schon gegründet haben und es nun erneut tun“, lobt der Chef des Angel VCs Point Nine, Christoph Janz. Schlüssel— faktor für den Erfolg eines Standortes sei, dass es einen Talentpool <?page no="16"?> Kapitel 1. Gründerzeit auf der Silicon Allee › uvk.de 15 an Leuten gibt, die in einem Start—up arbeiten wollen. Und genau dies ist für Berlin der Fall. „Es zieht offenbar immer mehr Absolven— ten von Top—Universitäten in die Berliner Start—up—Szene, die vorher mit dem Internet gar nichts zu tun hatten. Sie schätzen die Chance hier am meisten Geld zu verd ienen am höchsten ein“, sagt Shoepas— sion—Chef Tim Keding. Die Mitgründerin des Coworkingspace Be— tahaus, Madeleine Gummer von Mohl, beschreibt die Beweggründe einiger junger männlicher Hochschulabsolventen, eine Firma auf— zubauen, mit einem knackigen Satz: „Der schnellste Weg zum Por— sche kann schon mal die Gründung eines Start—ups se in.“ Dass sich nun anscheinend auch Geld mit Start—ups verdienen lässt, erhöht wohl den Wunsch, ebenfalls zu gründen. Doch es ist auch genau diese Haltung, die Investoren gern mal abschreckt. Schließlich geht es vor allem bei Start—ups darum, den Entrepreneur—Geist zu leben. Und dieser verliert sich schnell, wenn es nur darum geht, das eigene Konto zu füllen. Kons tantin Guericke, der an der Stanford— Universität lehrt und Partner beim VC (Venture Capital) Earlybird ist, bevorzugt Gründer mit der Einstellung: „Meine einzige Exit— Strategie ist der Tag, an dem ich sterbe.“ Der Gründer sollte seiner Meinung nach sehr traurig sein, wenn eine große Firma an klopft und einen Batzen Geld auf den Tisch legt. Meist bedeute dies näm— lich, dass die Produkte in ein, zwei Jahren mehr oder weniger ver— schwunden seien. Wirklich mehrheitsfähig unter Gründern scheint der Run aufs Geld dann auch nicht zu sein. Und wenn, dann wollen sie ihre Konten zum indest nicht über einen Ausstieg füllen. Fast 72 Prozent gehen laut Startup Monitor 2014 davon aus, dauerhaft in ihrer Firma zu verbleiben und planen nicht gleich an der ersten Ampel den Ausstieg. So ist bisher auch das Berliner Vorzeige—Start— up Soundcloud verfahren. Mitgründer Eric Wahlforss: „Wir sind Anhänger der Auffassung, dass man ein Un ternehmen nur gründen sollte, weil man das, was man tut auch liebt und nicht weil man darauf fixiert ist, an den Höchstbietenden zu verkaufen. Wir fahren mit diesem Mantra bisher sehr gut.“ Soundcloud ist eins der vielen Beispiele dafür, dass sich die Start—up—Branche in Ber lin gewandelt hat. <?page no="17"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 16 › uvk.de Der Alltag ist eingekehrt. Es geht darum, das eigene Unternehmen voran zu bringen, sich immer stärker zu internationalisieren und professionalisieren. Praxis ist zehnmal schwerer. „Amerikaner sind hingegen Experten in PowerPoint und verkaufen auch schon mal eine Software, die noch gar nicht existiert.“ Kerstin Bock, Kommunika— tionschefin des Branchen— treffs Tech Open Air, ist der Meinung, dass die Start—up—Szene in Berlin deutlich nüchterner geworden ist. Derzeit werde „gearbeitet“. „Es wird viel mehr in Produkten und Dienstleistungen gedacht, die sich am Ende des Tages rentieren können. Man stellt sich häufiger die Frage, was auch auß erhalb der Start—up—Welt vom Kunden ange— nommen werden könnte“, sagt Bock. Diejenigen, die längst ‚arbei— ten‘, kennen die Fallhöhe. „Ein Start—up zu haben, ist eine wahnsin— nige Herausforderung. Während in der Ideenphase alles nach Plan verläuft, merkt man im Tagungsgeschäft schnell, wo es überall hakt. Der Unterschied zwis chen Theorie und Praxis ist einfach gewaltig. Am Anfang waren wir nicht darauf vorbereitet, dass wir an unserem Theoriemodell noch so viel anpas— sen und verbessern müssen“, erzählt die Mitgründerin von Original Unverpackt, Milena Glimbovski, von ihren eigenen Erfahrungen. Von den Herausforderungen und der großen Ungewissheit im Zusammenhang mit dem Gründen l assen sich nach Meinung von Shoepassion—Chef Tim Keding zumindest in Berlin weniger als früher abschrecken: „Ich denke, die große Medienaufmerksamkeit hat dafür gesorgt, dass Gründer aktuell ein hohes Ansehen genie— ßen. Bisher galt doch eher ein Konzernjob als erstrebenswert.“ Flo— rian Nöll vom Bundesverband Deutsche Startups rät denn auch all en Gründungswilligen gemäß des amerikanischen ‚Let’s—Do—It— Spirits‘, einfach loszulegen. In Deutschland werde häufig noch zu lange gehadert, geprüft und gewartet: Eine Haltung, die in Deutsch— land, wenn überhaupt, dann wohl in Berlin anzutreffen ist. Hier ist es en vogue, sich mit <?page no="18"?> Kapitel 1. Gründerzeit auf der Silicon Allee › uvk.de 17 dem eigenen Unternehmen zu profilieren. Aus dem KfW—Grün— dungsmonitor 2013 geht hervor, dass Berlin im bundesdeutschen Vergleich eine der höchsten Gründerquoten vorweist. Der Anteil der Gründer an der Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 65 Jah— ren lag in der Hauptstadt bei 2,55 Prozent. Dahinter folgte Hamburg auf Rang zwei mit 2,3 Pr ozent. Schlusslicht unter den 16 Bundes— ländern war 2012 Brandenburg, wo lediglich rund ein Prozent zu den Unternehmern gehörten. Laut Bundeswirtschaftsministerium versuchen sich eher jüngere Menschen am Aufbau einer Firma. INFOKASTEN - WAS IST EIN START—UP? Start—ups unterscheiden sich maßgeblich von herkömmlichen Gründungen. Während der überwiegende Teil der Gründer auf bewährte Geschäftsideen oder erprobte Konzepte setzt, geht es bei Start—ups um Innovationsfähigkeit. Hochgerechnet brachten 2012 nur knapp 18 Prozent der Neu— gründungen ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung auf den Markt. Bei Start—ups gehört dies per Definition zum Geschäft, auch wenn es nicht immer gelingt. „In der Start—up—Szene leiden viele an Hybris. Ich habe schon Uni—Absolventen erlebt, die einem die x—te Power—Point—Präsentation mit einem weiteren Wein— Onlineshop präsentieren und eine Bewertungssumme von zwei Millionen Euro verlangen“, plaudert der Chef des Company Builders M Cube, Jan Dzulko, aus seinem Alltag. Nach den Kriterien des Bundesverbandes Deutscher Startups (BVDS) gilt eine Firma als Start—up, wenn sie jünger als zehn Jahre ist, ein signifikantes Mitarbeiterwachstum oder ein Wachstum anderer wichtiger Kennzahlen aufweist und ihr Geschäftsmodell oder ihre Technologie hoch innovativ ist. Damit ist der Begriff Start—up sehr weit gefasst. Simon Schaefer, Gründer der Start—up— Residenz Factory in Berlin, hält es für nötig, ein Start—up per Ge— setz zu definieren. Zusammen mit anderen Branchenkennern er— arbeitete er bereits Kriterien, die deutlich enger gefasst sind als die des BVDS: „Demnach ist eine Firma ein Start—up, wenn sie zu 80 Prozent risikofinanziert, seit maximal zwei Jahren am Markt ist und weniger als 15 Mitarbeiter besitzt. Diese spezielle Unterneh— <?page no="19"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 18 › uvk.de Einer Stadt mit weit mehr als 200.000 Arbeitslosen würde ein solcher Jobboom gut stehen. mensform sollte im Prinzip Narrenfreiheit haben - auch rechtlich gesehen.“ Der BVDS geht anhand seiner Definition davon aus, dass es zwi— schen 4000 und 5000 Start—ups in Deutschland gibt. Ein Großteil davon dürfte sich in Berlin befinden. Die Industrie— und Handels— kammer schätzt die Zahl auf 2500. Glaubt man den Zahlen, hätte die Hälfte aller Start—ups ihren Hauptsitz in der Hauptstadt. Ge— messen an den etwa 260.000 Unternehmern in Berlin, die IHK— Mitglieder sind, ist dies zwar ein verschwindend geringer Anteil 5 . Aber in der Start—up—Branche kommt Berlin damit eine Bedeutung zu, die es nirgends sonst in Deutschland gibt. Laut der Studie „Berlin gründet“ 6 des Beratungsunternehmens McKinsey gehen in der Hauptstadt täglich zwei neue Start—ups in innovativen Be— reichen wie beispielsweise dem E—Commerce oder Software— Sektor an den Start. Einer anderen Erhebung zufolge entstanden 2012 in der Digitalwirtschaft 500 Gründungen 7 . Insgesamt werden danach nun 5800 Firmen gezählt. Wie viele Start—ups sich in Berlin ganz genau am Markt befinden, ist kaum festzustellen. An validen Zahlen mangelt es seit Jahren. Auch das Amt für Statistik Berlin—Brandenburg stellt keine aussa— gekräftigen Daten zur Verfügung. Dies liegt zum einen am schwammigen Start—up—Begriff und den fließenden Übergängen von einem jungen Unternehmen zu einem etablierten Marktteil— nehmer. Die Wirtschaftsberater von McKinsey malen ein rosiges Zukunfts— bild für die Start—up—Szene der Hauptstadt. Ihrer Studie „Berlin gründet - fünf Initiativen für die Start—up Metropole Europas“ zu— folge könnten bis 2020 in Berlin mehr als 100.000 neue Arbeitsplät— ze durch Start—ups entstehen, rund 40.000 in den Start—ups selbst und 60.000 über den so genannten Multiplikatoreneffekt, demzu— folge jeder neue Arbeitsplatz die Basis legt für weitere Be— schäftigungsverhältnisse 8 . <?page no="20"?> Kapitel 1. Gründerzeit auf der Silicon Allee › uvk.de 19 Schließlich gilt der Wohnort Berlin längst als Qualitätssiegel. Wohl auch deswegen trifft das Thema in der Berliner Politik langsam auf mehr Interesse. Berlins früherer Regierender Bürger— meister Klaus Wowereit hat für die Stadt das Ziel ausgegeben, zur führenden Start—up—Metropole Europas zu werden. Wie der Weg bis dahin beschritten werden soll und welche Hilfsmittel zur Verfü— gung stehen, sa gte er nicht. Fest steht, dass die 3,4—Millionen— Einwohner—Stadt noch einen weiten Weg vor sich hat. Dies verdeut— licht unter anderem die Studie Startup Ecosystem Report des Star— tup Genomes und Telefónica Digital über die aktivsten Start—up— Hochburgen der Welt. Dort steht erwartungsgemäß das Silicon Valley ganz vorn, gefolgt von Tel Aviv, Los Angeles sowie Seatt le. London kommt als erste europäische Stadt auf Platz sieben. Den elften Rang nimmt Paris ein und Berlin schafft es auf den 15. Platz, noch hinter Moskau und kurz vor dem kanadischen Waterloo 9 . Damit ist die deutsche Hauptstadt meilenweit von den ersten Plätzen entfernt, auf denen sie von einigen schon vermutet wird. Der Report empfiehlt denjenigen, die es irgendwann mit dem Si— licon Valley aufnehmen wollen, auf Differenzierung und Diversifi— zierung zu setzen. Und lobt in diesem Zusammenhang Sydney, Sao Paulo und Moskau - ni cht aber Berlin. Dafür kommt die deutsche Hauptstadt beim Thema Kunst und Musik ins Spiel: Die Autoren gehen davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen einer lebendigen Künstlerszene und einer boomenden Start—up—Stadt gibt und heben hervor, dass sich dies besonders stark in New York, San Francisco und Berlin geg enseitig bedingt. Jeder, der aus Berlin kommt und jüngst in die genannten Städte gereist ist, dürfte nicht ver— wundert sein. Die Stadt ist weltweit angesagt, gilt als hip, kreativ, weltoffen und freiheitlich. Dies lockt neben Kreativen und Künstlern auch immer mehr digitale Aktivis— ten wie die US—Filmregisseurin und Snowden—Vertr aute Laura Poit— ras sowie den US—Hacker Jacob Appelbaum an. Diese bleiben nicht zuletzt wegen der guten Rechtssicherheit. Ob letztlich die Begriffe Silicon Allee und Berlin Valley mehr als nur ein nettes Wortspiel sind, werden erst die nächsten Jahre zei— <?page no="21"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin gen. Viel wird davon abhängen, ob es ausreichend Finanzierungs— möglichkeiten und Fachkräfte gibt. Berlin als Start—up—Hochburg hat nur eine Zukunft, wenn es gelingt, die Attraktivität der Stadt zu erhalten und gleichzeitig die Situation junger Firmen zu verbessern. Wirtschaftsprofessor Tobias Kollmann ist der Meinung: „Auch wenn es woanders im Moment einfacher is t, ein Start—up zu grün— den, so ist es alternativlos, die Bedingungen dafür auch in Deutsch— land zu verbessern. Wir sollten und dürfen uns hier im Online— Wettbewerb nicht kampflos ergeben. Wir wollen doch in Zukunft nicht nur zuschauen, sondern auch mitspielen.“ <?page no="22"?> › uvk.de 21 Derzeit läuft es nach dem Motto, viele Köche verderben den Brei. Kapitel 2. Wie Berlin seinen Start-ups den Hof macht „Berlin hat in den vergangenen Jahren mit dem Abbau von Staatsbediensteten und einem ausgeglichenen Haushalt Akzente gesetzt. Vielleicht sollte man jetzt aber investieren. Die Start—up— Welle, die derzeit da ist, sollte abgeritten und genutzt werden, um sich für Zeiten gut aufzustellen, wo es nicht so einfach ist wie im Moment. Man sollte nicht denken, dass es ohne Zutun die nächs— ten 15 Jahre weiter so gut läuft.“ Stefan Franzke, Geschäftsführer von Berlin Partner „Es reicht nicht mehr, dass sich Berlin als arm, aber sexy verkauft“, betont CDU—Wirtschaftsratspräsident Kurt Lauk 10 . Ohne verstärkten Aktionismus könnte also der Ruf von der deutschen Silicon Allee schnell in Gefahr sein. Doch über das, was in die Wege geleitet werden könnte, um den Start—ups in der Hauptstadt auf die Sprün— ge zu helfen und ihre Probleme zu beseitigen, herrscht große Unei— nigkeit. „Es ist ni emand da, der die Sache in die Hand nimmt und das Ökosystem strategisch entwickelt und die Macht und Glaub— würdigkeit besitzt, dies durchzusetzen. Ob die neue Startup Unit den gegensei— tigen Austausch wirklich fördert und dem Start—up—Ökosystem wirklich hilft, bleibt abzuwarten“, sagt Sven Ripsas, Professor für Entrepreneurship an der Ho chschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Ähnlich sieht das auch Spendino— Gründer Sascha Schubert: „Es werden viele Dinge parallel gemacht und nicht aufeinander abgestimmt.“ Nun will Stefan Franzke von der Wirtschaftsförderung Berlin Partner Ordnung in den Wirrwarr bringen. Diskussionsstoff über das Wie und Was lieferte eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey au s dem Jahr 2013 11 . Darin wurden fünf Initiativen aus— gerufen. Deren Umsetzung und Weiterentwicklung soll nun die ein <?page no="23"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 22 › uvk.de Jahr später gegründete Startup Unit von Berlin Partner schultern. „Die Startup Unit ist Berlins erste Anlaufstelle für junge Unterneh— mensgründer. Sie bietet Information und Beratung, vermittelt aber auch zügig die richtigen Ansprechpartner, zum Beispiel in der Wirtschaftsverwaltung bei administrativen Vorgängen wie Geneh— migungen oder bei der Investitionsbank Berlin IBB, wenn es um Fina nzierungen geht. Gründer erfahren damit sofort, dass die Ver— waltung und die Landesbeteiligungen als Dienstleister für sie bereit stehen“, fasst die Berliner Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer zu— sammen. Dabei wurden aus fünf Initiativen die folgenden sieben Säulen: 1. Ansiedlung von Start—ups in Berlin, 2. Willkommenskultur, 3. Wagniskapital, 4. Gründercampus, 5. Vern etzung, 6. Internationalisierung und 7. Gründungen an Hochschulen 12 . Ein Vorschlag von McKinsey versandete trotz vieler Schlagzeilen: der Aufbau eines Start—up—Fonds Berlin mit einem Volumen von 100 Millionen Euro. Diesen wird es so schnell nicht geben. Franzke betont trotzdem: „Wir werden uns daran messen lassen, wie gut wir die Startup Unit kommunizieren und aufbauen.“ In zwei Jahren so lle jeder, der gründen wolle, sich zuerst an diese Unit wenden und dort alle Fragen beantwortet bekommen. In die Ideenentwicklung und Umsetzung sind unter anderem die IHK Berlin, Sascha Schubert vom Start—up Spendino und Delivery— Hero—Chef Niklas Östberg involviert. Trotz aller Bemühungen muss festgestellt werden, dass die Startup Unit au ch zu Jahresbeginn 2015 noch dabei war, erst langsam Fahrt aufzunehmen. Östberg hatte bis dahin beispielsweise sehr wenig mit der Initiative zu tun. Und natürlich ist es nicht so, dass für die Startup Unit plötzlich eigene Fördertöpfe ausgegraben werden. Laut der Senatsverwal— tung für Wirtschaft besteht für die Startup Unit keine ei gene Budgetposition. Die Geschäftsstelle wird im Rahmen der institutio— <?page no="24"?> Kapitel 2. Wie Berlin seinen Start-ups den Hof macht › uvk.de 23 Die Attraktivität Berlins speist sich zu einem großen Teil aus Faktoren, die nicht ganz so leicht zu beeinflussen sind. nellen Förderung von Berlin Partner finanziert. Die Budgetbedarfe der einzelnen Initiativen werden demnach projektabhängig und zum Teil auch von unterschiedlichen Partnern gedeckt. Ob auf diese Art und Weise große Sprünge möglich sind, muss sich noch heraus— stellen. „Die Mühlen mahlen in der Verwaltung langsamer als in der freien Wirtschaft. Aber ich bi n optimistisch, dass die Startup Unit zu einer hilfreichen Institution werden kann“, gibt sich Schu— bert zuversichtlich. Dabei ist ein gut funktionierendes Ökosystem das A und O für den Erfolg von Start—ups. Der CDU—Wirtschaftsrat und die Boston Consulting Group konstatieren: „Der Aufbau eines Ökosystems benötigt Zeit und ist ein si ch selbstverstärkender Prozess. Je früher damit begonnen wird, desto schneller können Erfolge realisiert werden, die wiederum weitere Erfolge ermöglichen.“ Ähnlich sieht es Berlin—Partner—Geschäftsführer Stefan Franzke: „Wir müssen uns weiter professionalisieren und benötigen weitere Strukturen, die das gewachsene Ökosystem widerspiegeln.“ Hin— dernisse macht Franzke im starken Start—up—Wachstum au s und dem Bedarf, der daraus entsteht: „Der Run auf Flächen ist bereits riesig. Die einen wollen dort Kultur haben, die anderen wollen alles verhindern, die dritten wollen Wohnungen. Mich interessiert, dass man innerhalb des S—Bahn—Rings Arbeitsplätze schafft.“ Und damit trifft Franzke einen wunden Punkt. Das sind die ver— gl eichsweise niedrigen Le— benshaltungskosten, geringe— ren Gehälter und die hohe Kreativität und Frische in der Stadt. Laut einer Mercer—Erhebung nimmt Berlin im weltweiten Städte—Vergleich Platz 68 bei den Lebenshaltungskosten ein und ist damit deutlich günstiger als New York, Tel Aviv und London, die alle unter den ersten 20 landen 13 . Im Gegensatz zu anderen Metro— polen finden in Berlin Gründer, Künstler und vielleicht sogar Politi— ker leichter zueinander als anderswo in Deutschland und wohl auch in Europa. Wo es bekanntermaßen jedoch noch wenig Aus— tausch gibt, ist zwischen den Start—ups und der herkömmlichen <?page no="25"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin Wirtschaft. „Wir müssen zusehen, dass wir nicht die etablierten Firmen gegen die Start—ups ausspielen. Es muss ein Miteinander geben. Und in diesem Bereich haben wir noch ganz viel zu tun“, gibt Franzke zu. Der Gründer von ResearchGate, Ijad Madisch, macht zumindest allererste Früchte aus: „Die Berliner— und die Bundespolitik haben in den vergangenen Ja hren immer öfter die Werbetrommel für Start—ups gerührt und das finde ich gut. Der jungen deutschen Wirt— schaft Aufmerksamkeit zu verschaffen und für eine Infrastruktur zu sorgen, in der sie wachsen kann - das sind meiner Meinung nach die wichtigsten Aufgaben der Politik für uns. Davon gerne mehr ! “ Laut einer Umfrage im Auftrag des Hightech—Verbandes Bitkom sind Start—ups bis heute kaum im Bewusstsein der breiten Öffent— lichkeit. Dies beweist, dass der Begriff Start—up noch keinen Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch der Deutschen gefunden hat. Demnach weiß nur jeder dritte Deutsche, dass damit ein junges Unterne hmen gemeint ist. Dieses Drittel der Bevölkerung hat dann jedoch eine rechte hohe Meinung von Start—ups und ist der Ansicht, dass diese Arbeitsplätze schaffen (83 Prozent), für Innovationen stehen (82 Prozent) und wichtig für die Zukunft des Standorts Deutschland sind (71 Prozent). Sie halten Gründer für leistungsori— entiert, zielstrebig und sehen in ihnen Vorbilder 14 . <?page no="26"?> › uvk.de 25 Die Einseitigkeit der Ausrichtung der StartupSzene zeigt sich auch bei der Vergabe von Risikokapital. Kapitel 3. Und warum machen in Berlin alle in Software und Internet? In der Methfesselstraße 7 in Kreuzberg zeugt eine Gedenktafel von einer bedeutsamen Erfindung. Dort baute Konrad Zuse von 1936 bis 1944 die programmgesteuerten Rechenanlagen Z1 bis Z4. Der Z1 war der erste universell programmierbare Rechner welt— weit und er entstand in Zusammenarbeit mit Helmut Schreyer mitten in Berlin. Eine Neuheit im Hardware—Bereich, die aus Berlin kommt und ih— ren Weg um den Globus macht - dies scheint derzeit fast undenk— bar. Schaut man sich die Start—ups in Berlin an, die frisch aus dem Boden gestampft werden, handelt es sich überwiegend um Firmen, die sich im Informations— und Telekommunik ationsbereich versu— chen wollen. Von Diversifizierung und Differenzierung, zwei we— sentlichen Faktoren für den Gesamterfolg eines Start—up—Öko— systems, kann damit kaum die Rede sein. Rund 95 Prozent aller Finanzierungsgelder flossen vom zweiten Quartal 2013 bis zum ersten Quartal 2014 in die Bereiche E—Commerce, Internet sowie Software für Dienstleistungen und mob ile Geräte 15 . Leicht verzerrt wird dieses Bild in diesem Zeitraum von besonders großen Finan— zierungsrunden bekannter E—Commerce—Unternehmen wie Zalando und Delivery Hero. Die Monokultur aus Software— und E— Commerce—Start—ups birgt laut Factory—Gründer Simon Schaefer Gefahren: „Wenn man sich nur auf eine Sache konzentriert, hat man keine Chance au f Serendipität.“ Mit diesem Begriff sind - verein— facht gesagt - zufällige und überraschende Entdeckungen gemeint. Und es sind am Ende häufig genau diese verblüffende Erfolge, die eine Industrie umkrempeln können. <?page no="27"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 26 › uvk.de Auch der Berliner Coach Thorsten Harms kritisiert die fehlende Vielseitigkeit: „Wir befinden uns hier in einer Internet—Bubble. Jeder will das nächste große Ding im Internet hervorbringen. Aber viele schätzen das Internet völlig falsch ein. Die sehen nicht, dass man darin vollkommen verschwinden kann. Man ist schlichtweg nicht da, wenn einen die Nu tzer nicht sowieso schon kennen. Dann lan— det man bei Google gern mal auf Platz 50 oder so. Viele Gründer vergessen auch, dass zum Beispiel Marktplätze im Netz immer von den Größten abgeräumt werden und nicht vom x—nächsten, der ein neues Hotelsuche—Angebot etablieren will.“ Es gibt einige Gründe da für, warum sich die meisten Start—ups auf den Informations— und E—Commerce—Sektor konzentrieren. So orientieren sich junge Firmen gern daran, was in ihrem Ökosystem - also in ihrer Nähe - bereits erfolgreich ist. Und das sind in Berlin eben E—Commerce—Unternehmen wie Zalando, Delivery Hero oder Rockets Möbel—Marktplätze wie Westwing und Home2 4. Stephan Hoffmann von der IBB führt die Höhe der notwendigen Investiti— onssummen als einen Grund dafür an, dass die Gelder eher in die Informations— und Kommunikationstechnologie (IKT) fließen: „Die Gründung eines Unternehmens in diesem Bereich ist im Durch— schnitt mit weniger Risiken verbunden. Meist zeigt si ch innerhalb von drei bis fünf Jahren, ob die Dienstleistung beziehungsweise das Produkt am Markt bestehen kann. Bei Lifescience—Start—ups dauert dies häufig zehn Jahre oder länger. Außerdem ist der Finanzie— rungsaufwand viel größer.“ Die Summen, die in die Hand genommen werden müssen, um einem Hardware—Start—up einen guten St art zu ermöglichen, sind viel größer als bei einer E—Commerce—Gründung. Zudem verspre— chen sie nicht auf Anhieb die Rendite, die erfolgreiche Software— Start—ups haben. Bei der Finanzierung haben es deutsche Start—ups per se schlech— ter als beispielsweise ihre Konkurrenz in den USA, wo die VC— Fonds größer si nd und großzügiger aussichtsreiche Geschäftsideen finanzieren. „Investoren honorieren Kreativität nicht so stark wie in den USA, sondern unterstützen lieber ‚proven business models‘“, <?page no="28"?> Kapitel 3. Und warum machen in Berlin alle in Software und Internet? › uvk.de 27 Die Gründer, die diese Erfahrung haben, sitzen eher im Schwabenland. Und die bewegen sich dort nur ungern weg.“ kritisiert Niklas Veltkamp von der Bitkom—Geschäftsführung. Dies ist auch die Meinung von M—Cube—Chef Jan Dzulko. Auf Seiten der Kapitalgeber in Deutschland gäbe es kaum Visionäre, die in großen Dimensionen dächten. In den USA hingegen seien Persönlichkeiten wie Ben Horowitz und Marc Andreessen unterwegs, die selbst noch Nerds im Herzen und nicht ei nfach nur bessere Banker seien, sagt Dzulko. Die genannten Persönlichkeiten haben mit ihren Investitio— nen unter anderem Facebook, Twitter, Pinterest sowie Foursquare beim Wachsen unterstützt. Konstantin Guericke von Earlybird meint, dass die im Vergleich zum Silicon Valley noch recht junge Szene in der Hauptstadt eben— falls dafür verantwortlich is t, dass man sich noch nicht an die ris— kanteren Hardware—Projekte wagt: „In Berlin haben wenig Gründer Unternehmenserfahrung und wissen daher nicht, welche Bedürf— nisse Geschäftskunden ha— ben. Stattdessen kennen sie sich besser mit den Wün— schen von Privatleuten aus. Diese Entwicklung hat auch Wolfgang Seibold vom Bundesver— band Deu tscher Kapitalgesellschaften (BVK) ausgemacht: „Neu— entwicklungen in Bereichen wie Clean Technology oder Biotech sind sehr knowhow—intensiv und finden daher eher in der Nähe der entsprechenden Forschungseinrichtungen und Industriezentren statt. Berlin spielt in diesen Bereichen keine dominante Rolle. Hier konzentriert sich die Start—up—Szene eher auf die Bereiche Internet und E—Commer ce. Jan Dzulko von M Cube gibt auch den Universitäten eine Mit— schuld an der häufig einseitigen Ausrichtung der hiesigen Start—up— Szene: „Wir sind doch das Land der Tüftler. Dass wir nicht mehr neue Technologien entwickeln, verwundert mich. Unsere Universi— täten sind leider noch Elfenbeintürme. In Amerika ist es norma l, dass zehn Prozent aller Abgänger des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ihr eigenes Start—up aufbauen. Da kommen dann natürlich auch Schlüsseltechnologien raus.“ <?page no="29"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 28 › uvk.de Wenn man Berlin und München zusam mentut, dann hat man alles zusammen - nach deutscher Art.“ Seriengründer Andy Goldstein, der den German Accelerator lei— tet, in den USA geboren und seit langem in Deutschland lebt, be— tont, dass es letztlich nicht darum geht, Orte gegeneinander auszu— spielen: „Der Schlüssel zum Erfolg ist, dass Berlin nicht versucht München zu sein und umgekehrt. Beide zusammen sind der Schlüssel für die St art—up—Szene und Kultur in Deutschland und das müssen wir fördern. Während Berlin ganz eindeutig der Ort für E— Commerce ist, besitzt München eine erstklassige Infrastruktur aus Unternehmen und Universitäten, weswegen man in München eher die Technologie—Start—ups antrifft. Das Silicon Valley wäre nicht, was es ist ohne Go ogle, aber eben auch nicht ohne Hewlett Packard. In der Tat haben die meisten relevanten Start—ups aus den Bereichen High— und Biotech ihren Sitz in München. „Dort sitzen die Großkonzerne, die das befeuern. Die ansässigen Universi— täten tragen ihr übrigens dazu bei“, sagt Peter Borchers von hub: raum. Goldste in, selb st in München ansässig, rät der Hauptstadt deswegen, alles zu tun, um Großkonzerne anzulocken: „Das Silicon Valley wäre wahrscheinlich ohne Hewlett—Packard, Intel, Dell oder die Forschungseinrichtungen des Militärs nie so groß geworden.“ Gerade in diesem Bereich hat die Hauptstadt Nachholbedarf. Berlin kämpft weiterhin mit den Folgen der strukturellen Umbrü— che in der Industr ie, erst durch die Teilung der Stadt und dann noch einmal nach der Wiedervereinigung, als Betriebe im Osten ge— schlossen und aus dem Westen nach dem Ende der Subventionen abwanderten. Zwar haben Großkonzerne wie Siemens, Osram, die Deutsche Bank, AEG und Lufthansa hier ihren Ursprung. Sie alle gaben dann aber zum indest ihren Haupt—Firmensitz hier auf. Die fehlende Industrie und damit die fehlenden Kooperationspartner und Käufer spielen ebenfalls eine Rolle dabei, warum sich Gründer weniger animiert fühlen, es in Berlin mit Hardware—Start—ups zu versuchen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Wette, die bei der Finanzierung eines teuren Hardware—Projekts eingegangen wird, <?page no="30"?> Kapitel 3. Und warum machen in Berlin alle in Software und Internet? › uvk.de 29 ECommerceIdeen können hingegen noch einmal abgewandelt werden, damit sich am Ende die Investition vielleicht doch auszahlt. ungleich größer ist als bei einer Software—Idee ist. Im Falle eines Fehlschlags sind dann gern mal ein paar mehr Millionen Euro futsch. Factory—Gründer Simon Schaefer spielt auf ein Problem an, dass Berlin beziehungsweise Deutschland allein nicht lösen können: „Dank Whistleblower Edward Snowden hat eigentlich jedermann verstanden, dass wir europäische H ochtechnologie benötigen. Doch uns fehlt die Größe und Masse im Ökosystem, um erfolgreich zu sein, da wir in Europa als individuelle Länder agieren und nicht als ein Markt.“ Da müsse sich noch einiges tun, damit Europas Hard— ware—Start—ups eine Chance hätten. NEU AUF BEIDEN SEITEN DES ATLANTIKS? Angesichts dieser Fakten mag es überraschen, dass auch das Silicon Valley gerade erst dabei ist, den Hardware—Sektor wieder für sich zu entdecken. Laut der National Venture Capital Association haben im ersten Halbjahr 2014 mit insgesamt 1,24 Milliarden Dollar gleich doppelt so viele Start—ups aus dem Industrie— und Energiebereich Wagniskapital erhalten wie im verg leichbaren Zeitraum des voran— gegangenen Jahres 16 . Dies ist eine neue Entwicklung. Nach den Verlusten im Zusammenhang mit Investitionen in den Clean—Tech— Boom sechs bis sieben Jahre zuvor, hatten sich viele von dem Sektor verabschiedet und stattdessen Software— und Webfirmen unter— stützt. Doch die fortschreitende Entwicklung und der damit einherge— hende Preisverfall hat nun einiges geändert. „Ei n großer Faktor, warum es allgemein wieder mehr Hardware— Start—ups gibt, ist die Verfügbarkeit von preiswerten Komponenten aus Handys beziehungsweise Smartphones. Diese lassen sich in neue Geräte einbauen. Zum Beispiel ist in der Datenbrille für Com— puterspieler Oculus Rift ein Smartphone—Display verbaut und es <?page no="31"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 30 › uvk.de Ein Prototyp kann heute schon mal innerhalb weniger Stunden mit Hilfe eines 3DDruckers produziert werden. werden die gleichen Sensoren benutzt, die auch in Handys die Ori— entierung des Gerätes erfassen“, sagt der Gründer des Berliner Ka— mera—Start—ups Panono, Jonas Pfeil. Und ähnlich geht eben auch Panono vor: „Wir verwenden Kameramodule, die normalerweise in Smartphones verwendet werden. Bei beiden Produkten wäre an— ders die Miniaturisierung und der Preis im Consumer—Bereich nicht realisierbar.“ Erfolge feierte damit zuletzt beispielsweise der große US—Panono—Konkurrent GoPro, dessen Aktien längst an der Wall Street notiert sind. Insgesamt lässt sich feststellen, dass es zwar weiterhin deutlich kostenintensiver ist, ein Hardware—Start—up aufzuziehen, aber auch dies wird insgesamt günstiger. Nicht zuletzt durch Neu—Ent— wicklungen. Je schneller es den Prototyp gibt, desto schneller ist das Produkt am Ende auch auf dem Markt und die ersten Umsätze landen entsprechend schneller in der Kasse des Start—ups. In den USA scheint sich also auch aufgrund dieser jüngsten Ent— wicklungen das Bewusstsein durchzusetzen, dass man den Start— ups, die physische Produkte erschaffen wollen, nicht dauerhaft den Rücken kehren sollte. Dies hängt unter anderem mit der großen Konkurrenz unter den Software—Firmen zusammen. Eine Kopie, die dem Original auf die Pelle rückt, kann schnell auf den Markt ge— bracht werden. Hardware—Start—ups versprechen in der Regel, ein Produkt hervorzubringen, mit dem man sich dauerhafter von Wett— bewerbern abgrenzen kann. Entsprechend bemühen sich Gründer und Investoren rund um den Globus, gute Hardware—Geschäftsideen aufzutun. Auch im Internet— und E—Commerce—dominierten Berlin tut sich langsam etwas in diese Richtung. Wer mit seinen eigenen Händen an einer Geschäftsidee werkeln und einen Prototyp erstellen will, ist im Betahaus im Stadtteil Kreuzberg richtig. Dort gibt es seit Anfang 2015 ein so genanntes Hardware—Labor. Dieses wurde von hard— ware.co etabliert, einem Netzwerk von Leuten, die diesem Thema <?page no="32"?> Kapitel 3. Und warum machen in Berlin alle in Software und Internet? mehr Schwung verleihen wollen. Das soll unter anderem über ein 14—tägiges Accelerator—Programm für junge Start—ups gelingen. Vielleicht können Initiativen wie hardware.co einen Betrag dazu leisten, die Ausrichtung der Branche in Berlin etwas zu verrücken. Der bekannte US—Venture—Capital—Geber Founders Fund verdeut— lichte lange mit seinem Manifesto, was im Silicon Va lley im Mittel— punkt stand, aber eben vielleicht nicht mehr steht: „Wir strebten einmal nach fliegenden Autos. Stattdessen haben wir 140 Zeichen bekommen.“ Dass sich aber mit genau diesen 140 Zeichen und der Software dahinter viel bewegen lässt, betont Professor Tobias Koll— mann anhand eines weiteren Beispiels: „Es nü tzt uns nichts, wenn in Aachen die besten 3D—Drucker der Welt produziert werden. Der— jenige, der das zugehörige Geschäftsmodell der digitalen Nullen und Einsen zum Ausdrucken von Produkten als Plattform im Inter— net beherrscht, wird dann auch entscheiden, auf welchem Drucker als Hardware ausgedruckt wird.“ Letztlich greift eben alles inein— an der. Ein erfolgreiches Ökosystem basiert auf guten Start—ups, die in ihrer Gesamtheit alle Bereiche abdecken. Und das ist bisher vor allem im Silicon Valley gelungen. <?page no="33"?> › uvk.de 32 Kapitel 4. Das A und O - wie kommt man an die besten Leute? „Wir suchen dich, wenn du 100 % digital bist, dich fu9r Sport und Games begeistern kannst, Luft für 90 Minuten plus Nachspielzeit hast und in die Champions—League willst. Dich erwarten ein jun— ges und ambitioniertes Team, interessante Aufgaben, flache Hie— rarchien und innovative Projekte. Verwirkliche deine Ideen und bewege etwas.“ 17 Das Stellenangebot des Berliner Start—ups Stryking für einen Sales—Direktor Die richtigen Mitarbeiter zu finden, weiter zu qualifizieren und dauerhaft zu binden, ist ein zentraler Erfolgsfaktor von Unterneh— men 18 . Dieser „War of Talent“ gilt insbesondere für Start—ups, bei denen vor allem in den Anfangstagen fast alles steht oder fällt mit dem Arbeitswillen, der Flexibilität, Kreativität und Begeisterungs— fähigkeit des Teams. Je fixer und unkomplizierter die Suche nach gut ausgebildeten und engagierten Mitarbeiter abläuft, desto früher und besser kann si ch das Start—up aufs Tagesgeschäft konzentrieren. Oberflächlich betrachtet gibt es in Berlin dabei kein Problem. „Wir sind vor sechs Jahren nach Berlin gekommen, weil es ein Magnet für Talente ist und damit eine gute Ausgangslage für ein internationa— les Unternehmen bietet. In Köln, Düsseldorf oder München wäre das nicht möglich gewesen“ , sagt Zalando—Chef Robert Gentz. Prob— leme, geeignete Mitarbeiter anzustellen, kennt der Modehändler nicht: „Gute Leute konnten wir anfangs nur mit unserer Idee begeis— tern, heute ist es für uns leichter. Wir haben einen großen Namen und bekommen einige tausend Bewerbungen im Monat.“ Ähnlich sieht das bei dem Wissenschaftler—Net zwerk Research— Gate aus. Dazu Gründer Ijad Madisch: „Wir bekommen täglich viele interessante Initiativbewerbungen. Berlin zieht talentierte <?page no="34"?> Kapitel 4. Das A und O - wie kommt man an die besten Leute? › uvk.de 33 Deswegen machen Startups auf der Suche nach geeigneten Angestellten längst nicht mehr vor Ländergrenzen Halt. Menschen aus der ganzen Welt an. Die Stadt wächst mit diesen Menschen und mit ihnen auch die Angebote für sie - was eine posi— tive Entwicklung ist.“ Und doch sind diese Betrachtungen der Firmenchefs zweier der bekanntesten Berliner Unternehmen nur eine Seite der Medaille. Denn für die, die sich noch keinen großen Namen gemacht ha ben, nimmt das Gerangel um die talentiertesten Köpfe angesichts der Start—up—Flut und des sich anbahnenden Fachkräftemangels zu. Der Report für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) aus dem Jahr 2014 19 konstatiert für Deutschland: „Fachkräfte sind zunehmend schwerer zu finden, und kleine und mittlere Unternehmen haben sich im Wettbewerb um die besten Köpfe auch mit Großunterneh— men und der öffentlichen Hand zu messen.“ Fast ein Drittel der befragten Unternehmen benannten in diesem KMU—Report den Fachkräftemangel als starkes Expansionshemmnis. Ähnliches stellte auch der jüngs te GEM—Länderbericht fest: Gründungen leiden stär— ker als etablierte Unternehmen unter dem zunehmenden Fachkräf— temangel 20 . Und das, obwohl sich in Deutschland zuletzt einiges getan hat. So können Akademiker aus dem Ausland ohne Stelle nun ein halbes Jahr nach einer Arbeit suchen und Uniabsolventen haben dafür sogar zwei Jahre Zeit. Die OECD bescheinigte Deutschland jedenfalls „vergleichsweise offen“ bei der Zuwanderung von Fach— kräften zu sein 21 . Um im weltweiten Wett— bewerb mithalten zu kön— nen, ist es für sie heutzutage in der Regel unumgänglich, fähige Mitarbeiter aus dem Ausland anzuheuern. Diese bringen frischen Wind und zusätzliche Kenntnisse ins Unternehmen. „Ziel müsse es sein, dass alle nach Deutschland kommen, um von hier aus Europa und den Rest der digit alen Welt zu erobern“, meint Professor Tobias Kollmann. Für 24,5 Prozent der Gründer bestehen allerdings immer noch schwere bis äußerst schwere Hemmnisse bei der Gewinnung internationaler Fachkräfte, die nicht aus der EU kommen, wie der Deutsche Startup Monitor 2014 fest— <?page no="35"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 34 › uvk.de Berlin gilt als einzige Metropole in Deutsch land, in der man problemlos arbeiten kann, ohne deutsch zu sprechen. stellte. Auch Borchers vom Inkubator der Deutschen Telekom hub: raum findet, dass es immer noch viel zu kompliziert ist, Mitar— beiter aus einem Nicht—EU—Staat einzustellen. Dies hängt in erster Linie mit den bürokratischen Hürden zu— sammen - Aufenthaltstitel und Visum - und nicht damit, dass nie— mand in die deutsche Hauptstadt kommen mag. Der Name Berlin zieht weltweit. Die Stadt steht für Kreativität, Weltoffenheit, Frei— räume, ein ausschweifendes Nachtleben, Improvisationsgeist und ist vor allem in der tech—affinen Generation Y beliebt. Viele der weltweiten Millennials 22 - also die Menschen, die nach 1980 geboren wurden und auch gern als Generation Y bezeichnet werden - kön— nen sich vorstellen, für eine gewisse Zeit in der deutschen Haupt— stadt zu leben. Dies ist eine wichtige Vor— aussetzung in der eng— lisch—dominierten Start—up— Branche. Die Einwohner Berlins stammen aus 180 verschiedenen Staaten oder Nationen 23 . Laut einer Studie der Boston Consulting Group ist Deutschland das gefragteste nicht—englischsprachige Land unter ausländischen Fachkräften. Das behauptet auch die Personal— beraterin Constanze Buchheim von I—Potentials, einer Rekrutie— rungsfirma für die Digitalwirtschaft. Berlin sei momentan internati— onal der größte Magnet, „auch wenn das in den USA noch negiert wird“ 24 . Deutschen Start—ups fällt es demnach in der Regel nicht schwer, ausländische Arbeitskräfte für sich zu interessieren. Doch sind diese dann erstmal in Berlin angekommen, könnte man es ihnen nach Meinung vieler deutlich einfacher machen. M—Cube—Chef Jan Dzul— ko erinnert sich an ein Erlebnis aus seinen Zeiten bei Check24, als er eine Inderin einstellen wollte: „Das war ein Spießrutenlauf. Ich musste bei der Ausländerbehörde fast betteln, um sie einstellen zu dürfen.“ Auch Zalando—Geschäftsführer Robert Gentz findet, dass die administrativen Anforderungen an neue Mitarbeiter aus dem Ausland vereinfacht werden könnten. „Es müsste nur an ein paar Schrauben gedreht werden, um eine echte Willkommenskultur zu <?page no="36"?> Kapitel 4. Das A und O - wie kommt man an die besten Leute? › uvk.de 35 Solange sich allerdings die Mit arbeiter in der Berliner Auslän derbehörde weigerten, Englisch zu sprechen, sei es wohl noch ein weiter Weg. schaffen“, meint Florian Nöll vom Bundesverband Deutscher Start— ups. Da könne man auch schnell die USA überholen, wo es sehr schwierig sei, eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Dieser Vorwurf dürfte langsam allerdings nicht mehr aktuell sein. Bereits 2013 begann die Ausländerbehörde, ihre Mitarbeiter nach und nach zu Sprach— kursen zu schicken 25 . „Nun geht es darum, alle Formulare auch auf Eng— lisch anzubieten. Zudem sollten Ter— minvereinbarungen mit den Ämtern auf Englisch möglich sein“, sagt Niklas Veltkamp von der Bitkom—Geschäftsleitung. Trotz der Fortschritte weiß auch der Geschäftsführer von Berlin Partner, Stefan Franzke, dass sich noch einiges tun sollte: „Lange schaute die Ausländerbehör de eher kritisch und hinterfragte, ob derjenige wirklich hier arbeiten oder gründen will. Das ändert sich nun langsam.“ Um das konstruktive Miteinander des Start—up— Nachwuchses und der Ausländerbehörde zu fördern, starteten die Berliner Wirtschaftsförderer ihren so genannten Business—Immigra— tion—Service. Dabei helfen sie Ausländern ganz individuell, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Dafü r gehen sie mit den An— wärtern zusammen aufs Amt oder übersetzen beispielsweise For— mulare. Genau diese Hilfe soll laut Franzke noch ausgebaut wer— den: „Wir etablieren gerade das Berliner Modell. Für eine Arbeits— erlaubnis benötigt ein Investor aus dem Ausland eine entsprechen— de Einschätzung. Wir garantieren, dies innerhalb von 48 Stun den bereitzustellen und stellen uns damit auf das Tempo der Start—ups ein. Lange waren sechs Monate gang und gäbe. Geplant ist zudem, dass Angestellte der Ausländerbehörde direkt ins Ludwig—Erhard— Haus ziehen und damit weitere Wege wegfallen.“ Jetzt müsse sich nur noch rumsprechen, dass Berlin Partner „der Problemlöser“ in so lchen Fällen sein könne, betont Franzke. Neben den Wirtschafts— förderern von Berlin Partner sitzen im Ludwig—Erhard—Haus unter anderem die Börse Berlin, die IHK Berlin und die Technologie— stiftung Berlin. <?page no="37"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 36 › uvk.de Mister—Spex—Geschäftsführer Dirk Graber ist der Meinung, dass sich vor allem etwas bei der Geschwindigkeit tun muss: „Der Ge— nehmigungsprozess nimmt manchmal zwei bis fünf Wochen in Anspruch. Ein guter Bewerber hat in der Zeit längst einen anderen Job gefunden. Das ist dann für alle Seiten ärgerlich.“ Die Personal— chefin von Mister Spex, Danine—Isabelle Garbs, fügt hinzu: „Je nach Land dürfen die Bewerber erst umziehen, wenn eine erste Arbeits— genehmigung vorliegt - was mehrere Monate dauern kann. Eine Auskunft über die verbleibende Wartezeit bekommt man nur schwer, was die Planung erschwert. Die Ausländerbehörde bot uns bisher leider nur Beratungen in deutscher Sprache an und auch sämtliche Unterlagen waren nur auf Deutsch erhältlich.“ Deswegen habe Mister Spex viele Mitarbeiter mit zu den Ämtern begleitet, da sie aufgrund der Sprachbarriere und Bürokratie nicht in der Lage gewesen wären, die erforderlichen Anträge auszufüllen. Garbs betont: „Hier würden wir uns in einer solch multikulturellen, offe— nen Stadt wie Berlin mehr Flexibilität und Unterstützung wün— schen.“ Derzeit wird zumindest daran gearbeitet, immer mehr Unterla— gen aus dem deutschen Formular— und Vorschriften—Dschungel auf Englisch anzubieten. Viele relevante Informationen für aus— ländische Arbeitskräfte bietet das Portal talent—berlin.de. Dort fin— den sich ein Jobportal sowie Beiträge zu den durchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten und der Arbeitsweise von Berliner Un— ternehmen. Der CDU—Wirtschaftsrat und die Boston Consulting Group gehen in ihren Vorschlägen für eine Vereinfachung der Zuwanderung einen Schritt weiter. Sie richten sich dabei vor allem an interessierte aus— ländische Gründer, die ihr Glück auch in Deutschland versuchen wollen. Für diese soll demnach eine zentrale Informationsstelle geschaffen werden, die über notwendige administrative und büro— kratische Schritte aufklärt. Diese Forderung ist zumindest in Berlin <?page no="38"?> Kapitel 4. Das A und O - wie kommt man an die besten Leute? › uvk.de 37 bereits umgesetzt worden. In der Senatsverwaltung für Wirtschaft gibt es einen einheitlichen Ansprechpartner, der alle Genehmi— gungs— und Verwaltungsfragen aufnimmt und beispielsweise die Gewerbeanmeldung regelt. Diese kann auch online beantragt wer— den, auch auf Englisch. Der CDU—Wirtschaftsrat und die Boston Consulting Group emp— fehlen zudem die Vereinfachung der Anerkennung ausländischer B ildungsabschlüsse - eine Maßnahme, die nicht nur Gründern, sondern auch Arbeitnehmern helfen würde. Noch einfacher wäre es aber wohl, wenn die Ausländer, die in Deutschland ihren Universi— tätsabschluss gemacht haben, häufiger hier blieben. Doch diese Akademiker hält nach ihrer für die Gesellschaft kostenintensiven Ausbildung häufig wenig im Land. Zwar ist die Sta tistik recht ver— altet, nämlich von 2009, doch damals blieb lediglich ein Viertel der Akademiker aus Nicht—EU—Staaten nach dem Abschluss in Deutsch— land 26 . „WAR OF TALENT“ Um an die besten Mitarbeiter zu gelangen, müssen Start—ups alle Register ziehen. Denn start—up—erfahrene, gut vernetzte und qualifi— zierte Arbeitskräfte haben gern mal mehrere Eisen im Feuer. Start— ups werben immer häufiger untereinander Mitarbeiter ab, weiß auch die Personalberaterin Constanze Buchheim 27 : „Der Markt wird schwieriger, weil die Kandidaten sich umwerben lassen.“ Shoepassion—Chef Tim Keding hat in seinem Start—up—Alltag fest— gestellt: „Nach Berlin kommen zwar unglaublich viele Talente, aber es gibt auch unglaublich viele Start—ups, die genau nach den glei— chen Leuten Ausschau halten.“ Dies macht es immer zeit aufwendiger, den passenden Kandida— ten zu finden und für sich zu gewinnen. Deswegen will jetzt dabei auch die Politik helfen. Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer dazu: „Investoren sagen mir, einer der Hauptgründe für sie, sich in Berlin zu engagieren, ist der gute Fachkräftemarkt. Das muss unbe— <?page no="39"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 38 › uvk.de Konkurrenz um die besten Leute gibt es demnach zurzeit nur auf deutscher Ebene. dingt so bleiben. Deswegen brauchen und wollen wir gut ausgebil— dete Menschen aus aller Welt hier in Berlin haben.“ Vorteil von Berlin ist laut Dawanda—Geschäftsführerin Claudia Helming, dass man nicht mit englischen oder US—amerikanischen Start—ups um die besten Kräfte buhlt. Denn ganz so mobil sind die Arbeitnehmer laut Helming noch nicht, dass sie entweder einen Job in Deutschland, dem Silicon Valley oder Tel Aviv annehmen. Und Wooga—Chef Jens Begemann ist der Meinung, dass in Berlin leichter gute technische Mitarbeiter als im Silicon Valley gefunden werden können: „In den USA werden die Besten mit gigantischen Gehältern von den Großkonzernen angeworben. Oder sie gründen selbst.“ Um an die Besten heranzukommen, legt sich Wooga ins Zeug und versucht vor allem, ausländischen Arbeitskräften zu Beginn ganz unkonventionell das Leben zu erleichtern. „Da betreiben wir viel Aufwand. Wir haben in Berlin Wohnungen gemietet, in denen jeder neue Mitarbeiter etwa sechs Wochen bleiben kann. Zudem vermitteln wir englischsprachige Makler, die bei der Wohnungssu— che vor Ort helfen. Darüber hinaus haben wir Empfehlungen von Krankenkassen, Banken und Internetprovidern, die Englisch spre— chen. Unsere Personalabteilung hilft bei der Übersetzung von deut— schen Briefen oder Fragen bei Rechtslagen“, fasst Wooga—Chef Jens Begemann zusammen. Seine Firma versuche sich in der Rundumbe— treuung. Mindestens in einem Bereich ähneln die Arbeitnehmer in der Start—up—Branche denen in der herkömmlichen Arbeitswelt in Deutschland. Sie wechseln im Gegensatz zu ihren Kollegen in den USA oder Großbritannien sehr viel seltener den Arbeitgeber. „Die Fluktuation der Talente ist geringer als im Silicon Valley“, findet Stefan Franzke von Berlin Partner. Dies sei ein Wettbewerbsnach— teil. Besser wäre es, wenn ein Arbeitnehmer sich für den Standort Berlin entscheide und dann von Arbeitgeber zu Arbeitgeber ziehe, um sich mehr Wissen anzueignen. Mitarbeiter, die einen solchen Weg gehen, gelten als produktiver und effizienter. Und genau diese <?page no="40"?> Kapitel 4. Das A und O - wie kommt man an die besten Leute? In einer Unternehmensberatung beispielsweise arbeiten die Beschäftigten hart, sind aber nur eine Ressource und werden auch so behandelt. Mitarbeiter will eben jedes Start—up gern für sich gewinnen. Denn sie wissen schließlich genau, worauf sie sich bei einem Start—up einlassen - nämlich meist auf längere Arbeitszeiten, ein höheres Maß an Flexibilität sowie eine geringere Arbeitsplatzsicherheit. „Die Generation Y geht davon aus, dass ihre Motive in einem Start—up am besten gelebt werden könne n. Und das stimmt, weil die Gründer selber Teil dieser Generation sind. Die bauen ihre Unter— nehmen so auf, dass sie ihren eigenen Ansprüchen genügen. Das wollen viele nicht mehr. Sie gehen lieber in Start—up—Unternehmen, in denen sie sich selbst verwirklichen können und als Mensch beha ndelt werden. Das ist im Zweifel wichtiger als 30.000 Euro mehr auf dem Konto“, sagt Personalberaterin Constanze Buchheim von I—Potentials 28 . <?page no="41"?> › uvk.de 40 Da können junge Gründer schnell mal das eigentliche Arbeiten aus dem Auge verlieren. Kapitel 5. Was und wer hilft den Start-ups in Berlin? „Berlin ist gar nicht so schlecht. Berlins größtes Problem ist aber, dass es in Deutschland liegt.“ Nikolas Schriefer, Geschäftsführer des Berliner Start—ups Stagelink Berlin stellt also eine Ausnahme dar, was das Start—up—Leben in Deutschland angeht. Die Szene wächst seit Jahren. In dieser Zeit sind viele Orte und Veranstaltungen entstanden, wo sich Gründer, Investoren und Mitarbeiter treffen und vernetzen können. Neben den Versuchungen, die die Subkultur mit ihren Clubs und Bars darstellt, droht auch Ablenkun gsgefahr seitens der Masse an Events. Christoph Janz vom Angel VC Point Nine rät zu einer Gratwanderung: „Vor allem als Newcomer muss man sich in der Branche verdrahten. Aber Vollzeit netzwerken, ist eben auch zu viel.“ Dass das möglich wäre, zeigt eine Zahl: Allein zu digitalen Themen gibt es mehr als 40 0 Fachveranstaltungen im Jahr 29 . Zalando—Chef Robert Gentz macht die Herausforderung aus, sich nicht zu stark ablenken zu lassen. Wer sich deswegen lieber im Netz als auf Events herumtreibt, wird ebenfalls fündig. Einen Überblick über das, was weltweit in der Start—up—Szene passiert, liefert der zum AOL—Konzern gehörende Blog TechCrunch. In Deutschland be— sc häftigen sich vor allem Gründerszene, Venture Village, deutsche— startups.de, t3n.de, webmagazin.de oder deutschestartups.org mit der Berichterstattung über die Start—up—Branche. Interessante Infor— mationen fern der üblichen News bietet auch die in Berlin lebende US—Amerikanerin Kalie Moore mit ihrem Blog berlinstartup— <?page no="42"?> Kapitel 5. Was und wer hilft den Start-ups in Berlin? › uvk.de 41 girl.com. Weitere Artikel rund um das Thema Start—ups in Berlin lassen sich auf dem Blog Silicon Allee (https: / / medium.com/ @siliconallee) finden. Hilfreiche Tipps für Gründer gibt es bei Grün— derküche (http: / / www.gruenderkueche.de). Im Folgenden wird eine kleine Auswahl der Orte vorgestellt, die in Berlin für Start—upler interessant sein können - vom in Deut sch— land und im Ausland bereits geklonten Betahaus bis zum selbster— nannten Geburtsort der digitalen Bohème in Berlin. Denn obwohl die Büromieten mit nettokalt 12,50 Euro je Quadratmeter im Monat relativ niedrig sind 30 , sind sie ein nicht unerheblicher Kostenfaktor für junge Start—ups. In Coworking—Spaces oder Cafés kann man diese erstmal sparen und zudem noch Impulse von außen holen. Zudem werden einige Veranstaltungen und anderweitige Helfer näher genannt. ORTE BETAHAUS (http: / / www.betahaus.com/ berlin/ ) Das im Januar 2009 am Moritzplatz in Kreuzberg in einer früheren Waschlappenfabrik eröffnete Betahaus bietet auf 2500 Quadratme— tern flexible temporäre Arbeitsplätze. Das erste Start—up, das diese Räumlichkeiten nutzte, war Coffeecircle. Derzeit gibt es rund 300 Plätze. Nicht nur Start—ups in den Kinderschuhen (bis zu einem Jahr) sind im Bet ahaus anzutreffen, sondern auch Autoren, Pro— duktdesigner, Doktoranden, Agenturen sowie Großfirmen. So ha— ben die Deutsche Bahn wie auch der Stahlkonzern Klöckner einen Schreibtisch. „Die Firmenchefs hängen gern bei uns herum. Das finden sie total spannend. Es ist für sie wie auf einem Spielplatz“, sagt Betahaus—Gründerin Madeleine Gummer von Mohl. Di eses Konzept kommt nicht nur in Berlin an, Franchise—Ableger gibt es in Hamburg, Sofia und Barcelona. Dass es jedoch nicht ganz so einfach ist, einen Coworking—Space am Laufen zu halten, weiß auch Gum— mer von Mohl. In Köln musste das Betahaus bereits nach zwei Jah— <?page no="43"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 42 › uvk.de ren schließen, da „wir dort alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann“. Das Betahaus finanziert sich über Mitgliedsbeiträge, Gastrono— mieeinnahmen, Veranstaltungen sowie über Entgelte für Work— shops und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Mitgliedschaft kann jeden Monat gekündigt werden und die normale Büroausstattung mit Drucker und Internet wird gestellt. Die Fluktuation - innerhalb der ersten fünf Jahre zählte das Betahaus bereits mehr als 3000 Mit— glieder - macht viel von der lebendigen quirligen Atmosphäre im Betahaus aus. FACTORY (factoryberlin.com) Die im Juni 2014 mit zweijähriger Verspätung in Berlin Mitte eröff— nete Factory bezeichnet sich selbst als Campus für Gründer. Viele namhafte Start—ups wie Soundcloud, Twitter, Zendesk, Mozilla oder 6Wunderkinder haben dort ihre Berliner Heimat gefunden. Insge— samt umfasst das Gebäude, das früher einmal als Brauerei diente, rund 16.000 Quadratmetern. „Wir bieten Raum und Zeit“, wirbt der Factory—Mitinitiator Simon Schaefer und weiß trotzdem: „Start—ups sind der unmöglichste Mieter, den man haben kann. Wenn es bei ihnen gut läuft, wachsen sie sofort aus den Räumlichkeiten hinaus. Wenn es nicht funktioniert, bekommt man Post vom Insolvenzver— walter.“ Trotz der Unwägbarkeiten hat Schaefer viel mit der Factory vor. So fände er ein Sponsoring durch Großkonzerne wie beispiels— weise Lufthansa interessant, um Factory—Ansässigen zu einer Art Weiterbildungsreise ins Silicon Valley verhelfen zu können. „Das kann ich allein im Moment nicht finanzieren“, verrät Schaefer. AGORA COLLECTIVE (http: / / agoracollective.org) Das Agora Collective in Neukölln ist ein Coworking—Space. Jeder, der in dem fünfstöckigen Gebäude arbeiten will, ist willkommen - von der Einzelperson bis zum Team. Mit den anfallenden Kosten geht Agora transparent um. Ein Tagespass war im Sommer 2014 beispielsweise für 16 Euro zu haben, für einen festen Schreibtisch - <?page no="44"?> Kapitel 5. Was und wer hilft den Start-ups in Berlin? › uvk.de 43 entweder im Ruhebereich oder der etwas lebhafteren Zone - waren monatlich 248 Euro fällig. Neben dem Thema Coworking geht es bei Agora Collective auch um Kunst und Essen, was sich auch in diversen Workshops widerspiegelt. RAINMAKING LOFT (http: / / www.rainmakingloft.com/ berlin/ welcome) Das Rainmaking Loft in Berlin Mitte ist ein weiterer Coworking—Ort, der seit November 2013 existiert und sich hauptsächlich an Tech— Start—ups in der Frühphase richtet. Regelmäßig finden Veranstal— tungen wie das Angelbootcamp statt. Wohl um die Anwesenden daran zu erinnern, dass es auch außerhalb der Start—up—Welt Inte— re ssantes zu entdecken gibt, heißen die Sitzungsräume wie so be— kannte Berliner Clubs wie Berghain oder Salon zur Wilden Renate. Die Idee zum Rainmaking Loft Berlin dazu stammte von den Star— tupbootcamp—Machern. Der Coworking—Space wird von Gründern und Business Angels betrieben und arbeitet eng mit London zu— sammen, wo in Ra inmaking Loft in den St. Katharine Docks resi— diert. Mit London wie auch einem Loft in Kopenhagen wird eng zusammengearbeitet. SOCIAL IMPACT LAB (http: / / socialimpact.eu/ lab) Die Social Impact Labs mit Standorten in Berlin, Hamburg, Frank— furt und Leipzig sind eine Plattform für Gründer, Freiberufler und Unternehmen, die sich auf soziale Ideen konzentrieren. Es gibt Bera— tungen zu Themen wie Unternehmensgründung, Recht und Finan— zierungsfragen sowie Einsteiger—Seminare mit Inhalten zu „Wie gründe ich ein Sozialunternehmen? “. In der Glog auer Straße in Berlin—Kreuzberg findet man Coworking—Arbeitsplätze für Teams von zwei bis drei Personen (http: / / berlin.socialimpactlab.eu/ co— working/ mini—lab—glogauer—strasse). Mit Social Impact Start, An— dersGründer und ChancenNutzer werden verschiedene Förderpro— gramme für Sozialunternehmer angeboten. Die Macherinnen von Original Unverpackt waren beispielsweise auch Stipendiatinnen im Social Impact Lab. <?page no="45"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 44 › uvk.de MOBILESUITE (www2.mobilesuite.de) Mobilsuite ist ein Co—Working—Ort im Prenzlauer Berg. Dort lassen sich Arbeitsplätze oder komplette Büroräume anmieten. Zudem werden Zusatzleistungen wie Konferenzräume, Getränke—Flatrates, vollwertige Geschäftsadressen oder ein persönliches Telefonsekre— tariat angeboten. Bestandskunden erhalten eine Green Card, die als Eintrittskarte zum Gebäude dient. CO.UP (www.co-up.de) Co.Up ist ein weiterer Co—Working—Space in Berlin—Kreuzberg. Auf den 360 Quadratmetern gibt es keine festen Schreibtische. Jeder Co— Worker nimmt sich den Platz, den er haben will und der frei ist. WESERLAND (weserland.net) Das Weserland ist ein Co—Working—Ort in der angesagten Neuköll— ner Weserstraße. Interessierte können entweder an einem eigenen Schreibtisch arbeiten oder dort, wo gerade Platz ist. Über einen persönlichen Zugangscode kann man jederzeit das Gebäude betre— ten. Und für 15 Euro im Monat gibt es eine Kaffee—Flatrate. ST. OBERHOLZ (http: / / www.sanktoberholz.de) Spätestens seit dem 2006 erschienenen Buch „Wir nennen es Arbeit“ von Sascha Lobo und Holm Friebe ist das St. Oberholz Symbol der neuen digitalen Gesellschaft in Berlin geworden. Zwar ist das Res— taurant am Rosenthaler Platz längst nicht mehr der einzige Treff— punkt für digitale Bohème, die irgendetwas mit dem Internet macht . Doch beliebt ist es weiterhin. Direkt über dem Restaurant bietet das St. Oberholz für Mitglieder Coworking—Plätze und einen Konfe— renzraum. Außerdem findet im St. Oberholz unter anderem die Veranstaltungsreihe Startup Grind statt, bei der bekannte Gründer interviewt werden. <?page no="46"?> Kapitel 5. Was und wer hilft den Start-ups in Berlin? › uvk.de 45 EVENTS BERLIN WEB WEEK (berlinwebweek.de) Das einwöchige Festival Berlin Web Week findet jährlich im Mai statt - 2015 in der achten Auflage. Dabei dreht sich alles um Trends der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft. Rund um dieses Thema werden Messen, Konferenzen wie die re: publica, Pitches, Hacka— thons, Matchmaking—Veranstaltungen und Meetups organisiert. 2014 schauten mehr als 18.000 Besucher au s der ganzen Welt vorbei. TECH OPEN AIR (http: / / toaberlin.com) Seit 2012 findet in Berlin im Sommer das mehrtägige Tech Open Air statt. Es versteht sich als Treffpunkt für die Kreativ— und Technolo— giewirtschaft und bietet mehr als 100 Redner auf, die auf Veranstal— tungen, Podiumsdiskussionen oder Ähnlichem auftreten. Der Spaß soll dabei nicht hintenanstehen. Deswegen werden Treffen mit po— tentiellen Wagn iskapitalgebern auch mal als Kennenlernspiel auf— gezogen oder Start—ups duellieren sich beim Tischtennis. STARTUP SAFARY (http: / / berlin.startupsafary.com) Die zweitägige Startup Safary findet seit 2013 ein Mal jährlich statt. Sie bezeichnet sich selbst als Veranstaltung der „offenen Türen“. Teilnehmer sollen die Gelegenheit haben, hinter die Kulissen von Start—ups, Inkubatoren, Acceleratoren, VCs zu schauen und Gründer beziehungsweise Teams zu treffen. Es gibt mehr als 100 einzelne Programmpunkte. Die Teilnahme ist kosten frei, Tickets müssen zu— vor über die Plattform Eventbrite gebucht werden. Die gleichnamige Firma Startup Safary wurde 2012 von Clarissa Steinhövel und Maciek Laskus gegründet. Die Startup Safary ist ein Exportgut und wurde ähnlich bereits in Krakau, Köln, Posen und Athen veranstaltet. LANGE NACHT DER STARTUPS (http: / / www.startupnight.de) Die Lange Nacht der Startups findet einmal jährlich seit 2013 statt und wird von der Deutschen Telekom in Zusammenarbeit mit der <?page no="47"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 46 › uvk.de IHK Berlin, der Investitionsbank Berlin und Berlin Partner für Wirt— schaft und Technologie organisiert. Im September 2014 präsentier— ten sich mehr als 100 Start—ups an zwei Standorten - der Repräsen— tanz der Deutschen Telekom in Berlin und dem Ludwig—Erhard— Haus der IHK - der Öffentlichkeit, aber auch potentiellen Investo— ren. Es gibt ein Musikprogramm und Pitches, wo Gründer ihre Geschäftsideen vorstellen. Der Eintritt kostete 2014 fünf Euro. ONE SPARK BERLIN (https: / / www.onespark.com/ berlin/ 2014) Das zweitägige Crowdfunding—Event One Spark Berlin fand im September 2014 erstmals in Berlin statt. Kreative aus Bereichen wie Musik, Wissenschaft und Technologie konnten vor einem Live— Publikum aus Interessierten, Investoren wie auch Branchenkennern um Unterstützung für ihre Projekte werben. Die Zuhörer entschie— den dann, welches Projekt wie viel Geld aus einem garantierten Fördertopf bekam. Vorbild war das One Spark Event in Jacksonville im US—Bundesstaat Florida mit 260.000 Gästen im Jahr 2014. SPÄTSCHICHT (spaetschicht-event.com) Die Veranstaltungsreihe will Gründern, Investoren und Business Angels die Möglichkeit zum Netzwerken geben. Die Teilnahme erfolgt über persönliche Einladungen. Spätschicht wird von dem Start—up—Blog Gründerszene organisiert und findet regelmäßig ne— ben Berlin auch in Hamburg, München und Köln statt. DEUTSCHE GR ÜNDER- UND UNTERNEHMERTAGE (www.degut.de) Die deGUT ist die vielleicht älteste Veranstaltung für Gründer in Deutschland. 2014 wurde die Messe für Gründer und junges Unter— nehmertum zum 30. Mal ausgerichtet. Bei der deGUT treffen Eper— ten von Banken, Wirtschaftsverbänden und Handelskammern auf Gründer. Es gibt genügend Möglichkeiten zum Netzwerken und zudem kostenlose Seminare und Workshops zu den verschiedenen Unternehmensphasen. <?page no="48"?> Kapitel 5. Was und wer hilft den Start-ups in Berlin? › uvk.de 47 HELFER GEEKETTES (www.geekettes.io) Die Geekettes haben es sich auf die Fahne geschrieben, Frauen in der Technologie—Branche voranzubringen und zu fördern. Dafür organisiert das gleichnamige Start—up Hackathons, um Frauen zu— sammenzubringen und neue Produkte zu kreieren. Darüber hinaus bietet Geekettes Workshops an, um die Teilnehmer aus— und/ oder weiterzubilden und Gespräche, um zu motivieren. Zugle ich gibt es ein Mentorenprogramm, das Gründer mit Tech—Profis zusammen— bringt. Die Geekettes haben sich längst zu einem Exportschlager gemausert und sind neben Berlin auch in anderen Städten wie Lon— don, New York und Maastricht vertreten. GET STARTED (www.getstarted.de) Das ist eine Initiative des Hightech—Verbandes Bitkom, die sich vor allem an junge Gründer wendet und diese mit etablierten Unter— nehmen vernetzen will. Herzstück der Initiative ist die gleichnami— ge Internetseite mit Informationen zu vielen Start—up—Themen. Des Weiteren lädt der Verband zu Veranstaltungen ein und organisiert den Innovators’ Pitc h. Erfüllt man bestimmte Bedingungen, kann man nun gegen eine Mini—Gebühr auch ein nahezu vollwertiges Bitkom—Mitglied werden. Ende 2014 gehörten dem Verband bereits rund 250 Start—ups an. Damit machten Start—ups rund ein Fünftel der Gesamtmitgliederzahl aus. Get Started ist Partner der EU—Initiative Watify, die das digitale Entrepreneurship in dem Verbun d fördern will. SMART START TEAM DER KPMG (www.kpmg.com/ de/ de/ themen/ seiten/ start-up.aspx) Das Smart Start Team der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG berät Gründer bei wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen 31 und gibt konkrete Handlungsanweisungen. Dabei geht es beispielsweise um mögliche Arbeitsverträge, die notwendigen Anmeldungen bei Behörden und die Übernahme der Buchhaltung. Ist das Start—up <?page no="49"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 48 › uvk.de bereits einen Schritt weiter, wird unter anderem bei der Kontakt— aufnahme mit VCs und der Aufbereitung der Finanzdaten vor einer Due Diligence, dem Schutz der Marke oder der Prüfung der Daten— sicherheit der IT—Systeme geholfen. Hat das Start—up bereits ein Produkt am Markt, steht das Smart Start Team bei der Internationa— lisierung, bei Akquisitionen und später auch beim Börsengang zur Seite. „Das Angebot richtet sich vor allem an Start—ups, die schnell global wachsen wollen“, erklärt KPMG—Partner Tim Dümichen. Im Idealfall wolle KPMG beim nächsten Zalando oder Lieferheld von Anfang an als Berater dabei sein. Das Smart Start Team hilft auch bei der Bewerbung um eine För— derung aus dem EU—Programm Horizon 2020. Dieses verfügt über einen Fördertopf im Umfang von 80 Milliarden Euro, die im Zeit— raum von 2014 bis 2020 ausgegeben werden sollen, um die Wettbe— werbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken 32 . An Start— ups und KMUs gehen demnach fast drei Milliarden Euro $ pro Jungfirma werden bis zu 2,5 Millionen Euro ausgezahlt. Bewerbun— gen können über das Teilnehmer—Portal (http: / / ec.europa.eu/ rese arch/ participants/ portal/ desktop/ en/ home.html oder http: / / www.ho rizont 2020.de/ antrag.htm) vorgenommen werden. Die Anträge werden bewertet und evaluiert. Daraufhin erfolgt die Vergabe der Gelder, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Darüber hinaus will sich KPMG auch als Investor etablieren. Da— für hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine globale Beteili— gungstochter gegründet, die nun mit dem Berliner VC Redstone zusammenarbeitet. Dieser ist vor allem in der Startfinanzierung von Start—ups aus Deutschland und Europa aktiv. BERLIN STARTUP CULTURE (www.meetup.com/ Berlin-Startup-Culture-BSC) Das ist eine von Entrepreneuren gegründete Gruppe Berlin Startup Culture, die sich regelmäßig an unterschiedlichen Orten trifft. Die Veranstaltungen sind dazu gedacht, dass Berliner Start—ups vor Publikum pitchen sowie sich über Geschäftsmodelle, die Branche oder Trends austauschen können. <?page no="50"?> › uvk.de 49 Kapitel 6. Berlin auf dem Weg zum Big Player? „Ich bin ein Gründer aus San Francisco. Mein bekanntestes Start— up ist Vimeo, das ich 2004 gründete. Mein neues Unternehmen heißt Elepath, und wir entwickeln Apps für die Produktivität und Spaß. Derzeit konzentrieren wir uns auf die bunte Musik—App namens Keezy. Mein Team und ich verbringen den Juli und Au— gust in Kreuzberg, wir haben verschiedene Apartments und Büro— räume für einen Tapetenwechsel gemietet. Wir haben fantastische Sachen über das Betahaus gehört und würden gern wissen, ob vom 1. Juli bis zum 10. September ein Teamraum verfügbar ist.“ Übersetzter Abschnitt aus einer E—Mail des Vimeo—Mitgründers Jake Lodwick ans Betahaus Berlin gilt weltweit als Anziehungspunkt für Kreative und eben auch als Mekka für Start—ups. Wie diese Mail zeigt, hört man sogar im Silicon Valley viel Gutes von der deutschen Hauptstadt. So viel, dass eben auch ein Jake Lodwick, dessen Gründung Vimeo heute auf rund eine halbe Milliarde Dollar Marktwert geschätzt wird 33 , gern mal länger vorbeischaut. Das ist nur ein Beispiel, wie weit es Berlin schon gebracht hat. Noch vor wenigen Jahren sah alles ganz anders aus. Robert Gentz, Chef der heutigen Vorzeigefirma Zalando, erinnert sich an seine Anfangszeit in Berlin 2008, als es noch gar keine Start—up—Szene gab und si ch vieles „pioniermäßig“ anfühlte: „Damals waren StudiVZ mit 18 Mitarbeitern und Toptarif die Ikonen. Und uns erschien es unerreichbar, ein Unternehmen in dieser Größenordnung aufzu— bauen.“ Da hat Zalando längst den Spieß umgedreht. Der Mode— händler zählte zum Zeitpunkt des Börsengangs, bei dem das Unter— nehmen im Herbst 2014 rund 600 M illionen Euro einsammelte, mehr als 6.000 Mitarbeiter. <?page no="51"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 50 › uvk.de Heute herrschen in Berlin Bedingungen, in denen Start ups gut gedeihen können. Die Wege sind kurz, es gibt funktionie— rende Netzwerke sowie ein großes Ange— bot an Fachkräften, umfangreiche Frei— zeitangebote sowie eine positive internationale Außendarstellung 34 . Eric Wahlforss, Mitgründer von Soundcloud - einem der weltweit bekanntesten Berliner Start—ups - erinnert sich daran, warum sich die Online—Audio—Plattform auf der Suche nach einem Firmensitz im Jahr 2008 für die deutsche Hauptstadt entschied und damit im— mer noch zufrieden ist: „Berlin hatte für mich immer einen be son— deren Reiz, nicht zuletzt weil ich hier in verschiedenen Funktionen gearbeitet habe, bevor ich Soundcloud zusammen mit Alex Ljung gründete. Die Stadt hat ihre ganz eigene Kreativ— und Künstlersze— ne, die sehr unterschiedliche Leute und Talente aus ganz Europa und auch dem Rest der Welt anzieht. Wir nutzen manchmal gern den Ausdruck „P unk meets Tech“ (Punk trifft auf Technologie), um die Art des „Den—Eigenen—Weg—Gehens“ zu beschreiben, der hier heute immer noch anzutreffen ist. Das ist ein großer Teil dessen, was Berlin von anderen Start—up—Orten unterscheidet, nämlich ein zentralisierter Kreativitäts—Hub, wo Technologie auf Kunst trifft. Zudem is t es hier trotz einer hohen Lebensqualität weiterhin deut— lich günstiger als in anderen europäischen Hauptstädten, was das Anwerben von Talenten einfacher macht.“ Letzteres führt auch der aus Schweden stammende Chef und Mitgründer von Delivery He— ro, Niklas Östberg, an, wenn er gefragt wird, warum es ihn nach Berlin verschlug: „M an findet leichter und günstiger Leute, die wirklich Lust haben, von Beginn an beim Abenteuer Gründung dabei zu sein. Auch wenn es vielleicht am Anfang nicht ganz so gut bezahlt ist.“ Die Möglichkeit, gute Mitarbeiter zu finden, ist nur Grund, wa— rum Berlin international so in der Gründerszene ankommt. Nie— ma ndem fällt es schwer, Positives über die Stadt zu sagen. „Man ist mal schnell in Berlin und kann Dinge schneller vorantreiben. Die Stadt ist einfach für vieles ein Knotenpunkt“, sagt die inhaltliche Leiterin von Startnext, Anna Theil. Für Guido Sandler von Bergfürst <?page no="52"?> Kapitel 6. Berlin auf dem Weg zum Big Player? › uvk.de 51 bringt Berlin „die besten Voraussetzungen“ für eine Start—up— Hochburg mit sich, da die Stadt wie ein Start—up einen permanenten Veränderungsprozess durchlaufe. Städte wie Hamburg oder Mün— chen seien schon gesättigt und Berlin eben noch nicht. „Nur hier gibt es Dynamik, Aufbruch, Veränderung.“ Der Bonner Investor Thelen ist überzeugt davon, da ss die deut— sche Branche nur vorangebracht werden kann, wenn sie sich auf Berlin konzentriert. Markig betont er: „Alles andere ist bescheuert.“ Vor allem eben für die digitale Wirtschaft macht die Konzentrati— on auf Berlin Sinn. Das hat auch kommunikatorische Vorteile. Start— up—Hochburgen beziehen sich eigentlich immer auf einen be— sc hränkten Raum und nicht auf ein ganzes Land. „Es heißt nicht Silicon Valley, Tel Aviv und Deutschland, sondern Silicon Valley, Tel Aviv und Berlin“, sagt Florian Nöll vom Bundesverband Deut— scher Startups. Durch die Fokussierung ergeben sich positive Effekte, die weitere Gründer anziehen. Die IBB—Studie „Digitale Wirtschaft - Standort— an alyse im Städtevergleich“ 35 fasst zusammen: „Die Gründungsak— tivität in Berlin profitiert von den städtischen Agglomerationseffek— ten. Hier sind die Entfernungen vergleichsweise gering und es sind große Absatzmärkte vorhanden. Die Internetgründer können in der Hauptstadt Mitarbeiter mit den gesuchten speziellen Qualifikati— onsanforderungen finden. Hinzu kommt die räumliche Konzentra— tion von Unternehmen, die die Übertragung von Wi ssen zwischen Gründungen, aber auch den Austausch in den technologieorientier— ten Clustern mit anderen Unternehmen erleichtert.“ KPMG—Partner Tim Dümichen findet es wichtig, dass Berlin als wesentlicher Hub für das Start—up—Geschehen in Deutschland wahrgenommen und gefördert wird: „Clustereffekte spielen eine große Rolle für das Entstehen und funktionieren von Ökos ystemen. Ich bin deshalb überzeugt davon, dass Berlin als Leuchtturm, eine Vorreiterrolle für das gesamte deutsche Start Up—Ökosystem spielen kann.“ Für Jörg Goschin von Alstin ist Berlin in Deutschland die unum— strittene Nummer eins: „Hier finden Gründer die besten Bedingun— gen, um sich anzusiedeln.“ Die Stadt sei zum Epizentrum für <?page no="53"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 52 › uvk.de Gründungen in Deutschland geworden und werde dies auch immer mehr für Europa, meint Shoepassion—Gründer Tim Keding. Martin Elwert von Coffeecircle zog es 2009 zur Gründung seines Start—ups in die Hauptstadt: „Wir hatten einfach Lust auf Berlin. Hinzu kam, dass man hier neue Ideen viel besser platzieren kann als in Mün— chen oder Hamburg.“ Madeleine Gummer von Mohl, Mitgründerin des Betahauses, macht einen weiteren Vorteil aus: „Durch die Schnelllebigkeit in Berlin kann man Dinge leichter ausprobieren und Fehler werden schneller vergessen und vielleicht auch verzie— hen als in anderen Städten.“ Zugleich die Touristen sind für viele Start—ups ein Vorteil. Schließlich erhöht sich die Zahl der potenziellen Neukunden durch sie ungemein. Lernt ein Tourist ein Geschäft in Berlin psychisch kennen und schätzen, bestellt er vielleicht über den Online—Shop ein zweites Mal und wird zum Stammkunden. „Das ist ein wichtiger Standortfaktor“, sagt die Mitgründerin von Original Unverpackt, Milena Glimbovski. Laut Statistikamt kamen 2013 11,3 Millionen Touristen in die Hauptstadt. Tendenz steigend, trotz weiterhin unfertigem Großstadtflughafen. GUTES ERHALTEN Trotz allen Lobes sind immer mehr besorgt, dass sich die Metropole bei ihrer rasanten Entwicklung zu Ungunsten der Start—ups verän— dern könnte. KPMG—Partner Tim Dümichen betont, man müsse alles dafür tun, dass Berlin weiterhin so attraktiv bleibt. Und dabei sind seiner Meinung nach alle gefragt: „Der Spielraum für die lokale Wirtschaftsförderungspolitik ist begrenzt. Es fehlt oft der direkte Draht von der Landespolitik in die Bundespolitik. Da herrscht eine zu große Sprachlosigkeit zwischen den Akteuren, obwohl alles in einer Stadt stattfindet.“ Dass alle miteinander kommunizieren und letztlich an einem Strang ziehen, ist nach Einschätzung vieler Experten lebenswichtig. „Start—ups sind eine der stärksten Triebfedern der wirtschaftlichen Entwicklung und insofern mitentscheidend, ob Deutschland in 20 <?page no="54"?> Kapitel 6. Berlin auf dem Weg zum Big Player? › uvk.de 53 Jahren weiterhin zu den weltweit größten Exporteuren gehört“, sagt Maria Konew von der IHK Berlin. Es gehe um Innovation und da— mit um einen wichtigen Faktor für die künftige Wirtschaftskraft. Laut Stephan Hoffmann von der IBB hat die Hauptstadt in den vergangenen Jahren eine „extrem erfreuliche wirtschaftliche Ent— wicklung“ erlebt. Doch Hoffmann sorgt sich, dass dies bald ein Ende haben könnte: „Nun muss alles daran gesetzt werden, das die günstigen Lebensbedingungen, bezahlbaren Gewerbemieten und die Vielzahl von leistungsfähigen Hochschulen und wissenschaftli— chen Einrichtungen aufrechterhalten bleiben.“ Vor allem der Immobilienmarkt droht zur Belastung zu werden. Die Mietpreise stiegen in Berlin zuletzt schneller als im Rest Deutschlands. Und um zentrale und bezahlbare Büroräume ist in der jüngsten Vergangenheit ein regelrechter Wettlauf ausgebrochen. Dies hat auch der Online—Versandanbieter für Brillen und Kontakt— linsen, Mister Spex, feststellen müssen. „Die Suche nach einem neu— em Hauptsitz in Berlin zieht sich in die Länge“, sagt Geschäftsfüh— rer Dirk Graber. An kalifornische Verhältnisse wird Berlin aber wohl so schnell nicht heranreichen. Laut einer Erhebung des Immo— bilien—Dienstleisters CBRE—Gruppe stiegen die Mietpreise für Ge— schäftsräume in San Francisco in den ersten neun Monaten 2014 um zehn Prozent. CBRE schätzt, dass die Mieten in der Metropole an der Westküste Ende 2015 höher als in Manhattan sein könnten. Ob sich aus den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten allerdings jemals ein Wettbewerbsnachteil für die USA entwickelt, bezweifelt Business Angel Christian Vollmann: „Schließlich kostet im Silicon Valley nicht einfach alles mehr, sondern die Leute verdienen auch mehr. Am Ende gleicht sich das aus.“ In der Metropolregion Berlin fehlt es zumindest nicht an Platz, was langfristig eine Preisexplosion bei den Gewerbemieten wohl auch verhindern wird. Doch da Start—ups und ihre Mitarbeiter am Puls der Zeit sein wollen und vom kreativen und kulturellen Ange— bot einer Stadt wie Berlin profitieren wollen, zieht es sie eben ins Zentrum. Aber da wird es langsam eng. Zwar stehen in der Haupt— stadt zehn Technologieparks und acht Gründerzentren zur Verfü— <?page no="55"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 54 › uvk.de Es geht darum, städteplanerisch aktiv zu werden und Räume für Startups in der Stadtmitte zu besetzen. gung, doch liegen diese teils in äußeren Stadtgebieten wie Marzahn oder Buch. Nicht jede Jungfirma will ihre Mitarbeiter täglich dort— hin lotsen. MEHR ALS NUR BEWAHREN Letztlich geht es natürlich nicht nur darum, alle positiven Attribute der Stadt zu bewahren, sondern auch Fortschritte in Bereichen zu erzielen, in denen es Nachholbedarf gibt. Die Probleme sind längst bekannt. So wird es langfristig auch für die Start—up—Branche eine Rolle spielen, ob und eben wann die ersten Flugzeuge von der Roll— bahn des Großflughafens Berlin—Brandenburg aufsteigen. Start—ups müssen noch stärker in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Dafür kann es sich lohnen, junge Un— ternehmer besser mit der Politik, aber eben auch mit Hochschuleinrichtungen und Schulen zu vernetzen, um das Miteinander zu verstärken. Zu— gleich gilt es, Aktivitäten zu bündeln und die Zahl der Ansprech— partner zu minimieren. Dass es sich lohnt, gute Bedingungen für Start—ups zu kreieren, zeigt der simple Fakt, dass sie Arbeitsplätze schaffen. Aus dem KMU—Report 2014 36 der IBB geht hervor, dass sehr junge Firmen deutlich häufiger einstellen als andere. Zwei Drittel der befragten Unternehmen, die kürzer als drei Jahre am Markt sind, haben demnach Personal aufgestockt. Der Startup Monitor 2014 ergab, dass im Schnitt die Gründer, die Neueinstellungen planen, in den kommenden zwölf Monaten etwa zehn Mitarbeiter einstel— len wollen 37 . Angesichts einer Arbeitslosenquote in Berlin, die sich um eine Marke von elf Prozent 38 eingependelt hat und damit zu den höchsten in der Republik gehört, kann so ein Jobmotor nur gelegen kommen. Laut der Erhebung beschäftigen Berliner Start— ups in der Regel sehr viel mehr Mitarbeiter als in anderen deut— <?page no="56"?> Kapitel 6. Berlin auf dem Weg zum Big Player? › uvk.de 55 Um diesen Vorsprung zu erhalten, will auch die Politik aktiv werden. schen Städten. Während es in der Hauptstadt im Schnitt 23,2 An— gestellte sind, liegt der deutschlandweite Durchschnitt bei 16,8 Mitarbeitern 39 . Auch dadurch bekommt die digitale Wirtschaft immer mehr Gewicht. In Berlin wurde seit 2008 jeder achte neue Job in einem Unternehmen geschaffen, der in diesem Sektor aktiv ist. Alles in allem war die digitale Wirtschaft 2013 Arbeitgeber für 58.692 Beschäftigte. In keiner anderen deutschen Stadt arbeiten mehr Menschen in diesem Wirtschaftsbereich 40 . Der Digitalsektor ist mittlerweile zu einem relevanten Wirtschafts— faktor herangewachsen. Die Bruttowertschöpfung der gesamten Internetwirtschaft erreicht mit 3,9 Milliarden Euro einen Anteil von 4,2 Prozent an der gesamten Berliner Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Das Berliner Baugewerbe erzielt lediglich eine Wirt— schaftsleistung von rund 3,3 Milliarden Euro 41 . Auch im deutsch— landweiten Vergleich liegen die Berliner Start—ups vorn. Sie erlösen im Schnitt mehr um als ihre Konkurrenten in anderen Regionen. Dies geht aus dem Deutschen Startup Monitor 2014 hervor 42 . „Berlin liegt deutschlandweit an der Spitze, wenn es um Investitionen privater Geldgeber in junge Unternehmen geht. Bei VC—Trans— aktionen in der Digitalwirtschaft liegt Berlin europaweit auf Platz 2. Doch der Bedarf an Wagniskapital wächst weiter. Als Bundesland setzt sich Berlin im Bundesrat für bessere steuerliche Rahmenbe— dingungen für Wagniskapital in Deutschland ein. Und wir werben weltweit bei den Venture Capital—Gesellschaften für ihr Engage— ment in Berlin. Denn Investitionen in Unternehmen in unserer Stadt zahlen sich aus“, erklärt Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer. Es gilt, das Momentum zu nutzen und auszubauen. „Das Silicon Valley ist nicht über Nacht entstanden, sondern das gibt es seit 40, 50 Jahren. Man wird sehen, ob Berlin sich so wie das Silicon Valley entwickelt. Noch befindet sich die Stadt in der Frühphase, ist selbst noch ein Start—up. In zehn bis 20 Jahren weiß man mehr. Ich glaube, <?page no="57"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 56 › uvk.de „Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch sind vor handen. Ob SpaghettiSauce entsteht, wird sich zeigen. Es muss alles noch ein wenig kochen und dabei nicht anbrennen.“ dass die Chancen sehr gut stehen“, sagt LinkedIn—Mitgründer Kon— stantin Guericke. Er vergleicht die derzeitige Situation in Berlin mit Pasta. Sicherer, was den dau— erhaften Erfolg angeht, ist sich da schon Chris— tian Segal, Leiter des Kompentenzcenters Gründung bei der Berliner Sparkasse: „Allein die Qualität der Hochschulen und die Attraktivität des Standortes Berlin werden dafür sorgen, dass Berlin eine Start—up—Hochburg bleibt.“ Für Christoph Janz vom Angel VC Point Nine ist es defini— tiv noch zu früh, um Bilanz zu ziehen: „Berlin braucht einfach noch Zeit. Es gibt erst seit wenigen Jahren eine Start—up—Szene und Ver— gleiche mit dem Silicon Valley führen uns nicht weiter. Hier kann ein gutes Ökosystem entstehen, ohne ein zweites Silicon Valley aufzubauen.“ Es sei einfach unrealistisch, dass überhaupt irgend— wann ein anderer Standort das Silicon Valley jemals vom Start—up— Sockel stößt. Das funktioniere „einfach zu gut“ und befinde sich „nicht auf dem absteigenden Ast“. Gründer Gabriel Yoran gibt zu bedenken, dass es möglicherweise gar nicht um Berlin geht: „Dieser Orts—Fetischismus in einer Branche, die Ortlosigkeit predigt, ist absurd. Der Genius Loci wird überschätzt. Im St. Oberholz komme ich auch nicht auf eine bessere Idee als wenn ich zu Hause oder auf der grünen Wiese sitze.“ NUN WILL GANZ EUROPA DEM SILICON VALLEY KON- KURRENZ MACHEN Angesichts des steigenden Stellenwertes von Start—ups für Volks— wirtschaften hat auch die EU—Kommission das Thema für sich ent— deckt. Sie will Hightech—Giganten in Europa sehen, die hier gegrün— det und gewachsen sind und auch bleiben. Deswegen startet die Kommission 2014 eine Initiative mit dem Namen Startup Europe Partnership (SEP). Ihr Ziel ist, europäische Start—ups besser mit Großkonzernen zu vernetzen. Dafür gibt es nun eine integrierte <?page no="58"?> Kapitel 6. Berlin auf dem Weg zum Big Player? › uvk.de 57 Plattform, wo beide Seiten zueinander finden können. Sie soll einen Austausch ermöglichen, beispielsweise in Form von Produkt— oder Dienstleistungskäufen, und soll strategische Investitionen oder eben auch Akquisitionen erleichtern, heißt es auf der Internetseite 43 . Zu— dem sammelt die SEP—Initiative Informationen über den europäi— schen Start—up—Markt. Dabei konzentriert sich SEP auf die so ge— nannten Scaleups. Nach Definition der Initiative sind dies Start—ups, die in den ver— gangenen drei Jahren zwischen 500.000 Dollar und 100 Millionen Dollar über Investoren aufgenommen haben oder eigenfinanziert sind und einen Umsatz in dieser Spanne aufweisen. Laut einer im November 2014 veröffentlichten, vorläufigen Studie über Start— ups innerhalb der Informations— und Kommunikationstechnolo— gie haben Großbritannien und Berlin ihren Status als „Mekka und Wiege“ der Scaleups innerhalb Europas verfestigt 44 . Ein Viertel der Scaleups haben demnach ihren Sitz in Großbritanni— en, hauptsächlich in London, und 15 Prozent in Berlin. Das erfolg— reichste Start—up bei der Kapitalaufnahme stellt dabei mit Delivery Hero die deutsche Hauptstadt. Seit seiner Gründung bis Anfang 2015 sammelte der Online—Bestelldienst mehr als eine Milliarde Dollar bei Investoren ein. Dies sei nicht leicht gewesen, betont De— livery—Hero—Chef Niklas Östberg. „Berlin ist immer noch ganz weit von den USA entfernt, was den Zugang zu Kapital angeht. Vor allem, wenn es um Finanzierungsrunden ab einer Summe von fünf Millionen Euro geht. Und dann fehlt manchmal auch die Ambition. Im Moment ist doch jeder zufrieden, wenn hier ein Unternehmen mit einem Umsatz von 100 Millionen Euro entsteht. In den USA würde man sich damit nicht zufriedengeben.“ „Think big“ ist dort das Motto - und zwar in der Regel von An— fang an. „Vor allem im Internet profitiert man von dieser Einstel— lung. Besonders dort muss man erstmal den Markt erobern und besetzen, da der Branchenprimus allein das Geschehen bestimmt. <?page no="59"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 58 › uvk.de Weltweit gilt ein Firmensitz im Silicon Valley in der Startup Szene immer noch als Non plusultra. Erst danach geht es um die Monetarisierung“, sagt Business Angel Christian Vollmann. US—Investoren hätten das verstanden und gä— ben einem Start—up dafür fünf bis sechs Jahre Zeit. In Deutschland wollten alle spätestens nach drei Jahren Umsatz sehen. Mehr Ge— duld und mehr Geld wären also hilfreich, meint Vollmann. Und möglicherweise auch größere Ambitionen der Start—ups. „Es gibt wenige Unternehmen, die in Berlin eine klare und große Vision haben“, findet Zalando—Geschäftsführer Robert Gentz. DER BERLINER MARKT LOCKT Doch für viele Unternehmen aus der digitalen Wirtschaft macht es eben auch Sinn, ihren Fuß im deutschen beziehungsweise Berliner Markt zu haben. „Berlin gilt in Deutschland wie auch in Europa als Dreh— und Angelpunkt für die Start—up—Branche und hat längst London überholt“, sagt die Kommunikationschefin des Tech Open Air Berlin, Kerstin Bock. Allerdings ist der deutsche Markt aufgrund von Sprachbarrieren, rechtlichen Herausforderun— gen und anderer Kundeninteressen nicht so leicht zu erobern wie beispielsweise das britische Pendant. Dieser Schwierigkeiten will sich Bock zusammen mit ihren Mitstreitern beim jährlichen Tech Open Air Berlin, Nikolas Woischnik und Carolin Lessoued, anneh— men und gründet dafür das Start—up Openers. „Wir wollen auslän— dischen Start—ups den Markteintritt in Deutschland erleichtern und sie beispielsweise beim Produktlaunch unterstützen“, sagt Bock, die Openers als Dienstleistungs—Allrounder bezeichnet. Häufig würden die Barrieren, Veränderungsnotwendigkeiten und auch die kultu— rellen Unterschiede von den Start—ups aus dem Ausland unter— schätzt. „Viele Start—ups bringen wir erstmal auf den Boden der Tatsachen zurück. Wir müssen unter anderem erklären, dass der Unterschied in Deutschland zwischen den Early—Adopters und dem Otto—Normalverbraucher viel größer ist als in den USA. Es sei manchmal schwierig, Produkte über die technikaffine Start—up— <?page no="60"?> Kapitel 6. Berlin auf dem Weg zum Big Player? › uvk.de 59 Trotz der diversen Aufgaben, die mit dem Markteintritt erledigt werden müssen, wimmelt es in Deutschland und Berlin nur so vor ausländischen Startups. Szene hinaus zu vertreiben.“ Dies bestätigt auch Stagelink— Geschäftsführer Nikolas Schriefer: „In den USA sind mehr Leute bereit, als Test—Kaninchen zu fungieren.“ Die Macher von Openers berieten auch die US—Veranstaltungs— plattform Eventbrite beim Markteintritt in Deutschland. Da hätten sie beispielsweise festgestellt, dass Eventbrite bei seinen Online— Bezahlmöglichkeiten kein Lastschriftverfahren im Angebot habe, was in Deutschland jedoch von den Kunden stark nachgefragt wer— de. „Wir sind davon überzeugt, dass sich Firmen bevor sie im Markt aktiv werden, mit Partnern vor Ort kurzschließen sollten, die sich dort auskennen. Wir sind dabei eine Möglichkeit“, meint Bock. Die Anfragen der Start—ups reichten bisher von einer simplen Überset— zung bis zu einer Standortanalyse. Häufig gehe es auch um Rechts— fragen. US—Start—ups, die in Deutschland ein weiteres Standbein anpeilen, wie auch US—Geldgeber, die hier investieren wollen, müs— sen zunächst den hiesigen Rechtsrahmen verstehen. Dies bedeutet eine zusätzliche Anstrengung, die häufig mit Kosten verbunden ist 45 . Die bekanntesten Unternehmen haben durchweg eine Niederlassung in der Hauptstadt. Dazu gehören unter an— derem Google, Facebook, Twitter, Microsoft. Diese US—Großkonzerne haben sich hier niedergelassen, weil Berlin größte deutsche Stadt ist und die Nutzerzahlen ihrer Dienste hier entsprechend am höchsten sind. Zudem sind sie in Berlin nah an der Politik und können Lobbyarbeit betreiben. Doch am meisten reizt sie der Austausch mit den hiesigen Start—ups. Dafür hat bei— spielsweise Microsoft sein Café Digital Eatery im Erdgeschoss sei— nes Berlin—Sitzes integriert, in dem auch Workshops und Treffen stattfinden. Wooga—Chef Jens Begemann ist der Meinung, dass letztlich das große Ganze zählt: „Ein Start—up—Hub ist ein sich selbstverstärken— der Kreislauf. Man benötigt Gründer mit Ideen, Kapital und Mitar— beiter. In Berlin gibt es inzwischen mehr Gründer, da es eben mehr <?page no="61"?> Teil 1 Berlin, Halleluja, Berlin 60 › uvk.de Start—ups gibt und deswegen mehr Leute auf die Idee kommen, ebenfalls zu gründen. Es fließt mehr Kapital durch vorangegange— nen Erfolg. Zudem gibt es mehr geeignete Mitarbeiter, da es mehr Mitarbeiter gibt, die schon mal bei einem Start—up beschäftigt wa— ren. Das hat eine Sogwirkung“, sagt Wooga—Chef Jens Begemann. Deswegen werde Berlin innerhalb Deutschlands und Europas im— mer wichtiger werden. Und für diejenigen, die von Anfang dabei waren - wie nämlich Zalando, Rocket und auch Wooga - stellen sich langsam ganz andere Fragen. „Wie erhalte ich die Unterneh— menskultur? Wie hält man die Eigenverantwortung der Mitarbeiter hoch? Wie verhindert man Bürokratie? “, nennt Begemann die neu— en Herausforderungen, die eben auch zeigen, dass der Berliner Start—up—Markt immer erwachsener wird. Nun geht es langfristig darum, die Firma „lebendig, frisch, jung, motiviert“ zu halten. Zalando—Chef Robert Gentz rät: „Wir haben uns immer Aufgaben gestellt, die uns motiviert haben, aber die auch erreichbar erschie— nen.“ Wichtig für Zalando sei gewesen, dass man sich die Gründer— kultur auch während der extremen Wachstumszeiten bis heute erhalten habe. Den Start—up—Charakter möchte sich eben jede Firma gern be— wahren - egal, ob sie Facebook, Google oder Soundcloud, Delivery Hero und Wooga heißt. <?page no="62"?> › uvk.de 61 Teil 2 Und immer geht es ums Geld <?page no="63"?> › uvk.de 62 Fast ein Drittel fragt zudem „Family and Friends“ um Hilfe bei der Finanzierung. „Für ein Start—up ist die Zeit nach einer Finanzierung auch immer die Zeit vor der Finanzierung.“ Panono—Gründer Jonas Pfeil Bei der Gründung eines Unternehmens dreht sich fast alles um die Finanzierung. Natürlich steht ganz zu Beginn erstmal die Geschäfts— idee, doch gleich danach drängt sich das Thema Geld auf. Denn ohne lässt sich die genialste Idee für ein neues Produkt oder eine Dienstleistung nicht umsetzen. Selbst wenn ein Unternehmen schon eine Weile am Markt ist, muss sich der Gründer immer wieder mit Finanzierungsfragen beschäftigen. Schließlich benötigt man ständig frisches Kapital, sei es für die Expansion in neue Länder oder die Verbreiterung des Geschäftsmodells. Generell gilt, dass von der Idee über die Seed—, Early—Stage— bis zur Wachstumsphase die Fir— menentwicklung immer auch davon abhängig ist, wie viel Geld das Unternehmen in der Hinterhand hat. Dabei kommen Gründer mit ganz unterschiedlichen Kapitalquellen in Berührung. Laut Deut— schem Startup Monitor 2014 räumen sie zunächst besonders häufig (82,5 Prozent) ihre eigenen Konten leer. Fast genauso häufig kommen öf— fentliche Fördermittel und Business Angels zum Zuge. Auf Wagniskapi— tal greifen mehr als ein Fünftel der Gründer zurück. Etwa zehn Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen Inkubatoren und Bank— darlehen finanziell halfen 46 . Häufigste Wachstumsbremse ist laut KMU—Report 2014 47 der In— vestitionsbank Berlin Brandenburg der fehlende Zugang zu Bank— darlehen. Erst dahinter kommt der Fachkräftemangel. Dritthäufigs— tes Hemmnis ist dann auch schon das fehlende Wagniskapital. „Im Gegensatz zu Mark Zuckerberg kann sich ein Gründer hier nicht mal eben zum Frühstück mit Sequoia Capital treffen“, sagt Moeini mit Verweis auf die beschränkte Auswahl an VCs in Deutschland. Fest steht, dass deutsche Start—ups den britischen und <?page no="64"?> Kapitel 6. Berlin auf dem Weg zum Big Player? „Der wichtigste Faktor ist Glück.“ vor allem den amerikanischen bei der Kapitalaufnahme weit hin— terherhinken. Schwierigkeiten bei der Finanzierung gibt es insbe— sondere in der Wachstumsphase, also wenn es darum geht, ob eine Firma wirklich in Fahrt kommen kann. Gabriel Yoran, Chef der Sicherheits—Softwarefirma Steganos und Mitgründer des mittlerwei— le abgewickelten sozialen Netzwerks aka—aki, meint ernüchtert: „Im Gegensat z zu Unternehmen mit messbaren Zahlen bekommen ‚Three guys and a prototype‘ häufig ohne Probleme eine Anfangsfi— nanzierung. Wenn du nichts hast, dreht die Fantasie aller Beteiligten am Rad. Spätestens, wenn das Geschäft dann konkret und mühsam wird, kann sich der Investor allerdings nicht mehr so leicht einre— den, dass die se Firma das nächste, ganz große Ding wird.“ Beim Werben um Finanzpartner gilt es, einiges zu beachten. KPMG—Partner Tim Dümichen findet, dass sich ein Start—up genau über zwei Sachen im Klaren sein muss, wenn es über Finanzie— rungs— und Förderwege nachdenkt: „Der Gründer muss wissen, wo se ine Stärken und Schwächen liegen und welche Art von Kapital— bedarf er hat.“ Dann sollte er sich mit anderen Gründern austau— schen. Danach sei vielleicht schon klar, welcher Weg eingeschlagen werden müsse. Letztlich gehe es auch immer darum, nicht zu viel Zeit zu vertrödeln. Neben aller gebotenen Ernsthaftigkeit und Ziel— strebigkeit, soll te man sich laut Dirk Graber, Geschäftsführer von Mister Spex, auch ein bisschen locker machen: „Bei jeder Finanzie— rungsrunde benötigt man auch ein Quentchen Glück, damit sie zustandekommt.“ Auch Wooga—Chef Jens Begemann meint, dass Gründer ihren Erfolg nicht kom— plett selbst in der Hand haben: <?page no="65"?> › uvk.de 64 Kapitel 7. Die erste Adresse: Family, Friends and Fools „Gründen ist eine Achterbahnfahrt, und man sollte immer wis— sen, an welcher Stelle man sich gerade befindet. Wenn man ganz unten ist, ist es ein guter Zeitpunkt, die Finanzplanung zu ma— chen, weil die dann nicht in den Wolken schwebt. Und wenn man ganz oben ist, sollte man seine Investoren anrufen und ihnen er— zählen, wie toll alles wird.“ Steganos—Mitgründer Gabriel Yoran unter Berufung auf den US—Unternehmer Cameron Herold Im Idealfall muss ein Gründer vielleicht nie in Pitch—Runden mit anderen um die Gunst der Investoren buhlen oder auf diversen Start—up—Events zwanghaft Kontakte knüpfen und dabei auch noch Schlange stehen. Dies bleibt ihm allerdings wohl nur erspart, wenn er andere Geldquellen aufgetan hat und dank eigener Ersparnisse und der großen drei F’s na mens „Family, Friends and FoolsK (Fami— lie, Freunde und Verrückte) nicht auf Ochsentour gehen muss. Dann könnte es gelingen, den Traum vom florierenden Unter— nehmen zunächst ohne Banken, Business Angels oder Staat umzu— setzen. Dies kommt gar nicht so selten vor, wie es angesichts der hohen notwendigen Summen zu vermuten wäre. La ut KfW— Gründungsmonitor 2014 48 konnte rund ein Drittel der Gründer ganz auf externe Finanzmittel verzichten. Von den übrigen griffen etwa zwei Drittel auf die eigenen Reserven zurück und damit rund jeder fünfte Gründer. Bei der Studie wurden allerdings Gründer, die später ausschließlich von der Firmengründung leben wollten mit „Teilzeit“—Gründern zusammengeworfen. Zudem geht es eben nicht explizit um St art—ups, wo der Finanzbedarf doch deutlich höher ist als bei einem Handwerker, der sich selbstständig macht. <?page no="66"?> Kapitel 7. Die erste Adresse: Family, Friends and Fools › uvk.de 65 Die Zahlen des jüngsten Deutschen Startup Monitor fallen dann auch etwas anders aus. Demnach kamen 12,5 Prozent der Berliner Gründer zunächst komplett mit ihren eigenen Ersparnissen aus. Vier von fünf Befragten bezeichneten die eigenen Finanzmittel so— gar als wichtigste Kapitalquelle, mit großen Abstand gefolgt von Geldern, die Familie und Freunde bereitstellten 49 . „Es geht darum, alle Ressourcen zu nutzen, die bereits existieren“, sagt Darius Moei— ni von der Start—up—Beratungsfirma Berlin Startup Consulting. Da— bei müsse es sich nicht immer nur ums Geld handeln, sondern es gehe auch um die Arbeitskraft, die zunächst unentgeltlich zur Ver— fügung gestellt werde. So definiert sich auch der in der Start—up— Szene beliebte Begriff des Bootstrappings, was du deutsche bedeu— tet „sich die Schuhe enger schnüren“ oder „sich aus eigener Kraft hocharbeiten“ 50 . Der Gründer greift nur auf seine eigenen oder die Ersparnisse von Familienmitgliedern und Freunden zurück und nutzt maximal noch die Einnahmen aus einem bereits bestehenden Geschäft. So muss man für lange Zeit keine Firmenanteile abgeben und bleibt sein eigener Herr im Haus. Dies wollte Mitgründer Tim Keding vom Start—up Shoepassion unbedingt: „Mein Partner und ich haben anfangs viel eigenes Geld in unsere Idee investiert und natürlich auch die drei F´s angezapft: Friends, Family and Fools - die wollen zwar ihr Geld auch wieder, aber nicht gleich Anteile am Unternehmen. Ich wollte mir nie rein— reden lassen und nur meine Idealvorstellung verwirklichen. Und das geht eigentlich nur, wenn man 100 Prozent seiner Firma hält. Wenn du Anteile abgibst, dann musst du dir für Ausgaben ab 50.000 Euro das Einverständnis der Investoren holen und jede Ent— scheidung vor denen rechtfertigen - das kam für mich nicht in Fra— ge und deswegen war es für mich immer das Worst—Case—Szenario, einen Investor ins Unternehmen zu holen. Für mich ist Shoepassion eine Herzensangelegenheit, schließlich hatte ich immer mehr Schu— he als meine Ex—Freundinnen. Bei meinem Start—up wollte ich von Anfang an alles richtig machen und lieber gesund als zu schnell wachsen soll. Bei uns ist alles auf Langfristigkeit und Selbstverwirk— lichung ausgelegt.“ Später habe man auf Bankkredite zurückgegrif— <?page no="67"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 66 › uvk.de fen. Keding empfiehlt jedem Gründer, auch mal zu überlegen, ob er es ohne Investorengelder schaffen könnte. Im Gegensatz zu ihm wählen allerdings auch viele werdende Unternehmer diesen Weg nicht freiwillig, sondern weil ihnen schlichtweg niemand von außen Geld geben will. „Ganz am Anfang ist das Risiko eben sehr hoch und die meisten Banken oder VCs winken ab“, sagt Wirtschaftsprofessor Sven Ripsas von der HWR Berlin. An der Bereitschaft, eigenes Geld in die Firma zu stecken, machen viele Beobachter auch den Willen des Gründers fest, seine Unternehmung wirklich zum Erfolg zu führen. „Eine gewisse per— sönliche Leidensfähigkeit gehört schon dazu. Gründen muss im eigenen Portemonnaie wehtun“, sagt Florian Nöll vom Bundesver— band Deutscher Start—ups. Das sieht Wooga—Chef Jens Begemann ähnlich. Für ihn bedeutet Gründen, auch mal „die eigene Komfortzone zu verlassen“. Zum Start von Wooga investierte Begemann 100.000 Euro in die Firma und zahlte sich ein Jahr kein und später erstmal nur wenig Gehalt aus. „Für mich war das ein Zeichen, dass ich selbst daran glaube. Zudem habe ich keine Zeit verplempert, um andere Geldgeber von meiner Idee zu überzeugen.“ Natürlich sei die Frage berechtigt, warum „ein Investor mehrere Millionen Euro überweisen sollte, wenn noch nicht mal der Gründer ein Risiko eingehen will“. Auf eine magerere Zeit zum Start ließen sich auch Kerstin Bock, Nikolas Woischnik und Carolin Lessoued vom Start—up Openers ein. „Wir sind komplett eigenfinanziert. Uns war von Anfang an klar, dass wir zu Beginn auch mit dem eigenen Gehalt zurückste— cken müssen“, erinnert sich Bock. Allerdings sei es immer ihre Auf— fassung gewesen, dass sich ihr projektorientiertes Geschäftsmodell schnell rentieren müsse. Und sie hätten durch das Berliner Festival Tech Open Air bereits Aufträge auf dem Tisch gehabt und deswe— gen nicht bei null angefangen. Dass ein Start—up in der Anfangsphase keinen Geldsegen be— schert, zeigt beweist der Deutsche Startup Monitor 2014. Demnach zahlen sich Gründer in der Seed—Phase im Schnitt ein Bruttogehalt <?page no="68"?> Kapitel 7. Die erste Adresse: Family, Friends and Fools von 1.660 Euro aus 51 . Damit kann man auch im vergleichsweise günstigen Berlin keine großen Schritte machen. Generell gilt, dass auch das Bootstrapping seine Risiken birgt. Zwar verfügt der Gründer in seiner Firma über die hundertprozen— tige Kontrolle, jedoch ist sein finanzielles Risiko viel höher. Zudem kann es an einem bestimmten Punkt doch am Kapital ma ngeln und der Gründer kann erst dann Kontakte zu Banken oder Finanzinves— toren aufbauen, was vielleicht zu spät ist. <?page no="69"?> › uvk.de 68 Die Fördersummen reichen von wenigen Tausend Euro bis zu höhe ren Millionenbeträgen. Kapitel 8. KfW und andere Fördermittel - wie der Staat Start-ups unterstützt „Eigentlich will in der Gründung kaum einer Geld von der Bank. Die große Frage an mich lautet immer eher: Wo bekomme ich Geld her, das ich nicht zurückzahlen muss.“ Gründercoach Thorsten Harms Harms kennt darauf nur eine Antwort: „Das gibt es meist nicht“. Trotzdem rät er wie viele andere, sich die Mühe zu machen und sich bei staatlichen Förderprogrammen zu bewerben oder um ver— günstigte Bankkredite zu kümmern. Das sind nämlich schon die wenigen Wege, an Kapital zu gelangen ohne gleich Anteile am Unterne hmen abzugeben. Der Staat bietet Gründern diverse Fördermöglichkeiten. Darius Moeini von der Beratungsfirma Berlin Startup Consulting schätzt die Zahl der existierenden Programme auf lokaler bis europäischer Ebene auf 800 bis 2.000. Und es gibt passend zu fast jeder Entwick— lungsstufe des Unternehmens - von der Pre—Seed—Phase bis zur Wachstumsphase - ein Ange bot. Allerdings müssen eben die meisten bewilligten Gelder zu— rückgezahlt werden. Und Zin— sen werden auch fällig, wenn diese auch meist mit ab zwei Prozent recht niedrig angesetzt sind. Aber in der Regel hat der Gründer noch die volle Kontrolle über sein Unternehmen. ERSTE HÜRDE BUSINESSPLAN Direkt mit dem Vorhaben, ein Start—up zu gründen, kommt auch schon die erste Hürde - der gefürchtete Businessplan. Das Erstellen eines stimmigen Businessplans geht vielen jungen Gründern nicht <?page no="70"?> Kapitel 8. KfW und andere Fördermittel › uvk.de 69 leicht von der Hand - vor allem, wenn sie dies zum ersten Mal ma— chen. Denn er kostet sehr viel Zeit und oft auch Nerven. Kein Wun— der, dass sich zahlreiche Coaches auf diese Aufgabe spezialisiert haben und ihre Hilfe gegen Bezahlung anbieten. Dies kann ganz schön teuer werden, schließlich liegen die Tagessätze der Berater bei mehreren hun dert Euro. Wer nicht alles aus der eigenen Tasche zahlen will, kann sich etwa um einen Zuschuss der KfW, der Kre— ditanstalt für Wiederaufbau, bemühen. Die KfW nennt dieses Pro— gramm Gründercoaching. Doch die KfW bietet so etwas nicht allei— ne an. Auch die IBB subvent ioniert mit dem Programm Coaching Bonus entsprechende betriebswirtschaftliche Beratungen. Sinn kann es auch machen, am Businessplan—Wettbewerb Berlin—Brandenburg (www.b—p—w.de) teilzunehmen. Ein Netzwerk hilft dann bei der Erstellung des Businessplans. Jährlich nutzen rund 1.000 Gründer dieses Angebot. Wer eine 1: 1—Betreuung wünscht, ist bei einem Coach genau rich— ti g. Ein von der KfW akkreditierter Coach, der Gründern in Berlin unter die Arme greift, ist Thorsten Harms. „Das Wichtigste beim Businessplan steht gleich am Anfang. Das ist die Zusammenfassung der Geschäftsidee. Da sollte kurz und knapp erklärt werden, was die Gründer machen und wie sie mit welcher Kundengruppe Geld in welcher Höhe verd ienen wollen. Auch das Alleinstellungsmerk— mal gehört an diese Stelle. Ist die Zusammenfassung zu konfus oder vage, lesen viele Banker oder andere Investoren gar nicht weiter“, sagt Harms. Der Berliner Coach, der hauptsächlich Kreative berät und im Be— tahaus regelmäßig eine Sprechstunde für Gründer anbietet, rät zu— dem, so konkret wi e möglich zu sein: „Geht es zum Beispiel um Marketingfragen, sollte man angeben, an welchen Events das Start— up teilnimmt, welche konkreten Marketingschritte bereits eingelei— tet werden und welche folgen. Welche Kunden haben bereits geor— dert? Das sollte im besten Fall nachprüfbar sein. Deswegen lohnt es sich, Kontaktdaten anzugeben.“ Zusa mmenfassend gelte: „Je kon— kreter das Ziel, desto realistischer die Einschätzung, ob es zu errei— chen ist.“ <?page no="71"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 70 › uvk.de „Ein Gründer muss auch skep tisch sein und ein Auge für das Risiko haben.“ Für Gründer bedeutet die finanzielle Dürreperio de, dass sie zunächst improvisieren müssen. Harms warnt davor, bei den Ausführungen „anzugeben“: „Beim Zahlenteil sollte zum Beispiel nicht mit völlig unrealistischen Zah— len hantiert werden.“ Ein Businessplan sollte nicht unbedingt Harms zufolge „zu blumig und zu begeistert daherkommen“. Dies wecke bei vielen Bankern eher Zwei— fel. Für die Bürokratiemuffel unter den Gründern führt Harms die positiven Effekte eines Businessplans auf. Dieser „schaffe Klarheit“ - auf allen Seiten. „Erst mit der Erstellung eines Gesamtkonzepts wird klar, welchen Kapitalbedarf man hat. Davon ist abhängig, welche Hilfen man beantragt und an wen man sich wendet.“ Und manchmal endet dann da bereits das Vorhaben, sich beim Staat um Gelder zu bemühen. „Für uns kam das alles nie in Frage. Die staatlichen Fördermöglichkeiten gab es einfach nicht in den Summen, die wir benötigt haben“, erinnert sich Dawanda— Geschäftsführerin Claudia Helming. GUT GELD WILL WEILE HABEN Geduld und Ausdauer zählen für Harms zu den Tugenden, die ein Gründer mitbringen muss: „Es kann sechs bis sieben Monate dau— ern, bis das erste Fördergeld fließt.“ Die Programme wollen sich am Ende nicht nachsagen lassen, förderunwürdige Vorhaben unterstützt zu haben und knüpfen die Vergabe an exakt vorgegebene, klar definierte Klauseln. Entspre— chend muss der Gründer auch seine Präsentation gestalten und im Detail seinen Finanzmittelbedarf und sein Geschäftsmodell erläu— tern 52 . „Wir haben die ersten Monate erst— mal von unserem Arbeitslosengeld gelebt und uns in dieser Zeit um das Programm Startgeld von der KfW bemüht“, erinnert sich Coffe— ecircle—Mitgründer Martin Elwert. „Als wir dann die 100.000 Euro auf unserem Konto hatten, haben wir erstmal Kaffee gekauft, die <?page no="72"?> Kapitel 8. KfW und andere Fördermittel › uvk.de 71 Internetseite aufgesetzt und den gesamten Produktzyklus durchge— spielt. Das war unser ‚proof of concept‘, mit dem wir uns dann auf Investorensuche begeben haben. Dann kam auch relativ schnell Tengelmann Ventures ins Boot, wir konnten uns ein erstes Gehalt zahlen und richtig loslegen.“ Martin Elwert, der wie die anderen beiden Gründer Robert Rud— nick und Moritz Waldstein—Wartenberg zuvor bei Roland Berger als Unternehmensberater arbeitete, gibt aber auch zu Bedenken: „Rückblickend hört sich das an, als sei es schnell gegangen. Aber es zog sich alles sehr in die Länge. Bis zur Seed—Finanzierung waren es eineinhalb Jahre.“ Vor allem bei der Erstellung des Businessplans sei viel Zeit ins Land gezogen. „Wir haben da ein überdimensional großes Modell entwickelt - eben so, wie wir es gelernt haben. Uns fehlte es allerdings an Vorwissen, weshalb die Erarbeitung eines Plans ganz sinnvoll war. Da kamen Fragen auf wie beispielsweise überhaupt Kaffee geröstet wird und was eine Kaffeesteuer ist.“ ERSTE FÖRDERADRESSE: KREDITANSTALT FÜR WIEDERAUFBAU Die KfW übernimmt in Deutschland einen Großteil der staatlichen Förderung von Unternehmensgründern. Die Anträge werden dabei über die Hausbank des Entrepreneurs gestellt. INFOKASTEN KfW—ANGEBOTE Die KfW hat das „ERP—Kapital für Gründung“ als Darlehen von maximal 500.000 Euro mit Eigenkapitalcharakter, den „ERP— Gründerkredit - Startgeld“ für kleinere Finanzierungsvorhaben von bis zu 100.000 Euro sowie den „ERP—Gründerkredit - Univer— sell“, der Summen von bis zu zehn Millionen Euro zur Verfügung stellt, im Programm. Die drei Fördermöglichkeiten eignen sich in der Regel vor allem in der Frühphase der Finanzierung. „Der Gründer muss sich fragen: Benötige ich für meinen Start eine hundertprozentige Finanzierung und klassisches Fremdkapital oder habe ich einiges an Eigenkapital und benötige daher eher <?page no="73"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 72 › uvk.de Dadurch entstehe ein größerer Bedarf an Finanzkapital, der zudem noch vom Niedrigzinsumfeld befeuert werde. mezzanines Kapital oder bestreite ich alles ganz und gar mit Ei— genkapital“, erklärt KfW—Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Für den späteren Finanzierungsbedarf bietet sich der ERP— Startfonds an. Diesen gibt es allerdings nur für Technologieunter— nehmen. Die KfW stellt bis zu fünf Millionen Euro zur Verfügung und agiert als Co—Investor. Dies bedeutet, dass die Firma mindes— tens einen weiteren Lead—Investor benötigt. Zu den auf diese Art geförderten Firmen gehören unter vielen anderen der Küchenzu— behör—Onlineshop Springlane. Geht es darum, künftiges Wachs— tum, Innovationsschritte oder die Nachfolge zu finanzieren, gibt es noch das Förderprodukt „Beteiligungskapital für Wachstum, Innovation und Nachfolge“. Angesichts der verschiedenen Angebote rät Chefvolkswirt Zeu— ner: „Interessierte Gründer sollten sich zunächst einen guten Überblick im Internet verschaffen unter www.kfw.de/ gruenden und bei Bedarf das Infocenter der KfW (01801 — 241124) befragen. Sie sollten gut vorbereitet - mit Business— und Finanzierungsplan - zu ihrer Hausbank gehen. Denn ihr obliegt die alleinige Kredi— tentscheidung, da sie in der Regel den Großteil der Risiken über— nimmt.“ Dass zu Beginn nicht immer hohe Zuschüsse von Nöten sind, zeigt der KfW—Gründungsmonitor. Der Erhebung aus dem Jahr 2013 zufolge starten die Hälfte aller Gründungen mit 5.000 Euro oder weniger. Zuletzt wurden die Zusagen für eine Finanzierung über das KfW—Startgeld zwar weniger, dafür nahmen die jeweilig bewil— ligten Summen zu. Der KfW Gründungsmonitor 2014 führt für diese Entwicklung mehrere Gründe an 53 : Weniger Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus gründen, explizitere Geschäftsideen sowie ein höherer Grad an Inno— vation. <?page no="74"?> Kapitel 8. KfW und andere Fördermittel › uvk.de 73 UND WER HILFT IN BERLIN? In Berlin vertreiben unter anderem die Berliner Volksbank und die Berliner Sparkasse die KfW—Produkte. Bei der Berliner Sparkasse ist dafür das Kompetenzcenter Gründungen und Unternehmensnach— folge unter der Leitung von Christian Segal zuständig. Es berät, bietet Finanzierungen an und hilft beim Netzwerken. Laut Segal machen die Anfragen aus der digitalen Wirtschaft sowie aus dem E—Commerce—Sektor derzeit knapp 15 Prozent aller Förderungen aus. Genaue Zahlen und Fakten, auch zur Entwick— lung über die Jahre, stellt die Berliner Sparkasse allerdings nicht zur Verfügung. Über sein eigenes Vorgehen beim Prüfen der Anträge verrät Segal: „Bei der Bewilligung von Finanzierungen geht es nicht um mathematische Verfahren. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob man dem Gründer zutraut, seine Firmenidee dauerhaft erfolgreich in die Tat umzusetzen. Dabei muss man auf sein Bauchgefühl hö— ren.“ Welche Anforderungen die Sparkasse ans Eigenkapital stelle, hänge vom Geschäftsrisiko ab. Neben den bereits genannten Institutionen spielt die IBB eine wichtige Rolle im Start—up—Zirkus der Hauptstadt. Die Investitions— bank fördert seit 1997 Jungunternehmen, die bei normalen Banken nicht zum Zuge kommen. Dafür gibt es verschiedene Programme, über die ausführlich die Internetseite des Finanzinstituts informiert (http: / / www.ibb.de/ gruenden/ Welche—Angebote—gibt—es.aspx). Beim IBB—Programm ‚Pro Fit‘ hilft die Bank beispielsweise mit Zuschüssen und Darlehen bei der Erforschung, Entwicklung und Markteinführung von Ideen und Projekten. Die Bank kommt für bis zu 80 Prozent des Finanzierungsvolumens auf. Jährlich stehen zwi— schen 115 und 180 Unternehmen auf der IBB—‚Pro Fit‘—Förderliste. Darüber hinaus beteiligt sich die IBB über ihre 100—prozentige Banktochter IBB Beteiligungsgesellschaft an Unternehmen, wie beispielsweise Babbel oder Ubitricity. 54 Dafür legte Berlin als erstes Bundesland VC—Fonds für Technologie und für die Kreativwirt— schaft auf. Durch Finanzierungen der beiden VC—Fonds und der privaten Finanzierungspartner wurden Berliner Unternehmen bis <?page no="75"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 74 › uvk.de Seit der Gründung der IBB Bet kam es zu vielen Exits. dato etwa eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Davon kamen 141 Millionen Euro aus den VC—Fonds, der Rest wurde von Business Angels, strategischen Partnern und internationalen Investoren akquiriert. So wurde un— ter anderem die Softwarefirma gate5 an den nun zu Microsoft gehö— renden finnischen Handykonzern Nokia verkauft, wobei der heute überaus emsige Business Angel und gate5—Gründer Christophe Maire bis zu 190 Millionen Euro eingestrichen haben soll. Hoffmann zählt einige Kriterien auf, die Gründer erfüllen müssen, um an eine Finanzierung zu gelangen: „Das Geschäftsmodell muss überzeugen. Zudem muss der Gründer eine unternehmerische Persönlichkeit aufweisen und vor Tatendrang sprühen. Zumindest im Team soll— ten alle Kompetenzfelder abgedeckt werden und teils vielleicht auch erfahrene Leute vertreten sein.“ Hoffmann spielt damit auf die beliebte Regel an, dass zu einem erfolgreichen Gründerteam ‚Ha— cker, Hustler und Hipster“ gehören. Demnach muss jemand das Fachwissen haben, eine weitere Person, muss umtriebig sein und netzwerken können. Und ein weiterer Beteiligung sollte kreative Fähigkeiten mitbringen. Coffeecircle—Gründer Martin Elwert, der sich ganz zu Beginn der Firmengründung erfolgreich um das KfW—Startgeld beworben hat, sagt: „Uns haben unsere Kontakte und unser strukturelles Arbeiten geholfen. Wichtig war aber vor allem unsere Glaubwürdigkeit. Wir haben uns gezielt dafür entschieden, unsere Karrieren abzubrechen und bewusst ein Start—up gegründet.“ Auch Gidsy—Gründer Edial Dekker rät dazu, am besten alles auf eine Karte zu setzen: „Sei mu— tig und versuche dein eigenes Ding auf die Beine zu stellen. Ver— wende viel Zeit darauf, Leute einzustellen, weil sie entscheiden letztlich über den Erfolg deines Unternehmens. Und sei „superpas— sionate“, was dein Start—up angeht, ansonsten kommst du morgens doch gar nicht aus dem Bett raus.“ <?page no="76"?> Kapitel 8. KfW und andere Fördermittel › uvk.de 75 Auch hierzulande sollen Studenten für neue Impulse in der StartupSzene sorgen. MIT EXIST VON DER UNI DIREKT ZUM EIGENEN START-UP Was in den USA automatisch zur Ausbildung gehört, hielt in Deutschland erst 1998 Einzug: Der Versuch, eine Gründerkultur bereits während des Studiums zu etablie— ren. Dafür setzte das Bundeswirtschafts— ministerium das Förderprogramm Exist auf, um Gründungen aus der Wissenschaft heraus zu unterstützen. Es besteht aus den Säulen Exist—Gründungskultur, Exist—Gründerstipendium und Exist—For— schungstransfer. Die Mittel wurden erst 2014 aufgestockt. So um— fasst das Programm Exist—Forschungstransfer nunmehr Zuschüsse für Investitionen in Höhe von bis zu 250.000 Euro. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministerium wurden bis Sommer 2014 mehr als 1700 innovative und technologieorientierte Start—ups gefördert 55 . Und doch gibt das Ministerium recht selbstkritisch und schreibt auf seiner Internetseite „an vielen Hochschulen führt das Gründungs— thema nach wie vor ein Nischendasein“, es gebe vor allem im Ver— gleich zum Ausland „Nachholbedarf“ 56 . In Berlin und Brandenburg tragen die Technische Universität (TU), die Freie Universität (FU) zusammen mit der Charité sowie die Universität Potsdam den Titel Gründerhochschule. Sie beschäf— tigen sich also verstärkt mit dem Thema Gründergeist. Die TU Ber— lin bündelt ihre Aktivitäten im Centre for Entrepreneurship (CfE). Jährlich entstehen am CfE etwa 20 Hightech—Start—ups. „Die TU Berlin gehört seit Jahren bundesweit zu den stärksten Antragstel— lern im Exist—Programm“, sagt Dietrich Hoffmann, Fachbereichslei— ter beim Projektträger Jülich, welcher im Auftrag des Bundeswirt— schaftsministerium das Exist—Programm betreut 57 . Seit Beginn des Exist—Programms hat die TU rund 5,2 Millionen Euro eingeworben. 2013 war die Universität deutschlandweit sowohl bei den Anträgen wie auch bei den Bewilligungen führend. <?page no="77"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 76 › uvk.de Das Gründerstipendium, das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert wird, ist für Universitätsabsolventen, wissen— schaftliche Mitarbeiter sowie Studierende gedacht - als eine Art Startgeld, um überhaupt erstmal mit der Umsetzung der Grün— dungsidee beginnen zu können. Wer in den Genuss der Förderung von monatlich maximal 2.500 Euro kommen will, muss allerdings einige Bedingungen erfüllen. So darf das Team maximal aus drei Leuten bestehen und benötigt einen Mentor von der Hochschule. Häufig passen Gründungswillige deswegen ihr Team und ihre Idee an die Exist—Kriterien an. Das kann die Handlungsfähigkeit ein— schränken und ist damit nicht immer dem bestmöglichen Ergebnis dienlich. Neben dem Geld gibt es beim Gründerstipendium Coachings und Sachinvestitionen. Vorteil ist, dass nichts davon zurückgezahlt werden muss. Die drei Gründer der Ball—Kamera Panono Jonas Pfeil, Björn Bol— lensdorff und Qian Qin nutzten das Exist—Stipendium. An der TU Berlin hatte Pfeil im Rahmen seiner Diplomarbeit den Prototypen für seine Kamera entwickelt, die ein vollständiges Panorama der Umgebung einfängt. „Uns wurde damit wunderbar über die erste Zeit geholfen. Unser Lebensunterhalt war zunächst finanziert. In den USA hätte uns niemand einfach kostenlos Geld hintergewor— fen“, meint Jonas Pfeil. Eigentlich habe er niemals eine Firma grün— den wollen. Durch die diversen Hilfen mit Tipps zur Unterneh— mensgründung und den Rechtsberatungen sei es leichter geworden. „Sonst hätten wir viel länger im Dunkeln getappt.“ Auch Stephan Bayer vom Nachhilfe—Start—up Sofatutor erinnert sich gern an Exist zurück: „Das Stipendium hat mir vor allem einen psychologischen Kick gegeben. Man kann sich damit auf die Grün— dung konzentrieren und entwickelt das nötige Selbstvertrauen, um ein Unternehmen auf die Beine zu stellen.“ 58 <?page no="78"?> Kapitel 8. KfW und andere Fördermittel › uvk.de 77 WEITERE PROGRAMME AUSSERHALB DER KFW- UND IBB-WELT Die Beuth Hochschule für Technik Berlin (www.beuth—hochschu le.de) vergibt über ihre Gründerwerkstatt Stipendien für Absolven— ten aller Hochschulen, um sie bei der Unternehmensgründung zu unterstützen. Zur Bewerbung muss unter anderem ein Businessplan vorgelegt werden. Ein interessanter Ansprechpartner für Gründer kann auch das Gründungszentrum der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) sein. Es will Gründungswillige auf dem Weg in die Selbst— ständigkeit begleiten. Dafür wurde ein einjähriges Programm mit Workshops und Seminaren zu Themen wie Online—Marketing, Fi— nanzierung oder Steuerrecht entwickelt. Gelder fließen keine. Neben all diesen einzelnen Angeboten haben sich die Berliner Hochschulen auch zusammengetan und mit B! Gründet (http: / / www.begruendet—berlin.de) ein Gründungsnetzwerk auf die Beine gestellt. Dieses will Spin—Offs von Hochschulen gezielt unterstützen. Dafür hilft es beispielsweise bei der Antragstellung von Fördermit— teln aus dem Exist—Programm, aber auch anderen Programmen. Berliner Start—ups wie Babbel, Companisto, Fahrtenfuchs, MyPar— fuem und Scolibri haben sich von B! Gründet unter die Arme greifen lassen. MACHEN FÖRDERMITTEL FÜR JEDES START-UP SINN? Nicht wenige in der Branche sind skeptisch bezüglich der en masse angebotenen Fördermittel. „Auf dem Papier sehen viele Fördermit— tel super aus, leider funktionieren sie dann in der Praxis oft nicht ganz so gut. Wer von den wirklich großartigen Start—ups hat denn beispielsweise an einem Businessplan—Wettbewerb teilgenommen“, fragt sich Wirtschaftsprofessor Sven Ripsas von der HWR Berlin. Trotzdem sei es richtig, es zu probieren. Der Kardinalfehler sei, dass die Mittel nach konzeptioneller Qualität von Förderanträgen verge— ben werden. Das sei aber nicht die gleiche Kompetenz, die benötigt <?page no="79"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 78 › uvk.de Die Programmvielfalt kann Gründungswillige zu Beginn leicht überfordern. werde, um ein erfolgreiches Start—up aufzubauen. „Man kann beim Beantragen ganz schnell zum Bürokraten werden und sich nicht mehr um das Wesentliche kümmern“, sagt Florian Nöll vom Bun— desverband Deutscher Startups. Ganz anders sieht das Darius Moeini von der Beratungsfirma Berlin Startup Consulting GmbH: „Es gibt da draußen ganz viel Geld, an das man gelangen kann. Es lohnt sich, es ist nur nicht einfach.“ Leider sei der Ruf der öffentli— chen Fördergelder immer noch „unglaublich unsexy“. Und das Ausfüllen der diversen Formulare „sehr langweilig“. WER HILFT BEIM FILTERN? Die Überlegung, welche Förderung zur eigenen Geschäftsidee am besten passt, nimmt Zeit in Anspruch - meist mehr als einkalkuliert. Wer sich damit nicht über die Maßen beschäftigen will, kann sich beispiels— weise an Ruth Cremer und ihre Firma euworx wenden. „Wir neh— men Start—ups das Schreiben der Anträge für öffentliche Fördergel— der ab und alles drumherum“, fasst die Mathematikerin aus Köln zusammen. Viele junge Gründer seien damit überfordert, aus dem Wust der Förderinstrumente das Passende ausfindig zu machen und eine gute Bewerbung abzugeben. Gegen eine provisionsbasier— te Bezahlung übernimmt euworx diesen Job. Allerdings hat auch Ruth Cremer kein Förderprogramm als Ge— heimtipp für Start—ups parat. „Die Wahrscheinlichkeit, ausgewählt zu werden, ist bei kleinen Programmen oft etwas größer. Es lohnt sich zu schauen, ob es eine spezifische Förderung gibt, die zu dem passt, was man macht. Solche Programme gibt es beispielsweise in den Bereichen IT—Sicherheit oder Öko—Effizienz.“ Cremer ist der Meinung, dass es sich in den meisten Fällen auszahlt, sich zumin— dest um öffentliche Gelder zu bemühen. „Mich fragen viele, ob das nicht zu viel Aufwand ist, ohne zu wissen, ob sich das Ganze lohnt. Aber einen Investor zu finden, dauert eben auch lange.“ <?page no="80"?> Kapitel 8. KfW und andere Fördermittel Beim Filtern der möglichen Geldquellen helfen neben der „För— derfibel“ der IBB, das ExistenzGründer Institut Berlin e.V. oder das Existenzgründer Netzwerk. Übersichten halten das Bundeswirt— schaftsministerium sowie die Berliner Sparkasse auf ihren Internet— seiten parat. Auch die Industrie— und Handelskammer zu Berlin ist in diesem Bereich aktiv. Ein dreiköpfiges Team kümmert si ch um die Belange von Start— ups: Sie bietet den jungen Unternehmen politische Interessenvertre— tung, Überblick und Information, sowie den Austausch mit der etablierten Wirtschaft. „Das Starter Center der IHK Berlin ergänzt unser Team und berät Gründer kostenlos und unabhängig in den ersten Schritten. Das Team Start—ups bildet dann den Brückenschlag in di e gesamte IHK und in die Berliner Wirtschaft“, sagt Maria Konew, eine der Start—up—Koordinatoren der IHK Berlin. <?page no="81"?> › uvk.de 80 Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Startups fördert „Wir hatten nicht viel Eigenkapital und wussten, dass wir keinen großen Investor in unserem Start—up haben wollen. Außerdem wollten wir uns nicht krass mit einem Kredit verschulden. Und dann gab es außer Crowdfunding gar nicht mehr so viele Mög— lichkeiten, um an einen Batzen Geld zu kommen.“ Mitgründerin des Start—ups Original Unverpackt, Milena Glimbovski, über ihre Beweggründe, eine Crowdfunding—Kampagne zu starten Crowdfunding spielt eine immer größere Rolle bei der Finanzierung von Geschäftsideen bis hin zu Start—ups. Dies hat vielseitige Grün— de: Neben der Möglichkeit, frisches Geld von der Crowd - also einer großen Anzahl von Menschen - einzusammeln, können die Kampagnenmacher vor allem die Öffentlichkeit gut gebrauchen, die sich über eine gut la ufende Plattform erzeugen lässt. Hinzu kommt die seltene Gelegenheit, direkt mit potentiellen Kunden in Kontakt zu treten, ihre Meinung einzuholen und so die Nachfrage für ein Produkt oder eine Dienstleistung ohne viel Aufhebens in Erfahrung zu bringen. Überdies erreichen Crowdfunding—Aktionen meist genau jene Konsumenten, die ein Start—up ohnehin ger n ansprechen will. Erhe— bungen haben ergeben, dass vor allem 20— bis 40—Jährige auf den Plattformen unterwegs sind, die auch Online—Shopping machen und/ oder Online—Bezahlsysteme nutzen. Ideale Kunden also für E— Commerce—Start—ups. „Crowdfunding kann für spätere Finanzie— rungsrunden oder Gespräche mit Banken auch ein Nachweis sein, da ss das Geschäftsvorhaben Relevanz hat“, behauptet Anna Theil, inhaltliche Leiterin der Crowdfunding—Plattform Startnext. Häufig <?page no="82"?> Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert › uvk.de 81 In den vergangenen Jahren sind CrowdfundingPlattformen weltweit wie Pilze aus dem Boden geschossen. bekämen Projekte mit der Kampagne eine Eigendynamik, die be— fruchtend für die weitere Entwicklung sei. Zu beachten ist beim Crowdfunding, dass in der Regel eher klei— nere Kapitalbeträge von bis zu 100.000 Euro eingenommen werden. Damit lässt sich also kaum ein Markteintritt vorbereiten oder eine komplette Produktidee in die Realität umsetzen. Somit eignet si ch das Crowdfunding eher für die frühen Finanzierungsphasen. Auch wenn sie vom Aufwand häufig überschaubar sind, müssen die Aktionen aber bis ins Detail geplant werden. Erfolgreich wird nur das Start—up sein, dass seine Kampagne gut plant, liebevoll und professionell gestaltet und zudem noch fleißig bewirbt. Darius Moeini von der Ber lin Startup Consulting findet: „Eine Crowdfun— ding—Kampagne sollte gut überlegt sein. Wenn man scheitert, schei— tert man vor einem großen Publikum. Und 90 Prozent aller Start— ups setzen sich eben nicht durch.“ Die US—Marktforscher von Massolution schätzen die Zahl der Crowdfunding— Plattformen im Netz auf mehr als 60 0. Davon sind einige weltweit bezie— hungsweise europaweit aktiv wie Kick— starter, Indiegogo, Fundedbyme oder der Online—Philanthropie— Marktplatz Betterplace.org. Es gibt auch Firmen, die sich gezielt auf den deutschsprachigen Markt konzentrieren. Dazu gehören Deutsch— lands größter Anbieter Startnext sowie Visionbakery. Heutzutage können Start—ups deswegen wählerisch sein und prüfen, welches Konzept eines Anbieter s ihnen am meisten zusagt und welches Entgelt sie für welche Leistung bereit sind zu zahlen. So sollte sich das Start—up auch fragen, ob es ein Zusatzpaket bu— chen will, mit dem es eine intensivere Betreuung der Kampagne durch die Plattform erhält. Die meisten Crowdfunding—Plattformen finanzieren si ch über Provisionen, die bei einer erfolgreichen Aktion fällig werden und häufig zwischen vier bis zehn Prozent liegen. Dass sich dies lohnen kann, zeigt das gestiegene Interesse traditioneller Geldgeber am Crowdfunding. So kündigte ein Vertreter der Investitionsbank Ber— <?page no="83"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 82 › uvk.de lin—Brandenburg (IBB) im Sommer 2014 eine Annäherung an und erklärte, die Finanzierung mit VC—Kapital kompatibel mit Crowd— funding—Aktionen machen zu wollen. Davor schrecken noch viele zurück. Vor allem auch deswegen, weil niemand die Crowd und ihre Handlungsmotivation einschätzen kann. Letztlich wird aber auch die Zusammenarbeit mit kapitalstarken Finanzinstituten und anderen Großinvestoren einen Aufschluss darüber geben, in welche Richtung sich das Crowdfunding in den kommenden Jahren entwickelt. „Für das Wachstum ist es wichtig, dass es viele Erfolgsgeschichten gibt und diese dazu führen, dass das Crowdfunding als ein wichtiges Finanzierungswerkzeug er— kannt wird und sich langfristig etablieren kann“, sagt die inhaltliche Leiterin von Startnext, Anna Theil. WAS GEHÖRT ALLES ZUM CROWDFUNDING? Die Begrifflichkeiten rund um die Finanzierung über die Crowd werden gern verwechselt. Grob gesagt, gibt es vier verschiedene Modelle 59 . Die Bezeichnung Crowdfunding dient allen als Ober— begriff. Zum einen existiert das spendenbasierte Crowdfunding, wie es betterplace.org anbietet. Der Geldgeber spendet einen gewissen Betrag für ein Projekt aus Bereichen wie Kinder— und Tierschutz, Urban Gardening oder Bildung. Der Spender erhält im Gegenzug für seine Spende keine Gegenleistung. Die wohl bekannteste Variante ist das auf Gegenleistungen ba— sierte klassische Crowdfunding. Bekannte Vertreter am Markt sind Kickstarter und Indiegogo. Beim Crowdfunding vergeben Investoren über ein in aller Regel gebührenfinanziertes Online— portal zumeist Mikrosummen, um Projekte zu finanzieren. Im Gegenzug erhalten sie einen Sachwert, der sich an der Höhe der Summe orientiert. Bei der Finanzierung von Filmen und Musik— alben - beides klassische Beispiele fürs Crowdfunding - reicht die Spannweite von der Film—DVD über die Einladung zur Premiere bis zum Workshop im Schneiden von Filmbeiträgen, Klavier— unterricht oder einem Wohnzimmerkonzert. <?page no="84"?> Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert › uvk.de 83 Neben dem klassischen Crowdfunding fasst das Crowdlending immer mehr Fuß. Dabei verleiht die Crowd Geld, Privatleute ge— ben Privatleuten einen Kredit. In Deutschland aktiv sind unter anderem Lendico, auxmoney und Zencap. Ebenfalls recht populär ist das Crowdinvesting geworden, wo der Anleger Anteile an dem Projekt beziehungsweise Unternehmen erwirbt. Die Unterschiede beim Crowdinvesting werden eher im Kleingedruckten sichtbar, nämlich bei der Ausgestaltung der Be— teiligung. Als Anleger wie auch als Start—up sollte man einen ge— nauen Blick in die Verträge werfen. Diese können entweder eher zu Gunsten der Crowd oder des Start—ups ausfallen. Letztlich geht es immer ums bare Geld und eine Minimierung des Risikos. Zudem gibt es manchmal die Wahl zwischen verschiedenen Mög— lichkeiten. Das wäre zum Beispiel die stille Beteiligung (Inno— vestment), bei der der Investor prozentual gemessen am Einsatz am Gewinn beteiligt wird. Dies kann auch über Genussscheine (bankless24.de) erfolgen, wo der Investor am Gewinn oder eben Verlust des Unternehmens beteiligt wird und zudem im Falle ei— ner Insolvenz erst nach anderen Gläubigern zum Zuge kommt. Ansonsten gibt es noch die partiarischen Nachrangdarlehen, wie sie Deutsche Mikroinvest und Seedmatch anbieten. Bei der Platt— form Companisto beteiligt sich der Anleger nicht am Unterneh— men sondern an einer eigens von der Plattform gegründeten Be— teiligungsgesellschaft. Dies soll die auf Companisto aktiven Pro— jekte beziehungsweise Start—ups auch für Großinvestoren interes— sant machen. Bei den partiarischen Darlehen vergibt man nur unverbriefte An— sprüche an die Crowd. Damit umgeht der Anbieter die Prospekt— pflicht, die laut Kapitalanlagegesetz in der Regel bei stillen Betei— ligungen ab 100.000 Euro und mehr als 20 involvierten Investoren beginnt. Die gern mal 100 Seiten oder mehr umfassenden Ver— kaufsprospekte, die Verbraucher über die Risiken des Invest— ments aufklären sollen, deren Erstellung viel Zeit in Anspruch nimmt und bis zu 100.000 Euro kosten kann, werden von der <?page no="85"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 84 › uvk.de Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geprüft. Die Aufseher kontrollieren, ob die Unterlagen vollständig und kongruent sind. „Aber das hat bei Prokon die Pleite auch nicht verhindert“, gibt Seedmatch—Chef Jens—Uwe Sauer zu Bedenken. Der Anleger sollte beim Crowdfunding immer im Hinterkopf ha— ben, dass es sich um riskante Geschäfte handelt und er Wagniskapi— tal bereitstellt. Geht das unterstützte Projekt beziehungsweise Start— up Pleite, sieht der Anleger häufig keinen Cent wieder. Auf der anderen Seite werden beim Crowdfunding Summen bereitgestellt, die niemanden in die Privatinsolvenz treiben. Meist werden den Projekten eher kleine Beträge zur Verfügung gestellt, in der Regel zwischen 50 und 100 Euro und selten mehr als 1.000 Euro. „Für viele Unterstützer bietet das Crowdfunding die Möglich— keit, Teil einer Idee zu werden und diese zu unterstützen“, fasst die inhaltliche Leiterin von Startnext, Anna Theil, die Beweggründe für ein Engagement der Geldgeber zusammen. Viel hängt von einer spontanen Sympathie für eine Idee ab und möglichst viel Transpa— renz - auch auf der finanziellen Seite. Die Projektinitiatoren müssen sich genau überlegen, welche Finanzierungssumme sie von der Crowd benötigen, um ihr Vorhaben umsetzen oder weiterentwi— ckeln zu können. Und sie sollten detailliert aufführen, wofür sie wie viel Geld ausgeben wollen. Bei den meisten der stets zeitlich be— grenzten Aktionen visieren die Start—ups einen Betrag von unter 100.000 Euro an. Ständig aktualisierte Angaben der Plattformen legen offen, wie viel im Rahmen der Kampagne bereits vom nötigen Betrag eingenommen wurde. Läuft eine Aktion erfolgreich, starten viele Projektinitiatoren eine zweite Runde, um die Einnahmen wei— ter in die Höhe zu schrauben. <?page no="86"?> Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert › uvk.de 85 ÜBER DIE MIKROINVESTITION ZUR ERÖFFNUNGS- PARTY Die inhaltliche Leiterin von Startnext, Anna Theil, fasst die wichtigs— ten Punkte zusammen, die ein Start—up bei einer Crowdfunding— Aktion beachten muss: „Man muss immer im Kopf haben, wie man seine Idee am besten im Netz präsentiert, um die meisten Leute zu erreichen. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen und eine Botschaft zu senden.“ Das Berliner Start—up „Original Unverpackt“ hat in diese Vorbereitung viel Arbeit gesteckt und dabei offensicht— lich einiges richtig gemacht. „Wir haben für unsere Crowdfunding— Kampagne vorab eine genaue Kommunikationsstrategie entwickelt und uns überlegt, wo wir hinwollen. Im Endeffekt haben wir unsere Vision vorgestellt und die kam an“, sagt die Mitgründerin und frühere Werberin Milena Glimbovski. Die Idee eines Supermarktes gänzlich ohne Einmal—Verpackun— gen und à la Franchise—Prinzip zündete und wurde von vielen Me— dien aufgegriffen und dadurch noch vor dem Realitätstest deutsch— landweit beworben. Original Unverpackt eröffnete am 13. Septem— ber 2014 den ersten Supermarkt in Berlin—Kreuzberg und damit wenige Monate nach Beginn der Crowdfunding—Kampagne auf Startnext. Die Gründerinnen Glimbovski und Sara Wolf schreiben einen großen Teil ihres Erfolgs dieser Kampagne zu. Denn die 108.900 Euro, die das Berliner Start—up bis zum Spätsommer einge— nommen hatte, finanzierten die Entstehung und Eröffnung der ersten Filiale mit. Unterstützer konnten genau die Summe spenden, die sie ausgeben wollten - von 8 Euro bis zu 3.000 Euro. Je höher, desto umfangreicher oder wertvoller fiel die Gegenleistung aus. Dazu gehörten beispielsweise Jute—Beutel für Lebensmittel, vegane Kochbücher, Müsli—Angebote im Glas, die Teilnahme an der Eröff— nungsparty oder die Benennung eines Lebensmittels nach dem Spender. Auch ein Einkaufs—Bringdienst durch die Gründerinnen stand auf dem Zettel. „Witzige Sachen kommen gut an. Wir haben uns genau überlegt, welche Gegenleistung für welche Unterstützung <?page no="87"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 86 › uvk.de Stattdessen entscheiden die Projektinitiatoren selbst, mit welcher Summe sie Startnext unterstützen wollen. geeignet ist. So, dass es für uns nicht zu teuer ist und es die Unter— stützer wirklich haben wollen“, sagt Glimbovski. Trotz ihrer um— fangreichen Vorbereitung stellten auch Wolf und Glimbovski fest, dass die Praxis stets Überraschungen bereithält. Glimbovski macht eine wichtige Rechnung für alle auf, die es Original Unverpackt nachmachen wollen: „Von dem beim Crowdfunding eingesammel— ten Betrag geht noch einiges weg. Dazu gehören die Versandkosten, die Verpackungsmaterialien, der Einkauf der Produkte und die Organisation des Versandes. Nach der Kampagne hatten wir zwar zunächst viel Geld auf dem Konto. Aber es war dann eben auch schnell wieder weg. Am Ende bleibt nur ein kleiner Anteil übrig.“ Aus der eigenen Erfahrung rät sie, eher weniger als mehr verschie— dene „Goodies“ anzubieten und sich selbst keine zu hohe Messlatte bei den Versandzeiten zu setzen. Meist habe man zunächst anderes zu tun, als Pakete zu packen. Für Startnext war der Erfolg von Original Unverpackt ein Glücksgriff. Der deutsche Crowdfunding—Marktführer rückte damit stärker ins Rampenlicht. Startnext wurde 2010 in Dresden gegrün— det und verfügt über einen Standort in Berlin. Die zweisprachige Plattform, die auch Crowdinvesting—Projekte im Angebot hat, kon— zentriert sich auf Initiativen aus den Bereichen Kultur und Kreativ— wirtschaft sowie Social Entrepreneurship und will sich damit von der Konkurrenz abheben. Startnext nimmt im Gegensatz zu ande— ren Anbietern keine feste Provision pro Kampagne. Neben diesen Einnahmen finanziert sich Startnext über Entgelte für Premiumdienstleistungen wie umfangreichere Beratungen oder Workshops. Theil macht allen Start—ups Mut, es mit dem Crowdfunding zu probieren: „Es ist grundsätzlich für alle Projekte offen. Entschei— dend ist, dass es dem Start—up gelingt, eine Idee auf den Punkt zu bringen. Komplexe oder schwierig zu kommunizierende Vorhaben haben es grundsätzlich schwieriger.“ Wer seine Zielgruppe finde <?page no="88"?> Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert › uvk.de 87 und eine Nische bediene, könne hingegen gut Unterstützer finden. Auch sie sei immer wieder überrascht, welche Projekte am Ende erfolgreich seien. Allerdings betont Theil auch, dass die Erwartun— gen nicht in den Himmel ragen sollten: „Das Scheitern gehört zum Crowdfunding und Crowdinvesting dazu. Es sichert die Qualität der Projekte, die finanziert werden. Wichtig ist, dass wir lernen mit dem Scheitern besser umzugehen und eine Fehlerkultur zu entwi— ckeln. Wir können nur innovativ sein, wenn Ideen auch scheitern dürfen. Hier spielt eine große Rolle, dass die Medien dem Thema offen gegenüber stehen.“ Theil wirbt auch im eigenen Interesse mit dem gesellschaftlichen Wirkungspotential, das das Crowdfunding besitzen kann: „Letzt— lich entscheidet die Crowd draußen, ob eine Idee unterstützt wird oder nicht. Es ist eine Chance, sich früh einzubringen und im Be— reich der Mikrofinanzierung Impulse zu setzen und Einfluss zu nehmen.“ Dabei macht Theil große Unterschiede zu den USA aus. Dort habe die private Finanzierung von kreativen Ideen Tradition, da es kaum öffentliche Förderung gebe. Die Crowdfunding— Plattformen müssten nicht mehr erklären, warum das Sinn mache und das dies Innovationen und kreative Vielfalt fördere. VON DER UNI ÜBER DIE CROWD IN DIE WELT HINAUS „2011 habe ich auf YouTube ein Video hochgeladen, in dem ich meine Ball—Kamera präsentierte. Das hatte dann drei Millionen Hits und ich musste zwei Monate lang E—Mails mit der Frage be— antworten, wo man die Kamera kaufen könnte. Da habe ich mir gedacht, dass man das wohl auf den Markt bringen sollte. Nach— dem wir bereits von mehreren staatlichen Programmen gefördert wurden, lag es auf der Hand, eine Crowdfunding—Kampagne zu starten. Das verbindet einfach am besten die Kundensuche mit der Finanzierung und Werbung.“ Panono—Gründer Jonas Pfeil <?page no="89"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 88 › uvk.de Die Berliner Macher der BallKamera bekamen mehr als 1,25 Millionen Dollar zusammen, um die Entwicklung ihrer 360GradKamera ab schließen zu können, und brachen damit den deutschen CrowdfundingRekord. Noch ist der CrowdfundingMarkt in Deutschland klein und nicht in der Gesellschaft verankert. Die 2008 gegründete US—Plattform Indiegogo bietet ihren Service seit 2012 zusätzlich auf Deutsch an und hat in Konrad Lauten einen eigenen Marketingmanager für Deutschland eingestellt. Dass die über die ganze Welt verteilten Indiegogo—Nutzer bereit sind, Geld für deutsche Kampagnen auszugeben, zeigte spätestens das Beispiel Panono im Jahr 2012. Dafür musste das Team um Jonas Pfeil aber auch einiges tun: „Man muss seine potentiellen Kunden schon auf die eigene Crowdfunding—Seite bugsieren und versuchen, in den Medi— en präsent zu sein. Das kreiert den nötigen Buzz.“ Unterstützern versprach das Start—up unter anderem Ermäßigungen beim Kauf der Kamera. Die Einnahmen wurden für die Entwicklung der Ka— mera verwendet, die erstmals im Winter 2014/ 2015 ausgeliefert werden sollte. „Viele Projekte kommen aus Berlin. Hier herrscht das richtige Mikroklima, um nach Europa auszustrahlen“, begründet Lauten die Bemühungen von Indiegogo, vor Ort Präsenz zu zeigen. Crowd— funding sei eine gute Gelegenheit, um Ideen sichtbar zu machen, Kontakte zu knüpfen und wertvolles Feedback von Interessierten einzuholen. Die inhaltliche Leiterin von Startnext, Anna Theil, macht diesbezüglich auch keinen Interessenkonflikt wegen der Möglichkeit aus, dass sich jemand die Idee abguckt und dann schneller auf den Markt bringt: „Es wird weniger geklaut, wenn eine Idee in der Öffentlichkeit ist und erstmal klar ist, dass sie genau diesem Initiator gehört.“ Umfragen hätten ergeben, dass nur etwa 10 bis 15 Prozent der Be— völkerung überhaupt etwas mit dem Begriff anfangen könnten, sagt Lauten. Deswegen hält er es für wahrscheinlich, dass sich ange— sichts der beschränkten Nutzerzahl letztlich nur die großen inter— <?page no="90"?> Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert › uvk.de 89 nationalen Player durchsetzen können. „Das, was auf den deut— schen Plattformen in den letzten vier Jahren insgesamt eingesam— melt wurde, kommt bei Kickstarter und Indiegogo zusammen in einer Woche rein“, behauptet Lauten mit Blick auf die heimischen Anbieter. Wer bei Indiegogo Projekte initiieren oder unterstützen will, muss logischerweise erstmal eine Kampagne starten. Kommt bei einem Projekt die anvisierte Summe in die Kasse, fordert der US— Anbieter eine Gebühr in Höhe von vier Prozent des Gesamtbetra— ges. Gelingt dies nicht, wird keine Gebühr fällig, da der Bewerber gar kein Geld sieht. Will man sich nicht auf feste Endsumme festle— gen, gehen sogar neun Prozent der erzielten Summe an Indiegogo. Vor Indiegogo betrieb Lauten die lokale Crowdfunding—Platt— form Inkubato für kreative Projekte, hatte dann aber „keine Lust mehr auf die Selbstausbeutung“. Am Ende habe er nicht länger darauf warten wollen, Geld zu verdienen. Lauten ist sich nun si— cher, dass kleine Anbieter nur überleben könnten, wenn sie Nischen bedienten und eine genaue Zielgruppe ansprächen - beispielsweise im Sport— oder Wissenschaftsbereich. CROWDINVESTING UND SEINE HERAUS- FORDERUNGEN „Wir hatten schon einige hochkarätige Venture—Capital—Geber mit an Bord und wollten unseren Kunden die Chance geben, sich am Unternehmen zu beteiligen und mitzuwirken. Ziel war es, Kun— den und Partner zu emotionalen Investoren zu machen, die Freu— de und Interesse an der Weiterentwicklung des Unternehmens haben und so stärker zu Markenbotschaftern werden. Seit dem Abschluss der Emission haben wir viel produktives Feedback und Unterstützung der neuen Gesellschafter erhalten und sie zusätz— lich mit einem eigens entwickelten Botschafter—Programm mobili— siert. Zudem haben wir auch ein klares Umsatz—Plus bewirkt. Wir hatten viel PR und Mund—zu—Mund—Propaganda, die uns noch <?page no="91"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 90 › uvk.de Verbreitet ist das Crowdinvesting hierzu lande noch nicht. bekannter gemacht hat. Dies hat sich letztendlich auch in den Verkaufszahlen widergespiegelt.“ Urbanara—Geschäftsführer Benjamin Esser über die Crowdinvesting—Aktion des Heimtextilien—Anbieters 2013 Beim renditeorientierten Crowdinvesting beteiligen sich die priva— ten Kapitalgeber mit ihren Mikroinvestitionen direkt an den Projek— ten beziehungsweise Start—ups. Meist kann man bereits ab 50 Euro einsteigen und wettet damit auf künftiges Wachstum und möglich— erweise einen lohnenden Exit. Auf jeden Fall geht es darum, inner— halb einer bestimmten Zeit seinen Einsatz plus einen möglichst hohen Aufschlag zurückzuhalten. Ein Totalverlust muss allerdings immer einkalkuliert werden - er ist Teil der Crowdinvesting—Idee. Hier liegt auch der Hase im Pfeffer. Immer wieder wird auch seitens der Politik diskutiert, wie viele Informationen ein Start—up bereit— stellen muss, damit der Privatinvestor sein Risiko besser einschät— zen kann. Näheres dazu im letzten Kapitel. Die Entscheidung, zu investieren, fällt beim Crowdinvesting jedenfalls häufig rationaler aus als beim Crowdfunding, da es von Anfang auch immer um den finanziellen Erfolg geht. Beim Crowdfunding steht dieser meist stärker im Hintergrund. Häufiger trifft der Privatinvestor eine emo— tionale Entscheidung und lässt sich spontan von einer Idee mitrei— ßen. Die Summen, die in Deutschland bisher mit Crowdinvesting ein— genommen wurden, sind margi— nal. Laut der Deutschen Bank wurden 2013 nicht einmal ein Prozent des Volumens von klassischen Bankdarlehen an Selbstständige oder Unternehmen über Crowdinvesting—Plattformen finanziert 60 . Beim hiesigen Marktführer Seedmatch sind seit der Gründung 2011 bis zum Spätsommer 2014 rund 19 Millionen Euro investiert worden. Das Dresdner Unternehmen zählt mehr als 31.000 re— gistrierte Nutzer. Und diese sind zum Großteil männlich. „Zu mehr als 90 Prozent sind bei uns Männer als Anleger aktiv. Meist zwi— <?page no="92"?> Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert › uvk.de 91 schen 35 und 40 Jahren alt. Das ändert sich auch nicht, wenn wir ein Start—up haben, dass eine neuartige Kaffeemaschine auf die Beine stellen will“, verrät Sauer. Auf Crowdinvesting—Plattformen wie Seedmatch finden Investo— ren Informationen über die Start—ups, deren Ziele, Produkte bezie— hungsweise Dienstleistungen. Finanzdaten werden zur Verfügung gestellt und meist auch ein Präsentationsvideo gezeigt. „Wir haben formale Kriterien, nach denen wir die Start—ups auswählen. Außer— dem sollte das Start—up seine Zahlen so transparent wie möglich präsentieren, um dem Anleger möglichst alle Chancen und Risiken aufzuzeigen. Dazu gibt es eine Grundstruktur für die Businesspläne mit den wichtigsten Bereichen, die sich bei Seedmatch als Bench— mark für unsere Nutzer durchgesetzt hat. Start—ups können und sollten sich daran orientieren, um der Erwartungshaltung und den Ansprüchen der Nutzer an die gelieferten Informationen zu ent— sprechen“, erklärt Seedmatch—Gründer Sauer. Jährlich kämen 1.000 Anfragen von Start—ups herein, die gern eine Crowdinvesting— Kampagne starten würden. Davon würden nur rund 30 ausge— wählt. „Wenn ein Start—up über unsere Plattform erfolgreich sein will, benötigt es ein Alleinstellungsmerkmal und ein skalierbares Geschäftsmodell. Und es ist immer einfacher, wenn man dem Anle— ger zeigen kann, dass man schon mal Umsatz gemacht hat“, verrät Sauer. Wie auch bei anderen Plattformen gibt es bei Seedmatch keinerlei Beratung. Wer von dem Geschäftsmodell eines Projekts oder Start— ups überzeugt ist und investieren will, kann dies gleich online nach einer kurzen Anmeldung machen. „Unsere Durchschnittsinvestition liegt bei 1.000 Euro, das Gesamtportfolio eines Anlegers bei uns beträgt im Schnitt 3.000 Euro. Hier verwettet also niemand seine Rente“, sagt Sauer und betont, dass man den mündigen Investor suche, der sich auskenne und regelmäßig investieren wolle. Dadurch reduziere sich auch das Gesamtrisiko. „Es gibt einfach sehr viele Gründe, warum ein Start—up scheitern kann“, sagt Sauer. Diese Erfahrung mussten allein 2014 viele Grün— der machen. Damals verschwanden unter anderem der crowdfi— <?page no="93"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 92 › uvk.de In der Regel sei es beim Crowdinvesting normal, zwei bis dreimal hintereinander Geld zu verlieren und dann wieder einmal wirklich Gewinn zu machen. nanzierte Sommelier Privé, Sportrade und die über Seedmatch fi— nanzierten Start—ups Tampons For You, Betandsleep, BluePatent und FoodieSquare wieder vom Markt. „Wir versuchen proaktiv mit den Risiken für Anleger umzugehen. Letztlich muss jeder wissen, dass wir im Gegensatz zu Venture—Capital—Fonds keinen Einfluss auf die Unternehmen haben und deren Managemententscheidun— gen nicht steuern können. Wir sitzen bei denen nicht mit an Bord“, sagt Sauer. Schillerndes Beispiel dafür, was übers Crowdinvesting alles geht, ist das Ham— burger Start—up Protonet. Es stellte im Sommer 2014 einen Rekord bei Seedmatch auf - zugegebenermaßen einen, von dem in der schnelllebigen Start—up—Welt völlig unklar ist, wie lange man damit an der Spitze bleibt. Das Unternehmen, das Personalserver und die dazu passende Software entwickelt, fertigt und vermarktet, sam— melte innerhalb von 133 Stunden drei Millionen Euro bei der Crowd ein. Kein deutsches Start—up konnte zuvor mehr Geld über eine Handelsplattform einheimsen. Protonet stellte über Seedmatch umfangreiche Informationen zum Geschäftsmodell und den Zu— kunftschancen bereit. Das vom Startup—Verband zum „Deutschen Startup des Jahres 2013“ gekürte Unternehmen konnte bei ihrer Aktion bei den Anlegern wohl auch damit punkten, bereits mehr als 500.000 Euro Umsatz gemacht zu haben. Nach der erfolgreichen Crowdinvesting—Kampagne war die Begeisterung auf allen Seiten groß. Da wurde schnell gar nicht mehr davon gesprochen, dass für die Entwicklung neuer Hardware und deren Markteinführung viel Geld in die Hand genommen werden muss. Darum setzte Protonet dann gleich seine Kampagne mit einer zweiten Runde fort. <?page no="94"?> Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert › uvk.de 93 REGULIERUNG - WIE MACHT MAN DAS CROWD- INVESTING SICHER? Dass in der Crowdinvesting—Welt nicht überall rosarote Wolken hängen, hat sich in der Vergangenheit an der Zahl der steigenden Insolvenzen gezeigt. Das Aus für die Jungfirmen bedeutet meist den Totalausfall für den Investor. Diese Fälle haben ein Schlaglicht da— rauf geworfen, dass Privatanleger die Chancen und Risiken ihrer Investition schwer abschätzen können. Ihnen stehen nur die Infor— mationen zur Verfügung, die die Handelsplattformen über die Start—ups bereitstellen. Da die Firmen erst seit Kurzem auf dem Markt sind, gibt es meist keine vergleichbaren Umsatzzahlen. Ge— winne werden häufig noch gar nicht geschrieben. Es besteht nur eine rudimentäre Informationspflicht gegenüber dem Investor. Der Gründer der Investing—Plattform Bergfürst, Guido Sandler, hält diese Freiheit für falsch: „Das dicke Ende beim Crowdinvesting kommt noch. Es gibt keine Prospektpflicht und keine geregelten Risikohinweise bei teilweise abenteuerlichen Renditerechnungen. Es ist, als würde der Anleger die Katze im Sack kaufen.“ Angesichts dieser Kritik ist vielleicht interessant zu wissen, dass auch Bergfürst als reine Crowdinvesting—Plattform startete und sich später dann neu orientierte. Die schwarz—rote Bundesregierung hat sich eine Regulierung des grauen Kapitalmarktes, zu dem auch das Crowdfunding zählt, auf die Fahnen geschrieben. Neue Brisanz bekam die Regulierungsthe— matik durch die aufsehenerregende Pleite des Windenergieanbie— ters Prokon 61 Anfang 2014, von der rund 75.000 Kleinanleger betrof— fen waren. Diese - also die Verbraucher - sollten nach dem Willen der großen Koalition künftig besser geschützt werden. Bundesjus— tizministerium und Bundeswirtschaftsministerium entwarfen ein entsprechendes Maßnahmenpaket. Es soll dazu beitragen, dass Anleger künftig die Erfolgsaussichten einer Vermögensanlage bes— ser einschätzen können 62 . Das Crowdfunding stand dabei nie im Mittelpunkt des Vorhabens, sondern war ein Teilaspekt. „Einige Fragen sind noch offen. Bis das Vorhaben zum Gesetz wird, dauert <?page no="95"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 94 › uvk.de es noch eine Weile. Ziel ist es, dass das Kleinanlegerschutz—Gesetz den Markt fürs Crowdfunding öffnet. Wir wollen diese Chance nutzen“, betont der Vize—Direktor im Bundeswirtschaftsministeri— um, Andreas Gördeler, auf dem One—Spark—Festival in Berlin im Spätsommer 2014. Schließlich stehe Deutschland im Wettbewerb mit anderen Staaten, wo man da viel weiter sei, und befinde sich „nicht im luftleeren Raum“. Wenn woanders Finanzierungsformen besser funktionierten, könne es sein, dass sich die „Pflanze Crowd— funding in Deutschland nicht richtig entwickelt“. „Das wollen wir nicht“, ergänzt Gördeler. Seedmatch—Gründer Sauer ist ein Befürworter von genaueren Regeln, denn bisher sei „einfach nicht klar, in welchem Rahmen ein Start—up und damit eben die Handelsplattform den Investor über Risiken aufklären muss.“ Mehr Planungssicherheit sei wünschens— wert. Von dem ersten Entwurf des Kleinanlegerschutz—Gesetzes 63 war die Branche allerdings nicht überzeugt. „Mit dem bestehenden Entwurf ist nicht klar, ob man das Crowdinvesting tot machen will oder nicht“, findet Guido Sandler von Bergfürst. Deutlich zurückhaltender äußert sich Anna Theil, inhaltliche Lei— terin bei Startnext: „Wir halten einen sinnvollen Anlageschutz beim Thema Crowdfunding natürlich für sinnvoll. Wichtig ist, dass die Plattformen mit einer klaren und transparenten Kommunikation den Verbraucher darauf hinweisen, dass es sich beim Crowdinves— ting um Risikokapital handelt. Der Regulierung durch das Kleinan— legerschutz—Gesetz stehen wir kritisch gegenüber, da es die Innova— tionskraft von Crowdinvesting schwächt. Aus unserer Sicht wäre es wichtig, für das Crowdinvesting eine einheitliche europäische Rege— lung zu Themen wie Prospektpflicht oder Höhe der Einzelinvest— ments zu finden.“ Für Verwunderung bei den Plattformen sorgte vor allem die an— fängliche Idee, Crowdsourcing—Runden bei einer Million Euro zu deckeln. Die Berliner Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer will gern etwas für die Start—ups bewegen und sagt: „Berlin ist inzwischen ein Knotenpunkt in Europa für Crowdfunding geworden. Das Vor— <?page no="96"?> Kapitel 9. Wie die Crowd Projekte und Start-ups fördert › uvk.de 95 Auf keinen Fall darf eine Regulierung aber zur Bremse werden. haben der Bundesregierung ist richtig, einen verlässlichen Rechts— rahmen für das noch junge Finanzierungsmodell zu schaf— fen. Gerade hat Berlin im Bun— desrat einen Antrag durchge— setzt, dass Crowdfundung für Start—ups als unkompliziertes Finan— zierungsinstrument für Kleinanleger erhalten bleibt. Dazu gehört die unverhältnismäßig starke Einschränkung durch das Verbot von Werbung im Internet sowie die Auflage, das Informationsblatt auf dem Schreibtisch und nicht online unterschreiben zu müssen. Zu— dem drängt Berlin auf einheitliche europäische Grenzwerte für die Prospektpflicht.“ BERGFÜRST - VOM CROWDINVESTING ZUR BANK Die von Guido Sandler und Dennis Bemman im Dezember 2011 gegründete Firma Bergfürst beschreitet als Handelsplattform einen neuen Weg bei der Beteiligung von Anlegern an Jungfirmen. Im Juli 2014 erhielt das Berliner Unternehmen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Banklizenz, die den Er— werb von Aktien an einem Start—up ermöglicht. „Wir bieten Anlegern mehr Sicherheit über mehr Transparenz durch umfangreichere Publikationspflichten wie Quartalsberichte und Adhoc—Mitteilungen. Zudem können wir höhere Summen - nämlich über 100.000 Euro - für die Unternehmen einsammeln und das Depotgeschäft selbstständig durchführen, was die Nebenkosten minimiert. Bei Bergfürst kauft man nicht die Katze im Sack“, erläu— tert Sandler. In Bankenkreisen ist er bekannt, weil er einst die Berli— ner Effektenbank aufbaute, die heute unter dem Namen Quirin Bank bekannt ist und als Honorarberatung agiert. Bergfürst peilt Beteiligungssummen zwischen zwei und fünf Millionen Euro an. Als Bank ist Bergfürst an den Einlagensicherungsfonds angeschlos— sen, die Internetseite dient als Handelsplattform für die Aktien. „Wir ziehen das volle Programm durch, nur schlanker als es beste— hende Banken je könnten“, sagt Sandler. 2013 hatte sich die Genos— <?page no="97"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld senschaftsbank Berliner Volksbank mit einer unbekannten Summe an Bergfürst beteiligt. Deren Vorstandsvorsitzender Holger Hatje bezeichnete das Crowdinvesting damals als „aufstrebendes Wachs— tumsfeld“ 64 . Zunächst war es für Bergfürst jedoch schwierig, Unter— nehmen zu finden, die diesen neuen Weg mitgehen wollten. Außer Urbanara fand sich bis Ende 2014 mit dem Middendorf—Haus in Hamburg nur noch ein Immobilien—Investment. Mit dem Anspruch, sicherer und transparenter zu sein, als andere Plattformen, gehen auch mehr Aufgaben einher. Urban ara—Geschäftsführer Benjamin Esser erinnert sich: „Man muss sich als Unternehmen ganz anders organisieren und viele Stunden am Schreibtisch verbringen: Der Aufwand und der Profes— sionalisierungsgrad hinsichtlich des Reportings und der Gover— nance—Pflichten, die wir jetzt haben, sind natürlich nicht zu unter— schätzen. Diese neue Pflichten sind aber gar ni cht so schlecht: Wir sind erwachsener geworden.“ Vielleicht schreckten andere Start—ups vor dem höheren Aufwand zurück. <?page no="98"?> › uvk.de 97 Bei der Finanzierung von Startups spielen Business Angels hierzulande noch eine untergeordnete Rolle. Kapitel 10. Mit den Flügeln der Privatinvestoren zum Start-up „Einen Business Angel gewinnst du beim Lunch und einen VC mit dem Business Plan.“ Professor Sven Ripsas von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin Mit einer warmen Mahlzeit allein lassen sich zwar die wenigsten Business Angels von einer Geschäftsidee überzeugen, doch trifft dieses Bonmot recht gut einen Teil der Funktion von Business An— gels. Diese agieren stärker als VCs oder Banken eben nicht nur als Geldgeber, sondern auch als Berater und Mentoren und werden deswegen auch gern al s „partners in crime“ bezeichnet. „Gründer benötigen erfahrene und erfolgreiche Unternehmer, die bereit sind, mit Leidenschaft in mutige neue Ideen zu investieren“, sagt bei— spielsweise Ex—Siemenschef Heinrich von Pierer 65 . So sieht das auch die Vorsitzende des Business Angels Netzwerks Deutschland (BAND), Ute Günther: „Wir brauchen viel mehr Business Angels in Deutschland. Sie sind ein ungemein wichtiger Anker für die Inno— vationsfähigkeit einer Volkswirtschaft.“ Laut Startup Monitor griffen nur 28,2 Prozent der Befragten auf deren Hilfe zurück 66 . Bei mehr als der Hälfte aller Fälle erfolgte die Kontaktaufnahme über bereits bestehende Kontakte oder über die Kontakte anderer Gründer. In Berlin und Brandenburg agiert der 1999 gegründete Business Angels Club Berlin (BACB) als ein An— sprechpartner. Mitglieder sind Personen aus der Wirtschaft, die ihren Erfahrungsschatz und auch ihr Geld an St art—ups weitergeben wollen. In den vergangenen vier Jahren hätten die rund 55 BACB— <?page no="99"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 98 › uvk.de Mitglieder insgesamt 1,2 Millionen Euro in Start—ups investiert, rechnet BACB—Chef Thomas Dankwart zusammen. Der BACB be— treibt die BBAF Fondsgesellschaft, deren Fonds sich in der Seed— und Start—up—Phase an Unternehmen beteiligt. Zuletzt war das Fonds—Volumen allerdings ausgeschöpft, und es fanden keine neu— en Investitionen statt. Dankwart zufolge setzen die BACB—Mit— glieder ihren Schwerpunkt nun auf die Begleitung des Gründungs— teams und der Geschäftsidee, um beides belastbarer und wider— standsfähiger gegen äußere Einflüsse zu machen. INFOKASTEN - WAS IST EIN BUSINESS ANGEL? Als Business Angel bezeichnet man eine vermögende, unterneh— merisch denkende Privatperson, die ihr Geld in junge Unterneh— men investiert und sich an diesen direkt mit einem Minderheits— anteil beteiligt 67 . Häufig haben sie in ihrer Vergangenheit selbst als Gründer agiert. Meist beteiligen sie sich in der Frühphase der Firmengründung, wenn sich Venture—Capital—Gesellschaften noch nicht für das Start—up interessieren und eine Crowdsourcing— Aktion ebenfalls schwierig ist. „Business Angels helfen mit ihren Kontakten zu potentiellen Kunden und Kooperationspartnern sowie weiteren Finanzierungsinstitutionen. Die Finanzierung ei— nes Business Angels bringt Gründern oft das erste Eigenkapital für das Unternehmen. Zugleich profitieren sie vom Know—how und dem Netzwerk ihres Engels“, fasst der BACB—Vorsitzende Thomas Dankwart zusammen. Business Angels sind organisiert in Netzwerken und Verba9nden, bu9ndeln ihre Aktivita9ten in von ihnen finanziell gespeisten Fonds oder engagieren sich in Koope— rationen mit o9ffentlichen und seltener auch privaten VC—Fonds 68 . Business Angels steigen im Durchschnitt mit Beträgen zwischen 50.000 und 200.000 Euro ein, die gern in bestimmten Tranchen ausgezahlt werden. Die Auszahlung kann an Bedingungen ge— knüpft werden. Business Angels erhalten für ihre Investition in der Regel weniger als zehn Prozent am Unternehmen. „In Berlin sind im Schnitt zwischen 20.000 und 50.000 Euro bei einer Busi— ness Angel Finanzierung realistisch. Damit kommt man oft aller— <?page no="100"?> Kapitel 10. Mit den Flügeln der Privatinvestoren zum Start-up › uvk.de 99 dings nur zwei bis drei Monate weit. In dieser Zeit muss der Gründer beweisen, dass er auf dem richtigen Weg ist“, sagt Wirt— schaftsprofessor Sven Ripsas von der HWR Berlin, der seit Jahren selbst in Ideen und Teams investiert. „Die Entscheidung für eine Investition fällt informeller und persönlicher aus als bei Banken und VCs. Häufig lässt sich ein Business Angel von dem Eindruck leiten ‚Hey, der oder die kann das‘.“ Business Angel Ulrich Schmeiser fasst es so zusammen: „Ich finanziere ohne Vorlieben für bestimmte Projekte im Allgemeinen aus dem Bauch heraus, wenn sie mich begeistern und meiner Einschätzung sowie Prü— fungen durch BACB—Kollegen und Netzwerkpartnern standhal— ten.“ Gründer sollten trotzdem nie vergessen, dass auch die Engel mit Gewinnen für ihr risikoreiches Engagement belohnt werden wol— len. Sie möchten mit einem deutlichen Plus aus dem Unterneh— men aussteigen, meist nach einem Zeitraum von drei bis sieben Jahren. Häufig wird das Start—up dann verkauft. Während im Silicon Valley rund 20.000 Business Angels - darunter so bekannte Namen wie Microsoft—Mitgründer Bill Gates, der lang— jährige Google—Chef Eric Schmidt oder der deutschstämmige Face— book—Investor Peter Thiel unterwegs seien, käme man in Deutsch— land auf vielleicht 2.000 69 , schätzt jedenfalls Heinrich von Pierer. Das BAND—Netzwerk will sich auf keine genaue Zahl festlegen und nennt eine Spanne von 6.000 bis 9.000. Auf ähnliche Zahlen kamen Wissenschaftler in einer Studie des Zentrums für Europäische Wirt— schaftsforschung in Mannheim. Sie ermittelten 6.300 bis 9.100 Busi— ness Angels 70 . Professor Tobias Kollmann betont, dass die Business— Angel—Kultur in Deutschland „einen wesentlichen Schub benötigt“. Da gebe es noch einen „strukturellen Unterschied zu den USA“. „Business Angels sind schwer zu finden“, findet Darius Moeini von der Berlin Startup Consulting. Und sie lassen sich ihr Engage— ment genau wie Venture—Capital—Firmen in der Regel gut bezahlen. „Diejenigen, die die Brücke in die Start—up—Welt bauen können und dich mit ersten Prototyp—Entwicklungen unterstützen, nehmen eine <?page no="101"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 100 › uvk.de In der Regel greifen Business Angels nicht aktiv ins Firmengeschehen ein, bei wichtigen Entscheidungen müssen sie allerdings infor miert werden. hohe Eintrittsgebühr“, meint Shoepassion—Chef Tim Keding. Am Anfang sollte der Gründer maximal einen Anteil zwischen fünf und acht Prozent abtreten, mahnt Wirtschaftsprofessor Sven Ripsas. Dafür sollten sie laut Günther auch einiges bieten: „Neben dem Geld ist das Know—how der zweite Engelsflügel. Hinzu kommt die absolute Bereitschaft und Freude, einem jungen Unternehmen auf die Erfolgsspur zu helfen.“ Im Englischen wird deswegen auch gern vom „patient capital“ (ge— duldigem Kapital) gespro— chen. WO FINDET SICH EIN BUSINESS ANGEL UND WAS DANN? Laut der BAND—Vorsitzenden Günther sind Business Angels in Deutschland die wichtigsten Frühphasenfinanzierer. Business An— gels stehen ganz am Anfang der Finanzierungskette, dort, wo das Risiko, in ein Start—up zu investieren, am größten ist. Das BAND— Netzwerk will bei der Suche nach Business Angels helfen und gibt dafür den Mittelsmann. Auf der BAND—Internetseite (http: / / www. business—angels.de/ start—ups/ der—weg—zum—business—angel/ ) kann sich ein Start—up um eine Präsentation vor den Business Angels des Netzwerkes bewerben. Dafür muss ein One—Pager, also eine lange Online—Seite, mit den wichtigsten Informationen zu dem Produkt ausgefüllt werden und erklärt werden, was beispielsweise das Al— leinstellungsmerkmal ist. „Für innovative Start—ups auf der Suche nach Kapital lohnt es sich zudem, Matching—Veranstaltungen zu besuchen, um dort Kon— takte zu Business Angels zu knüpfen“, schlägt Günther vor. Diese Netzwerktreffen würden regelmäßig von den regionalen Business— Angels— Netzwerken organisiert. Dabei präsentieren sich ausgewählte Firmen einer gewissen An— zahl von Angels, die dann gemeinsam ihre Eindrücke von den Teams diskutieren können. Wecken die Start—ups Interesse, geht es <?page no="102"?> Kapitel 10. Mit den Flügeln der Privatinvestoren zum Start-up › uvk.de 101 anschließend in Einzelgespräche. Aus diesen können sich weiterge— hende Gespräche und Beteiligungsverhandlungen entwickeln 71 . Vorbereitet zu sein, lohnt sich laut Ripsas für ein Start—up immer: „Es ist wichtig, vorher gut zu recherchieren, um zu wissen, in wel— che Firmen der Angel bereits investiert hat. Dann weiß man, wo er kompetent ist und seine Netzwerke hat.“ Dem Geschäftsführer von Mister Spex, Dirk Graber, zufolge macht es Sinn, nach dem Höchs— ten zu streben. Für ein Start—up sei es für spätere Finanzierungsrun— den gut, wenn bereits die Business Angels eine gute Reputation hätten. Auch online können sich Investoren und Gründer näher kom— men. Dies ermöglicht beispielsweise die englischsprachige Internet— seite Venturegiant (www.venturegiant.com), bei der es nur ums Online—Matching geht. Die genannten Bemühungen, Kontakte zwi— schen Gründern und Business Angels herzustellen, scheinen sich auszuzahlen. Während 38 Prozent der Start—ups den Zugang zu Venture Capital als schwer beziehungsweise äußerst schwer be— zeichnen, sagen dies nur 23,3 Prozent über den Zugang zu Business Angels 72 . Auf der Suche nach Wagniskapital sollte jedes Start—up darüber nachdenken, warum es gern Kapital von einem Business Angel haben möchte. „Je innovativer die Idee, je jünger das Geschäftsmo— dell und die Industrie und je weniger Vorbilder oder Vergleichs— möglichkeiten es gibt, desto eher ist es ein Fall für einen Business Angel und weniger für eine Bank“, sagt der Professor für Unter— nehmensführung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Ber— lin, Sven Ripsas. Deswegen seien die Berliner Start—ups im E— Commerce—Sektor auch gut für Investitionen durch Business Angel geeignet. Häufig jedoch dürften einem Start—up die von einem An— gel zur Verfügung gestellten 50.000 Euro nicht genügen. Vielmehr benötigt das Start—up das Zwei— oder Dreifache. „Gerade am Anfang eignen sich für ein Start—up Business—Angel, die in der Lage sind, zweite und dritte Business—Angel—Runden über ihr privates Netz— werk zu organisieren“, sagt Ripsas. Und Business Angel Ulrich Schmeiser, der Mitglied im Business Angels Club Berlin (BACB) ist, <?page no="103"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 102 › uvk.de Die MentoringFunktion hilft vor allem Startups in ihrer Anfangsphase. geht auf die weiterreichenden Effekte ein: „Wenn wir uns an einem Start—up beteiligen, sind die Chancen der Firma größer, Bankkredite oder Fördergelder zu erhalten. Bereits unser Engagement und unse— re positive Einschätzung gelten als Qualitätssiegel.“ Als ein persön— liches Erfolgsbeispiel nennt der Berliner das Start—up Natural Dental Implants (NDI) mit Sitz in Berlin. Ein Mitgründer von NDI habe sich Ende 2010 auf der Suche nach Investoren an ihn gewandt. Das Gründerteam aus den USA habe ihn und ein eigens für das Vorha— ben gebildetes BACB—Team überzeugt, woraufhin er es auf das Matching vorbereitet habe. Dort hätten sich mehrere Angels ent— schieden, zusammen rund 100.000 Euro für den Erwerb von Wan— delanleihen, also festverzinslichen Wertpapieren, auszugeben. Das habe sich als Initialzündung zum Einwerben von Mitteln im einstel— ligen Millionenbereich erwiesen. Direkt danach seien die IBB Betei— ligungsgesellschaft wie auch der Hightech Gründerfonds eingestie— gen, denen dann unter anderem auch Business Angels aus den USA folgten. „2014 beteiligte ich mich an einer weiteren Finanzierungs— runde. Mein Engagement ist vor Verwässerungen geschützt, wenn ich es will“, sagt Schmeiser über seine Beteiligung an NDI, die 2014 an den Markt gingen. Er stehe NDI weiterhin als Mentor zur Seite. Auch der Online—Keksversand Knusperreich griff darauf zurück. „Wir haben unser Start—up wäh— rend des Studiums gegründet und hatten keine finanziellen Res— sourcen. Aus dem Umfeld der Universität stiegen dann zwei Busi— ness Angels mit kleineren fünfstelligen Beträgen ein. Sie brachten ein, was wir zu Beginn benötigten: Nicht nur Geld, sondern ein Netzwerk und viele Tipps“, erinnert sich Mitgründer Manuel Grossmann, der das Anfang 2011 gegründete Start—up inzwischen an einen mittelständischen Passauer Bäcker verkauft hat. Vor allem das große Netzwerk gilt als Vorteil von Berlin. „Hier sind alle extrem vernetzt. Ich persönlich kenne 40 bis 50 Business Angels. Wenn ich eine Firmenidee interessant finde, aber sie nicht in mein Profil passt, dann empfehle ich die Gründer weiter. Jeder Angel findet einen anderen Markt oder ein anderes Geschäfts— <?page no="104"?> Kapitel 10. Mit den Flügeln der Privatinvestoren zum Start-up › uvk.de 103 modell spannend“, erklärt Business Angel Christian Vollmann. Und dieses Netzwerk kommt nicht nur zum Einsatz, wenn es um eine Anfangsinvestition geht, sondern eben auch beim Verkauf von Anteilen oder Übernahmen. WAS SOLLTE DAS START-UP MITBRINGEN? Business Angels beteiligen sich traditionell in der Frühphase an einer Firma. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Entrepreneure sich noch bei null befinden dürfen. „Die Gründer sollten eine klare Vor— stellung davon haben, wie ihr Produkt funktioniert und welchen Mehrwert es für potenzielle Kunden hat, wer diese sind, wo man sie findet und wer die Wettbewerber sind“, gibt der BACB—Vorsitzende Thomas Dankwart einen Überblick darüber, welche Fragen schon mal geklärt sein müssten. Neben der Expertise fürs Produkt gehe es in erster Linie um den Markt und den Weg, wie man in diesen ein— treten wolle. Dazu sollten ein Businessplan, eine Finanz— und Liqui— ditätsplanung vorliegen sowie erste Skizzen für Unternehmensauf— bau, Strukturen und Personal existieren. Daneben sei natürlich immer das Team rund um den Gründer entscheidend. Business Angel Christian Vollmann, der unter anderem in Triva— go, StudiVZ, ResearchGate und MySportsbrand investiert hat, rät Gründern, die Firmenidee nicht zu lange unter Verschluss zu hal— ten, sondern damit frühzeitig an die Öffentlichkeit zu gehen. „Ein— fach loslegen, die Cloud—Dienste von Amazon mieten und erstmal etwas Vorzeigbares produzieren.“ Selten sei eine Idee neu, meist habe man nur einen etwas anderen Dreh. „Es reicht einem Business Angel nicht, wenn die potentiellen Gründer ein paar Leute auf der Straße befragt haben, ob sie an einer Dienstleistung oder einem Produkt interessiert sind. Zum Pretotyping, also einer Art Vor— Prototyp, sollte man besser schon mal gekommen sein“, sagt Voll— mann, dessen Erfahrungen als Arbeitnehmer bis zu den Anfängen von Jamba und Alando zurückreichen. Der Begriff des Pretotyping wurde von dem früheren Google—Mitarbeiter Alberto Savoia ge— prägt. Dabei geht es darum, eine Geschäftsidee möglichst günstig, <?page no="105"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 104 › uvk.de schnell und objektiv zu testen 73 . Savoia prägte dabei die Bezeich— nung: „Fake it before you make“. INVEST UND WIE MAN ANGEL NOCH FÖRDERN KÖNNTE Seit Mai 2013 unterstützt die Bundesregierung Business Angels über das Invest—Programm 74 . Dies ist ein Zuschuss in Höhe von 20 Prozent der Investitionssumme. Der Bund stellt dafür bis 2016 ins— gesamt 150 Millionen Euro zur Verfügung 75 . 2015 standen im Haus— halt 23 Millionen Euro für den Investitionszuschuss zur Verfü— gung 76 . Anspruch auf die Förderung hat ein Business Angel, wenn die Beteiligung für mindestens drei Jahre gehalten wird und es sich um eine erstmalige Beteiligung handelt. Der Investor muss dem Unternehmen mindestens 10.000 Euro zur Verfügung stellten. Die Maximalsumme je Investor liegt bei 250.000 Euro. Pro Start—up kön— nen pro Kalenderjahr Anteile im Wert von bis zu einer Million Euro bezuschusst werden. Ein Unternehmen kommt nur dann in Frage, wenn es unter anderem über weniger als 50 Mitarbeiter verfügt und einen Jahresumsatz von maximal zehn Millionen Euro aufweist. Der Invest—Antrag erfolgt von beiden Seiten. Einmal muss das Unternehmen online einen Antrag auf Förderfähigkeit beim zu— ständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) stellen. Dann beantragt der Business Angel den Zuschlag und gibt dabei die Antragsnummer der Jungfirma an 77 . Sollte eine Firma zunächst keinen Business Angel zur Hand haben, hat sie sechs Mo— nate Zeit, dies zu ändern. Funktioniert dies nicht, ist es möglich, einen neuen Antrag zu stellen. „Der Invest—Zuschuss für Wagniskapital ist ein wichtiger Schritt der Politik, um das Engagement von Business Angels für innovative junge Unternehmen anzuerkennen“, sagt die BAND—Vorsitzende Ute Günther. Wie viele Angel Investoren in Deutschland aktiv seien, lasse sich nur schwer sagen. „Es handelt sich um einen informellen Markt, der einem Eisberg ähnelt. Was an der Oberfläche schwimmt, kann man <?page no="106"?> Kapitel 10. Mit den Flügeln der Privatinvestoren zum Start-up › uvk.de 105 zumindest wahrnehmen, was sich unter Wasser befindet, weiß allerdings niemand.“ Günther regt vermehrte Forschungsarbeiten über den Business—Angels—Markt an und den intensiven Austausch innerhalb Europas. Ganz wichtig sei auch, die gesamte Finanzie— rungskette im Blick zu behalten. „So müssten Venture—Capital— Geber und Business Angels an einem Strang ziehen. Es muss sich die Ansicht durchsetzen, dass es ohne den anderen nicht geht“, sagt die BAND—Vorsitzende. Jeder müsse zu seinem Recht kommen. Der CDU—Wirtschaftsrat und die Boston Consulting Group schlagen konkret vor, Steuern auf Anteilsgewinne der Business Angels zu stunden, falls diese Gewinne in weitere Start—ups gesteckt werden. Zudem sollten die Verluste aus Start—up—Beteiligungen bei der Einkommenssteuer des Investors berücksichtigt werden 78 . Im— mer wieder wird das Enterprise Investment Scheme (EIS) aus Groߗ britannien als Vorbild genannt. Dabei kann der Investor unter ande— rem 30 Prozent seiner Investition gegen seine Einkommensschuld aufrechnen 79 . „Dieses Programm ist nachweislich erfolgreich“, be— tont Professor Tobias Kollmann. Für viel Kritik in der Start—up—Branche sorgte Ende 2014 eine Bundesratsinitiative des hessischen Finanzministers Thomas Schä— fer. Darin plädierte er unter anderem für die Wiedereinführung der Steuerpflicht von Veräußerungsgewinnen bei Streubesitzanteilen an Kapitalgesellschaften 80 . Dies soll dem Staat jährlich 600 Millionen Euro bringen. Die Initiative bekam schnell den Namen Anti—Angel— Gesetz verpasst. Schließlich sind Business Angels in der Regel mit weniger als zehn Prozent an Start—ups beteiligt. Der Vorsitzende des Branchenverbands Bitkom, Ulrich Dietz, forderte deswegen, den Vorschlag nicht weiterzuverfolgen: „Wir brauchen mehr Start—ups in Deutschland, nicht neue Steuern für risikobereite Geldgeber 81 “. Es sei falsch, die Steuerbefreiung für Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen als Steuervergünstigung zu betrach— ten. Dabei handele es sich vielmehr um eine systematisch notwen— dige Regelung zur Vermeidung steuerlicher Mehrbelastungen. Der in der Szene bekannte Business Angel Christian Vollmann bezeichnete das gesamte Vorhaben von Schäfer als „sehr kontra— <?page no="107"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld produktiv“. Auf der einen Seite wollten alle Start—ups fördern und auf der anderen Seite träten dann solche Initiativen zu Tage. „Da hat man das Gefühl, dass in der Politik niemand miteinander re— det.“ <?page no="108"?> › uvk.de 107 Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder und warum Konzerne die Startup-Welt für sich entdeckt haben „Man sollte sich nur mit einem Thema auseinandersetzen, mit dem man sich auskennt. Leider ist es so, dass heutzutage viele ei— ner hippen Sache hinterherlaufen und dann die x—te App entwi— ckeln wollen. Früher wollte eben jeder eine Rockband gründen und heute ist es cool, ein Start—up aufzumachen.“ Peter Borchers, Chef von hub: raum und Gründer von everseven Reddit, Homejoy, AirBnB, Dropbox - das sind weltweit bekannte Start—ups, die alle durch die Schule von YCombinator gegangen sind. Das 2005 gegründete US—Paradebeispiel für ein gut funktionie— rendes Gründerzentrum mit Wagniskapitalcharakter gilt vielen in Deutschland und dabei vor allem in Berlin als Vorbild. Zu gern würden Großkonzerne und andere Inve storen eine solche Kader— schmiede hierzulande etablieren. Die Idee, Start—ups in ihren An— fangstagen zu unterstützen und im Gegenzug für die geringfügige finanzielle Hilfe und Rundumversorgung einen Anteil zu erwerben, fand viel Anklang. So genannte Acceleratoren, Inkubatoren, Family Offices und Company Builder schossen aus dem Boden. Allerdings hat die natürliche Ausle se längst begonnen. Einige Initiativen der ersten Stunde sind bereits vom Markt verschwunden. Zunächst aber einmal zur recht schwierigen Begriffsklärung. All die genannten Institutionen haben gemein, dass sie zeitlich begrenzt Unternehmen in der Seed—Phase fördern. Dies machen sie natürlich nicht uneigennützig. Am Ende des Tages sollen sich ihre Investitio— nen au szahlen. Daher lesen die Anbieter genau aus. Wer sich be— wirbt, sollte sich vorher genau nach den Programminhalten erkun— <?page no="109"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 108 › uvk.de digen. Manche Anbieter sind auf bestimmte Bereiche wie E—Health oder digitale Geschäfte fokussiert. INFOKASTEN - FIRMENGEBURT MIT HILFE DES INKUBA— TORS Inkubatoren gelten als Brutstätten, die Firmen in ihrer Frühphase mit einer Art Rundum—Versorgung dienen und sich vor allem dadurch von Business Angels unterscheiden. Meist finden die Start—ups in einer Einrichtung Platz, wo sie auf Gleichgesinnte und Mentoren treffen. Dies soll ihnen den besten Start und beste Wachstumschancen ermöglichen. Untersuchungen haben erge— ben, dass Jungunternehmen, die einen Platz in einem Inkubator hatten, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben als ihre Pendants ohne Inkubator—Starthilfe 82 . Der Preis für die Hilfe ist der Einstieg des Inkubators in das Unternehmen, indem er genau wie ein Accelerator Anteile erwirbt und damit am künftigen Er— folg beteiligt ist. hub: raum beispielsweise stellt den Start—ups bis zu 300.000 Euro zur Verfügung und verlangt im Gegenzug eine Beteiligung zwischen 10 und 15 Prozent. In der Regel können Start—ups zwischen sechs Monaten und einem Jahr auf die Hilfe des Inkubators setzen. Dieser bietet den Geförderten neben dem Geld seine verschiedene Ressourcen und Dienstleistungen an. Meist wird unerfahrenen Gründern ein Expertenteam zur Seite gestellt, dass ihnen operativ hilft. Häufig wird das ursprüngliche Team auch ergänzt und Mitarbeiter des Inkubators übernehmen Posten bei dem Start—up. Der Inkubator greift mit seinem Netz— werk und Kontakten bei der Marktanalyse, Strategie— und Pro— duktentwicklung sowie beim Marketing unter die Arme. Häufig gehören auch Büroräume zum Angebot. <?page no="110"?> Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder › uvk.de 109 INFOKASTEN ACCELERATOREN - IN DER KÜRZE LIEGT DIE WÜRZE Acceleratoren wollen, wie auch schon der Name zeigt, Firmen zum schnellstmöglichen Erfolg verhelfen und ihr Wachstum zu fördern. Sie nutzen dafür ähnliche Mittel wie ein Inkubator. Bei einem Accelerator ist die Förderperiode allerdings kürzer und endet meist nach drei bis vier Monaten. Die Start—ups erhalten im Schnitt in Deutschland deutlich weniger als 100.000 Euro als Starthilfe. Im Gegenzug steigen die Acceleratoren mit einem ein— stelligen Prozentanteil ein. Springer nimmt zum Beispiel fünf Prozent, die Berlin Startup Academy vier Prozent, das Start— upbootcamp acht Prozent für 15.000 Euro. Eine Nummer größer fällt alles beim größten europäischen Accelerator - Seedcamp aus London - aus, der in der Vergangenheit bereits Berliner Gründer in seinem Programm hatte. Seedcamp bietet zwischen 0 und 250.000 Dollar. Dafür verlangt der Investor maximal zehn Prozent am Startup. Bekannte Acceleratoren sind Axel Springer Plug & Play - ein Joint Venture des deutschen Medienkonzerns mit dem im Silicon Valley ansässigen US—Investor Plug and Play Tech Center, dld ventures vom Burda Verlag, die Berlin Startup Academy, das Startupboot— camp sowie der ProSiebenSat.1 Accelerator vom gleichnamigen Fernsehkonzern, der auch in Berlin ei n Büro hat. Der German Ac— celerator hat sich einen Namen mit einer anderen Ausrichtung er— worben. Das Programm richtet sich ausschließlich an Start—ups aus Deutschland, die in den USA Fuß fassen wollen. Es wird vom Bun— deswirtschaftsministerium unterstützt. Standorte sind San Francis— co, New York und das Silicon Valley. Dort fi nden für die teilneh— menden Start—ups Workshops statt, Mentoren kümmern sich um sie und Büroräume werden zur Verfügung gestellt. „Es ist im Interesse der Bundesregierung, deutsche Technologie ins Ausland zu brin— gen“, begründet der Chef vom German Accelerator, Andy Gold— stein, die Bemühungen. Nikolas Schriefer, Geschäftsführer des <?page no="111"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 110 › uvk.de Inkubatoren wie auch Acceleratoren feiern derzeit Hochkonjunktur. Start—ups Stagelink, das 2014 am Programm vom German Accelera— tor in New York teilnahm, lobt vor allem das Mentoren—Netzwerk. Da seien sehr gute Kontakte dabei gewesen. Trotzdem rät Schriefer nachfolgenden Teilnehmern, immer auch selbst aktiv zu sein und sich darüber hinaus um weitere Treffen mit möglichen Investoren und Branchenkennern zu bemühen. Nik las Veltkamp, Geschäfts— führer beim Branchenverband Bitkom, begrüßt den German Ac— celerator, hält dessen Erfolg jedoch für ein zweischneidiges Schwert: „Für viele Start—ups, die einmal drüben sind, liegt der Schritt sehr nah, einfach dort zu bleiben. Wir müssen uns in Deutschland an— strengen, um ähnlich attraktive Standorte für St art—ups zu schaffen.“ Einige Firmen wie beispielsweise hub: raum von der Deutschen Telekom haben beides im Angebot, nämlich ein Accelerator— und ein Inkubator—Programm. „Das Accelerator—Programm ist die kleine Schwester des Inkubators. Dort können Gründerteams, deren Ideen zur Telekom passen, diese zu finanzierbaren Geschäftsmodellen weiterentwickeln. Wir stellen ihnen kostenfrei di e Infrastruktur des hub: raum—Campus und die wöchentlich erneuerten hub: raum Pro— gramm—Angebote wie Mentoren— und Expertensprechstunden, Workshops und Events zur Verfügung“, erklärt hub: raum—Chef Peter Borchers. BLÜTEZEIT FÜR INKUBATOREN UND ACCELERATOREN Vor allem bei deut— schen Großunterneh— men gehört es mittlerweile zum guten Ton, entsprechende Grün— derzentren zu betreiben. Es gilt als Nachweis für das eigene Interes— se an Innovation und anhaltendem Wachstum. Und Inkubatoren beziehungsweise Acceleratoren sind ein vergleichsweise günstiger und risikoarmer Weg, sich dies ins Haus zu holen, ohne selbst eine komplette Forschungs— und Entwick lungsabteilung finanzieren zu müssen. „Es ist Mode geworden“, sagt Borchers von hub: raum. Dies ändere jedoch nichts daran, dass sich die Beziehung für beide <?page no="112"?> Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder › uvk.de 111 Seiten lohnen kann. So könnten Start—ups über die Firmen—Inkuba— toren leichter an Großkunden gelangen und schneller ihre Reich— weite ausdehnen. „Es ist für die Telekom sehr sinnvoll, in Start—ups zu investieren. Dadurch kommt man an Innovationen und erkennt Trends frühzeitig, was in den heutigen Zeiten mit den schnellen Ma rkteinführungszyklen immer wichtiger ist. Das hat uns spätes— tens der rasante Aufstieg von Skype gezeigt“, sagt Borchers. Tele— kom—Chef Niek Jan Van Damme will die jungen Firmen im Gegen— satz zu früher lieber umarmen als wegstoßen: „Wenn man sie nicht bekämpfen kann, sollte man sie zu Partnern machen.“ Und er wi rbt, die Telekom könne Start—ups etwas bieten, was diese noch nicht hätten - den Zugang zu 160 Millionen Anschlüssen und damit Kun— den weltweit. Nicht nur bei der Telekom und Axel Springer, sondern auch bei Bayer, Fielmann, Allianz, dem Online—Marktplatz Scout24 mit You is now oder Lufthansa gehört di e Start—up—Förderung längst zum Konzerngebilde. „Das Interesse der Unternehmenswelt hat der Entwicklung der Start—up—Szene ganz neuen Drive gegeben“, findet der Leiter der Berlin Startup Academy, Christoph Räthke. Dass allerdings auch Großfirmen einem Inkubator/ Accelerator keinen Erfolg garantieren, zeigte Epic Companies im Spätsommer 2014. Der Inkubator des Fernsehkonzerns ProSiebenSat.1 muss te dicht machen. Die Konzentration auf der Medienbranche ferne Geschäftsmodelle in der Frühphase schlug fehl. Offenbar hatte man bei der Auswahl der Start—ups zu häufig kein gutes Händchen. Eineinhalb Jahre nach dem Start zog ProSiebenSat.1 die Reißleine. Die Münchener Großfirma integrierte einen Großteil der bereits geförderten Start—ups in an dere Unternehmensbereiche ein. Dieses Negativbeispiel folgte kurz auf das Ende des Bertelsmann— Inkubators Bevation und verstärkte den Eindruck, dass entspre— chende Gründerzentren über kurz oder lang dazu verpflichtet oder eben verdammt sind, Erfolge vorzuweisen. Tun sie dies nicht, wird der Betreiber letztlich den Hahn zudrehen, da er an seine eigene Bilanz denken mu ss. <?page no="113"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 112 › uvk.de „Wenn ein Großkonzern einen Inkubator oder Accelerator be— treibt, hat dies nur Sinn, wenn der Konzern sich langfristig im Start— up—Geschäft engagieren möchte. Im Durchschnitt brauchen ameri— kanische VC—Unternehmen sieben Jahren bis zum Exit. Das Ziel sollte es sein, an den innovativen Gedanken der Start—ups früh be— teiligt zu sein und damit für den Konzern zu lernen“, sagt Wirt— schaftsprofessor Sven Ripsas. Wenn man nur die Kosten der ersten drei Jahre berücksichtige, führten solche Initiativen nicht zum Ziel. Ein Inkubator besitze kein verlässliches Ertragsmodell. Laut einer Studie der US—Universität MIT sollen nur vier Prozent der Start—ups, die auf die Hilfe eines Inkubators oder Accelerators zurückgriffen, durch ihren Verkauf an ein anderes Unternehmen oder einen Bör— sengang so viel Geld eingenommen haben, dass ihre Frühinvestoren sich ebenfalls etwas in die Tasche stecken konnten 83 . Auch Professor Tobias Kollmann, der dem Beirat „Junge digitale Wirtschaft“ des Bundeswirtschaftsministeriums vorsteht, weist dar— auf hin, dass ein Inkubator keine Alibi—Funktion für Großkonzerne haben dürfe. Das könne nur ein Baustein sein, der von weiteren Maßnahmen begleitet werde. „Das kann nur funktionieren, wenn eine offene, faire und gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kulturen auf beiden Seiten realisiert wird. Ne— ben Kapital ist dabei insbesondere der Zugang zu Märkten für ein Start—up entscheidend. Hinzu kommt derzeit noch, dass es für die ganzen vielen Inkubatoren konzentriert an einem Ort gar nicht ausreichend viele gute Geschäftsideen gibt, bei denen sich eine Zusammenarbeit lohnt“, merkt Kollmann an. Viele Inkubatoren - wie hub: raum oder Axel Springer Plug & Play - akzeptieren unter anderem deswegen Bewerbungen aus dem Ausland. Der Beirat Junge Digitale Wirtschaft hat jedenfalls beschlossen, dass Inkubatoren und Acceleratoren geeignet sind, um die Start—up— Branche voranzubringen. Er empfiehlt, steuerliche Anreizsysteme für Konzerne und private Geldgeber für Investitionen in Inkuba— toren zu schaffen, ein nationales Förderprogramm fu9r den Aufbau von Inkubatoren aufzusetzen und den Anstoß für ein Deutsches Inkubatoren—Netzwerk zu geben 84 . <?page no="114"?> Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder › uvk.de 113 Doch schon allein die Bewerbung kann ein Startup voranbringen. CHECK-LISTEN, BEWERBUNGSSTRESS UND DAS LIEBE GELD Es lohnt sich für Gründer, genau zu schauen, wie sich die Inkuba— toren und Acceleratoren voneinander unterscheiden und mit frühe— ren Programmteilnehmern zu sprechen. Auch Unterhaltungen mit den Betreibern der Programme sind sinnvoll. Borchers und auch Rheinboldt kann man beispielsweise regelmäßig in Berlin bei Ver— anstaltungen treffen. Häufig sitzen sie auch in Jurys von Pi tch— Wettbewerben. Vor allem beim Mentoring und den finanziellen Hilfen gibt es Gefälle. So konzentriert sich beispielsweise die Berlin Startup Academy auf die Wissensweitergabe und bietet den Gründern kei— ne Anfangsfinanzierung an. Innerhalb der drei— bis viermonatigen Förderperiode stehen wöchentlich wechselnde Themen wie Mar— kenbindung, Produktdefinierung und Sto ryt el li ng auf der Ta ges— ordnung. Dazu gibt es Hausaufgaben. „Bei uns können sich Start— ups bewerben, die eigentlich noch keine sind - also sehr früh im Lebenszyklus. Uns genügt eine gute förderfähige Idee, da braucht man im Gegensatz zu den Anforderungen der anderen Accelerato— ren noch kein Produkt, Team oder Prototypen“, sagt Räthke. Work— sh ops, Veranstaltungen mit Investoren oder Reisen gehören zu jedem Inkubator— und Accelerator—Programm. Sie sind also eine gute Möglichkeit, viel über das Start—up—Geschäft zu lernen. „Aber vor allem junge Gründer laufen Gefahr, darüber ihr eigentliches Ziel zu vergessen. Es passiert einfach ständig etwas und die eigent— lic he Arbeit an dem Start—up rückt leicht in den Hintergrund“, warnt Darius Moeini von der Berlin Startup Consulting. Denn dafür sollte der Gründer die Geschäftsidee noch mal gründlich durchdenken und im Idealfall be— reits mehr als eine Power—Point—Präsentation vorzeigen können. Bei den meisten Programmen wie hub: raum, Axel Sp ringer Plug & Play und das Startupbootcamp kann man sich direkt online bewerben. Dafür sind meist neben Informationen zur Geschäftsidee und den <?page no="115"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 114 › uvk.de jeweiligen Märkten, Angaben zum Team und den bisherigen Erfah— rungen und den Ertragsmöglichkeiten nötig. Auch für diejenigen, die noch keinen richtigen Ort zum Arbeiten und Austauschen haben, kann sich die Teilnahme an einem Inkuba— tor/ Accelerator—Programm lohnen. Axel Springer Plug & Play hat für die Start—ups beispielsweise eine vom Künstler Clemens von Wedel mit Graffiti und Malereien gestaltete und ansonsten recht karg—moderne Etage in der Markgrafenstraße ganz in der Nähe vom Springer—Haus. Das drei Mal im Jahr stattfindende Accelerator— Programm ist auf jeweils drei Monate ausgelegt. „In dieser Zeit wollen wir herausfinden, ob wirklich etwas hinter der Geschäftsi— dee steckt. Hypothesen sollen in Tests umgewandelt werden“, fasst der Chef von Axel Springer Plug & Play, Jörg Rheinboldt, zusam— men. Springer überweist den jeweils acht bis zehn teilnehmenden Start—ups zu Beginn 25.000 Euro für anfängliche Ausgaben und beteiligt sich dafür mit fünf Prozent an der Firma. Der „Bild“— Herausgeber interessiert sich vor allem für Ideen, die mit den Seg— menten zu tun haben, in denen das Haus aktiv ist und sich deswe— gen Synergien ergeben könnten - also vor allem aus den Bereichen Vermarktung, Journalismus und Digitales. Am Ende der drei Monate soll die Anschlussfinanzierung durch andere Investoren stehen und für Springer langfristig gesehen der Wert des erworbenen Mini—Anteils steigen. Zumindest den ersten „Jahrgängen“ - darunter Start—ups wie der Internet—Sicherheits— anbieter Zenmate, Direkt—Banken—Konkurrent Number 26 oder die E—Learning—Plattform get2play gelang dies ausgesprochen gut. „Im Rückblick waren für uns die Bereitstellung des Büros, das gesamte Umfeld und die Finanzierung sehr hilfreich“, fasst der Mitgründer von Zenmate, Simon Specka, zusammen. Diese Erfahrung hat auch Rheinboldt gemacht: „Die Start—ups werden bei uns dazu animiert, sich Strategiefragen zu stellen und sich genau zu überlegen, wo es hingehen soll. Da kann man den Teams immer Angebote machen, die ihnen weiterhelfen, vor allem in den Bereichen Finanzierung, Organisationsaufbau sowie Marketing und Vertrieb.“ Die Bewer— bungen für den Accelerator Axel Springer Plug & Play kommen <?page no="116"?> Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder › uvk.de 115 jetzt aus der ganzen Welt. Zu Beginn war es allerdings nicht so einfach, Kandidaten zu finden. „Viele haben sich schon gefragt, was das strategische Interesse von Springer ist“, erinnert sich Rhein— boldt. Internationalität ist Springer wichtig, schließlich sitzt der Partner in den USA. Man hat dort selbst eine Repräsentanz installiert und Anton Waitz al s Geschäftsführer hingeschickt. Ausgewählten Start— ups winkt eine Reise nach Kalifornien. Rheinboldt gibt als langfris— tiges Ziel für Axel Springer Plug & Play aus: „Erfolgreich sind wir, wenn einige unserer Start—ups einen guten Exit hingelegt haben“. Springer ist an dem Thema Start—ups nicht nur über den Accelerator dr an. Das Medienhaus ist am Inkubator Project A Ventures sowie zu 49 Prozent am Veranstalter der Berliner Eventreihe hy! Berlin be— teiligt. Außerdem kaufte der Konzern, der sich als Herausgeber der Zeitungen „Bild“ und „Welt“ einen Namen machte, 2013 die Firma Vertical Media. Diese bringt den deutschlandweit in der Szene viel gelesenen Blog Gründerszene und die englischsprachige Internet— seite Venturevillage heraus. WENN EIN COMPANYBUILDER DIE IDEENFINDUNG ÜBERNIMMT Neben Inkubatoren und Acceleratoren gibt es die Company Buil— der, die Start—ups mit Know—how und Geld voranbringen wollen. Die Übergänge sind wie in allen Bereichen fließend. Der Vertreter, der alle anderen mit seiner Größe und Kapitalkraft in den Schatten stellt, ist Rocket Internet. Als Company Builder gelten neben Rocket Internet die Ro cket— Internet—Abspaltung Project A und die im Berliner Umspannwerk in Kreuzberg ansässige Firma M Cube. Sie sieht sich in erster Linie als Company Builder, der sich auf den Aufbau von lokalen Dienstleis— tungs—Vergleichsportalen konzentriert. „Der Companybuilder hat eine Idee und sucht sich dazu nach dem Prinzip Casting—Sh ow ein Team. Im Gegensatz dazu ist bei einem Inkubator das von außen kommende Start—up Inhaberin der Idee“, erklärt M Cube—Chef Jan <?page no="117"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 116 › uvk.de Dzulko, der vor M Cube zwei Start—ups aufgebaut hatte, die er dann an Check24 verkaufte. Erste Plattform von M Cube war ein Preisvergleichsportal für Be— stattungsunternehmen. Wenn er auf Veranstaltungen redet, bringt Dzulko zuverlässig den Gag, dass es gut sei, damit das Unterneh— men noch nicht begraben zu haben. M Cube wendet sich in erster Linie an junge „energiegeladene“ Gründer, denen ein professionel— ler Unterbau dabei helfen soll, bei der Firmengründung auf die Tube zu drücken. „Während wir für den ersten Produktlaunch fast ein Jahr benötigten, vergehen mittlerweile zwischen Startschuss und der ersten Google—Werbekampagne nur noch zwei Monate“, sagt Dzulko. Dafür, dass die Gründer außer ihrer Person und Ar— beitskraft kaum noch etwas mitbringen müssen, zahlen sie natürlich einen Preis. Sie halten letztlich nur zwischen 2,5 und 10,0 Prozent an dem Start—up. „Das hängt damit zusammen, dass wir einfach mehr an den Tisch bringen als die Gründer. Wir finanzieren das Ganze und tragen das komplette Risiko und haben bereits fertige Techno— logien und Abteilungen wie Marketing, HR und Sales. Die Beteili— gung ist eher als Bonus gedacht, als Form der Partizipation am spä— teren Erfolg“, begründet Dzulko das Angebot. Allerdings gibt auch er zu, dass sich ein Gründer mit einer kom— plett eigen—entwickelten Idee, der die Mehrheit an seinem Start—up hält und nicht nur ein paar Prozente, würde „sich vielleicht noch mal mehr ins Zeug legen und auch das Scheitern seiner Ehe in Kauf nehmen“. Doch an diese Gründer wendet sich M Cube eben auch nicht. Denn der Company Builder ist auf der Suche nach den unerfahre— nen Entrepreneuren. „Der größte Fehler von jungen Gründern ist, dass sie jung sind. Sie haben nicht die Erfahrung, wie man eine große Firma aufbaut. Da geht es um handwerkliche Fehler bei— spielsweise bei der Mitarbeiterführung oder Verhandlungen mit Geschäftskunden“, sagt Dzulko, der auf 15 Jahre in der Branche zurückblickt. Die Gründer innerhalb seines Company Builders könnten sich jederzeit an ihn wenden, er sei ja nur ein paar Schreib— tische entfernt. Er sehe sich als Fußball—Coach für Nachwuchsspie— <?page no="118"?> Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder › uvk.de 117 ler. „Mit mir kann man sich auch mal darüber austauschen, ob ein Mitarbeiter wirklich entlassen werden muss.“ ROCKET MACHT ES MIT GRÖSSE UND MASSE „Wir haben in der Rocket Internet AG über 400 Leute, die sich um die Belange der Start—ups kümmern“, sagt das Vorstandsmitglied von Rocket Internet, Alexander Kudlich. Das minimiere das Risiko, unnötige Fehler zu machen. Zugleich betont Kudlich, dass die Ge— schäftsmodelle durch einen extrem harten Filter gingen, bevor sich die Unternehmensschmiede überha upt engagiere. Der Berliner Konzern, der Ende 2014 an die Börse gegangen ist und mit mehr als sechs Milliarden Euro bewertet wird, hat schließlich einen Ruf zu verteidigen. „Wenn Sie in Russland am Flughafen die Zollbeamtin— nen fragen, ob sie Lamoda kennen, werden neun von zehn dies bejahen und sagen, das s sie dort bereits bestellt haben. Das Gleiche gilt für Dafiti in Brasilien. So wie Zalando in Deutschland. Nur kennt Lamoda oder Dafiti hierzulande keiner“, sagt Kudlich über die E—Commerce—Anbieter von Rocket Internet in den Schwellen— ländern Russland und Brasilien. Alles in allem gehören zum Universum von Rocket Internet mehr als weitere 70 Jung—Un ternehmen in 25 Ländern auf fünf Kontinen— ten, darunter Start—ups wie Glossybox, home24, Westwing und foodpanda. Ganz unbescheiden behauptet das Berliner Unterneh— men, das 2007 von den in der Branche weltweit bekannten Brüdern Marc, Alexander und Oliver Samwer gegründet wurde, von sich, der weltgrößte Inkub ator für Internetfirmen zu sein. „Bevor wir uns entscheiden, ein Start—up aufzumachen, fragen wir uns, ob der Markt für die Idee groß genug ist. Zudem muss das Zeitfenster für die Umsetzung noch offen und sich das Geschäfts— modell bereits bewährt haben. Dann versuchen wir, über die Marke Rocket in den j eweiligen Ländern die besten Teams zusammenzu— stellen und organisieren die Finanzierungsrunden“, sagt Kudlich über das Vorgehen von Rocket Internet. Ziel sei es, dass die Firmen nach 200 Tagen im Tagesgeschäft unabhängig von Rocket agieren <?page no="119"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 118 › uvk.de können. Es gehe darum, eigenständige Unternehmen zu erschaffen, die vom Rocket—Verbund profitierten und dadurch besser im Wett— bewerb bestünden. Rocket hat alle Vorgänge, die bei der Gründung eines Start—ups nötig sind, standardisiert. Die bewährten Prozesse, professionellen Finanzstrukturen und Erfahrungen helfen dem Inkubator in der Regel, schneller als die Konkurrenz in Märkte zu kommen. „Rocket befindet sich in einer anderen Liga, was das Geld angeht, dass es in Start—ups pumpt“, betont der Chef des Telekom—Inkubators hub: raum, Peter Borchers. Die Feuerkraft, die Rocket Internet besitzt, sollten sich andere Marktteilnehmer zum Vorbild nehmen. Die Geschwindigkeit bis zur Firmeneröffnung, die Rocket an den Tag legt, soll dafür sorgen, dass möglichst bald auch die ersten Ein— nahmen fließen. Pro Land sind die Kosten laut Kudlich eher gering, die Rocket für den Aufbau eines Start—ups stemmen muss. „Es zu probieren, lohnt sich. Dadurch, dass wir unsere Firmen immer in mehrere Länder bringen, verteilen sich die Kosten“, sagt Kudlich. Im Sommer 2014 war beispielsweise Rockets Lieferdienst—Vermittler foodpanda in 42 Staaten aktiv. Wenn da aus einem Land nichts werde, sei das nicht so schlimm, betont Kudlich. „Wir haben die Economics eines Gründers, aber das Risikoprofil einer Werft, die immer wieder die gleichen Sachen macht.“ Jedes der Start—ups ist drittfinanziert. Dank seiner Größe hat Ro— cket bei der Kapitalaufnahme nach eigenen Aussagen wenig Prob— leme. „Der geringste Teil unseres Geldes kommt von deutschen VCs. Deren Kriterien passen häufig nicht zu uns. Wir arbeiten meist mit ausländischen VCs zusammen“, sagt Kudlich. Vorstandsvorsit— zender wurde im Sommer 2014 Seriengründer Oliver Samwer, der zusammen mit seinen beiden Brüdern über den Global Founders Fonds nach dem Börsengang immer noch 41 Prozent an der Inter— net—Brutstätte hält. Weitere größere Anteile befinden sich in den Händen des schwedischen Investors Kinnevik, bei United Internet, Access Industries sowie Philippine Long Distance Telephone Com— pany 85 . <?page no="120"?> Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder › uvk.de 119 Dies handelte Berlin die Bezeich nung „Copy Cat Capital“ (Hauptstadt der Nachahmer) ein. KRITIK UND LOB FÜR ROCKET GLEICHERMASSEN Dass die Samwer—Brüder und ihr Gebilde Rocket Internet nicht überall Freunde haben, ist hinlänglich bekannt. Angefacht hat die Start—up—Schmiede die Kritik zum Teil selbst. Oliver Samwer ist immer wieder für Schlagzeilen zu haben und platziert regelmäßig kleine Aufreger in den Medien. Für Verwunderung in der Branche sorgte beispielsweise sein e Behauptung, Rocket Internet befinde sich auf Augenhöhe mit Amazon. Ende 2013 sagte Samwer dazu: „Es gibt weltweit nur drei Internet—Firmen: Amazon, das chinesi— sche Alibaba und uns.“ 86 Zum Vergleich: Rocket Internet setzte 2013 etwa eine Milliarde Dollar um, Amazon kam auf 75 Milliarden Dol— lar. Dem Inkubator wird regelmäßig vorgeworfen, Geschäftsmodelle lediglich zu kopieren. Ein Ruf, den die Stadt wie auch Rocket gern hinter sich lassen wollen. Deswegen reagiert Ro— cket stets etwas allergisch auf diese Behauptung. Kudlich will den Vorwurf mi t mangelndem Marktver— ständnis entkräften: „Uns geht es darum, erprobte Geschäftsmodel— le sehr gut umzusetzen. Da ist die Schwierigkeit eher, die Firmen in verschiedenen Ländern zum Laufen zu bringen.“ Und er führt an: „Wer kann schon sagen, von welchem Start—up unser EasyTaxi die Kopie ist. Vielleicht vo n Mytaxi oder Hellotaxi? Es gibt weltweit etwa 80 Taxi—Apps und die sind alle fast zeitgleich gestartet.“ Professor Tobias Kollmann findet die Copy—Cat—Kritik für völlig überzogen: „Ob ein Copy Cat erfolgreich ist oder ein Start—up mit einer innovativen Geschäftsidee, ist für unsere digitale Wirtschaft irrelevant. Die Samwer—Jungs sind die einzigen aus der Szene, die weltweit bekannt sind. Man kann sich über deren Methoden strei— ten, aber sie haben zumindest mal geschafft, dass sie wahrgenom— men werden.“ Auch Delivery—Hero—Chef Niklas Östberg kann die ganze Diskussion nicht nachvollziehen: „Wie viele Unternehmen schaffen etwas Einzigartiges? Wahrscheinlich doch nur ein Pro zent der Firmen. In irgendeiner Art und Weise ist doch alles eine Kopie, <?page no="121"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 120 › uvk.de wo nur an einer Stellschraube etwas leicht abgeändert wird.“ KPMG—Partner Tim Dümichen versteht die Negativschlagzeilen vor und zum Börsengang nicht: „In der amerikanischen Presse hätte man Geschichten à la ‚Drei Selfmade—Brüder bauen tolles Unter— nehmen auf‘ gelesen. Hierzulande wird das Ganze eher mit großer Skepsis betrachtet. man dem Ganzen deutlich kritischer gegen— über.“ LinkedIn—Mitgründer und jetziger Partner beim deutschen VC Earlybird, Konstantin Guericke verweist darauf, dass es nicht leicht ist, gut zu kopieren. Zugleich betont er auch, dass Earlybird nicht in Copy Cats investiert: „Wir verzichten auf Modelle, wo eine Kern— idee kopiert wird. Das kann zwar finanziell erfolgreich sein, aber ich würde das mehr als Wall Street bezeichnen und nicht als Silicon Valley. Uns als Venture—Capital—Investor interessiert das nicht.“ Christoph Janz vom Angel VC Point Nine ist sich sicher, dass Ro— cket nur funktioniert, weil dieser Company Builder mit seiner Grö— ße und seinem Kapital einmalig ist. „In der Regel leisten Gründer einfach mehr, wenn sie selbst das Sagen haben und nicht abhängig agieren. Rocket ist in diesem Fall die Ausnahme, die die Regel be— stätigt, und trotz allem kreative und innovative Köpfe anzieht.“ Für problematisch hält Janz, dass sich bei Rocket die Einnahmen auf wenige Personen konzentriert: „Das macht das Entstehen einer ‚PayPal—Mafia“ aus dem Rocket—Umfeld heraus schwierig, was schade ist.“ Den Begriff prägte das US—Magazin „Forbes“ im Jahr 2007 87 . Als PayPal—Mafia wird in den USA die Gruppe von Entre— preneuren bezeichnet, die mit dem Milliarden—Verkauf des Bezahl— dienstes an das Online—Auktionshause eBay groß wurde und seither die Branche aufmischt. Dazu gehören Investor Peter Thiel, Linke— dIn—Gründer Peter Hoffmann und der schillernde Tesla—Chef Elon Musk. „Es ist eine vergebene Chance, wenn nur wenige Leute von einem großen Exit profitieren. Denn dann werden letztlich auch weniger Leute zu Business Angels oder bauen selbst ein neues Start— up auf“, sagt Delivery—Hero—Chef Niklas Östberg. <?page no="122"?> Kapitel 11. Inkubatoren, Acceleratoren, Companybuilder › uvk.de 121 WARUM BEI FAMILY OFFICES VIELE AN MASCHMEYER DENKEN Unbekannter als Inkubatoren und Acceleratoren sind Family Offices. Wohl auch, weil es kaum Untersuchungen über diese Ver— mögensverwalter gibt, schon gar nicht über ihre Investitionen in Start—ups. Wenige von ihnen beteiligen sich gezielt an jungen Fir— men. „Es ist sehr schwierig, an diese heranzukommen. Sie treten sehr dezent auf“, gibt Nik las Veltkamp von der Bitkom— Geschäftsführung zu Bedenken. Bekannt ist vor allem Alstin, das Investmentvehikel des Family Office von Carsten Maschmeyer. Alstin hat sich durch den prominenten AWD—Gründer und aufse— henerregende Beteiligungen einen Namen gemacht. Bekannt zu— nächst für seine Einstiege beim Fahrradhersteller Mifa, dem Kü— chenanbieter Alno und dem Pharmakonzern Bi ofrontera graste Alstin nebenher die deutsche Start—up—Branche nach lohnenden Investitionen ab 88 . So stieg die Investmentgesellschaft beim Start—up für Suchma— schinenwerbung Crealytics, bei der Service—Plattform pflege.de sowie dem Chauffeur—Anbieter Blacklane ein, an dem nun auch Daimler beteiligt ist. Alstin investiert ab etwa zwei Millionen Euro bis zu zweistelligen Millionenbeträgen und steigt nach der Seed— Phase ein. „Carsten Maschmeyer begleitet di e Portfolio—Gesell— schaften mit einem einzigartigen, jeweils maßgeschneiderten ver— trieblichen und unternehmerischen Unterstützungsprogramm“, sagt Alstin—Geschäftsführer Jörg Goschin, der zuvor bei den US— Investmentgesellschaften Blackstone, Cerberus sowie bei der fran— zösischen Großbank BNP Paribas arbeitete. „Und es macht einfach Spaß, Talente zu fördern und mit pfiffigen jungen hochmotivierten Leuten zusammenzuarbeiten.“ Um den Sta rt—ups zum Erfolg zu verhelfen, wird Maschmeyer selbst aktiv, hauptsächlich bei Ver— triebsfragen. Die meisten Gründer starteten mit einer Idee und stünden dann vor der Herausforderung, ihr Produkt beziehungs— weise ihre Dienstleistung an den Kunden zu bringen, sagt Goschin. „Denn gerade da - beim Vertrieb - sind vie le Gründer unerfahren <?page no="123"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld und schwach aufgestellt.“ Beim Berliner Hausärzteportal Hausmed brachte das allerdings wenig. Das Investment entwickelte sich zu einem Fehlschlag, wurde für einen nicht näher genannten Betrag an die Dr. Becker—Rehakliniken—Gruppe verkauft. „Auch noch nach der Seed—Phase ist maximal eins von zehn Start—ups erfolgreich. Fünf schaffen es gar nicht und drei bi s vier entwickeln sich eher unter— durchschnittlich“, sagt Goschin. Die Maschmeyer Group, zu der Alstin gehört, ist eines der be— kanntesten Family Offices in Deutschland. Laut der Family Office Consulting GmbH sind es rund 1.250. Andere Schätzungen gehen eher von 400 aus. Die meisten der Family Offices betreuen nur ei ne Unternehmerfamilie, werden von dieser direkt kontrolliert und verwalten in der Regel deutlich dreistellige Millionenbeträge. Diese legen sie jedoch eher selten so riskant an, wie es bei Start—ups der Fall ist. <?page no="124"?> › uvk.de Alles basiert auf der renditegetriebenen Annahme, dass sich die Investition lohnt und über die Zeit massiv an Wert gewinnt. Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? ! "#niskapital für Start-ups „Da der Kunst— und Auktionsmarkt global ist, ist es für Auctiona— ta extrem wichtig, dass wir als globales Unternehmen wahrge— nommen werden und uns eine entsprechende Reputation auf— bauen. Wir müssen sicherstellen, dass wir für unsere Auktionen und den Online—Shop ausgezeichnete Ware akquirieren. Das ge— lingt uns durch weltweite Repräsentanzen, die uns nah an die lo— kalen Einlieferer von Kunstgegenständen und Sammlerobjekten heranbringen. Durch unsere Full—Service—Standorte in Berlin und New York bedienen wir den europäischen und US—amerikani— schen Markt mit Livestream—Auktionen und können durch diese globale Reichweite Käufer aus aller Herren Ländern ansprechen.“ Auctionata—Gründer Alexander Zacke Um seine Expansionsbestrebungen umsetzen zu können, sammelte das Berliner Online—Auktionshaus Auctionata im April 2014 in einer B—Runde 30 Millionen Dollar von seinen Alt—Investoren ein. Damit ist Auctionata ein klassisches Beispiel dafür, welche Summen bei Wagniskapital—Finanzierungen bewegt werden können und welche Start—ups warum in der Gunst der Kap italgeber stehen. Diese sieben nämlich zuvor massiv aus und prüfen umfassend, ob ein Ge— schäftsmodell wirklich durchschlagenden Erfolg haben könnte. Tausende Bewerbungen landen jährlich auf den Tischen der Wagniskapitalgeber, in der englisch—affinen Branche nur Venture Capital genannt und bei uns unter den Namen Wagnis— oder Risi— kokapital bekannt. Das Geld, das Ven ture—Capital—Firmen verwal— ten, stammt meist von institutionellen Anlegern, die in nicht an der Börse notierte Firmen wie Familienunternehmen, Konzerntöchter und eben auch Start—ups investieren wollen. Da— <?page no="125"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 124 › uvk.de für geben die Wagniskapitalgeber Geld, aber eben auch ihr Wissen, wie man Unternehmen am besten voranbringt, größer macht und internationalisiert. Bei der Auswahl der Firmen sind sie sehr selek— tiv und nur wenige Start—ups sind es in ihren Augen wert, unter— stützt zu werden. Meist lautet das niederschmetternde Urteil des— wegen: „Nein, danke. Alles Gute für die Zukunft.“ Dies sind Erfahrungen, die junge Firmen hierzulande wie auch in den USA machen, wo der Markt viel älter ist und es deswegen mehr wissenschaftliche Erhebungen gibt. Dort werden jährlich nach An— gaben der Small Business Administration 600.000 Firmen gegrün— det. 2013 wurden laut dem Moneytree Report von PriceWater— houseCoopers allerdings lediglich rund 220 neu gegründete Start— ups mit VC—Geld versorgt. Die Chance, dass ein VC auf ein Start—up aufmerksam wird, liegt damit bei unter einem Prozent. Olaf Jacobi vom VC Target Partners kennt eine weitere Statistik, die den Auswahlprozess untermalt: „2011 wurden in den USA etwa 40.000 Firmen von Business Angels unterstützt und lediglich 1500 dann von VCs weiterfinanziert.“ Die Risikokapitalgeber sind des— wegen so wählerisch, weil sie gleich sehr viel mehr Geld in die Hände nehmen als Business Angel und eben diese Investition eben futsch ist, wenn das von ihnen gestützte Start—up Pleite geht. Da muss der VC im Namen seiner Geldgeber vorsichtig sein. Interes— sant für Berliner Start—ups ist, dass sie mit ihrem Standort zumin— dest schon mal einen Vorteil haben: „Rund 40 Prozent des gesamten VC—Kapitals, das in Deutschland neu zur Verfügung gestellt wird, wird in Berlin vergeben“, sagt Stephan Hoffmann von der Investiti— onsbank Berlin. Eine VC—Finanzierung kommt für ein Start—up meist erst wäh— rend der Expansionsphase in Frage. Dann hat es meist bereits be— wiesen, dass das Geschäftsmodell Marktpotenzial besitzt und das Produkt wettbewerbsfähig ist. Zu dem Zeitpunkt, wo ein VC ein— steigt, geht es häufig darum, neue Märkte im Ausland zu erobern, Konkurrenten zu kaufen oder Produktneuheiten einzuführen. In Deutschland investieren VCs in der Regel Summen ab einer Höhe von einer Million Euro in Start—ups, manchmal liegen die <?page no="126"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 125 In diese Ebenen stößt man in Deutschland nicht so leicht vor. Beträge allerdings auch darunter. In den USA und Großbritannien würde ein VC in diesen Bereichen noch nicht aktiv werden. Laut dem Deutschen Startup Monitor 2013 belaufen sich die deut— schen „Series A—Finanzierungsrunden“ auf nur etwa ein Siebtel der US—amerikanischen Investments - nämlich 900.000 US—Dollar zu 7,1 Millionen US—Dollar - und ein Drittel derer in Großbritan— nien. Dort liegen sie im Schnitt bei 2,6 Millionen US—Dollar. Vorstandsmitglied Wolfgang Seibold vom Bundesverband Deut— scher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) fasst die Folgen knapp zusammen: „Das ist ein Wettbewerbsnachteil für die hiesi— gen Start—ups.“ Die Finanzierungsthematik hält auch Factory— Gründer Simon Schaefer für ein Kernproblem in Deutschland, vor allem in der Seedphase: „In dieser Phase nehmen die meisten Start— ups zu wenig Geld auf, um es über die schmale Linie der Traktion zu schaffen. Wenn man dann 200.000 bis 500.000 Euro erhält, hat man wahrscheinlich nicht genügend Geld und langen Atem, um über diese Linie zu kommen. Gelingt dies, kann man sich internati— onal die VCs aussuchen. Dann handelt es sich nur noch um reine Finanzarithmetik, dann ist man Entrepreneur.“ Mit Ver— und Bewunderung nahm Coffeecircle—Gründer Martin Elwert die Finanzierungsrunde im Umfang von mehr als 25 Millionen Dollar des US—Konkurrenten Blue Bottle zur Kenntnis: „Das ist etwas, was wir genau beobachten und wo wir schauen, wie Blue Bottle das Interesse der VCs in diesem Maße wecken konnte.“ Wissenschaftliche Erhebungen haben gezeigt, dass Wagniskapi— tal Firmen animiert, mehr zu investieren, schneller zu wachsen und dazu beiträgt, langfristig Erfolg zu haben 89 sowie höhere Bewertun— gen beim Exit zu erhalten 90 und wiederum radikale Innovationen schneller auf den Markt zu bringen 91 . <?page no="127"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 126 › uvk.de SEEDFINANZIERUNG MIT VENTURE CAPITAL Bis auf wenige Ausnahmen sind für die Finanzlöcher zu Beginn des Abenteuers Firmengründung staatliche Förderprogramme, Busi— ness Angels und Banken zuständig. Einen Sonderfall stellt der staat— lich geförderte High—Tech—Gründerfonds (HTGF) aus Bonn dar, der sich um die Finanzierung in der Gründungs— beziehungsweise Seed—Phase von Hochtechnologie—Start—ups kümmert. Damit grast dieser VC im Gegensatz zu anderen den Markt recht früh ab. Der Fonds wurde 2005 auf Initiative des Bundeswirtschaftsminis— teriums gegründet, um die schwierige Situation der Anfangsfinan— zierung von Start—ups zu verbessern. Diese war nach dem Platzen der Dotcom—Blase 2000 nahezu zum Erliegen gekommen. Unter anderem deswegen, weil vor allem die Gründungsfinanzierung im Vergleich zur Finanzierung späterer Investitionsphasen mit höheren Risiken verbunden ist und die Renditeerwartungen niedriger sind. Der High—Tech Gründerfonds, zu dessen Investoren neben dem Bundeswirtschaftsministerium die KfW Bankengruppe sowie die privaten Unternehmen Carl Zeiss, BASF, Siemens, Deutsche Tele— kom, Daimler und Robert Bosch gehören, startete mit einem Fonds im Volumen von 272 Millionen Euro. Seit Ende 2011 steht ein weite— rer Fonds über 304 Millionen Euro zur Verfügung, an dem noch weitere Privatunternehmen beteiligt sind. In der Regel stellt der HTGF zunächst eine halbe Million Euro zur Verfügung. Maximal werden pro Start—up zwei Millionen Euro ausgegeben. Nach Ein— schätzung des Wirtschaftsministeriums hat sich der High—Tech Gründerfonds mit seinen weit mehr als 300 Investments zum wich— tigsten Seed—Investor in Deutschland entwickelt. Laut einer Studie des Startup Europe Partnership (SEP) ist der High—Tech— Gründerfonds sogar der zweitaktivste Investor in Europa 92 . Unter anderem beteiligte sich der Fonds in den vergangenen Jah— ren am Berliner Männermode—Ausstatter Outfittery und am Online— Brillenanbieter Mister Spex, der ebenfalls in der Hauptstadt ansäs— sig ist. Beides sind Start—ups, in die in der späteren Expansionsphase <?page no="128"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 127 Frischer Wind im jungen Unternehmen ist jeden falls garantiert. auch amerikanische VCs investiert haben. So stieg bei Mister Spex 2014 sogar die bekannte US—Investmentbank Goldman Sachs ein. Der Erfolg des HTGF macht nun Lust auf mehr. Nicht wenige ra— ten bereits, dass der High—Tech Gründerfonds sich nicht mehr nur auf Unternehmen in ihren Anfangstagen konzentriert, sondern darüber hinaus aktiv wird. Dies soll dabei helfen die Finanzierungs— lücke in der Wachstumsphase zu schließen. Dafür müssten aber neue Fonds eröffnet werden, die mindestens eine halbe Milliarde Euro umfassen. Ebenfalls auf die Frühphasenfinanzierung hat sich Point Nine spezialisiert. „Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen Business Angels und größeren VC—Investoren und wollen für Start—ups die Finanzierungslücke zwischen 500.000 Euro und eine Million Euro schließen“, sagt Point—Nine—Gründer Christoph Janz. Derzeit sei es relativ leicht, an die ersten 100.000 Euro über Business Angels oder staatliche Fördermittel zu gelangen, danach träten dann meist die ersten Probleme auf. Im Sommer 2014 umfasste der Fonds von Point Nine 40 Millionen Euro. Zuletzt war er in Unternehmen wie Couchsurfing, Dawanda und Delivery Hero investiert. WÄHLERISCH - DRUM PRÜFE, WER SICH NICHT EWIG BINDET Wer das Interesse von Wagniskapitalgebern auf sich gezogen hat, hat meist einiges dafür getan und sich hoffentlich auch die Konse— quenzen eines VC—Einstiegs bewusst gemacht. Man holt sich einen erfahrenen und machtvollen Partner ins eigene Haus, der sich auf der Geschäftsseite meist besser als die Gründer selbst auskennt. Der Unternehmensidee sind die Investoren weniger verbunden als dem Renditegedanken. Olaf Jacobi, Partner beim VC Target Partners, betont: „Uns geht es um eine Partnerschaft auf Zeit, von der am Ende jeder etwas hat.“ <?page no="129"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 128 › uvk.de VCs streben in der Regel Wert steigerungsraten zwischen 25 und 60 Prozent an. Eines ist klar: Will ein Start—up wirklich groß herauskommen, be— nötigt es letztlich in den meisten Fällen einen VC an seiner Seite. „Natürlich sollte man es sich gut überlegen, ob man sich einen VC ins Boot holt. Die alleinige Kontrolle hat man dann nicht mehr“, sagt die Gründerin des Berliner Online—Portals für selbstgemachte Produkte, Dawanda, Claudia Helming. Letztlich folgt der VC bei seinen Investitionen nur seinem eige— nen sehr riskanten Geschäftsmodell. Laut Olaf Jacobi von Target Partners schaffen es rein statistisch nur etwa die Hälfte der weltwei— ten VC—finanzierten Start—ups, einen erfolgreichen Exit hinzulegen. „Deswegen muss im Prinzip jede VC—finanzierte Firma das Potenti— al haben, einen VC—Fonds zurückzuzahlen“, sagt Jacobi. Das verlangen ihre Investoren von ihnen, die eine hohe Verzinsung ihrer Einlage voraussetzen. VCs agieren bei ihren Engagements immer zeitlich terminiert, meist mit einem Zeit— horizont von zehn Jahren. Ganz am Anfang sammeln die VCs Geld von ihren Anlegern ein, um einen Fonds in der Größenordnung von mehreren zehn bis zu weit mehr als 100 Millionen Euro zu eröffnen. Der Fonds beteiligt sich in den ersten drei Jahren an mehreren Start— ups, um sich ein Portfolio aufzubauen. Dabei konzentriert sich der VC auf eine oder wenige Branchen, um sich ein Know—how anzueignen. In den folgenden sieben Jahren kommt es häufig nur noch zu Folge—Investitionen in diese Firmen. Dies bedeutet, dass Start—ups im Grunde maximal sieben Jahre Zeit haben, um alle Erwartungen zu erfüllen und sich auf dem Markt zu etablieren. In dieser Zeit durchläuft ein Start—up mehrere Finanzierungsrun— den, ohne dass ein VC am Werk war. Bei der ersten Finanzierungs— runde mit VCs spricht man dann von einer Serie—A—Runde. Danach wird weiter buchstabiert, dies kann sich bis zu einer Serie—F—Runde fortsetzen - bei Facebook soll es zumindest bis zum D gekommen sein. Die Finanzierungssummen wachsen mit Fortschreiten des Alphabets. Häufig steigen mit jeder weiteren Runde neue Investo— <?page no="130"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 129 ren ein. Stocken die Alt—Investoren nicht jedes Mal ebenfalls mit auf, verringert sich ihr prozentualer Anteil am Unternehmen. In der Branche wird dabei von einer Verwässerung gesprochen. Damit sich diese nicht nachteilig für die Alt—Investoren auswirkt, bekom— men sie in der Regel Bezugsrechte auf die neuen Aktien zugespro— chen. Nehmen sie diese wahr, halten sie ihren Anteil am Start—up gleich hoch. Sie können natürlich auch für einen entsprechenden Mehrwert ihre Bezugsrechte verkaufen. VENTURE CAPITAL IN DEUTSCHLAND - VORMARSCH IM G ÄNSESCHRITT Der erste deutsche Risikokapitalgeber war die 1975 gegründete Wagniskapitalgesellschaft. Heutzutage gibt es in der Bundesrepub— lik laut Branchenverband BVK mehr als 170 Beteiligungsgesellschaf— ten. Doch nur ein Bruchteil dieser Firmen investiert in umfangrei— cher Weise in Start—ups. VCs, die Fonds im dreistelligen Millionen— bereich verwalten - und damit eben auch hohe Summen in Firmen investieren können, sind Mangelware, heißt es in der BVK—Statistik fürs Jahr 2013. Zu den für deutsche Start—ups wichtigsten Risikoka— pitalgebern gehören Earlybird, DuMont Venture, Target Partners, Neuhaus Partners aus Hamburg, die auf Handwerksthemen spezia— lisierte HCM, die Schweizer BrainsToVentures, eCapital, Evonik Corporate Venturing, die auf den Internetsektor konzentrierte HV Holtzbrinck Ventures, Eizoo Technology Ventures, German Startup Groups, Media Ventures GmbH, der auf Frühphasen—Investments fokussierte VC Point Nine Capital, Sirius Venture Partners, T— Venture Holding, Tengelmann Ventures GmbH sowie Wellington Partners Venture Capital. Davon am aktivsten sind neben dem High—Tech Gründerfonds T—Venture sowie Holtzbrinck Ventures 93 . Nach Informationen des Vorstandsmitgliedes des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Wolfgang Seibold, gibt es in Deutschland maximal zehn VC—Fonds, die jeweils über 100 Millionen Euro Kapital verwalten und damit einsetzen können. „In den USA sind es wohl mehr als 300.“ <?page no="131"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 130 › uvk.de Da kommt Deutschland langsam näher an Groߏ britannien heran. Trotz der wenigen wirklich großen Fonds, die die genannten VCs auflegen, lässt sich auf der Kapitalseite ein positiver Trend ausma— chen. Dies gilt auch im internationalen Ver— gleich. Laut dem Datenanbieter Dow Jones Venture— Source flossen zwar im vierten Quartal 2013 noch 29 Prozent aller Investitionen von europäischen Venture— Capital—Firmen in britische Firmen. Sie kamen insgesamt auf 427 Millionen Euro. Dies entspricht allerdings einem Minus von 26 Prozent zum Vorquartal. In Deutschland verbesserte sich die Situa— tion mit einem Zuwachs von fast 60 Prozent auf 277 Millionen Euro. An die USA reicht Europa damit noch lange nicht heran. KIn der Welt sind 44 Milliarden an Venture Capital unterwegs, die nach Anlagemöglichkeiten suchenK, sagt Bundesverkehrsminister Alex— ander Dobrindt (CSU) im Frühjahr 2014 auf dem Wirtschaftsgipfel der Tageszeitung „Die Welt“. 33 Milliarden davon seien im vergan— genen Jahr im Silicon Valley gelandet und drei Milliarden in Israel. KDavon muss mehr nach Deutschland fließenK, fordert Dobrindt 94 , der als Minister auch für die Weiterentwicklung der digitalen Infra— struktur zuständig ist. Erste Fortschritte gibt es. Nach einer Studie des Hightech— Verbandes Bitkom und des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbe— teiligungsgesellschaften (BVK) wurden 2013 knapp 255 Millionen Euro Wagniskapital in 262 deutsche Start—ups aus der IT— und Inter— netbranche investiert. Das sind sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Berliner Firmen profitierten überdurchschnittlich von diesem An— stieg. In 73 Start—ups, darunter Hitfox, 6Wunderkinder und Mister— Spex, flossen mit 136,2 Millionen Euro mehr als die Hälfte der Ge— samtinvestitionen. Dies entspricht einem Plus von zehn Prozent. Zu beachten ist allerdings, dass der Zuwachs in Bayern deutlich höher ausfiel. Verglichen mit 2012 stiegen die Investitionen von 34,2 auf nunmehr 45,7 Millionen Euro. Trotzdem bekommt Berlin wei— terhin mit Abstand den größten Teil vom Kuchen ab - ähnlich wie das Silicon Valley. Diese Konzentration sorgt dort für Bedenken. So fragte die „New York Times“ im Herbst 2014 in einem Kommentar, <?page no="132"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 131 Davon, dass VCs in Deutschland mit dicken Scheinen wedeln, kann nicht die Rede sein. ob diese Ballung nicht bereits eine Blase kreiert habe, deren Platzen schmerzhaft werden könnte 95 . Entsprechende Warnungen vor einer Überhitzung sprachen auch die in den USA sehr bekannten Wag— niskapitalgeber Marc Andreessen und Bill Gurley aus. Es wurde ein Zusammenhang zwischen der freigiebigen Vergabe von hohen Finanzierungssummen und unausgegorenen Geschäftsmodellen aufgemacht. Bitkom—Vizepräsident Ulrich Dietz kann jedenfalls keinen Finanzie— rungsboom erkenne. In anderen Ländern wie den USA oder Israel stehe ein Vielfaches an Venture Capital zur Verfügung. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt kam das Wagniskapital 2011 lediglich auf ein Siebtel der Ausmaße der US—Industrie 96 . Stephan Hoffmann von der IBB sagt: „Ein Schwerpunkt der Förderung liegt bei den KMU. In den Expansionsphasen kann sich ein Lücke auftun, so lange die jungen Unternehmen noch operative Verluste generieren.“ Dietz fordert darum: „Um schneller expandieren und stärker zu wachsen, sind deutlich größere Finanzierungsrunden notwendig. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass kein großer US—Investor ein Büro in Deutschland hat. Deutsche Start—ups sind immer noch zu wenig auf dem internationalen Radar der Geldgeber“, fordert Dietz. Olaf Jacobi von Target Partners sieht das Problem ebenfalls darin, dass deutsche Start—ups in den USA kaum bekannt sind. Dort säßen allerdings mit den großen Technologiekonzernen die potenziellen Käufer von aussichtsreichen Tech—Start—ups. Schließlich seien Exits über den schwachen deutschen IPO—Markt kaum möglich. Target Partners hat darum in der Vergangenheit bereits Kontakte in die USA geknüpft. 2013 beispielsweise kaufte der US— Computerriese Cisco den Münchner Software—Entwickler für Ener— gie—Management—Fragen JouleX, an dem sich Target Partners im Dezember 2009 beteiligt hatte. Die 178 im BVK organisierten Gesellschaften verwalteten nach Verbandsangaben im Jahr 2013 insgesamt mehr als 40 Milliarden Euro. Davon kamen etwa 22,7 Milliarden Euro aus Fondsmitteln <?page no="133"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 132 › uvk.de deutscher Beteiligungsgesellschaften. In Deutschland wurden knapp 4,7 Milliarden Euro investiert und damit fast 30 Prozent weniger als im Vorjahr. Buy—Outs - also der Kauf von Unterneh— mensanteilen - machten mit 77 Prozent den Großteil der Investitio— nen aus. Ihr Volumen sank mit knapp 3,6 Milliarden Euro im Ver— gleich zum Vorjahr allerdings um ein Drittel. Die Venture—Capital— Investitionen stiegen hingegen deutlich um 17 Prozent auf 670 Mil— lionen Euro. Bei den Wachstumsfinanzierungen sah es aufgrund fehlender großer Einzelförderungen hingegen mau aus - sie fielen um die Hälfte auf 350 Millionen Euro. Auf dem Private—Equity—Markt hierzulande tummeln sich wegen der Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland viele inter— nationale Firmen. Mehr als die Hälfte der Investitionen kam 2013 von ausländischen Beteiligungsgesellschaften, die nur mit einem lokalen Büro in Deutschland aktiv sind, weitere 18 Prozent wurden aus dem Ausland heraus investiert. Von Beteiligungsgesellschaften, die in Deutschland ihren Hauptsitz haben, wurden 28 Prozent der Mittel investiert. Das Fundraising blieb 2013 deutlich hinter den Erwartungen zurück und fiel auf das Niveau von 2009/ 2010 zurück. Es wurden Gelder im Umfang von rund 1,1 Milliarden Euro einge— sammelt - hauptsächlich bei Privatanlegern und Family Offices, aber auch bei Versicherungen, Funds of Funds - also Dachfonds - und Pensionsfonds. Letztere setzen hierzulande deutlich weniger Geld ein als in den USA. Dazu KPMG—Partner Tim Dümichen: „Das liegt auch daran, dass es im angloamerikanischen Raum kein Umla— gen finanziertes, sondern ein kapitalgedecktes Rentensystem gibt. Dadurch sitzen dort eine Vielzahl Pensionskassen mit hohem Li— quiditätsdruck und großen Volumina.“ Dörte Höppner, Vorsitzende des Verbandes European Private Equity and Venture Capital Association (EVCA), ergänzt: „Zugleich erschweren es regulatorische Vorschriften wie Basel III und Sol— vency II institutionellen Investoren wie Banken und Versicherun— gen, in kleinere Fonds zu investieren. Erschwerend kommt dann für diese Investoren hinzu, dass VC—Fonds meist recht klein sind. Sie investieren ihr Geld eher in große Fonds, wo sie gleich Summen im <?page no="134"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 133 Branchenkenner appellieren immer wieder an die Politik, Startups bei der Finanzierung stärker zu unterstützen. In Deutschland will sich Bayern in diesem Bereich als Vorreiter etablieren. zweistelligen Millionenbetrag einbringen können.“ Die Probleme beim Fundraising werden letztlich durch die geringen Exit— Volumina verschärft. „Hier müssten die VCs mehr Geduld an den Tag legen und ein Start—up wachsen lassen, bevor sie aussteigen. Allein dadurch erhöhen sich die Exit—Summen“, meint Höppner. Der EVCA bewirbt dafür die Dach— fonds—Idee. Demnach sollen etablierte Dachfonds in Europa Kapital von der EU—Kommission erhalten. Die gleiche Summe müssen diese privaten Dach— fonds auch bei privaten Kapitalgebern einsammeln. Das gesamte Kapital wird dann in einige europäische VC—Fonds investiert. Damit will man auch das Problem lösen, dass Fonds oft zu klein für große institutionelle Investoren sind. Mehr zu den Ideen, die Finanzierung von Start—ups attraktiver zu machen, folgt im letzten Kapitel. Die Landesregierung plant, einen Wachstumsfonds Bayern im Umfang von bis zu 100 Millionen Euro aufzu— legen. Der Fonds soll privaten Wagniskapitalgesellschaften als neut— raler Co—Investmentpartner für Wachstumsfinanzierungen dienen. Damit geht es im Prinzip um eine Spiegelung der VC—Finanzierung durch den Wachstumsfonds Bayern. Nach Schätzungen des Wirt— schaftsministeriums in München könnten damit etwa 250 Millionen Euro an Wachstumsinvestitionen aktiviert werden. Wohin die Reise mit dieser Idee gehen wird, war Anfang 2015 noch nicht absehbar. Obwohl immer wieder Branchenkenner dazu auffordern, dem Start—up—Markt mehr Geld zur Verfügung zu stellen, besteht auch Unsicherheit, ob dies wirklich die Entwicklung vorantreiben würde. „Natürlich fehlen finanzielle Mittel. Aber in erster Linie mangelt es eben an Erfahrung und guten Ideen. Für die meisten Geschäftsideen lohnt es sich gar nicht, Geld in die Hand zu nehmen“, merkt Mentor und Branchenkenner Christoph Räthke an. <?page no="135"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 134 › uvk.de WORAUF ACHTEN VENTURE-CAPITAL-GEBER? Olaf Jacobi, Partner beim Münchner Venture—Capital—Investor Tar— get Partners, fasst seine Erwartungen an Start—ups kurz zusammen. „Uns geht es mehr um eine Kooperation und Partnerschaft. Wir suchen Unternehmer, denen wir mit unserem Kapital, Netzwerk und Wissen helfen können“, sagt Jacobi. Dass sich das Ganze am Ende für alle - also vor allem für die Anleger in Target—Partners— Fonds - lohnen muss, sollte allen Beteiligten klar sein: „Es geht um die Frage, ob ein Start—up wirklich groß werden kann. Nur dann wird es überdurchschnittliche Returns für die Unternehmer und die Investoren geben.“ „Deswegen schauen wir bei der Bewertung eines Start—ups zu— nächst auf die Größe des Marktes, der mit der Firmenidee ange— sprochen wird. Dabei prüfen wir das Wettbewerbsumfeld und die — intensität. Wenn jemand nur rote Krawatten verkaufen will, dann wird das unter diesen Gesichtspunkten schwierig. Darüber hinaus ist das Gründerteam sehr wichtig. Wir müssen überzeugt davon sein, dass sie im Wettbewerb bestehen und ihre Idee wirklich um— setzen können“, erklärt Markus Grundmann, Associate bei Target Partners. Am Ende führt dies bei Target Partners dazu, dass der VC jährlich rund 1.500 Deals prüft und in der Regel maximal in drei bis vier Start—ups investiert. „Wir schauen ganz genau hin und spre— chen lange mit den Teams über ihr Vorhaben“, sagt Grundmann. Dass Risikokapitalgeber versuchen, die Rosinen herauszupicken, zeigen die nackten Fakten, die Andreas Weiskam von Sapphire Ventures auf den Tisch legt: „Ich bin seit mehr als einem Jahr in London und habe bisher nur in Criteo investiert. Da stimmten ein— fach alle Kriterien, die wir anlegen. Criteo war bereits Branchenpri— mus weltweit, wuchs stärker als die Konkurrenz, das Team war exzellent und die Technologie allen Rivalen überlegen. Allerdings war es als Investor auch nicht einfach, an Criteo heranzukommen. Erst beim dritten Versuch hat es funktioniert.“ Christoph Janz, Ge— schäftsführer von Point Nine Capital und damit auf Frühphasenin— vestitionen konzentriert, kennt in der Regel keine solche Konkur— <?page no="136"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 135 In der Regel dauert die Präsentation fünf Minuten, dann kann eine Jury noch Fragen stellen. renz durch andere VCs. Er nimmt sich für Investitionsentscheidun— gen ebenfalls viel Zeit. Damit will er den Start—ups, für er sich nach umfangreichen Prü— fungen entscheidet, den Druck nehmen, besonders schnell erfolg— reich werden zu müssen: „Wir schauen uns sehr viele Geschäftsi— deen an und sagen in weit mehr als 90 Prozent nein. Wir bringen ganz viel Geduld mit. Die Entscheidung für ein Start—up muss gut überlegt sein, denn es dauert schließlich meist fünf bis zehn Jahre, um es groß zu machen und dann zu verkaufen oder an die Börse zu bringen.“ Janz hatte in der Vergangenheit schon öfter ein gutes Händchen. Die erste große Investition 2008 war in das dänische Software—Start—up Zendesk, deren Aktien seit Mai 2014 an der New Yorker Stock Exchange gehandelt werden. „Da bin ich stolz auf die Leistung der Gründer“, sagt Janz, der rund 100.000 Euro in Zendesk investiert hatte. Das Team ist Janz immer sehr wichtig: „So banal es klingt, aber es ist unglaublich schwierig, ein gut funktionierendes Team zusammenzustellen. Und letztlich entscheidet dies über den späteren Erfolg. Vor allem, wenn sich mehrere Start—ups in ähnli— chen Geschäftsmodellen versuchen.“ Häufig ist es so, dass der Kontakt zwischen VC und Start—up über Empfehlungen zu Stande kommt. „Wenn irgendeine gemein— same Verbindung gibt, dann sollte man diese nutzen“, rät Janz Gründern. Damit wandere ein Start—up gleich bei der Bearbeitung des Anliegens in der Prioritätenliste nach oben. Steht der Kontakt, müssen die Firmengründer bei einem Pitch ih— re Geschäftsidee professionell, überzeugend und vor allem kurz vor— stellen. Einen Sonder— fall stellt der Ele— vator Pitch dar, der nicht länger als eine Fahrt mit dem Fahrstuhl dauern sollte, also maximal rund 90 Sekunden. Bei der Suche nach Investoren empfiehlt es sich, den direkten Kontakt zu suchen. Am besten eignen sich dafür Investoren— beziehungsweise Gründerkon— ferenzen oder eben Pitch—Wettbewerbe, wie sie in Deutschland derzeit in fast allen Städten aus dem Boden schießen. In Berlin hat <?page no="137"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 136 › uvk.de Der Mangel an großen Fonds im Inland führt dazu, dass vor allem bei Anschlussrunden auch ausländische VCs aktiv werden. beispielsweise der Betapitch im Betahaus Tradition, der es als Ex— portprodukt schon in Städte wie Kopenhagen geschafft hat. Doch auch anderswo finden regelmäßig Pitch—Veranstaltungen statt. In der Regel läuft es dann beim gegenseitigen Kennenlernen so ab, dass die Start—ups ihr Geschäftsmodell dem VC vorstellen und es mehrere Gespräche gibt. Besteht Interesse, erfolgt die Due Dili— gence, also die umfassende Prüfung der Geschäftsidee, des Marktes, der jungen Firma und des Teams. Ist der VC danach weiterhin von dem Start—up überzeugt, wird ein Vorvertrag verfasst und eine Absichtserklärung (Letter of Intent) unterschrieben. Ist dies gesche— hen, erfolgen weitere Prüfungen. Später werden dann die Beteili— gungsverträge ausgearbeitet. Nachdem alle Beteiligten diese dann unterzeichnet haben, geht es endlich an die Auszahlung der Finan— zierungssumme. Das erfolgt häufig in mehreren Etappen, meist nach Erreichen vorab vereinbarter Zwischenziele. AM ENDE IMMER INTERNATIONAL? Nicht nur Olaf Jacobi von Target Partners macht Lücken bei der Folgefinanzierung aus: „Die meisten deutschen VC—Fonds sind zu klein, um große B— und C—Runden zu finanzieren und damit Start— ups, die sich im globalen Wettbewerb befinden, ausreichend mit Kapital zu versorgen. Aus diesem Grund ist es wichtig, schlagkräf— tige VC—Syndikate zu formieren.“ „Bei einer Series—B— oder C— Finanzierungsrunde sind auch deutsche Start—ups für interna— tionale Investoren interessant. Das liegt daran, dass dann nicht nur das erste Geschäftsrisiko bereits abgehakt ist, sondern sechs von zehn“, begründet Konstantin Guericke den Willen der ausländischen VCs, sich an späteren Finanzierungsrunden zu betei— ligen. Für die deutschen Start—ups liegen die Vorteile auf der Hand. Ausländische und damit meist US—amerikanische VCs bieten höhe— re Finanzierungssummen an, erleichtern den Zugang zum Markt <?page no="138"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 137 Ein Startup sollte jedoch wissen, was damit einhergeht. der weiterhin weltgrößten Volkswirtschaft und verfügen über grö— ßere und namhaftere Netzwerke. Berliner Start—ups hatten zuletzt dabei gute Karten. Dem Deutschen Startup Monitor 2013 zufolge waren sie deutlich erfolgreicher beim Einwerben ausländischen VC—Geldes als ihre inländische Konkurrenz. Während deutschlandweit nur 24 Prozent der Start—ups ihr Wachstum mit Hilfe von VCs aus dem außereuro— päischen Ausland finanzierten, lag der Prozentsatz in der Haupt— stadt bei 53 Prozent. Reichlich Erfahrung mit ausländischen VCs hat Dawanda. Der in New York ansässige Investor Insight Venture Partners übernahm Anfang 2015 die Mehrheit an dem Berliner Marktplatz. Weiter betei— ligt sind Global Founders Capital, Enfield und Kersiwood. „Wir fühlen uns privilegiert, dass ausländische VCs uns attraktiv fanden und finden“, sagt Claudia Helming, die Dawanda zusammen mit Michael Pütz gegründet hat. Dies sei eine Art Ritterschlag. Die Da— wanda—Gründer schauten sich auch deswegen im Ausland um, weil in Deutschland eben Summen über der Marke von zehn Millionen Euro sehr schwer zu bekommen sind. „Das ist für amerikanische oder russische Investoren allerdings noch keine Hausnummer“, weiß Helming. Sie rate deswegen jungen Firmengründern, sich bereits von Anfang an auch im Ausland bei VCs zu bewerben. „Durch internationale Investoren bekommt man mehr Know—how ins Haus, ist langfristig gesehen wettbewerbsfähiger und auch at— traktiver für andere Investoren“, ergänzt die Managerin. Für Da— wanda sei dies alles wichtig gewesen, da es immer das Ziel gewesen sei, ein internationales Produkt zu schaffen. Die umfangreicheren Erfahrungen und weitreichenderen Netzwerke machen globale Investoren zu guten Partnern für ambitionierte Start—ups 97 . Wolfgang Seibold, Partner bei Growth Invest Partners GmbH und Vorstandsmitglied vom Bundes— verband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), sagt: „Für US—Investoren ist sehr aufwändig, über den Atlantik zu reisen, um ein Start—up zu betreuen. Das bedeutet, dass ein deutsches Start— <?page no="139"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 138 › uvk.de up gewichtige Argumente benötigt, um einen US—Investor von sich zu überzeugen. In den letzten zwei Jahren ist dies einer ganzen Reihe von Unternehmen gelungen.“ Dies hat teils große Konse— quenzen. So verlangen Investoren nicht selten die Verlagerung des Firmensitzes in die USA, um näher am Start—up zu sein und größe— ren Einfluss zu haben. Auch bei dem Berliner Start—up Stagelink stand dies Ende 2014 im Raum. Geschäftsführer Nikolas Schriefer betont allerdings, dies nur tun zu wollen, wenn es letztlich auch für das Geschäftsmodell Sinn ergebe und nicht nur, weil es ein Investor verlange. Er erinnert sich aber an Unterhaltungen mit Investoren in Amerika: „Da haben wir schon öfter gehört: ‚Transferiert Eure As— sets in die USA und dann können wir über eine Beteiligung reden.‘“ Es sei ja auch eine große Ausnahme, dass ein US—Investor Geld in eine deutsche GmbH stecke. EINIGE BERLINER START-UPS SIND IM GROSSEN STIL UNTERWEGS Dass Start—ups aus Berlin derzeit gute Karten haben, bewies zuletzt der Food—Lieferdienst Delivery Hero. Das Start—up, zu dem Liefer— held und pizza.de gehören und das in 24 Märkten aktiv ist, sammel— te allein 2014 mehr als eine halbe Milliarde Dollar bei Investoren ein. Anfang 2015 beteiligte sich dann noch Rocket Internet an dem Unternehmen. „Unser Geschäftsmodell macht es wahrscheinlich einfacher, internationales Kapital auch nach Berlin zu locken. Wir generieren schnell Umsätze. Ist das nicht der Fall, kann man es wohl nur schaffen, wenn man in den USA startet. Unternehmen wie Snapchat, Google oder Facebook wären niemals das geworden, was sie heute sind, wenn man sie in Europa gegründet hätte“, sagt De— livery—Hero—Chef Niklas Östberg. Und trotz seines Erfolges bleibt Östberg auf dem Boden der Tatsachen: „Es ist hier immer noch sehr viel schwieriger als in den USA.“ Dass Berliner Start—ups immer stärker im Fokus der weltgrößten Venture—Capital—Geber stehen, zeigt nicht nur das Beispiel Delivery Hero. So stieg Blumberg Capital bei Urbanara und Wummelkiste <?page no="140"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 139 Dem Vernehmen nach war es das erste Mal, dass die Amerikaner ein deutsches Startup mitfinanzier ten. Es ist sind die unterschiedlichen Zeitzonen. ein, Union Square Ventures bei Auxmoney. An dem Berliner Start— up ResearchGate sind mehrere US—Fonds beteiligt. 2013 sicherte sich das LinkedIn für Akademiker mit mehr als fünf Millionen Mitglie— dern 35 Millionen Dollar. Die kamen unter anderem vom Facebook— Investor Accel, dem FoundersFound des deutschstämmigen Inves— tors Peter Thiel sowie von Microsoft—Gründer Bill Gates. „Bill Gates Investment in ResearchGate hat sicherlich für viel Aufsehen ge— sorgt. Viel wichtiger ist aber das Know—how, das er und sein Team mitbringen und mit dem sie uns in der Wissenschaftswelt weiter— helfen können“, sagt ResearchGate—Chef Ijad Madisch über die Beteiligung des US—Amerikaners, der seit seinem Rücktritt von der Microsoft—Spitze vor allem mit seiner umfangreichen Wohltätig— keitsarbeit - vor allem gegen Armut in der Welt - Schlagzeilen macht. Die US—Firma Sequoia Capital führte Ende 2013 eine Finanzie— rungsrunde an, in der der Berliner Online—App—Entwickler 6Wun— derkinder 19 Millionen US—Dollar einsammelte. Sequoia ist in der VC— Branche eine ganz große Nummer und beteiligte sich in der Vergan— genheit unter anderem an Apple, Google, Yahoo, Electronic Arts, Lin— kedIn, Cisco und Zappos. Die 1972 gegründete, im kalifornischen Menlo Park ansässige Firma geht davon aus, dass von ihr finanzier— te Firmen fast für ein Fünftel des derzeitigen Wertes der US— Technologiebörse Nasdaq stehen. Obwohl zuletzt einige Start—ups in Deutschland die Aufmerk— samkeit von US—Investoren auf sich zogen, ist dies für die überwie— gende Mehrheit nicht erreichbar. Konstantin Guericke, der selbst in Kalifornien lebt, nennt einen der Gründe, warum es Berliner Start—ups schwer haben, Kapital von der anderen Seite des Atlantiks an— zulocken: „Gerade, wenn die Sache schwieriger wird, ist es aus Investo— rensicht wichtig, nah zu sein und <?page no="141"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 140 › uvk.de sich kurz mal zum Kaffee mit dem Gründer treffen zu können. Da ist es kompliziert, wenn man neun Zeitstunden entfernt ist. Darum sind deutsche Start—ups nichts, wonach hierzulande gesucht wird. Da muss schon eher der Gründer hierher kommen und sich vor Ort bemühen.“ Viele der großen VCs schrecken darüber hinaus vor denen ihnen unbekannten behördlichen Vorschriften und staatli— chen Regulierungen, den rechtlichen Herausforderungen und der Unkenntnis der deutschen Geschäftskultur zurück 98 . Doch die zu— vor bereits genannten Beispiele zeigen, dass nichts unmöglich ist und es sich die großen Fonds nicht leisten können, auf dieser Seite des Atlantiks blind zu sein. Weiskam von Sapphire Ventures, lange unter dem Namen SAP Ventures bekannt, gibt etwas Einblick in die Denkweise der Risiko— kapitalgeber. Deren Ziel ist es zwar, sich die besten Rosinen heraus— zupicken, aber eben auch, auf keinen Fall einen möglichen Senk— rechtstarter zu übersehen: „Es geht immer um den richtigen Zeit— punkt und gute Kontakte. Scheint ein Start—up durchzustarten, inte— ressieren sich auf einmal viele Kapitalgeber für die Firma und man befindet sich schnell mitten in einem harten Wettbewerb.“ Um den großen Fisch nicht zu übersehen, befindet sich Weiskam eigentlich ständig im Flugzeug. Er ist der einzige Mitarbeiter von Sapphire Ventures - einem VC, der 1,4 Milliarden Dollar verwaltet - der den europäischen Markt von London aus beobachtet. Seine Kollegen sitzen alle in Palo Alto - auch ein Zeichen dafür, dass die späteren Finanzierungsrunden global ablaufen. UND WORAUF MÜSSEN START-UPS ACHTEN? Jedem Start—up sollte von Anfang bewusst sein, dass es schwierig ist, VCs für sich zu gewinnen. Dem Deutschen Startup Monitor 2014 zufolge wird von mehr als einem Drittel der Gründer der Zugang zu Wagniskapital als schwieriges beziehungsweise äußerst schwie— riges Hemmnis empfunden 99 . Bei der VC—Auswahl müssen Start—ups deswegen vorab einige Punkte beachten. Jedes Start—up sollte prüfen, ob der VC über ein <?page no="142"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 141 Natürlich lauern Gefahren für den Gründer, wenn ein VC einsteigt. ausreichendes Netzwerk an Partnern und genügend Kapital ver— fügt. Zudem kann es hilfreich sein, Kontakt mit bereits von diesem VC geförderten Firmen aufzunehmen und zu fragen, ob sie mit der Zusammenarbeit zufrieden waren beziehungsweise sind. Nach ersten Gesprächen sollten die Gründer immer wieder hinterfragen, ob sie sich weiterhin eine Partnerschaft vorstellen können oder ob man darauf doch lieber verzichten will. Am Ende geht es immer darum, dass beide Seiten möglichst professionell arbeiten und sich dies über einen längeren Zeitraum vorstellen können. Berater Darius Moeini von der Berlin Startup Consulting kennt diese nur zu gut - und zwar aus eigener Erfahrung: „Es kann geschehen, dass ein VC—In— vestor einen oder mehrere der Mitgründer rauswirft, was auch mir mal passiert ist. Damals hatte ich durch die hohen Investitions— summen nur wenige Anteile übrig.“ Dann habe er schleichend die Macht über sein eigenes Unternehmen verloren. Auch Shoepassion—Gründer Tim Keding rät Gründern mit aller Deutlichkeit, schnell ihre Naivität abzulegen: „Das hier ist ein Hai— fischbecken. Wer nicht auf sich aufpasst, wird über den Tisch gezo— gen. Man muss sich dagegen wappnen, ansonsten zahlt man sein Lehrgeld.“ Es gebe Investoren, die ihre Schlinge gern eng um den Hals eines Gründers legten und in berüchtigten „Freitag—Calls“ ihre Anliegen klar machten. Den Druck, den Investoren aufbauen können, bemerkt man in der Regel erst, wenn die Luft bereits knapp wird. Dann wird auf einmal umso genauer geschaut, wofür Gelder ausgegeben werden und wann sich die Investitionen endlich auszahlen. Da macht Rese— archGate—Chef Ijad Madisch einen entscheidenden Unterschied zwischen den deutschen und den US—Fonds fest: „In Präsentationen haben mich deutsche Investoren oft schon beim zweiten Slide ge— fragt, womit wir denn Geld verdienen wollen. Bei den Investoren an der Westküste war das anders. Sie haben erkannt, dass vor dem Geldverdienen ein weit schwierigerer Schritt kommen muss: das Mindset der Wissenschaftler zu verändern, die Wissenschaft kom— <?page no="143"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 142 › uvk.de Da lohnt es sich auch, mit erfah reneren Gründern zu sprechen. plett umzukrempeln, um schneller Fortschritte zu machen. Die amerikanischen Investoren haben gesehen, dass das am Ende viel mehr Potenzial bietet, als übereilt Geld verdienen zu wollen.“ Je unerfahrener Gründer sind, desto mehr Sinn macht es, ver— schiedene Szenarien durchzuspielen und Eventualitäten abzuklären. Der Grieche Steli Efti, der seit Jahren im Silicon Valley lebt und in Deutschland aufwuchs, ist selbst Gründer und erinnert sich noch gut an anfängliche Fehler und Misserfolge, aus denen er schmerzhaft lernen musste. Nun hat er sich vorge— nommen, Start—ups in den Kinderschuhen unter die Arme zu grei— fen. Dafür hält er gern auch mal Motivationsvorträge, bei denen er auf der Bühne Jordan Belfort aus „The Wolf of Wall Street“ oder einem aufgedrehten US—Rapper ähnelt. Efti fasst seine Erfahrungen dabei knapp in sieben Punkten zusammen. Es geht ihm darum, darauf aufmerksam zu machen, was Start—ups auf der Suche nach hochrangigen Investoren auf keinen Fall vergessen sollten. „Grün— der sollten immer darauf achten, dass es für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung einen Markt gibt“, betont Efti. Es sei kaum zu glau— ben, aber genau das werde am häufigsten vergessen. Zudem sollte sich immer nur eine Person aus der Firma um die Geldbeschaffung kümmern. Zu viele Köche würden den Brei verderben und nur für Unruhe sorgen. Zudem müsse jedem bewusst sein, dass es darum gehe, sofort Vollgas zu geben. Geld könne nicht langsam und in kleinen Schritten eingesammelt werden. „Man kann schließlich auch nicht ein bisschen schwanger sein“, vergleicht Efti gern. „Bes— ser ist es, fünf Treffen mit Investoren am Montag und fünf weitere am Dienstag zu vereinbaren und diese nicht über Wochen zu streu— en“, rät der Chef der beiden US—Startups close.io und Elastic. Zu— dem dürften sich Gründer nicht von unterschiedlichen Rückmel— dungen verrückt machen lassen. Man müsse hinter seinem Produkt, seiner Dienstleistung stehen und diese Haltung auch dem Investor gegenüber präsentieren. Das sieht auch der Geschäftsführer von Mister Spex, Dirk Graber so. Und er muss wissen. Schließlich über— zeugte Mister Spex die US—Investmentbank Goldman Sachs, ins <?page no="144"?> Kapitel 12. Wer kommt ans große Geld? Wagniskapital für Start-ups › uvk.de 143 Unternehmen einzusteigen. „Gegenüber solchen Großkalibern muss man selbstbewusst auftreten, darf sich nicht von Namen be— eindrucken lassen und eine klare Vision haben.“ Efti warnt davor, mit dem Investor zu eng zu werden. „Es ist ein Fehler, sich in den Finanzier zu vergucken. Zwar ähnelt die Geldbe— schaffung dem Dating, aber in diesem Geschäft sind es die Investo— ren, die es bereits zum Professor gebracht haben, während die Fir— mengründer noch Studenten sind“, veranschaulicht der Wahl— Amerikaner. Und Soundcloud—Mitgründer Eric Wahlforss macht darauf aufmerksam, dass man Wichtiges mitnehmen kann: „Das Bemühen um Finanzierungsgelder ist ein Unterfangen, dass einem immer wieder von Neuem die Augen öffnen kann. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass es einen zwingt, sich ein paar ernst— hafte Fragen über das eigene Geschäftsmodell zu stellen und ehrlich einzuschätzen, wie weit man meint, damit zu kommen. In unserem Fall haben wir unglaublich smarte Leute getroffen, die kein bisschen zögern, im Gegenzug für ihre Investition das Beste aus dir heraus— zukitzeln.“ Wahlforss bezeichnet in diesem Zusammenhang das gesamte Fundraising als von unschätzbarem Wert. Neider könnten nun zu der Meinung gelangen, dass diese Einschätzung auch daher kommen könnte, dass Soundcloud mit dem ‚Who—is—Who‘ der VC— Branche zusammenarbeitet. Dem Berliner Start—up ist es innerhalb weniger Jahre gelungen, einen internationalen Markt anzusprechen. Bereits 2013 zählte der Dienst 250 Millionen Zuhörer 100 . Das rasante Wachstum brachte das Start—up ins Visier großer US—VCs. Heute halten unter anderem IVP und Kleiner Perkins Anteile. Letzterer wurde vom „Wall Street Journal“ einmal als einer der größten und etabliertesten VCs welt— weit bezeichnet 101 . Trotz dieser prominenten Partner, deren Umfang ihres finanziellen Engagements niemals öffentlich mitgeteilt wur— den, ist Wahlforss der Meinung, alle Zügel im Unternehmen in der Hand zu halten: „Wir entscheiden weiterhin absolut über das Schicksal von diesem Unternehmen und ich habe nicht vor, dies allzu bald aufzugeben.“ Der Marktwert von Soundcloud wird teils bereits auf eine Milliarde Euro geschätzt. <?page no="145"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld Ähnliches gilt auch für Zalando. Der Mitgründer und Geschäfts— führer des Berliner E—Commerce—Modeanbieters weist daraufhin, dass es beim Anwerben von Kapital hilfreich sein kann, immer einen Plan B in der Hinterhand zu haben: „Wir haben ganz schlank angefangen und immer verschiedene Strategien gehabt. Selbst wenn wir die einzelnen Finanzierungsrunden ni cht bekommen hätten, hätten wir profitabel arbeiten können. Dann hätten wir eben ein anderes Zukunftsszenario umgesetzt.“ <?page no="146"?> › uvk.de 145 Rekordverdächtige Börsengänge und Über nahmen lassen lange auf sich warten. Kapitel 13. Wie alles endet − Börsengänge und Trade Sales „Wer Venture Capital aufnimmt, geht damit zumindest die im— plizite Vereinbarung ein, dass es irgendwann einen Exit gibt.“ Wooga—Chef Jens Begemann Bereits am Anfang des Abenteuers Start—up steht das Ende fest - der Ausstieg der Investoren. Nur der Zeitpunkt, wann es dazu kommt, lässt sich beeinflussen. Der Rest wurde in der Regel bereits vor der ersten Finanzierungsrunde festgelegt. Die meisten Investoren wol— len nach einer gewissen Wegstrecke, die sie ein Unternehmen be— gle itet haben, aus diesem gewinnbringend aussteigen und damit ihren Einsatz wieder liquide machen. Dabei wird stets auf den bes— ten Zeitpunkt gewartet. Häufig erfolgt der Ausstieg - also der Exit - nach drei bis fünf Jahren über einen Börsengang oder einen Trade Sale, also den Verkauf an eine andere Firma. Du rch den Exit fließt Geld an die Investoren zurück, das diese in neue Projekte stecken können. Nur wenn dieser Kreislauf funktio— niert, werden die VC—Fonds regelmäßig mit frischem Kapital ge— speist, das wieder in neue Start—ups wandern kann. In Deutschland war die Exitsituation lange problematisch. Die Lage verbessert si ch nur sehr langsam. Die viel diskutierten Börsengänge von Rocket Internet und Zalando brachten neuen Schwung in den Markt. Seit— her haben sich aber keine weiteren Unternehmen aus der Deckung gewagt. Im Vergleich zu den USA und Großbritannien sind die Exits in Deutschland relativ klein. Dies ist eine Situation, die den Abst and zum Silicon Valley zementiert, wo allein die Marktdebüts von Facebook, Linke— <?page no="147"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 146 › uvk.de dIn oder Twitter riesige Summen in Bewegung gesetzt haben. Dies fehlt hierzulande und in der Folge gibt es in Deutschland schlicht— weg kaum Strukturen, die Finanzierungsrunden über 30, 40 oder auch 50 Millionen Euro möglich machen. Doch es sind solche Sum— men, die Firmen für ihre internationale Expansion benötigen. „Dann haben Start—ups nur die Wahl, ins Ausland zu gehen oder sich kau— fen zu lassen. Geschieht dies, sind deutsche Start—ups nur die ver— längerte Werkbank der USA“, kritisiert Professor Tobias Kollmann. INFOKASTEN - WAS FÜR VERSCHIEDENE EXITS GIBT ES? Für den Exit aus einem Unternehmen gibt es mehrere Möglichkei— ten. Der Börsengang gilt dabei als Königsweg, weil er die höchs— ten Renditen verspricht. Dabei handelt es sich um den erstmali— gen Verkauf von Aktien des Unternehmens an externe Anleger über eine Wertpapierbörse. Vorteil für die Gründer ist hierbei, dass sie die Kontrolle über das Unternehmen behalten können und Zugang zum organisierten Kapitalmarkt erhalten. Dies er— leichtert die Kapitalaufnahme enorm, was vor allem für sehr schnell wachsende Unternehmen wichtig ist, da ihr Liquiditäts— bedarf häufig hoch ist. Zuletzt gingen in Deutschland Zalando und Rocket Internet an die Börse. In den USA erfolgen deutlich regelmäßiger Marktdebüts von Start—ups. Neben dem Börsengang gibt es den Trade Sale. Dabei handelt es sich um den Verkauf der Beteiligung beziehungsweise des ge— samten Unternehmens an einen Dritten 102 . Häufig wird an einen strategischen Investor veräußert, der bereits in der gleichen Bran— che aktiv ist. Es gibt viele Beispiele für einen Trade Sale in der Berliner Szene. So kaufte der US—Speicherdienstanbieter Dropbox den Social—E—Reader Readmill - war damals allerdings eher am Team der Firma als an der App interessiert. Die Bosch—Gruppe erwarb die Softwarefirma inubit und der US—Onlinehändler Amazon den Cloud—Experten peritor. Die Berliner Wirtschaftsse— natorin Cornelia Yzer lobt: „„Solche Entwicklungen zeigen die hohe Dynamik und Innovationsstärke der Berliner Digitalszene.“ <?page no="148"?> Kapitel 13. Wie alles endet − Börsengänge und Trade Sales › uvk.de 147 Eine weitere Möglichkeit für Investoren, um aus einem Unter— nehmen auszusteigen, ist der Rückkauf der Anteile durch Mitge— sellschafter oder eben die Gründer. Eines der bekanntesten Bei— spiele für einen solchen Buy Back war Dailydeal. Das Schnäpp— chenportal wurde von den beiden Gründern Fabian und Ferry Heilemann nach etwa eineinhalb Jahren in den Händen des US— Internetkonzerns Google wieder zurückgekauft. In der Praxis fin— det dies relativ selten statt, da die meisten Gründer oder Altge— sellschafter meist kaum das Geld besitzen, um ein solches Vorha— ben in die Tat umzusetzen. Eine andere Exit—Strategie liegt vor, wenn ein weiterer Finanzin— vestor das Start—up übernimmt (Secondary Purchase). Dies geht meist schnell über die Bühne. Häufig fließen aber nicht die Sum— men, die beim Trade Sale schon mal über den Tisch wandern, da die Finanzinvestor später selbst noch möglichst viel verdienen wollen. Natürlich ist beim Exit auch ein Totalverlust möglich. Im Falle ei— ner Liquidation muss der Investor seine Beteiligung vollkommen abschreiben. Dies ist der Fall, wenn das Start—up vollständig ab— gewickelt wird 103 . So passierte es beispielsweise 2014 mit dem Kü— chenonline—Shop Migusta, der vom VC—Project A ziemlich schnell wieder geschlossen wurde. DER STEINIGE WEG ZUM BÖRSEN-WUNDERLAND In Deutschland mehren sich die Stimmen, die der Meinung sind, dass Börsengänge ein geeigneter Weg sind, um die Kapitalsituation in der Start—up—Branche nachhaltig zu verbessern. Diese Befürwor— ter wollen veranlassen, dass mehr Jungunternehmen das Wagnis Börse in Angriff nehmen. Zalando und Rocket Internet sollen dem— nach nur der Anfang sein. Der Beirat Junge Digitale Wirtschaft des Bundeswirtschaftsministeriums gibt eine ganz eindeutige Empfeh— lung und ruft zur Gründung eines neuen Börsensegments auf. Dies wäre eine Möglichkeit, Start—ups im Land zu halten. Denn diese <?page no="149"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 148 › uvk.de schauen in der Regel erstmal, ob es auch an der Wall Street mit dem Gang aufs Parkett funktionieren könnte. „Dort sind die Liquidität höher, das Interesse der Anleger größer, die Zahl vergleichbarer Unternehmen umfangreicher und erfahrene Analysten zahlreicher vertreten. Dadurch minimiert sich das Risiko, dass der Börsengang fehlschlägt und das wiederum gefällt den Risikokapitalgebern, für die eine Notierung am Markt nach typischerweise langjähriger Investition eine Ausstiegsmöglichkeit darstellt“, fasst Andreas Weiskam von Sapphire Ventures die Vorteile des weltweit berühm— testen und größten Handelsplatzes zusammen. Vielen wäre es lieb, wenn etwas Vergleichbares in Deutschland entstehen würde. So betont Professor Tobias Kollmann: „Wir benö— tigen funktionierende Exit— und Finanzierungskanäle im Wachs— tumsbereich für junge Unternehmen in Deutschland, aber auf kei— nen Fall einen neuen Roulette—Tisch wie zu Zeiten des Neuen Mark— tes. Trotzdem müssen gerade Frühphasen—Investoren eine zusätzli— che Perspektive haben, dass man mit der Finanzierung von Start— ups Geld verdienen kann und darf.“ Sein Berliner Kollege Sven Ripsas, der an der HWR Entrepreneurship lehrt, warnt davor, sich zu viel zu versprechen. Vorsicht sei geboten, betont Ripsas. Den Firmen müsse nach dem IPO ermöglicht werden, ohne negative Folgen einige „ups and downs“ am Markt mitzumachen. Zu den prominentesten Unterstützern einer neuen Dynamik am Kapitalmarkt gehörte lange Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gab— riel: „Es ist mir wichtig, die Börse als bedeutende Finanzierungs— quelle für junge Wachstumsunternehmen wiederzubeleben.“ 104 Doch Gabriel ist mit diesem Wunsch bisher nicht weit gekommen. Er kann den größten deutschen Börsenbetreiber Deutsche Börse nicht dazu bewegen, ein neues Aktiensegment für junge Firmen voranzutreiben. Der Vize—Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse, Andreas Preuß, sagt: „Wir glauben, dass die Schaffung eines Börsensegments allein nicht das bestehende Finanzierungsproblem löst.“ Trotzdem räumt Preuß ein, dass ein Börsengang gegenüber den alternativen Exit—Möglichkeiten attraktiver für Investoren wer— den muss, um jungen Wachstumsunternehmen die Kapitalaufnah— <?page no="150"?> Kapitel 13. Wie alles endet − Börsengänge und Trade Sales › uvk.de 149 Die deutschen Privatanleger sind seit dem Platzen der DotcomBlase sehr zurückhaltend, was Investiti onen in Kapitalunternehmen angeht. me zu erleichtern. Um dies künftig zu gewährleisten, will die Deut— sche Börse statt eines eigenen Aktiensegments lieber eine vorbörsli— che IPO—Plattform etablieren. Diese soll laut Preuß vier Aufgaben erledigen. Dazu gehört, die entsprechenden Firmen in den Fokus der maßgeblichen Investoren zu rücken und als Netzwerk den Aus— tausch zwischen Aktieninvestoren, VC—Investoren und Wachs— tumsunternehmen zu fördern sowie das strukturelle Zugangs— und Informationsdefizit aufzulösen. Weiterhin will der Marktplatzbe— treiber die Transparenz erhöhen und dadurch das Vertrauen stär— ken. Konkret erklärt Preuß nach Informationen der Deutschen Börse im November 2014 auf dem Deutschen Eigenkapitalforum in Frank— furt, dass qualifizierten Investoren Zugang zu exklusiven Informa— tionen ausgewählter Wachstumsfirmen verschafft und den Unter— nehmen bei der Erreichung und Verbesserung der Kapitalmarktfä— higkeit geholfen werden soll. Das Bundeswirtschaftsministerium gibt sich letztlich geschlagen und erklärt, den Aufbau einer solchen vorbörslichen IPO—Plattform zu begleiten. Ein eigenes Börsensegment nach Nasdaq—Vorbild ist damit in weite Ferne gerückt. Stattdessen soll es nun im Bundes— wirtschaftsministerium in Arbeitsgruppen weitergehen. Diese sol— len über einen eigenen Börsenindex für Wachstumsunternehmen sowie Erleichterungen bei den Offenlegungs— und Berichterstat— tungspflichten beim erstmaligen Börsengang 105 diskutieren. KPMG—Partner Tim Dümichen zeigt Verständnis für die Haltung der Deutschen Börse: „Man muss ein solches Börsensegment auch am Leben erhalten können, und das gelingt nur, wenn es liquide ist. Dies gelingt allerdings nicht, wenn die großen institutionellen An— leger signalisieren, dass sie diesen Markt nicht nutzen werden. Dann ist das eine Totgeburt.“ Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist unterdurchschnittlich klein. Der Vorsitzende des Bundesver— bandes Deutsche Startups, Florian Nöll, bezeichnet das Vorgehen des Marktplatzbetreibers als Zwischenschritt und mahnt, letztlich nicht <?page no="151"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 150 › uvk.de Offenbar stützen Banken die Aktienkurse für eine gewisse Zeit, um höhere Kursrutsche zu verhindern. „zu lange“ mit der Schaffung eines Börsenindex zu warten. Sonst würden sich potentielle Kandidaten für andere Börsenplätze ent— scheiden oder zum Unternehmensverkauf gezwungen. Tobias Kollmann vom Beirat Junge Digitale Wirtschaft macht darauf auf— merksam, dass es neben der Deutschen Börse auch andere Platt— formbetreiber gibt, die „in die Bresche springen könnten“ und nennt in diesem Zusammenhang die Marktplätze Düsseldorf, Stutt— gart und Berlin. Vielleicht sei auch ein spezieller Anleihenmarkt denkbar, liefert Kollmann einen weiteren Denkanreiz. ZALANDO UND ROCKET - DER BÖRSENSCHREI VOR GLÜCK? Herbst 2014. Die Börsengänge von Rocket Internet und Zalando bescheren der Start—up—Szene in Berlin international viel Aufmerk— samkeit. Beide Berliner Unternehmen nutzen die Gunst der Stunde nach dem geglückten Marktdebüt des chinesischen Onlinekonzerns Alibaba an der Wall Street. Durch den größten IPO aller Zeiten im September des Jahres stehen Internetunternehmen weltweit stärker im Fokus und regelrechter kleiner Hype macht sich breit. Diese positive Aufmerksamkeit wollen beide deutschen Start—ups nutzen. Erst wagt sich Zalando mit der Ankündigung, nun selbst an die Börse zu streben, aus der Deckung. Kurz darauf, praktisch im Windschatten, folgt Rocket Internet. Beide Konzerne haben enge Verbindungen miteinander. So wird Zalando mit dem Kapital der Samwer—Brüder aufgebaut. Über ihren European Founders Fund halten die Drei weiterhin Anteile an Zalando. Die Börsengänge in einer Woche im Oktober 2014 zeigen dann, wie schwierig das Aktienpflaster in Deutschland ist. Die hochflie— genden Erwartungen kön— nen nicht erfüllt werden. Zalando wie auch Rocket nehmen weniger Geld ein als zunächst in Aussicht gestellt. Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, dass Rocket bereits rund vier Monate nach dem Börsengang <?page no="152"?> Kapitel 13. Wie alles endet − Börsengänge und Trade Sales › uvk.de 151 zwölf Millionen neue Aktien ausgibt, um frisches Kapital einzu— nehmen und damit den Expansionskurs weiter zu finanzieren. Beide Konzerne steckten einige Kritik im Zusammenhang mit dem Gang aufs Parkett ein. Einige hielten die Ausgabepreise für zu hoch angesetzt und andere äußerten massive Zweifel an den Ge— schäftsmodellen und den damit verbundenen Möglichkeiten, die Gewinne nach oben zu schrauben. „Das steckt viel Neid und Un— wissenheit dahinter“, sagt Rockets Pressesprecher Andreas Winia— rski und geht gleich auf den konkreten Vorwurf ein, warum die Start—up—Schmiede im mit deutlich geringeren Transparenz— und Publizitätspflichten einhergehenden Entry Standard notiert ist. „Das hängt mit der Umstellung unserer Rechnungslegung auf den inter— nationalen Standard IFRS zusammen. Ist dies erledigt, streben wir den Prime Standard an“, verteidigt Winiarski das Vorgehen. Den Börsengang bewertet Winiarski durchweg positiv: „Für uns war der IPO ein logischer nächster Schritt und Teil des Erwachsenwerdens. Wir wollten diese größere Professionalität, die der Kapitalmarkt verlangt.“ Nach dem holprigen Start mit Kursverlusten versichert er: „The best is yet to come.“ Verläuft es ähnlich wie beim US— Giganten Facebook könnte Winiarski damit durchaus Recht haben. Nachdem der Aktienkurs des weltgrößten sozialen Netzwerks mo— natelang dümpelte, zog er dann nachhaltig an und lag beispielswei— se zwei Jahre nach dem Börsengang im Mai 2012 weit über dem Ausgabepreis. Wie bei Rocket Internet fielen auch bei Zalando die Schlagzeilen rund um den Börsengang recht skeptisch aus. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb beispielsweise etwas von oben herab von Jungspunden, deren Botschaft ‚Coolness siegt‘ sei. Zalando— Geschäftsführer Robert Gentz will sich von der mangelnden Aner— kennung nicht beeindrucken lassen: „Wir kennen die Skepsis nun— mehr seit sechs Jahren.“ Er macht Unterschiede in der Wahrneh— mung von Zalando zwischen den USA und Deutschland aus. „Ana— lysten dort haben uns gefragt, warum wir jetzt schon in die Profita— bilität gehen. Und hier wurden wir immer gefragt, warum wir so groß sind und immer noch nicht profitabel. Es ist eine ganz andere <?page no="153"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 152 › uvk.de Sichtweise.“ In den Monaten vor dem Börsengang gab sich das Unternehmen jedenfalls große Mühe, den Anforderungen der An— leger zu entsprechen. Gentz erinnert sich: „Wir haben gezeigt, dass wir schwarze Zahlen schreiben können.“ Er gibt zu, dass das Pro— zedere rund um das Marktdebüt „deutlich komplexer war, als man sich das vorher vorstellt“. Im Allgemeinen bringt ein Börsengang auf der einen Seite neben dem besseren Zugang zu Kapital eine hohe Aufmerksamkeit, eine tendenziell höhere Unternehmensbe— wertung sowie die Möglichkeit, Beteiligungsprogramme für Mitar— beiter leichter einzuführen. Auf der anderen Seite stehen aber der hohe Zeitaufwand für das Jungunternehmen aufgrund der neuen periodischen Berichterstattung und Investorenbetreuung, damit verbunden sind auch höhere Kosten sowie eine stärkere Mitsprache und Transparenz, meist öffentlicher Druck und strikte Corporate— Governance—Vorgaben. 106 Gentz erklärt, warum Zalando überhaupt an die Frankfurter Bör— se strebte: „Es gab dafür zwei Gründe. Einmal sind unsere interna— tionalen Konkurrenten an der Börse gelistet und haben dadurch anderen Zugang zu Kapital. Zum anderen waren unsere Bilanzen durch unseren Großinvestor, den schwedischen Kinnevik—Konzern bereits semi—öffentlich, da dieser notiert ist. Von den Gesellschaftern verspürten wir keinen Druck. Die haben den Börsengang auch nicht genutzt, um auszusteigen.“ Neben weit verbreiteter Skepis finden sich auch viele Bewunde— rer der Geschäftsmodelle von Rocket Internet und Zalando. Serien— gründer Andy Goldstein, der unter anderem das Entrepreneurship Center an der Ludwig—Maximilians—Universität München leitet, ist voll des Lobes: „Man muss beiden Start—ups ganz kräftig applaudie— ren. In Deutschland werden genau diese Beispiele benötigt, die zeigen, dass ein Marktdebüt funktionieren kann.“ Auch KPMG—Partner Tim Dümichen versteht die Negativschlag— zeilen rund um den Börsengang nicht: „In der amerikanischen Pres— se hätte man Geschichten a la ‚Drei Selfmade—Brüder bauen tolles Unternehmen auf‘ gelesen. Hier hat man eher draufgehauen.“ In die Medienschelte stimmt ebenfalls Niklas Veltkamp aus der Bitkom— <?page no="154"?> Kapitel 13. Wie alles endet − Börsengänge und Trade Sales › uvk.de 153 Geschäftsleitung ein: „Zum Hauptinhalt der Berichterstattung ist geworden, dass Oliver Samwer jetzt noch reicher wird. Dass der Börsenkurs wenige Wochen nach dem IPO über dem Ausgabekurs stand, fand niemand mehr berichtenswert.“ Eine solche Berichter— stattung schade dem Ansehen von Unternehmern. Urbanara— Geschäftsführer Benjamin Esser betont: „Es ist schon eine positive Entwicklung, dass der deutsche Anleger auch in E—Commerce— Unternehmen an der Börse investiert. Der Start war ja nun zunächst eher katastrophal, aber mittlerweile zeigen diese IPOs gute Ent— wicklungen und das gibt dem ganzen E—Commerce—Sektor Vertrau— en.“ In der Regel macht es auch erst Sinn, mehrere Monate nach dem Börsengang ein Resümee zu ziehen - dann, wenn sich der Aktienkurs eingependelt hat. Auf die positiven Auswirkungen der beiden Börsengänge zielt KPMG—Partner Tim Dümichen ab: „Es war gut, dass das mal zwei Berliner Unternehmen geschafft haben. Es war zwar nicht die er— hoffte Initialzündung, aber man man kann den Gordischen Knoten auch nicht mit einem Hieb durchschlagen.“ In Bankenkreisen hält man die Aussichten für Rocket Internet und Zalando überwiegend für gut. Berenberg bezeichnet Rocket Ende 2014 als eine einzigartige Möglichkeit, um in den E— Commerce— und Finanztechnologie—Sektor in Schwellenländern zu investieren. Zugleich räumt die Bank ein, dass eine Bewertung des Unternehmens schwierig ist, da die einzelnen Start—ups noch in ihren Kinderschuhen steckten. Bei Zalando empfehlen Banken An— fang 2015, mehrheitlich die Anteilsscheine zu ‚kaufen‘. Nachdem der Konzern darüber hinaus einen überraschend hohen Jahresge— winn bekanntgab, stieg die Aktie auf mehr als 25 Euro und lag da— mit 20 Prozent über dem Ausgabepreis. UND WER IST DER NÄCHSTE? Zalando und Rocket Internet sind also mit ihren Börsengängen vorgesprintet, doch nun lässt das Hauptfeld scheinbar lange auf sich warten. Soweit öffentlich bekannt, gibt es bisher keine konkre— <?page no="155"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld 154 › uvk.de Ein Börsengang oder Trade Sale in dieser Dimension ist am deutschen Horizont bisher nicht zu erkennen. ten Bemühungen anderer Jungunternehmen, es ihnen nachzuma— chen. Dabei würde Deutschland nach Einschätzung von LinkedIn— Mitgründer Konstantin Guericke, dem Mann mit dem direkten Draht ins Silicon Valley, genau dies benötigen. Seiner Meinung nach sind mindestens noch drei bis vier Exits in der Größenordnung von Skype nötig, bevor sich das Silicon Valley und die Bundesrepublik annähern. 2011 hatte der Software—Riese Microsoft den Internet— Telefonie—Anbieter Skype für acht Milliarden Euro gekauft. Kein Wunder: Nicht mal die Vorzeige— unternehmen des vielgepriesenen deutschen Mittelstandes streben an die Börse. Hauptsächlich aller— dings deswegen, weil sie sich auch anderweitig gut finanzieren können. Derzeit gelten unter den Start—ups Mister Spex, Auctionata, die zu Rocket gehörenden Online—Möbelhändler Home24 und West— wing, Wooga, Soundcloud und Delivery Hero als Börsenkandida— ten. Aus der Deckung will sich bisher keiner der Anwärter wagen, allerdings liebäugeln die Aspiranten alle mit diesem Schritt. „Früher oder später müssen wir es tun“, sagt Delivery—Hero—Chef Niklas Östberg. Aber eilig hat er es mit einem Börsengang nach eigener Aussage nicht. Viel hänge davon ab, ob sein Unternehmen frisches Kapital benötige. Sei dies nicht der Fall, müsse man auch nicht aufs Parkett: „Wir stehen kurz davor, profitabel zu werden. Zudem sind für unser Geschäftsmodell keine großen Investitionen in Fabriken oder ähnliches nötig.“ Östberg will einen Börsengang in Deutschland nicht ausschließen, beurteilt aber die Frankfurter Börse wegen der geringen Liquidität bei Technologiewerten momentan eher skeptisch. „Aus heutiger Sicht würden wir die Wall Street für einen IPO von Delivery Hero bevorzugen“, sagt der Schwede. Die Liquidität sei dort wesentlich höher. Der geringe Handel mit den Aktien von Rocket Internet und Zalando zeige, dass Deutsche wie auch Ausländer aktuell wenig Interesse daran hätten, in ein E— Commerce—Unternehmen aus Deutschland zu investieren. Bisher <?page no="156"?> Kapitel 13. Wie alles endet − Börsengänge und Trade Sales › uvk.de 155 sind eher institutionelle Investoren an den Unternehmen beteiligt und nicht Privatanleger. Auch Mister—Spex—Geschäftsführer Dirk Graber will sich alle Op— tionen offenhalten. „Dazu gehört der Börsengang“, sagt Graber. Eben den halten Beobachter seit dem Einstieg von Goldman Sachs 2014 für wahrscheinlicher. „Natürlich bringt Goldman viel Erfah— rung bei der Betreuung eines Börsenanwärters mit und kann uns Feedback geben, was dafür noch alles gemacht werden müsste“, gibt Graber zu. Wooga gilt ebenfalls als Börsenanwärter aus Berlin. Auch hier will man für die Zukunft nichts ausschließen. „Uns gibt es seit sechs Jahren und seit der Hälfte dieser Zeit sind wir profitabel. Wir haben letztes Jahr unseren Umsatz um 30 Prozent gesteigert und den Ge— winn vervierfacht. Dies bedeutet, dass wir alle Investitionen aus dem laufenden Geschäft tätigen können“, begründet Wooga—Chef Begemann, warum niemand bei der Mobile—Spielefirma aufs Gas— pedal für ein baldiges Marktdebüt tritt. Hinzu kommt, dass Begemann derzeit die Publizitätspflicht als Nachteil erachtet. „Wir veröffentlichen keine konkreten Zahlen, weil wir der Meinung sind, dadurch langfristig orientierter arbeiten zu können.“ Auctionata will noch einige Zeit verstreichen lassen, bevor das Thema Börsengang auf die Agenda kommt. „Für jedes VC— finanzierte Unternehmen ist es klar, dass die Investoren irgend— wann eine Rendite haben möchten. Als Exitkanal ist ein Börsengang für uns definitiv eine Option. Sollte sie für die Kapitalisierung not— wendig sein, dann werden wir diese Option auch nutzen. Aller— dings sind solche Überlegungen in den nächsten 24 Monaten für uns nicht relevant, da wir unsere mit den Investoren abgestimmten Wachstums— und Internationalisierungsziele umsetzen werden“, sagt Auctionata—Gründer und —Geschäftsführer Alexander Zacke. ResearchGate winkt bezüglich eines Börsengangs hingegen erst— mal ab. Ein IPO liegt für Firmenchef Ijad Madisch in weiter Ferne. Da hätten auch die Marktdebüts von Rocket Internet und Zalando nichts daran geändert, sagt Madisch. <?page no="157"?> Teil 2 Und immer geht es ums Geld Eher bedeckt hält sich Dawanda. Derzeit schließt der Online— Shop für Selbstgemachtes einen Börsengang aus und hat sich nach eigenen Aussagen langfristige Investoren ins Boot geholt. Trotzdem hat sich Dawanda—Geschäftsführerin Claudia Helming bereits beim Einstieg mit dem Ausstieg auseinandergesetzt: „In den Verhand— lungen mit unseren Geldgebern spielte das natürlich eine Rolle. Wir ha ben darüber gesprochen und jeder äußerte eine Erwartungshal— tung.“ Näher ins Detail will Helming nicht gehen. Spendino—Gründer Sascha Schubert, dessen Start—up Ende 2014 verkauft wurde, berichtet von entsprechenden Exit—Paragrafen im Beteiligungsvertrag. „Damit wollen alle Gesellschafter den Finger— zeig darauf richten, dass es sich um ein Engagement auf Ze it han— delt und demnach ab einem bestimmten Zeitpunkt ein strukturier— ter Verkaufsprozess in die Wege geleitet werden muss“, erklärt Schubert. Auf alle Start—ups lässt sich das Spendino—Beispiel jedoch nicht übertragen. „In unseren Verträgen findet sich keine Exit— Pflicht wieder“, sagt Wooga—Chef Jens Begemann. Der Pressesprecher vo n Rocket Internet, Andreas Winiarski, hat derweil für alle Nachfolger schon mal einen Tipp parat: „An die Börse sollte ein Start—up nur, wenn es stark wächst. Die Profitabilität kommt später.“ <?page no="158"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? <?page no="159"?> › uvk.de 158 Kapitel 14. Die Flops und ihre Gründe(r) „Ich kenne das Gefühl des Scheiterns. Wenn man seine Geschäfts— idee zusammenfallen sieht, keine Möglichkeiten mehr erkennen kann, persönliche Schulden hat und sich das Rückflugticket nach Deutschland nicht leisten kann, dann geht es schon ans deutsche Mark.“ Zalando—Geschäftsführer Robert Gentz über das Scheitern seines ersten Start—ups Unibicate Niemand redet gern davon, und doch gehört das Scheitern zum Alltag, vor allem bei Firmengründungen. Viele Unternehmen sehen sich - vor allem in ihrer Anfangszeit - ständig mit dem möglichen Aus konfrontiert. Sogar Apple - heute größter Technologiekonzern der USA, der mit iPad und iPhone maßgeblich die Schaffung neuer Märkte initiierte - kä mpfte in den 1990er Jahren ums Überleben. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Start—up ziemlich schnell wieder un— tergeht, ist deutlich höher, als dass es wie Facebook durch die Decke schießt. In Deutschland übersteht im Schnitt jede dritte Firmen— gründung die ersten drei Jahre nicht 107 , entweder weil das Unter— nehmen überschuldet oder illiquide ist. Bei Start—ups liegt die Wahrscheinlichkeit, schnell wieder offline zu gehen, noch höher. „Die Erfahrung lehrt einen, dass mindestens eins von drei Unternehmen, in die ein Wagniskapitalgeber inves— tiert, leider scheitert“, erklärt die Generalsekretärin des Europäi— schen Branchenverbandes European Private Equity & Ven ture Ca— pital Association (EVCA), Dörte Höppner. Ein weiteres Drittel brin— ge ungefähr das Geld wieder ein, das hineingesteckt worden sei. Der Rest liefere den Investoren ein Vielfaches ihres Einsatzes. Und jeder Venture—Capital—Fonds braucht dann ein oder zwei Champi— ons, die sich überragend entwickeln. <?page no="160"?> Kapitel 14. Die Flops und ihre Gründe(r) › uvk.de 159 Dabei ist schwer zu definieren, was überhaupt als Scheitern gilt. Deswegen prüfen Wagniskapitalgeber ganz genau, ob das Ge— schäftsmodell des von ihnen für förderungswürdig erachteten Jungunternehmens tragfähig ist. Und doch bleibt es für die Finan— ciers wie für die Gründer ein Abenteuer, bei dem Fehlschläge ein— fach Teil des Pokerspiels sind: Jeder - Investoren wie Gründer - hofft darauf, das nächste Facebook, Tw itter oder LinkedIn am Haken zu haben. Ganz unabhängig davon, wie unwahrscheinlich das ist. Schließlich werden manche Fir— men auch von Konkurrenten über— nommen und gehen in diesen auf. Dann verschwindet vielleicht die Marke, aber eben nicht immer das Produkt. Dies werten einige Gründer als Erfolg, andere sehen es als Mi sserfolg an, wenn man sich letztlich in die Arme eines anderen Unternehmens retten muss. Der Berliner Online—Keksversand Knusperreich wurde knapp vier Jahre nach der Gründung verkauft. „Wir mussten uns die Frage stellen, ob wir es mit unseren eigenen Ressourcen aus dem profitab— len Online—Versand in den Lebensmittel—Einzelhandel sch affen und konnten dies nicht bejahen“, sagt Mitgründer Manuel Grossmann. Deswegen hätten sie am Ende des Tages die Entscheidung getrof— fen, dass Start—up zu veräußern und damit langfristig auf solide Beine zu stellen. „Es hat eine Zeit gedauert, bis ich mich mit dem Gedanken des Verkaufs angefreundet habe. Aber jetzt is t es ein gutes Gefühl“, meint Grossmann. Zum Zeitpunkt der Gründung war er 22 Jahre alt und damit deutlich jünger als die Mehrzahl der Gründer. Laut Startup Monitor 2014 ist der deutsche Entrepreneur im Schnitt knapp 35 Jahre alt. Abgeschreckt vom Unternehmersein ist Grossmann auf keinen Fall. Er will später gern ei n weiteres Mal gründen, „das steht für mich außer Frage“. Und Gründer Gabriel Yoran rät dazu, sowieso am besten die ganze Zeit auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben: „Ein Gründer muss mit einem sehr schwer auszuhaltenden Konflikt klarkommen. Man läuft mit dem Anspruch los, das beste X, schönste Y oder das schnellste Z zu ge— stalten. Aber letztlich hat man nicht die finanziellen Möglichkeiten, das bis ins Letzte zu schaffen und zudem zu viele andere Baustel— <?page no="161"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 160 › uvk.de len. Man muss man sich damit abfinden, dass es vielleicht nur so für ganz ok reicht.“ WARUM SCHEITERN START-UPS ÜBERHAUPT? Zu Beginn des Abenteuers Start—up beschäftigt sich in der Regel niemand mit dem Scheitern. Dabei gibt es vieles, was schiefgehen kann. Die US—Datenbank CB Insights hat sich mehr als 100 geschei— terte Start—ups näher angeschaut und eine Liste mit den Ursachen erstellt. Der häufigste Grund für Fehlschläge war mit Abstand, dass es einfach keinen Markt für das Produkt beziehungsweise die Dienst— leistung gab. Darauf folgen Kapitalmangel und Probleme mit dem Team. Des Weiteren wurden Start—ups von Wettbewerbern abge— hängt, es gab Kostenprobleme oder die Qualität des Produktes stimmte einfach nicht 108 . Bei eben diesen Unwägbarkeiten setzt das US—amerikanische Startup Growth Science an, das derzeit viel von Reden macht. Es basiert auf einem Simulationsprogramm, das den Erfolg oder Misserfolg einer möglichen Idee vorhersagt. „Die meis— ten scheitern die meiste Zeit. Wir wollen dies ändern“ - nichts we— niger ist das vielversprechende Ziel von Growth Science. Knusperreich—Mitgründer Manuel Grossmann findet, dass vor al— lem im E—Commerce—Sektor bestimmte Fehler häufig begangen werden: „Entrepreneure unterschätzen eigentlich immer die Kosten und den Aufwand für Marketing und die Etablierung einer Marke. Es gibt im Handel so viele ähnliche Produkte, dass man viel tun muss, um sich abzuheben.“ Zudem habe sich der Online—Handel sehr stark professionalisiert. Der Kunde und der Markt erwarteten ein perfektes Produkt. Für ein wachsendes Start—up sei es eine Her— ausforderung, dies immer abzuliefern. Die Erfahrung, dass es für ein zunächst vielversprechendes Pro— dukt am Ende doch ausreichende Nachfrage gibt, hat Investor und Seriengründer Frank Thelen gemacht. Nachdem er in jungen Jahren bereits den Support—Dienstleister Twisd gegen die Wand fuhr, scheiterte er im März 2014 mit der Dokumenten—App Doo, die <?page no="162"?> Kapitel 14. Die Flops und ihre Gründe(r) › uvk.de 161 In Berlin ist die Liste der gescheiterten Firmen lang. nichts weniger als das Papier abschaffen wollte. Zehn Millionen Dollar konnte Thelen einsammeln. Nur die Nutzer fehlten dem 2011 gegründeten Dienst. Doo gab auf und Thelen machte Bekanntschaft mit einigen Negativschlagzeilen, die ihn ärgerten. „Scheitern ist in Deutschland nicht akzeptiert. Generell ist das ein Problem. Da muss sich die Geisteshaltung noch än dern. Man kann nur außergewöhn— liche Leistungen erbringen, wenn man auch mal mit 320 Kilometer pro Stunde in die Kurve rast. Dann kann es eben mal schief gehen“, sagt Thelen, der deutschlandweit mit der Start—up—Show „Die Höhle des Löwen“ bekannt geworden ist. Thelen ließ sich jedenfalls von dem Doo—Fehlsta rt nicht verunsichern und startete kurz nach dem Aus unter dem Namen Scanbot, einer App fürs Scannen von Do— kumenten— und QR—Codes, einen neuen Versuch. Sogar länger als in anderen deutschen Städten. Laut der McKinsey—Studie „Ber— lin gründet“ musste im Schnitt jedes fünfte der zwischen 2007 und 2011 gegründeten Unterne hmen wie— der liquidiert werden. Das ist deutlich mehr als beispielsweise in Hamburg oder München 109 . Bei vielen wird das Aus im Gegensatz zum Unternehmensstart nicht öffentlich zelebriert. Und häufig steht am Ende auch nicht das Nichts. Denn manchmal ändern Start—ups mit Hilfe neuer Finanzzuschüsse einfach nur ihre Ausrichtung und ihren Namen. Geht es zu Beginn beispielsweise noch um einen Fotodienst, versucht man es nach der Umwa ndlung mit einer Da— ting—Plattform. Manchmal existiert nach einem Monat bereits die ursprüngliche Internetseite nicht mehr und nur die Mitarbeiter sind noch die Gleichen. Etwas anders lief es bei Twago. Zunächst war der Freelancer—Marktplatz Twago nach drei Jahren insolvent, bekam dann aber eine frische Finanzierung, unter anderem vom Pers onal— dienstleister Randstad, und setzt nun voll auf Wachstum in Europa. Dass es manchmal auch schiefgeht, obwohl alles für das Gegen— teil spricht, weiß der Niederländer Edial Dekker nach der Über— nahme seines Start—ups Gidsy durch den Konkurrenten GetYour— Guide. „Viele sahen in uns das ‚Poster Child‘ der Berliner St art—up— Szene und führten uns als Grund dafür auf, dass aus Berlin das <?page no="163"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 162 › uvk.de nächste Silicon Valley wird. Das haben wir allerdings nie geglaubt. Aber wir haben die damaligen Schlagzeilen natürlich gern gelesen, weil sie uns Aufmerksamkeit brachten“, sagt Edial Dekker. Bereits Monate vor der Übernahme 2013 kämpfte der für Touristen aufge— baute Dienst, in den auch Hollywood—Schauspieler und Investor Ashton Kutcher investiert hatte, mit schwachen Einnahmen und zu geringer Resonanz bei den Kunden. Die privaten Sightseeing— Touren oder Entdeckungserlebnisse, die Gidsy anbot, interessierten weniger Menschen als erwartet. Ein persönlicher Fehlschlag wurde Gidsy für Dekker nicht, er bekam einen Job beim US—Konzern Eventbrite und zog schnell ins Silicon Valley. Letztlich sei das Gid— sy—Abenteuer für niemanden von Nachteil gewesen. Alle ehemali— gen Mitarbeiter hätten neue Jobs und „wir haben eine Menge ge— lernt“. Und auch Dekker schließt nicht aus, sich in der Zukunft erneut selbstständig zu machen. „Wenn man einmal gegründet hat, denkt man ständig darüber nach, es erneut zu machen“, betont der Holländer. Es gibt noch viel mehr Beispiele für Berliner Start—ups, die es letztlich nicht geschafft haben. Dazu gehört auch Hipaway.com. Auf seiner Internetseite verkündete das Günstig—Buchungsportal für Hotels im Herbst 2013 und damit rund eineinhalb Jahr nach dem Start: „Leider ist es uns zur Zeit nicht möglich, den Service hipaway.com weiter anzubieten.“ Gegen Platzhirsche wie HRS und Booking.com, die diesen renditearmen Markt viel früher besetzten, hatten die Gründer Adrian Graf, Philipp Hahn und Sven Loth und ihre zwischenzeitlich mehr als 30 Mitarbeiter keine Chance. Hipa— way.com versprach Schnäppchen—Übernachtungsraten, nannte sei— nen Kunden vorab aber nicht den Namen des gebuchten Hotels. Den Hoteliers sollte diese Geheimnistuerei dabei helfen, zu ver— schleiern, dass ihr Haus zu dem Zeitpunkt noch nicht ausgebucht und die Betreiber deswegen zu deutlichen Preisnachlässen bereit waren. Dass diese Idee ankommt, zeigt eine kurz nach dem Hipa— way.com—Aus aufgebaute HRS—Plattform. Unter dem Namen sur— price—hotels.com verfährt der Kölner Marktführer unter den Online— Buchungsportalen nach eben jedem Hipaway.com—Prinzip. Hip— <?page no="164"?> Kapitel 14. Die Flops und ihre Gründe(r) › uvk.de 163 Durchsetzen können sich nur wenige Startups und dies sind zumeist die Originale und nicht ihre Kopien. In Deutschland wird immer noch ungern über das Scheitern gesprochen. away wurde zum Verhängnis, dass die Reisebranche seit eh und je von wenigen Firmen dominiert wird und vor allem Start—ups in den langwierigen Verhandlungen um Buchungskontingente, Preise und Rabatte in einer schwierigen Position sind. 2013 verschwand beispielsweise die Berliner eBay—Nachahmung Clevertake, ohne jemals von sich Reden gemacht zu haben, wieder vom Markt. Um eine Firma dauerhaft betreiben zu können, muss sie wirtschaftlich arbeiten und in absehbarer Zeit schwarze Zahlen schreiben, sonst ist die beste Finanzausstattung irgendwann restlos aufgebraucht. „In Deutschland herrscht leider fast überall die Men— talität vor, unbedingt das Scheitern verhindern zu wollen. Damit wird auch das Wachsen verhindert“, sagt Spendino—Gründer Sascha Schubert. DRUM LASST UNS DRÜBER REDEN Macher von heute geben selten Einblick in frühere Bruchlandun— gen. Vielleicht auch deswegen, weil viele Gründer Geld von der Familie und Freunden nutzen, um ihre Firmenidee in die Tat umzusetzen. Ein Fehlschlag schmerzt umso mehr, wenn privates Kapital im Spiel ist. Davon kann auch Xing—Gründer Lars Hinrichs ein Lied singen. Im Alter von 22 Jahren - damals schon Grimme—Preisträger - startete er unter Einsatz sei— nes Privatvermögens die Böttcher Hinrichs AG. Zwei Jahre später war die PR—Firma für Internet—Start—ups pleite. Dem späteren Erfolg Hinrichs - mit Xing und als Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Telekom - tat dies keinen Abbruch. Vielleicht tragen auch solche Lebensläufe dazu bei, dass die Haltung, Scheitern als Chance zu begreifen, langsam in Deutschland Einzug hält. Die USA sind aufgrund der immer noch weit verbreiteten Mei— nung, dass es fast jeder vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen kann, deutlich weiter. Das Scheitern sei zuletzt im Silicon Valley auf <?page no="165"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 164 › uvk.de Jeweils drei bis vier Redner erzählen auf einer Bühne über ihr Schicksal und ihren Misserfolg. der kulturellen Ebene enorm „destigmatisiert“ worden, sagt bei— spielsweise Michael A. Freeman von der University of California 110 . Für die betroffene Person hingegen könne das Erlebnis weiterhin sehr schmerzhaft sein. Da wollte die Konferenz Failcon Abhilfe leisten. Sie hat ihren Ursprung in San Francisco, wo sie 2009 erst— mals stattfand. Unter dem Motto „Embrace your mistakes. Build your success“ richtete sie sich an alle, die erfahren wollten, warum es ein Start—up nicht geschafft hat oder wie es ihm gelungen war, kurz vor dem Aus das Ruder doch noch herumzureißen. Die Macherin und Ide— engeberin Cassandra Phillipps wollte das Scheitern enttabuisieren. Dies gelang ihr im Silicon Valley offenbar so gut, dass sie sich gleich selbst wieder abschaffte. 2014 fand die Failcon bereits nicht mehr statt. Die „New York Times“ schrieb diesbezüglich, dass das Schei— tern nun wie ein Orden getragen würde und Entrepreneurs gern öffentlich erzählten, welchen Widrigkeiten sie sich stellen muss— ten 111 . Phillipps arbeitet an einer neuen Failcon—Variante, die intimer ausfallen und deren Besuch nur mit einer persönlichen Einladung möglich sein soll. Die Neuauflage soll im Oktober 2015 an den Start gehen. Unterdessen gibt die alte Variante der Failcon den Export— schlager. Die Veranstaltung fand als Lizenzprodukt in Brasilien, dem Iran, Japan, Saudi—Arabien oder eben auch Berlin statt. Sascha Schubert organisierte 2012 die bis dato einzige Failcon in der Hauptstadt. „Seither hat sich in Berlin viel verändert. Eine Kultur der zweiten Chance hat sich etabliert“, sagt Schubert. Finanziell lohnte sich die Failcon für die Veranstalter jedoch nicht, „wohl, weil sie Leute an— spricht, die sich bereits mitten im Scheitern befinden und damit oft kein Geld mehr für Events haben“. Deswegen habe es bis dato auch keine Wiederholung gegeben. Neben den Failcon—Ausgaben haben auch die weltweit stattfindenden FuckUp Nights das Thema Schei— tern zum Inhalt. Danach sind Frage— runden möglich. Die Idee wurde in Mexiko geboren und hielt auch in Berlin bereits Ein— <?page no="166"?> Kapitel 14. Die Flops und ihre Gründe(r) › uvk.de 165 zug. Hier ist das Motto „Sometimes you win. Sometimes you learn“. Die Veranstalter wollen die „Angst vorm Scheitern nehmen und Mut geben, nach dem Fall wiederaufzustehen“. Gabriel Yoran zählte zu den Rednern auf der Berliner Failcon. Zusammen mit anderen Gründern baute er 2006 die Plattform aka— aki auf - ein soziales Netzwerk, das umliegende Nutzer per Handy— Ortung anzeigen sollte. Trotz anfänglich starken Rückenwinds war für das Berliner Start—up nach einigen Jahren Schluss. Das lag aller— dings mehr am Streit unter den Gründern als an der Firmenidee. „Der Grund, warum wir aka—aki abgewickelt haben, hatte nicht primär wirtschaftliche sondern persönliche Gründe. Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen, wie das Unternehmen weiterge— führt werden sollte. Wenn es sieben Gründer gibt, gibt es eben auch viele Leute, die etwas zu sagen haben“, erinnert sich Yoran. „Die meisten Start—ups scheitern wegen des Teams. Ich habe mehr über andere Menschen gelernt, als über den Social—Networking—Markt.“ Yoran betont, das ursprüngliche Geschäftsmodell von aka—aki sei gut gewesen und vor iPhone, Android & Co. da gewesen. 2007/ 2008 waren allerdings mobile Datentarife „noch nicht für jedermann erschwinglich“. Das Scheitern sei dann „ein schleichender Prozess“ gewesen. Die Idee zu aka—aki kam damit wohl einfach zu früh. Es sind schon viele daran gescheitert, dass die Voraussetzungen für den Erfolg zunächst nicht gegeben waren, um wenig später doch Reali— tät zu werden. Die Fluggesellschaft KLM scheint jedenfalls auf die aka—aki—Idee zurückzugreifen. Beim so genannten Social Seating können Gäste auf Fernflügen ab und nach Amsterdam beim Buchen eine entsprechende Funktion wählen, die ihre Profile auf Facebook, Google oder LinkedIn miteinander verbindet. Sie erfahren so, wer sich noch auf dem Flug befindet und ob sie jemanden bereits ken— nen. Dann können sich die beiden Personen gegebenenfalls neben— einander setzen. Manchmal ist der Wettbewerb auch zerstörerisch, weil sich zu viele Start—ups auf einem kleinen Markt tummeln - vor allem Da— ting—Anbieter können davon ein Lied singen. Das musste auch das <?page no="167"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 166 › uvk.de Damit entfallen zwischen 45.000 und 80.000 Gründungen jedes Jahr auf Wiederholungstäter. Start—up Snoopet erfahren. Im September 2012 gegründet, war im März 2014 schon Schluss. Über Snoopet sollten sich Hundebesitzer kennenlernen, zum Gassi gehen verabreden und im besten Fall lieben lernen. Offenbar hielten viele dieses Angebot nur für eine weitere Dating—Plattform, wie es sie in Massen auf dem Markt gibt, und blieben lieber bei bereits etablierten Formaten wie Parship oder EDarling. Da bewahrheitet sich am Ende meist der bekannte Spruch: „New stuff does not replace old stuff.“ Zudem wollte Snoopet mit einem kostenfreien Angebot bekannt werden, schlieߗ lich aber doch ein Entgelt für das Zusammenbringen von Hunde— liebhabern verlangen. Das war den Kunden nicht zu vermitteln. Ist der Nutzer erstmal daran gewöhnt, den Service kostenlos zu erhal— ten, zückt er später ungern doch noch seine Kreditkarte. DER ZWEITE VERSUCH Viele Gründer, die sich in Berlin gerade einen Namen machen, ha— ben in der Vergangenheit Schlappen mit anderen Ideen erlebt. Beim Startup Monitor 2014 gab ungeachtet der Ursachen, weshalb Grün— dungen nicht weitergeführt konnten, fast die Hälfte der Befragten an, bereits mehr als ein Unternehmen gegründet zu haben. Nach Informationen des „Factbooks Gründerland Deutschland“ vom Bundeswirtschaftsministerium wagen von allen gescheiterten Grün— dern 11 bis 18 Prozent einen neuen Versuch. Fazit ist: Der Restart lohnt sich, da der erneute Versuch für gescheiterte Gründer eine unternehmerische Chance darstellt. Demnach kann sich ein nicht unerheblicher Teil von ihnen in der Wiederholung am Markt behaupten. Sie haben besser im Blick, worauf sie achten müssen. Bei der Wahl der Part— ner, Finanzierungsmittel und Mitarbeiter sind sie genauer infor— miert und versuchen, frühere Fehler zu vermeiden. Sie haben das erklärte Ziel, es diesmal klüger anzugehen und gehen häufig mit mehr Ehrgeiz und Ernsthaftigkeit an die Sache heran - ähnlich <?page no="168"?> Kapitel 14. Die Flops und ihre Gründe(r) › uvk.de 167 Mach dir ums Scheitern keine Sorgen, richtig liegen musst du nur einmal. einem Leistungssportler, der es nach einer schwerwiegenden Ver— letzung richtig wissen will und alles auf eine Karte setzt. Doch auch dann muss nicht alles gut gehen. Dazu Edial Dekker: „Dann macht man eben neue Fehler. Das lässt sich gar nicht vermeiden.“ Schlieߗ lich gebe es keine Formel für die Gründung eines erfolgreichen Start—ups. Dass sich auch mit gescheiterten Start—ups ein Geschäft machen lässt, will die Firma rehype.it beweisen. Mit dem Slogan „Gib dei— nem Projekt eine zweite Chance“ wirbt Tom Schneider um geschei— terte Ideengeber. Es geht um den Kauf und Verkauf von Start—ups, deren IT—Projekten und webbasierten Applikationen. „Fast jeden Tag gehen Meldungen von insolventen Start—ups durch die Medien. Da hatten wir die Idee, einen Marktplatz zu entwickeln, damit all die in einer Geschäftstätigkeit entstandenen Daten nicht verloren gehen, sondern weiter genutzt werden können”, erklärt Schneider das Konzept der im April 2014 an den Start gegangenen Plattform rehype.it 112 . Der Gründer und Chef des US—Online—Speicher—Dienstes Drop— box, Drew Houston, hat aus dem Scheitern ein ganz eigenes Motto entwickelt: „Donht worry about failure, you only have to be right once.“ Ob es vielleicht beim zweiten Mal klappt, hängt natürlich auch damit zusammen, ob man es überhaupt ein wiederholtes Mal versucht. Dafür ist eine Unternehmenskultur von Nöten, die das Scheitern zulässt und als Chance erkennt. In diesem Bereich hat Deutschland im Vergleich zum Silicon Valley deutlichen Nachholbedarf. „Wenn man scheitert, ist man sich Spott und Häme sicher“, kritisierte FDP—Chef Christian Lindner Anfang 2015 in seiner Rede zum Thema Gründungsgeist, deren Videoaufzeichnung sich aufgrund des Einwurfs eines SPD— Kollegen und der spontanen Reaktion Lindners wie ein Lauffeuer im Netz verbreitete. Lindner hatte in der Dotcom—Krise selbst ein Start—up in den Sand gesetzt. Dieses Scheitern nutzt er Jahre später geschickt, um sich als Anwalt einer neuen Gründerkultur in Deutschland zu inszenieren. <?page no="169"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? Dass es zum Alltag eines Gründer dazu gehört, auch falsch zu lie— gen, weiß auch Coffeecircle—Gründer Martin Elwert. Doch daran gilt es eben zu wachsen: „Fehler hat man in der Regel selbst verursacht und man muss sie auch ausbaden. Das ist der große Unterschied vom Unternehmertum zum Angestelltenverhältnis.“ Und Jan Dz u— lko von M Cube sagt dazu: „Es gibt extrem wenige Wunderkinder wie Mark Zuckerberg oder die Google—Gründer. Alle anderen ko— chen mit Wasser und müssen akzeptieren, dass die Wahrscheinlich— keit relativ gering ist, dass man Milliardär wird. Aber die Antriebs— feder sollte sowieso immer sein, dass man selbstbestimmt arbeitet.“ Ei n Lied von den Herausforderungen, die auf Gründer warten, kann auch Business Angel Christian Vollmann singen. Er fasst die Auswirkungen des Unternehmerdaseins kurz und knapp zusam— men: „Gründen gefährdet Nachtruhe und Gesundheit.“ <?page no="170"?> › uvk.de 169 Kapitel 15. Fernziel Silicon Valley? „Hier ist alles mehr. Größer, besser, schneller. Das Netzwerk ist riesig. Wenn man zu einem Meet—up geht, trifft man auf Manager von Airbnb, Pinterest, Facebook, Google. Hinzu kommt die Hal— tung gegenüber dem Gründen und Scheitern und erneut Grün— den, die sehr positiv ist.“ Edial Dekker, der erst Gidsy in Berlin startete und nach dem Verkauf zum US—Start—up Eventbrite ins Silicon Valley wechselte Es gibt viele Möglichkeiten, um plakativ darzustellen, wie weit der Weg Berlins und damit Deutschlands noch ist, um überhaupt in den Verdacht zu geraten, jemals mit dem Silicon Valley aufschließen zu können. Allein schon die harten Fakten zeigen, wie weit es noch ist. In den USA haben Start—ups einen großen Anteil am Erfolg der weltgrö ßten Volkswirtschaft. Sie tragen rund ein Fünftel zum Brutto— inlandsprodukt bei und sind für die Schaffung von etwa einem Zehntel der Jobs verantwortlich 113 . Schätzungen von Experten zu— folge dürften Firmen mit Hauptsitz im Silicon Valley davon rund die Hälfte ausmachen. Von einer solchen Wirkung auf die deutsche Wirtschaft können Start—ups in Deutschland und damit nicht zuletzt auch in Berlin nur träumen. „Dies zeigt allein das Alter unser Groߗ konzerne. Bei uns gibt es nur ein Dax—Unternehme n, nämlich den Software—Hersteller SAP, dessen Gründer noch leben“, sagt Florian Nöll vom Bundesverband Deutscher Startups. Auch Andreas Weiskam vom Risikokapitalgeber Sapphire Ven— tures, einer Ausgliederung von SAP, findet dies ernüchternd. Schließlich sei SAP damit für heutige Start—ups gefühlt ein „Urur— großvater“. Ohne ein zeitnahes Vorb ild ließen sich Innovationen schwerer auf die Beine stellen. An der Wall Street sind die Schwer— punkte ganz anders gelagert. Im Dow Jones Index sind unter ande— <?page no="171"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 170 › uvk.de rem Microsoft, Cisco und Intel vertreten und an der Nasdaq mit Tesla, Facebook, Apple, Amazon, eBay und Google noch jüngere Firmen notiert. Das sind Firmennamen, die nicht nur die meisten Amerikaner kennen, sondern die in der ganzen Welt Relevanz ha— ben. Aufbauend auf den Erfolgsgeschichten der genannten Konzer— ne, die zu globalen Marktführern gehören, ist das Interesse an Neu— gründungen und dem damit verbundenen Geist groß. So groß, dass das Gründen sogar Einzug in die Erzählwelt des amerikanischen Fernsehens gehalten hat. GRADMESSER FERNSEHEN Dass Start—ups in den USA mitten in der Gesellschaft angekommen sind und anerkannt werden, zeigt sich am Fernsehprogramm. Ne— ben Krankenhaus— und Krimiserien läuft dort die erfolgreiche Sit— com „Silicon Valley“, die vom Leben sechs junger Männer handelt, die gerade ein Start—up gegründet haben. Ganz so weit ist man in Deutschland noch nicht, obwohl jetzt auch hierzulande erstmals Gründer im Reality—Fernsehen in Er— scheinung treten. Entsprechende Formate gibt es in den USA und Großbritannien seit vielen Jahren. Doch in Deutschland traute sich lange niemand heran, wohl aus der Annahme heraus, dass dies nur eine sehr kleine Zielgruppe interessieren dürfte und den klassischen Fernsehgucker eher ausschließt. In Großbritannien lief bereits 2005 die anhaltend beliebte Reality—Serie „Dragons’ Den“ an. Die Show, von der Anfang 2015 bereits die zwölfte Staffel ausgestrahlt wurde, gibt mehreren Gründern die Möglichkeit, ihre Firmenidee zu prä— sentieren. Bekannte Investoren entscheiden dann, welche Idee sie am vielversprechendsten finden und entsprechend finanzieren wollen. In den USA heißt die Emmy—nominierte Serie „Shark Tank“ und kommt nach Senderangaben auf mehr Zuschauer an einem Freitagabend als jede andere Ausstrahlung. Nach den Sommerferien 2014 wagte sich dann der deutsche Fernsehsender Vox mit einer Kopie dieses weltweit erfolgreichen Formats zur besten Sendezeit an den Markt. Zu diesem Zeitpunkt <?page no="172"?> Kapitel 15. Fernziel Silicon Valley? › uvk.de 171 Trotzdem mangele es den Deut schen noch an Gründergeist. gab es bereits Landes—Ableger der Serie in für ihre Start—ups nicht ganz so bekannten Staaten wie Saudi—Arabien, Ukraine, Rumänien, Nigeria und Afghanistan. Die erste Staffel von „Die Höhle des Lö— wen“ fand Anklang und erhielt entsprechend eine Fortsetzung. Frank Thelen, der in dem Format als einer der Investoren in Er— sc heinung tritt, sagt: „Mit knapp 2 Millionen Zuschauer pro Sen— dung adressiert die Show einen bedeutenden Teil der Bevölke— rung. Eine so starke Aufmerksamkeit für Start—ups hat es meines Wissens vorher so noch nicht gegeben. Ich persönlich habe unzähli— ge Briefe und Anrufe erhalten, weil Leute eine Firma gegründet ha ben, nachdem sie die Sendung ge— sehen haben.“ In Deutschland herr— sche immer noch die Einstellung vor, dass der Sohn nach dem erfolgreichen BWL—Studium lieber bei der Deutschen Telekom oder einem anderen DAX—Konzern arbeiten solle als selbst als Gründer aktiv zu werden, kritisiert Thelen und ist damit gleich be im großen Thema Gründerkultur in Deutschland angekommen. WAS KANN GETAN WERDEN? Fest steht, dass in Deutschland anders mit Großunternehmern um— gegangen wird als in den USA, wo Vorbilder wie Steve Jobs oder Bill Gates gefeiert werden. „Bei uns ziehen sich erfolgreiche Grün— der eher zurück. Das zeigt allein das Beispiel des SAP—Mitgründers Hasso Plattner. Er verbringt mittlerweile die meiste Zeit des Jahre s in den USA und nur noch wenige Monate in Potsdam. Hier in Deutschland tritt er deutlich seltener öffentlich auf, während er im Valley nicht nur bei seiner Design Thinking School regelmäßig seine Erfahrungen teilt. Dies liegt sicherlich auch an der geringen Wert— schätzung hierzulande“, kritisiert Niklas Veltkamp von der Bitkom— Geschä ftsleitung. Florian Nöll vom Bundesverband Deutscher Startups kritisiert den fehlenden Unternehmergeist: „Fast die Hälfte der Deutschen will kein Unternehmen gründen, weil sie Angst davor hat, zu schei— <?page no="173"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 172 › uvk.de In den USA versucht man seit einiger Zeit, gezielt das Thema Gründen in die Öffentlich keit zu rücken. tern. Nach dem Zweiten Weltkrieg war noch jeder Dritte selbst— ständig, natürlich auch aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation. Jetzt liegt die Quote seit einiger Zeit bei zehn Prozent. Uns sind die Füße beim Gründen eingeschlafen und das ist schlecht für die Gesellschaft und die Wirtschaftskraft.“ Dies liegt vielleicht auch daran, dass das Thema Start—ups in der Politik lange wenig Aufmerksamkeit erhielt. „Trotz mehrerer Tref— fen und einiger Bemühungen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel noch wenig Verständnis für die Bedürfnisse von Start—ups. Das sieht bei US—Präsident Barack Obama doch ein wenig anders aus“, findet Investor Frank Thelen. Dafür wurden so genannte Entrepreneur—Botschafter in— stalliert. Zu denen zählen in der Szene bekannte Leute wie LinkedIn—Gründer Reid Hoffman und damit ein guter Bekannter von Mitgründer Konstantin Gueri— cke sowie der Mitgründer des Immobilien—Portals Zillow, Rich Bar— ton. Beide haben Unternehmen hervorgebracht, die zu den am schnellsten wachsenden Start—ups der USA gehören. Im Rahmen der Entrepreneurship—Initiative wollen sie dazu beitragen, weltweit den Gründergeist zu fördern. Die Zahl der erfolgreichen Start—ups in den USA sowie in anderen Staaten solle so erhöht werden, sagt die US—amerikanische Wirtschaftsstaatssekretärin Penny Pritzker im Juni 2014. Sie ist neben dem früheren AOL—Chef Steve Case eine der Initiatoren der so genannten „Rise of the Rest“—Tour. Ziel dieser Veranstaltungstour durch Amerika im Sommer 2014 war es, auch außerhalb des Silicon Valleys die Start—up—Branche zu bewerben, bekannter zu machen und Innovationen zu fördern. Pritzker sagt dazu: „Start—ups schaffen die meisten neuen Jobs in unserer Wirt— schaft. Wenn sie Erfolg haben, ist unsere Volkswirtschaft erfolgreich und unsere Arbeitnehmer profitieren sowie unsere Familien.“ 114 In Deutschland fand das Ganze schnell in abgeänderter Form Nachahmer. Im Herbst 2014 ging E—Entrepreneurship Flying Circus bundesweit auf Tour. Aktionstage an sechs Hochschulen sollten <?page no="174"?> Kapitel 15. Fernziel Silicon Valley? › uvk.de 173 dazu dienen, die Notwendigkeit einer E—Entrepreneurship— Ausbildung an den Hochschulen in den Mittelpunkt zu rücken. VOM KLECKERN STATT KLOTZEN „Es fehlt an den drei K - an Köpfen, Kapital und Kooperationen“, fasst Professor Tobias Kollmann die Probleme in Deutschland zu— sammen. Es gebe zu wenige herausragende Unternehmer mit guten Geschäftsideen, zu wenig Finanzierungskraft in der Seed— und Wachstumsphase, und zudem hapere es an der Zusammenarbeit zwischen Start—ups und der deutschen Indu strie beziehungsweise dem Mittelstand. „Unsere gut aufgestellten Firmen aus der klassi— schen Industrie benötigen Hilfe bei der digitalen Transformation. Start—ups könnten ihnen beispielsweise dabei helfen, elektronische Geschäftsmodelle aufzubauen und so das Rückgrat unserer Volks— wirtschaft stärken“, sagt Kollmann. In vielen Fällen sprächen beide Seiten allerdings noch nicht die gleiche Spr ache. Plattformen, Aus— tauschprogramme, Sprechstunden in den Unternehmen und das gemeinsame Erschließen von Märkten könnten dabei helfen, sich anzunähern. Ebenfalls als Hindernis sieht es Kollmann an, dass sich viele Start—ups erstmal auf Deutschland konzentrieren und nicht hinter die Landesgrenzen schauen. Das habe zwar auch mit dem fehlen— den Wachstumskapital zu tun, werde aber oftmal s durch die man— gelnde Expansionslust der deutschen Gründer noch verstärkt. „In Schweden muss man das sofort tun, da der schwedische Markt viel zu klein ist. In Deutschland ist man aufgrund des größeren Marktes nicht automatisch gezwungen, daran zu denken, wie man es global schaffen könnte“, sagt der sch wedische Delivery—Hero—Chef Niklas Östberg. In seinem Heimatland leben nur zehn Millionen Men— schen. Ähnlich wie den deutschen Start—ups geht es auch den US— amerikanischen Start—ups, nur mit einem entscheidenden Unter— schied: Der deutlich größere US—Heimatmarkt macht es zunächst völlig unnötig, über den Tellerrand zu sch auen und über Länder— grenzen hinweg zu expandieren. Schließlich hat man es bereits im <?page no="175"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 174 › uvk.de eigenen Land mit 315 Millionen US—Amerikanern mit einem ähnli— chen Konsumverhalten und einer Vorliebe für die Bezahlung mit Kreditkarten zu tun. Eine Masse an Verbrauchern, an die Deutsch— land mit seinen etwa 80 Millionen Einwohnern nicht ansatzweise heranreicht. Und in der Europäischen Union mit ihren 28 Mitgliedsstaaten le— ben zwar mehr als eine halbe Milliarde Menschen, allerdings sind die lokalen Märkte sehr unterschiedlich. Dies erschwert die Expan— sion für ein Start—up, das aus Deutschland heraus den europäischen Markt erobern will. Der Chef des Brillen—Start—ups Mister Spex, Dirk Graber, spricht von seinen Erfahrungen: „Das Krankenkassen— und Gesundheitssystem und damit die verschiedenen Erstattungsmo— delle für Brillen sind in jedem Land anders. Hinzu kommen neben den sprachlichen Barrieren unterschiedliche Präferenzen beim Be— zahlen von Waren und andere Stellenwerte bei den Marketingkanä— len.“ Im Vergleich zu einem US—Start—up hat man es in Europa un— gleich schwerer, eine profitable Größe und Kundenzahl zu errei— chen. Während es dem US—Pendant höchstwahrscheinlich genügt, auf dem Heimatmarkt zu wachsen, ist der europäische Konkurrent gezwungen, ziemlich rasch den Markteintritt in andere Länder zu meistern. Dabei lauern einige Gefahren. „Für deutsche Start—ups, die es zu lokalen Champions gebracht haben, ist der Schritt ins Ausland nicht einfach. Die Konkurrenz ist viel größer und oft sind auch die Inves— toren der Meinung, nichts riskieren und lieber das bereits Erreichte auf dem deutschen Heimatmarkt verteidigen zu wollen. Schließlich müsste man für die Markterschließung und zusätzliches Wachstum noch mal viel Kapital zuschießen und dies verwässert die Anteile der existierenden Investoren und erhöht das Risiko“, sagt Andreas Weiskam vom internationalen Risikokapitalgeber Sapphire Ven— tures. Dieses Zögern und Zaudern seitens der Start—ups und deut— schen Venture—Capital—Geber kommt bei den US—VCs nicht gut an. Sie interpretieren die lange Konzentration auf den deutschen Markt und fehlende internationale Ausrichtung für ein Zeichen mangeln— der Ambitionen und Expansionsbestrebungen. <?page no="176"?> Kapitel 15. Fernziel Silicon Valley? › uvk.de 175 THINK BIG US—Investoren bevorzugen es im Gegensatz zu ihren europäischen Pendants, wenn Start—ups zunächst Marktanteile ausbauen und erst später auf die Gewinnzahlen schauen. Ihr Ziel ist es, Marktführer zu kreieren 115 , den schnellen Erfolg und Klein—Klein—Denken halten sie für unangemessen. Dies verdeutlicht allein das Beispiel Twitter. In den rund drei Jahren vor dem Börsengang schrieb der Kurznach— richtendienst keine schwarzen Zahlen 116 . „Im Silicon Valley gibt es eine größere Bereitschaft, in verrückte und sehr riskante Ideen zu investieren. Dort wird eher mal gedacht, vielleicht klappt es ja doch“, sagt Wooga—Gründer Jens Begemann. Der in den USA geborene Seriengründer Andy Goldstein, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, zählt einige Punkte auf, an denen es deutsche n Start—ups häufig mangelt: „Deutsche können sich und ihr Produkt häufig schlechter verkaufen. Zudem sind sie meist vorsichtiger, was die Aussichten für ihr Geschäftsmodell angeht. In den USA ist jedoch ‚Think big and fast‘ das Erfolgs— motto.“ Zudem müssten viele deutsche Gründer lernen, sich besser darzustellen. „Das versuchen wir ihne n beizubringen“, sagt Gold— stein über den German Accelerator und dessen Mentoring—Ansatz. Das Programm hilft deutschen Start—ups, den US—Markt zu erobern. Das 2012 gegründete Berliner Start—up Stagelink nahm im Herbst/ Winter 2014 daran teil. Das Team um Gründer Nikolas Schriefer will Fans dazu bringen, Shows oder Touren von Künstlern zu bewerben oder finanziell zu unterstützen. Während des dreimo— natigen Aufenthalts in New York, bei dem der German Accelerator unter anderem die Büroräume stellt, fand Stagelink—Chef Nikolas Schriefer vor allem das Tempo beim Geschäfte—Machen in New York beeindruckend. „Niemand scheut sich, auch High—Level— Kontakte weiterzugeben. Heute Mo rgen habe ich eine Mail von einem Bekannten mit drei Adressen mit dem kurzen Hinweis ‚Plea— se talk‘ erhalten“, sagt Schriefer. Dass hierzulande die Mühlen lang— samer mahlen als in den USA, spiegelt sich auch in den reinen Zah— len wider. Laut einer Analyse des Startup Genome Project werden im <?page no="177"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 176 › uvk.de Dieses Geld muss natürlich irgendwohin fließen. Silicon Valley mehr als zwölfmal so viele Start—ups gegründet wie in Deutschlands Gründungsmetropole Berlin 117 . Während 2013 in Deutschland - und zwar bereits einschließlich der staatlichen För— derung - rund eine halbe Milliarde Euro in Start—ups investiert wurden, waren es in den USA mehr als 30 Milliarden Dollar. Ein Jahr später stieg die Summe nach Angaben des verantwortlichen Verbandes National Venture Capital Association (NVCA) auf den Rekordwert von 48,3 Milliarden Dollar. Gründer Gabriel Yoran sagt: „Im Silicon Valley schmeißt man Geld auf Probleme, während es in Deutschland immer noch gern heißt‚ es geht nicht. Wenn man viel Geld und viel Talent auf ein Problem verwendet, dann kann man es häufig lösen. Hierzu— lande wird leider immer noch gern in Dimensionen gedacht, wa— rum etwas nicht funktionieren könnte.“ Die fehlende Feuerkraft der Investoren macht sie skeptischer und zurückhaltender. Jan Dzulko von M Cube zielt auf die unterschied— lichen Einstellungen der Geldgeber ab: „Die Investoren in Deutsch— land lassen sich nicht von Visionen leiten. Hier muss man immer erstmal Umsätze machen, bevor ein Investor groß einsteigt. Twitter hat solche Probleme doch nie gehabt. Klotzen statt kleckern gilt immer noch nur für Amerika.“ Der US—Amerikaner Andy Goldstein macht noch mehr kulturelle Unterschiede aus: „In den USA herrscht eine Kultur des Neuen. Etwas Neues ist erstmal eine sehr gute Sache. In Deutschland ist das ganz anders, viel konservativer. Man will an dem festhalten, was man hat.“ AUF DIE EIGENEN KRÄFTE VERTRAUEN „Um wirklich den USA Konkurrenz machen zu können, hapert es in Deutschland an allen Ecken und Enden. Gerade entspannt sich die Lage in Berlin etwas. Aber der Markt ist derzeit nur ein kleines Pflänzchen, das weiter wachsen und dafür noch mit sehr vielen Dingen gegossen werden muss“, ist die Meinung von Investor <?page no="178"?> Kapitel 15. Fernziel Silicon Valley? › uvk.de 177 Frank Thelen. Dabei dürfte es sich lohnen, neue Wege zu beschrei— ten und auf die eigenen Kräfte zu vertrauen. Stephan Hoffmann, der Bereichsleiter Wirtschaftsförderung bei der IBB, fragt sich seit Langem, warum das Silicon Valley überhaupt der deutschen Hauptstadt als Vorbild dienen sollte. „Wir sollten unseren eigenen Weg gehen“, fordert Hoffmann, der la nge Zeit auch eine VC— Gesellschaft leitete. Da stimmt Christoph Räthke von der Berlin Startup Academy zu: „Die VC—Praxis in den USA basiert auf wirt— schaftlichen Voraussetzungen, die in Deutschland anders sind. Auf Basis unserer Ökonomie derart massive VC—Mittel bereitzustellen, ist möglicherweise sogar ausgeschlossen.“ Auch Professor Tobias Kollmann warnt davor, immer in s Silicon Valley zu schielen und deutsche Standorte damit zu vergleichen: „Wir laufen einem Phä— nomen nach, das für uns nicht kopierbar ist. Wir müssen uns auf unsere eigenen Stärken besinnen.“ Peter Borchers von hub: raum sieht das zwar ähnlich, findet aber trotzdem Dinge, die man sich von den USA durchaus abs chauen könnte: „Das Nacheifern macht Sinn. Aber es gibt vieles, wo wir weit zurück sind. Das fängt bei den US—Elite—Universitäten wie Stanford an, die sehr früh mit der Förderung von Entrepreneuren begonnen haben, geht über die Erfahrung der sich seit langem im Markt befindlichen Top—Leute und hört letztlich bei der Verf ügbar— keit von Wagniskapital auf.“ Aus dieser Mixtur ergebe sich ein selbstverstärkender Effekt. Da komme heute höchstens noch Tel Aviv in die Nähe des Silicon Valley. Berlin nennt Borchers in die— sem Zusammenhang nicht. Erfolgsbeispiele wie Zalando und Rocket Internet, die sich zu ge— standenen börsennotierten Unternehmen gemausert haben, machen deutlich: Berlin besitzt genug Potential und Größe, um den Kreis— lauf langfristig in Bewegung zu halten, den ein erfolgreiches Start— up—Ökosystem benötigt. Die bisher entstandenen erfolgreichen Start—ups sollten Mut machen, auf die Möglichkeiten von Berlin als Start—up—Hochburg zu vertrauen. Auch wenn es let ztlich nicht um eine Reproduktion des Silicon Valley gehen sollte: Es gibt viele Wege nach Rom - und in diesem Fall wohl zumindest einige Wege, <?page no="179"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? ein prosperierendes lebendiges und kreatives Umfeld für Start—ups zu erschaffen und zu erhalten. Berlin bringt viel mit - vor allem kultureller Art - und gilt in der Szene weltweit als Hot—Spot. Gelingt es nun, weiter an den Rahmenbedingungen zu schrauben und die Situation des Ökosystems gekonnt zu verbessern, könnte die Star t— up—Geschichte ein längerer Selbstläufer werden als zunächst vermu— tet. Mehr zu den vielfältigen Ideen, wie der Gründerboom gefüttert werden könnte, folgt im anschließenden Kapitel. <?page no="180"?> › uvk.de 179 Kapitel 16. Was kann die Politik tun? „Es gibt verschiedene Faktoren, die ein Unternehmen erfolgreich machen. Das ist zuallererst das Team und die Geschäftsidee, dann kommen Kapital und Kunden. Um ein erfolgreich gestartetes Un— ternehmen weiterzuentwickeln, wird nach der Seedphase Wachs— tumskapital benötigt. Und genau daran fehlt es in Deutschland.“ Jörg Goschin, Alstin Investmentgesellschaft Start—ups spielen eine wesentliche Rolle für die Wettbewerbsfähig— keit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Um das Gewicht der Start—ups zu erhöhen und sich im internationalen Wettlauf mit an— deren Gründungshochburgen Vorteile zu verschaffen, bedarf es noch einiger Schritte. Bisher hapert es vor allem an der aktiven Ein— flussnahme. „Aus Sicht vieler Star t—ups findet relativ wenig förder— liche Gesetzgebung statt“, sagt Wirtschaftsprofessor Sven Ripsas von der HWR Berlin. Der Deutsche Startup Monitor 2014 zeigt, dass sich viele Gründer von der Politik nicht verstanden fühlen. Rund die Hälfte der 900 Befragten ist demnach der Meinung, dass es der Bundesregierung an Expertise fehlt 118 . Der erfahrene Investor und Chef von Axel Springer Plug & Play, Jörg Rheinboldt, sagt, dass man sich die einfache Frage stellen muss, ob man als Gesellschaft das Unternehmertum fördern will. Und diese Frage ist durch die aktuelle Politik eher noch nicht beantwortet. In der Branche sind sich alle darin einig, das s mehr getan werden sollte. Zu diesem Schluss kommt auch der Beirat Junge Digitale Wirtschaft in seinen Handlungsempfehlungen: „Auch wenn die deutsche Gründerszene inzwischen eine stabile Größe hat, kann das nicht darüber hinweg— täuschen, dass die digitalen Weltmarktführer nicht aus Deutschland kommen und sich Start—ups in den USA schneller und einfa cher entwickeln können.“ Die mangelnden Ambitionen, um in absehba— rer Zeit aufschließen zu können, kritisiert auch Ex—Siemens—Chef <?page no="181"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 180 › uvk.de Dabei herrscht kein Mangel an Ideen, wie Startups das Leben erleichtert werden könnte. Heinrich von Pierer. Er schrieb im Magazin „Focus“: „Es passiert in Deutschland viel zu wenig, um Anzahl und Qualität an technolo— giegetriebenen Start—ups in andere Dimensionen zu führen. Dies wäre allerdings nötig, damit unsere Volkswirtschaft in zehn, zwan— zig oder dreißig Jahren weiterhin an der Weltspitze steht und un— sere Renten finanzierbar bleiben.“ 119 Eher überschlagen sich Investoren, Politiker und Start—ups, zu diesem Thema etwas beizutragen. Während einige Vorschläge eher aus der Ecke „Wünsch dir was“ kommen, sind andere direkt aus dem Start—up—Leben gegriffen. Im Folgenden kommen einige Beteiligte näher zu Wort. Die Pläne der Bundesregierung, wie man Start—ups und IT— Unternehmen fördern will, finden sich in der Hightech—Strategie und der Digitalen Agenda 2014—2017 wieder. Die Hightech—Strategie sieht unter anderem vor, die Zahl der innovativen Start—ups zu erhöhen und Börsengängen junger Wachstumsunternehmen mehr Attraktivität zu verleihen 120 . In der Digitalen Agenda heißt es: Deutschland hat jetzt die Chance, etwa durch das Zusammenbrin— gen von etablierten Unternehmen mit jungen innovativen Unter— nehmen und einer zukunftsweisenden Innovations— und Wachs— tumspolitik in die Spitzengruppe einer globalen digitalen Wirtschaft vorzustoßen und die Zahl der Gründungen von heute circa 10.000 jährlich kontinuierlich auf etwa 15.000 zu steigern 121 . Wie diese Ziele allerdings erreicht werden soll, bleibt weitgehend offen. Das ziemlich unkonkrete Programm propagiert unter ande— rem einen besseren Zugang zu Wagniskapital und Crowd—Invest— ments. Beratend zur Seite steht bei der Ausarbeitung der Maßnah— men der Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“. Diesem steht Professor Tobias Kollmann vor, der auch darauf dringt, umgehend ein Ge— samtkonzept zu erstellen: „Wir dürfen nicht länger nur Einzelmaߗ nahmen diskutieren.“ Außerdem sollte eigentlich die „Zeit des Redens, der digitalen Agenden und Absichtserklärungen“ vorbei sein. Es lägen bereits alle „Vorschläge auf dem Tisch, nun gehe es um die Umsetzung“. Da dürfe man sich nicht von der Angst leiten <?page no="182"?> Kapitel 16. Was kann die Politik tun? › uvk.de 181 Leider dauere das Lernen in Deutschland immer so lange. lassen, möglicherweise auch Fehler zu begehen. Ähnlich sieht das auch KPMG—Partner Tim Dümichen: „Wir haben kein Erkenntnis— problem mehr in der Politik, sondern ein Umsetzungsproblem. Und dabei gibt es sicherlich keinen Stein der Weisen. Berlin könnte als Labor für die ganze Bundesrepublik funktionieren.“ „Man kann dafür sorgen, dass es mehr und nicht weniger Sp aß macht, in Start—ups zu investieren“, ist sich jedenfalls Jörg Rhein— boldt sicher. Und Kollmann ergänzt: „Man benötigt jetzt den politi— schen Mut, die digitale Wirtschaft mit den zugehörigen Start—ups zu einem echten Schwerpunkt zu machen.“ Am besten sei es, wenn sich die Politikszene dazu vermehrt für Kö pfe von außen öffnet und deren Kompetenzen nutzt. Und Kollmann geht noch einen Schritt weiter: „Ich fordere nach der nächsten Bundestagswahl ein eigenes Ministerium für Digitales, um der Bedeutung dieses Themas end— lich auch im politischen Kontext gerecht zu werden.“ DEN MANGEL AN WACHSTUMSKAPITAL BEKÄMPFEN Viele der in Deutschland zirkulierenden Ideen beschäftigen sich mit der Stärkung der Wachstumsfinanzierung. Wie bereits zuvor mehr— fach dargelegt, herrscht in der Bundesrepublik im Vergleich zu den USA oder Großbritannien ein Mangel an Wachstumskapital - vor allem deswegen, weil zu wenig Financiers parat stehen. „Als Gesellschaft müssen wir die Investoren ermutigen, höhere Ri siken einzugehen. Dann müssen wir ihnen aber auch höhere Ein— nahmemöglichkeiten offerieren“, meint Wirtschaftsprofessor Sven Ripsas. Er warnt davor, nur die negativen Seiten der Förderpolitik der 1990er Jahre im Blick zu haben, als die umfangreiche Förderung von Investitionen in Start—ups auch zu unerwünschten Mitnahmeef— fekten führte. Anschließend sei allerdings da s Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden und die Abschreibungsmöglichkeiten bezie— hungsweise die Eigenkapitalförderung sei zu stark zurückgefahren worden. „Dabei waren wir damals auf dem richtigen Pfad. Es pas— sierte viel und das wollen wir doch weiterhin“, sagt Ripsas. <?page no="183"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 182 › uvk.de Der Beirat Junge Digitale Wirtschaft empfiehlt deshalb die Etablie— rung von drei privaten Wachstumsfonds mit einem Volumen von jeweils mindestens 250 Millionen Euro sowie die Mobilisierung von Wachstumskapital von institutionellen Geldgebern wie Kreditinsti— tuten oder Versicherungen. Zugleich schlägt er vor, die Beschaffung von Geldmitteln der deutschen Venture—Capital—Fonds systematisch durch die Mobilisierung privater Mittel zu unterstu9tzen. Dies könne durch „weiche“ Maßnahmen wie eine direkte Ansprache und die Veranstaltung von so genannten runden Tischen als auch durch „harte“ wirtschaftliche Anreize wie Steuererleichterungen, Rück— zahlungen wie beim Invest—Zuschuss und Regulierungsschritte wie Mindestinvestitionsvolumina von Versicherungsanlagevermo9gen erfolgen. Dadurch könnte man den aussichtsreichsten Start—ups durch große Finanzierungsrunden eine wirkliche Chance auf eine Weltmarktführerschaft ermöglichen 122 , konstatiert der Beirat. Florian Nöll vom Bundesverband Deutscher Startups ist der Meinung, dass man sich einiges vom Ausland - und zur Abwechs— lung nicht nur von den USA - abschauen könnte, weil eben man— cherorts bereits sinnvolle Maßnahmen eingeführt wurden, die posi— tive Effekte für die Branche hatten. So hält Nöll einen Vorstoß aus der Schweiz für sehr interessant. Dort gibt es eine Initiative namens „Zukunftsfonds Schweiz“, deren Ziel es ist, dass Pensionskassen in hochspezialisierte Risikokapitalfonds investieren, die wiederum innovative Jungunternehmen fördern 123 . Dies sei eine gute Möglich— keit, um die Rolle von Pensionsfonds bei der Finanzierung von Start—ups zu stärken, sagt Nöll. Darüber könne auch Deutschland nachdenken. Schließlich spielten hierzulande Pensionsfonds und Versicherungen anders als in den USA bei der Finanzierung von Start—ups immer noch eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz zu Deutschland gehören in anderen Ländern steu— erliche Vergünstigungen für Start—ups zum Alltag. Frankreich bietet beispielsweise Erleichterungen bei Steuern und Sozialabgaben für junge innovative Firmen 124 . Israel lockt mit Steu— ererleichterungen im Gegenzug für Investitionen, bietet darüber hinaus die Kofinanzierung von VC—Fonds an und Steuerermäßi— <?page no="184"?> Kapitel 16. Was kann die Politik tun? › uvk.de 183 gungen für Rückkehrer - also israelische Staatsbürger, die bereits eine Karriere als Wissenschaftler oder Geschäftsleute im Ausland gemacht haben und nun in ihr Heimatland zurückkehren. Zugleich gibt es Anreize für die Verlagerung von Firmensitzen nach Israel. „In Deutschland wären die Investitionen in Start—ups besser zu finanzieren, wenn die Investoren bessere A bschreibungsmöglichkei— ten hätten“, sagt Wirtschaftsprofessor Sven Ripsas. Der Cheföko— nom beim Institut der deutschen Wirtschaft, Klaus—Heiner Röhl, konstatiert: „Während Israel, das Vereinigte Königreich und Frank— reich ihre Wagniskapitalmärkte durch steuerliche Anreize stärken, erweist sich das deutsche Steuersystem als Hürde für VC— Investitionen und -Investoren und belastet letztlich die Start—up— Szene.“ Der Volk swirt führt mehrere Möglichkeiten auf, wie die Szene unterstützt werden könnte. Zum einen fordert er eine sym— metrische Behandlung von Gewinnen und Verlusten in der Steuer. Die Begrenzung von Verlustvorträgen und die Einschränkungen bei ihrer Verrechnung mit Gewinnen seien ein „veritables Hindernis für einen florierenden Wagniskapitalmarkt“ 125 . Der CDU—Wirtschaftsrat und die Boston Consulting Group schlagen vor, VCs als Vermögensverwaltungen und nicht als ge— werbliche Tätigkeit einzuordnen 126 . Röhl kritisiert die zahlreichen Einschränkungen bei der so genannten Steuertransparenz, also der Besteuerung von Gewinnen ausschließlich auf Ebene der kapitalge— benden Gesellschaft, sowie die Umsatzsteuerbelastung von Ma— nagementleistungen von VC—Gesellschaften. Der Chefökonom des unternehmernahen Instituts der deutschen Wirtschaft appelliert an die Bundespolitik, den im Koalitionsvertrag enthaltenen Plan, ein „Venture—Ca pital—Gesetz“ zu schaffen, umzusetzen. Denn dort heißt es, „wir werden Deutschland als Investitionsstandort für Wagnis— kapital international attraktiv machen“. Um dem Thema weiteren Schwung zu verleihen, legte der Bundesverband Deutscher Kapi— talbeteiligungsgesellschaften (BVK) Anfang 2015 einen eigenen Entwurf für ein Venture—Capital—Gesetz vor. In seinen Kernpunkten sieht dieser Gesetzentwurf unter an derem eine Forschungsprämie für Innovationsbemühungen sowie eine so genannte Patentbox mit <?page no="185"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 184 › uvk.de Auch Sonderabschreibungen auf Investitionen sollen alltäglicher werden. steuerlichen Begünstigungen vor. Zudem schlägt der BVK vor, Ver— lustvorträge europarechtskonform auch bei Anteilseignerwechseln zu erhalten und wie in anderen EU—Ländern üblich, das Manage— ment von Fonds von der Umsatzsteuer zu befreien. Zur Verbesse— rung der Rechtssicherheit für VC—Fonds soll die steuerliche Trans— parenz gesetzlich festgeschrieben werden. Weiterhin sollen Investo— ren über steuerliche Anreize beispielsweise zur Reinvestition von Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf eines Start—ups in ein neues Start—up (Roll—Over) moti— viert werden. Der BVK versucht das Thema Wagniskapital in den Mittelpunkt zu rücken und hat sich dafür auch der ‚Allianz für Venture Capital‘ angeschlossen. Dabei haben sich 16 Organisationen zusammenge— tan, neben dem BVK der Branchenverband Bitkom, der Bundesver— band Digitale Wirtschaft (BVDW), das Business Angels Netzwerk (BAND) und der Bundesverband Deutsche Startups. Die Allianz will Deutschland als einen attraktiven Venture—Capital—Standort etablieren und hat dafür ein Maßnahmenpaket aufgesetzt. Unter anderem empfiehlt sie die Einführung von Öffnungsklauseln, die es regulierten Investoren erlauben, einen Teil ihres Kapitalvolumens als Wagniskapital zu investieren. Zudem schlägt sie vor, einen ein— heitlichen Rahmen für die Besteuerung von Fonds nach dem Kapital— anlagegesetzbuch einzuführen und die Gewährung einer Garantie— fazilität insbesondere für stark regulierte Anlegersegmente zu überdenken. Ob diese Allianz wirklich Wirkkraft entwickelt und ihre Forderungen zumindest teilweise umgesetzt werden, war zu— nächst nicht absehbar. Die Präsentation des Maßnahmenpakets im Sommer 2014 schlug jedenfalls kaum Wellen. GRÜNDEN KOMMT VON GRUNDSCHULE Am liebsten würde der Beirat Junge Digitale Wirtschaft ganz früh ansetzen, um das Thema Gründen stärker in die Gesellschaft hin— einzutragen - nämlich bereits in der Schule. Deswegen regt er die <?page no="186"?> Kapitel 16. Was kann die Politik tun? › uvk.de 185 Doch nicht nur an den Schulen, sondern auch an den Hochschulen wird nach Einschätzung von Experten zu wenig getan, um dort das Unternehmertum zu verankern. bundesweite Verankerung eines Basisfachs Informatik beziehungs— weise Computing in der Schule an 127 . „Schüler müssen lernen, dass Unternehmertum nichts mit Ausbeutung zu tun hat, sondern dass hier Menschen eigenes Geld in die Hand nehmen, um Arbeitsplätze zu schaffen“, sagt KPMG—Partner Tim Dümichen. Dabei sollte nach Meinung von Kollmann ein Bundesland vorpreschen, und „einfach mal anfangen“, ein solches Fach in den Unterricht zu integrieren. „Ei n, zwei, drei Bundesländer sollten vorlaufen und die anderen müssen dann folgen“, so Kollmann. Dabei scheint dies dringend nötig. Eine Studie, die der CDU—Wirtschaftsrat bei der Boston Consulting Group (BCG) in Auftrag gegeben hat, verdeutlicht, dass es hierzulande im Vergleich zu anderen Län— dern weniger Gründer eine akademische Laufbahn dur chlaufen haben. Lediglich 15 Prozent der Berliner Start—up—Gründer verfügen demnach über einen Master oder einen Doktortitel. Im Silicon Val— ley und Tel Aviv sind es 30 Prozent 128 . Eine Studie der Wirtschafts— beratungsagentur McKinsey mit dem Titel „Berlin gründet“ zufolge könnte dies über bessere Anreizsysteme für Mitarbeiter in For— schungsinstituten und insbesondere in Hochschulen, spezifische Auszeichnungen für gründungsstarke Professoren oder For— schungsinstitute sowie eine Ausweitung des bereits existierenden Businessplan—Wettbewerbs Berlin—Brandenburg gelingen. Ein KBer— liner GründercurriculumK könne si ch für eine bessere Abstimmung und Bündelung von Gründungsaktivitäten an Universitäten enga— gieren, heißt es in dem 2013 veröffentlichten Papier 129 . Professor Tobias Kollmann vom Beirat Junge Digitale Wirtschaft kritisiert, dass die derzeitigen Berufungsverfahren für Entrepreneur—Lehr— stühle oftmals dazu führten, dass nur Theoretiker zum Zuge kä— men: „Bewerber, die auch mal eine eigene Unternehmensgründung erlebt oder eine aktiv begleitet haben, haben kaum Chancen, wenn sie nicht gleichzeitig auch wissenschaftliche A—Journ al—Publika— <?page no="187"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 186 › uvk.de Und dadurch stünde der Theorieanspruch von Forschung und Lehre gleich wieder in Konkurrenz zu den praktischen Ansprüchen von Ausgründungen an der Universität. tionen aufweisen können. Das ist leider eine höchst seltene Kombi— nation.“ „Außerdem steht das Thema Entrepreneurship im Studium in di— rekter Konkurrenz zu klassischen Disziplinen wie Marketing oder Finanzwirtschaft oder wird nur als Wahlfach angeboten. Die Grundlagen einer Unternehmensgründung sollten stattdessen ver— pflichtend in die Lehrpläne aufgenommen werden“, sagt Kollmann. Zi el müsse es sein, verstärkt studentische Ausgründungen zu för— dern. Das gelte insbesondere dort, wo tatsächlich Innovationen entstehen könnten. Das sei insbesondere in den Bereichen Betriebs— wirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Informatik der Fall. Deswegen fordert Kollmann konkret zehn zusätzliche Lehrstühle für E—Entrepreneurship in Deutschland, um die Unternehmens— gründung für den di gitalen Bereich flächendeckend abzudecken. Bisher gibt einen solchen Lehrstuhl, den Kollmann selbst innehat. WEITERE DENKANSTÖSSE ZUR UNTERSTÜTZUNG VON START-UPS Neben den diversen Ideen zur Förderung von Venture—Capital— Investitionen und der besseren Verankerung von Gründerthemen an Schulen und Universitäten gibt es zahlreiche weitere Überlegun— gen, wie der Alltag von Start—ups erleichtert werden könnte. Shoe— passion—Chef Tim Keding schlägt vor, den Banken einen Teil ihrer Haftung abzunehmen und es ihne n damit zu erleichtern, Start—ups Kredite zu gewähren. Jörg Goschin von der Beteiligungsgesellschaft Alstin zufolge muss die Förderpraxis in Deutschland überdacht werden: „Junge Unternehmen, die erfolgreich die Start—up Phase überstanden haben und oft mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigen, kommen in der Regel nicht mehr für die staatlichen Förderpro— gramme in Fra ge. Für Subventionen, wie sie für Großunternehmen existieren, sind sie wiederum typischerweise zu klein. Da klafft eine große Förderlücke.“ <?page no="188"?> Kapitel 16. Was kann die Politik tun? › uvk.de 187 Peter Borchers von hub: raum bezeichnet sich selbst zwar nicht als Fan von staatlichen Förderprogrammen: „Allerdings ist es schon sinnvoll, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Start—ups ermög— lichen, gut zu arbeiten.“ Das Thema Start—ups müsse stärker ins allgemeine Bewusstsein gelangen und salonfähig werden. „Das könnte auch die Politik besser vorleben und etwas präs enter sein. Da kann auch ein Besuch im Silicon Valley hilfreich sein“, meint Borchers. Professor Tobias Kollmann ergänzt: „Die handelnden Akteure müssen die Start—ups für sich entdecken und sich darüber profilieren wollen und auch können. Dann geht es am Ende nur darum, dass man das Thema auch außerhalb einer Modeer schei— nung langfristig und nachhaltig wirklich vorantreiben will.“ Und Factory—Gründer Simon Schaefer hält es für wichtig, miteinander zu sprechen: „Die Regeln werden von der Politik gemacht und nur persönliche Interaktion mit dieser Welt wird dazu führen, dass ein Umdenken stattfindet.“ Die Mitgründerin des Betahauses, Madeleine Gummer von Mohl, hält einen stä rkeren Zusammenhalt der Start—ups für erstre— benswert. „Mir schwebt immer noch der Aufbau eines Start—up— Fonds ähnlich eines Alumni—Netzwerkes vor. Ältere Start—ups bie— ten den jüngeren Start—ups eine Art Anschubfinanzierung an. Viel— leicht kann man das mal angehen, wenn mehr Start—ups einen grö— ßeren Ex it geschafft haben.“ Guido Sandler vom Berliner Handels— platz Bergfürst ist der Meinung, dass es am meisten bringt, bereits erfolgreiche Gründer dabei zu unterstützen, ihr Kapital gewinn— bringend in junge Wachstumsunternehmen zu investieren. „Das schafft Mehrwert.“ Damit spricht er das Prinzip des ‚Zurückgebens‘ an, dass vor allem in den USA hoch gehalten wird. Demn ach stellen erfolgreiche Unternehmer Jungunternehmern Kapital, Erfahrungen und Kontakte zur Verfügung. Darüber hinaus mahnt die Branche Vereinfachungen beim Um— gang mit Mitarbeiterbeteiligungen an. „Bei unseren Rechtsformen GmbH und AG ist es viel schwieriger, die Mitarbeiter teilhaben zu lassen als bei einer US—amerikanischen Corporate“, stellt Zalando— Geschäftsführer Robert Gent z fest. Dabei gilt die Beteiligung von Angestellten als Möglichkeit, gut qualifizierte Mitarbeiter anzulo— <?page no="189"?> Teil 3 Wie schaltet Berlin in den nächsten Gang? 188 › uvk.de cken und im Unternehmen zu halten. Eine speziell strukturierte Mitarbeiterbeteiligung lässt das Team am späteren Exit teilhaben. Dieser Anreiz kann sehr motivierend wirken. Bisher ist es so, dass mit Mitarbeiterbeteiligungen bei einer GmbH auch Stimm— und Informationsrechte einhergehen. In den USA und Großbritannien gehören hingegen die so genannten Virtual Stock Options zum guten Ton im Start—up—Alltag. Diese Beteiligungen sind meistens so strukturiert, dass sie nur im Falle eines erfolgreichen Exits wirksam werden, mit ihnen also kaum Rechte und Pflichten verbunden sind. KRITIK AM MINDESTLOHN Seit Beginn des Jahres 2015 gilt in Deutschland ein Mindestlohn in der Stunde von 8,50 Euro für Vollzeit— wie auch Teilzeitkräfte. Damit soll unter anderem die „Generation Praktikum“ abgeschafft werden. Traditionell arbeiten für Start—ups meist recht viele Praktikanten. Sie ergänzen die häufig kleinen Teams und bekommen einen Einblick in den Job. Delivery—Hero—Chef Niklas Östberg übt jedenfalls Kritik am Mindestlohn von 8,50 Euro, der im Grundsatz auch für Praktikanten gilt. Nur bei freiwilligen Praktika, die nicht länger als drei Monate dauern, sowie bei Pflichtpraktika fällt dieser Anspruch weg. Viele Start—ups stellen deshalb nun ihre Praktikanten nur noch für maxi— mal ein Vierteljahr ein. „Drei Monate sind zu kurz. Es dauert allein schon eineinhalb Monate, bis man jemanden angelernt hat. Deswe— gen sollte man Praktikanten für sechs Monate beschäftigen dürfen, ohne den Mindestlohn zahlen zu müssen. Denn macht man dies, sind 1.400 Euro monatlich fällig statt der meist gezahlten 800 Euro. Das ist für Start—ups zu viel“, erklärt Östberg. WAS STEHT AUF DER HABEN-SEITE? Trotz der vielen Vorschläge, Ideen und Kritik ist es längst nicht so, dass die Bedingungen für Start—ups schlecht sind. Nicht umsonst hat Berlin als Start—up—Hochburg eine rasante Entwicklung vollzo— gen. Factory—Gründer Simon Schaefer lobt denn auch die „fantasti— schen Rahmenbedingungen“ in Deutschland und hebt dabei die <?page no="190"?> Kapitel 16. Was kann die Politik tun? › uvk.de 189 Ein weiterer Pluspunkt für Deutschland sind die im globalen Vergleich hohen Anforderungen in Sachen Datensicherheit und Urheberrecht. Rechtssicherheit hervor. Gute Noten bekommt die Bundesregierung von Seriengründer Andy Goldstein, der das Start—up—Programm German Accelerator leitet: „Sie macht einen bemerkenswert guten Job.“ Auch Jan Dzulko von M Cube ist zufrieden mit den Gegeben— heiten: „Ich brauche effektiv eineinhalb Stunden bei meinem Notar, um eine Firma zu gründen. Eine halbe Stun de später ist sie beim Finanzamt angemeldet und es kann losgehen. Ich weiß gar nicht, was die Leute immer meinen, wenn sie über die Bürokratie schimp— fen.“ Auch die Mitgründerin von Original Unverpackt, Milena Glimbovski, kann dem Bürokratiemonster Deutschland etwas ab— gewinnen: „Das Gute ist, dass wir hier hohe Standards für al les haben. Läuft es hier, läuft es überall.“ Entsprechend zuversichtlich sind die Anbieterinnen einer Supermarktkette, die komplett auf Einwegverpackungen verzichtet, ihr Konzept auch im Ausland umsetzen zu können. Sie erhöhen in der Regel die Sicherheit von Inves— titionen. Auch die Exper— ten des GEM—Länder— berichts loben die allgemeinen Vorau ssetzungen für Unternehmer— tum in Deutschland und heben dabei die gut ausgebaute physische Infrastruktur und den verlässlichen Schutz geistigen Eigentums hervor 130 . Es sollte eine Initiative geben, die diese Vorteile internatio— nalen Investoren darlegt, regt die Studie „Unchaining Investments“ der Berlin School of Economics and Law an 131 . Der Beirat Junge digi— tale Wirtschaft schlägt vor, eine Experten—Gruppe zur Analyse und Abgrenzung volkswirtschaftlich notwendiger Schutzrechte hinsicht— lich im internationalen Vergleich innovationshemmender Effekte aufzubauen. Zugleich lobt der Beirat in seinen Handlungsempfeh— lungen die Netzneutralität und fordert, diese beizubehalten und eine „Zwei—Klassen—Gesellschaft“ im Netz durch das Angebot von sch nel— leren und bezahlten “Specialised Services” zu vermeiden 132 . Darun— ter würden vor allem auch Start—ups leiden. US—Präsident Barack Obama hatte sich im November 2014 ebenfalls dieses Themas ange— nommen und die zuständige US—Behörde FCC mit dringlichen Wor— ten aufgefordert, die Netzneutralität zu schützen 133 . <?page no="191"?> › uvk.de 190 Es sollte der Mut aufgebracht werden, wirkliche Veränderungen anzustoßen. Nachwort: Vom Werden und Sein „Halleluja Berlin - alle wollen dahin. Deshalb will ich das auch.“ „Brandenburg“, Rainald Grebe Der Kabarettist Rainald Grebe beschreibt in seinem Song „Branden— burg“ den derzeitigen Sog Berlins recht passend, auch für die Start— up—Szene. Auf der Höhe des Hypes gilt es nun, den Gründerboom substanziell zu füttern und die Ausgangslage von Start—ups in Deutschland und Berlin zu verbessern. Ansonsten könnten die vielerorts gepriesenen Gründerjahre schnell wieder vorbei sein. Um dies zu verhindern, müssen alle Parteien an einem Strang ziehen - Pol itik, Großkonzerne, Inves— toren und Gründer. Sei es, in— dem der Staat mehr steuerli— che Anreize für Investoren schafft, damit diese vermehrt ihr Kapital einbringen, oder Schulen und Universitäten das Unternehmertum stärker in den Vordergrund rücken. Auch eine bessere Zusammen— arbeit zwischen Start—ups und Industriekonzernen oder dem deut— schen Mittelstand is t geboten. Dabei lohnt es sich, über den Teller— rand zu schauen. In Israel, Großbritannien oder auch Schweden sind diese und weitere Maßnahmen längst Realität, während die Politik in Deutschland noch diskutiert. Es gilt, hier den Mut und die Lust zum Gründen weiter anzufa— chen. Das Vermögen Deutschlands und Berlins, regelmäß ig junge Unternehmen auf den Markt zu werfen, ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Wenn Start—ups versuchen, „den Etablierten etwas gegen das Schienbein zu treten“, wie es der Business Angel Christian Vollmann formuliert, sorgt das für frischen Wind in der Wirtschaft, und der ist dringend nötig. Berlin verfügt über das Po— tential und di e Dynamik, um seinen Ruf als Start—up—Hochburg weltweit auszubauen. In einer Stadt, in der es chronisch an Indust— <?page no="192"?> Nachwort: Vom Werden und Sein rie und Arbeitsplätzen mangelt, sollte dieses kostbare Pflänzchen gehegt und gepflegt werden. Dann besteht hierzulande die Chance, dass die Start—up—Szene der Hauptstadt einen ähnlichen Stellenwert bekommt wie ihn das Silicon Valley in den USA längst besitzt. Vielleicht sollte sich die Stadt dazu auf eine Qualität besinnen, die ihr in der V ergangenheit schon oft mit unterschiedlichen Vor— zeichen attestiert wurde. Vor mehr als 100 Jahren schrieb der Publi— zist Karl Scheffler einen viel zitierten Satz, der bis heute nachhallt: Berlin sei dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein. Diesen Fluch kann Berlin mit Hilfe seiner Start—ups und etwas Geschick in einen Seg en verwandeln. <?page no="193"?> DANKSAGUNG Einer meiner Interviewpartner sagte zu mir, dass das Gründen immer mit einem Wechselbad der Gefühle einhergehe. Das trifft auf das Buchschreiben wohl auch zu. Als kleine fixe Idee nach einer Reuters—Reportage über die Finanzierungsmöglichkeiten von Start— ups in meinem Kopf geboren, ist am Ende nun ein Buch daraus geworden. Ich da nke all meinen spannenden Interviewpartnern, die mir mit ihren Antworten und Anekdoten immer wieder Lust darauf ge— macht haben, weiter zu schreiben. Mein erster Dank geht jedoch an meine wundervolle Tochter, ohne die dieses Buch nie entstanden wäre, und an meinen Partner und engagierten Erstkorrektor. Und natürlich an alle, die mir mi t Rat und Tat zur Seite standen - meine Eltern, meine Freundinnen, unsere Babysitterin. <?page no="194"?> › uvk.de 193 Sachverzeichnis 6Wunderkinder 130 Accelerator Berlin Startup Academy 11 Acceleratoren 107 Adhoc—Mitteilungen 95 Agglomerationseffekt 51 Agora Collective 42 AirBnB 107 aka—aki 63, 165 Alando 10 Alibaba 150 Alno 121 Alstin 121, 186 Angelbootcamp 43 Anleihenmarkt 150 Anschlussfinanzierung 114 Anti—Angel—Gesetz 105 Arbeitsmarkt 12 Arbeitsplatzsicherheit 39 Arbeitswelt 38 Auctionata 123 Ausländerbehörde 35 Auxmoney 139 Axel Sp ringer Plug & Play 109 B! Gründet 77 Babbel 73, 77 Bankdarlehen 62 Basel III 132 Bergfürst 93, 95 Berlin Partner 35 Berlin Startup Academy 109 Berlin Startup Consulting 65, 113 Berlin Startup Culture 48 Berlin Web Week 45 Berliner Sparkasse 56 Berliner Volksbank 73 Betahaus 41 Betandsleep 92 Betap itch 136 Betterplace.org 81 Biofrontera 121 Bitkom 24, 105, 130 BluePatent 92 Blumberg Capital 138 BNP Paribas 121 Bootstrapping 65 Börsengang 145 Boston Consulting Group 23 BrainsToVentures 129 Bruttowertschöpfung 55 Bundesanstalt für Finanz— dienstleistungsaufsicht (BaFin) 95 <?page no="195"?> Sachverzeichnis 194 › uvk.de Bundesverband Deutsche Startups 16, 182 Bundesverband Deutscher Kapitalgesellschaften (BVK) 27 Bundeswirtschaftsministerium 75 Business Angels 100 Business Angels Club Berlin (BACB) 97 Business Angels Netzwerks Deutschland (BAND) 97 Business—Immigration— Service 35 Businessplan 68, 77 Businessplan—Wettbewerb 69 BVK 130 CB Insights 160 CBRE 53 Centre for Entrepreneurship (CfE) 75 Check24 34 Cis co 131 Clean—Tech—Boom 29 Clevertake 163 Clustereffekt 51 Co.Up 44 Coach 69 Coffeecircle 41 Companisto 77 Company Builder 120 Copy Cat 119 Couchsurfing 127 Coworkingspace Betahaus 15 Criteo 134 Crowdfunding 80, 87 Crowdfunding—Aktionen 80 Crowdinvesting 87, 90 Crowd—Investments 180 Dachfonds 132 Dafiti 117 Dawanda 38, 127 deGUT 46 De livery Hero 50, 57, 127 Delivery—Hero 22 Design Thinking School 171 Digitalsektor 55 dld ventures 109 Dropbox 107 Due Diligence 136 DuMont Venture 129 Early—Adopters 58 Earlybird 15, 27, 129 eBay 120 eCapital 129 Eizoo Technology Ventures 129 Elevator Pitch 135 Enfield 137 Entrepreneur—Lehrstühle 185 Europa—Bar ometer 13 <?page no="196"?> Sachverzeichnis › uvk.de 195 euworx 78 EVCA 132 Eventbrite 59 Evonik Corporate Venturing 129 Exist 75 ExistenzGründer Institut Berlin e.V. 79 Exit 145 Facebook 138 Fachkräftemangel 33 Factory 25, 42 Fahrtenfuchs 77 Failcon 165 Family Offices 121 Finanzierung Anschluss— 114 Finanzmittelbedarf 70 FoodieSquare 92 foodpanda 117 Förderfibel 79 Förderprogramme 187 Founders Fund 31 Fundedbyme 81 Fundra ising 132, 143 gate5 74 Geekettes 47 German Accelerator 109 German Startup Groups 129 Geschäftsidee 62, 69 Geschäftsmodell 70 Geschäftsrisiko 73 Get Started 47 get2play 114 Gidsy 74, 161 Global Founders Capital 137 Glossybox 117 Goldman Sachs 127 Google 138 Governance—Pflichten 96 Gründercoaching 69 Gründerhochschule 75 Gründerstipendium 76 Hackathons 47 hardw are.co 30 Hausmed 122 HCM 129 High—Tech—Gründerfonds (HTGF) 126 Hipaway.com 162 Hitfox 130 Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) 77 home24 117 Home24 26 Homejoy 107 Horizon 48 HRS 162 hub: raum 28, 110, 177 HV Holtzbrinck Ventures 129 HWR Berlin 66 <?page no="197"?> Sachverzeichnis 196 › uvk.de hy! Berlin 115 IBB 26, 73, 177 IFRS 151 IHK Berlin 22, 79 Immobilienmarkt 53 Indiegogo 81, 88 Inkubatoren 107 Internetwirtschaft 55 Investitionsbank Berlin 46 Investorengelder 66 Invest—Programm 104 IPO 148 I—Potentials 34 Ja mb a 10 JouleX 131 Junge Digitale Wirtschaft 179 Kapitalmangel 160 Kersiwood 137 KfW 69, 71 KfW—Gründungsmonitor 14 KfW—Startg eld 74 Kickstarter 81 Kinnevik 152 Kleinanlegerschutz 94 Knusperreich 159 KPMG 48 Kreditanstalt für Wiederaufbau 69 Lamoda 117 Lange Nacht der Startups 45 Letter of Intent 136 Lieferheld 138 LinkedIn 120 M Cube 115 Maschmeyer Group 122 McKinsey 18 M—Cube 27 Media Ventures GmbH 129 Mentoring—Funktion 102 Mi fa 121 Mindestlohn 188 Mister Spex 63, 127 Mister—Spex 36 Mobilsuite 44 Monetarisierung 58 Moneytree Report 124 Mozilla 42 Multiplikatoreneffekt 18 MyParfuem 77 National Venture Capital Association 29 Natural Dental Implants (NDI) 102 Neuhaus Partners 129 Number 26 114 OECD 33 One Spark Berlin 46 Online—Marketing 77 Online—S hopping 80 Original Unverpackt 85 <?page no="198"?> Sachverzeichnis › uvk.de 197 Panono 30, 76, 88 PayPal—Mafia 120 Pensionsfonds 132 Pitch 135 Beta— 136 Elevator — 135 Pitch—Wettbewerb 113 Plug and Play Tech Center 109 Point Nine 14, 127 Pretotyping 103 PriceWaterhouseCoopers 124 Produktdefinierung 113 Produktzyklus 71 Project A 115 ProSiebenSat.1 Accelerator 109 Prospektpflicht 93 Protonet 92 Quartalsberichte 95 Rainmaking Loft 43 Reality—Fer nsehen 170 Rechtssicherheit 19 Reddit 107 Redstone 48 rehype.it 167 ResearchGate 24, 32, 139 Risikokapitalgeber 134 Rocket Internet 11, 115, 150 SAP 169 Sapphire Ventures 134 Scaleups 57 Scolibri 77 Seed—Finanzierung 71 Seedmatch 90 Seed—Phase 66 Senatsverwaltung für Wirtschaft 37 Sequoia Capital 139 Shoepassion 11, 15, 37 Sirius Ven ture Partners 129 Smart Start Team 47 Snapchat 138 Snoopet 166 Social Entrepreneurship 86 Social Impact Labs 43 Sofatutor 76 Solvency II 132 Soundcloud 15, 42, 50 Spätschicht 46 Spendino 21, 22, 156 St. Oberholz 44 Stagelink 59, 175 Startnext 50, 80, 85 Startup Europe Partnership (SEP) 56 Startup Safary 45 Startup Unit 22 Startupbootcamp 109 Steganos 63 Storytelling 113 <?page no="199"?> Sachverzeichnis StudiVZ 49 Subkultur 40 Target Partners 128, 129, 134 TEA—Index 13 Tech Open Air 45, 66 TechCrunch 40 Technologiestiftung Berlin 35 Tengelmann Ventures 71 Tengelmann Ventures GmbH 129 Touristen 52 Trade Sale 145 TU Berlin 76 T—Venture Holding 129 Twago 161 Twisd 160 Twitter 42 Ubitricity 73 Union Square Ven tures 139 Unternehmensgründung 77 Unternehmenskultur 60 Urbanara 96, 138 VC Point Nine Capital 129 VC—Fonds 73 Venture Capital 123 Venturevillage 115 Vertical Media 115 Vimeo 49 Virtual Stock Options 188 Visionbakery 81 Vodafone Institut 13 Wachstumsphase 63 Wagniskapital 55, 84, 180 Wagniskapitalgesellschaft 129 Wellington Partners Venture Capital 129 Westwing 26, 117 Wooga 10 Wummelki ste 138 Xing 163 YCombinator 107 Zalando 11, 49, 150 Zendesk 42, 135 Zenmate 114 <?page no="200"?> › uvk.de 199 Anmerkungen 1 http: / / www.oecd.org/ newsroom/ innovation—support—for—young—firms— would—boost—job—creation.htm, 30.11.14 2 Sternberg.R./ Vorderwülbecke. 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(2013): Unchaining Investments. Barriers to US Venture Capital Investments in German Internet and Digital Businesses, S. 18. 46 Deutscher Startup Monitor 2014, S. 42 <?page no="203"?> Anmerkungen 202 › uvk.de 47 http: / / www.ibb.de/ portaldata/ 1/ resources/ content/ download/ ibb_ service/ publikationen/ KMU—Report_Berlin_2014.pdf 48 https: / / www.kfw.de/ PDF/ Download—Center/ Konzernthemen/ Rese arch/ PDF—Dokumente—Gründungsmonitor/ KfW—Gründungsmonitor— 2014.pdf 49 Deutscher Startup Monitor 2014, S. 42 50 Hahn, Christopher (2014): Finanzierung und Besteuerung von Start— Up—Unternehmen. Springer Gabler. S. 43. 51 Deutscher Startup Monitor 2014, S. 26 52 Vogelsang E./ Fink C./ Baumann M. (2013): Existenzgründung und Businessplan: Ein Leitfaden für erfolgreiche Start—Ups. Berlin: Schmidt; S. 108 53 https: / / www.kfw.de/ PDF/ Download—Center/ Konzernthemen/ Rese arch/ PDF—Dokumente—Gründungsmonitor/ KfW—Gründungsmonitor— 2014.pdf. 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