Innovationsmarketing
Marketing konkret
0422
2015
978-3-8649-6814-3
978-3-8676-4620-8
UVK Verlag
Reinhard Hünerberg
Für alle Arten von Innovationen gilt der Grundsatz marktorientierter Unternehmensführung. Das bedeutet, dass die unternehmerischen Aktivitäten an vorhandenen oder potenziellen Kunden und ihren bestehenden oder neu zu schaffenden Bedürfnissen ausgerichtet sind. Damit ist das Management von Innovationen primär eine Marketingaufgabe, die sowohl darin besteht, den Innovationscharakter des Angebots bei Abnehmern zu verankern als auch entsprechende Kaufwünsche und tatsächliches Kaufverhalten auszulösen. Die adäquate Durchführung der damit verbundenen Marketingaufgaben entscheidet maßgeblich über den Innovationserfolg. Das Buch führt in das Innovationsmarketing ein und folgt dabei dem praktischen Ablauf in einem Unternehmen: Situationsanalyse, Marktziele, Marktstrategien und schließlich Marktinstrumente für Innovationen.
<?page no="2"?> Ein Buch aus der Reihe Management konkret <?page no="3"?> Alle Bücher auf einen Blick finden Sie unter: www.management-konkret.de Management konkret Kompaktes Wissen für (angehende) Führungskräfte Mit den kompakten Taschenbüchern aus der Reihe Management konkret treffen Sie die richtige Wahl. Alles, was Sie im Arbeitsalltag wissen müssen, finden Sie hier übersichtlich und verständlich erklärt. Anschauliche Beispiele und Übersichten helfen dabei, sich das Wissen auf einfache Weise anzueignen und umzusetzen. Die Bücher bieten einen perfekten Einstieg in die Themen ! Management und Mitarbeiterführung ! Controlling und Rechnungswesen ! Planung und Steuerung von Unternehmen ! Marketing und Vertrieb ! Internet und Kommunikationskompetenz Dank des handlichen Formats sind die Taschenbücher der ideale Begleiter im Berufsalltag. <?page no="4"?> Reinhard Hünerberg Innovationsmarketing Marketing konkret UVK Verlagsgesellschaft mbH Konstanz und München <?page no="5"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-86764-620-8 (Print) ISBN 978-3-86496-813-6 (EPUB) ISBN 978-3-86496-814-3 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: © Dmytro Titov - fotolia.com UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="6"?> VVoorrwwoorrtt Innovationen sind als Motor von Wirtschaftsentwicklung und -wachstum anzusehen. Unternehmen können sich nicht mit erreichten Erfolgen zufrieden geben; der Marktwettbewerb wird sie regelmäßig zwingen, Verbesserungen und Neuerungen in Prozessen und Angeboten zu realisieren. Trotz mancher Tendenzen zu Bewährtem und Rückgriff auf Vorbilder aus der Vergangenheit ist die Nachfrage nach neuen Produkten und Dienstleistungen ungebrochen, selbst wenn es sich nur um Detailveränderungen oder Angebote „in neuem Gewande“ handelt. Letztlich gilt für alle Arten von Innovationen der Grundsatz marktorientierter Unternehmensführung, der für alle unternehmerischen Aktivitäten die Ausrichtung an vorhandenen oder potenziellen Kunden und ihren bestehenden oder neu zu schaffenden Bedürfnissen postuliert. Damit ist das Management von Innovationen primär eine Marketingaufgabe, die sowohl darin besteht, den Innovationscharakter des Angebots bei Abnehmern zu verankern als auch entsprechende Kaufwünsche und tatsächliches Kaufverhalten zu induzieren. Die adäquate Durchführung der damit verbundenen Marketingaufgaben entscheidet über den Innovationserfolg, seien es umwälzende technische Neuerungen oder eher periphere Veränderungen. Die besondere Bedeutung des Innovationsmarketing im Rahmen des Innovationsmanagement hat Autor und Verlag dazu veranlasst, den Beitrag zum Handbuch Innovationsmanagement als eigenständige Publikation in aktualisierter Fassung vorzulegen. Sie soll Studierende, Praktiker und alle an der Innovationsthematik Interessierte in kompakter Form mit den Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten des Marketing für Innovationen vertraut machen. Kassel, im März 2015 Reinhard Hünerberg <?page no="8"?> IInnhhaallttssvve er rzze ei icchhnniiss Vorwort.............................................................................................. 5 1 Gegenstandsbereich des Innovationsmarketing ..... 9 1.1 Innovationsbegriff ............................................................... 9 1.1.1 Konstitutive Begriffsmerkmale .......................................... 9 1.1.2 Arten der Innovation......................................................... 10 1.2 Marketingbegriff ................................................................ 13 1.2.1 Inhalt ............................................................................. 13 1.2.2 Innovation und Marketing................................................ 14 2 Situationsanalyse für Innovationen.........................17 2.1 Externe Situation ............................................................... 17 2.1.1 Makro-Umfeld.................................................................... 17 2.1.2 Marktverhältnisse ............................................................... 18 2.1.3 Technologiesituation ......................................................... 20 2.2 Interne Situation ................................................................ 21 2.3 Innovationsspezifische SWOT-Analyse ......................... 22 3 Marktziele für Innovationen .................................. 25 3.1 Ökonomische Ziele ........................................................... 25 1.1.2 Vor-ökonomische Ziele .................................................... 26 4 Marktstrategien für Innovationen.......................... 30 4.1 Marktfestlegung.................................................................. 30 4.1.1 Geographische Abgrenzung ............................................. 31 4.1.2 Zielpersonen....................................................................... 32 4.1.3 Angebotsausrichtung......................................................... 34 4.2 Marktzutritt......................................................................... 36 4.2.1 Eigene Ressourcen............................................................. 36 <?page no="9"?> 8 54$26./ *'1"'#+$4#/ 4.2.2 Kooperation ....................................................................... 38 4.3 Marktverhalten ................................................................... 41 4.3.1 Inhaltliche Schwerpunkte ................................................. 41 4.3.2 Zeitliche Gestaltung .......................................................... 43 4.3.3 Art des Marktauftritts........................................................ 44 5 Marketinginstrumente für Innovationen ............... 47 5.1 Leistungspolitische Innovationsinstrumente.................. 47 5.1.1 Ausdifferenzierung der Kerninnovation und Kundenausrichtung.......................................................................... 47 5.1.2 Qualität von Kerninnovation und Zusatzleistungen.... . 50 5 .1 .3 I nn ovatio nsma rkier un g u nd -s ch utz . .... .. ..... ... ..... .... ..... .. 54 5.2 Entgelt- und vertragspolitische Innovationsinstrumente ......................................................................... 57 5.2.1 Preiskontext und Preisniveau ........................................... 57 5.2.2 Dynamische Preispolitik ................................................... 61 5.2.3 Kontraktgestaltung ............................................................ 64 5.3 Kommunikationspolitische Innovationsinstrumente.... 66 5.3.1 Kommunikationsziele ....................................................... 67 5.3.2 Kommunikationsformen und -inhalte ............................ 72 5.3.3 Medienselektion ................................................................. 75 5.4 Distributionspolitische Innovationsinstrumente ........... 80 5.4.1 Absatzwegekonfiguration ................................................. 81 5.4.2 Auswahl und Management der Vertriebsorgane ........... 85 5.4.3 Gestaltung der Vertriebslogistik ...................................... 87 6. Beispiel und Aufgaben ...................................................... 9 2 Literaturverzeichnis ........................................................................ 95 Index ............................................................................................ 101 <?page no="10"?> 11 GGeeggeennsstta annddssbbeer reei icchh ddees s IInnnnoovvaatti ioonnssmma arrkkee-ttiinngg Im ersten Kapitel wird die konzeptionelle Basis des Innovationsmarketing erläutert. Dazu sind Inhalt und Umfang der Begriffe Innovation und Marketing und ihre wechselseitige Verbindung festzulegen. Daraus ergibt sich das Verständnis für das Konzept des Innovationsmarketing. 11..11 IInnnnoovva attiioonnssbbeeg grriiffff Innovation ist von vielen Autoren ausführlich und teilweise in kontroverser Weise definitorisch behandelt worden. Dazu wurden zahlreiche Kriterien herangezogen, die im Zusammenhang mit Innovationen eine Rolle spielen können (vgl. u.a. Hauschildt/ Salomo, 2011, S. 3ff.). Hier wird Innovation ebenfalls nach einer Reihe ausgewählter konstitutiver Begriffsmerkmale beschrieben. Aus ihnen ergeben sich verschiedene Arten der Innovation, die unterschiedliche marketingrelevante Herausforderungen und Aufgaben mit sich bringen. Es wird allerdings von der wissenschaftstheoretischen Auffassung ausgegangen, dass Definitionen kein Wahrheitsgehalt - wie explanatorischen Aussagen - zukommt, sondern lediglich Zweckmäßigkeit, zum Beispiel im Sinne der eindeutigen Begriffsverwendung gemäß dem praktischen oder wissenschaftlichen Sprachgebrauch. 11. .1 1..1 1 KKo onnsst tiit tu ut tiiv vee BBeeggrri iffffssmme errk km maal le e Der Terminus Innovation ist unmittelbar abgeleitet aus dem lateinischen innovare, innovatio = erneuern, Erneuerung. Daher kann der Neuheitsgrad von Bezugsobjekten als zentraler konstitutiver Begriffsbestandteil postuliert werden. Allerdings lässt sich ‚neu’ in unterschiedlicher Weise interpretieren, so dass sich daraus ein durchaus weiter Begriffsumfang mit zahlreichen Innovationsarten ableiten lässt, wie in 1.1.2 gezeigt wird. <?page no="11"?> 10 1 Gegenstandsbereich des Innovationsmarketing Weiterhin ergibt sich aus dem lateinischen Ursprung des Wortes, dass Innovation das Ergebnis geplanter Aktivität eines Handelnden/ mehrerer Handelnder ist. Als weiteres konstitutives Begriffsmerkmal wird daher die Existenz von Innovatoren und deren geplantem Handeln festgelegt. Wenn es um eine geplante Handlung von Menschen geht, findet der Vorgang über einen Zeitraum in mehreren Stufen statt, es liegt also ein Prozess vor. Daraus folgt das Verständnis von Innovation als einem Prozessablauf. Schließlich impliziert ‚innovare‘ aber auch die Realisierung von etwas Neuem, der Prozess muss zu einem realen Ergebnis führen. Innovation kann daher zum einen als Prozessablauf, zum anderen als Prozessergebnis verstanden werden. Eine andere Frage ist allerdings, inwieweit sich Letzteres auch als erfolgreich erweist. Innovation kann nach dem Wortursprung als die Schaffung von etwas konkret Neuem durch bewusstes Handeln von Menschen im Rahmen eines Prozesses verstanden werden. 11..1 1..22 AArrtteenn d deerr IInnnnoovvaattiioonn Aus dem festgelegten Begriffsinhalt ergeben sich zahlreiche Arten der Innovation. Die meisten der den Innovationsausprägungen zugrunde liegenden Dimensionen sind kontinuierlicher Natur, sind also mehr oder weniger stark vorhanden, wie Abbildung 1 zeigt. Es wird die dort verwendete Profildarstellung vorgeschlagen, da die Dimensionen zur Ableitung der Innovationsarten weitgehend kombinierbar sind und in ihrer Gesamtheit spezifische Innovationstypen abbilden. Im Folgenden sei zunächst auf wesentliche Dimensionen verwiesen, die explizit oder implizit aus dem Begriffsinhalt folgen und als Grundlage für die Ableitung von Innovationsarten dienen (vgl. hierzu u.a. Trommsdorff/ Steinhoff, 2013, S. 24ff.). Der Neuheitsgrad bzw. die Innovationshöhe (z.B. bahnbrechende bzw. disruptive Neuheit, radikale Neuheit, Verbesserungs-Neuheit u.ä.) ergibt sich aus dem Vergleich mit bestehenden Problemlösun- <?page no="12"?> 1.1 Innovationsbegriff 11 Abbildung 1: Profil von zwei Innovationssituationen auf Basis von sechs Innovationsdimensionen gen. Das Ergebnis eines Innovationsprozesses kann grundlegend neuartig sein und beispielsweise einen völlig neuen technischen Ansatz darstellen (z.B. Elektroantrieb anstelle Verbrennungsmotor) oder in Verbesserungen mehr oder minder zahlreicher Objektelemente bestehen (z.B. Weiterentwicklung einer Modellreihe). Der Neuheitsgrad einer Innovation entzieht sich selbst aus Expertensicht einer objektiven quantitativen Beurteilung. Der Neuheitsbezugsrahmen determiniert den Geltungsbereich (z.B. für alle Märkte, für spezifische Märkte, für bestimmte - z.B. das eigene - Unternehmen u.ä.). Der Neuheitscharakter hängt wesentlich von der Wahrnehmung durch betroffene Personen ab. Diese beurteilen Neuheit nach ihren Kenntnissen und Erfahrungen. Für die Feststellung des Neuheitsgrades ist daher auf interne Gruppen (Innovatoren, insbesondere Unternehmen) und externe Subjekte (insbesondere Zielgruppen bzw. Märkte) abzustellen. Hieraus resultiert die übliche Unterscheidung in Unternehmens- und Marktneuheit. Es ist jedoch gerade im Falle der Marktneuheit der <?page no="13"?> 12 1 Gegenstandsbereich des Innovationsmarketing Markt genauer abzugrenzen. Es kann sich um eine Weltneuheit handeln (globaler Markt), um eine nationale Neuheit (nationaler Markt) oder um Personengruppen in geographischen Märkten wie etwa späte Folger, die Innovationen nicht sofort nach Markteinführung übernehmen. Der Unterschied zu dem vorgenannten Neuheitsgrad ist fließend; denn dieser hängt in den jeweiligen Zielgruppen ebenfalls von deren - subjektiver - Einschätzung ab. Innovationen können mehr oder minder auf physische Gegebenheiten ausgerichtet sein (Materialitätsgrad der Innovation, z.B. physisches Produkt, Dienstleistung). Sie umfassen das Geschäft mit Konsumgütern (B-to-C) sowie den Austausch von Industriegütern und Transaktionen mit sonstigen gewerblichen Abnehmern (B-to- B); aber neben physischen Gütern sind auch Dienstleistungen im B-to-C und B-to-B Bereich zu nennen. Das Kriterium des physischen Anteils einer Innovation ist ebenfalls abgestuft und insgesamt schwer bestimmbar, weil in der Regel eine enge Verknüpfung zwischen materiellen und immateriellen Angebotsbestandteilen vorliegt. So sind rein physische Leistungen selten, da in der Regel schon durch den Verkaufsprozess Dienstleistungselemente einfließen. Innovationen sind mehr oder minder direkt mit einem möglichen Marktangebot verknüpft (Marktrelevanz, z.B. direkte Marktrelevanz, indirekte Marktrelevanz u.ä.). Die vorgenannten Produkt- und Dienstleistungsinnovationen müssen Potenzial für eine Vermarktung besitzen. Zudem lassen sich auch (interne) Prozessabläufe verändern, die der internen Leistungserstellung dienen. Diese Prozessinnovationen können dem Marktangebot, zum Beispiel durch besseres Qualitätsniveau, niedrigeren Preis, neue Standorte, zugutekommen. Zusätzlich kann Kundenausrichtung (z.B. kundenfern, kundennah u.ä.) genannt werden. Innovationen entsprechen mehr oder weniger manifesten oder latenten Bedürfnissen von Kunden. Eine solche Kompatibilität zwischen Angebot und Nachfrage ist häufig Voraussetzung für Marktrelevanz. Sie lässt sich im Vorhinein schwer prognostizieren und ist zudem durch Marketingbemühungen veränderbar. Letztere Möglichkeit wird als Kernaufgabe des Innovationsmarketing im weiteren Verlauf dieses Beitrags thematisiert. <?page no="14"?> 1.2 Marketingbegriff 13 Die Innovation kann mehr oder minder weit von einem praktischen Einsatz entfernt sein (Realisierungsgrad, z.B. manifeste Idee, Pilotprojekt, neu auf einem Markt eingeführtes Angebot). Zwar ist im Zusammenhang mit dem Begriffsinhalt die Realisierung genannt worden, doch kann diese verschieden weit vorangeschritten sein. Eine bloße Idee ist nach dem hier dargelegten Verständnis noch keine Innovation, sondern nur eine Invention. Sobald aber die Idee zu konkreten Realisierungsschritten von Marktforschung, Finanzierung, konkreter Planung über Versuche und Tests bis zur Markteinführung weiterentwickelt wird, lässt sich von Stufen einer Innovationsrealisierung sprechen. 11..22 MMaarrkkeet tiinnggbbe eggrri iffff Der Marketingbegriff gehört zu den am häufigsten diskutierten Managementtermini (vgl. z.B. Homburg, 2015, S. 6ff.). Je nach Begriffsinhalt bauen darauf verschieden weite Konzepte auf, die dann auch für den Innovationskontext von Bedeutung sind. 11..22..1 1 IInnhhaalltt Die Vielzahl der Marketingauffassungen lässt sich grob drei Kategorien zuordnen. Ursprünglich bezog sich Marketing auf die letzte Stufe der Wertschöpfungskette, den Absatz bzw. Verkauf/ Vertrieb. In Deutschland wurde bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts von Absatzwirtschaft gesprochen, ehe sich die angloamerikanische Bezeichnung Marketing durchsetzte. Dieses funktionale Verständnis von Marketing ist auch heute durchaus noch verbreitet. Eine andere, eher technische Abgrenzung bezieht sich auf alle unternehmerischen Maßnahmen, die zur Beeinflussung von Märkten herangezogen werden, insbesondere solche kommunikativer Natur. Zudem entwickelte sich das Konzept der marktorientierten Unternehmensführung, das für jegliches unternehmerische Handeln Marktüberlegungen postuliert, sobald der Markt - wie in den meisten Fällen - als Engpass anzusehen ist. Diese unternehmensphilosophische Sicht ging mit einer gewissen Dominanz des Marketing <?page no="15"?> 14 1 Gegenstandsbereich des Innovationsmarketing einher, die zahlreiche Unternehmensaufgaben zu Marketingproblemen machte. Beispiele sind Beschaffungsmarketing und internes Marketing bis hin zur Erweiterung des Marketingkonzepts auf alle Austauschprozesse. Im Hintergrund aller drei Ausrichtungen und in diesem Buch im Vordergrund stehen explizit oder implizit die passive Anpassung an Marktgegebenheiten, speziell an vorhandene und potenzielle Kunden mit ihren Wünschen, sowie die aktive Marktveränderung, insbesondere durch Transformation latenter in reale Kundenbedürfnisse. Den Abnehmern kommt zwar dominierende Bedeutung zu, aber auch die weiteren Marktbeteiligten wie Konkurrenten, Lieferanten, Distributionsmittler und sonstige Beeinflusser von Marktbedingungen determinieren die Handlungsmöglichkeiten. Marketing kann als die Beeinflussung von Kunden und anderen Marktbeteiligten durch eine marktorientierte Unternehmensführung, die sich letztlich in Absatzerfolgen niederschlagen soll, verstanden werden. 11..2 2..22 IInnn noovvaattiioonn uun ndd MMaarrkkeetti inngg Die Verknüpfung von Innovation und Marketing zum Innovationsmarketing kann zum einen als die Entwicklung von Innovationen für das Marketing im Sinne neuer Marketingansätze, beispielsweise E-Commerce vor nicht allzu langer Zeit, verstanden werden (vgl. u.a. Belz/ Schögel/ Tomczak, 2007, S. 3ff.). Zum anderen lässt sich Innovationsmarketing auf den Einsatz von (bekannten oder neuen) Marketingkonzepten für innovative Angebote - etwa Werbung für neuartige Finanzierungsprodukte von Banken - beziehen. Im Vordergrund des Interesses steht der letztere Fall, wobei jedoch innovative Marketingansätze nicht außer Acht gelassen werden sollten, zumal Innovationsobjekte neuartige Marketingtechniken zur Realisierung erfordern können. Die verschiedenen zuvor aufgezeigten Innovationsarten können ganz unterschiedliches Marketing notwendig machen. So sind kundenferne Innovationen auf viel weitreichendere Erklärung und Überzeugungsarbeit, also Kommunikationsunterstützung, angewiesen als kundennahe und selbsterklärende oder bereits woanders bzw. schon in vergleichbarer Form vermarktete Innovationen. <?page no="16"?> 1.2 Marketingbegriff 15 Daher weist das Innovationsmarketing eine gewisse situationsabhängige Variabilität auf. Christensen (2003, S. XVI ff.) postuliert für disruptive Innovationen sogar die Notwendigkeit völlig neuartiger - „revolutionärer“ - Vorgehensweisen. Abbildung 2: Der generelle Marketingprozess als Basis für Innovationsmarketing Innovationsorientiertes Marketing selbst ist über das Bezugsobjekt - die genannten verschiedenen Typen von Innovationen - hinaus zunächst keine spezielle Marketinglehre, sondern greift auf die Aufgaben und Lösungsansätze zurück, die bei allen Marktproblemen betrachtet werden. Allerdings sind die zu lösenden Probleme durch spezifische Bedingungen, teilweise besondere Komplexität, Situationsanalyse u. -prognose Marktverhältnisse (Nachfrage, Konkurrenz, Partner) Makrobedingungen eigenes Unternehmen Zielfestlegung Ableitung von Marketingzielen aus Unternehmenszielen (langfristig / kurzfristig) Strategiewahl Marktfestlegung Marktverhalten / -positionierung Marktimplantation / -zutritt Instrumentaleinsatz Leistungspolitik Entgelt- und Vertragspolitik Distributionspolitik Implementierung Informationsbeschaffung Planung Kontrolle Organisation / Führung Kommunikationspolitik <?page no="17"?> 16 1 Gegenstandsbereich des Innovationsmarketing geprägt, so dass innovationsorientierte Marketingkonzepte spezielle situationsbezogene Einzelfalllösungen sind, die durch die aufgezeigten konstitutiven Begriffsmerkmale von Innovationen eine gemeinsame Prägung aufweisen. In den Kapiteln 2 bis 4 werden daher die typischen Aufgabenstellungen des Marketingmanagement aus Innovationssicht untersucht und für verschiedene Innovationstypen grundsätzliche Lösungsvorschläge abgeleitet. Dabei handelt es sich um die Situationsanalyse bzw. -prognose, die Setzung von Marktzielen, die Formulierung von Marktstrategien, den Einsatz von Marketinginstrumenten, jeweils auf Basis von Informations-, Planungs- und Kontrolltechniken (vgl. Abbildung 2). Da es sich bei Letzteren um eingeführte betriebswirtschaftliche Methoden handelt, wird auf diese im vorliegenden Buch - anders als bei vielen Autoren, die sich mit Innovationsmarketing beschäftigen (vgl. z.B. Trommsdorff/ Steinmann, 2013) - nicht im Detail eingegangen. Innovationen enthalten mehr oder minder zahlreiche objektive und/ oder subjektive Neuheitselemente. Die Spannbreite der Ausprägungen ist weit und kann insbesondere durch Neuheitsgrad, Neuheitsbezugsrahmen, Materialitätsgrad, Marktrelevanz, Kundenausrichtung, Realisierungsgrad gekennzeichnet werden. Marketing wird in weiter Abgrenzung als marktorientierte Unternehmensführung verstanden; Innovationsmarketing ist auf die Spezifika der einzelnen Innovationssituationen angewandtes Marketing. FFrraagge enn 1. Was folgt aus dem etymologischen Ursprung des Terminus Innovation? 2. Warum ist der Innovationsbegriff wenig präzise? 3. Wie lässt sich Marketing definieren? 4. Warum ist die Dimension Kundenausrichtung von besonderer Bedeutung für das Innovationsmarketing? 5. Worauf beruht die Besonderheit einer Fachrichtung Innovationsmarketing? <?page no="18"?> 2.1 Externe Situation 17 22 SSi ittu ua attiioon nssa annaally ys see ffü ürr IIn nnnoov va atti ioonne enn Die Situationsanalyse/ Situationsprognose bezieht sich in vereinfachter Form regelmäßig auf die Situation am Markt (externe Marktfaktoren: Opportunities and Threats bzw. Chancen und Risiken) sowie die Situation des eigenen Unternehmens (interne Unternehmensfaktoren: Strengths and Weaknesses bzw. Stärken und Schwächen). Die SWOT-Analyse verbindet diese vier Grundausprägungen miteinander (vgl. u.a. Piercy, 2008, S. 259ff.). Für Innovationszwecke ergeben sich dabei besondere Herausforderungen. 22..11 EExxte er rn nee SSiit tuua atti ioonn Die externe Marktsituation mit ihren Chancen und Risiken ist geprägt durch eine Reihe von Einflussgrößen, welche Erfolgsfaktorenbzw. Misserfolgsfaktoren von Innovationen darstellen. Hier wird von drei großen Kategorien ausgegangen, aus denen Innovationstreiber oder Innovationsblockaden resultieren: Makro-Umfeld, Marktverhältnisse, Technologiesituation (vgl. aus internationaler Perspektive u.a. Wright/ Hünerberg, 2011, S. 24ff.). 22..11..1 1 MMa ak krro o- -U Um mf feelldd Das Makro-Umfeld beinhaltet generelle, von einzelnen Unternehmen kaum beeinflussbare Rahmenbedingungen politischer, rechtlicher, soziographischer und demographischer, makroökonomischer, kultureller und anderer Art, welche den weiteren Rahmen für wirtschaftliches Handeln auf Märkten aufspannen. Beispiele für entsprechende Sachverhalte sind politische Entscheidungsstrukturen, gesetzliche Wettbewerbsregelungen, Bedeutung sozialer Gruppen, Bevölkerungsentwicklung, Bruttoinlandsprodukt. Im Zusammenhang mit Innovationen geht es dabei insbesondere um die Frage, inwieweit die Existenz eines bestimmten Umfeldes Entstehung und Realisierung von Innovationen eher fördert oder hindert. Dabei handelt es sich zum einen um die generelle „Innovationsatmosphäre“, zum anderen um konkrete Einzeleinflüsse. <?page no="19"?> 18 2 Situationsanalyse für Innovationen So dürfte die Chance, dass Innovationsideen überhaupt generiert und weiterentwickelt werden, in einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld mit entsprechenden Belohnungsanreizen für Innovatoren höher sein. Positiv werden sich das Vorhandensein staatlicher Förderprogramme, eine entsprechende Ausbildung und kulturelle Prägung der Bevölkerung mit Blick auf Innovationsinitiativen und Innovationsakzeptanz sowie freiheitliche Gesellschaftsstrukturen auswirken. Der Schutz von Ideen bzw. ihrer Realisierung durch gewerbliche Schutzrechte ist ein weiterer genereller Anreiz für innovatives Handeln. Konkrete politische, wirtschaftliche und sonstige nationale bzw. supranationale Entscheidungen können nicht nur die generelle Atmosphäre für Innovationen prägen, sondern auch direkte Felder der Innovation erschließen oder blockieren. Beispielhaft sei auf die politische Entscheidung zur sogenannten Energiewende in Deutschland verwiesen, die Innovationen in bestimmten Bereichen wie nachhaltige Energieerzeugung positiv beeinflusst und negative Auswirkungen für andere, speziell die Kernenergie, hat. Das Montrealer Abkommen zum Schutz der Ozonschicht (u.a. Verbot der FCKW) von 1989 ist ein Beispiel für ein multilaterales Abkommen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Innovationstätigkeit. 22..1 1..22 MMaar rk kttvveerrh hääl lttn niis ss see Marktverhältnisse beschreiben die durch Unternehmen grundsätzlich beeinflussbare Nachfrage-, Konkurrenz- und Partnersituation auf Märkten. Hierzu gehören insbesondere Zahl, Art und Verhalten der auf Märkten befindlichen und potenziell hinzutretenden Akteure. Gerade Informationen über mögliche Kunden stellen die besondere Herausforderung für die Marktforschung dar, denn es gilt herauszufinden, in welche Richtung sich Bedürfnisse bewegen bzw. leiten oder neu schaffen lassen. Aus der Innovationsperspektive ist nicht nur abzuschätzen, für welche Kunden/ Kundengruppen geplante bzw. mögliche Innovationen relevant sein können, sondern wie Reaktionen bei infrage kommenden Kunden, aber auch bei Wettbewerbern und bei Partnern, etwa dem Handel, im Einzelnen aussehen werden (vgl. 5.1.1). Die Nachfrageseite ist insbesondere auch auf ihre Innovations(akzeptanz)neigung zu überprüfen. Es gibt mehr oder minder <?page no="20"?> 2.1 Externe Situation 19 innovationsfreudige Nachfrager. In diesem Zusammenhang spielt der (idealtypische) Verlauf der Innovationsadoption eine Rolle, der in aggregierter Betrachtung z.B. zu den Gruppen der Frühadopter, frühen Mehrheit, späten Mehrheit, Nachzügler führt (vgl. Rogers, 2003, S. 282ff.). In diesem Buch wird allerdings nur zwischen frühen und späten Adoptern differenziert (vgl. z.B. 5.2.2). Selbst Einzelpersonen können - gerade als besonders frühe Adopter („Innovationsführer“) - eine zentrale Rolle spielen, speziell im Zusammenhang mit der Kommunikation (vgl. 5.3.3). Bei der Konkurrenz ist zwischen genereller Konkurrenz durch Wettbewerber der gleichen oder verwandter Branchen und spezieller Innovationskonkurrenz zu unterscheiden. Branchenwettbewerber können auf Innovationen mit Marketingmaßnahmen für eingeführte Produkte wie Preisreduktionen, Kommunikationsmaßnahmen usw. reagieren. Es ist aber auch spezieller Innovationswettbewerb denkbar, wenn eine Reaktion durch Gegeninnovationen oder Imitationen erfolgt. Hierbei spielt der Reaktionszeitraum der Konkurrenten eine ausschlaggebende Rolle, der zu einem mehr oder minder ausreichenden zeitlichen Innovationsvorsprung für den ursprünglichen Innovator führen kann. Der globale Wettbewerb zwischen Apple und Samsung bei Smart Mobile Phones und Tablet PCs ist ein Beispiel hierfür, das gleichzeitig die Bedeutung des Rechtsrahmens und der Rechtsprechung aufzeigt. Häufig kann die mangelnde Akzeptanz von Innovationen durch Partner den Markterfolg verhindern, besonders wenn die Abhängigkeit von diesen hoch ist. Daher ist die (potenzielle) Partnersituation ein wesentliches Analysefeld. Der Markt ist rechtzeitig mit Blick auf die notwendige Mitwirkung von Partnern an der Innovationsvermarktung zu untersuchen. So kann ein grundlegendes Spannungsfeld zwischen eigener Innovationspolitik und der von Partnern vorliegen. Beispielsweise stoßen die Herstellerbemühungen um die Vermarktung von Lebensmittel-Innovationen an Grenzen der Innovationsakzeptanz des Lebensmittelhandels (vgl. 5.4.2). Andererseits können marktmächtige Innovatoren auf Distributionsmittler u.U. erheblichen Einfluss nehmen. <?page no="21"?> 20 2 Situationsanalyse für Innovationen 22..1 1..33 TTeecchhnno ol lo og giieessi ittuua at tiio on n Die Technologiesituation bezieht sich auf den Grad des technologischen Fortschritts, die Verfügbarkeit von Technologien und die daraus resultierende technologische Infrastruktur in einem definierten Markt. Sie ist eine wesentliche Rahmenbedingung speziell für stark technologisch geprägte Innovationen. Je höher entwickelt ein Markt in dieser Hinsicht ist, umso mehr sind Innovationen mit hohem absolutem Neuheitsgrad für einen Wettbewerbsvorsprung erforderlich. Weniger entwickelte Märkte können dagegen durch Übernahme von Technologien, die bereits in anderen Märkten existieren, innovativen Fortschritt bedeuten. Allerdings ist die Erwartung potenzieller Kunden zu berücksichtigen, die sich wegen internationaler oder sogar globaler Vernetzung an der Technologiesituation in führenden Technologiemärkten orientieren können. So lassen sich Mode- und Technikinnovationen heute häufig nicht auf Teilmärkte eingrenzen und von anderen abkoppeln. In Schwellenländern etwa ist der Übernahmedruck für bestimmte Innovationen, die zu Statussymbolen geworden sind wie die neueste Smartphone- Generation, besonders hoch. Es ist schwierig, die Technologiesituation in Märkten zu messen. Am ehesten möglich ist das in geographisch abgegrenzten Märkten, insbesondere in Staaten. Zu unterscheiden ist zwischen der aktiven Technologiestärke im Sinne des Erfindungsreichtums der in einem Lande lebenden Bevölkerung (z.B. auf Basis des Kriteriums der Zahl an Patentanmeldungen) und der passiven Technologiestärke im Sinne der zuvor erwähnten Übernahme von Technologien (z.B. als Nutzung für die Infrastruktur oder als Ausstattungsgrad der Gesamtbevölkerung mit bestimmten Technologieprodukten). Auch die Zahl der in der (angewandten) Forschung Beschäftigten, die Anzahl an Forschungsinstitutionen, die zur Verfügung gestellten Forschungsgelder und weitere Kriterien des Makro-Umfeldes prägen die Technologiesituation und die daraus resultierende aktive Innovationskraft. <?page no="22"?> 2.2 Interne Situation 21 22..22 IInntteerrnnee SSiittuuaattiioonn Die interne Situation bezieht sich auf das eigene Unternehmen, das als Innovator auftritt bzw. auftreten will. Es sind alle Faktoren, die Innovationen generell bzw. spezifische Innovationsvorhaben betreffen, zu berücksichtigen. Als wesentliche interne Einflusskategorien sind finanzielle Faktoren, organisatorisch-personelle Struktur, spezifische Marketing- und Innovationskompetenz zu nennen (vgl. u.a. Hauschildt/ Salomo, 2011, S. 25ff.). Die finanzielle Eigen- und Fremdkapitalbasis ist häufig eine Restriktion für Innovationsprojekte. Die Einwerbung von Risikokapital kann eine zentrale Voraussetzung für umfangreiche Innovationsvorhaben sein. Nicht nur die Innovationen als solche, sondern auch die Möglichkeiten des Innovationsmarketing werden durch die finanziellen Ressourcen determiniert, da hier Marketingmaßnahmen regelmäßig mit investitionsartigen Ausgaben, z.B. für größere Werbekampagnen oder Distributionswegeerschließung, erforderlich sind. Die organisatorisch-personelle Struktur im Innovationskontext betrifft die Innovationskultur des Unternehmens und deren Förderung durch entsprechende Aufbau- und Ablaufstrukturen. Entscheidend für den Innovationsdruck im Unternehmen und den Innovationserfolg ist die personelle Ausstattung. Innovationsorientierung von der Leitungsbis zur Ausführungsebene und die Existenz entsprechender Anreize sind daher eine zentrale interne Stärke. Marketing- und Innovationskompetenz beruht wesentlich auf Erfahrungen mit generellen Marketingaktivitäten und speziell mit der Vermarktung von Innovationen. Diese Kompetenzeigenschaft ist eng verbunden mit der erwähnten organisatorisch-personellen Unternehmensstruktur. Hinzu kommen die interne Verfügbarkeit über Marktdaten, z.B. zu den Marktverhältnissen, und deren intelligente Nutzung sowie die Einbindung in innovationsorientierte Netzwerke, z.B. an Hochschulen. Schließlich ist eine entsprechende Reputation für Innovatoren von Bedeutung, denn ein bestehendes Image als innovationsfreudiges und -erfolgreiches Unternehmen vermag Akzeptanzbarrieren in Märkten abzubauen. <?page no="23"?> 22 2 Situationsanalyse für Innovationen 22..33 IInnnno ovva attiio onnssssppeez ziiffiis scchhe e SSW WO OTT--AAnnaally ysse e Die SWOT-Analyse für Zwecke des Innovationsmarketing besteht in einem ersten Schritt in der Zusammenstellung der externen und der internen innovationsrelevanten Rahmenbedingungen positiver und negativer Art, wie in Abschnitt 2.1 und 2.2 beispielhaft aufgezeigt. Es ist dabei besonders zu beachten, dass es sich um eine zukunftsorientierte Analyse handeln muss, also die Gegenwartsbzw. Vergangenheitssituation, welche die Basis darstellt, in die Zukunft überführt wird. Aus der Verknüpfung dieser prognostizierten Stärken/ Schwächen und Chancen/ Risiken ergeben sich Grundsatzaufgaben, die unmittelbar einen Rahmen für spezifische Marketingzielsetzungen bilden, wie sie in Kapitel 3 dargestellt werden. Abbildung 3 gibt einen Überblick hierzu. Abbildung 3: Rahmenschema für innovationsspezifische SWOT- Analyse Die Schwierigkeit liegt darin, dass in der Regel im Unternehmen nicht durchgängig Stärken oder Schwächen, auf Märkten nicht durchgängig Chancen oder Risiken vorliegen, sondern gemischte Situationen vorherrschen, die insgesamt zu einer jeweils eher positiven oder negativen Lage führen. Daher ist eine Detailanalyse für jede Variablenkombination vorzusehen. Beispielhaft sei für jedes der vier Felder ein möglicher Fall genannt. Chancen (Opportunities) Risiken (Threats) Stärken (Strengths) Schwächen (Weaknesses) Markt Unternehmen Einsatz interner Innovationsstärken zur Nutzung von externen Innovationschancen Nutzung von externen Innovationschancen zur Überwindung interner Innovationsschwächen Einsatz interner Innovationsstärken zur Überwindung von externen Innovationsrisiken Minimierung interner Innovationsschwächen und Vermeidung externer Innovationsrisiken 1 4 3 2 <?page no="24"?> 2.3 Innovationsspezifische SWOT-Analyse 23 Der erste Fall stellt die günstigste Situation dar. Beispielsweise kann die Erfahrung des Unternehmens mit der Vermarktung vergleichbarer Innovationen (Stärke) eingesetzt werden, um eine latente Akzeptanz für einen weiteren Innovationsschritt (Chance) in Verkaufserfolge zu überführen. Anführen ließe sich die Einführung einer neuen Generation von Mobiltelefonen durch einen der Global Player auf diesem Gebiet. Der zweite und der dritte Fall enthalten eine positive und eine negative Komponente. Im zweiten Fall könnte etwa eine erkennbare Akzeptanz bei der Zielgruppe (Chance) dazu dienen, erstmals als Innovator aufzutreten und mangelnde Erfahrung mit der Einführung von Innovationen (Schwäche) auszugleichen. Anführen ließe sich ein neu gegründetes Unternehmen, das mit einer vom Markt begrüßten innovativen Idee in den Markt eintritt. Im dritten Fall seien Größe und überlegene Finanzkraft (Stärken), die starke Innovationskonkurrenz (Risiko) überwinden hilft, als Beispiel genannt. Hier sind Großunternehmen anzuführen, die sich als späte Folger einem Trend anschließen. Der vierte Fall repräsentiert die ungünstigste Ausgangssituation, die häufig zur Aufgabe der Innovationsidee führen wird. Gibt es jedoch auch positive Variablenausprägungen, kann dennoch eine erfolgreiche Innovationsvermarktung möglich werden. Liegen beispielsweise Kapazitätsengpässe in der Produktion vor (Schwäche) und uneinheitliche gesetzliche Restriktionen auf den verschiedenen Ländermärkten (Risiko), so können einerseits Reorganisation und Outsourcing, andererseits die (vorläufige) Begrenzung auf einige Länder in Betracht kommen. Dieser Fall kann etwa beim Eintritt von KMU (Klein- und Mittelunternehmen) in den globalen Markt gegeben sein. Die Innovationssituation ist geprägt durch externe und interne Bedingungen. Externe Bedingungen ergeben sich einerseits aus der allgemeinen, kaum beeinflussbare Makro-Situation politischer, gesetzlicher, wirtschaftlicher, kultureller und sonstiger Art. Andererseits sind die Marktverhältnisse, die aus dem Verhalten aller Marktteilnehmer resultieren und unternehmerischer Veränderung bedingt zugänglich sind, zu beachten. <?page no="25"?> 24 2 Situationsanalyse für Innovationen Für Innovationen spielt zudem das Technologieumfeld eine besondere Rolle. Auch intern können Unternehmen unterschiedlich gut für Innovationen aufgestellt sein. Innovatoren müssen durch Marktforschung alle sie betreffenden innovationsrelevanten Vor- und Nachteile als Basis von Marketingentscheidungen analysieren. Dabei ist insbesondere die SWOT-Klassifikation hilfreich. FFrraagge enn 1. Welche Elemente des Makroumfeldes können das Innovationsgeschäft beeinflussen? 2. Welche (potenziellen) Marktpartner sind zu berücksichtigen? 3. Für welche Innovationssituationen spielt das Technologieumfeld eine besondere Rolle? 4. Wie beeinflussen interne Bedingungen das Innovationsmarketing? 5. Wie geht die SWOT-Analyse vor? <?page no="26"?> 33 MMaarrkkt tzzi ieel lee ffüürr IInnnnoovva attiioonneenn Marktziele für Innovationen sind wie alle Marktziele entweder direkt auf ökonomische Größen bezogen - Gewinn, Kosten, Umsatz, Marktanteil usw. - oder auf Variablen, die diese beeinflussen und damit Marktrelevanz besitzen, beispielsweise Kundenvertrauen, Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität, Markenbekanntheit, Image. Letztere lassen sich auch als vor-ökonomisch bezeichnen. Im Folgenden werden beide Marktziel-Kategorien mit Blick auf Innovationen beschrieben. 33..11 ÖÖkkoon noommiis sc ch he e ZZi ieellee Unternehmerische Innovationen dienen letztlich dazu, Unternehmenserfolg zu erreichen, sicherzustellen, auszubauen; diese Ziele sind als Markt-Output-Ziele anzusehen (vgl. zu Innovationszielen u.a. Wentz, 2008, S. 5ff., 53ff.). Innovationen können einerseits als eine wesentliche Möglichkeit angesehen werden, in den Markt einzutreten und dort Umsätze und Gewinne zu generieren. Andererseits bedeutet es für bereits am Markt agierende Unternehmen die Chance, eine wahrgenommene Umsatz- oder Wachstumslücke, die bereits besteht oder für die Zukunft prognostiziert wird, zu schließen. Derartige Lücken ergeben sich insbesondere dadurch, dass Produkt- und Technologielebenszyklen regelmäßig endlich sind und zudem Konkurrenzangebote das Absatzpotenzial verringern oder ihrerseits durch Innovationen den Markt verändern. Die Alternative einer Intensivierung des Absatzes bestehender Angebote, um Umsatzbzw. Gewinnniveau aufrechtzuerhalten oder sogar zu steigern, z.B. durch Eintritt in weitere Märkte oder Einsatz von Marketinginstrumenten, ist häufig nicht realisierbar oder bringt zu hohe Kosten mit sich. Daher gibt es zum einen den Zwang zur Innovation, zum anderen aber steht jede Innovation unter dem Primat der Erreichung ökonomischer Marktziele. <?page no="27"?> 26 3 Marktziele für Innovationen Im Einzelnen lassen sich durch das neuartige Angebot Neukunden gewinnen, die bislang vergleichbare Angebote, falls vorhanden, überhaupt nicht genutzt haben; es kann die Nutzungsintensität bestehender Kunden gesteigert werden, indem diese (vorzeitig) zum neuen Angebot wechseln bzw. dieses zusätzlich kaufen, oder es lassen sich Nutzer vergleichbarer Angebote wegen des höheren Innovationsnutzens von Konkurrenten abwerben. Innovationen sind allerdings in verschiedener Weise mit dem Unternehmenserfolg auf Märkten verbunden. Ein Sonderfall sind auf das eigene Unternehmen gerichtete Innovationen, durch die sich interne Abläufe im Unternehmen, beispielsweise in Produktion oder Verwaltung, effizienter gestalten lassen, so dass Kosteneinsparungen größere Preisspielräume und damit ökonomisch erfolgreicheres Agieren am Markt ermöglichen. Selbst bei gleichbleibendem Absatz führt die Zielsetzung der Kosteneinsparung zur Gewinnsteigerung, also zur Realisierung verbesserten Unternehmenserfolges. Besonderer Erwähnung darf die häufige Verwendung des Marktanteils als Zielsetzung. Der Marktanteil wird durch die Abgrenzung des relevanten Marktes determiniert. Wenn nur die Innovation eines Unternehmens in einem Markt zur Marktdefinition herangezogen wird, ist die Verwendung dieses Zielkriteriums ohne Bedeutung, da der Marktanteil 100% beträgt. Daher spielt der Marktanteil im Innovationskontext nur dann eine Rolle als ökonomische Zielsetzung, wenn der Markt weiter festgelegt wird, so dass er auch andere Produkte - von Wettbewerbern - einschließt. 33..22 VVoor r--ö ökkoon noommiis sc chhe e ZZiieel lee Die vorgenannten ökonomischen Marktziele bilden also den generellen marktorientierten Zielrahmen für jegliche Innovationsaktivitäten. Diese sind allerdings durch die Erfüllung vorgelagerter, überwiegend nicht-ökonomischer Ziele zu bewirken; denn eine direkte Erfüllung ökonomischer Ziele, etwa im Rahmen von Zielvorgaben für bestimmte Abteilungen im Unternehmen, ist häufig nicht operational. So muss jede Innovation einen USP (unique selling proposition) generieren, der von den potenziellen Kunden als solcher auch <?page no="28"?> 3.2 Vor-ökonomische Ziele 27 wahrzunehmen ist (customer perceived value = CPV). Er stellt sicher, dass das Angebot insgesamt aus Kundensicht etwas Besonderes ist, einen Konkurrenzvorteil aufweist. Trommsdorff/ Steinhoff (2013, S. 77ff.) bezeichnen ihn daher auch als CIA (competitive innovation advantage) und sehen ihn auf Basis zahlreicher Untersuchungen als zentralen Innovationserfolgsfaktor an. Nur bei Vorliegen eines USP bzw. CPV ist eine nachhaltige Kundenpräferenz mit daraus folgender potenzieller Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu erreichen, er ist als vorgeordnetes vorökonomisches Marktziel anzusehen. Da es entscheidend ist, dass der USP durch Kunden subjektiv wahrgenommen wird, ist zunächst einmal ein gewisser Bekanntheitsgrad der Innovation erforderlich. Um das zu erreichen, ist wiederum die Aktivierung von Personen, das heißt eine entsprechende innovationsbezogene Aufmerksamkeit bei möglichst vielen Gelegenheiten anzustreben. Dieses Ziel bezieht sich auf die Überwindung einer schwerwiegenden Restriktion. Insbesondere im Konsumgütersektor ist eine extreme Informationsüberflutung zu konstatieren, welche den Beachtungserfolg von Marktneuheiten zu einer besonderen Herausforderung macht (vgl. hierzu und zu den verhaltenswissenschaftlichen Zielsetzungen u.a. Kroeber-Riel/ Weinberg/ Gröppel-Klein, 2009, S. 55ff.) Zudem müssen die Beachtung der Innovation und das Wissen über die Innovation emotional und kognitiv positiv geprägt werden. Hilfreich hierbei sind ein positives Image des innovierenden Unternehmens sowie die Beeinflussung wesentlicher Informationsquellen, welche die potenziellen Käufer nutzen, beispielsweise entsprechende Referenzgruppen und Meinungsführer. Aus diesen Zusammenhängen ergeben sich die wesentlichen vor-ökonomischen und primär zu erreichenden Zielsetzungen, die in vereinfachter Form und in ihrer Rolle im Verbund mit ökonomischen Zielsetzungen in Abbildung 4 dargestellt sind. Dabei sind Innovationsakzeptanz und (grundsätzliche) Kaufbereitschaft auf Basis eines wahrgenommenen USP die zentralen Aspekte positiver Einstellung. Im Allgemeinen stellen sie die Voraussetzung für einen Kauf dar und sind somit die entscheidenden vorökonomischen Marktziele (vgl. zur Akzeptanzforschung bei technologischen Innovationen z.B. Königstorfer, 2008, S. 19ff.). <?page no="29"?> 28 3 Marktziele für Innovationen Abbildung 4: Zielsetzungen im Innovationsmarketing Die angeführten vor-ökonomischen Zielsetzungen können auch als kommunikative Ziele bezeichnet werden, denn sie betreffen im Wesentlichen Ergebnisse der Interaktion mit potenziellen Nachfragern. Da hierfür in erster Linie explizite Kommunikationsaktivitäten einzusetzen sind, wird im Rahmen des Marketinginstruments Kommunikation auf diese Ziele im Einzelnen eingegangen (vgl. 5.3.1). Alle genannten ökonomischen und vor-ökonomischen Ziele beziehen sich auf Wirkungen am Markt, und ihre Erfüllung determiniert den Markterfolg. Es gibt aber auch eher vordergründige, direkt mit der Innovationsaktivität verbundene Ziele, etwa die Markteinführung einer bestimmten Anzahl neuer Produkte in einem abgegrenzten Zeitraum, ein Ziel, das sich z.B. manchmal pharmazeutische Unternehmen vorgeben. Derartige Zielsetzungen sind auf das gesamte Innovationsportfolio bezogen, für die einzelnen Produkte sind aber auch hier ökonomische und vor-ökonomische Ziele zu verfolgen. Aufmerksamkeit für Innovation schaffen und USP vermitteln positive emotionale und kognitive Prozesse im Zusammenhang mit der Innovation bewirken positive Einstellung zur Innovation aufbauen Akzeptanz und Kaufbereitschaft Aufbau bzw. Nutzung eines positiven Unternehmensimage Beeinflussung von Referenzgruppen und Meinungsführern ökonomische Ziele erreichen: Marktanteile, Umsätze, Gewinne etc. erzielen <?page no="30"?> 3.2 Vor-ökonomische Ziele 29 Der Innovationsprozess ist an Markt-Output-Zielen auszurichten. Das sind letztlich immer ökonomische Ziele wie Umsätze und Gewinne. Dazu gehören auch interne Effizienzziele mit indirekter Marktwirkung. Ökonomischen Zielen vorgelagert sind vor-ökonomische Ziele, die als Unterziele der Sicherstellung verhaltenswissenschaftlicher Wirkungen dienen (u.a. Erreichung von Aufmerksamkeit, Bekanntheit, positiver Einstellung, Akzeptanz und Kaufbereitschaft). Zentral ist dabei ein von Kunden wahrzunehmender Konkurrenzvorteil (USP) der Innovation gegenüber existierenden Angeboten. FFrraaggeen n 1. Welche Bedeutung haben ökonomische Zielsetzungen im Innovationskontext? 2. Welche Rolle spielen wahrgenommene Alleinstellungsmerkmale? 3. Warum ist die Aufmerksamkeitswirkung eine entscheidend e Zielsetzung? 4. Welche weiteren vor-ökonomischen Ziele müssen verfolgt werden? 5. Wie stehen ökonomische und vor-ökonomische Zielsetzungen im Verhältnis zueinander? <?page no="31"?> 44 MMaarrkkt ts sttr raatteeg giieenn ffü ürr IInnnnoovvaatti ioonneenn Zahlreiche Unternehmensstrategien - als langfristige und das Gesamtunternehmen betreffende Festlegungen - beziehen sich auf die externe Umwelt, das heißt den Markt und sein Umfeld, speziell die Marktteilnehmer. Zu den grundsätzlichen Marktstrategien gehören die Entscheidung über die Definition des Zielmarktes, die Entscheidung, wie der Zugang in diesen festgelegten Markt erfolgen soll bzw. wie ein bereits bearbeiteter Markt zu verteidigen ist, sowie die Entscheidung, wie das Wettbewerbsverhalten auf diesem Markt grundsätzlich gestaltet werden soll. Der daraus resultierende Mix von Marktstrategievarianten ist eine Basisfestlegung auf dem Wege zur Erreichung der Marktziele. Auch das Innovationsmarketing erfordert Entscheidungen über derartige Marktstrategien; diese sind durch die Besonderheiten der jeweiligen Innovationsvorhaben sowie der Innovationssituation geprägt. 44..11 MMaarrkkttffees sttlleeg guunngg Die Marktfestlegung bezieht sich auf die drei Dimensionen der geographischen Abgrenzung, der Zielpersonenabgrenzung und der Abgrenzung der Angebotsausrichtung. Über diese drei Festlegungen ist möglichst simultan zu entscheiden (vgl. Hünerberg, 1994, S. 97ff.). Es ergeben sich daraus mehr oder minder zahlreiche und mehr oder minder umfangreiche Marktsegmente, wie Abbildung 5 symbolisiert. Aus diesen sind die für Innovationszwecke geeigneten Märkte auszuwählen. <?page no="32"?> 4.1 Marktfestlegung 31 Abbildung 5: Dimensionen und Beispiele für Ergebnisse der Marktfestlegung 44..11..11 GGeeooggrraapphhiisscchhee AAbbggrreennzzuunngg Die geographische Abgrenzung reicht von der Identifizierung lokaler Märkte bis zu globaler Abdeckung. Es hängt von der Art der Innovation und des dahinterstehenden Unternehmens ab, wie die entsprechende Definition und nachfolgende Selektion von Märkten vorgenommen wird. Grundlegend hierfür sind neben den internen Unternehmensstärken und -schwächen insbesondere die Einschätzung von Chancen und Risiken der Innovationsvermarktung in sich ergebenden bzw. ausgewählten Marktgebieten (vgl. Abschnitt 2.3). Grundsätzlich sind ein einziges geographisches Gebiet bzw. einige wenige und/ oder kleine geographische Segmente mit Blick auf Innovationen leichter handhabbar als zahlreiche und/ oder große Märkte, beispielsweise mit Blick auf den Einsatz von Marketinginstrumenten. Hinzu tritt eine tendenziell geringere Zahl von potenziellen Konkurrenten und einfacherer (patentrechtlicher) Schutz. Andererseits ist das Erfolgspotenzial in großen Märkten höher, bei zahlreichen voneinander abgegrenzten geographischen Gebieten (Staaten) bestehen die Chancen eines Risikoausgleichs und von <?page no="33"?> 32 4 Marktstrategien für Innovationen Ausweichmöglichkeiten auf jeweils andere Gebiete bei auftretenden Schwierigkeiten. Aus patentrechtlicher Sicht ist die geographische Abgrenzung des Zielgebiets auf Basis von Staatsgrenzen notwendig; Subgebiete innerhalb eines Staates oder die Addition mehrerer solcher Gebiete zu transnationalen Segmenten (z.B. Großstädte mehrerer Länder) sind zwar für die faktische Vermarktung vorstellbar, bedeuten aber eine komplexe Herausforderung für die patentrechtliche Absicherung, da Patentschutz in zahlreichen Ländern notwendig wird (vgl. 5.1.3). Die geographische Marktsegmentierungsdimension kann zum einen als eigenständige Determinante der Marktfestlegung verstanden werden. So können bestimmte Eigenschaften eines Gebietes ursächlich dafür sein, dass die Innovationsvermarktung gerade dort stattfinden soll. Das ist der Fall, wenn sich Innovationsinhalte auf derartige Gebietseigenschaften beziehen, beispielsweise auf die Überwindung von Herausforderungen durch Verhältnisse klimatischer, geologischer, demografischer, technologischer, wirtschaftlicher Art usw. So gibt es zahlreiche innovative Lösungen für unterentwickelte Länder bezüglich Wasser-, Energie-, Informationsversorgung u.ä. Nokia etwa entwickelte neuartige Mobiltelefone für die wirtschaftliche Situation und extreme Gebrauchsumstände in „Dritte-Welt-Ländern“ (vgl. z.B. Rohwetter 2012). Zum anderen ist die geographische Marktabgrenzung Folge der Entscheidung für zu erreichende Zielgruppen, sofern sich diese in bestimmten Gebieten befinden. In diesem Fall sind die Zielpersonen die determinierende Dimension der Marktfestlegung, wenngleich sich aus der daraus resultierenden Länderwahl besondere Anforderungen und Risiken, eventuell sogar Ausschlussnotwendigkeiten, etwa wegen der politischen Instabilität von Staaten, für die Innovationsvermarktung ergeben können. Falls die Zielpersonen in vielen oder allen geographischen Marktsegmenten auftreten, sind die geographische und die Zielpersonendimension relativ unabhängig voneinander festlegbar. 44..11..22 ZZiieellppeer rssoonneenn Die Bestimmung von Zielpersonen bzw. -unternehmen ist die zentrale Entscheidung im Rahmen der Marktfestlegung; denn diese <?page no="34"?> 4.1 Marktfestlegung 33 sind als potenzielle Kunden für einen angestrebten zukünftigen Erfolg der Innovation primär verantwortlich. Die Definition der Zielpersonen erfolgt über Kriterien demographischer, soziographischer, psychographischer, wirtschaftlicher und sonstiger Art. Auf dieser Basis wird der Gesamtmarkt, der bereits durch geographische Festlegungen eingegrenzt sein kann, in mehrere zielgruppenspezifische Teilmärkte zerlegt. Eines oder mehrere dieser Segmente sind dann als Zielmärkte auszuwählen. Für die Vermarktung von Innovationen spielt deren Anwendbarkeit/ Einsetzbarkeit durch bestimmte Zielgruppen als übergeordnetes Kriterium eine entscheidende Rolle. Für Innovationen, die Sehhilfen betreffen, kommen z.B. nur Personen mit Augenproblemen in Betracht. Diese lassen sich u. U. durch weitere Kriterien, etwa demographischer Art wie Alter, beschreiben. Infrage kommende Zielgruppen können dann Berufsgruppen, Personen mit bestimmten Hobbys, Menschen in spezifischen Lebenssituationen, Einkommensschichten, Unternehmen bestimmter Branchen oder mit speziellen Fertigungsverfahren/ Produktangeboten usw. sein. Diese Zielgruppen sind mehr oder weniger umfangreich, im Extremfall handelt es sich um die Allgemeinheit einerseits und um einzelne Nachfrager wie ein spezifisches Unternehmen andererseits. Schon bei diesem Segmentierungsschritt ist eine Abschätzung des sich potenziell ergebenden Umsatzes sowie potenzieller Abhängigkeiten von einzelnen Abnehmern wichtig, um wirtschaftliche unergiebige bzw. risikoreiche Segmente rechtzeitig auszuschließen oder die Notwendigkeit der Segmenterweiterung oder -ergänzung durch andere Teilmärkte vorzusehen. Der Anwendbarkeit/ Einsetzbarkeit nachgeordnet sind weitere Zielgruppenmerkmale, insbesondere wenn es um Entscheidungen über den späteren Einsatz von Marketinginstrumenten geht. Zu nennen ist speziell die zu erwartende Akzeptanz von Innovationen; denn aus grundsätzlich gegebener Relevanz einer Innovation für bestimmte Personen folgt noch nicht die Bereitschaft, diese auch tatsächlich zu übernehmen. Zumindest zu Beginn der Vermarktung sollten die bereits im Rahmen der Situationsanalyse erwähnten innovationsaffinen Gruppen (Trendsetter, Lead User) identifiziert und bevorzugt angesprochen werden (vgl. 2.1.2). Meinungsbildende „Innovationsführer“ sind von Bedeutung, weil sie ihrerseits auch <?page no="35"?> 34 4 Marktstrategien für Innovationen Einfluss auf weniger innovationsorientierte Gruppen haben. Je nach Art der Innovation kann es sich hierbei um bestimmte Altersgruppen, Bildungsschichten, Berufsgruppen, Branchen usw. handeln. Auf jeden Fall sind bereits in der frühen Planungsphase der generellen Marktsegmentierung Märkte auch nach der Existenz von solchen potenziell innovationsbereiten Zielgruppen auszuwählen. In einem späteren Stadium der Vermarktung bzw. des Lebenszyklus können dann andere Zielgruppen in den Fokus der Aktivitäten rücken. 44..1 1..33 AAn ngge eb bo ottssa au ussr riic chht tu unngg Das tatsächliche Angebot setzt sich aus der eigentlichen lnnovation (Hauptleistung) und zusätzlichen Angeboten (Neben- oder Zusatzleistungen), etwa Services, zusammen (vgl. 5.1.2). Die Entscheidung, was den Zielgruppen in geographischen Teilmärkten angeboten wird, ist zumindest im Sinne einer grundsätzlichen Ausrichtung simultan mit diesen beiden, zuvor erläuterten Segmentierungsentscheidungen zu treffen, so dass sich Produkt-Markt-Kombinationen ergeben. So ist über die grundsätzliche Notwendigkeit von (klassischen oder ebenfalls innovativen) Zusatzleistungen, beispielsweise Mitarbeitertraining in Unternehmen, zu entscheiden. Auch die Zahl von Innovationen spielt eine Rolle; es können Einzelinnovationen oder gleichzeitig mehrere Innovationen in den Markt gebracht und so Zielgruppen durch ein breiteres oder mehrere Zielgruppen durch jeweils unterschiedliche Angebote angesprochen werden. Auch die Vorhaltung von Innovationen in verschiedenen Entwicklungsbzw. Marktphasen zur Sicherstellung eines kontinuierlichen Innovationsflusses ist ein wichtiger Aspekt. Ein Beispiel ist ein adäquates Innovationsportfolio im langwierigen Innovationsprozess der forschenden Pharmaindustrie (vgl. u.a. Wentz, 2008, S. 163ff.) Wesentlich ist insbesondere die Entscheidung über die Spezifität der Innovation. Je nach Spezialisierungsgrad des Angebots ergibt sich ein größeres oder eher kleines Segment; es werden damit gleichzeitig Einsatzbereiche und auch Zielgruppen des Produkts bestimmt. Der Ausgangspunkt für die viel diskutierten Nischenangebote beruht in der Regel auf hochspezialisierten Innovationsangeboten, für die sich dann (nur) eine kleine Zielgruppe ergibt. <?page no="36"?> 4.1 Marktfestlegung 35 Wegen der dadurch eingeschränkten Absatzmöglichkeit ist neben einem eventuellen Wachstumspotential der Nische eine Ausweitung auf größere geographische Gebiete bis hin zu einem weltweiten Angebot fast zwangsläufig, so dass globale Nischen entstehen. Globale Nischenanbieter sind weit verbreitet; und diese „Hidden Champions“ sind als (etablierte) Innovatoren par excellence anzusehen (vgl. insbesondere Simon, 2012, S. 83ff.). Ein von Simon genanntes Beispiel ist die Firma Igus, die als Marktführer weltweit Innovationen im Bereich schmierstofffreier Gleitlagertechnik und Energieketten vermarktet (vgl. Igus 2015). Wenn die Vermarktung eines spezialisierten innovativen Produkts im Rahmen einer Unternehmensneugründung erfolgt, handelt es sich in der Regel um den schwierigsten Fall, der besonderer Sorgfalt bei der Marktdefinition bedarf (vgl. u.a. Baumgarth, 2008b, S. 99ff.). Sofern es nicht um eine Ausgründung aus einem größeren Unternehmen mit der Möglichkeit des Zugriffs auf dessen Ressourcen geht, ist ein neu gegründetes Unternehmen mit der Vermarktung seiner Innovation aus Mangel an Erfahrung und wegen beschränkter Ressourcen oft überfordert. Nicht nur allein wegen der hohen Spezifität des Angebots, sondern wegen der anfangs oft gegebenen Überschaubarkeit des Marktes sind gerade derartige Unternehmen zumindest zu Beginn Nischenanbieter. Ein notwendig werdendes Wachstum durch weitere Innovationen, Internationalisierung oder sonstige Marktausweitung stellt sie dann allerdings vor große Herausforderungen. Die besonderen Probleme bei der Vermarktung von Innovationen durch neu gegründete Unternehmen treten im Übrigen nicht nur im Zusammenhang mit der Marktsegmentierung, sondern auch bei allen anderen strategischen und operativen Marketingentscheidungen auf. Aus den spezifischen Herausforderungen an neu gegründete Unternehmen hat sich ein eigenständiger Bereich der Betriebswirtschaftslehre entwickelt, der wegen der regelmäßigen Verbindung mit innovativen Angeboten daher für spezifische Innovationssituationen von hoher Relevanz ist (vgl. u.a. den Überblick bei Freiling/ Kollmann, 2008, S. 6ff.). <?page no="37"?> 36 4 Marktstrategien für Innovationen 44..22 MMaarrkkttzzuuttrriitttt Wenn ein Markt im zuvor erläuterten Sinne definiert ist, stellt sich die Frage, wie man mit der Innovation Zugang zu diesem Markt erlangt. Grundsätzlich bieten sich zwei Vorgehensweisen an, die Nutzung eigener Ressourcen oder das Eingehen einer Kooperation (vgl. zum Konzept der Marktimplantation generell u.a. Hünerberg, 1994, S. 113ff.). Abbildung 6 gibt einen Überblick zu den Entscheidungsmöglichkeiten. Abbildung 6: Markteintrittsvarianten 44..2 2. .1 1 EEi ig ge enne e RReesss soouur rc ceenn Der Marktzutritt mittels eigener Ressourcen ist am einfachsten, wenn das Unternehmen in dem für die Innovation ausgewählten Markt bereits mit anderen Angeboten präsent ist. Dann können existierende Informationen, Erfahrungen, Vertriebswege usw. herangezogen werden, und es lassen sich beispielsweise vorhandene eigene Niederlassungen oder etablierte Exportbeziehungen für das neue Angebot nutzen bzw. ausbauen. Dennoch kann auch hier ein einseitiges Beharren auf ausschließlich eigenen Ressourcen zu einer <?page no="38"?> 4.2 Marktzutritt 37 schwierigen Situation führen, wie das Beispiel von Sony in der Vergangenheit gezeigt hat (vgl. Wentz, 2008, S. 45ff.). Handelt es ich um einen bisher nicht bearbeiteten Markt, ist der Markteintritt schwieriger, da gerade Erfahrungen, insbesondere zu Zielgruppen und geographischem Gebiet mit seinen Rahmenbedingungen, fehlen. Bei hinreichenden Ressourcen und/ oder geringen Zutrittshindernissen kann dennoch ein Marktzugang aus eigener Kraft in Betracht kommen, wie eigener Vertrieb bzw. Export oder sogar die Errichtung von Repräsentanzen und anderen Niederlassungen (Fall 1 in Abbildung 6). Der Marktzutritt für neu gegründete Unternehmen ist - analog zu den Hinweisen im Zusammenhang mit der Marktsegmentierung - mit eigenen Ressourcen besonders schwer; denn es sind nicht nur finanzielle Mittel, die häufig fehlen, sondern auch (marktgerichtete) Mitarbeiterkompetenz und generell Erfahrungen mit und auf den definierten Märkten, zumal wenn nicht allein der Heimatmarkt bearbeitet werden soll. Ein Engpass sind häufig fehlende Kontakte zu staatlichen Stellen, Distributionsmittlern, Zulieferern, so dass der Marktzugang schon im Vorfeld scheitern kann. Daher bieten sich statt eines eigenständigen Vorgehens gerade in diesem Fall Kooperationslösungen verschiedener Art an. Für größere Unternehmen kommen Mergers & Acquisitions, also die Übernahme eines anderen Unternehmens oder die Fusion mit einem solchen, in Betracht (Fall 2 in Abbildung 6). Gründe für diese beliebte, wenn auch häufig nicht erfolgreiche Marktstrategie sind vielfältig; Schnelligkeit des Marktzutritts, sofortige Marktanteilsausweitung, erhoffte und vielleicht realisierbare Synergien, Einschränkung des Wettbewerbs sind einige von ihnen. Im Kontext der Innovationsvermarktung kann es um Innovationssynergien, d.h. die Zusammenführung vergleichbarer Innovationen, gehen oder generell um die Beschaffung von Know-how. Nach Wentz manifestiert sich hier das neue Paradigma der offenen Innovation, bei der Akquisitionen und alle sonstigen externen Möglichkeiten (Lizenznahme etc.) auf dem Weg zum Innovationsführer genutzt werden; als Beispiel nennt er Procter & Gamble (Wentz, 2008, S. 73ff.). Weitere Motive können die Vermeidung potentieller Auseinandersetzungen um Innovationen und ihre Patentierung, die Schaffung von Vertriebskompetenz für die Innovation in ausge- <?page no="39"?> 38 4 Marktstrategien für Innovationen wählten Märkten, Rohstoffsicherung, Zugang zu Informationen und Kontakten, Umgehung von politischen und anderen Markteintrittsbarrieren sein. 44..2 2..22 KKooo oppeerraattiioonn Immer wenn das innovierende Unternehmen keine ausreichenden eigenen Ressourcen besitzt, Kompetenz- oder Zugangsdefizite aufweist, Mergers & Acquisitions nicht möglich sind, kommen kooperative Formen des Markteintritts in Betracht. Als Kooperationstypen bieten sich eine Reihe von Möglichkeiten an (vgl. allgemein zur Kooperation im Innovationskontext Hauschildt/ Salomo, 2011, S. 151ff.). Eine für die Innovationsvermarktung grundlegende Möglichkeit besteht in der Lizenzvergabe an Lizenznehmer gegen Lizenzgebühren oder Übertragung sonstiger Werte. Lizensierung bedeutet den teilweisen oder vollständigen Verzicht auf eigene Vermarktung durch - im weitesten Sinne - Technologietransfer. Lizenzgegenstand kann die Innovation in verschiedenen Stadien der Erfindung sein, etwa als spezifisches rechtlich (noch) nicht geschütztes Knowhow zu Beginn des Innovationsprozesses, als angemeldetes oder als erteiltes Patent, Gebrauchsmuster oder Geschmacksmuster. Die Übertragung der Lizenz auf den Lizenznehmer kann sich auf alle oder einzelne mit der Innovationsnutzung verbundene Aktivitäten beziehen. Insbesondere kommen die Herstellung von Produkten, die sonstige interne Nutzung der Innovation, der Vertrieb in Betracht. Beschränkungen, beispielsweise räumlicher, zeitlicher und mengenmäßiger Natur, sind möglich. Die Lizenzvergabe kann damit ein weitreichender Verzicht auf eigene Nutzung sein, insbesondere wenn ein Exklusivvertrag mit einem einzigen Lizenznehmer abgeschlossen wird, der die Nutzung durch den Lizenzgeber selbst ausschließt, so dass kurz- oder längerfristig ein Verzicht auf eigene Marktbearbeitung vorliegt (Fall 3/ 3a in Abbildung 6). So hat die Kalp GmbH 2012 einen exklusiven Lizenzvertrag mit der finnischen Cargotec Group abgeschlossen, der die Produktion und Vermarktung von Laschplattformen zur vollautomatischen Durchführung von Ladeprozessen in Containerterminals an den Lizenznehmer überträgt (vgl. Kalp 2015). Weniger weitreichend ist der Verzicht, wenn zwar nur ein einziger Partner lizensiert <?page no="40"?> 4.2 Marktzutritt 39 wird, aber der Lizenzgeber Verwertungsrechte behält oder wenn mehrere Lizenznehmer vorgesehen werden (Fall 4 in Abbildung 6). Eine weitreichende Form der Lizensierung ist das verbreitete Franchising, das die Weitergabe von Ausstattungen, Marken und ganzen Marketingkonzeptionen umfasst. Betrachtet man die Lizenzvergabe als Markteintrittsstrategie eines Innovators, so sind insbesondere Kapazitäts- und Kompetenzrestriktionen und als unzureichend wahrgenommene Ertrags- und Gewinnaussichten sowie Risikoüberlegungen als Entscheidungshintergründe denkbar (vgl. die SWOT-Analyse lt. Abbildung 6). Anders als bei einer Veräußerung der Innovation oder gar des Unternehmens bedeutet die Lizenzvergabe je nach Art der Lizenzvereinbarung allerdings eine mehr oder minder weitreichende Partizipation des Lizenzgebers an der Innovation. So erhält er Lizenzgebühren, unter Umständen stehen ihm auch anderweitige Verwertungsmöglichkeiten offen (vgl. auch 5.2.1). Bei Eigenverwertung wären die Erträge jedoch potenziell höher. Zudem ist die Abhängigkeit von Motivation und kaufmännischem Erfolg des Lizenznehmers beträchtlich, und es können sich sogar Konkurrenzbeziehungen entwickeln. Ein negativ wahrgenommener Marktauftritt des Lizenznehmers ist für den Lizenzgeber und seine zukünftigen Innovationsaktivitäten unter Umständen imageschädigend. Neben der Lizensierung gibt es zahlreiche andere Formen eines kooperativen Markteintritts, die für Innovatoren in Betracht kommen (Fall 5 in Abbildung 6). Eine bekannte Kooperationsform ist das Joint Venture. Im engeren Sinne eines Equity Joint Venture geht es hierbei um die Partnerschaft zwischen zwei oder mehr Unternehmen, die ein (zusätzliches) Unternehmen gründen, das der Innovationsnutzung dient. Der zugrunde liegende Vertrag wird unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Vertragspartner treffen, die weit über die häufig diskutierte Frage der jeweiligen Kapitalbeteiligungen hinausreichen. So kann der Joint-Venture-Partner des Innovators für die Vermarktung - generell oder in bestimmten Gebieten - zuständig sein, für Weiterentwicklungen der Innovation, für die Patentierung, für Produktionsprozesse, Beschaffung, Logistikdienste usw. Vorteile liegen in der gezielten Nutzung von Kompetenzen des Partners, insbesondere mit Blick auf die Überwindung von Marktrestriktionen. Gerade <?page no="41"?> 40 4 Marktstrategien für Innovationen im internationalen Geschäft spielen derartige Überlegungen eine besondere Rolle; in manchen Ländern sind andere Formen des Markteintritts, etwa eigene Niederlassungen, aus rechtlichen Gründen unter Umstanden gar nicht möglich. Aber auch Arbeitsteilungseffekte und Synergien mit Blick auf die internen Ressourcen sind von Bedeutung. Auf der anderen Seite sind beim Joint Venture die Risiken der Partnerwahl besonders hoch. Sie reichen von Motivationsdefiziten und Inkompetenzen über nachlässige Vertragserfüllung, wirtschaftliche Probleme und schädliches Konkurrenzverhalten bis zu direkter Schädigung, beispielsweise durch Missbrauch von Know-how-Transfer und Aneignung von materiellen und immateriellen Werten. Derartige Risiken sind durch sorgfältige Partnerwahl und Vertragsgestaltung zwar teilweise, aber nicht vollständig auszuschließen. Neben Equity Joint Ventures gibt es zahlreiche weitere Formen der Zusammenarbeit mit Partnern, die häufig ebenfalls als Joint Ventures oder Contractual Joint Ventures bezeichnet werden. Bei einer weitreichenden Form von Zusammenarbeit lässt sich auch von strategischen Allianzen sprechen. Es geht ähnlich wie bei Equity Joint Ventures immer um eine Form der Arbeitsteilung bei der Marktbearbeitung bzw. dem Markteintritt, ohne dass allerdings eigenständige Unternehmen gegründet werden. So können Partner Beschaffungs-, Produktions-, Entwicklungs-, Vertriebsaufgaben oder andere Funktionen im Rahmen der Innovationsvermarktung ganz oder teilweise übernehmen. Auch bestimmte Marktgebiete können Partnern überlassen werden, um so eine weite Abdeckung zu realisieren. Beispiele sind die strategischen Allianzen der Luftfahrtgesellschaften, die entsprechende globale Netzwerke aufbauen. Allerdings ist es ein dominierendes Kennzeichen der erfolgreichen „Hidden Champions“, auf derartige Kooperationen zu verzichten (vgl. Simon, 2012, S. 181ff.). Grundsätzlich lassen sich so jedoch eigene Schwächen ausgleichen und es kann dennoch eine erfolgreiche Marktpräsenz realisiert werden. Die Gefahren aus der Partnerwahl, wie sie für das Equity Joint Venture erwähnt wurden, sind hier analog, wenngleich in schwächerer Form, vorhanden. Letztlich ist es immer eine Frage der Marktmacht, die über die Abhängigkeit einer Seite entscheidet, und hier spielt dann die Bedeutung der Innovation für die Gegenseite eine ausschlaggebende Rolle. <?page no="42"?> 4.3 Marktverhalten 41 44..33 MMaarrkkttvveerrhhaalltteenn Wenn der Eintritt auf ausgewählte Märkte erfolgt ist, stellt sich die strategische Frage, wie sich das Unternehmen dort grundsätzlich verhalten soll, insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen Marktteilnehmer. Dabei spielen die inhaltlichen Schwerpunkte der Innovations-Marktbearbeitung, zeitliche Vorgehensweisen und der Umgang mit Wettbewerbern eine besondere Rolle (vgl. u.a. Hünerberg, 1994, S. 132ff.) 44..33..1 1 IInnhha allttlliicchhee SScchhw weerrppuunnkkt tee In Anlehnung an Porter soll ein Unternehmen zwischen einer Kostenführerschaftsstrategie, die Preisspielräume eröffnet und Massenmärkte erschließen kann, und einer Qualitätsführerschaftstrategie, die bei Abnehmern Präferenzen für Angebote mit bestimmten Qualitätsdimensionen zu generieren vermag, entscheiden; die gleichzeitige Verfolgung beider Alternativen, ein Outpacing, scheint nicht möglich und soll dazu führen, dass sich ein Unternehmen „zwischen allen Stühlen“ wiederfindet (vgl. u.a. Porter, 2013, S. 73ff.). Im Innovationskontext wird man diese Möglichkeiten wie folgt beurteilen: Die Tatsache, dass etwas Neuartiges eingeführt wird, hat eine qualitative Veränderung der bestehenden Situation zur Folge, die nur dann Akzeptanz erlangt, wenn sie als Verbesserung wahrgenommen wird. Insofern kann als primäre Innovationsstrategie eine Qualitätsorientierung postuliert werden. Anders als beim Marktverhalten mit etablierten Produkten und Dienstleistungen stehen bei Innovationen manchmal auch Sekundärfunktionen mit Blick auf eingeführte Angebote im Vordergrund, wenn es sich beim Unternehmen, das die Innovation nutzt, um ein bereits am Markt aktives Unternehmen handelt. So können Innovationen der Verbesserung der Angebotsqualität dienen, indem sie bereits vorhandene Angebote aufwerten oder die Angebotspalette durch neuartige Bestandteile ergänzen. Bezieht man interne Innovationen, speziell solche mit Prozesscharakter, in die Betrachtung mit ein, können diese die eigene Kostensituation positiv beeinflussen und so auch zur Erreichung einer Kostenführerschaftsstrategie beitragen. <?page no="43"?> 42 4 Marktstrategien für Innovationen Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Kostenführerschaftsdimension eine eher eindimensionale Handlungsmöglichkeit eröffnet, die auf die Nutzung der sich dadurch ergebenden Preisspielräume beschränkt ist, während Qualitätsorientierung eine große Zahl von Gestaltungsvariablen beinhaltet. Selbst eine Kombination von Elementen der Kosten- und der Qualitätsführerschaft ist denkbar, etwa die Nutzung einer Prozessinnovation zur Kostensenkung, um eine qualitativ hochwertige Innovation preisgünstiger anbieten zu können. Neben der Festlegung von Produkt-Markt-Kombinationen (vgl. 4.1.3) ist die grundsätzliche Entscheidung zur inhaltlichen Ausrichtung des Marktverhaltens ein wesentlicher Positionierungsaspekt, der darüber entscheidet, wie das Innovationsangebot in der Grundwahrnehmung potenzieller Kunden gegenüber anderen Angeboten auf dem Markt verankert wird (vgl. im Einzelnen u.a. Trommsdorff/ Steinhoff, 2013, S. 115ff.). Gleichzeitig beeinflusst der inhaltliche Schwerpunkt des Marktverhaltens das Image des dahinterstehenden Unternehmens, was wiederum auf die Wahrnehmung der Innovation zurückwirkt (vgl. Abbildung 7). Abbildung 7: Positionierung im Innovationsmarketing <?page no="44"?> 4.3 Marktverhalten 43 44. .3 3..2 2 ZZeeiit tlliicchhee GGe esst taallt tuunngg Die zeitliche Dimension des Innovationsmarketingprozesses betrifft die Frage, wann, in welcher Reihenfolge und wie schnell Innovationen auf welche Märkte gebracht werden und wie die einzelnen Teilschritte dabei zeitlich abgestimmt werden. Eine Innovation bedeutet zwar definitionsgemäß, dass sie als erstes Angebot seiner Art auf einen Markt gebracht wird, allerdings ist eine frühe, das heißt gleich nach der Erfindung stattfindende Vermarktung oder eine aufgeschobene Markteinführung, z.B. nach Patenterteilung, denkbar. Erstere Strategie führt potenziell zu frühen Einnahmen mit den Risiken einer unausgereiften oder unzureichenden Produktgestaltung bzw. Markteinführung sowie einer frühen Konkurrenzreaktion. Ein später Vermarktungsbeginn gibt dagegen Zeit für Vervollkommnung und Vorbereitung, verschiebt jedoch potenzielle Einkünfte und beinhaltet die Gefahr einer Vorwegnahme von Innovationsinhalten durch andere Marktteilnehmer. Die Frage der Reihenfolge des Eintritts auf verschiedene, z.B. geographische Märkte ist das klassische Problem der Entscheidung zwischen simultaner und sukzessiver Marktbearbeitung (Sprinkler- oder Wasserfallstrategie) bzw. einer Kombination aus beiden. Im Zusammenhang mit Innovationen sind hierbei besonders der internationale/ globale Charakter der Innovation, deren Lebenszyklus, die Schutzfähigkeit in unterschiedlichen Märkten sowie die Finanzierungsaspekte dieser Markteintrittsformen zu beachten. Ein gleichzeitiger Eintritt in alle relevanten Märkte (Sprinklerstrategie) liegt nahe bzw. wird erforderlich, wenn wegen der globalen Natur der Innovation eine Anwendbarkeit auf vielen Märkten in Betracht kommt, der Lebenszyklus eher kurz ist, sich die Schutzfähigkeit nicht auf einzelne Märkte beschränkt und die Finanzierung keine unüberwindliche Hürde darstellt. Beispielsweise vermarkten internationale Großunternehmen auf diese Weise Standardsoftware- oder Kommunikationshardware. Ein anderes Beispiel sind Modeprodukte mit ihrem kurzen Lebenszyklus. Für Innovatoren mit beschränkten Ressourcen ist ein schrittweises Vorgehen (Wasserfallstrategie, eventuell kombiniert mit partieller Sprinklerstrategie für einige wenige Märkte) dagegen eher angezeigt, da so Erfahrungen in einem Markt gesammelt und dort Einnahmen generiert werden können, ehe ein weiterer Markt in Angriff genommen wird. <?page no="45"?> 44 4 Marktstrategien für Innovationen Auch der Innovationsvermarktungsprozess selbst kann zeitlich unterschiedlich ablaufen. Er findet entweder kompakt mit einer Konzentration aller Maßnahmen, speziell der Kommunikation, innerhalb einer kurzen Zeitspanne statt, oder er ist ausgedehnt über längere Zeit, etwa mit Vorankündigungen, Testverkäufen und Sammlung von Kundenerfahrungen. Bestimmend hierfür sind Machbarkeitsinklusive Finanzierungsüberlegungen, aber auch Marktreaktionsgeschwindigkeiten von Kunden und von Konkurrenten. So wird der Zeitraum, in der ein Innovationsvorteil existiert, durch den Wettlauf von Wettbewerbern um Markteinführungszeitpunkte, wie z.B. häufig in der Waschmittelindustrie, reduziert und eine Verkürzung auch des Vermarktungsprozesses erzwungen (vgl. Wentz, 2008, S. 5ff. und 68ff.). 44..3 3..33 AAr rt t ddeess MMa ar rk kt taauufft tr ri it tt ts s Die Art des Marktauftritts bezieht sich auf formale Aspekte der Beeinflussung von Marktteilnehmern. So bedingt in der Regel jeder Marktauftritt eine Konfrontation mit Wettbewerbern, das Drängen potenzieller Kunden zu einem Kaufabschluss und häufig auch eine Beeinflussung potentieller Partner, z.B. der Distributionsmittler. Das innovierende Unternehmen muss also zum einen grundsätzlich entscheiden, wie es mit potenziellen Nachahmern und Unternehmen, die ähnliche bzw. substitutive Produkte anbieten, umgehen will. Es kommen mehr oder minder aggressive bzw. defensive Verhaltensweisen in Betracht, die von der Art der Innovation und der Stellung des Innovators am Markt abhängen. So kann ein zurückhaltender Marktauftritt, etwa mit rational ausgerichteter Kommunikation und weniger starkem Druck oder geringer Dominanz des Preises, erfolgen; auch mag die Marktabdeckung beschränkt sein. Demgegenüber stehen (wettbewerbs)aggressive Kommunikation, z.B. mit vergleichender Werbung oder besonderer Herausstellung von Preisvorteilen, intensive Reaktion auf Konkurrenzmaßnahmen bis hin zu rechtlichen Auseinandersetzungen, Abdeckung zahlreicher Märkte oder sogar globale Innovationspräsenz. Tendenziell kommt der zuvor genannten Sprinklerstrategie aus dieser Sicht ein höherer Aggressivitätsgrad zu als einer Wasserfallstrategie mit Markteinführungen über einen längeren Zeitraum. <?page no="46"?> 4.3 Marktverhalten 45 Zum anderen ist über den grundsätzlichen Umgang mit Abnehmern zu entscheiden. Es geht hier um den Aufbau von mehr oder minder starkem Verkaufsdruck. So kann auch das Verhalten gegenüber potenziellen Kunden eher bedächtig als drängend sein, etwa durch vorsichtige Überzeugungsarbeit. Man würde dann zum Beispiel auf hohen Werbedruck wie häufig bei der Einführung von Konsumgüterneuheiten durch große Unternehmen verzichten. Die Gestaltung der Marketinginstrumente, neben der Kommunikationsinsbesondere die Preispolitik, ist also auch hier wieder entscheidend. Gleiches gilt für zu gewinnende Partner und die dabei einzusetzenden Maßnahmen wie die Attraktivität bzw. Vorteilhaftigkeit von Verträgen. Es gibt einige grundlegende Marktstrategien die als Ausgangspunkt für den Einsatz von Marketinginstrumenten einen groben Handlungsrahmen auch für das Innovationsmarketing aufspannen. Hierzu gehören die Marktfestlegung, die Art des Marktzutritts, Prinzipien des Marktverhaltens. Die Marktfestlegung beruht auf der Segmentierung von Märkten entlang der Dimensionen Gebiete, Zielgruppen, Angebote. Durch Heranziehung verschiedener Kriterien ergibt sich eine große Zahl von Auswahlmöglichkeiten, die entsprechend der Situation des Innovators als Märkte für innovative Angebote definiert werden können. Der Marktzutritt kann aus eigener Kraft einschließlich der Möglichkeit von Akquisitionen und Fusionen erfolgen oder durch verschiedene Formen der Lizenzvergabe und anderer Kooperationsformen wie der Gründung von Joint Ventures. Das Verhalten am Markt ist durch die Wahl der Angebotsausrichtung auf Kosten/ Preise oder Qualität und die daraus folgende Positionierung der Innovation und des Innovators geprägt. Außerdem spielen Fragen des zeitlichen Markteintritts und der Aggressivität des Marktauftritts eine Rolle. <?page no="47"?> 46 4 Marktstrategien für Innovationen FFrraaggeenn 1. Welche Vor- und Nachteile haben wenige/ kleine geographische Segmente für Innovatoren? 2. Welche Kriterien spielen für die weitere Segmentierung von Zielgruppen im Innovationskontext eine Rolle? 3. Warum sollte das Angebot bei der Marktfestlegung simultan berücksichtigt werden? 4. Was sind Hidden Champions und globale Nischen? 5. Welche Innovationssituationen sprechen für eigenständigen bzw. koope rativen Markteintritt? 6. Welche Rolle spielen Formen der Lizenzvergabe für das Innovationsmarketin g? 7. Was sind Joint Ventures und welche Überlegungen sind anzustellen, wenn sie von Innovatoren für den Markteintritt erwogen werden? 8. Welche grundle genden Entscheidungen bestimmen die Produkt- und Unternehmenspositionierung? 9. Welches sind innovationsrelevante Vor- und Nachteile von Wasserfall- und Sprinklerstrategie? 10. Woran kann man defensives Marktverhalten von Innovatoren erkennen? <?page no="48"?> 55 MMaarrkke ettiinnggiinnssttr ruummeenntte e ffüürr IInnnnoovvaattiioonneenn Die klassischen Marketinginstrumente gehen auf McCarthy’s viel diskutierte Einteilung von Marketingaktivitäten in die „vier P’s“, Product (Leistungspolitik), Price (Entgelt- und Vertragspolitik), Promotion (Kommunikationspolitik) und Place (Distributionspolitik), zurück (vgl. u.a. Waterschoot/ Bulte, 1992, S. 83ff.). Zwar können andere Instrumente formuliert und die Abgrenzungen verschoben werden, dennoch lässt sich diese Klassifikation als Grundlage für die Darstellung der Instrumente des Innovationsmarketing heranziehen. 55..11 LLe ei isst tu unng gssp po olli ittiis scch he e IInnn noovva atti ioonnssi innssttr ruum me en nttee Die Leistungspolitik umfasst eine größere Zahl von Entscheidungen zur Marktbearbeitung und kann als zentrales Instrument, das besonders eng mit strategischen Marktentscheidungen verbunden ist, angesehen werden. Einige Fragen mit spezieller Innovationsrelevanz werden im Folgenden ausgewählt: Ausdifferenzierung der Kerninnovation und Kundenausrichtung, Qualität von Kerninnovationen und Zusatzleistungen, Innovationsmarkierung und -schutz. 55..11..11 AAuussddiiffffeerreennzziieerruunngg ddeerr KKeerrnniinnnnoovvaattiioonn uunndd KKuunn-ddeennaauussrriicchhttuunngg Jede Innovation besteht in einer innovativen Idee oder auch aus mehreren Inventionen. Diese können bereits mehr oder minder konkret und anwendungsnah sein. Allerdings erfordert die Innovationsvermarktung in der Regel ein ausdifferenziertes Angebot, das die Kernneuerung(en) in ein marktfähiges Produkt-Dienstleistungs- Programm einbindet. Die hierzu notwendigen weiteren Angebotsbestandteile können ebenfalls innovativ oder aber bereits bekannt bzw. erprobt sein. So lässt sich eine innovative Antriebstechnik, etwa neuartiger Elektroantrieb beim Auto, mit eingeführten klassischen Fahrzeugbestandteilen, im Falle des Autos beispielsweise sonstige Techni- <?page no="49"?> 48 5 Marketinginstrumente für Innovationen kausstattung, Aufbau, Innenausstattung, zu einem insgesamt neuartigen Fahrzeugangebot kombinieren. Die Ausdifferenzierung kann sogar weitergehen, wenn im Beispiel zahlreiche Modelle mit der neuen Antriebstechnik ausgerüstet werden, so dass sich eine ganze Modellpalette, ein Sortiment mit jeweils dem gleichen innovativen Element in jedem Sortimentsbestandteil ergibt. Des Weiteren sind (leichte) Abwandlungen der Innovation möglich, die ebenfalls zu einem Sortiment führen, im Beispiel also etwa Autos mit unterschiedlicher Motorleistung des neuen Antriebs. Die Ausdifferenzierung der Kerninnovation besteht daher entweder in der Anreicherung durch zusätzliche Elemente und/ oder in der Variation zur Erzielung einer Variantenvielfalt. Sie ist notwendig, um überhaupt ein vermarktbares, ein besser vermarktbares oder ein für unterschiedliche Zielgruppen vermarktbares Angebot zu konzipieren. Die Bedeutung dieser Aufgabe ist umso größer, je weiter die Innovation von einem vollständigen Marktangebot entfernt ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es bei der Innovation nur um einen Bestandteil eines Produktes geht. Das hängt allerdings von den definierten Kunden bzw. der Distributionsstruktur ab. So ist bei gewerblichen Kunden, im zuvor angeführten Beispiel beim Absatz der Antriebsaggregate an die Industrie, anders als beim Endabsatz an Konsumenten manchmal nur eine geringe Anreicherung der Kerninnovation notwendig. Dennoch spielen auch hier zunehmend (innovative) industrielle Dienstleistungen als Zusatzleistungen oder gleichberechtigte Hauptleistungen eine wichtige Rolle (vgl. u.a. Müller/ Posselt, 2007, S. 127ff.). Im Hintergrund der Ausdifferenzierung mit dem Ergebnis eines vermarktbaren Angebots müssen Nutzung und Nutzenkriterien bei potenziellen Kunden stehen. Das gilt selbst dann, wenn andere Marktgesichtspunkte wie Änderungen des Makro-Umfeldes oder Konkurrenzaktivitäten die Innovation veranlasst haben. Die innovativen Angebotsbestandteile können sich auf erkennbare Marktbedürfnisse beziehen. Unternehmen versuchen in diesem Fall, Kundenwünsche durch Innovationen zu erfüllen; das Nutzenpotential ist also vorgegeben. Allerdings können die vorhandenen Bedürfnisse mehr oder weniger konkret ausgeprägt sein; eventuell sind sie nur unbewusst, also latent vorhanden. Daher können die innovativen Bestandteile und ihre Einbettung in ein Gesamtange- <?page no="50"?> 5.1 Leistungspolitische Innovationsinstrumente 49 bot durchaus den wirklichen Bedarf verfehlen. Zudem besteht das Risiko, dass die Bedarfsfeststellung nicht repräsentativ erfolgt ist und die tatsächliche Nachfrage gering bleibt. Insbesondere aber können sich Markt und Kundenbedürfnisse während der Entwicklung des Innovationsvorhabens bis zur Marktreife verändert haben, etwa durch Konkurrenzaktivitäten oder sonstige Variable, welche die Nachfrage beeinflussen. Den beschriebenen marktinduzierten Innovationen (market pull) stehen die technologiegetriebenen Innovationen (technology push) gegenüber, deren Entstehungsgrund weniger die Marktsituation, sondern der technische Fortschritt sowie unternehmerische Forschung und Entwicklung sind (vgl. u.a. Trommsdorff/ Steinhoff, 2013, S. 25ff.). Das gilt besonders für bahnbrechende Neuerungen. In diesem Fall sind ex-post Kundenprobleme, die durch die Innovation gelöst werden sollen, und entsprechend Nutzendimensionen zu definieren. Je einfacher zugänglich, offensichtlicher und leichter kommunizierbar der neue Nutzen ist, desto eher ist ein Vermarktungserfolg zu erwarten. Als Beispiel sei die Einführung von Digitalkameras genannt, deren Vorteile für „Normal“-Konsumenten evident waren. Wenn neue Kundenwünsche erst nach der Erfindung eines Produkts generiert werden, widerspricht dieses Vorgehen im Grunde dem Marketingprinzip der marktorientierten Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten; dennoch ist der Technologiepush üblich, schon weil durchaus auch zufällig oder begleitend Erfindungen zustande kommen. Es ist aber umso sorgfältiger und rechtzeitig zu prüfen, ob tatsächlich eine Vermarktungsmöglichkeit besteht, die Innovation also wirklich auf von Kunden wahrgenommene Nutzendimensionen trifft oder solche durch Einsatz von Marketinginstrumenten hervorgerufen werden können. Im Zweifel kann die Vermarktung noch abgebrochen werden, ehe hohe Weiterentwicklungs- und Vermarktungsinvestitionen getätigt werden. Eine Integration von Kunden bereits in frühe Phasen des Innovationsprozesses ist das Mittel der Wahl, um Möglichkeiten der Anpassung an Bedürfnisse bzw. der Schaffung bewusster Bedürfnissen zu erkennen und die Kerninnovation und ihre zusätzlichen Elemente daran auszurichten (vgl. z.B. Reichwald u.a., 2007). Zur realistischen Heranführung potenzieller Kunden an die Innnovati- <?page no="51"?> 50 5 Marketinginstrumente für Innovationen on, um also eine Vorstellung von dieser zu vermitteln und erste Kundenbeurteilungen ableiten zu können, spielen Modelle und Prototypen eine große Rolle (vgl. z.B. Stamm 2008, S. 183ff.), etwa Konzeptfahrzeuge oder virtuelle Modelle in der Automobilindustrie. Kunden können zu möglichen Neuerungen befragt werden, um Einschätzungen über die grundsätzliche Markteignung zu gewinnen und in einem späteren Stadium des Innovationsprozesses die besten Realisierungsvarianten für ein ausdifferenziertes Angebot festzustellen. Im Übrigen ist selbst für die Ideengenerierung, also den ersten Innovationsschritt, die Kundenintegration hilfreich, etwa zur Beurteilung bestehender Angebote und ihrer von Nutzern wahrgenommenen Mängel. So setzt Henkel bei Konsumgütern auf Hausbesuche in aller Welt, um Innovationspotenziale zu entdecken (vgl. Müller-Kirschbaum/ Wuhrmann/ Burkhart, 2009, S. 24ff.). In der letzten Phase vor der generellen Markteinführung sind weitergehende Untersuchungen wie Pilotverkäufe und Testmärkte angezeigt. Neben den Kunden sind natürlich auch andere Informationsquellen für die Innovationsvermarktung von Bedeutung, speziell Experten, Konkurrenz, Marktpartner und zahlreiche Sekundärstatistiken. 55..1 1..22 QQu ua alli ittäät t vvoon n KKeerrn ni in nn no ov vaat tiio onn uun ndd ZZu us saat tzzlleeiisst tuun ng geenn Qualität kann als die Gesamtheit aller Eigenschaften (Ausprägungen auf relevanten Kriterien) von physischen Produkten und Dienstleistungen und damit als Kern jeden Angebots verstanden werden. Eine besondere Rolle spielt sie in der Qualitätsführerschaftsstrategie (vgl. 4.3.1). Sie kann aus mehreren Blickrichtungen erfasst bzw. beurteilt werden, im Marketing ist die Wahrnehmung durch (potenzielle) Kunden ausschlaggebend. Diese wird regelmäßig von den Einschätzungen der Anbieter oder der Experten wie Ingenieuren abweichen. Innovationen können von Kunden, sofern sie keine Experten sind, noch weniger eindeutig hinsichtlich ihrer Qualitätsdimensionen beurteilt werden als andere Angebote. Das ergibt sich aus dem Confirmation-Disconfirmation (C-D) Paradigma der Kundenzufriedenheit, nach dem Erwartungen an eine Leistung mit Erfahrungen mit einer Leistung verglichen werden, und erstere erfüllt (Zufriedenheit), untererfüllt (Unzufriedenheit) oder übererfüllt <?page no="52"?> 5.1 Leistungspolitische Innovationsinstrumente 51 werden (Begeisterung). Dieser Vergleich kann sich auf die Qualität der Gesamtleistung, etwa ein Produkt, oder Qualitäts-Teilaspekte, etwa Haltbarkeit, beziehen und ist in zweifacher Weise eindeutig subjektiver Natur. Sowohl die Erwartungen als auch die Erfahrungen beruhen auf individueller Interpretation von Informationen und Wahrnehmungen (vgl. hierzu und zum Folgenden Abbildung 8). Abbildung 8: Qualitätswahrnehmung und -zufriedenheit von (potenziellen) Innovationskunden Die Informationen, die zur Erwartungsbildung beitragen, ergeben sich aus der Informationssuche (Screening), die gezielt oder mehr zufälliger Art ist. Dazu gehören neutrale Quellen, Konkurrenzangebote, aber auch Hinweise des Anbieters, insbesondere solche, die bestimmte quasi-objektive Qualitätsaspekte herausstellen (Signalling). Auch die wahrgenommenen - eigenen und/ oder fremden - Qualitätserfahrungen werden durch derartige Signale beeinflusst, speziell wenn sie das Anspruchsniveau und den individuellen Beurteilungsprozesses verändern. Wenn es um Qualitätseigenschaften geht, die sich schwer oder gar nicht in ihrer Wirkung einschätzen <?page no="53"?> 52 5 Marketinginstrumente für Innovationen lassen, muss Erfahrung durch Vertrauen ersetzt werden (Vertrauenseigenschaften, etwa ökologische Qualität eines Konsumguts). Bei Innovationen fallen gegenüber eingeführten Angeboten für den Kunden zahlreiche Informationsmöglichkeiten weg; er kann beispielsweise nicht oder nur in geringerem Umfang auf Informationen aus seinem sozialen Umfeld zurückgreifen, hat keine eigenen Erfahrungen mit der Innovation selbst, verfügt u.U. nicht über relevante Beurteilungskriterien, hat vielleicht sogar Anwendungs- oder Handhabungsprobleme. Das gilt insbesondere dann, wenn er in einem frühen Stadium der Marktverfügbarkeit der Innovation kauft. Andererseits sind noch keine eingefahrenen Denk- und Beurteilungsmuster ausgeprägt, und im besten Fall ist eine generelle Offenheit für die Neuerung vorhanden. Aus allen diesen Punkten folgt die Bedeutung des Einsatzes von Qualitätssignalen durch den Anbieter. So vermag er sowohl Erwartungen als auch die spätere tatsächliche Qualitätserfahrung zu steuern. Das gilt in abgeschwächter Form und analog selbst gegenüber gewerblichen Abnehmern. Als innovationsspezifische Qualitätssignale kommen je nach Angebotsinhalt zahlreiche Möglichkeiten in Betracht. So sind Verweise auf Einsatzstoffe, Technologien, Verfahrensschritte und andere technisch orientierte Besonderheiten möglich. Insbesondere ist aber die Herausstellung von neuartigen Nutzendimensionen wie Problemlösungen, Einsatzfelder, Haltbarkeit, Handhabbarkeit, Verträglichkeit usw. wichtig. Während alle derartige Aussagen jedoch als werbliche Übertreibungen und unbewiesene Werbeaussagen verstanden werden können, gibt es auch noch stärker objektivierte Qualitätssignale. Hierzu gehören im Innovationskontext insbesondere Referenzen. Das setzt jedoch voraus, dass es erste Anwender gibt, die zur Abgabe solcher Referenzen bereit sind und die auf Vertrauen bei potenziellen Kunden stoßen. Daher sehen sich hier gerade Unternehmensgründer vor einer hohen Barriere; denn der Erfolg des Markteintritts hängt gerade für unbekannte Innovatoren von solchen Qualitätssignalen ab. Ein weiteres Qualitätssignal, das für viele Angebote sogar eine Voraussetzung für den Marktzugang ist, sind Prüfsiegel, Atteste, Akkreditierungen, Zertifizierungen usw. Patente bzw. Patentanmeldungen sind ebenfalls zu nennen, da durch sie speziell der Innovationscharakter bestätigt wird. Etablier- <?page no="54"?> 5.1 Leistungspolitische Innovationsinstrumente 53 te Unternehmen haben es mit der Innovationsvermarktung einfacher, da sie ihren renommierte Namen bzw. eingeführte Marken als Qualitätssignale verwenden können. Auch Auszeichnungen, die Unternehmen erhalten haben, zum Beispiel bei Innovations- und Gründungswettbewerben, können hilfreich sein. Im Marketing wird in diesem Kontext auch die Relevanz von Herkunftsbezeichnungen, speziell „made in …“ diskutiert (vgl. z.B. Verlegh/ Steenkamp, 1999). Trotz globalisierter Produktion und länderübergreifender Technologieverfügbarkeit erfüllen sie bei manchen Produkten, in bestimmten Kaufsituationen und für gewisse Zielgruppen/ Länder die Funktion eines Qualitätsmerkmals. Obwohl in einer frühen Vermarktungsphase von Innovationen die Neuerung als solche im Vordergrund steht und oft auch noch nicht an eine internationale Vermarktung gedacht wird, kann der Verweis auf die (deutsche) Herkunft (z.B. „das Ergebnis deutscher Ingenieurskunst“) image- und vertrauensfördernd sein. Das spielt selbst im Inland eine Rolle, da es durchaus ein „Not-invented-here- Syndrom“ und damit eine Geringschätzung von Innovationen aus anderen Ländern durch manche Kunden geben kann. Hier ergibt sich eine Analogie zur Ablehnung externen Wissens aus anderen Ländern/ Unternehmen/ Abteilungen durch Innovatoren selbst (vgl. Cohen, W. M./ Levinthal, D.A., 1990). Zusatzleistungen, die in der Regel als Kundendienstleistungen vor und nach dem Kauf in Betracht kommen, können für Innovationen ebenfalls als Qualitätsdimensionen eine Rolle spielen, unabhängig davon, ob es sich um innovative Formen oder klassische Angebote im Rahmen der Ausdifferenzierung der Kernleistung handelt. Bestimmte Zusatzleistungen sind obligatorisch, da aus technischen oder gesetzlichen Gründen unabdingbar, etwa Gewährleistungspflichten. Andere Leistungen sind branchenüblich und daher zwar nicht obligatorisch, aber kaum zu umgehen, möglicherweise bestimmte Lieferungs- und Zahlungsbedingungen. Am interessantesten dürften für Innovatoren daher innovative oder zumindest normalerweise nicht gebotene Zusatzleistungen sein, die unter Umständen sogar ein Hauptmotiv für Kunden sein können, die Kerninnovation zu nutzen. Das sind etwa besondere Finanzierungs- oder andere Kontraktangebote für den Kunden (vgl. hierzu 5.2.3). Auch spezielle Rücknahme- oder Garantieangebote, Wartungsverpflichtungen, umfassende testweise Nutzung usw. können <?page no="55"?> 54 5 Marketinginstrumente für Innovationen das Kaufrisiko vermindern und zum Vertrauensaufbau beitragen. Denn innovative Angebote, insbesondere von neuen Anbietern, sind zwangsläufig mit höherem wahrgenommenem Risiko seitens potenzieller Kunden verbunden, so dass sowohl Qualitätssignale im Sinne der Bereitschaft zur Gewährung ungewöhnlicher Zusatzleistungen als auch Zusatzleistungen, die direkt zur Verminderung des Kaufrisikos beitragen, zentrale Bestandteile der Innovationsvermarktung sein sollten. 55..1 1..33 IInnnnoovvaattio onnssmmaarrkkiieerruunngg uunndd --sscchhuuttzz Die Markierung von Angeboten dient der Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen, um sie von anderen, insbesondere konkurrierenden Angeboten abzuheben. Auf diese Weise prägen sie sich Nachfragern auch besser ein, und Unternehmen können mit ihnen als Kommunikationsobjekte arbeiten. Die Markierung besteht primär in der Namensgebung für das Angebot und/ oder Teilangebote. Infrage kommen Wortmarke, Abkürzung, Logo u.a., aber auch Farbgebung, Design, Verpackung etc. können Produkte von anderen abgrenzen (vgl. allgemein zu Marke und Markenführung u.a. Baumgarth, 2008a, S. 129ff.). Bei Innovationen treten Markenüberlegungen in frühen Phasen häufig in den Hintergrund, weil es zunächst um die Durchsetzung der technologischen oder sonstigen Besonderheiten geht. Zudem birgt eine Verwendung von eingeführten Namen (Unternehmensname oder Dach-/ Familienmarke) das Risiko negativen Imagetransfers in sich, falls die Markteinführung nicht erfolgreich ist. Andererseits bedeutet ein frühzeitiger Hinweis auf eingeführte Namen auch ein Qualitätssignal durch ein bereits aufgebautes positives Image und damit eine eventuelle Erleichterung der Markteinführung. Ein Beispiel ist die Kampagne „Volkswagen - Das Auto“ für die Einführung neuer Modelle. Auf jeden Fall sollte von Anfang an daran gedacht werden, wie eine Innovation im Marktauftritt unverwechselbar und wiedererkennbar wird, und dazu gehören nicht allein die Innovationsinhalte, sondern wesentlich formale Aspekte rund um die Markierung. Besondere Bedeutung erlangt diese Perspektive bei großen Märkten, anonymen Zielgruppen und hoher Konkurrenzintensität. Die formale Innovations-Individualisierung ist bei Nutzung von Formbzw. <?page no="56"?> 5.1 Leistungspolitische Innovationsinstrumente 55 Designelementen bereits bei der Entwicklung zu berücksichtigen, wobei der Übergang zu Kern-Innovationsinhalten durchaus fließend sein kann. Ein Beispiel hierfür sind die abgerundeten Ecken und andere Designelemente bei elektronischen Konsumgütern, die im Mittelpunkt von rechtlichen Auseinandersetzungen standen (Apple versus Samsung). Eine besondere Problematik ergibt sich, wenn die Innovation als Bestandteil in ein anderes Produkt eingeht und nicht als selbständiges Angebot vom Endnutzer wahrgenommen wird. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob ein Ingredient Branding erreicht werden kann, bei dem am Endprodukt auf die innovative Komponente verwiesen wird, damit die Innovation eine allgemeine Sichtbarkeit behält. Das Standardbeispiel hierfür ist „Intel Inside“ (vgl. u.a. Pförtsch/ Müller, 2006, S. 15ff.). Markierung steht schon im Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten. Die Marke ist schutzfähig, und dieses Recht hat den Vorteil der Verlängerbarkeit und damit im Prinzip zeitlich unbefristeten Geltung. Die Etablierung eines Markenrechtsschutzes, zumal im internationalen Kontext, kann durchaus komplex sein und führt manchmal zu Rechtsstreitigkeiten. Auch verhindert sie nicht Markenpiraterie, fordert sie im Zweifel bei besonders erfolgreichen Marken erst heraus. Dennoch ist dieses Schutzrecht wie das Copyright geeignet, Innovationen bei ihrem Marktauftritt bis zu einem gewissen Grade vor Ausbeutung durch andere zu schützen. Das im Zusammenhang mit Innovationen am häufigsten diskutierte gewerbliche Schutzrecht ist das Patentrecht (vgl. u.a. Trommsdorff/ Steinhoff, 2013, S. 176ff.). Hierdurch werden speziell technologische Wettbewerbsvorteile, also Kernaspekte von Innovationen, geschützt. Die Zahl der Patentanmeldungen wird sogar häufig als Indikator für die Innovationskraft eines Landes herangezogen. Allerdings ist gerade das Patentrecht ein komplexes Rechtsgebiet, speziell wenn es im internationalen Rahmen betrachtet wird. Das reicht von der Frage der Patentierfähigkeit über Langwierigkeit und Kosten des Patenterteilungsverfahrens bis hin zur Verfolgung von Patentrechtsverletzungen und die zeitliche Limitierung des Patentschutzes. Das Patent verschafft dem Innovator eine begrenzte Monopolsituation, die ihn vor direkter Konkurrenz in Form von Nachahmung <?page no="57"?> 56 5 Marketinginstrumente für Innovationen schützt und ihm den Aufbau eines eigenen Kundenstammes ermöglicht. Im besten Falle lässt sich sogar eine Technologieführerschaft durch Setzung von Industrie-/ Branchenstandards etablieren. Darüber hinaus bedeutet es eine Vertrauen schaffende offizielle Anerkennung des echten Innovationscharakters eines Marktangebots. Der letztgenannte Aspekt hat daher eine vergleichbare Reputationswirkung wie die Nutzung einer eingeführten Marke. Zudem eröffnen sich die zuvor genannten Möglichkeiten des Patentverkaufs und der patentbasierten Lizenzierung (vgl. 4.2.2). In manchen Branchen wie der Telekommunikation mit einer großen Zahl von Patenten auf Komponenten eines Produkts hat sich der Konkurrenzkampf zu großen Teilen auf die Ebene des Aufbaus von Patentportfolios verlagert. Das innovierende Unternehmen muss daher im Hinblick auf gewerbliche Schutzrechte, speziell Patentanmeldungen, Vor- und Nachteile der Schutzrechtsanmeldung abwägen und außerdem den Zeitpunkt der Anmeldung sowie die geographische Erstreckung festlegen. Zunächst ist zu entscheiden, ob das Schutzrecht überhaupt erlangt werden kann. So fordert das deutsche Patent- und Gebrauchsmusterrecht als materielle Voraussetzungen Neuheitseigenschaft, ausreichende Erfindungshöhe und gewerbliche Anwendbarkeit. Ist kein Schutz möglich, ist zu klären, durch welche sonstige Maßnahmen (Geheimhaltungsvereinbarungen, Erhöhung der Innovationskomplexität, Nutzung von eigenen wettbewerblichen Einflussmöglichkeiten usw.) unternehmensindividuelle Schutzvorkehrungen aufgebaut werden können. Ist Schutzfähigkeit gegeben, kann eine Inanspruchnahme der gesetzlichen Möglichkeiten erfolgen oder nicht, wobei diese Entscheidung für verschiedene geographische Gebiete unterschiedlich getroffen werden kann. Grundlage muss eine Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile im Lichte der Marktstrategien (beispielsweise Stützung auf eigene Ressourcen oder Aufbau von Kooperationen; vgl. Abschnitt 4.2) und der angestrebten Ziele sein. Im Einzelnen ist insbesondere die zeitliche Vorgehensweise zu determinieren. Da die Patentanmeldung mit der Offenlegung entsprechenden Wissens verbunden ist, kann eine Anmeldung in frühem Stadium, das heißt vor Beginn erster Maßnahmen zum Markteintritt, unter Umständen Konkurrenten zu Gegenaktivitäten motivieren. Dadurch wird die spätere Ausdifferenzierung der Angebotsleistung eingeschränkt und viel- <?page no="58"?> 5.2 Entgelt- und vertragspolitische Innovationsinstrumente 57 leicht sogar eine Marktbearbeitung ohne ausreichende Vorlaufzeit erzwungen. Andererseits kann eine schnelle Anmeldung eine Gegenmaßnahme zur Blockierung von Konkurrenten sein und Patentwettläufe vermeiden helfen. Letztlich werden die bestehende oder erreichbare Marktmacht des innovierenden Unternehmens und seine Ressourcen ausschlaggebende Bestimmungsgründe für eher aggressive oder defensive Patentpolitik sein. 55..22 EEnnt tgge el ltt-uun ndd vve er rttr ra aggs sp pool liitti isscchhe e IInnn noovva atti ioonnssi inn- ssttrruummeennt tee Preispolitik ist innerhalb der vier Marketinginstrumentalbereiche insofern abweichender Natur, weil Preisentscheidungen auf jeden Fall unmittelbare Auswirkungen auf den Unternehmensgewinn haben, da die Preiskomponente Teil der Gewinndefinition ist (Gewinn = Preis mal Absatzmenge minus Kosten), während die anderen Marketinginstrumente nur indirekt über die Absatzmenge (und die Einsatzkosten) den Gewinn beeinflussen (vgl. zu den Grundlagen der Preispolitik u.a. Homburg 2015, S. 657ff.). Preispolitik wird häufig zusammen mit vertragspolitischen Überlegungen abgehandelt, weil letztere unmittelbare preispolitische Auswirkungen haben. Da ihnen auch im Innovationskontext große Bedeutung zukommt, wird auf sie hier ebenfalls eingegangen. Zuvor wird aber erläutert, in welchem Kontext Preispolitik für das Innovationsmarketing überhaupt eine Rolle spielt und welche grundsätzlichen Preisniveauentscheidungen dabei zu treffen sind. Auf die Dynamik der Preispolitik wird ebenfalls in einem gesonderten Unterpunkt eingegangen. 55..22..1 1 PPrreeiisskkoonnt teexxtt uun ndd PPrre eiissnniiv veeaau u Preispolitik spielt im Innovationsmarketing in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Eine zentrale Frage, die im Folgenden im Mittelpunkt steht, betrifft die Preisfestsetzung für innovative Angebote in mehr oder weniger fortgeschrittenem Vermarktungsstadium. Eine andere preispolitische Problemstellung sind Preisfindung und Preisentscheidungen bei Verkäufen von Innovationen an andere Unternehmen sowie Preisvereinbarungen bei der Lizenzvergabe. <?page no="59"?> 58 5 Marketinginstrumente für Innovationen Im Einzelnen gibt es im Rahmen dieser preispolitischen Entscheidungsanlässe unterschiedliche Preissachverhalte. Dazu gehören Ober- und Untergrenzen von Preisen, Fixierung exakter Preise, Gewährung von Preisnachlässen, sonstige preisrelevante Vertragsbedingungen, Preisdifferenzierung und Preisbündelung, Preisverhandlungskonzepte, Preisbeurteilungen durch die Marktpartner sowie deren Preisreaktionskurven usw. Ein wesentlicher Tatbestand ist die Festlegung des Preisniveaus. Dabei geht es um die Entscheidung, welche Preiskategorie angezielt wird, beispielsweise niedrig-, mittel- oder hochpreisig. Sie wird u.a. durch die strategischen Überlegungen zu Inhalt und Art des Marktauftritts determiniert (vgl. 4.3.1 und 4.3.2). Für eine Zuordnung zu Preisniveaus bedarf es bestimmter Referenzangebote, und diese sind mit steigender Innovationshöhe immer weniger verfügbar. Daher müssen unter Umständen auch weniger oder nicht verwandte Leistungen, die vergleichbare allgemeine Nutzenversprechen erfüllen, zur Preisjustierung herangezogen werden. So kann für ein neuartiges Computerspiel die Preisspanne aller Computerspiele betrachtet werden oder für Bekleidung aus neuen Textilfasern, etwa Outdoor-Winteroberbekleidung, die Preisspanne existierender Bekleidungsangebote derselben Kategorie. Auf einer solchen Basis ist dann ein „Normalpreis“ als Referenzpunkt festzulegen. Da auch Kunden innovative Angebote nicht oder nicht ohne Weiteres mit anderen Marktangeboten vergleichen können und neue Nutzenwahrnehmungen hervorgerufen werden, sind innovationsbedingt sowohl Preisaufschläge als auch Preisabschläge im Vergleich zu einem fiktiven (mittleren) Normalpreis, der von den Abnehmern als Referenzmaßstab herangezogenen wird, denkbar (vgl. auch Abb. 9). Preisaufschläge lassen sich dann durchsetzen, wenn die zusätzlichen Nutzenwahrnehmungen sachlicher und/ oder emotionaler Art zu entsprechender Preisakzeptanz und Kaufbereitschaft führen. Der hohe Preis an sich kann dabei als Qualitätsindikator (siehe 5.1.2) oder als gesellschaftliches Statussymbol dienen. Beides dürfte z.B. bei der Hochpreispolitik von Apple-Produkten eine Rolle spielen. Preisabschläge sind notwendig, wenn die Nutzenwahrnehmung (noch) nicht ausreichend ausgeprägt ist bzw. die mit der Innovation verbundenen finanziellen, sozialen, Anwendungs- und sonstigen Risiken als hoch eingeschätzt werden. Häufig <?page no="60"?> 5.2 Entgelt- und vertragspolitische Innovationsinstrumente 59 werden positive und negative Einflüsse gleichzeitig auftreten, so dass im Rahmen einer Preissetzungsspanne zwischen fiktivem Höchst- und Niedrigpreis ein realistischer Kompromiss-Einführungspreis zu finden ist, der einen adäquaten Absatz verspricht. Es kommt also darauf an, eine Preis-Reaktionskurve für die in Frage stehende Innovation zu schätzen. Diese ist allerdings noch schwerer als bei eingeführten Produkten zu ermitteln, da der Innovator auf keine oder keine direkt vergleichbaren Erfahrungswerte zurückgreifen kann und es noch stärker auf die eingesetzten bzw. einzusetzenden Marketingmaßnahmen zur Nutzenpropagierung und Kundenüberzeugung ankommt. Darum spielen bei innovativen Produkten, speziell im Konsumgüterbereich, neben Expertenurteilen Testverkäufe eine besondere Rolle für die Preissetzung (vgl. u.a. Simon/ Fassnacht, 2009, S. 109ff.). Die zentrale Herausforderung bei der Erhebung solcher Preisreaktionsinformationen ist eine adäquate Vermittlung der Innovation in Verbindung mit einer realistischen Kaufsituation. Bloße Fragen nach der Kaufbereitschaft bei bestimmten Preisen werden Käufer regelmäßig überfordern, da sie nicht nur von der realen Kaufsituation losgelöst sind, sondern bei Innovationen eine Darstellung des Angebots ohne tatsächliche Nutzung kaum zu verlässlichen Aussagen führt. Im Industriegüterbereich ist die Situation insofern einfacher als bestimmte technische Kennzahlen dem Fachmann die neuartige Leistung eindeutiger vermitteln können. Häufig ermöglichen allerdings auch hier erst tatsächlicher Einsatz, Belastungsvergleiche, Dauernutzung usw. eine vollständige Einschätzung der Innovation. Eine spezifische Komplexität der Preisniveauentscheidung ergibt sich bei der Einführung der Innovation in mehrere Märkte, insbesondere mehrere geographische Regionen. Da die ökonomischkulturellen Voraussetzungen unter Umständen stark differieren, kann es nötig werden, unterschiedliche Preisniveaus für einige oder alle Märkte festzulegen. So können sich z.B. Kaufkraft, Wettbewerbsverhältnisse, soziale Strukturen unterscheiden. Insbesondere ist auf innovationsbezogene Unterschiede zu achten, etwa Einsetzbarkeit der Innovation, Innovationsakzeptanz, Innovationsniveau des Landes, Innovationsförderung. Durch eine Differenzierung der Preise für dieselbe Innovation in verschiedenen Ländern lässt sich eine bessere Ausschöpfung des vorhandenen Kaufpotentials für die <?page no="61"?> 60 5 Marketinginstrumente für Innovationen Innovation erreichen, denn das Preisniveau, das in dem einen Markt zu zahlreichen Verkäufen führt, kann in einem anderen Markt für einen Großteil potenzieller Kunden inakzeptabel hoch sein. Die Preisdifferenzierung gelingt auf längere Sicht allerdings nur, wenn zwischen den preisniveaumäßig unterschiedlich behandelten Märkten Barrieren existieren, die den Austausch zwischen diesen in Form von „Arbitrage-Geschäften“ weitgehend verhindern. Anderenfalls würde es für Dritte lohnen, die Innovationen aus Niedrigpreismärkten in Hochpreismärkte, etwa in Form von Re-Exporten, zu transferieren. Dieses Problem tritt z.B. im Automobilmarkt wegen differierender Fabrikabgabepreise an die nationalen Händler auf. Um das zu verhindern, müssen die notwendigen Transaktionskosten für derartige Aktivitäten (Steuern, Zölle, Transport, Versicherung, staatliche Produktvorschriften usw.) bekannt sein, denn diese stellen natürliche Hemmnisse für solche Arbitrage-Geschäfte dar. Weitere darüber hinausgehende Barrieren können Vorkehrungen des innovierenden Unternehmens sein, z.B. eine entsprechende geschützte Distribution oder eine zur Preisdifferenzierung parallele (geringfügige) Produktdifferenzierung wie Designvarianten, die nur für einen Markt besondere Bedeutung haben. So sind viele Automodelle nicht global verfügbar. Eine ähnliche Problematik ergibt sich im Falle der Lizenzerteilung für mehrere Lizenznehmer, die unterschiedliche Märkte, z.B. auch wieder verschiedene geographische Regionen, abdecken. Wenn unterschiedliche preispolitische Vereinbarungen für die Lizenznehmer getroffen werden, müssen diese aus der Marktsituation begründet sein. So können bei der Bestimmung von Lizenzgebühren und sonstigen Preisfestlegungen die absolute Marktgröße, die Entwicklung des Marktes, das Marktpotential, die notwendigen Marktbearbeitungskosten usw. berücksichtigt werden. Dabei ist aus der Sicht der Lizenznehmer wie bei der Preisdifferenzierung im Falle der Eigenvermarktung die Trennung bzw. Abgrenzbarkeit der einzelnen Märkte von Bedeutung, da anderenfalls arbitrageähnliche Geschäftspraktiken zu ihren Lasten stattfinden können. Der Lizenzgeber sollte sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass er auf die Preis(niveau)gestaltung seiner Lizenznehmer nur bedingt Einfluss hat. Im Allgemeinen gilt das Verbot der Preisbin- <?page no="62"?> 5.2 Entgelt- und vertragspolitische Innovationsinstrumente 61 dung der zweiten Hand, wonach ein Unternehmer nur mit seinen direkten Kunden Preisvereinbarungen treffen kann, diese aber nicht in ihrer Preispolitik gegenüber ihren Kunden, häufig also den Endverbrauchern, binden darf. Damit gibt der Innovator die Preispolitik und deren Wirkpotential, beispielsweise auf das Image der Innovation, auf die Attraktivität des neuartigen Angebots, auf das eigene Gewinnpotential zugunsten risikoreduzierter Lizenzeinkünfte aus der Hand. Eine ganz andere Fragestellung ist die Preisforderung bei Veräußerung der Innovation bzw. des gesamten Unternehmens. Letztlich ist der subjektive Wert der Innovation für den Erwerber ausschlaggebend, den sich dieser beim Kauf der Innovation erhofft. Dabei spielen u.a. Synergie-, Wachstums-, Wissenszuwachs- und Konkurrenzverringerungseffekte eine Rolle. 55..22..22 DDyynnaam miisscchhee PPrreeiissppool liittiikk Preisfestlegungen sind wie alle anderen operativen Marketingentscheidungen nicht statisch, sondern erfordern laufende Anpassungen. Selbst für Preisniveaus können über die Zeit Veränderungen notwendig werden; bei einzelnen konkreten Preissetzungen ist das fast zwangsläufig der Fall. Grundsätzlich kann eine möglichst lange bzw. eine unbegrenzte Preiskonstanz angestrebt werden. Das gilt speziell für Hochpreise (Premiumstrategie) und für Niedrigpreise (Discountstrategie). Demgegenüber steht ein Vorgehen mit geplanter Preissenkung von einem hohen Einführungspreis aus (Skimmingstrategie) oder mit geplanter Preiserhöhung von einem niedrigen Einführungspreis aus (Penetrationsstrategie). Schließlich sind Sonderangebote mit temporären Preissenkungen denkbar (Promotionssstrategie). Mischformen zwischen den fünf genannten dynamischen Preiskonzepten sind möglich (vgl. zur dynamischen Preispolitik im Einzelnen u.a. Simon/ Fassnacht, 2009, S. 326ff.) Im Innovationskontext spielen insbesondere Skimmingstrategie und Penetrationsstrategie eine Rolle. Diese können sogar als spezifische Innovationspreisstrategien verstanden werden. Ausgehend von dem im vorangehenden Punkt diskutierten Einführungspreis, der eher einem hohen oder einem niedrigen Preisniveau entspricht, <?page no="63"?> 62 5 Marketinginstrumente für Innovationen ist dieser zu variieren, und zwar im erstgenannten Fall im Zeitablauf tendenziell nach unten, im zweiten Fall tendenziell nach oben. Bei beiden Ausgangslagen ist anzunehmen, dass bei erfolgreicher Markteinführung eine Annäherung an den „Normalpreis“ oder zumindest ein Einpendeln in die am Markt gegebene Preisspanne für vergleichbare Angebote erfolgt (vgl. Abbildung 9). Offensichtlich verfolgte Microsoft bei der Einführung des neuen Betriebssystems Windows 8 mit niedrigen Einführungspreisen eine Penetrationsstrategie. Abbildung 9: Innovations-Preispolitik Die Abschmelzung des innovationsbedingten Preisaufschlages bzw. Preisabschlages über die Zeit hängt insbesondere davon ab, ob das Angebot von den Nachfragern noch als innovativ angesehen wird oder ob es bereits zu einem „normalen“ Angebot geworden ist, das keine preislichen Besonderheiten rechtfertigt bzw. erfordert. Der Zeitraum, in dem das Angebot als Innovation wahrgenommen wird, hängt also primär von den Nachfragern ab, wird aber insgesamt von allen Marktbeteiligten determiniert, so von Wettbewerbern und ihren Nachahmerprodukten. Auch das innovierende Unternehmen selbst kann versuchen, den von Nachfragern wahrgenommenen Innovationszeitraum zu verlängern, z.B. durch Modi- Zeit Preis (P) Pauf (Penetration) Pab (Skimming) „Normalpreis“ / „Normalpreis“spanne Wahrnehmung als Innovation Wahrnehmung als „Normal“angebot Preisfestlegungsspanne Einführungspreis hoch Einführungspreis niedrig <?page no="64"?> 5.2 Entgelt- und vertragspolitische Innovationsinstrumente 63 fikationen der Kerninnovation, Zusatzleistungen, Aufbau eines Innovationsimages. Die Anpassung an mittlere Marktpreise wird bei Preissenkungen leichter sein als bei Preiserhöhungen, da die kommunikativen Begründungen im letzteren Fall schwieriger sein dürften und mit Kundenenttäuschung und -reaktanz gerechnet werden muss. Da gleichzeitig auch der Innovationsvorteil schwindet, ist zu prüfen, ob dieser Negativeffekt beim Kunden durch abnehmende Kaufrisiken, weitergehende zusätzliche Innovationselemente/ produktpolitische Maßnahmen und Kontraktgestaltung zu kompensieren ist. Der Innovator sieht sich bei den Preisentscheidungen im Zeitablauf einer Situation gegenüber, die in besonderer Weise durch schwer zu prognostizierende Subjektivität auf der Marktgegenseite geprägt ist. Nicht nur die Festsetzung der Preisfestlegungsspanne und konkreter Einführungspreise sowie die Verfolgung einer Skimming- oder Penetrationsstrategie stehen einer schwer zu ermittelnden Preisbereitschaft der Abnehmer gegenüber. Auch Innovationswahrnehmungszeitraum, sich anschließender „Normal“lebenszyklus, herangezogene Preis-Referenzobjekte sowie Änderungen von Preiserwartung und Preisakzeptanz im Zeitverlauf sind je nach (potenziellem) Kunden individuell unterschiedlich. Die in Abbildung 9 verwendeten Kurven sind daher auch nur idealisierte Beispiele; die progressive Preisreduktion vom Hochpreisniveau und die degressive Erhöhung vom Niedrigpreisniveau aus sind genauso fiktiv wie der konstante Normalpreis/ die konstante Normalpreisspanne. Realiter werden die Zusammenhänge komplexer sein, insbesondere stufenförmig bzw. irregulär verlaufen. Aus wirtschaftlicher Perspektive muss der Innovator auf Basis der Schätzung der Kundenreaktionen für ins Auge gefasste Preise die erzielbaren Deckungsbeiträge von Innovationen errechnen. Hierfür muss insbesondere eine genaue Kostenkalkulation herangezogen werden und eine Vorstellung zu Fixkostendeckung und Gewinnbeitrag im Zeitablauf vorhanden sein. <?page no="65"?> 64 5 Marketinginstrumente für Innovationen 55..2 2..33 KKoonnttrraakkttggeessttaallttuunngg In 5.1.2 ist bereits auf die Bedeutung von Zusatzleistungen in Form spezieller Kontraktgestaltung verwiesen worden. Diese kann ihrerseits innovativen Charakter aufweisen. Eine besondere Rolle spielt die Kontraktgestaltung zum einen für den Kauf von Innovationen mit Blick auf die Reduzierung von Unsicherheit. Diese Risiken sind finanzieller Natur, aber auch soziale Risiken wie unerwarteter Eintritt geänderter Lebensbedingungen oder Anerkennung durch soziale Klasse und Referenzgruppen, welche für den Käufer wichtig sind, können zum anderen bei der Kontraktgestaltung berücksichtigt werden. Zentrale Bedeutung haben in dieser Hinsicht alle Vertragsbedingungen, die ein Ausprobieren, eine Rückgabe, eine Rückvergütung, lange Garantiefristen beinhalten. Auf diese Weise ist der Kunde zumindest partiell gegen nicht antizipierte Probleme gesichert und kann auch noch nachträglich Meinungsänderungen vollziehen. Gerade bei unbekannten, ausländischen, kleinen Innovationsanbietern und Angeboten mit hohem Neuheitsgrad werden diese vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten eine besondere Rolle spielen. Allerdings wird eine derartige vertragliche Rückversicherung schwieriger, wenn es um langfristige Nutzung geht und möglicherweise Probleme mit der Innovation erst spät sichtbar werden. Eine weitere wesentliche Gruppe von Vertragsvereinbarungen sind Finanzierungshilfen in Form von Zahlungs- und Finanzierungsbedingungen, welche für die Liquiditätssituation des Käufers entlastend sind; denn gerade bei neuen und dem oberen Preissegment zugeordneten Innovationen, die vielleicht auch noch zusätzlich zu einem Bestand gekauft werden sollen oder eine vorzeitige Ersetzung anderer Produkte bedeuten, sind häufig Finanzierungsprobleme auf der Kundenseite zu erwarten. Hier sind auch Besonderheiten bestimmter Märkte zu berücksichtigen, etwa im Industriegütergeschäft auf ausländischen Märkten, in denen günstige Konditionen oft Kaufentscheidungen wesentlich beeinflussen. Es wird dann schnell notwendig werden, mit spezialisierten Finanzdienstleistern zusammenzuarbeiten. Es kommt also ganz wesentlich darauf an, durch kreative Kontraktgestaltung, welche die beiden vorgenannten Aspekte berücksichtigt, Innovationen erfolgreich auf Märkte zu bringen und insbe- <?page no="66"?> 5.2 Entgelt- und vertragspolitische Innovationsinstrumente 65 sondere Pilotanwender zu gewinnen. Dabei muss allerdings jeweils ein Ausgleich von Risiko und Finanzierungskosten zwischen den Marktpartnern erfolgen. Gerade kleinere und neue Unternehmen müssen bei der Vermarktung einer Innovation für sich selbst eine genaue Risikoabwägung vornehmen; denn eine Risikovermeidung für den Kunden bedeutet in der Regel eine Risikoverschiebung auf den Anbieter. Entsprechendes gilt für Finanzierungsangebote. Ein Beispiel einer für beide Seiten vorteilhaften Lösung können verschiedene Formen von „Betreiberkonzepten“ sein, bei denen der Kunde statt eines Kaufpreises unterschiedlich definierte leistungsabhängige Nutzungsentgelte zahlt, wie es auch beim Leasing der Fall ist. Beispielsweise bietet das Liechtensteiner Unternehmen Hilti (u.a. Werkzeugmaschinen, Befestigungstechnik) im Rahmen des Hilti Fleetmanagement statt Kauf die Nutzung gegen Gebühren an (vgl. hierzu und zu Betreibermodellen generell Wünsche, 2007, S. 308ff.). Eine spezifische Problemlösung ist die leistungsorientierte Preissetzung bei Anlagegütern (vgl. u.a. Hünerberg/ Hüttmann (2003), S. 717ff.). Bei einer solchen Kontraktgestaltung wird die Bezahlung der Leistung erst im Laufe der Zeit wirksam und durch Teilung von Zusatz-Erlösen, Zusatz-Gewinnen, Kosteneinsparungen, Effizienzsteigerungen, die sich beim Kunden durch den Einsatz des innovativen Gutes ergeben, erbracht. Im Einzelnen kann die Gestaltung eines solchen Konzepts vielgestaltig sein, nämlich mit Blick auf die verwendete Bezugsbasis und ihre Berechnung, auf den Anteil/ den Prozentsatz von dieser Bezugsbasis, der als Entgelt dient, die zu vereinbarende Dauer der Vertragslaufzeit, die Pflichten der beiden Vertragsseiten, etwa bezüglich Wartung und Reparaturen, etc. Betreiberkonzepte und speziell leistungsorientierte Bezahlung weisen für die Innovationsvermarktung große Attraktivität auf. Der Verkäufer signalisiert hohe Qualität und reduziert das Kaufrisiko in erheblichem Maße, da er für längere Zeit die Gefahr von Ausfall und Inadäquanz der Anlage übernimmt. Gleichzeitig tritt für den Kunden kein liquiditätsbelastender Finanzierungsbedarf auf, da die Bezahlung in die Zukunft verschoben ist und aus sonst nicht verfügbaren Erträgen dank der innovativen Verbesserung erfolgt. Es ist sogar eine Übertragung dieses Prinzips auf bestimmte höherwer- <?page no="67"?> 66 5 Marketinginstrumente für Innovationen tige Konsum-Gebrauchsgüter wie Heizungsanlagen, Automobile oder Wärmedämmung von Häusern vorstellbar. Allerdings ist leistungsorientierte Bezahlung für Innovationen sowohl für die Anbieterals auch für die Nachfragerseite durchaus kein einfaches Kontraktmodell; es erfordert eine Reihe von Vorkehrungen, damit es funktioniert. Der Innovator muss davon ausgehen können, dass sein Produkt dauerhaft funktioniert und existierenden Lösungen überlegen ist. Außerdem muss es für den infrage stehenden Anwendungsfall ausgelegt und adäquat sein. Die Verbesserungen sollten sich konkret und eindeutig ermitteln lassen und nur von der Produktanwendung abhängen. Die Einwirkungsmöglichkeit des Nutzers auf das erzielte Ergebnis darf nicht zu hoch sein; er muss willens und in der Lage sein, die Innovation sachgerecht einzusetzen und bis zum Ende der Vertragslaufzeit seine Verpflichtungen erfüllen können. Der Anwender bindet sich auf längere Zeit und verzichtet bis zu einem gewissen Grade auf zukünftige überlegene Innovationen. Zudem muss er auf die Leistungsfähigkeit des Anbieters vertrauen, was Wartung, Weiterentwicklungen, notwendige Anpassungen angeht. Gerade im Falle von noch wenig erprobten Neuerungen und kleinen Unternehmen als Innovationsanbietern ergeben sich aus diesen Blickwinkeln Probleme für beide Seiten. 55..33 KKoommmmu unni ikkaatti ioonnssp po olliit tiis scch he e IInnnno ovvaat tiio onnssi innssttrru u-mmeennttee Im Innovationsmarketing kommt Kommunikationspolitik als Marketinginstrument der Bekanntmachung und Überzeugung eine zentrale Rolle zu. Ihr richtiger Einsatz ist eine Voraussetzung für den Vermarktungserfolg. Kommunikationspolitik beinhaltet zahlreiche Entscheidungsprobleme von der Festlegung eines Kommunikationsbudgets über die Definition von Kommunikationszielgruppen bis zur Gestaltung von Kommunikationsmitteln (vgl. allgemein u.a. Meffert/ Burmann/ Kirchgeorg, 2015, S. 570ff., sowie die spezifischen Hinweise für Innovationen bei Hofbauer u.a., 2009, S. 141ff.) Im Innovationskontext soll im Folgenden insbesondere auf die Fragen der Verfolgung von Kommunikationszielen, <?page no="68"?> 5.3 Kommunikationspolitische Innovationsinstrumente 67 der heranziehbaren Kommunikationsformen und -inhalte sowie des Einsatzes von Medien eingegangen werden. 55..33..1 1 KKo ommm muunni ikkaat tiioonnsszziie ellee Im Zweifel trägt zwar der gemeinsame Einsatz aller Marketinginstrumente zur Erreichung der in Kapitel 3 genannten Marktziele für Innovationen bei, die Kommunikationspolitik dominiert jedoch die Realisierung der vor-ökonomischen Zielsetzungen. Im Einzelnen sollen Kommunikationsmaßnahmen - in Abstimmung mit den anderen Marketinginstrumenten - spezifische Kommunikationszielsetzungen erfüllen, die als Unterziele der genannten generellen Marktzielsetzungen zu verstehen sind. Diese sind insbesondere auf die zu erreichenden Zielgruppen auszurichten (vgl. u.a. Plankert, 2010, S. 112ff.). Es geht nicht nur um die Erreichung von potenziellen Kunden, sondern auch um die Beeinflussung von Individuen, Personengruppen und Institutionen, die für die Entwicklung und Durchsetzung der Innovation von Bedeutung sind, zum Beispiel Lieferanten, Partner, Kapitalgeber, Meinungsführer im öffentlichen Raum. Mit diesen kann als Beteiligten bei der Innovationserstellung kommuniziert werden, aber auch im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Innovationsvermarktung, etwa als Referenzgeber oder Partner bei kooperativen Kommunikationsformen. Da es im Innovationsmarketing um die externe Vermarktung geht, wird nicht auf die durchaus schwierigen unternehmensinternen Kommunikationsnotwendigkeiten zwischen den Beteiligten (Einzelpersonen, Abteilungen) bei Initiierung und Entwicklung der Innovation eingegangen. Bei der Betrachtung von Kommunikationszielsetzungen sind - ähnlich wie bei der Preispolitik - verschiedene Phasen des Innovationsprozesses zu unterscheiden (vgl Abbildung 10). <?page no="69"?> 68 5 Marketinginstrumente für Innovationen Abbildung 10: Kommunikationsphasen der Innovationsvermarktung <?page no="70"?> 5.3 Kommunikationspolitische Innovationsinstrumente 69 In der Zeit vor der tatsächlichen Markteinführung, das heißt vor der Verfügbarkeit der Innovation am Markt (Vor-Innovationsphase), können vorbereitende Kommunikationsmaßnahmen zur Aufmerksamkeitsschaffung sinnvoll sein bzw. eine gezielte Information von wichtigen Einzelpersonen und Gruppen wie Meinungsführern, um eine positive Erwartungshaltung zu wecken und frühzeitige Beschäftigung mit der Innovation anzuregen (vgl. zum Konzept und den theoretischen Grundlagen z.B. Bornemann, 2010, S. 6ff.). Das ist von besonderer Bedeutung bei bahnbrechenden und anderen radikalen Innovationen. Auf diese Weise kann auch der Zeitraum zwischen Markteinführung und Kaufentscheidung verkürzt werden, ein Effekt, der insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn sich Kaufentscheidungsprozesse über längere Zeit hinziehen, wie es bei hochwertigen Gütern oft der Fall ist. Es kann sogar gelingen, einen Spannungsbogen durch zahlreiche kommunikative Maßnahmen aufzubauen, der so lange andauert und zu einem Höhepunkt führt, bis das Produkt dann verfügbar ist und von frühen Adoptern in größerer Zahl gekauft wird. Beispiele hierfür sind entsprechende Ankündigungen zu neuen Automobilmodellen oder Kommunikationsgeräten, etwa der „Hype“ um neue Smartphone-Modelle und Tablet Computer (vgl. u.a. Trommsdorff/ Steinhoff, 2013, S. 124ff.). Wenn man allerdings diese Kommunikationszielsetzung in der Phase vor der Markteinführung verfolgt, wird - wie bei früher Patentanmeldung - auch die Aufmerksamkeit potenzieller Konkurrenten auf die bevorstehende Innovation gelenkt, möglicherweise mit entsprechenden konkurrierenden Gegenaktivitäten, so dass eine besonders sorgfältige Abwägung der Informationsfrei- und -weitergabe in dieser Phase erfolgen muss. Zudem kann die Erwartung der Nachfrager zu hoch und unerfüllbar werden, so dass letztlich Unzufriedenheit generiert wird. Falls bereits andere Produkte des Innovationsanbieters am Markt sind, besteht auch die Gefahr, dass das existierende Angebot auf wenig Nachfrage trifft, weil diese auf das erwartete neue Produkt verschoben wird. Als zweite Kommunikationsphase für Innovationen lässt sich die unmittelbare Einführung, der Verkaufsstart, ansehen. Die Dauer ist typischerweise relativ eng begrenzt, durch die Wahrnehmung der Nachfrager determiniert und durch den Innovator selbst beein- <?page no="71"?> 70 5 Marketinginstrumente für Innovationen flussbar. So kann die Produkteinführungsphase zum Beispiel durch unterschiedliche Einführungszeitpunkte in verschiedenen Märkten, Distributionskanälen, Zielgruppen ausgeweitet werden. Wie schon bei der Preispolitik gezeigt (5.2.2), kommt es letztlich immer auf die Kunden an, wie lange sie von einem aktuellen Produktneustart ausgehen, und es kann ein Ziel der Kommunikation sein, diese Phase in der subjektiven Wahrnehmung möglichst lange auszudehnen. Primäre Kommunikationszielsetzung muss in dieser Phase die Aufmerksamkeitsschaffung sein. Die in Abschnitt 3.2 angesprochene generelle Informationsüberflutung des Menschen erfordert eine starke Aktivierung, damit eine Wahrnehmung von Angeboten oder gar eine nähere Beschäftigung mit diesen überhaupt stattfindet. Die Vielzahl neuer oder pseudo-neuer Produkte erschwert die Wahrnehmbarkeit von Innovationen, und ohne Aufbau eines Informationsdrucks wird sie häufig in der Fülle von Neuigkeiten untergehen. Zwar ist die Wahrnehmung von Innovationen von deren Inhalt abhängig; wenn Innovationen tatsächlich einen konkreten Bedarf besser decken als andere Produkte bzw. neuartige Nutzendimensionen erschließen und zudem noch auf spezifische interessierte Zielgruppen stoßen, mögen sie aber manchmal zu Selbstläufern werden bzw. geringerer Kommunikationsanstrengungen bedürfen. Das gilt auch für Angebote, die vom Markt erwartet werden, weil es gelungen ist, bereits in der Vorankündigungsphase oder durch eine überragende Unternehmensattraktivität Bedarf zu schaffen. Als Beispiel kann wieder Apple genannt werden. In der Regel dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass die Aufmerksamkeitsschaffung eine notwendige, schwer zu erreichende Voraussetzung ist, die erhebliche Kommunikationsanstrengungen erfordert. Mit der Aufmerksamkeitswirkung eng verbunden ist die weitergehende Kommunikationszielsetzung der Schaffung eines überzeugenden Eindrucks von der Innovation im Sinne des zuvor thematisierten von den potenziellen Kunden wahrzunehmenden USP (vgl. Abschnitt 3.2). Gerade bei Innovationen gehört hierzu das Verständnis des neuartigen Nutzens, also eine rationale Überzeugung des Individuums. Da gerade bei komplexen technischen Innovationen dieser Nutzen schwer erklärbar sein kann, stellt sich der Kommunikation die Aufgabe diesen selbst bei kürzestem Kommu- <?page no="72"?> 5.3 Kommunikationspolitische Innovationsinstrumente 71 nikationskontakt prägnant zu erläutern. Doch selbst bei Innovationen besteht die Zielsetzung, einen überzeugenden Eindruck zu vermitteln, insbesondere auch in der Vermittlung eines emotionalen Gefühls, in dem sich ein positives Bild, eine sympathische Anmutung, schließlich eine Wünschbarkeit niederschlagen. Die Kommunikation muss daher eine optimale Verbindung von rationalen und emotionalen Aspekten realisieren helfen, um die in Abschnitt 3.2 als zentrale Marktziele bezeichnete Akzeptanz und Kaufbereitschaft zu erreichen. Die auf die Einführungsphase folgende Zeit des verbleibenden, subjektiv von Kunden (späten Adoptern) wahrgenommenen Innovationszeitraums sollte sich auf zwei Zielsetzungen konzentrieren, die Verfestigung eines positiven Eindrucks bei der Zielgruppe in Richtung auf entsprechende Einstellungen sowie weiterhin Aufmerksamkeitswirkung und kognitiv-emotionale Beeindruckung für die jetzt noch neu hinzukommenden potenziellen Kunden. So kann versucht werden, eine klare Positionierung des innovierenden Unternehmens und des innovativen Produkts im Wettbewerbsumfeld zu erreichen. Diese Zielsetzung ist für neu an den Markt gehende Unternehmen und für Unternehmen ohne eindeutiges entsprechendes Image besonders herausfordernd. Eingeführte Unternehmen, die über ein in dieser Hinsicht adäquates Image verfügen, brauchen diese Positionierungsaufgabe weniger zu bedenken, können aber eine Verstärkung oder eine Modifikation anstreben. Weiterhin ist eine kommunikative Begleitung der anderen zum Einsatz gelangenden Marketinginstrumente wichtig, insbesondere für die in 5.2.2 angesprochene dynamische Preispolitik. Dem Innovationszeitraum folgt die Vermarktung der Innovation als „Normalprodukt“. Sie besteht mit Blick auf kommunikative Zielsetzungen in der Aufrechterhaltung des Bekanntheitsgrades, der Unterstützung der Leistungs- und Preispolitik, der Konsolidierung des Images, der Vorbereitung und Begleitung von Relaunches, die bereits als partielle Folge-Innovationen konzipiert werden können, und des Übergangs zu neuen Produkten, welche die ehemalige Innovation ablösen. Neben diesen eher allgemeinen phasenspezifischen Kommunikationsaufgaben kann für Innovationen aber auch die Begleitung tatsächlicher Kunden in der Nutzungsphase eine wichtige Kommuni- <?page no="73"?> 72 5 Marketinginstrumente für Innovationen kationszielsetzung sein. Je radikaler und hochwertiger die Innovation und je komplexer der Anwendungskontext sind, desto mehr muss der Innovator darauf achten, dass ein angemessener Innovationseinsatz erfolgt. Anderenfalls können Kundenprobleme auftreten. Die präventive Kommunikation zur Vermeidung von Unzufriedenheit, Verärgerung, Kundenabwanderung und Imagebeeinträchtigungen muss im Zusammenhang mit Innovationen wegen der speziellen Risikosituation des Kunden also besonders gepflegt und mit weiteren Marketingmaßnahmen wie unerwarteten Zusatzleistungen abgestimmt werden. Auch die generelle Kontaktpflege über die spezielle Risikoabwehr hinaus ist gerade mit Blick auf spätere Innovationen ein wichtiges Kommunikationsziel. Darüber hinaus ist ein gewisses Bekanntheitsniveau des Innovators und der (ehemaligen) Innovation aufrecht zu erhalten, ebenfalls mit Blick auf zukünftige Marktaktivitäten. Zu diesem Zweck ist festzustellen, wann ein bestimmtes Bekanntheitsniveau in relevanten Zielgruppen unterschritten ist; denn es ist davon auszugehen, dass entsprechende Innovationskenntnisse im Zeitablauf abnehmen. 55..33..22 KKo ommmmuunni ikkaat tiioonnssffo orrmmeenn uunnd d --iinnh haallttee Die Kommunikationsziele sollen mit entsprechender Kommunikationsgestaltung erreicht werden. Hierzu tragen zahlreiche Entscheidungen bei. Im Mittelpunkt stehen Formen der Kommunikation und die Umsetzung durch Inhalte und Gestaltung von jeweils infrage kommenden Kommunikationsmitteln. Aus der Vielzahl von Kommunikationsformen bietet sich für technologische Innovationen mit Unternehmen als Kundenzielgruppe besonders die Teilnahme an Veranstaltungen, speziell Messen und Ausstellungen an (vgl. u.a. Heger, 2007, S. 77ff.). Die Präsentation von Neuheiten lässt sich so relativ zielgruppenspezifisch bewerkstelligen und mit persönlicher Kommunikation verbinden. Diese Form eignet sich für die Vorankündigungs- und Einführungsphase und dient sowohl der Aufmerksamkeitsweckung als auch der Vermittlung von Informationen zur Innovation bis hin zu individueller Kontaktaufnahme und letztlich auch Geschäftsabschluss. Selbst in einem späteren Stadium des Innovationsprozesses kann die Präsenz bei derartigen Veranstaltungen Imageaufbau und Kontaktpflege ermöglichen. In geringerem Maße erfüllen auch entspre- <?page no="74"?> 5.3 Kommunikationspolitische Innovationsinstrumente 73 chende Veranstaltungen für Endverbraucher ähnliche Zielsetzungen. Neben Messen und Ausstellungen ist besonders auf Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) zu verweisen. Insbesondere redaktionelle Beiträge und Mitteilungen durch Dritte, speziell von solchen mit wahrgenommener Fachkompetenz, eignen sich für die Bekanntmachung von Neuheiten. Das gilt für die Zeit vor und nach der Markteinführung der Innovation. Da ihnen regelmäßig eine höhere Glaubwürdigkeit als unternehmerischer Kommunikation zugebilligt wird, lassen sich positive Wahrnehmungen und letztlich Akzeptanz und Kaufbereitschaft erreichen. Über die Innovation sollte also so viel wie möglich berichtet werden, ein Vorgang, der vom innovierenden Unternehmen beeinflusst werden kann. Hierzu dienen u.a. Pressemitteilungen, Verfassen von Fachartikeln, Teilnahme an Kongressen, insbesondere aber Schaffung von „Events“ (Tag der offenen Tür, Firmenpräsentationen, Ausrichtung von Veranstaltungen, Unterstützung von Aktivitäten im öffentlichen Raum usw.). Diese sollten dann Gegenstand von Veröffentlichungen in öffentlichen und privaten Medien sein. Die Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen wie Fachleute lässt sich dabei gut steuern. Als besondere Formen der Öffentlichkeitsarbeit lassen sich Sponsoring und Product Placement ansehen. Sponsoring beruht auf der Unterstützung bestimmter, meist publikumswirksamer Aktivitäten gegen angemessene Herausstellung des Sponsors; Product Placement ist der bezahlte Einsatz von Produkten in Filmen, Fernsehsendungen etc. Für Innovationen bieten sich derartige Vorgehensweisen dann an, wenn bereits ein gewisser Bekanntheitsgrad, zumindest des Unternehmens, besteht und dieser weiter gefestigt werden soll, wobei die Verbindung zu einer Produktneuheit in entsprechend knapper Form möglich ist. Die dritte Form der Kommunikation, die sich für Innovationen besonders anbietet und teilweise bereits Bestandteil der vorgenannten Messen und Ausstellungen sowie der Öffentlichkeitsarbeit ist, stellt die persönliche Kommunikation dar, mit Blick auf die Endzielsetzung Verkauf auch als persönlicher Verkauf bezeichnet. Der Einsatz von Personen mit Kommunikations- und Verkaufsfunktion in weitestem Sinne, seien es Unternehmensinhaber, Entwickler, <?page no="75"?> 74 5 Marketinginstrumente für Innovationen Vertriebsmitarbeiter, selbständige Distributionsorgane (vgl. hierzu später 5.4.2), bietet sich in allen Phasen und für verschiedene Kommunikationsziele an. So sind in der Vorbereitungsphase Kontakte mit möglichen Pilotanwendern, Experten, Referenzkunden, Früh-Adoptern sinnvoll, um diese über die bevorstehende Innovationseinführung zu informieren und einen Word-of-mouth-Prozess in den relevanten Zielgruppen in Gang zu bringen. Auf diese Weise werden Aufmerksamkeit und Bekanntheit initiiert sowie grundlegende Kenntnisse und auch Emotionen verbreitet. Die Phase der Markteinführung und die Zeiten danach werden ebenfalls durch persönliche Kommunikation gefördert, insbesondere wenn sie aktiv und systematisch durchgeführt wird. Im Industriegütergeschäft ist die Rolle des Vertriebs von besonderer Bedeutung und die wohl wichtigste Form der Innovationskommunikation. Aufmerksamkeit wird hier durch persönlichen Kontakt erzwungen, und die Informationsaufnahme kann gesteuert werden. Das Problem der Erklärungsbedürftigkeit vieler Innovationen lässt sich auf diese Weise, unterstützt durch entsprechendes Informationsmaterial, wohl am besten lösen. Zudem ist eine Überführung vorökonomischer Erfolge in ökonomische besser beeinflussbar. Allerdings ist der Einsatz im Konsumgüterbereich eingeschränkter; hier könnten spezielle Innovations-Promotion als Sonderform der Sales Promotion oder die Vorstellung auf Märkten, Veranstaltungen, in Haushalten in Betracht kommen. Insgesamt ist die Wirksamkeit persönlichen Verkaufs durch geschulte Experten, also Face-to- Face-Kommunikation, höher einzuschätzen als viele andere, weniger gezielt und intensiv einsetzbare Kommunikationsmaßnahmen. Neben den hier als primäre Kommunikationsformen für Innovationszwecke angesehenen drei vorgenannten Kategorien ist aber auch auf klassische Werbung zu verweisen. So werden viele Neuprodukteinführungen wie neue Automobilmodelle durch massive Werbekampagnen begleitet. Diese können mehr oder minder zielgruppenspezifisch erfolgen und auch individualisiert werden, beispielsweise im Falle von adressierter Werbung. Gerade letztere ist daher auch für Innovationen gut geeignet. Zwar ist die Ausschöpfungsquote der Zielgruppe genau wie der kommunikative Erfolg eingeschränkt, aber grundsätzlich ist ein Aufmerksamkeits- und Interesseweckungspotenzial gegeben. Wichtige Informationen zur Innovation lassen sich übermitteln, wenngleich deren Aufnahme <?page no="76"?> 5.3 Kommunikationspolitische Innovationsinstrumente 75 und das Verständnis weniger als bei Face-to-Face-Kommunikation gesteuert werden können. Massenwerbung durch diverse Medien ist ungezielter gestreut, kann aber bei entsprechendem Werbedruck zu Bekanntheit führen und zum Aufbau eines Images, d.h. zur Positionierung des Produktes über alle Phasen des Innovationsprozesses beitragen. Gerade bei genereller Werbung, aber auch bei Einsatz von schriftlichen Unterlagen, selbst beim Verlauf von Gesprächen kommt es auf die Beachtung einer Reihe von grundlegenden Prinzipien an. Je nach eingesetztem Medium ist es bei einem ersten Kontakt entscheidend, in kurzer Zeit den Kern der Innovation zu vermitteln. Daraus resultiert zum einen die Notwendigkeit radikaler Informationsverkürzung, die viel Kreativität verlangt, um nicht in Belanglosigkeit oder Informationsverzerrung zu verfallen. Zum anderen muss die Darstellung so prägnant sein, dass sie im Gedächtnis bleibt, zugleich interessant und angenehm ist. Das erfordert kurze eindringliche Botschaften, Bilder bzw. bildreiche Sprache, wenig Text, unübersehbare Positionierung wichtiger Elemente wie Marke bzw. Name. Allerdings spielen dabei die Zielgruppe und die Innovationsphase eine große Rolle; Fachleute und Experten gerade im Industriegütergeschäft werden bereits bei ersten Kontakten mehr Informationen erwarten. In späteren Phasen des Innovationsprozesses und des individuellen Adaptionsprozesses von potenziellen Kunden sind sowieso weitergehende Erläuterungen wichtig. Daraus folgt die Aufgabe für das Unternehmen, nicht nur zwischen verschiedenen Kundentypen zu unterscheiden, sondern auch deren innovationsrelevanten Informationsstatus zu erfassen und dann jeweils kommunikativ in adäquater Weise vorzugehen. Es ist einleuchtend, dass individualisierte Kommunikationsformen für derartige Zielsetzungen besser geeignet sind als Massenkommunikation. 55..33..3 3 MMe eddiie enns seelle ekkttiio on n Die Übermittlung von Kommunikationsinhalten an die Zielgruppen erfolgt mittels Medien. Bei manchen der vorstehend erwähnten Kommunikationsformen ist das Medium zwangsläufig und vom Prinzip her festgelegt. So ist die persönliche Kommunikation auf Personen und damit Face-to-Face-Übermittlung angewiesen und die adressierte Werbung auf Postdienste. Im Einzelnen ist aber <?page no="77"?> 76 5 Marketinginstrumente für Innovationen auch hier zu entscheiden, welche spezifischen Medien zum Einsatz kommen, welche Personen also mit dem persönlichen Verkauf oder welche Postdienste/ Logistikunternehmen mit der Zustellung adressierter Werbung betraut sind. Bei vielen Kommunikationsformen, etwa Öffentlichkeitsarbeit und genereller Werbung, kann dagegen zwischen mehreren Medienkategorien wie Print- oder elektronischen Medien mit jeweils zahlreichen Möglichkeiten im Einzelnen (Zeitschriftentitel, TV-Sender usw.) gewählt werden. Die Fülle der Einsatzmöglichkeiten und ihrer Kombinationen in Verbindung mit Entscheidungen über die zeitliche und intensitätsmäßige Verwendung macht die Mediaselektion zu einem besonders komplexen Marketingsachverhalt. Entscheidungen sind sowohl auf Basis von Media-Inputfaktoren wie Kosten und Verfügbarkeit als auch von Media-Outputfaktoren in Form von Wirkungsgrößen wie Zielgruppenabdeckung zu treffen (vgl. z.B. Unger/ Fuchs/ Michel, 2013, S. 67ff.). Für die Kommunikation von Innovationen bieten sich grundsätzlich alle Medien an. Entscheidend sind die Kommunikationszielgruppe, die erreicht werden soll, und die zu transportierende Botschaft sowie das Kommunikationsziel. Im Zusammenhang mit den Kommunikationsformen ist bereits darauf verwiesen worden, dass es bei der Kommunikation von Innovationen in vielen Fällen auf zielgruppengerichtete oder sogar individualisierte Kommunikation ankommt. Das gilt in besonderem Maße für technologische, hochpreisige, radikale, anwendungsspezifische Neuheiten, bei kleinen und neu gegründeten Unternehmen auf der Anbieterseite sowie für Aufmerksamkeitsweckung, Kenntnisvermittlung und Gewinnung von Pilotanwendern in kleinen Zielgruppen. Individualisierte Kommunikation lässt sich zwar am besten persönlich vermitteln, aber auch andere Medien bieten sich an. Hierzu gehören neben Postzustellung alle anderen an konkrete Adressaten gerichtete Medien wie Telefon, Telefax, E-Mail. Das Problem liegt bei diesen Medien besonders in der Beschaffung aktueller Adressdaten auf Basis der festzulegenden Zielgruppen. Die angesprochenen Personen können ähnlich wie bei einer Face-to-Face-Beziehung bis zu einem gewissen Grade reagieren und ihrerseits zu Sendern werden, so dass gerade für Innovationen wichtige interaktive Kommunikationsbeziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager aufgebaut werden können. <?page no="78"?> 5.3 Kommunikationspolitische Innovationsinstrumente 77 Wenn größere Zielgruppen oder sogar die Allgemeinheit erreicht werden sollen, bieten sich für Innovationen auch Massenmedien des Printsektors, elektronische Medien und Außenmedien an. Diese sind aber im Wesentlichen ein-direktional gerichtete Medien, die sich eignen, einen Kommunikationsdruck aufzubauen, ohne dass die Informationsempfänger Möglichkeiten zur Rückkoppelung haben. Daher können Innovatoren weniger in einen Informationsaustausch mit ihren potenziellen Kunden eintreten, selbst wenn einige interaktiv ausgerichtete Maßnahmen denkbar sind (Antwortkarten, Angabe von Adressen, Ausdruck von Bereitschaft zu Auskünften usw.). Massenmedien eignen sich aus diesem Grunde, auch wegen der in der Regel hohen Schaltkosten, eher für große Unternehmen mit etabliertem Image, die ihre Marktmacht nutzen, um Innovationen durch dominierende Medienpräsenz möglichst weit gestreut bekannt zu machen. Es gibt jedoch Printmedien und potenziell auch Fernseh- Spartenkanäle, die weniger auf die Allgemeinheit als vielmehr auf kleinere und spezialisierte Zielgruppen ausgerichtet sind. So sind Fachzeitschriften besonders geeignet, auf bestimmte Anwendungsfelder gerichtete Innovationen an die relevanten, durch die Leserschaft abgebildeten Zielgruppen zu tragen. Derartige Medien eignen sich für Öffentlichkeitsarbeit und für Werbung und können in den Phasen des Innovationsprozesses, die hierfür eine Rolle spielen, sinnvoll eingesetzt werden. Die bisher erwähnten Medien lassen sich als klassisch bezeichnen. Neben diese treten zunehmend und mit immer stärkerer Dominanz sogenannte Neue Medien, die insbesondere Internetanwendungen darstellen (vgl. hierzu u.a. Kreutzer, 2014, S. 89ff.). Ein ansprechender und informativer Internetauftritt, der mit den anderen Kommunikationsformen abgestimmt ist, hat sich zu einer Voraussetzung für jegliche Geschäftstätigkeit entwickelt. Das Potenzial für die Innovationskommunikation ist hoch. Die Internetpräsenz bietet die Möglichkeit, Innovationen näher zu erläutern und durch entsprechende hinterlegte WWW-Seiten, durch Newsletter, E-Mail- Benachrichtigungen und Verknüpfungen mit anderen Websites auf divergierende Informationsinteressen potenzieller Kunden einzugehen. Zugleich kann durch umfangreiche Verzweigungen bei den hinterlegten Seiten und Verlinkungen zumindest eine Pseudo- <?page no="79"?> 78 5 Marketinginstrumente für Innovationen Individualisierung erreicht werden. Klassische Werbung zur Schaffung von Aufmerksamkeit mit ihrem notwendigerweise reduzierten Informationsgehalt lässt sich so zumindest teilweise kompensieren. Gleichzeitig kann die Webpräsenz als geeignetes Medium der Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Allerdings ergibt sich als Voraussetzung für die Nutzung des WWW die Notwendigkeit, potenzielle Kunden auf die Website zu leiten. Vor Aufmerksamkeitsschaffung für die Innovation und weitergehenden Kommunikationseffekten ist also zunächst Aufmerksamkeit für das unternehmensspezifische Kommunikationsmedium zu wecken, das im Informationschaos des WWW verborgen ist. Auffällige Angabe der WWW-Adresse auf allen eingesetzten Kommunikationsmitteln ist dabei ein wesentliches Erfordernis. Hilfreich ist auch die Verlinkung mit anderen Seiten, damit die Aufrufchancen eigener Seiten gesteigert werden und eine Verbindung zu anderen Institutionen mit möglichst guter Reputation hergestellt wird. Damit die Aufmerksamkeit anhält und weitere Kommunikationsziele erreicht werden, ist eine inhaltlich und formal einfach zu handhabende und emotional-kognitiv ansprechende sowie aktuelle Gestaltung des Webauftritts zu realisieren. Dabei sollte auch wieder auf die Integration anderer Medien geachtet werden, z.B. durch Hinweise auf Möglichkeiten persönlicher Kommunikation, auf Kataloge, Ausstellungen usw. Häufig wird von WWW-Nutzern nach Problemfeldern und nicht nach konkreten Anbietern gesucht, und dieser Suchanlass lässt sich als eine besondere Chance für innovative Angebote ansehen. In diesen Fällen sind Suchmaschinen zum dominierenden Eintrittsinstrument in das WWW geworden, so dass dieses „Sekundärmedium“ besondere Beachtung verdient. Die Aufmerksamkeit für die angezeigten Fundstellen hängen extrem von vorderen Positionen auf der angezeigten Liste ab, daher ist eine entsprechende Optimierung anzustreben (vgl. z.B. Greifeneder, 2010, S. 45ff., 107ff.). Das kann durch einen Webauftritt gelingen, der den Suchalgorithmen der Suchmaschine Rechnung trägt. Neben den „natürlichen“ Suchergebnissen, die vom Innovator letztlich nicht eindeutig zu steuern sind, lassen sich Anzeigen schalten, bei Google entweder an der Spitze der Suchergebnisse oder in der rechten Ergebnisspalte. <?page no="80"?> 5.3 Kommunikationspolitische Innovationsinstrumente 79 Die Weiterentwicklungen des Web 2.0 haben zur Etablierung einer Reihe von neuen Medienmöglichkeiten für das Innovationsmarketing geführt, insbesondere virtuellen Netzwerken, die sogenannten Social Media (vgl. im Überblick u.a. Walsh/ Kilian/ Hass, 2011, S. 4ff.). Die Existenz sozialer Beziehungen, die im Marketing durch den Effekt der Mundpropaganda schon lange als ein wichtiges Medium thematisiert worden war und für die Diffusion von Innovationen als besonders wichtig angesehen wird (vgl. u.a. Mazzarol, 2011, S. 117ff.), bekam durch die technologischen Möglichkeiten des interaktiven Internet eine neue Dimension, und zwar mit Blick auf Reichweite, Geschwindigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten. Die Besonderheit im Vergleich zu klassischen Medien und auch zu traditioneller Online-Nutzung besteht in der Eigendynamik eines nutzerbasierten Mediums ohne oder mit eingeschränkten Steuerungsmöglichkeiten durch Güteranbieter. Es stellt sich daher die Frage, wie insbesondere Networking- Plattformen für das Innovationsmarketing als Medien für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung genutzt werden können. Bei Innovationen für gewerbliche Abnehmer kommen Business Networking Plattformen in Betracht, zu denen der Innovator Zugang erlangt und so eine Basis für Aufmerksamkeits- und Bekanntheitsgenerierung schaffen kann (vgl. z.B. Cyganski/ Hass, 2011, S. 104ff.) Die Mitgliedschaft in relevanten Communities ist gerade für Innovatoren mit neuartigen Lösungen, die andere Mitglieder gewinnbringend einsetzen können, ein vielversprechender Kommunikationsweg. Bei innovativen Angeboten für Konsumenten ist die potenzielle Zahl der Kommunikationssubjekte um ein Vielfaches größer. Die Initiierung eines Ausgangspunkts für die virale Verbreitung, etwa eine originelle Geschichte um die Innovation, z.B. verbunden mit einem Video auf der Website, oder die Zurverfügungstellung einer Community-Plattform, ist eine erste Hürde für den Erfolg. Zudem bleibt die Kontrollierbarkeit gering und die erhoffte positive Vermittlung kann durch entsprechende Kommentare in das Gegenteil umschlagen. Eine in Gang gekommene negative Kommunikation lässt sich nicht anhalten, bestenfalls durch intelligente eigene Kommunikationskommentare einschränken. Trotz anzunehmender Verfälschung von Meinungen über die verdeckte Mitwirkung par- <?page no="81"?> 80 5 Marketinginstrumente für Innovationen teiischer Kommunikatoren wie Wettbewerbern ist die Kritik in Chatrooms, Weblogs, Foren auch eine kostenlose Quelle der Marktforschung, die Verbesserungen der Innovation und weitere Innovationen anregen kann. Die sonst eher latente nicht erkennbare Kundenunzufriedenheit, die sich nur ab und an in Reklamationen äußert, wird durch das Web 2.0 viel eher transparent. Insgesamt stellen Facebook, Twitter, YouTube usw. sowie ihre Pendants in anderen Ländern wie China eine bedeutende Chance für Innovatoren dar, mit relativ wenig Geld ins Gespräch wichtiger Zielgruppen zu kommen, Empfehlungen zu generieren, emotional und kognitiv geprägte Images aufzubauen und unter Umständen die Innovation zu einem Geschäftserfolg zu führen. Da es sich bei Innovationen häufig um die Phantasie anregende Erfindungen bzw. Neuigkeiten handelt, besteht eine grundsätzliche Nähe zu diesen Medien, die in besonderem Maße nach aktuellen und pseudoaktuellen, neuen, diskussionsfähigen, überaschenden und kontroversen Sachverhalten suchen. Wie viele andere Unternehmen nutzt auch Volkswagen diese Möglichkeiten intensiv, beispielsweise 2010 bei der Einführung des Polo GTI in Europa über facebook („fast lane - driven by fun“) oder durch die Videos zur „Fun Theory“, die bei YouTube fast schon Kultstatus erreicht haben (siehe zu den VW Videos die Zusammenstellungen unter http: / / www.youtube. com/ user/ myvolkswagen/ videos? view=0; zur Nutzung des Web 2.0 und weiteren Beispielen vgl. auch Saldsieder/ Saldsieder, 2010, S. 147ff.). 55..44 DDiis sttr ri ibbu ut ti ioon nssp po ol liit ti isscch he e IInnnno ovva atti io onnssi in nssttr ruummeen nttee In der Distributionspolitik, heute auch manchmal unter der Bezeichnung Vertriebspolitik abgehandelt, werden in der Regel die beiden großen Bereiche des Absatzkanal- und des Logistik-Managements unterschieden (vgl. u.a. Meffert/ Burmann/ Kirchgeorg, 2015, S. 512ff.). Im Folgenden wird auf Logistikfragen nur kurz im letzten Unterpunkt eingegangen. Im Vordergrund stehen die Fragen, welche Absatzwege genutzt und welche Vertriebsorgane sowie sonstigen Intermediäre auf welcher Grundlage eingesetzt werden sollen. <?page no="82"?> 5.4 Distributionspolitische Innovationsinstrumente 81 55..4 4. .1 1 AAb bssa at tzzwwe eg ge ek koonnf fiig gu urra attiio on n Bei der Absatzwegekonfiguration geht es um die Länge der Absatzwege im Sinne der Zahl eingeschalteter selbständiger Distributionsmittler sowie die Frage der Zahl der gleichzeitig genutzten Distributionswege (vgl. Abb. 11). Ein langer Distributionsweg liegt vor, wenn die Distribution über viele Stufen, insbesondere Groß- und Einzelhandel, verläuft, die kürzeste Möglichkeit ist der Direktvertrieb ohne Einschaltung von anderen Unternehmen. Werden mehrere Distributionswege gleichzeitig verfolgt, handelt es sich um ein Mehrkanal-System (Multi-Channel-Absatz). Von Multichanneling wird bereits auch dann gesprochen, wenn aus Perspektive der Hersteller, aber auch bei Betrachtung einzelner Handelsebenen verschiedene Betriebsformen/ Formate (z.B. Katalogverkauf und stationärer Verkauf) gleichzeitig zum Einsatz gelangen. Eine verwandte Frage betrifft die Breite von Absatzkanälen, die durch die Anzahl (gleichartiger) Distributionsmittler auf einer Absatzstufe, z.B. belieferte und miteinander konkurrierende Einzelhändler, festgelegt ist. Abbildung 11: Absatzwege und -formen im Innovationsmarketing <?page no="83"?> 82 5 Marketinginstrumente für Innovationen Es hängt von Art des Angebots und Märkten/ Zielgruppen ab, welche Absatzwegekonfiguration im Falle von Innovationen am meisten Sinn macht. Speziell bei kleinen und spezialisierten Zielgruppen, wie es gerade im Industriegütergeschäft die Regel ist, sowie bei Innovationen mit hohem Neuheitsgrad sind kurze Vertriebswege, tendenziell Formen des direkten Vertriebs, sinnvoll. Dadurch ist der Innovator selbst nahe am Kunden und kann ganz gezielt auf entscheidende Kundensegmente wie frühe Adopter, potenzielle Empfehler, Referenzgeber einwirken und direkt Anregungen für Weiterentwicklungen und Zusatzleistungen aufnehmen. Auf diese Weise lässt sich der generelle Adoptionsprozess am besten in Gang bringen. Die besonders in frühen Phasen des Innovationsprozesses wichtige persönliche Interaktion mit Endkunden, welche die Innovation einsetzen bzw. verwenden können, lässt sich bei Einschaltung von Distributionsmittlern nicht oder bestenfalls indirekt und eingeschränkt realisieren. Bei vielen großen Kunden ist die Beschaffung allerdings standardisiert, z.B. über eigene oder in Kooperation aufgebaute Online-Lieferantenplattformen, so dass für Innovationen spezielle Anstrengungen zur Kontaktanbahnung zu unternehmen sind (vgl. z.B. für Bosch die Hinweise für Innovatoren unter http: / / purchasing.bosch.com/ en/ de/ quality_innovati on/ innovation/ Purchase_of_your_innovation.html). Im Fall von Konsumgüterinnovationen und bei etablierten Beziehungen mit Distributionsmittlern, speziell auf der Einzelhandelsstufe, ist eine direkte persönliche Kontaktaufnahme mit Endkunden schwierig, da für diese der Handel der natürliche Ansprechpartner ist. Daher ist der Kontakt zu den Handelsunternehmen für den Innovationsvertrieb ausschlaggebend, und es kommt darauf an, ihn von der Innovation und dem potenziellen Geschäftserfolg zu überzeugen. Da in vielen Branchen wie dem Lebensmittelsektor jedoch ein Überangebot von Neuprodukten bei gleichzeitiger Regalknappheit besteht, ist der Handel dort - auch wegen des Konzentrationsgrades - in einer überlegenen Marktposition. Das Innovationsangebot kann dann auf eingefahrene Vermarktungsmechanismen mit üblichen, insbesondere finanziellen Restriktionen für Lieferanten (Zuschüsse, Regalpflege, „Eintrittsgelder“) treffen. Daher sind neben dem Versuch individueller Überzeugung beim Handel auch Kommunikationsanstrengungen bei den Endkunden, etwa in Form genereller Werbung wichtig, die zu einem zusätz- <?page no="84"?> 5.4 Distributionspolitische Innovationsinstrumente 83 lichen Druck seitens der Konsumenten auf den Handel führt. Die letztgenannte „Pullstrategie“ ergänzt dann die auf den Handel angewandte „Pushstrategie“. Die Frage, ob eine Innovation über mehrere Kanäle gleichzeitig an die Kunden vertrieben werden soll, ist differenziert zu beantworten (vgl. u.a. Weisenfeld, 2007, S. 353ff.). Natürlich wird ein Multi- Channel-Vertrieb die Zahl der Kunden erweitern helfen und ihren speziellen Bedürfnissen besser entgegen kommen, es bedarf jedoch genauerer Analyse, in welchem Umfang das tatsächlich der Fall sein wird; denn Kunden können auch einfach nur auf neue Kanäle ausweichen statt bestehende zu nutzen (Kannibalisierung). Handelt es sich um den gleichzeitigen Einsatz verschiedener Distributionssysteme, also beispielsweise Direktvertrieb und Vertrieb über Einzelhändler, dürfte ein solches Vorgehen für Innovationen wohl am ehesten infrage kommen, wenn es in der Vergangenheit bereits eine solche Mehrgleisigkeit gegeben und diese funktioniert hat. Bei der Einschaltung unterschiedlich langer Absatzwege wie Direktvertrieb und Einschaltung des Einzelhandels treten regelmäßig Konflikte zwischen den verschiedenen Systemen auf, zudem ist der Vertrieb von Innovationen, insbesondere solcher mit großer Innovationshöhe, mit Risiken für den Distributionsmittler verbunden und erfordert ausgeprägtes gegenseitiges Vertrauen. Eine gleichzeitige Bewältigung beider Problembereiche wird die Akteure häufig überfordern. Die Sachlage ist oft anders, wenn der Multichannel-Ansatz lediglich in der Nutzung von unterschiedlichen Formaten innerhalb eines Distributionssystems besteht. Das gilt insbesondere für verschiedene Formen des Direktvertriebs, etwa Angebot der Innovation sowohl über das Internet (e-commerce), über gedruckte Kataloge, über (Verkaufs-) Messen, über eigene Verkaufsstellen usw. Da bei dieser internen Distributionskonkurrenz immer nur der Anbieter involviert ist, kann er eine Abstimmung über die verschiedenen Kanäle sicherstellen und insgesamt ein - auf alle Marketinginstrumente bezogenes - abgestimmtes Vermarktungskonzept realisieren. Die Vermarktung von Innovationen ist wegen der Notwendigkeit, schnell und auf möglichst vielfältige Weise eine Diffusion in den relevanten Zielgruppen zu initiieren, um kritische Absatzmengen zu erreichen, häufig darauf angewiesen, mehrere Vertriebswege anzubieten. Bestimmte (zusätzliche) Bezugsmöglichkeiten, etwa über <?page no="85"?> 84 5 Marketinginstrumente für Innovationen das Internet, werden gerade bei innovativen Produkten von Kunden sogar erwartet. Bei der gleichzeitigen Einschaltung mehrerer konkurrierender Einzelhändler ergibt sich dagegen aus Herstellersicht eine andere Situation als bei Nutzung verschiedener Formen des Direktvertriebs. Hier ist wieder genau zu analysieren, welchen Grad an externer Distributionskonkurrenz der Innovationsvertrieb verträgt. Grundsätzlich wird aus den schon zuvor genannten Gründen eine Beschränkung auf wenige oder einen einzigen Distributionsmittler angezeigt sein. Eine derartige selektive oder sogar exklusive Distribution ist eine gute Voraussetzung für den Aufbau einer längerfristigen Beziehung, auch mit Blick auf zukünftige Innovationen. Gleichzeitig wird eine Partizipation am Image des Distributionspartners möglich. So vertreibt die Division Vichy des Kosmetikherstellers L’Oréal ihre Innovationen und die gesamte Produktpalette fast ausschließlich über Apotheken. Es ist jedoch andererseits zu prüfen, ob das Absatzpotential der eingeschalteten Distributionsmittler mit Blick auf die anvisierten Endkunden-Zielgruppen hoch genug ist und inwieweit sie den besonderen Anforderungen durch spezifische Innovationen (Beratung, Kundendienst usw.) gerecht werden. Die Fragen der Absatzwegekonfiguration zeigen genau wie viele Problemstellungen in der Kommunikation, etwa beim persönlichen Verkauf als Kommunikationsform, dass von einem immer stärkeren Zusammenwachsen zwischen den Marketinginstrumenten Kommunikation und Distribution auszugehen ist. Das gilt umso mehr für die Innovationsvermarktung, da gerade hier Kaufvorbereitung, Kaufrealisierung und Nachkaufkontakte eng miteinander verwoben sind, teilweise in den gleichen Kanälen stattfinden und daher häufig nicht eindeutig voneinander zu trennen sind (vgl. Hünerberg, 2009, S. 165ff.). Diese Tendenz zu einem einheitlichen Marketinginstrument „Kommunikation und Vertrieb“ wird durch das Internet verstärkt, das sich in besonderer Weise zu einem simultanen Kommunikations- und Vertriebskanal entwickelt hat. <?page no="86"?> 5.4 Distributionspolitische Innovationsinstrumente 85 55. .4 4..2 2 AAu us sw wa ah hll uun ndd MMa an na aggeemme ennt t ddeerr VVe er rt tr ri ie eb bs so orrg gaanne e Die Überlegungen in 5.4.1 zeigten bereits, dass die Absatzwegekonfiguration für Innovationen eng verbunden ist mit der Entscheidung für konkrete Individuen bzw. Organisationen, die im Rahmen des gewählten Distributionssystems beim Vertrieb mitwirken. Diese Frage wird im Folgenden etwas weitergehender und differenzierter betrachtet, da sie für das Innovationsmarketing große Bedeutung hat (vgl. nochmals Abbildung 11 und u.a. das Fallbeispiel eines neuen Softwareproduktes bei Meier, 2007, S. 104ff.). Zunächst ist zwischen eigenen und fremden Vertriebsorganen zu unterscheiden (vgl. hierzu z.B. Homburg, 2015, S. 864ff.). Außendienst, Reisende, Verkäufer, sonstige Mitarbeiter mit Verkaufsfunktion und unterschiedliche Organisationsformen (Innen- und Außendienst, Callcenter, Verkaufsabteilungen, eigene Läden usw.) kommen als betriebseigene Möglichkeiten in Betracht. Wegen der Abweichung vom alltäglichen Geschäft und der damit verbundenen speziellen Herausforderungen des Innovationsvertriebs spielen zumindest in frühen Phasen der Innovation, bei höherwertigen Innovationen und wichtigen Kunden hochrangige Unternehmensvertreter/ Geschäftsführer für den Vertrieb eine große Rolle. Auch hier ist wieder die enge Verknüpfung zwischen Kommunikations- und Vertriebsaufgaben zu konstatieren. Fremde Vertriebsorgane sind zum einen die bei der Absatzwegekonfiguration erwähnten selbständigen Distributionsmittler (Großhandel, Einzelhandel), die Eigentum an den abzusetzenden Produkten erlangen. Zum anderen gibt es aber auch verschiedene Distributionshelfer, die zwar ebenfalls rechtlich selbständig sind, aber kein Eigentum im Vertriebsprozess erwerben; das sind u.a. Handelsvertreter, Makler, Kommissionäre. Die Einschaltung derartiger Absatzhelfer kann ein Mittel der Wahl für den Innovationsvertrieb sein, wenn sie ausreichend dazu motiviert werden können, das Innovationsprodukt im Markt aktiv voranzubringen. Da Absatzhelfer gut steuerbar und oft spezialisiert und erfahren sind, individuell agieren können und in der Regel keine dominierende Marktmacht ausüben, kann gerade ein Innovator ohne große Ressourcen von deren Einschaltung häufig profitieren. Es kann so gelingen, ohne große Investitionen eine Durchdringung relevanter Kundengruppen zu erreichen. <?page no="87"?> 86 5 Marketinginstrumente für Innovationen Eine Reihe weiterer Absatzhelfer ist weniger direkt in den Vertriebsprozess eingeschaltet, sie nehmen aber als unterstützende Organe in der Abwicklung von Verkaufsprozessen wesentliche Funktionen wahr. Hierzu zählen Logistikdienstleister, IT-Dienstleister, externe Callcenter, Kundendienstleister etc. Wenn der Innovationsanbieter nur über geringe eigene Ressourcen bzw. Erfahrungen verfügt, wird eine derartige externe Unterstützung im Sinne eines Outsourcing in vielen Bereichen unabdingbar sein. Auch wenn selbständige Absatzmittler eingesetzt werden, können diese durch spezielle vertragliche Ausgestaltung in ein Kooperations- oder sogar Abhängigkeitsverhältnis eingebunden werden. Das gilt u.a. für Franchise- und Vertragshändlersysteme. Diese Möglichkeit eröffnet sich Innovatoren allerdings nur, wenn sie bereits eine wesentliche Marktstellung erreicht haben. Ist das der Fall, können sie die Präsenz des Innovationsproduktes am Markt leicht durchsetzen. Es gibt zudem die Möglichkeit, längerfristige Verträge mit Distributionsmittlern oder -helfern abzuschließen, die besondere Verpflichtungen der einen und/ oder anderen Vertragspartei beinhalten (vgl. zum Kontraktkonzept generell u.a. den Überblick bei Meffert/ Burmann/ Kirchgeorg 2015, S. 531ff.). Auf diese Weise werden wie bei Franchise- oder Vertragshändlersystemen zumindest ansatzweise vertikale Kooperationen begründet. Solche Verpflichtungen sind zum einen Mitwirkungsvereinbarungen von Vertragspartnern, aus der Sicht des Innovators also einerseits seine Eigenbindung (z.B. Dokumentationsüberlassung und Anwendungstraining beim Partner), anderseits die Fremdbindung des Absatzmittlers/ -helfers (z.B. dessen Mitwirkung bei der Werbung und anderen Kommunikationsmaßnahmen). Es gibt zum anderen aber auch Unterlassensvereinbarungen (z.B. Gebietsschutz des Absatzmittlers durch den Innovator als Eigenbindung, kein Weiterverkauf an Wiederverkäufer durch den Absatzmittler/ -helfer als Fremdbindung). Derartige Vereinbarungen lassen sich im Innovationskontext für die hier besonders wichtige gegenseitige Risikoreduktion und Vertrauensbildung einsetzen. Für den Innovator können entsprechende Vertriebsbindungen insbesondere einen Schutz gegen Missbrauch und unkontrollierte Weiterverbreitung darstellen und gewährleisten, dass ein indirekter Vertrieb kompetent abgewickelt wird. <?page no="88"?> 5.4 Distributionspolitische Innovationsinstrumente 87 Vertriebspartnerschaften können zu weiterreichenden und dauerhaften Kooperationsbeziehungen führen. Beispiele sind ECR (Efficient Consumer Response)-Partnerschaften zwischen Industrie und Handel, die auch für die effiziente Neuentwicklung und Vermarktung von Innovationen - allerdings eher in geringerem Umfang - Anwendung finden (vgl. u.a. Mattmüller/ Tunder, 2004, S. 160ff.) Vertriebspartnerschaften für Innovationen haben besondere Bedeutung, wenn KMU oder Gründer als Innovatoren das Internet zu Vertriebszwecken nutzen wollen (E-commerce). Anstelle des eigenen Aufbaus einer E-commerce-Plattform können fremde Plattformen mit entsprechenden Dienstleistungen (Lagerhaltung, Logistik etc.; vgl. 5.4.3 ) in Anspruch genommen werden, die insbesondere auch einen hohen Bekanntheitsgrad haben und in den Suchmaschinen vorrangig ausgewiesen werden, etwa E-bay und Amazon. Allerdings sind die anfallenden Kosten und der interne Plattformwettbewerb sowie eine mögliche Abhängigkeit vom Betreiber zu berücksichtigen (vgl. im Einzelnen z.B. Kreutzer, 2014, S. 471 ff.). 55..44..33 GGeessttaallttuunngg ddeerr VVeerrttrriieebbssllooggiissttiikk In der Vertriebslogistik geht es um die Lösung aller Aufgaben, die sich aus der räumlichen und zeitlichen Entfernung zwischen Anbieter und Nachfrager ergeben. Ziel ist die Bereitstellung der richtigen Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort unter Beachtung von Effizienz und Effektivität. Zu entscheiden ist aus dieser Blickrichtung u.a. über Standorte, Lagerhaltung, Lieferzeiten und sonstigen Lieferservice, Transport und den damit verbundenen Einsatz von physischen Kapazitäten und Humanressourcen. In erweiterter Perspektive geht es um unternehmerisches Operations Management mit dem Ziel einer finalen Realisierung der Marketingaufgabe (vgl. Wright/ Hünerberg, 2011, S. 1ff., 145ff., 191ff.). Für Innovatoren ergibt sich die Frage, welche Rolle Logistikentscheidungen für die Innovationsvermarktung spielen bzw. welche Besonderheiten zu beachten sind. Im B-to-B-Geschäft und bei Innovationen mit hohem Wert und Neuheitsgrad werden Logistikfragen eher in den Hintergrund treten. Das gilt gerade auch dann, wenn die Akzeptanz der Kunden hoch ist und es wenig Alternativen zu dem neuen und spezialisierten Angebot gibt. Allerdings können Lieferkonditionen mit einer gewissen Logistikrelevanz wie <?page no="89"?> 88 5 Marketinginstrumente für Innovationen Installation und Inbetriebnahme dennoch wichtig sein und gerade in ausländischen Märkten den Geschäftsabschluss determinieren. Bei Konsumgütern, speziell häufiger beschafften, spielen Logistikfragen eine größere Rolle. Hier kann insbesondere für Distributionsmittler die verlässliche und zeitgenaue Belieferung eine Voraussetzung für die Annahme des Innovationsangebots sein. Auch bei direktem Vertrieb an den Endkunden spielen Logistikvorkehrungen (u.a. für Zustellung und Retouren) eine unter Umständen kaufentscheidende Rolle und können bei ansonsten einfach zu handhabenden Vertriebskanälen wie dem Internet den entscheidenden Engpass darstellen. Die Anreicherung der Innovation mit Zusatzleistungen (vgl. 5.1.2) kann in einigen Fällen sogar auf eine überlegene Vertriebslogistik zurückzuführen oder mit dieser verbunden sein, beispielsweise permanente Beratung und Erreichbarkeit, persönliche Unterstützung bei der Nutzung; im Extremfall ist der Innovationscharakter des gesamten Angebots wesentlich darin begründet. In diesen Fällen muss die Erfüllung der Logistikversprechen natürlich in den Vordergrund treten. Für die Durchführung der meisten logistischen Aufgaben kommt die Übertragung auf spezialisierte Distributionshelfer in Betracht. Die reibungslose Abwicklung der anfallenden Aufgaben hängt von deren Kompetenz ab. Da der Markterfolg von Innovationen zumindest immer in einem gewissen Umfang auch von dem Niveau des Lieferservice mit bestimmt wird, ist eine sorgfältige Auswahl einzusetzender Logistikdienstleister vonnöten. Diese Outsourcing- Entscheidung wird komplizierter, wenn es um relativ unbekannte Auslandsmärkte geht. Letztlich sind eigene Abwicklung, Outsourcing auf alternative Dienstleister, kooperative Lösungen mit anderen Anbietern gegeneinander abzuwägen, um Kosten und innovationsrelevante Serviceniveaus für Lagerhaltung, Verpackung, Transport usw. zu optimieren. Die Realisierung der Vermarktung von Innovationen erfolgt durch den Einsatz von Marketinginstrumenten (Leistungspolitik, Entgelt- und Vertragspolitik, Kommunikationspolitik, Distributionspolitik). Die Marktsituation und generelle Marktziele und -strategien bilden hierfür Basis und Rahmen. <?page no="90"?> 5.4 Distributionspolitische Innovationsinstrumente 89 Die Leistungspolitik ist der Ausgangspunkt aller Maßnahmen. Die Innovationsvermarktung erfordert in der Regel die Entwicklung eines marktfähigen Produkt-Dienstleistungsprogramms im Hinblick auf wesentliche Abnehmer-Nutzendimensionen. Die dahinterstehenden Bedürfnisse sind entweder manifest bzw. latent oder überhaupt nicht vorhanden; Erstere führen zu marktgetriebenen, letztere zu technologiegetriebenen Innovationen. Für beide ist eine frühzeitige Kundenintegration angezeigt. Die Qualitätsdimensionen der Innovation sind hinsichtlich Inhalt, Erwartungen, Erfahrungen subjektiv geprägt und durch Signalling des Innovators beeinflussbar. Im Innovationskontext ist der Abnehmer mangels Erfahrungen besonders darauf angewiesen. Neben objektivierten Hinweisen wie Zertifizierungen spielt hier auch das Angebot ungewöhnlicher Zusatzleistungen wie Einräumung längerfristiger Garantien eine Rolle. Ein wesentlicher Aspekt der Leistungspolitik ist bei Innovationen deren Schutz, beispielsweise im internationalen Umfeld. Eine Möglichkeit besteht in der Patentierung. Hier sind zahleiche Gesichtspunkte, insbesondere zur zeitlichen Vorgehensweise zu beachten. Die Preispolitik hat die Frage der Preishöhe, speziell des Preisniveaus in den verschiedenen Phasen der Innovationsvermarktung und für die jeweilige Marktstrategie, zu lösen. Es ist auch zu klären, ob unterschiedliche Märkte differierende Preise für die Innovation erfordern. Im Zeitablauf ist zu entscheiden, ob Preissenkungen oder Preiserhöhungen vorzusehen sind und in welchen Zeitfenstern diese stattfinden sollen. Eng verbunden mit Preisentscheidungen ist die Politik der Kontraktgestaltung. Bei Innovationen spielen hier neben Finanzierungsunterstützung Vertrauensaufbau und Risikoreduktion eine zentrale Rolle; diese können durch kreative Vertragsbedingungen, z.B. leistungsorientierte Bezahlung, berücksichtigt werden. Kommunikationspolitik steht im Fokus der Innovationsvermarktung. Die Ziele der Kommunikation lassen sich unmittelbar aus den allgemeinen Marktzielen ableiten und determi- <?page no="91"?> 90 5 Marketinginstrumente für Innovationen nieren die verschiedenen Kommunikationsphasen vor, bei und nach der Markteinführung der Kommunikation. Im Wesentlichen geht es um Aufmerksamkeits- und Bekanntheitsschaffung, kognitive und emotionale Überzeugung, Aufbau von Akzeptanz und Kaufbereitschaft sowie positiver Images. Als einzusetzende Kommunikationsformen sind für Innovationen primär Messen und Ausstellungen, Öffentlichkeitsarbeit und sonstige persönliche Kommunikation, unter Umständen aber auch allgemeine Werbekampagnen geeignet. Für die Gestaltung gelten insbesondere die Prinzipien der Kürze, Einprägsamkeit und bildhaften Darstellung. Es lassen sich grundsätzliche alle Medien für den „Transport“ von Kommunikationsbotschaften heranziehen. Individualisierte Medien, speziell solche der Direktkommunikation wie Face-to-Face-Vermittlung, sind für Innovationen das Mittel der Wahl. Das Internet und Web 2.0 lassen sich in mannigfacher Form nutzen, führen aber zu spezifischen Herausforderungen. Bei der Distributionspolitik geht es um die Fragen der Länge und Breite von Distributionskanälen, des gleichzeitigen Einsatzes verschiedener Absatzwege, die Auswahl spezifischer Distributionsorgane und die vertraglichen Regelungen mit ihnen. Ein zweiter großer Bereich sind Entscheidungen zur Vertriebslogistik. Je nach Art der Innovation und den jeweiligen Marktumständen sind im Innovationskontext alle gängigen Formen der Distributionsgestaltung vorstellbar. Besondere Bedeutung erlangen wegen der Nähe zu Kunden und der Motivation von Absatzmittlern tendenziell eher kurze Distributionswege, speziell der Direktvertrieb, und eine genaue Selektion der eingeschalteten Distributionsstufen. Die Unterstützung kompetenter und spezialisierter Intermediäre, etwa in der Vertriebslogistik, ist in der Regel hilfreich. So ist gerade der Vertrieb von Innovationen auf eine funktionierende Logistik angewiesen. <?page no="92"?> 5.4 Distributionspolitische Innovationsinstrumente 91 FFrraaggeenn 1. Warum ist eine Kern-Innovation häufig durch zu sätzliche Angebotselemente anzureichern? 2. Warum ist die Qualitätseinschätzung einer Innovation durch Kunden subjektiv geprägt? 3. Welche Rolle spielen Screening und bestimmte Formen des Signalling bei Innovationen? 4. Wie lassen sich Innovationen schützen? 5. Warum ist die Preissetzung bei Innovationen ein besonders schwieriges Problem? 6. Inwiefern können bei der Innovationsvermarktung preispolitisch bedingte Arbitrageprobleme auftreten? 7. Welche Innovationsdeterminanten erfordern eher eine Skimming-, welche eher eine Penetrationsstrategie? 8. Was ist leistungsabhängige Bezahlung und warum spielt diese Form der Kontraktgestaltung eine besondere Rolle für das Innovationsmarketing? 9. Wie hängen Phasen des Innovationsprozesses und Kommunikationsziele zusammen? 10. Warum sind bereits vor der Markteinführung von Innovationen Kommunikationsaktivitäten bedeutsam? 11. In welcher Form ist eine individualisierte Kommunikation für Innovationen möglich? 12. Wie lassen sich das Internet und soziale Netzwerke für die Kommunikation von Inn ovationen einsetzen? 13. Wie können Innovationen an große und marktmächtige Abnehmer vertrieben werden? 14. Was bedeuten eine Push- und eine Pullstrategie im Vertrieb von Innovation? 15. Wann können Multi-Channel-Strategien beim Absatz von Innovationen Sinn machen? 16. Welche Absatzhelfer lassen sich beim Vertrieb von Innovationen sinnvoll einsetzen? 17. Wie lässt sich E-commerce für Innovationen gestalten? 18. Welche Bedeutung hat die Vertriebslogistik für Innovationen? <?page no="93"?> 66 BBeeiissppiieel l uunndd AAuuffggaabbeenn Das Beispiel IKEA (Quellen: zahlreiche Internetquellen, insbesondere IKEA 2015a, 2015b,2015,c,2015d) IKEA wurde 1943 von Ingvar Kamprad in Schweden gegründet, ab 1947 wurden Möbel per Versand verkauft, 1951 wurde der erste Katalog veröffentlicht, 1953 der erste Laden eröffnet. Heute steht hinter IKEA eine niederländische Stiftung (ING- KA) mit einer Holding Gesellschaft (INGKA Holding BV) für die Gesellschaften der IKEA Group. Der Umsatz belief sich 2014 (1.9.2013 - 31.8.2014) auf 28,7 Mrd. Euro; Ende August 2014 gab es 315 Läden in 27 Ländern in Eigenregie und in ca. 18 Ländern etwa 45 externe Franchise-Betriebe. Eine bahnbrechende Innovation steht am Beginn der Entwicklung von IKEA, das Angebot von vorverpackten Möbeln zur Selbstabholung und zum Selbstaufbau sowie die Verkürzung des Lebenszyklus von Möbeln. Hinzu traten laufend weitere länderabhängige Neuheiten, z. B. skandinavisches Design, kreative Einrichtungslösungen aller Art, Verkaufsabwicklung und Serviceelemente. Das Sortiment wurde ständig erneuert und erweitert, besonders bei Wohnzubehör, teilweise auch in durchaus radikaler Weise (neue Produktkategorien wie Restauration, Küchen, Büromöbel, Eigenheime, geplant u.a. Hotels). Aufgabe: Stellen Sie die Entwicklung von IKEA bis zur heutigen Bedeutung mit Blick auf Innovationsprozesse im Einzelnen dar! IKEA hat auf sich wandelnde Situationen in unterschiedlichen Märkten reagiert. Möbel waren langfristig genutzte Gebrauchsgegenstände, die Märkte teilweise gesättigt. In vielen Ländern gab es aber den Trend rasch wachsender, insbesondere städtischer Bevölkerung mit eher geringer Kaufkraft. Gleichzeitig war vielfach eine Sehnsucht nach (westlicher) „Modernität“ im täglichen Leben vorhanden. Konkurrenten waren zunächst dem wenig innovativen Möbelgeschäft mit entsprechenden Verkaufsmethoden verhaftet. <?page no="94"?> ! )'#/ 3#'6 -4( ,-&%20'4 93 Aufgabe: Entwickeln Sie eine SWOT-Analyse für die Ausgangs- und die heutige Situation! Leiten Sie daraus mögliche innovationsorientierte Marktziele ab! Die geographische Marktauswahl ist heute global geprägt mit Schwerpunkten in Europa und Nordamerika. Zielgruppen sind schwerpunktmäßig offensichtlich junge gebildete städtische Bevölkerungsgruppen, vor allem junge Familien. Das Angebot betrifft das Segment Wohngestaltung mit großer Sortimentstiefe. Der Marktzutritt erfolgt kombiniert, und zwar überwiegend in eigener Regie, in einigen Märkten aber als Kooperationsmodell über Franchiseverträge. Das Marktverhalten ist kosten-/ preisorientiert, jedoch im Laufe der Zeit verstärkt angereichert mit qualitätsorientierten Elementen. Das zeitliche Verhalten läuft häufig auf ein „first-to-market“ hinaus; Märkte wurden nacheinander bearbeitet, Innovationen nicht überall eingeführt (z. B. Fertighäuser). Aufgabe: Beurteilen Sie die strategischen Ausrichtungen aus der Perspektive des Innovationsmarketing! 2014 gab es ca. 9500 Produkte. Charakteristisch ist vielfach finnisch-schwedisches Design. Marke und Herkunft werden besonders herausgestellt. Das schlägt sich auch in der nordischen Namensgebung für die Produkte nieder. Einige notwendige lokale Anpassungen (z. B. größere Betten in den USA) wurden an einem weitgehend standardisierten Sortiment vorgenommen. Einige Serviceleistungen (z.B. Kinderbetreuung, Club) sind gut ausgebaut, andere eher eingeschränkt, wenngleich in jüngerer Zeit zunehmend angeboten (z. B. Transport und Aufstellung vor Ort gegen Aufpreis). Das Preisniveau wird überwiegend als eher niedrig wahrgenommen. Preiserhöhungen fallen wegen der Sortimentsvielfalt weniger auf; bei ausgewählten Produkten werden Preissenkungen herausgestellt. Von einem kalkulatorischen Ausgleich über das Sortiment ist auszugehen, Preisdifferenzierung über Länder wird praktiziert. Die Vertragsbedingungen sind eher großzügig, insbesondere die Rückgaberegelungen. <?page no="95"?> 94 6 Beispiel und Aufgaben Die Kommunikation erfolgt überwiegend über den Katalog (2014 Druckauflage 217 Mio. in 30 Sprachen, Gratisverteilung an ca. 200 Millionen Haushalte) und Broschüren. Hinzu treten humorvolle und innovative Werbung in Massenmedien sowie Events/ Promotion-Aktionen. Internetwerbung inklusive Social Media werden zunehmend intensiv genutzt (z.B. Newsletter, Facebook; auf der Website gab es 2014 ca. 1,5 Mio. Besucher). Der Vertrieb erfolgt primär über eigene Filialen. Bestellung per Telefon und E-commerce sind partiell möglich. Im Vordergrund steht Selbstabholung. Die Belieferung der Filialen erfolgt über Vertriebs- und Kundenzentren. Aufgabe: Tragen Sie weitere Einzelheiten zum Einsatz der Marketinginstrumente bei IKEA zusammen und beurteilen Sie den Einsatz von Marketinginstrumenten aus Innovationssicht: ! für die Leistungspolitik (Ausdifferenzierung von Kerninnovationen und Kundenausrichtung, Qualität von Kerninnovationen und Zusatzleistungen, Innovationsmarkierung und -schutz), ! für die Entgelt- und Vertragspolitik (Preisniveau, dynamische Preispolitik, Kontraktgestaltung), ! für die Kommunikationspolitik (Kommunikationsziele, Kommunikationsformen und -inhalte, Medienselektion), ! für die Distributionspolitik (Absatzwegekonfiguration, Vertriebsorgane, Vertriebslogistik)! <?page no="96"?> LLiitte erraattu urrvve errzze eiicchhn niiss GGrruunnddllaagge ennlliitteer raattuurr Homburg, C., Marketingmanagement, 5. Aufl., Wiesbaden 2015 Hünerberg, R./ Wright, N., international marketing & operations management, South Melbourne 2011 Loock, H./ Steppeler, H. (Hrsg.), Marktorientierte Problemlösungen im Innovationsmarketing, Wiesbaden 2010 Meffert, H./ Burmann, C./ Kirchgeorg, M., Marketing, 12. Aufl., Wiesbaden 2015 Trommsdorff, V./ Steinhoff, F., Innovationsmarketing, 2. Aufl., München 2013 Wentz, R.-C., Die Innovationsmaschine, Berlin Heidelberg 2008 LLiitteerraattuur rvveerrwwe eiissee Baumgarth, C. (2008a), Markenpolitk, 3. Aufl., Wiesbaden Baumgarth, C. (2008b), Marktsegmentierung für Gründungsunternehmen, in: Entrepreneurial Marketing, hrsg. v. Freiling, J./ Kollmann, T., Wiesbaden Belz, C./ Schögel, M./ Tomczak, T. (2007), Innovation Driven Marketing, in: Innovation Driven Marketing, hrsg. v. Belz, C./ Schögel, M./ Tomczak, T., Wiesbaden Bornemann, T. (2010), Neuproduktvorankündigungen, Wiesbaden Bosch (2012a): <http): / / purchasing.bosch.com/ de/ start/ Allge meines/ Download/ index.htm> (12.10.2012) Bosch (2012b): <http: / / purchasing.bosch.com/ de/ start/ Einka uf/ innovation/ index.htm> (12.10.2012) Christensen, C.M. (2003), The Innovator’s Dilemma, New York <?page no="97"?> 96 Literaturverzeichnis Cohen, W. M./ Levinthal, D.A. (1990), Absorptive Capacity: A New Perspective on Learning and Innovation, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 35, No. 1, S. 128 - 152 Cyganski, P./ Hass, B. H. (2011), Potenziale sozialer Netzwerke für Unternehmen, in: Web 2.0, Neue Perspektiven für Marketing und Medien, hrsg. v. Walsh; G./ Hass, B. H./ Kilian, T., 2. Aufl., Berlin Heidelberg Freiling, J./ Kollmann, T. (2008), Entrepreneurial Marketing: Besonderheiten und Ausgestaltungsmöglichkeiten, in: Entrepreneurial Marketing, hrsg. v. Freiling, J./ Kollmann, T., Wiesbaden Greifeneder, H. (2010), Erfolgreiches Suchmaschinen-Marketing, 2. Aufl., Wiesbaden Hauschildt, J./ Salomo, S. (2011), Innovationsmanagement, 5. Aufl., München Heger, G. (2007), Bedeutung von Messen im Innovationsprozess bei technologischen Produktinnovationen, in: Beiträge zum Innovationsmarketing, hrsg. v. Heger, G./ Schmeisser, W., München Mering Hofbauer, G. u.a. (2009), Marketing von Innovationen, Stuttgart Homburg, C. (2015), Marketingmanagement, 5. Aufl., Wiesbaden Hünerberg, R. (1994), Internationales Marketing, Landsberg Hünerberg, R. (2009), Zur Komplexität von Marketinginstrumenten - Konzeptionelle Überlegungen zu einer innovativen Integration von Kommunikation und Distribution als Herausforderung an eine marktorientierte Unternehmensführung, in: Ganzheitliche Unternehmensführung in dynamischen Märkten, hrsg. v. Hünerberg, R./ Mann, A., Wiesbaden Hünerberg, R./ Hüttmann, A. (2003), Performance as a Basis for Price-setting in the Capital Goods Industry: Concepts <?page no="98"?> Literaturverzeichnis 97 and Empirical Evidence, in: European Management Journal, Vol. 21, No. 6, S. 717-730 Hünerberg, R./ Wright, N. (2011), international marketing & operations management, South Melbourne Igus 2015 <www.igus.de/ Aboutigus? C=DE&L=de> (4.3.2015) IKEA 2015a <www.ikea.com/ ms/ de_DE/ this-is-ikea/ aboutthe-ikea-group/ index.html> (5.3.2015) IKEA 2015b <m.ikea.com/ ms/ en_JP/ about_ikea/ facts_and_ figures/ about_ikea_group/ index.html> (5.3.2015)) IKEA 2015c <inter.ikea.com/ en/ divisions/ franchise/ > (5.3.2015) IKEA 2015d <www.ikea.com/ ms/ de_CH/ pdf/ yearly_summ ary/ ikea-group-yearly-summary-fy14.pdf> (5.3.2015) Kalp (2015); <http: / / www.cargotec.com/ en-global/ newsroom / Releases/ press-releases / Pages/ cargotec-bridges-theautomation-gap-in-terminals'.aspx> (5.3.2015) Königstorfer, J. (2008), Akzeptanz von technologischen Innovationen, Wiesbaden Kreutzer, R. T. (2014), Praxisorientiertes Online-Marketing, 2. Aufl., Wiesbaden Kroeber-Riel, W./ Weinberg, P./ Gröppel-Klein A. (2009), Konsumentenverhalten, 9. Aufl., München Mattmüller, R./ Tunder, R. (2004), Strategisches Handelsmarketing, München Mazzarol, T. (2011); The Role of Word of Mouth in the Diffusion of Innovation, in: Strategies and Communications for Innovations, hrsg. v. Hülsmann, M./ Pfeffermann, N., Berlin Heidelberg Meffert, H./ Burmann, C./ Kirchgeorg, M. (2015), Marketing, 12. Aufl., Wiesbaden <?page no="99"?> 98 Literaturverzeichnis Meier, C. (2007), Nautilus - Die Vermarktung eines neuen Softwareproduktes, in: Beiträge zum Innovationsmarketing, hrsg. v. Heger, G./ Schmeisser, W., München Mering Müller, R./ Posselt, T. (2007), Dienstleistungsinnovationen bei Industriegüterherstellern, in: Service Excellence als Impulsgeber, hrsg. v. Gouthier, M. H. J. u.a., Wiesbaden Müller-Kirschbaum, T. / Wuhrmann, J. C. / Burkhart, T. (2009), Der Kunde als Innovationsmotor bei Henkel, in: Marketing Review St. Gallen, Vol. 26, H. 2, S. 24-28 Pförtsch, W. / Müller, I. (2006), Die Marke in der Marke, Berlin Heidelberg Piercy, N. (2008), Market-Led Strategic Change: Making Marketing Happen in Your Organization, 4. Aufl., Oxford Plankert, N. (2010), Innovationen als Herausforderung für die Unternehmenskommunikation, in: Marktorientierte Problemlösungen im Innovationsmarketing, hrsg. v. Loock, H./ Steppeler, H., Wiesbaden Porter, M. E. (2013), Wettbewerbsstrategie (Competitive Analysis), 12. Aufl., Frankfurt New York Reichwald, R. u.a. (2007), Der Kunde als Innovationspartner, Wiesbaden Rogers, E. M. (2003), Diffusion of Innovations, 5. Aufl., New York Rohwetter, M. (2012), “Höchstens 50 Dollar”, in: Die Zeit Nr. 10 v. 1.3.2012 Saldsieder, N./ Saldsieder, K.A. (2010), Web 2.0 - Marketing als Instrument zur Einführung von Produktinnovationen: Chancen und Herausforderungen für die Unternehmenspraxis, in: Marktorientierte Problemlösungen im Innovationsmarketing, hrsg. v. Loock, H./ Steppeler, H., Wiesbaden Simon, H. (2012), Hidden Champions - Aufbruch nach Globalia, Frankfurt <?page no="100"?> Literaturverzeichnis 99 Simon, H. / Fassnacht, M. (2009), Preismanagement, 3. Aufl., Wiesbaden Stamm, B. von (2008): Managing Innovation, Design, and Creativity, 2. Aufl., Chichester Trommsdorff, V./ Steinhoff, F. (2013), Innovationsmarketing, 2. Aufl., München Unger, F./ Fuchs, W./ Michel, B. (2013), Mediaplanung, 6. Aufl., Berlin Heidelberg Verlegh, P.W.J./ Steenkamp, J.-B. E. M (1999), A review and meta-analysis of country-of-origin research, in: Journal of Economic Psychology, Vol. 20, S. 521 - 546 VW (2012): < http: / / www.youtube.com/ user/ myvolkswagen/ videos? view=0> (12.10.2012) Walsh, G./ Kilian, T./ Hass, B. H. (2011), Grundlagen des Web 2.0, in: in: Web 2.0, Neue Perspektiven für Marketing und Medien, hrsg. v. Walsh, G./ Hass, B. H./ Kilian, T., 2. Aufl., Berlin Heidelberg Waterschoot, W. van/ Bulte, C. van den (1992), The 4 P Classification of the Marketing Mix Revisited, in; Journal of Marketing; Vol. 56, Oct., S. 83-93 Weisenfeld, U. (2007), Chancen und Risiken des Multi-Channel- Marketings in innovativen Märken, in: Handbuch Multi- Channel-Marketing, hrsg. v. Wirtz, B. W., Wiesbaden Wentz, R.-C. (2008), Die Innovationsmaschine, Berlin Heidelberg Wünsche, M. (2007), Nutzen statt kaufen - industrielle Betreiberkonzepte als innovative Vermarktungsform, in: Innovation Driven Marketing, hrsg. v. Belz, C./ Schögel, M./ Tomczak, T., Wiesbaden <?page no="102"?> IInnddeex x Absatzwegekonfiguaration 81 adressierte Werbung 74 Aggressivitätsgrad 44 Arbitrage-Geschäfte 60 Betreiberkonzepte 65 CIA 27 CPV 27 Design 54 Diffusion 79 Direktvertrieb 81, 83, 90 Distributionshelfer 86 Distributionswege 81, 90 dynamische Preispolitik 61 E-commerce 83, 87 ECR 87 Franchising 39 gewerbliche Schutzrechte 18, 56 globale Nische 35 Herkunftsbezeichnung 53 Hidden Champions 35, 40 Imitation 19 individualisierte Kommunikation 75, 76 Ingredient Branding 55 Innovation, Begriff 9 Innovationsportfolio 28, 34 Innovationsprofil 11 interaktive Kommunikation 76 Internet-Kommunikation 77 Invention 13, 47 Joint Venture 39, 40 Kannibalisierung 83 Kommunikationszielsetzung 67, 69, 72 Kontraktgestaltung 64 Kostenführerschaft 41 Kundenintegration 49, 50, 89 Lead User 33 Lebenszyklus 34, 43 leistungsorientierte Preissetzung 65 Lizenzvergabe 38, 45, 57 made-in 53 Makro-Umfeld 17, 20, 48 Marke 54 Marktanteil 26, 37 Marktfestlegung 30, 31, 32, 45 Marktsegment 30, 32, 37 <?page no="103"?> 102 Index Marktsituation, externe 17 Marktverhältnisse 18, 23 Marktziele, ökonomische 25 Marktziele, vor-ökonomische 26 Mediaselektion 76 Meinungsführer 27, 69 Mergers & Acquisitions 37 Messen- und Ausstellungen 72 Multi-Channel-Absatz 81 Neue Medien 77 Öffentlichkeitsarbeit 73, 76, 77, 79, 90 Patent 52, 56 Penetrationsstrategie 61 persönliche Kommunikation 73, 90 Positionierung 42, 45, 71, 75 präventive Kommunikation 72 Preisbindung der zweiten Hand 61 Preisdifferenzierung 58, 60 Preisniveau 59 Preis-Reaktionskurve 59 Product Placement 73 Produkt-Markt-Kombination 34, 42 Pull- und Push-Strategie 82 Qualität 50 Qualitätsführerschaft 42 Referenzen 52 Referenzgruppen 27, 64 Screening 51 selektive Distribution 84 Signalling 51, 89 Skimmingstrategie 61 Social Media 79 Sponsoring 73 Sprinklerstrategie 43, 44 strategische Allianz 40 SWOT-Analyse 17, 22, 39 Technologiestärke 20 USP 27, 29 vertikale Kooperation 86 Vertriebslogistik 87 Vertriebsorgane 85, 94 Vor-Innovationsphase 68 Wasserfallstrategie 43, 44 Zusatzleistungen 53 <?page no="104"?> www.uvk.de Kostenrechnung verstehen, einführen und umsetzen Ohne Verständnis für die eigenen Kosten können Unternehmen langfristig nicht erfolgreich sein. Dieses Buch hilft dabei, ein zusammenhängendes Verständnis für die Kostenrechnung aufzubauen und die Teilbereiche in einem Gesamtkontext zu sehen. Nach einer Einführung in die Grundlagen des Rechnungswesens werden die Aufgaben und relevanten Datenquellen der Kostenrechnung beschrieben. Auf der Basis dieser Informationen stellt der Autor Schritt für Schritt die Funktionsweisen konzeptionell geschlossener Kostenrechnungssysteme vor. Zahlreiche Abbildungen und Tabellen tragen zu einem besseren Verständnis bei. Matthias Grünstäudl Pr ax is ha ndbuc h Ko stenrec hnu ng Grundlagen, Prozesse, Systeme 2013, 256 Seiten, flex. Einb. ISBN 978-3-86764-462-4 <?page no="105"?> www.uvk.de Verhandeln wie professionelle Ein- und Verkäufer Der Erfolg gibt ihnen Recht: die Everest- Methode von Jörg Pfützenreuter und Thomas Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gleichermaßen gefragt. Seit Jahren coachen sie Vertriebler und Einkäufer und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raffinesse, wer als Sieger vom Verhandlungstisch aufsteht. Ein Buch für alle, die im Einkauf oder Vertrieb arbeiten und ihr Verhandlungsgeschick um den alles entscheidenden Gipfelmeter voranbringen wollen. Jörg Pfützenreuter, Thomas Veitengruber Die Everest-Methode Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer 2015, 230 Seiten, flex. Einb. ISBN 978-3-86764-549-2