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Internationales Finanzmanagement

Grundlagen der internationalen Unternehmensfinanzierung

0509
2016
978-3-8649-6938-6
978-3-8676-4599-7
UVK Verlag 
Manfred Perlitz
Randolf Schrank
Kai Wiltinger

Trotz des anhaltend niedrigen Zinsniveaus in der Weltwirtschaft hat die Bedeutung eines international ausgerichteten Finanzmanagement keinesfalls an Bedeutung verloren. Die zentrale Zielsetzung besteht in der Liquiditätssicherung und damit der Sicherung der Unternehmensexistenz. Aus diesem Grund müssen sich Finanzmanager in internationalen Unternehmen darüber Gedanken machen, wie sie Kapital und Zahlungsströme vor dem Hintergrund einer rendite- oder wertorientierten Unternehmenszielsetzung optimieren können. Der Autor zeigt verständlich die Grundlagen, Prozess und Instrumente des Internationalen Finanzmanagements auf. Mit den Themen Mergers & Acquisitions sowie der Private Equity Finanzierung spricht er auch zwei Sonderprobleme an, die in diesem Umfeld eine besondere Rolle spielen. Zur Veranschaulichung enthält der Band Praxisbeispiele und eine ausführliche Fallstudie. Das Buch richtet sich an Praktiker, die einen schnellen Einstieg in das internationale Finanzmanagement suchen sowie an Studierende, die ein praktisches Verständnis für das Thema erlangen möchten.

<?page no="2"?> Ein Buch aus der Reihe Management konkret <?page no="3"?> Alle Bücher auf einen Blick finden Sie unter: www.management-konkret.de Management konkret Kompaktes Wissen für (angehende) Führungskräfte Mit den kompakten Taschenbüchern aus der Reihe Management konkret treffen Sie die richtige Wahl. Alles, was Sie im Arbeitsalltag wissen müssen, finden Sie hier übersichtlich und verständlich erklärt. Anschauliche Beispiele und Übersichten helfen dabei, sich das Wissen auf einfache Weise anzueignen und umzusetzen. Die Bücher bieten einen perfekten Einstieg in die Themen Management und Mitarbeiterführung Controlling und Rechnungswesen Planung und Steuerung von Unternehmen Marketing und Vertrieb Internet und Kommunikationskompetenz Dank des handlichen Formats sind die Taschenbücher der ideale Begleiter im Berufsalltag. <?page no="4"?> Manfred Perlitz Randolf Schrank Kai Wiltinger Internationales Finanzmanagement Grundlagen der internationalen Unternehmensfinanzierung UVK Verlagsgesellschaft mbH Konstanz und München <?page no="5"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-86764-599-7 (Print) ISBN 978-3-86496-937-9 (E-PUB) ISBN 978-3-86496-938-6 (E-PDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: © fotolia, ag visuell UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="6"?> VVoorrwwoorrtt Trotz des anhaltend niedrigen Zinsniveaus in der Weltwirtschaft hat die Bedeutung eines international ausgerichteten Finanzmanagement keinesfalls an Bedeutung verloren. Im Gegenteil machen gerade solche langfristigen Strukturänderungen in den Finanzmärkten und die zunehmende Entkopplung realwirtschaftlicher Zyklen von finanzwirtschaftlichen Zyklen eine ständige Aktualisierung der internationalen Finanzierungsstrategie notwendig. Das hierzu notwendige Instrumentarium des Finanzmanagements wird im vorliegenden Buch in kompakter Art und Weise vorgestellt. Der vorliegende Text stellt das Thema aktualisiert und umstrukturiert für sich allein dar, basiert jedoch im Wesentlichen auf den entsprechenden Teilen des Lehrbuchs „Internationales Management“ (Perlitz/ Schrank, 6. Auflage, UTB 2013). Durch diese getrennte Herausgabe wird nicht zuletzt einer Studienstruktur Rechnung getragen, welche in den letzten Jahren zunehmend modularisiert wurde und welche das Fach „Internationales Management“ in einzelne Teilvorlesungen aufgliedert. Hierdurch bietet sich auch die Möglichkeit, einzelne Schwerpunkte zu vertiefen, ohne dadurch das Gesamtwerk zum Internationalen Management zu überfrachten. Es bleibt dennoch Überzeugung der Autoren, das es die Natur des internationalen Managements ist, verschiedene Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre miteinander zu verbinden, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Insofern ist jedwede Teilstrategie, auch die der Finanzierung, vor dem Hintergrund der strategischen Ausrichtung des Gesamtunternehmens zu sehen. Wie der Untertitel bereits signalisiert, beschäftigt sich der vorliegende Band in erster Linie mit den Grundlagen der internationalen Unternehmensfinanzierung. Aspekte der Investitionsmanagements, der Budgetierung oder des Rechnungswesens, welches sich im weiteren Sinne auch zum Finanzmanagement rechnen lassen, wurden in dieser Auflage bewusst nicht aufgenommen, um das Konzept nicht zu verwässern. <?page no="7"?> 6 Vorwort Der vorliegende Band kann in der Lehre auf der Bachelor- oder der Masterebene zum Einsatz kommen, je nach Positionierung als unterstützen Literatur in einem Kurs zum internationalen Management oder als eine Basisquelle im Bereich des internationalen Finanzmanagements dienen. Dem Praktiker bietet der einen kurzen kompakten Überblick über wichtige Konzepte und Instrumente. Der Text gibt einen kompakten Überblick über den relevanten Stoff der internationalen Finanzierung und spricht im letzten Kapitel mit „Mergers & Acquisitions“ sowie der „Private Equity Finanzierung“ zwei Sonderprobleme an, die in diesem Umfeld eine besondere Rolle spielen. Wir danken Herrn Dr. Dominique Gross für den Beitrag einer Fallstudie zum Beteiligungscontrolling im Konzern. Mannheim und Mainz, im Februar 2016 Manfred Perlitz, Randolf Schrank und Kai Wiltinger <?page no="8"?> IInnhhaalltts svveerrzzeeiicchhnniiss Vorwort .................................................................................................... 5 1 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements....... 9 1.1 Ziele des internationalen Finanzmanagements ....................... 13 1.2 Rahmenbedingungen des internationalen Finanzmanagements ................................................................... 19 1.3 Akteure des internationalen Finanzmanagements.................. 26 2 Prozess und Gegenstand der internationalen Finanzierung.............................................................................35 2.1 Prozess der Kapitalbeschaffung................................................ 35 2.2 Finanzierung von Vertriebsgesellschaften............................... 41 2.3 Finanzierung von Produktionsgesellschaften ......................... 42 3 Instrumente der internationalen Finanzierung...................47 3.1 Instrumente der internationalen Fremdfinanzierung............. 47 3.2 Instrumente der internationalen Finanzdisposition ............... 53 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements..........................................................................70 4.1 Finanzierung internationaler M&A-Transaktionen................ 70 4.2 Private-Equity-Finanzierung ..................................................... 81 Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW.........................87 Quellen ................................................................................................... 95 Stichwortverzeichnis............................................................................. 99 <?page no="10"?> 11 GGrruunnddllaaggeenn ddeess iinntte errnnaatti ioonnaalleenn F Fiinnaannzz-mmaannaaggeemmeennttss Die zentrale Zielsetzung des internationalen Finanzmanagements besteht in der Liquiditätssicherung - und damit der Sicherung der Unternehmensexistenz - unter der sehr bedeutsamen Nebenbedingung der Rentabilität. Konkret bedeutet dies, dass sich das Finanzmanagement im internationalen Unternehmen damit befasst, wie in einem globalisierten Unternehmensumfeld Kapital- und Zahlungsströme vor dem Hintergrund einer rendite- oder wertorientierten Unternehmenszielsetzung zu optimieren sind. Abbildung 1 zeigt vereinfacht die Stellung des Finanzmanagements zwischen den Investoren und dem operativen Geschäft des Unternehmens sowie den typischen Entscheidungsrahmen des Finanzmanagements. Die Pfeile in Abbildung 1 stehen dabei für typische Aufgaben und Entscheidungsfelder des Finanzmanagements: Abbildung 1: Entscheidungen des Finanzmanagements Quelle: Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Allen, F., 2013 [1] Das Unternehmen generiert einen Zufluss an liquiden Mittel (Cash), z.B. durch den Verkauf von Aktien oder Anleihen, [2] das Unternehmen investiert in sein operatives Geschäft, z.B. durch den Aufbau neuer Produktionsanlagen im Ausland, <?page no="11"?> 10 1 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements [3] das Unternehmen generiert liquide Mittel aus seinem operativen Geschäft (operativer Cashflow), insbesondere durch den Verkauf seiner Produkte oder Leistungen, [4] das Unternehmen reinvestiert den operativen Cashflow in sein operatives Geschäft, [5] das Unternehmen schüttet liquide Mittel an die Investoren aus, z.B. über Dividenden, Zinszahlungen, Tilgungen, Kapitalherabsetzungen oder auch Aktienrückkäufe. Auf einer übergeordneten Ebene stehen daher folgende Aufgabenbereiche im Fokus des Finanzmanagements (Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Allen, F., 2013; Bieg, H./ Kußmaul, H., 2009): Kapitalbeschaffung (= Finanzierung im engeren Sinn), Kapitalverwendung (= Investition) und Kapitalverwaltung (= Zahlungsverkehr). Ergänzt werden die drei Kernaufgaben, über die sich die Literatur im Wesentlichen einig ist, um folgende weitere Aufgabenbereiche (Rehkugler, H., 2009): Management finanzieller Risiken, Gestaltung der Finanzmarktbeziehungen (bzw. Investor Relation) sowie organisatorische Gestaltung des Finanzbereiches. Im Hinblick auf die besonderen Fragestellungen des internationalen Finanzmanagements werden im Folgenden die Herausforderungen der Kapitalbeschaffung im globalisierten Umfeld betrachtet. Die Kapitalverwendung, das Management finanzieller Risiken und das Finanzmarketing sind hingegen nicht Schwerpunkt des vorliegenden Buches. Für eine vertiefte Beschäftigung mit diesen Fragestellungen sei auf die weiterführende Literatur zum Finanzmanagement verwiesen (Kruschwitz, L./ Husmann, S., 2012; Zantow, R./ Dinauer, J. 2011; Rehkugler, H., 2009; Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A.W., 2012). Die Hauptunterschiede zwischen einem nationalen und einem internationalen Finanzmanagement liegen in dem Erfordernis, die Anforderungen internationaler, heterogener Unternehmensstrukturen mit vielfältig divergenten politischen, ökonomischen, sozialen und technologischen lokalen Rahmenbedingungen im Finanzmanagement <?page no="12"?> 11 zu berücksichtigen. Wenn man die Aufgabenstellung von Finanzmanagern in nationalen Unternehmen mit denen von internationalen oder globalen Unternehmen vergleicht, wird man feststellen, dass in internationalen Unternehmen eine Vielzahl von Fragestellungen hinzukommt, die es so in national agierenden Unternehmen nicht gibt. Dies sind insbesondere die folgenden: die Berücksichtigung von Fremdwährung, Wechselkursen und währungsbezogenen Ausfallrisiken, die Berücksichtigung von divergierenden Inflationsrisiken, die Berücksichtigung von lokalen Beschränkungen hinsichtlich der Finanzierungsmöglichkeiten, die Berücksichtigung von heterogenen Marktgegebenheiten im Bereich der Geld- und Kapitalmärkte (Eun, C.E./ Resnick, B.G, 2014). Dabei bergen diese Faktoren nicht nur Risiken, sondern auch vielfältige Chancen wie den erweiterten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, die nationalen Unternehmen nicht offenstehen. Einige Beispiele können dies transparenter machen. Im Vergleich zum nationalen muss das internationale Finanzmanagement bei seiner Tätigkeit also ein wesentlich heterogeneres Umfeld berücksichtigen. Daraus ergeben sich zusätzliche Chancen bzw. Risiken und damit verbunden die Notwendigkeit, die angestrebte internationale Finanzpolitik an die länderspezifischen Gegebenheiten anzupassen. Insbesondere die wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Ländern üben einen beträchtlichen Einfluss auf das Finanzmanagement von Unternehmen aus. Ausländische Tochtergesellschaften eines internationalen Unternehmens unterliegen der besonderen Rechts- und Wirtschaftsordnung ihres lokalen Standortes. Das jeweilige Gesellschaftsrecht beeinflusst z.B. die Eigenkapitalausstattung, die Rechnungslegung, die Gewinnausschüttung und die Rechte der Aktionäre. Durch die Steuergesetzgebung und Kapitalverkehrsbeschränkungen einzelner Länder werden Gewinnverwendung und Kapitaltransfer des internationalen Unternehmens beeinflusst. Daneben muss das internationale Finanzmanagement die unterschiedlichen lokalen Finanzie- <?page no="13"?> 12 1 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements rungsvorschriften und die Leistungsfähigkeit der lokalen Kapitalmärkte bei der Kapitalbeschaffung berücksichtigen. Dabei ist zum Beispiel festzustellen, dass die Bedeutung der verschiedenen Finanzierungsarten historisch sehr unterschiedlich ist und erst in den letzten Jahren im Rahmen der Globalisierung angenähert hat. Abbildung 2 zeigt, dass in den USA traditionell die Finanzierung auf Kapitalmärkten, insbesondere durch Aktien, aber auch durch Anleihen eine große Rolle spielt, während die Unternehmen in Japan und Deutschland eher kreditfinanziert waren. Dies hat sich aber in beiden Ländern in den letzten zehn bzw. 20 Jahren maßgeblich geändert. Abbildung 2: Finanzstruktur (Finanzierungsarten in Prozent der Gesamtfinanzierung, 1970 bis 2008) des Unternehmenssektors in den USA, Deutschland und Japan Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, online, 2012 Internationale Unternehmen können Probleme, die durch fehlende oder nur unzureichend ausgestattete Kapitalmärkte im Ausland entstehen, gegebenenfalls durch ein internationales Finanzmanagement ausgleichen. Zudem bietet die Internationalität des Finanzmanagements in einem globalen Umfeld die Chance, Risiken zu streuen, Währungs- und Zinsgefälle zu nutzen sowie Steuervorteile und Subventionen wahrzunehmen. <?page no="14"?> 1.1 Ziele des internationalen Finanzmanagements 13 11..1 1 ZZiieellee ddees s iinntteerrnnaat tiioonnaal leenn F Fiinnaan nzzmma annaag gee-mme ennttss Wie bereits eingangs dargestellt, gelten für nationale Unternehmungen ebenso wie für international tätige Unternehmen als oberste finanzwirtschaftliche Ziele die Erreichung einer möglichst hohen Rentabilität, die Sicherung der Liquidität und der Unabhängigkeit sowie die Begrenzung spezifischer Risiken (Bieg, H./ Kußmaul, H., 2009; Rehkugler, H., 2009; Perridon, L./ Steiner, M., 2004). Das internationale Finanzmanagement muss seine Struktur und seine Aktivitäten nach diesen Zielen ausrichten. Dazu sind Entscheidungen darüber notwendig, in welchem Umfang für die derzeitige und zukünftige Geschäftstätigkeit finanzielle Mittel benötigt werden. Des Weiteren muss beschlossen werden, wie eventuell entstehende Lücken durch eine möglichst günstige Beschaffung von Kapital geschlossen und wie nicht benötigte Mittel möglichst effizient eingesetzt werden können. Im Hinblick auf das Rentabilitätsziel muss das internationale Finanzmanagement die in den jeweiligen Tochtergesellschaften benötigten Mittel zu möglichst geringen Kapitalkosten beschaffen und die unternehmensinternen Finanzströme so lenken, dass die Rendite des Gesamtunternehmens optimiert wird. Dabei kann ein Konzern anders agieren als ein national alleinstehendes Unternehmen, da nationale Unterschiede ausgenutzt werden können. Andererseits hat das Rentabilitätsziel durch die Entwicklung des wertorientierten Managements deutlich an Bedeutung gewonnen. War das Rentabilitätsziel früher eine Nebenbedingung des internationalen Finanzmanagements, steht es heute häufig im Mittelpunkt. Internationale Unternehmen stehen im globalen Wettbewerb um Investoren und müssen daher mindestens ihre marktadäquaten Kapitalkosten verdienen. So verlangte beispielsweise der VW-Konzern im Jahr 2014 insgesamt eine Rendite von 8,3%, geschäfts- und länderspezifisch wurden aber erhebliche Zuschläge verlangt (VW, 2015, online). <?page no="15"?> 14 1 1 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements Abbildung 3 zeigt schematisch die Berechnung der Kapitalkosten für eine fiktive internationale Landesgesellschaft des VW-Konzerns. Abbildung 3: Beispielhafte Berechnung der Kapitalkosten einer Landesgesellschaft. Quelle: VW, 2014, online Das Liquiditätsziel wurde historisch als wichtigstes Ziel des Finanzmanagements angesehen. Es ist dann erreicht, wenn das Unternehmen in der Muttergesellschaft und allen Tochtergesellschaften die laufenden Ein- und Auszahlungen so steuert, dass die Zahlungsfähigkeit jederzeit erhalten bleibt. Es ist tatsächlich auch so, dass in den meisten Ländern die Zahlungsunfähigkeit das Ende jedes Unternehmens bedeutet. Allerdings wird die Illiquidität heute eher als Symptom gesehen, die mangelnde Rentabilität als die dahinterliegende Ursache. Das Ziel der Erhaltung der Unabhängigkeit besagt, dass die Muttergesellschaft nicht von zu starken Einflüssen externer Kapitalgeber in einem Land abhängig werden darf. Das wird insbesondere durch eine internationale Streuung der Eigen- und Fremdkapitalquellen erreicht. Damit wird die Abhängigkeit des Unternehmens von den Kapitalmarktverhältnissen eines einzigen Landes verhindert. Das zentrale Finanzmanagement muss sich deshalb einen genügend großen Einfluss auf finanzielle Vorgänge in den ausländischen Tochtergesellschaften vorbehalten, d.h., diese treffen finanzielle Entscheidungen nur im Rahmen eines globalen Finanzkonzeptes. <?page no="16"?> 1.1 Ziele des internationalen Finanzmanagements 15 Maßnahmen zur Erreichung obiger Ziele müssen grundsätzlich auch unter Risikogesichtspunkten beurteilt werden. Dazu sind die einzelnen finanzwirtschaftlichen Risiken und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten zu analysieren, um ein akzeptables Sicherheitsniveau für das Gesamtunternehmen zu erreichen. Die im Folgenden dargestellten Aufgaben des internationalen Finanzmanagements lassen sich aus den genannten Zielsetzungen ableiten.nnnnn Interne Rahmenbedingungen des internationalen Finanzmanagements Die internen Rahmenbedingungen des internationalen Finanzmanagements sind maßgeblich durch die Fragestellung der Kapitalstruktur geprägt. Im weiteren Sinne kann man unter Kapitalstruktur die Zusammensetzung der Passivseite der Bilanz eines Unternehmens verstehen. Im engeren Sinne versteht man unter der Kapitalstruktur das Verhältnis von Fremdzu Eigenkapital. Dies ist insbesondere deshalb von übergeordneter Bedeutung, da sich Fremd- und Eigenkapital hinsichtlich vielfältiger Kriterien unterscheiden und somit die Extrempositionen der Finanzierungsmöglichkeiten darstellen. Im Rahmen des internationalen Finanzmanagements müssen im Hinblick auf die Kapitalstruktur folgende Entscheidungen getroffen werden: [1] Entscheidungen über die Kapitalstruktur des Gesamtkonzerns sowie [2] Entscheidungen über die Kapitalstruktur der Tochtergesellschaften. Hauptkriterien für die Entscheidung über die Kapitalstruktur sind die allgemeinen, oben genannten Zielsetzungen des internationalen Finanzmanagements: Rentabilitätsziel und Kapitalkosten Fremdkapital ist grundsätzlich günstiger als Eigenkapital. Daher spricht das finanzwirtschaftliche Ziel der Rentabilität zunächst für eine stärkere Fremdfinanzierung. <?page no="17"?> 16 11 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements Liquiditätsziel Eine zu hohe Verschuldung begrenzt die Möglichkeit zur Aufnahme weiterer Kredite. Daher spricht das Ziel der Liquidität grundsätzlich für eine höhere Eigenfinanzierung. Sicherung der Unabhängigkeit Weil die Mitbestimmungsrechte der Eigenkapitalgeber meist größer sind als die der Fremdkapitalgeber, spricht das Ziel der Sicherung der Unabhängigkeit für eine Fremdfinanzierung. Risikogesichtspunkte Weil eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit die wesentlichen Insolvenzgründe sind, ist eine hohe Ausstattung mit Eigenkapital für die Krisenfestigkeit eines Unternehmens wichtig. Im Rahmen des internationalen Finanzmanagements kommen noch weitere Kriterien hinzu: Lokale Gesetzgebungen, insbesondere im Bereich Steuergesetzgebung Eine Entscheidung über die Kapitalstruktur von Tochtergesellschaften hängt gegebenenfalls von konkreten Gesetzgebungen in den jeweiligen Ländern ab. So verbieten die Steuergesetzgebungen vieler Länder die vollständige Fremdfinanzierung von Tochtergesellschaften, da hierdurch Gewinne verlagert werden. Lokale Kapitalmärkte Die Versorgung an lokalen Kapitalmärkten oder auch die Inanspruchnahme von öffentlichen Förderungen, die wiederum an eine lokale Finanzierung gebunden sein können, beeinflussen die Entscheidung über die Kapitalstruktur. Lokale Risikogesichtspunkte Unterschiedliche Risikostrukturen in den lokalen Gesellschaften sowie unterschiedliche Länderrisiken beeinflussen die lokalen Finanzierungsanforderungen. Hinzu kommt auch, dass lokale Geschäftspartner (Kunden und Lieferanten) möglicherweise Mindestanforderungen an die Kapitalausstattung der Landesgesellschaften haben. <?page no="18"?> 11..11 Ziele des internationalen Finanzmanagements 17 Risikostreuung im Konzern Unter Risikostreuung wird der Grad verstanden, inwieweit die Muttergesellschaft für die finanziellen Verpflichtungen der Tochtergesellschaften bürgt. Dies kann auch bei Kapitalgesellschaften - mit beschränkter Haftung - durch lokale Gesetzgebungen (Gesetze oder Rechtsprechung zur Konzerndurchgriffshaftung) oder bilaterale Verträge (Patronatserklärungen) beeinflusst werden. Das Finanzmanagement des internationalen Unternehmens muss anhand der genannten Kriterien entscheiden, wie eine geeignete Kapitalstruktur sowohl im Konzern als auch bei den einzelnen Tochtergesellschaften erreicht werden kann. Dabei gibt es drei grundsätzliche Vorgehensweisen (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2014): [1] Grundsätzliche Zentralisierung mit Durchsetzung einheitlicher Kapitalstrukturregeln im Konzern, [2] eigenständige Finanzierungsentscheidungen auf Landesebene mit dem Ziel, die jeweils vorherrschenden Kapitalstrukturregeln zu befolgen, [3] opportunistisches Verhalten, je nachdem, wie lokale Märkte, lokale Steuern, lokale Förderungen oder auch Kosten und Risiken dies erlauben. In den meisten globalen Konzernen hat sich die dritte Vorgehensweise durchgesetzt. Wichtigste Triebkraft dabei ist die Vermeidung von Steuern. Beispiel hierfür sind Unternehmen wie Apple, Facbook oder Google, die z. B. in Europa sogut wie keine Steuern zahlen. Die Entscheidung über die Ausstattung von ausländischen Tochtergesellschaften mit Eigenkapital wird meist zentral vom Finanzmanagement der Muttergesellschaft getroffen. Damit soll eine einheitliche Unternehmens- und Bilanzpolitik im Konzern ermöglicht werden. Im Folgenden sollen einige wenige spezielle Aspekte zur Kapitalstruktur im Konzern hervorgehoben werden. <?page no="19"?> 18 1 1 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements Eigenkapitalquote und Auslandsrisiken Eine niedrige Eigenkapitalquote wird insbesondere bei ausländischen Tochtergesellschaften relevant, die in Ländern mit hoher politischer Instabilität und mit hohem Währungsrisiko operieren. Besteht die Gefahr der Enteignung und ist der Kapitaltransfer und/ oder die Gewinnrepatriierung eingeschränkt, dann bietet sich eine niedrige Eigenkapitalquote an, um die Risiken in dem betreffenden Ausland zu senken. Da sich Kapitalgeber i.d.R. an der Weltbilanz orientieren und die Banken häufig zusätzliche Sicherheiten verlangen, wird die Bonität der Tochtergesellschaften trotz einer niedrigen Eigenkapitalausstattung nicht zwingend negativ beeinflusst (Büschgen, H.E., 1997). Jedoch führt eine niedrige Eigenkapitalausstattung der Tochtergesellschaften zu einer Verschlechterung der Kapitalstruktur in der Weltbilanz. Bei der Bestimmung der Eigenkapitalquote sind die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten im Gastland zu beachten, damit keine Finanzierungslücken auftreten. Eigenkapitalquote und länderspezifische Gegebenheiten Eine Anpassung der Kapitalstruktur an die länderspezifischen Gegebenheiten wird oft damit begründet, dass eine eigenständige Kreditwürdigkeit der Tochtergesellschaft im Ausland sichergestellt werden soll. Es ist jedoch fraglich, ob sich dadurch die Bonität der Tochtergesellschaft im Gastland wirklich verbessert, da die Kreditwürdigkeit von Tochtergesellschaften zunehmend am Gesamtkonzern gemessen wird. Will die Muttergesellschaft die Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns nicht gefährden, dann muss sie durch das Financial backing ihrer ausländischen Tochtergesellschaften für deren Zahlungsverpflichtungen einstehen. Steuerliche und risikopolitische Überlegungen sind weitere Gründe dafür, dass internationale Unternehmen ihre ausländischen Tochtergesellschaften mit unterschiedlichen Eigenkapitalquoten ausstatten. Eine Erhöhung der Eigenkapitalquote ergibt sich zwangsläufig durch Kapitalverkehrsbeschränkungen, wenn z.B. Gewinne nicht an die Muttergesellschaft überführt werden dürfen. Dann führt die Thesaurierung von Gewinnen zwangsläufig zu einer Eigenkapitalerhöhung. <?page no="20"?> Eigenkapitalquote und Kapitalstruktur im Konzern Das internationale Finanzmanagement ist im Allgemeinen bestrebt, eine Vereinheitlichung der Kapitalstruktur im Konzern zu erreichen. Dazu ist die Anpassung der Kapitalstruktur der ausländischen Tochtergesellschaften an die der Muttergesellschaft notwendig. Damit soll erreicht werden, dass die Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns nicht gefährdet wird. Die Risikoposition der Muttergesellschaft und deren internationales Rating werden u.a. durch die Kapitalstruktur in der Weltbilanz beeinflusst. Die Gestaltung der Kapitalstruktur der ausländischen Tochtergesellschaften ist somit ein strategisches Entscheidungsproblem der Muttergesellschaft. Diese Gestaltung hängt von der Finanzierungsphilosophie der Obergesellschaft ab: Entweder sie stattet alle ausländischen Tochtergesellschaften so mit Kapital aus, dass sie selbstständig und unabhängig wie eine dritte Gesellschaft agieren können, oder sie lässt sich von der beschriebenen Philosophie des Risiko-Ressourcen-Verbunds leiten. 11..22 RRaahhmmeennbbeeddiinngguunnggeenn ddeess iinntteerrnnaattiioonnaalleenn FFiinnaannzzmmaannaaggeemmeennttss Wechselkurse und Wechselkurssysteme Die Zunahme des globalen Handels und die daraus entstandene Globalisierung der Wirtschaft haben dazu geführt, dass die Volkswirtschaften der Welt noch stärker miteinander verknüpft sind. Die erste Finanzkrise von 2007 bis 2009 hat dabei eindrucksvoll bewiesen, dass dies nicht nur positive Konsequenzen hat: Aus einer lokalen Immobilienkrise in den USA ist in wenigen Monaten eine globale Wirtschaftskrise entstanden (Deimel, K./ Heupel, T./ Wiltinger, K., 2012). Wechselkurse zwischen Währungen reflektieren die Verknüpfungen zwischen den Volkswirtschaften. Technisch formuliert ist ein Wechselkurs der Preis einer Währung ausgedrückt in den Einheiten einer anderen Währung. Als Dollarkurs bezeichnet man in Europa den Euro/ US-Dollar-Kurs (EUR/ USD), d.h. die Anzahl von US- Dollars, die man benötigt, um einen Euro zu kaufen (Shapiro, A.C., 2013). Rahmenbedingungen 19 <?page no="21"?> 20 11 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements Wechselkurse bilden sich letztlich durch Angebot und Nachfrage nach einer Währung. Wie ein Wechselkurs entsteht bzw. beeinflusst wird, kann man an einem einfachen Beispiel erläutern: Exportiert ein Land zum Beispiel deutlich mehr Güter in ein anderes Land, als es aus diesem bezieht, hat es einen positiven Saldo der sogenannten Leistungsbilanz. Dies wird dazu führen, dass die Unternehmen der exportierenden Nation die Fremdwährung, die sie durch ihre Güter oder Dienstleistungen erlösen, in die eigene Währung zurücktauschen wollen. Die Nachfrage nach der eigenen Währung steigt. Dies sollte - ceteris paribus - dann dazu führen, dass der Wechselkurs der eigenen Währung steigt, nämlich der Preis der eigenen Währung ausgedrückt in Einheiten der Fremdwährung. Nun sollte der steigende Wechselkurs der eigenen Währung eigentlich dazu führen, dass sich die Güter und Dienstleistungen der exportierenden Nation in dem anderen Land verteuern, die Nachfrage sich abschwächt und sich so ein stabiles Gleichgewicht einstellt. Die Wirkung der starken Exportorientierung einer Volkswirtschaft auf die Wechselkurse kann anhand historischer Wechselkursentwicklungen aufgezeigt werden. Die Wechselkurse von DM und Dollar (USD/ DM-Kurs) zwischen 1950 und 1980 zeigen das ungebrochene Wirtschaftswunder in Deutschland. Damals gab es jedoch noch keine flexiblen Wechselkurse, sondern diese wurden durch staatliche Stellen bestimmt (System starrer Wechselkurse). Erst ab 1980 bis zum Ende der DM im Jahr 1998 kommt es zu echten Schwankungen, wobei immer noch eine Aufwertungstendenz der DM festzustellen war (vgl. Abbildung 4). Abbildung 4: Historische Entwicklung des Dollarkurses zur DM bis zur Einführung des Euro. Quelle: Deutsche Bundesbank, 2012, online <?page no="22"?> Der relativ „einfach“ strukturierte exportbezogene Erklärungsansatz galt in den letzten Jahren in Bezug auf die chinesische Währung Renminbi, die einer ständigen Aufwertungstendenz unterlag. Jedoch wird auch der Renminbi anhand fast starrer Wechselkurse von staatlicher Seite festgelegt. Auf dieser sehr abstrakten Ebene lassen sich Wechselkurse und Wechselkursschwankungen also relativ einfach nachvollziehen und erklären. In der Praxis werden die Nachfrage nach einer Währung und die Wechselkurse dieser Währung nicht nur durch den Export von Waren oder Dienstleistungen beeinflusst. Die Höhe des Wechselkurses hängt auch von grenzüberschreitenden Erwerbs- und Vermögenseinkommen, von Übertragungen ohne Gegenleistung (wie Rentenzahlungen ins Ausland), von Investitionen im Ausland und von den Devisenkäufen der Zentralbanken ab. Daneben beeinflusst eine ganze Reihe von weiteren politischen und volkswirtschaftlichen Faktoren die Wechselkurse, von denen nur einige hervorgehoben werden sollen (Shapiro, A.C., 2013): die relativen Inflationsraten, die relativen Zinsniveaus, das relative Wirtschaftswachstum und damit das wirtschaftliche Risiko einer Volkswirtschaft sowie das politische Risiko einer Volkswirtschaft. Letztendlich führt die Vielzahl von Einflussfaktoren und die enorme Komplexität und Dynamik dazu, dass es zwar möglich ist, ex post langfristige Wechselkursschwankungen zu erklären, aber selbst eine kurzfristige Prognose von Wechselkursen mit erheblichen Risiken behaftet ist. Dies war historisch gesehen nicht immer so. Betrachtet man die Entwicklung der Wechselkurssysteme seit Beginn der Industriellen Revolution Anfang des 19. Jahrhunderts, haben sogenannte Festkurssysteme (starre Wechselkurse) dominiert. Bei einem Festkurssystem garantieren eine oder mehrere staatliche Stellen, meist die Zentralbanken der beiden Länder, einen festen Wechselkurs. Droht sich ein Wechselkurs aus den oben genannten Gründen zu verändern, muss die garantierende Zentralbank den Wechselkurs stützen. Dies geschieht, indem sie selbst am Devisenmarkt tätig wird: Droht Rahmenbedingungen <?page no="23"?> 22 1 1 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements eine Aufwertung der eigenen Währung, wird diese verkauft; droht dagegen eine Abwertung, wird diese gekauft. Das wohl bekannteste Festkurssystem war das zwischen 1945 und 1972 existierende Bretton-Woods-System, in dem zunächst 44 Länder ihre Währung gegenüber dem US-Dollar fixiert haben (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2014). Letztlich ist aber auch die Einführung des Euro als gemeinsame Währung etlicher europäischer Länder der Versuch, einen internationalen Handel ohne Wechselkursschwankungen zu etablieren. Festkurssystemen stehen Systeme mit flexiblen Wechselkursen gegenüber, in denen die Wechselkurse frei schwanken. Die Vorteile eines Festkurssystems liegen letztlich auf der Hand. Die sichere Kalkulierbarkeit der Wechselkurse senkt das Risiko für die Unternehmen und verringert die Transaktionskosten. Auf der anderen Seite hat die Historie gezeigt - und zeigt letztlich auch die Eurokrise der Jahre 2011 und 2012 -, dass langfristig keine staatliche Institution in der Lage ist, Wechselkurse gegen die Marktkräfte, die auf den oben aufgeführten volkswirtschaftlichen Faktoren basieren, zu verteidigen. Im Jahr 2014 und 2015 konnte man die Auswirkungen einer massiven Aufwertung anhand des Schweizer Franken gegenüber dem Euro sehr gut beobachten. Insbesondere der Fremdenverkehr in der Schweiz leiden sehr stark unter der Aufwertung (FAZ-Online, 2015, online). Internationale Kapitalmärkte Voraussetzung für die reibungslose Kapitalbeschaffung sind funktionierende Kapitalmärkte. Kapitalmärkte gehören zu den Finanzmärkten. Klassischerweise unterscheidet man bei den Finanzmärkten zwischen Geldmärkten und Kapitalmärkten (siehe Abbildung 5). Während der Geldmarkt die kurzfristige Geldanlage und -aufnahme charakterisiert und insbesondere durch das Interbankengeschäft geprägt ist, versteht man unter den Kapitalmärkten den Markt für die längerfristige Kapitalanlage und -aufnahme. Innerhalb der Kapitalmärkte spielen die Wertpapierbörsen, an denen Eigenkapital (meist in Form von Aktien) und Fremdkapital (weitgehend in Form von Anleihen) gehandelt werden, eine besondere Rolle. <?page no="24"?> Abbildung 5: Unterteilung der Finanzmärkte Quelle: Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2012 Während man vor einigen Jahren noch davon ausging, dass nur einige wenige Unternehmen auf internationalen Kapitalmärkten aktiv sind, und auch nur dann, wenn der nationale Kapitalmarkt ausgeschöpft ist, ist eine internationale Kapitalbeschaffung heute kein Sonderfall mehr, wie Abbildung 6 zeigt. Abbildung 6: Anteil ausländischer Investoren am Grundkapital von ausgesuchten Dax-Unternehmen. Quelle: Handelsblatt, 28.12.2008; Spiegel Online, 2015, online Die internationalen Kapitalmärkte kann man letztlich in Märkte für Eigen- und Fremdkapital unterteilen. Unter den Märkten für Eigenkapital spielen die internationalen Aktienbörsen eine dominie- Finanzmärkte Geldmarkt Kapitalmarkt Wertpapierhandel = Kapitalmarkt i.e.S. (auf Primär- und Sekundärmarkt) börslich außerbörslich Unternehmensgeldmarkt Bankengeldmarkt Geldmarkt i.e.S. Geldmarktpapiere Zentralbankguthaben Industrieclearing Konzernclearing Rahmenbedingungen <?page no="25"?> 24 11 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements rende Rolle. Abbildung 7 zeigt die Bedeutung der wichtigsten Börsen auf Basis des Börsenumsatzes. Abbildung 7: Die größten Aktienbörsen. Quelle: World Federation of Exchange, 2014, online; Bundeszentrale für politische Bildung, 2014, online Neben den Märkten für Eigenkapital spielen die Märkte für börsengehandeltes Fremdkapital, also Anleihen, eine wichtige Rolle. Der weltweite Umsatz mit Anleihen ist allerdings deutlich geringer als der Aktienhandelsumsatz und lag bei ca. 40 Mrd. USD (WFE, 2015, online). Abbildung 8: Nationale, internationale und Offshore-Finanzmärkte <?page no="26"?> Wie Abbildung 8 zeigt, bezeichnet man eine Anleihe dann als international, wenn Gläubiger und Schuldner aus verschiedenen Ländern stammen. Ursprünglich war zum Beispiel charakteristisch für Schweizer Auslandsanleihen, dass in der Regel der Gläubiger seinen Sitz in der Schweiz und der Schuldner in einem anderen Land hatte und darüber hinaus die Emission in Schweizer Franken erfolgte. Seit Anfang der 1960er Jahre wurde das Kapitalmarktszenario ergänzt durch die sog. Offshore-Märkte, die sich außerhalb des hoheitlichen Geltungsbereichs von Nationalstaaten befinden und sich von den anderen Märkten durch ein wesentlich geringeres Regelwerk unterscheiden. Sie führen im Bereich der Nationalstaaten entsprechend ihrer Bezeichnung eine Art Inseldasein und sind die internationalsten Märkte überhaupt, weil in der Regel Gläubiger und Schuldner aus verschiedenen Ländern stammen, die Emissionswährung eine andere als die des Gläubigers oder Schuldners sein kann und der Finanzplatz als Ort von Emission und Handel ebenfalls unterschiedlich ist. Unter allen internationalen Finanzmärkten hat der Euromarkt eine besondere Bedeutung (siehe Abbildung 9). Auf dem Euromarkt agieren in der Regel nur die größten Kapitalnachfrager und die institutionellen Kapitalgeber wie Versicherungen, Investmentfonds, Pensionsfonds. Der Name „Euromarkt“ liegt in der Tatsache begründet, dass Emissionen vorwiegend in Europa stattfinden. Er gliedert sich zum einen in den Eurogeldmarkt, der die Refinanzierungsquelle der Banken für den Eurokreditmarkt darstellt und dessen Gegenstand die Emission und der Handel von Geldmarkttiteln mit einer Laufzeit von maximal 18 Monaten ist. Zum anderen gibt es den Eurokreditmarkt, auf dem die Eurobanken den Nichtbanken mittel- und langfristige Kredite zur Verfügung stellen. Und letztlich existiert der Eurokapitalmarkt, dessen Gegenstand die Emission und der Handel von mittel- und langfristigen Anleihen ist. Vorteile der Euromächte sind der freie Marktzutritt, das Nichtvorhandensein von Reglementierungen, steuerliche Vorteile für die Anleger und die schnelle und problemlose Abwicklung. Rahmenbedingungen <?page no="27"?> 26 11 Grundlagen des internationalen Finanzmanagements Abbildung 9: Teilmärkte des Euromarktes Quelle: Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2012 11..33 AAkktteeuurre e ddeess iinntteerrnna attiioonnaalleenn FFiinna annzzmmaannaa-ggeemmeennttss Träger der Kapitalbeschaffung Zu den Akteuren auf den internationalen Finanzmärkten zählen aus Sicht eines Unternehmens die Träger der Kapitalbeschaffung. „Die Aufgabe der Kapitalbeschaffung kann“, wie Pausenberger festgestellt hat, „prinzipiell von jeder Konzerngesellschaft wahrgenommen werden: von der kapitalbedürftigen Tochtergesellschaft, der Muttergesellschaft oder anderen (operativen) Konzerngesellschaften“ (Pausenberger, E., 1995). Unternehmen prüfen die lokale Fremdfinanzierung, wobei das politische Risiko, die Vermeidung des Währungsrisikos und die Kosten eine bedeutende Rolle spielen. Außerdem kommt es darauf an, ob es sich um Länder mit freiem Kapitalverkehr und ausreichenden Finanzierungsquellen handelt oder mit eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten, in denen allenfalls kurzfristige Geschäftskredite verfügbar sind. In letzteren werden häufig vonseiten der Muttergesellschaft Sicherheiten verlangt werden, die bei Patronatserklärungen beginnen und bis zu den verschärften Formen der Bürgschaft reichen können. Soll der internationale Kapitalmarkt in Anspruch genommen werden wird häufig von der Muttergesellschaft eine zuvor gegründete Finanzierungsgesellschaft zwischengeschaltet, deren Zweck es ist, <?page no="28"?> 11..33 Akteure des internationalen Finanzmanagements 27 als Kapitaldrehscheibe zu dienen. Sie nimmt dann für die Tochtergesellschaften die zur Deckung des gebündelten Finanzbedarfs erforderlichen Mittel auf und reicht sie anschließend an die Tochte rgese llsc haft en w eit er. Da si e selbs t keine V er mö ge n be sit ze n, aber an die Stelle der Muttergesellschaft treten, werden sie diese Mittel nur aufnehmen können, wenn die Muttergesellschaft eine Garantie übernimmt. Banken und Finanzdienstleister Eine zweite Gruppe von Akteuren sind Finanzintermediäre. Das sind im Wesentlichen Banken oder Finanzdienstleister. Dabei sind Banken keine homogene Branche, sondern in ihrem Leistungsspektrum inhomogen. Welche Geschäftsbereiche eine Bank haben kann, lässt sich am Beispiel einer typisierten Universalbank zeigen (siehe Abbildung 10). Abbildung 10: Geschäftsfelder einer Universalbank Quelle: Börner, C., 2000 Im Rahmen des internationalen Finanzmanagements sind insbesondere die Leistungen im Bereich des Firmenkundengeschäftes von Interesse. Dies sind: Geschäftsfelder „Mengenkunden“ Geschäftsfelder „Private Individualkunden“ Geschäftsfelder „Firmenkunden“ Geschäftsfelder „Institutionelle Kunden/ Banken“ Leistungen aus dem Commercial Banking • Zahlungsverkehr • Ratenkredite • Einfache Immobilienkredite • Kontensparen • Zahlungsverkehr • Immobilienkredite • Termingelder • Zahlungsverkehr/ Cash Management • Investitionskredite • Konsortialkredite • Clearing • Geldmarktgeschäfte • Termingelder Leistungen aus dem Investment Banking • (Sparbriefe) • Investmentfonds • Vermögensberatung und Asset Management • Wertpapierkommissions- und Depotgeschäft • Derivate • Emissionsgeschäft • Transaktionsstrukturierung • M&A-Geschäft • Derivate • Geldmarktgeschäfte • Asset Management • Wertpapierkommissions- und Depotgeschäft • Derivate <?page no="29"?> 28 1 Instrumente der internationalen Finanzierung [1] Leistungen des Commercial Banking (a) Zahlungsverkehr/ Cash-Management (b) Investitionskredite (c) Konsortialkredite [2] Leistungen des Investment Banking (a) Emissionsgeschäft (b) Transaktionsstrukturierung (c) M&A-Geschäft (d) Derivate Auch wenn man eine typische nationale Bank nicht anhand einiger weniger eng definierter Kriterien von der typischen internationalen Bank unterscheiden kann, gibt es doch einige Aspekte, die internationale Banken kennzeichnen. Internationale Banken nehmen am Eurogeldmarkt teil, indem sie sich dort refinanzieren. Internationale Banken sind Teilnehmer in Syndikaten, die Kredite mit großen Volumina an globale Konzerne oder Gebietskörperschaften vergeben. Internationale Banken haben häufig ein ausgeprägtes Investment Banking und beraten ihre Kunden weltweit im Rahmen der oben genannten Leistungen. Eun und Resnick (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2014) nennen Gründe, warum Banken ein internationales Geschäft aufbauen: Grenzkosteneffekte Internationale Banken können ihr nationales Geschäftsmodell international zu geringeren Grenzkosten anbieten als rein lokale Konkurrenten. Know-how-Vorteile Die Niederlassungen von internationalen Banken profitieren von dem Know-how der Muttergesellschaften in Bezug auf den Heimmarkt der Bank. Prestige Große internationale Banken gelten grundsätzlich als professioneller, sicherer und zahlungskräftiger als nationale Banken. <?page no="30"?> 11..33 Akteure des internationalen Finanzmanagements 29 Geringere Regulierung Internationale Banken können Nachteile durch eine stärkere Regulierung in einem lokalen Markt häufig durch die Einbeziehung von Niederlassungen in anderen Märkten kompensieren. Kundennähe Die Globalisierung der eigenen Kunden macht es auch für Banken erforderlich, zu internationalisieren. Transaktionskosten Durch eine Globalisierung können internationale Banken unterschiedliche lokale Marktbedingungen, Gesetzgebung oder sonstige Umfeldbedingungen ausnutzen. Wachstum Eine Internationalisierung ist für eine nationale Bank in vielen Fällen eine der wenigen Möglichkeiten, zu wachsen. Risikostreuung Eine Internationalisierung bietet die Chance der Risikostreuung. Durch eine Internationalisierung ist die Bank nicht mehr von dem wirtschaftlichen Umfeld eines einzigen Landes abhängig. Abbildung 11: Top-15 Geschäftsbanken. Quelle: Statista, 2015, online <?page no="31"?> 30 1 Instrumente der internationalen Finanzierung Während früher die Banken aus den klassischen Industrienationen im globalen Banking führend waren, hat sich dies innerhalb der letzten Jahre maßgeblich verändert. Abbildung 11 zeigt, dass vier der zehn nach dem Börsenwert größten Banken chinesische Banken sind. Schließlich sind noch die supranationalen Finanzintermediäre zu berücksichtigen, denen zumeist eine der folgenden Aufgaben zukommt: Förderung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der staatlichen und privatwirtschaftlichen Finanzwirtschaft sowie Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in bestimmten Regionen. Beispiele für Finanzintermediäre sind globale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbankgruppe oder die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung oder regionale Organisationen wie die Interamerikanische Entwicklungsbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, die Asiatische Entwicklungsbank oder auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Die Aktivitäten ausländischer Geschäftsbanken auf internationaler Ebene können in organisatorischen Gestaltungsformen gekleidet sein als: Selbstständige Tochtergesellschaft eines internationalen Bankkonzerns Hier handelt die Tochtergesellschaft als rechtlich eigenständige Bank im nationalen Bankensystem des Gastlandes. Allerdings haftet die Konzernmutter meist für die Risiken durch eine Patronatserklärung und organisiert die Refinanzierung. Zweigniederlassung Eine Zweigniederlassung ist meist rechtlich unabhängig, aber bezüglich der Haftung voll in die Hauptniederlassung eingebunden. Repräsentanz in Form eines Büros Repräsentanzen erledigen keine eigenen Bankgeschäfte, sondern vermitteln oder beraten im Hinblick auf die Leistungen der Muttergesellschaft. <?page no="32"?> 11..33 Akteure des internationalen Finanzmanagements 31 Zusammenarbeit mit einer anderen Bank (Korrespondenzbank) Die Wahl der jeweiligen Organisationsform hängt von verschiedenen Faktoren ab: Gesetzliche Bestimmungen Es gibt Länder, die aufgrund von Gesetzen und Verordnungen den freien Zugang ausländischer Banken im Sinne einer Full Service Bank verhindern oder beschränken. Es sind die Regierungen, die keine Zweigniederlassungen zulassen oder die Errichtung von 100%igen Tochtergesellschaften ausländischer Banken verbieten. Während die Vereinigten Staaten und die Mehrzahl der Industrieländer ausländischen Banken nur geringe Beschränkungen auferlegen, sind andere Länder zurückhaltender und nicht so großzügig. Lokale Ressourcen Lokale Ressourcen sind finanzielle Mittel und geeignetes, qualifiziertes Personal bereitzustellen. Die Gründung einer Tochtergesellschaft erfordert einen höheren Kapitaleinsatz als eine Zweigniederlassung, während für eine Repräsentanz der geringste Kapitaleinsatz benötigt wird. Da für eine internationale Bank das Personal die wichtigste Ressource ist, sind hoch qualifizierte und für den Auslandseinsatz gut ausgebildete Führungskräfte eine conditio sine qua non. Sie sind das größte Aktivum, das für die Bank auch die Gefahr mit sich bringt, dass sie von Wettbewerbern umworben bzw. abgeworben werden. Sie müssen nicht nur über analytische Fähigkeiten verfügen, sondern vor allem unternehmerisch denken können, kreativ sein und Führungsqualitäten aufweisen. Darauf müssen sich Banken vor einem Auslandseinsatz gut vorbereiten. Steuerliche Überlegungen Sie sind bei allen unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigen, ohne freilich alleinige Priorität zu genießen. Dabei kommt es auf die gewählte Organisationsform der Bank, ihre Ertragssituation und die der Obergesellschaft, das Verhalten bezüglich der Gewinnverwendung, die Steuergesetze des eigenen und des Gastlandes sowie mögliche Außensteuergesetze und Doppelbesteuerungsabkommen an. <?page no="33"?> 32 1 Instrumente der internationalen Finanzierung Banken finden es empfehlenswerter, in armen Ländern Repräsentanzen zu gründen, während sie in reichen Ländern dazu neigen, Zweigniederlassungen zu errichten. Hintergrund ist, dass die Gründung von selbstständigen Tochtergesellschaften nur in Ländern vorgenommen wird, die sich durch liberale Bestimmungen und ein hohes Pro-Kopf-Einkommen auszeichnen. Immerhin hat sich die Zahl ausländischer Banken in den verschiedenen Gastländern seit den 1960er Jahren explosionsartig erhöht (Hughes, J.E./ MacDonald, S.B., 2001). Für viele Banken ist London zum Zentrum ihrer internationalen Aktivitäten geworden. Daneben ist New York ein wichtiger Finanzplatz. Hier können ausländische Banken unter den gleichen Bedingungen wie amerikanische Bankenarbeiten. Anfang der 1990er Jahre zählten die japanischen Banken, später die holländischen, kanadischen, britischen, französischen Banken sowie die Hongkong Shanghai-Bank zu den sogenannten „big playern“. Die protektionistische Politik in vielen Ländern Asiens hat ausländische Banken daran gehindert, dort einen höheren Marktanteil zu erwerben. Derzeit engagieren sich ausländische Banken in Zentraleuropa, vorzugsweise in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei, weniger auf dem Balkan und in Russland. Viele Auslandsbanken, insbesondere Banken aus Spanien, Deutschland und Italien, sehen wiederum Chancen in Südamerika, und zwar vornehmlich dort, wo sich die gesamtwirtschaftliche Situation stabilisiert hat (Hughes, J.E./ MacDonald, S.B., 2001). Organisation des internationalen Finanzmanagements im Unternehmen Bei Kapitalmarkttransaktionen kann ein zentrales Finanzmanagement internationale Unterschiede ausnutzen, zunehmende Skalenerträge erzielen, Synergieeffekte realisieren und einen internationalen Risiko- und Liquiditätsausgleich vornehmen. Andererseits sind regionale Anpassungen notwendig, um die Komplexität der Entscheidungsgrundlagen zu verringern. Kapitalverkehrsbeschränkungen, mangelnde Konvertierbarkeit der Währungen, Restriktionen auf lokalen Geld- und Kapitalmärkten, steuerliche Gesichtspunkte sowie Beschränkungen in den Eigentumsverhältnissen sind Gründe dafür, dass internationale Unter- <?page no="34"?> 11..33 Akteure des internationalen Finanzmanagements 33 nehmen organisatorische Strukturen wählen, die ein adäquates Verhältnis zwischen Zentralisation und Dezentralisation im Finanzbereich ermöglichen. Es kommt so zur Bildung von Konzernbanken, Finanzierungsgesellschaften, Projektfinanzierungsgesellschaften und Holdinggesellschaften. Einzelne internationale Unternehmen haben selbst Konzernbanken gegründet, die vom zentralen Finanzmanagement das gesamte Cash-Management einschließlich des Währungsmanagements und die Außenhandelsfinanzierung übernehmen. Sie dienen als Servicegesellschaft der Konzernleitung, können aber auch Finanzdienstleistungen an außenstehende Dritte verkaufen. Als finanzwirtschaftliche Servicegesellschaften helfen sie einzelnen Konzerngesellschaften oder Unternehmensteilen bei der Kapitalbeschaffung und der Platzierung von Wertpapieremissionen oder gewähren ihnen direkt aus eigenen Mitteln Kredite. Der Vorteil der Konzernbanken gegenüber dem herkömmlichen Finanzmanagement kann in dem bankenspezifischen Privileg liegen, über die Eigenkapitalbasis hinaus Kredite zu vergeben. Da die Aktivitäten einer Konzernbank vom zentralen Finanzmanagement ebenfalls effizient geleistet werden können und ein leistungsfähiges Kreditgewerbe zur Verfügung steht, gründeten nur wenige deutsche Konzerne eigene Banken. Ursache ist, dass Konzernbanken das Kreditwesengesetz berücksichtigen müssen. Die wenigen in Deutschland bestehenden Konzernbanken sind meist durch Fusionen oder Akquisitionen dem Unternehmen bzw. dem Konzern angegliedert worden. In Japan hingegen ist eine Reihe von großen Konglomeraten („Keiretsu“) aus Banken hervorgegangen. Häufiger findet man in der Praxis die Gründung von Finanzierungsgesellschaften. Diese übernehmen die Aufgabe, insbesondere das Cash-Management, das Währungsmanagement und die Kapitalbeschaffung für den Gesamtkonzern durchzuführen. Sie sind oft rechtlich selbstständige Gesellschaften, die meist in einem Land mit günstigen devisen-, privat- und steuerrechtlichen Bestimmungen angesiedelt werden (z.B. Cayman Islands, Jersey, Curaçao, Luxemburg). Darüber hinaus verfügen diese Länder über eine hohe politische Stabilität, ein qualifiziertes Dienstleistungsangebot, einen leistungsfähigen Kapitalmarkt sowie eine gut entwickelte Infrastruktur im Kommunikations- und Verkehrsbereich. Wichtig <?page no="35"?> 34 1 Instrumente der internationalen Finanzierung ist, dass ein freier Kapitalverkehr möglich ist, die staatliche Reglementierung des Kapitalmarktes auf ein Mindestmaß beschränkt ist und ein günstiger Zugang zu den internationalen Finanzmärkten besteht. Mit der Gründung von Finanzierungsgesellschaften versuchen Unternehmen, ihre finanzwirtschaftliche Flexibilität zu erhöhen, die Kreditkonditionen weltweit zu verbessern sowie internationale Kapitalmarktunvollkommenheiten und steuerliche Vorteile global auszunutzen. Einen Sonderfall stellen Projektfinanzierungsgesellschaften dar. Sie werden für ein einzelnes Großprojekt gegründet. Durch entsprechende Finanzierungs- und Vertragsgestaltungstechniken wird versucht, die mit dem Projekt verbundenen Risiken für das Unternehmen möglichst gering zu halten. Zu diesem Zweck werden die laufenden Zins- und Tilgungszahlungen aus dem Cashflow des Projektes geleistet und den Kapitalgebern wird als Sicherheit das Projekt selbst angeboten. Projektfinanzierungsgesellschaften findet man meist im Energie- und Rohstoffversorgungsbereich, wo i.d.R. auch langfristige Absatzverträge bestehen. Auch Projektfinanzierungsgesellschaften werden oft in sogenannten Steueroasen bzw. Off-Shore-Finanzzentren gegründet, um bestimmte rechtliche und steuerliche Vorteile auszunutzen. Die Bildung von Holdinggesellschaften wird mit finanzwirtschaftlichen Risikogesichtspunkten, mit der Vereinfachung der Kapitalbeschaffung, mit der Erzielung günstiger Konditionen bei der Finanzierung und durch steuerliche Vorteile begründet. Hierbei ist das Außensteuergesetz zu berücksichtigen. Insbesondere eine geringe Besteuerung der Kapitalerträge, des Vermögens und des Kapitalverkehrs spielen bei der Standortwahl für die Holdinggesellschaft eine große Rolle. Eine Optimierung der steuerlichen Belastung kann, begrenzt durch rechtliche Bestimmungen, durch einen Gewinntransfer in die Holdinggesellschaft, eine entsprechende Gestaltung der konzerninternen Verrechnungspreise, eine optimale Gestaltung der Kreditvergabe sowie der Kapitalanlage und des damit verbundenen Währungs- und Zinsmanagements erreicht werden. So können sich Gewinnanteile in den Holdinggesellschaften ansammeln, die einer niedrigeren Besteuerung unterliegen und von dort aus direkt in unterschiedlichen Tochtergesellschaften investiert werden. <?page no="36"?> 22 PP r r o o z z e e s s s s u u n n d d G G e e g g e e n n s s t t a a n n d d d d e e r r i i n n t t e e r r n n a a t t i i o o - nnaalleenn FFiinnaannzziieerruunngg 22..11 PPrroozzeessss ddeerr KKaappiittaallbbeesscchhaaffffuunngg Grundlage der Finanzierung eines international tätigen Unternehmens ist, wie sonst auch, der durch den Finanzplan ermittelte Kapitalbedarf, der sich aus den verschiedenen Teilplänen aller Tochtergesellschaften ergibt. Im Unterschied zu einem nationalen Unternehmen sind hierbei neben der Höhe, den Entstehungsursachen und dem Anfallszeitpunkt auch die regionalen Besonderheiten wie unterschiedliche Währungsräume und unterschiedliche Währungen zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass die Tochtergesellschaften nicht nur in Ländern mit freiem, sondern auch mit eingeschränktem Kapitalverkehr tätig sind. Bei der Finanzierung geht man normalerweise in folgenden fünf Schritten vor: [1] Ermittlung des Kapitalbedarfs, [2] Innenfinanzierung, [3] Abbau flüssiger Mittel (Finanzausgleich im Konzern), [4] konzerninterne Außenfinanzierung, [5] konzernexterne Außenfinanzierung. Finanzplan als Grundlage der Kapitalbedarfsermittlung Im ersten Schritt erfolgt die Prognose des Kapitalbedarfs mithilfe des Finanzplans (vgl. Abbildung 12). <?page no="37"?> 36 2 Instrumente der internationalen Finanzierung Abbildung 12: Ermittlung des Kapitalbedarfs und der Innenfinanzierung laut Finanzplan Der Finanzplan ist die Resultante der vielen Teilpläne, aus denen sowohl Ergebnisals auch Bestandsgrößen abgeleitet werden können und die Prognose des Finanzbedarfs ermöglicht wird und aus den Investitions-, Produktions- und Dienstleistungsprozessen sowie aus Tilgungs- und Umstrukturierungserfordernissen. Innenfinanzierung Die Innenfinanzierung des Unternehmens beruht auf den durch das Unternehmen generierten Cashflow. Für die Innenfinanzierung ist der operative Cashflow von Bedeutung. Darunter wird ganz allgemein die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden, aus dem operativen Geschäft Einzahlungsüberschüsse zu generieren, die für Investitionen einerseits und andererseits für Zahlungen an die folgenden Stakeholder verwendet werden können: an die Gläubiger in Form von Zinsen oder Tilgungsraten sowie an die Eigentümer in Form von Dividenden. Die Innenfinanzierung nimmt bei der Kapitalbeschaffung internationaler Unternehmen einen hohen Stellenwert ein (Büschgen, H.E., 1997). Als Gründe dafür lassen sich insbesondere geringe Leistungsfähigkeit lokaler Kapitalmärkte (z.B. in Entwicklungsländern), <?page no="38"?> 22..11 Prozess der Kapitalbeschaffung 37 Kapitalverkehrsbeschränkungen, Zinsniveau- und Steuerbelastungsunterschiede, Inflationserwartungen und Währungsrisiken (z.B. in Hochinflationsländern), die mit einer grenzüberschreitenden Finanzierung verbunden sind, nennen. Außerdem sind im Rahmen der Innenfinanzierung noch mögliche freigesetzte Mittel aus Desinvestitionen durch den Verkauf von Unternehmensteilen und Anlagen sowie mögliche freigesetzte Mittel aus Vorräten und Forderungen durch einen erhöhten Vermögens-umschlag zu berücksichtigen. Abbildung 13: Finanzausgleich im Konzern Konzerninterner Finanzausgleich Sofern es sich um Länder mit konvertierbaren Währungen handelt, kann auch von den Möglichkeiten des internen Finanzausgleichs Gebrauch gemacht werden. Dann werden Finanzüberschüsse von Tochtergesellschaften aus einem Land über einen Cash Pool zur Deckung von Finanzdefiziten von Tochtergesellschaften im gleichen oder einem anderen Land zur Verfügung gestellt (vgl. Abbildung 13). <?page no="39"?> 38 2 Instrumente der internationalen Finanzierung Konzerninterne Außenfinanzierung Durch die konzerninterne Außenfinanzierung wird der konzernexterne Kapitalbedarf verringert. Darüber hinaus kann durch Beschleunigung (Leading) oder Verzögern (Lagging) von konzerninternen Zahlungen sowie durch eine entsprechende Gestaltung der Transferpreise Einfluss auf die konzerninternen Finanzströme ausgeübt werden. Jedoch ist bei der Bestimmung der konzerninternen Verrechnungspreise das At-Arm‘s-Length-Prinzip zu beachten (Büschgen, H.E., 1997). Vereinfachend besagt dieses Prinzip, dass bei der Bildung von Verrechnungspreisen lokale Marktpreise als Maßstab zu wählen sind. Neben dem eigentlichen Kapitalbeschaffungsziel ermöglichen Maßnahmen der konzerninternen Außenfinanzierung auch eine Reduktion des Wechselkursrisikos (z.B. durch Fakturierung der Verrechnungspreise in Inlandswährung) oder den Abbau von Steuerverbindlichkeiten. Die konzerninterne Außenfinanzierung wird im Allgemeinen durch die Muttergesellschaft oder durch speziell gegründete Finanzierungsgesellschaften gesteuert. Die Möglichkeiten einer für das Unternehmen optimalen Steuerung der konzerninternen Außenfinanzierung können durch außenwirtschaftliche Bestimmungen und durch Kapitaltransferrestriktionen einzelner Länder beschränkt sein. Häufig handelt es sich bei der konzerninternen Außenfinanzierung um Eigenkapital, das vonseiten der Muttergesellschaft oder einer zwischengeschalteten Holdinggesellschaft zur Verfügung gestellt wird, sowie um Fremdkapital, das aus verschiedenen Quellen beschafft werden kann, und zwar von der Muttergesellschaft beispielsweise in Form von Gesellschafterdarlehen, die im Verhältnis Mutterzu Tochtergesellschaft zwar eigenkapitalähnlich sind, aber verzinst und zurückgezahlt werden müssen oder von einer als „Kapitaldrehscheibe“ gegründeten Finanzierungsgesellschaft, bei der der Bedarf von Tochtergesellschaften, die keinen Zugang zu den internationalen Finanzmärkten haben, ge bündelt wird und die Muttergesellschaft als Garant für die <?page no="40"?> 22..11 Prozess der Kapitalbeschaffung 39 Rückzahlung fungiert. Diesen Vorgang bezeichnet man Größentransformation. Möglichkeiten interner Außenfinanzierung ergeben sich außerdem durch die Parallelfinanzierung, die Depotfinanzierung und Kreditswaps. Ein wesentlicher Vorteil der konzerninternen Außenfinanzierung ist ein geringerer externer Kapitalbedarf und die damit verbundene Unabhängigkeit von externen Finanzinstitutionen. Außerdem muss nicht mit einem unerwarteten Kapitalabzug gerechnet werden. Daraus resultiert eine höhere Dispositionssicherheit. Ferner wird eine Bilanzverlängerung der Konzernbilanz vermieden. Als nachteilig kann sich u.U. die geringere Integration in den Kapitalmarkt des jeweiligen Gastlandes erweisen. Konzernexterne Außenfinanzierung Die konzernexterne Außenfinanzierung kann in Form einer Eigen- oder Fremdkapitalzuführung vorgenommen werden, und zwar als (1) Beteiligungsfinanzierung (a) über lokales Eigenkapital im Falle einer Börseneinführung der Aktien im Lande der Tochtergesellschaft oder (b) durch Beteiligung Dritter, beispielsweise im Falle von Joint Ventures, in denen ein lokaler Partner die Eigenkapitaldecke der Tochtergesellschaft stärkt. (2) Fremdfinanzierung (a) über lokales Fremdkapital durch Kreditaufnahmen bei einheimischen Banken oder (b) durch Kreditaufnahmen oder Anleihen auf den internationalen Finanzmärkten durch Einschaltung von internationalen Bankenkonsortien, vorzugsweise auf dem Euromarkt oder (c) durch strukturierte Finanzierungen, wozu im Wesentlichen Projektfinanzierungen, Exportfinanzierungen und die Securitisation, d.h. die Verbriefung von Forderungen in Finanzmarkttitel, wie z.B. Asset Backed Securities zählen, oder <?page no="41"?> 40 2 Instrumente der internationalen Finanzierung (d) schließlich durch langfristige Finanzierungsprogramme mit kurzfristigen Instrumenten, wie Euronotes, Commercial Papers und Medium Term Notes. Welche Möglichkeiten in Anspruch genommen werden können, hängt von der jeweiligen Situation einer Tochtergesellschaft im Gastland ab sowie - soweit die Kapitalmärkte in Anspruch genommen werden sollen - von der Ergiebigkeit der Kapitalmärkte, von Zins- und Steuerbelastungsunterschieden, von der Inflationserwartung, von den Währungsrisiken, von dem Unabhängigkeitsstreben und von möglichen Kapitaltransferbeschränkungen. Durch die lokale Kapitalbeschaffung lassen sich Transferkosten und Transferrisiken sowie Währungsrisiken verringern und die Integration der Tochtergesellschaft in das Gastland lässt sich verbessern. Daneben kann die lokale Kapitalbeschaffung die Flexibilität und Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft in dem betreffenden Gastland stärken, da die lokalen Gläubiger oder Eigenkapitalgeber ein Interesse an einer guten Ertragslage bzw. am Fortbestand der Unternehmung haben. Jedoch muss bei einer Eigenfinanzierung im Ausland durch die Ausgabe von Aktien oder bei einem Joint Venture berücksichtigt werden, dass dies zu einer unerwünschten Einflussnahme von Externen führen und damit eine einheitliche Unternehmenspolitik gefährden kann. Zur Wahrung der Unabhängigkeit kann deshalb eine lokale Eigenkapitalaufnahme über die Mutter- oder eine Finanzierungsgesellschaft erfolgen, die auf ihren Namen Aktien, Options- oder Wandelanleihen emittiert und das Kapital der Tochtergesellschaft zur Verfügung stellt. Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern müssen häufig auf andere lokale oder internationale Kapitalmärkte ausweichen, da der Kapitalmarkt in dem Gastland über eine zu geringe Leistungsfähigkeit verfügt. Durch Kreditvergaberestriktionen ist dann eine lokale Geldaufnahme durch eine Tochtergesellschaft eines internationalen Unternehmens unmöglich. In diesen Fällen ist eine konzernexterne Außenfinanzierung auf internationalen Finanzmärkten notwendig. <?page no="42"?> 2.2 Finanzierung von Vertriebsgesellschaften 41 22..2 2 FFiinnaannzziie erruunngg vvoonn VVe errttrriie ebbssggeesseel lllsscchhaaf ftteenn Internationale Unternehmen können i.d.R. mehr Finanzierungsmöglichkeiten ausnutzen als nationale. Durch die Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern haben sie meist einen leichteren Zugang zu nationalen und internationalen Finanzmärkten. Das ermöglicht ihnen ein schnelles Reagieren auf Veränderungen der Marktsituation. Zusätzlich können sie in einzelnen Ländern staatliche und/ oder zinsverbilligte Kredite sowie Förderungen und Subventionen erhalten, die nur ortsansässigen Unternehmungen gewährt werden. Dies ermöglicht es ihnen, aus einem vielseitigen Finanzierungsangebot die günstigste Alternative auszuwählen. Gegenstand der internationalen Finanzierung sind die Muttergesellschaft und insbesondere die Tochtergesellschaften eines international tätigen Konzerns. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Vertriebs- und Produktionsgesellschaften, die ihr Tätigkeitsfeld im Ausland haben. Vertriebsgesellschaften sind in der Regel die Konsequenz der Unterlegenheit des ausschließlich auf Exporte gerichteten Geschäftes gegenüber der im Ausland ansässigen Konkurrenz. Sie hat durch die Nähe zum Kunden einen natürlichen Vorteil, weil sie den Kunden „vor Ort“ beraten und seine Probleme lösen kann. Mit der Gründung einer Vertriebsgesellschaft zur Unterstützung des Exportsverringert das zuvor nur exportierende Unternehmen Nachteile gegenüber lokalen Wettbewerbern. Die Finanzierung einer Vertriebsgesellschaft erfolgt - abgesehen von einer Kapitaleinlage der Muttergesellschaft entweder durch das der Tochtergesellschaft für die Bezahlung der gelieferten Ware eingeräumte Zahlungsziel, das sich an dem von der Tochtergesellschaft ihren Kunden gewährten Zahlungsziel orientiert, oder durch einheimische Banken. Für die Zahlungszielgewährung gibt es grundsätzlich zwei Alternativen: entweder Zahlungszielgewährung in der Landeswährung der Tochtergesellschaft und Ausgleich der Lieferantenrechnung der Muttergesellschaft in Landeswährung oder <?page no="43"?> 42 2 Instrumente der internationalen Finanzierung Zahlungszielgewährung und Ausgleich der Lieferantenrechnung der Muttergesellschaft in der Landeswährung der Muttergesellschaft, d.h. in Deutschland in Euro. Im ersten Fall trägt die Muttergesellschaft das Währungsrisiko, das sie durch ein Devisentermingeschäft oder durch den Kauf von Optionen absichern kann. Im Falle einer drohenden Abwertung der Währung der Vertriebsgesellschaft empfiehlt es sich, in jedem Falle die Tochtergesellschaft Vorauszahlungen leisten zu lassen, was auch als „leading“ bezeichnet wird. Im umgekehrten Fall wird angesichts einer drohenden Aufwertung, beispielsweise des Schweizer Franken oder des US$, die Tochtergesellschaft gebeten, die Zahlungen bis zum Eintritt der Aufwertung zu verzögern, was „lagging“ genannt wird. Im zweiten Fall trägt die Tochtergesellschaft das Währungsrisiko. Sie kann sich zwar auch durch ein Kurssicherungsgeschäft vor Währungsverlusten schützen, braucht dafür aber einen oder mehrere die die notwendige Expertise in der Kurssicherung haben. Das Argument für eine solche Fakturierungspolitik ist die von der Tochtergesellschaft praktizierte Preispolitik. Sie würde durch die Abwertung der Landeswährung gegenüber der Währung der Muttergesellschaft gezwungen sein, ihre Preise zu erhöhen, andernfalls reichten ihre Erlöse nicht aus, die Rechnungen der Muttergesellschaft zu begleichen. 22..33 FFiin naannzziieer ruun ngg v vo onn PPrroodduuk kttiio onnss-ggees seel ll ls scchhaafftteen n Hinsichtlich der Finanzierung von Produktionsgesellschaften spielt sowohl die Finanzierungsphilosophie als auch die Organisation der Entscheidungsprozesse eine ausschlaggebende Rolle. Finanzierungsphilosophie Bei der Finanzierungsphilosophie kommt es auf die Abhängigkeit der Tochtergesellschaften von der Muttergesellschaft an: ob die Muttergesellschaft jede einzelne Tochtergesellschaft auf sich selbst gestellt sehen will oder als Teil eines Verbundes, den man als Risiko-Ressourcen-Verbund bezeichnet. <?page no="44"?> 22..33 Finanzierung von Produktionsgesellschaften 43 (1) Selbstständigkeit der Tochtergesellschaften Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft im finanzwirtschaftlichen Sinne hat zur Voraussetzung, dass die Muttergesellschaft ihre Tochtergesellschaften jeweils mit so viel Eigenkapital ausstattet, dass sie - auf sich selbst gestellt - alle Risiken abfangen können, ohne auf die Muttergesellschaft zurückgreifen zu müssen. Bei der Eigenkapitalausstattung kann sich die Muttergesellschaft entweder an ihrer eigenen Kapitalstruktur orientieren oder am Durchschnitt aller Konzerngesellschaften, abgebildet in der konsolidierten Bilanz, wobei neben den Branchenverhältnissen auch die landesrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind. (2) Risiko-Ressourcen-Verbund Eigenkapital ist die teuerste Kapitalart. Deshalb gehen Unternehmen sparsam mit dem Eigenkapital umzugehen und verlangen für jede Eigenkapitalzuführung eine angemessene Verzinsung zu verlangen. In den meisten Konzernen hat allein die Konzern-Muttergesellschaft Zugang zur Börse, wo sie sich durch Kapitalerhöhungen mit Eigenkapital versorgen kann. Auf die dadurch ausstehenden Aktien fordert der Anleger eine Rendite, die mit der Formel des Capital Asset Pricing Model berechnet werden kann und mit alternativen Kapitalanlagen verglichenwird. Das legt nahe, die Tochtergesellschaften zwar als rechtlich selbstständige Einheiten gegenüber Dritten zu behandeln, aber intern ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von der Haftungs- und Garantiefunktion der Muttergesellschaft und großen Schwestergesellschaften zu betonen, was eine restriktive Eigenkapitalzuführung zur Folge hat. Zusätzlich sollte jede Tochtergesellschaft nur mit so viel Eigenkapital ausgestattet werden, dass sie lokal einen geschäftsbedingten Kredit zur Deckung des Kapitalbedarfs aus dem normalen Geschäftsbetrieb aufnehmen und Ertragsschwankungen im normalen Geschäftsverlauf ausgleichen kann. Dabei sind im konkreten Einzelfall folgende Faktoren zu berücksichtigen: die Art der Geschäftstätigkeit, der Vermögensaufbau, <?page no="45"?> 44 2 Instrumente der internationalen Finanzierung die Produktstruktur, differenziert nach alten und neuen Produkten, das Marktwachstum und die Wettbewerbsbedingungen. Darüber hinaus sind die landesrechtlichen Vorschriften und „landesübliche Eigenkapitalquoten“ zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hinsichtlich der Kapitalzuführung bilden große Investitionen mit einer langfristigen Vermögensbindung, wenn die Mittel der Innenfinanzierung nicht ausreichen, diese Investitionen zu finanzieren. Voraussetzung ist jedoch, dass die zukünftigen Erträge aus den Investitionen mindestens die Kapitalkosten decken. Organisation der Finanzierungsentscheidung Die Frage, wer im internationalen Konzern die Finanzierungsentscheidung trifft, hängt sowohl von der Finanzierungsphilosophie als auch von der Konzernorganisation ab. Unabhängig davon, ob der gesamte Konzern funktional oder Profitcenter-orientiert mit dezentralen Divisionen organisiert ist, hat das Finanzressort in der Regel die funktionale Aufgabe, allen Tochterunternehmens des Konzerns finanzwirtschaftlichen Service zu leisten. Die finanzwirtschaftlichen Entscheidungen indessen können dem Finanzressort als zentraler Instanz mit zentraler Verantwortung übertragen oder dezentralisiert werden. In letzterem Fall wird die Verantwortung für die Finanzen dem Finanzvorstand der Tochtergesellschaft übertragen, der dann unabhängig von der Muttergesellschaft entscheiden kann. Dabei hat aufgrund der vorhergehenden Finanzplanung als Resultante aller Einzelpläne und ihrer Verabschiedung im zentralen Vorstand des Konzerns eine Abstimmung hinsichtlich der einzuschlagenden Marschroute bereits stattgefunden und man deshalb eher von einer eingeschränkten Autonomie der Tochtergesellschaft sprechen kann. Nach der Ausstattung mit dem für die Unabhängigkeit von der Muttergesellschaft erforderlichen Eigenkapital hat die Tochtergesellschaft eine eigenständige Kreditwürdigkeit aufzubauen und das Risiko ihres Handelns selbst zu verantworten und kann nicht etwa Rückgriff auf andere Konzerngesellschaften nehmen. Gleichwohl ist zu empfehlen, im Konzerninteresse bei Entschei- <?page no="46"?> 22..33 Finanzierung von Produktionsgesellschaften 45 dungen, die langfristig ausgerichtet sind oder eine Abweichung von der bisherigen Marschroute bedeuten, sich mit der Zentrale abzustimmen, zumal ihr Gewicht bei den Banken auch Einfluss auf die Konditionengestaltung hat. Handelt es sich dagegen um einen Risiko-Ressourcen-Verbund aller Tochtergesellschaften mit der Muttergesellschaft, hat die Zentralisierung der Finanzierungsentscheidungen den Vorrang, da die Muttergesellschaft nach diesem Modell die finanzielle Verantwortung für die gesamte finanzielle Ausstattung der Tochtergesellschaften trägt. Damit jedoch das Tagesgeschäft nicht beeinträchtigt wird, erhält die Tochtergesellschaft die Verantwortung, in Begleitung des operativen Tagesgeschäfts die lokale Finanzierung zu übernehmen, wofür ihr durch das Minimum an Eigenkapital in ihren Beziehungen zu den lokalen Banken Handlungsspielraum gewährt wird. Alles, was darüber hinausgeht, ist an die Adresse der Muttergesellschaft zu richten. Kriterien der Finanzierungsentscheidung Welche Art der Finanzierung zu wählen ist, hängt von der Zielsetzung des internationalen Unternehmens ab. Für die Entscheidung selbst kommt es auf folgende Faktoren an, die zu prüfen bzw. zu berücksichtigen sind: [1] der Marktzugang, insbesondere zu den internationalen Märkten, [2] die Ergiebigkeit der jeweils in Frage kommenden Märkte, [3] die zu leistenden Sicherheiten, [4] die grenzüberschreitend bedingten Länder- und Währungsrisiken, [5] die Finanzierungskosten, die abhängen von: den Zinskosten, den Fremdleistungskosten (Provisionen der Finanzierungsinstitute), den Steuern, den Kosten des Kapitalverkehrs und den Kosten des Währungsrisikos. <?page no="47"?> 46 2 Instrumente der internationalen Finanzierung Die Zinskosten werden auf dem Kapitalmarkt unter Berücksichtigung der Bonität des Schuldners bestimmt. Unternehmen versuchen, sich aus Rentabilitätsgesichtspunkten in den Ländern zu finanzieren, in denen die Zinskosten und die steuerlichen Belastungen (Quellensteuer und Ertragssteuer) geringe Finanzierungskosten verursachen. <?page no="48"?> 33 IInnssttrruummeennttee ddeerr iinntte errnnaattiioonnaalleenn FFiinnaann-zziieerruunngg Im Falle der konzernexternen Außenfinanzierung geht es um die zu wählenden internationalen Kapitalbeschaffungsmärkte und deren Ergiebigkeit, um die in Frage kommenden Finanzierungsinstrumente, die sowohl langals auch kurzfristig sein können, und um die Akteure, von denen die einen die erforderlichen Mittel nachfragen, die anderen sie zur Verfügung stellen, sowie die Intermediäre, die dabei eine Vermittlungsfunktion übernehmen. Sofern keine landesspezifischen Einflussfaktoren eine Rolle spielen, hat das zu einem internationalen Konzern gehörende Unternehmen grundsätzlich eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich von außen zu finanzieren. Für die internationale Fremdfinanzierung steht eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, die im Folgenden dargestellt werden. Kreditfinanzierungen Soweit mit der Aufnahme von Krediten eine längerfristige Bindung, d.h. mit einer Fälligkeit von über einem Jahr, gewählt wird, kann zwischen Festzinskrediten und Roll-over-Krediten unterschieden werden (Rösler, P./ Mackenthun, T./ Pohl, R., 2002): Festzinskredite Festzinskredite haben einen für die gesamte Laufzeit fest vereinbarten Zinssatz. Die Laufzeiten betragen in der Regel ein bis zehn Jahre. Die Konditionen sind insbesondere von der Laufzeit, der Refinanzierungsmöglichkeit der Banken, der allgemeinen Marktlage und natürlich von der Bonität des Kreditnehmers abhängig. 33 IIn ns sttr ru um meennt te e dde err iinnt teerrn na attiio on naal le enn FFrreemmdd-ffi in naannzziieerruunngg <?page no="49"?> 48 3 Instrumente der internationalen Finanzierung Roll-over-Kredite In diesem Fall wird ein kurzfristiger Kredit mit einer Fälligkeit von drei Monaten oder einem halben Jahr durch die von vornherein vereinbarte turnusmäßige Erneuerung nach diesen Laufzeiten zu einem langfristigen Kredit mit variabler Verzinsung gewährt, weil beim Roll-over der dann jeweils geltende Referenzzinssatz zugrunde gelegt wird. Der Referenzzinssatz bezieht sich in aller Regel auf die Refinanzierungsmöglichkeit der Kreditgeber. Dem Vorteil der Flexibilität steht hier allerdings der Nachteil gegenüber, dass sich die Märkte „versteifen“ können und dadurch der Roll-over misslingt, weil die Banken dazu nicht mehr bereit sind. Deshalb ist bei der Finanzierung immer auf die Fristenkongruenz zwischen Kapitalbindung und Kapitalüberlassung zu achten. Kapitalmarktfinanzierungen Anleihe Im Falle eines langfristig zu deckenden Kapitalbedarfs dominiert die Anleihe, die der Finanzierung eines größeren Kapitalbedarfs dient. Anleihen werden in Abhängigkeit von der Größe des aufzunehmenden Finanzierungsvolumens normalerweise nicht von einer Bank abgewickelt, sondern von einem Konsortium, das als Vereinigung selbstständiger Institutionen zur Durchführung der Kapitalbeschaffung auf gemeinsame Rechnung neben der Beratungs- und Risikoübernahmefunktion die Platzierungsfunktion übernimmt (Wiltinger, K./ Kretschmar, M., 2015). Daraus erklärt sich die Zusammensetzung des Konsortiums aus Banken aus verschiedenen Ländern, da jede dieser Banken ihre eigene Anlegerstruktur hat, innerhalb der sie die Anleihen platzieren kann. Bei der Auswahl der Konsortialbanken wird auf die Platzierungskraft der größte Wert gelegt, da das Ziel jeder Finanzierung eine problem- und reibungslose Abwicklung darstellt (Bieg, H. / Kußmaul, H., 2009). Typische Emittenten von Anleihen sind: Unternehmen mit einwandfreier Bonität wie Industrieunternehmen oder Handelsunternehmen, Kreditinstitute, <?page no="50"?> 3.1 Instrumente der internationalen Finanzierung 49 Spezialinstitute (z.B. Landwirtschaftliche Rentenbank), Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren internationale Pendants, Sondervermögen und Körperschaften (z.B. Kreditanstalt für Wiederaufbau). Gestaltungsmöglichkeiten bei Anleihen umfassen die Währung, den Betrag und die Stückelung der Anleihe, die Verzinsung, Kündigungsrechte, Ausgabe- und Rückzahlungsmodalitäten sowie Besicherung. Soweit auf die Zins- und Tilgungsmodalitäten der Anleihe abgehoben wird, lassen sich folgende Grundformen unterscheiden: [1] festverzinsliche Instrumente, wie sie ursprünglich konzipiert waren (engl. straight bond), [2] variabel verzinsliche Instrumente, bei denen der Zins in festgelegten Zeitabständen an einen Referenzzinssatz (z.B. EURI- BOR, Euro Interbank Offered Rate) angepasst wird (vgl. Abbildung 14). Sie sind bekannt als Floating Rate Notes („Floater“), die verschiedene Ausprägungen haben können und bei denen verschiedene Formen der Absicherung eingebaut sein können. Abbildung 14: Beispiel eines EURIBOR-basierten Kredites mit Collar Ein Cap beschränkt den maximal zu zahlenden Zins aus Sorge vor zu stark steigenden Zinsen, ein Floor bedeutet eine Mindestverzinsung, und ein Collar ist eine Bandbreite, innerhalb der sich der Zins bewegen kann. <?page no="51"?> 50 3 Instrumente der internationalen Finanzierung [3] „unverzinsliche“ Instrumente, bei denen sich die Verzinsung aus der Differenz von Börsenbzw. Ausgabekurs und Rückzahlungskurs ergibt, wobei die Ausgabe meist zu einem abgezinsten Betrag und die Rückzahlung zu 100 erfolgt. Zu unterscheiden sind dabei der Deep Discount, bei dem die Verzinsung teils über Zinsen, teils über die Abzinsung erfolgt, und der Zero Coupon Bond, bei dem während der Laufzeit keine Zinsen gezahlt werden. [4] Bei Amortisationsinstrumenten handelt es sich um Tilgungsanleihen, bei denen die Tilgung nach einem im Voraus festgelegten Tilgungsplan erfolgt. Heute dominieren gesamtfällige Anleihen (sog. bullet loans), die jedoch einen punktuell hohen Refinanzierungsbedarf in der Zukunft hervorrufen, der zu einer dann unerwünschten Liquiditätsbelastung führen kann. Soweit die finanzielle Absicherung durch Innovationen im Vordergrund der Finanzierungsüberlegungen steht, können folgende Ausprägungen in Anspruch genommen werden (Bieg, H./ Kußmaul, H., 2009): Wandel- und Optionsanleihen, liegt die Überlegung zugrunde auf der einen Seite einer später erforderlichen Eigenkapitalfinanzierung Rechnung zu tragen und sich auf der anderen Seite den Vorzug der Wandlung in Aktien oder der Option auf den Bezug von Aktien durch einen Minderzins in der Gegenwart honorieren zu lassen. Motivation der Ausgabe von Wandelanleihen ist häufig ein hohes Zinsniveau zum Zeitpunkt der Emission. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass bei einem hohen Zinsniveau die Aktienkurse normalerweise niedrig sind. Wenn diese Kurse für die Wandlung oder Option zugrunde gelegt werden, kann angesichts der Länge der Wandlungsbzw. Optionsdauer eine später durchgeführte ordentliche Kapitalerhöhung zu dem dann an der Börse notierten Aktienkurs wesentlich vorteilhafter sein als der Zwang zu einer bedingten Kapitalerhöhung zu einem wesentlich niedrigeren Kurs trotz des über die gesamte Laufzeit geltenden Minderzinses. Deshalb sollte das Finanzressort vor der Entscheidung für die Begebung von Wandelbzw. Optionsanleihen achtsam sein. Man spricht bei diesen Mischformen von <?page no="52"?> 3.1 Instrumente der internationalen Finanzierung 51 Eigen- und Fremdkapital auch von sog. hybriden Finanzierungsinstrumenten bzw. Mezzanine-Kapital; Doppelwährungsanleihen, bei denen Kapitalaufnahme sowie Zins- und Tilgung in verschiedenen Währungen erfolgen; Währungsoptionsanleihen mit dem Recht des Gläubigers, sich Zins und Tilgung zu einem vereinbarten Wechselkurs wahlweise in einer anderen Währung auszahlen zu lassen. Langfristige Finanzierungsprogramme mit kurzfristigen Instrumenten Bei diesen Programmen werden zwar kurzfristige Finanzierungsinstrumente eingesetzt, diese jedoch zum Gegenstand eines längerfristigen Finanzierungsprogramms gemacht (Shapiro, A.C., 2013). Dazu zählen: (1) Euronote-Facilities In diesem Fall wird zwischen einer oder mehreren Banken und dem Kapitalnehmer mittel- oder langfristig (5 7 Jahre) vereinbart, dass sich der Kapitalnehmer durch die revolvierende Finanzierung von Geldmarktpapieren, sog. Euronotes, die Möglichkeit einräumen lässt, bis zu einem Höchstvolumen die erforderlichen Mittel am Euromarkt zu beschaffen. Die Euronotes selbst sind Schuldtitel mit kurzen Laufzeiten (in der Regel 1, 3 oder 6 Monate), die an der Börse normalerweise nicht notiert werden. Falls die Unterbringung dieser Papiere am Markt nicht gelingt, verpflichten sich die als „underwriter“ fungierenden Banken, die Euronotes zu einem vertraglich vereinbarten Zinssatz zu übernehmen. Aus der Sicht des Kreditnehmers lassen sich folgende Vorteile erkennen (Shapiro, A.C., 2013): (a) die Finanzierung über die Euronotes ist vielfach kostengünstiger als die Aufnahme traditioneller Kredite oder Kapitalmarktinstrumente (z.B. Floating Rate Notes), (b) Euronotes bieten dem Emittenten die Möglichkeit, seinen langfristigen Kapitalbedarf zu geldmarktnahen Konditionen zu decken, <?page no="53"?> 52 3 Instrumente der internationalen Finanzierung (c) der Schuldner hat mit diesem Instrument die Chance, die Finanzierung seinem individuellen Liquiditätsbedarf und seinen Zinserwartungen flexibel anzupassen, (d) die Nutzung von Euronote-Fazilitäten erlaubt dem Kreditnehmer, seine Kreditgeberbasis zu diversifizieren. (2) Commercial Papers Hierbei handelt es sich um kurzfristige, abgezinste Inhaberschuldverschreibungen, bei denen die Banken im Unterschied zu den Euronote-Fazilitäten keine Verpflichtung eingehen, diese Papiere im Falle der Nichtplatzierung zu übernehmen. Dieses Risiko geht vom Underwriter auf den Emittenten über. Die Laufzeiten variieren zwischen 7 und 365 Tagen, wobei die durchschnittliche Laufzeit 30 40 Tage beträgt. Da die Papiere den Namen des Schuldners tragen, den der potenzielle Käufer möglicherweise nicht kennt und der infolgedessen auch keine Kenntnis von der Bonität des Emittenten hat, müssen Commercial Papers von einer bzw. zwei namhaften Ratingagenturen geratet werden. Commercial Papers eignen sich besonders zur Finanzierung eines saisonalen Geschäftes, an das sie in ihrer Laufzeit angepasst werden können. (3) Medium Term Notes (MTN) Für den amerikanischen Kapitalmarkt entwickelt, wurden sie erstmals 1972 von der General Motors Acceptance Corporation (GMAC) im Wege der Direktplatzierung begeben. Ihre Attraktivität besteht in dem Schließen der Finanzierungslücke zwischen Commercial Papers und dem Anleihemarkt mit Laufzeiten von gewöhnlich fünf Jahren und mehr. Durch die Einführung der sog. Shelf Registration durch die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (SEC: Securities & Exchange Commission) im Jahre 1982 wurde den Emittenten der Zugang zu diesem Markt mit einem einmaligen Genehmigungsverfahren eröffnet. Mitte der 1980er Jahre erfolgte auch die Übernahme durch den Euromarkt (EMTN) und seit dem 1. Juli 1989 können sie auch in Deutschland begeben werden. Die Medium Term Notes zeichnen sich durch folgende Charakteristika aus: <?page no="54"?> 3.2 Instrumente der internationalen Finanzierung 53 Ein MTN-Programm bezeichnet eine Rahmenvereinbarung zwischen dem Emittenten und den zum Platzieren benannten Banken, wonach der Emittent zwar das Recht, aber nicht die Pflicht hat, jederzeit handelbare Schuldverschreibungen (Notes) zu begeben. Dabei kann es sich um festverzinsliche, variabel verzinsliche und Null-Coupon-Titel mit oder ohne Kündigungsrecht handeln. Aufgrund dieses Programms ergibt sich die Möglichkeit einer Daueremission in mehreren Tranchen über einen längeren Zeitraum von zwei bis 30 Jahren, wobei eine Laufzeit von 30 Jahren nur für die USA gilt, die dort nicht unüblich ist. Die Summe aller ausstehenden Notes darf das Gesamtvolumen des Rahmenprogramms nicht übersteigen. 33..22 IInnssttrruum meen nttee d deer r i inntteerrnnaattiio onnaalle enn F Fiinnaannzz-ddiis sppoossiittiio onn Die Aufgaben der internationalen Unternehmung im Bereich des kurzfristigen Finanzmanagements werden durch die drei Bereiche Cash-, Währungs- und Zinsmanagement wahrgenommen. Die besondere Problematik im internationalen Finanzmanagement liegt darin, dass gegenüber dem nationalen Finanzmanagement nicht nur die situative Liquidität aller Unternehmensteile durch die Abstimmung der Ein- und Auszahlungen sichergestellt werden muss, sondern darüber hinaus auch das Währungs- und das Zinsrisiko dieser Zahlungen begrenzt werden müssen. Internationales Cash-Management Das Cash-Management umfasst die laufende Kassendisposition auf zentraler Unternehmensebene. Ziel ist die Sicherung der Zahlungsbereitschaft zu jedem Zeitpunkt eines vorgegebenen Planungszeitraumes. Hierzu benötigt das Finanzmanagement einen Überblick über sämtliche Kassenbestände aller Unternehmenseinheiten in den verschiedenen Währungen, über die täglichen Buchungen und deren Wertstellungen sowie über zukunftsbezogene <?page no="55"?> 54 3 Instrumente der internationalen Finanzierung Informationen (z.B. über fällige Termingelder, Zins- und Tilgungsraten) und zusätzliche Marktdaten wie z.B. Wertpapier- und Währungskurse. Um die Erreichung des Rentabilitätszieles durch das Cash-Management zu unterstützen, sind die Zeiträume zwischen den Ein- und Auszahlungen so zu überbrücken, dass eine unnötig hohe Kassenhaltung vermieden wird. Kassenüberschüsse sind möglichst schnell zinsbringend anzulegen oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten zu verwenden. Im Falle einer Unterdeckung muss eine Kapitalaufnahme kostengünstig erfolgen. Zur Unterstützung des Finanzmanagements werden von Kreditinstituten Cash-Management-Systeme angeboten. Diese umfassen üblicherweise das informierende Balance Reporting, die Kontenbewegungen, den Dispositionen ermöglichenden Money Transfer, das unternehmensinterne, Verrechnungen erleichternde Devisen-Netting und das Planungsrechnungen miteinbeziehende Treasury Management. Die allgemeinen Grundlagen der Cash-Management-Systeme sind für nationale und internationale Unternehmen gleich (Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2012). Für internationale Unternehmen ergeben sich im Rahmen des Cash-Managements einige spezielle Probleme. Internationale Unternehmen müssen berücksichtigen, dass sich die Kassenbestände aus unterschiedlichen Währungen zusammensetzen und Ein- und Auszahlungen sowie Buchungen in verschiedenen Währungen erfolgen. Um ein optimales internationales Cash-Management zu erreichen, zentralisieren internationale Unternehmen die Kassenbestände (Cash-Pooling) und es erfolgt eine konzerninterne, grenzüberschreitende Verrechnung der Forderungen und Verbindlichkeiten (Clearing). Die derzeit verfügbaren internationalen Cash-Management-Systeme lassen ein umfassendes internationales Cash-Management nur zu, wenn alle Konten bei einer Bank unterhalten werden, die beteiligten Banken die notwendigen Daten zur Verfügung stellen oder aber das Unternehmen mehrere Cash-Management-Systeme parallel betreibt (Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2009). <?page no="56"?> 3.2 Finanzierung im Rahmen von internat. Transaktionen 55 Abbildung 15: Beispiel einer Cash-Pooling-Lösung der UniCredit Bank Quelle: UniCredit Group, 2008, online Cash-Pooling Mit dem Cash-Pooling wird ein unternehmensinterner Liquiditätsausgleich vorgenommen, indem das zentrale Finanzmanagement Unternehmensteilen Kredite zur Deckung von Liquiditätslücken anbietet. Die Mittel stammen von anderen Unternehmensteilen, die Liquiditätsüberschüsse erwirtschaftet haben. Erst wenn dieser unternehmensinterne Liquiditätsausgleich zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit nicht ausreicht, greift das Unternehmen auf externe Geld- und Kapitalmärkte zurück. Durch den unternehmensinternen Liquiditätsausgleich werden günstigere Kreditbedingungen und eine geringere zentrale Kassenhaltung aus dem Vorsichtsmotiv erreicht (Eiteman, D.K./ Stonehill, A.I./ Moffett, M.H., 2012). Abbildung 15 zeigt ein Beispiel für eine Cash-Pooling-Lösung der UniCredit Bank. Beim internationalen Cash-Pooling ist zu berücksichtigen, dass die Konzerngesellschaften ihren Zahlungs- und Kreditverkehr in unterschiedlichen Währungen abwickeln, deren jeweilige Kursentwicklungen nicht genau vorhergesagt werden können. Außerdem kann das Auflösen von Kassenbeständen zugunsten einer Zentralstelle durch Kapitalverkehrsbeschränkungen, steuerrechtliche Belastungen, hohe Transfergebühren und durch gesetzlich vorgeschriebene Liquiditätsreserven beeinträchtigt werden. Damit wer- <?page no="57"?> 56 3 Instrumente der internationalen Finanzierung den mögliche Skalenerträge im Rahmen des internationalen Cash- Pooling verhindert. Aus diesem Grunde wird mitunter ein Multicurrency-Pool eingerichtet oder nur die Vorsichtskassenhaltung zentralisiert, während die Transaktionskasse von den ausländischen Tochtergesellschaften eigenständig verwaltet wird. Damit wird der Bestand der zentralen Vorsichtskasse geringer gehalten als die Summe aller dezentralen lokalen Vorsichtskassen. Um ein Cash-Pooling bei lokalen Einschränkungen zu erreichen, können Unternehmen Finanz-Servicegesellschaften oder Banken einschalten. Clearing Unter Clearing versteht man die gegenseitige buchmäßige Verrechnung von grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Unternehmenseinheiten. Die zu saldierenden offenen Positionen entstehen nicht nur aus Lieferungen, sondern auch aus unternehmensinternen Zins- und Tilgungsleistungen, Gebühren sowie Dividendenansprüchen. Es kommt nicht mehr zur Regulierung jeder einzelnen Position, lediglich die Salden werden in bestimmten Zeitabständen ausgeglichen. Das Clearing kann bilateral zwischen zwei Unternehmensteilen und multilateral durch das zentrale Finanzmanagement auf Konzernebene durchgeführt werden (Eiteman, D.K./ Stonehill, A.I./ Moffett, M.H., 2012). Die Anzahl der grenzüberschreitenden Zahlungsströme und die damit verbundenen Devisenkäufe und -verkäufe lassen sich durch das Clearing erheblich reduzieren. Neben den Einsparungen bei Bankgebühren durch ein geringeres Transfer- und Konvertierungsvolumen und beim Devisenumtausch wegen unterschiedlicher An- und Verkaufskurse kommt es zu Zinseinsparungen durch eine Verringerung der Transferzeiten (Zeitraum zwischen Belastung und Gutschrift der transferierten Beträge). Im internationalen Unternehmen kann das Clearing durch die Saldierung von Positionen verschiedener Währungen erfolgen (Devisen-Netting). Bei einem Devisen-Netting erhält die Tochtergesellschaft eines Landes alle Guthaben, über die die anderen Unternehmenseinheiten in der Landeswährung dieser Tochtergesellschaft verfügen. Gleichzeitig übernimmt diese Niederlassung alle Verbindlichkeiten in der betreffenden Währung. Jede Unternehmens- <?page no="58"?> 3.2 Finanzierung im Rahmen von internat. Transaktionen 57 einheit nimmt also nur noch Kapitaltransaktionen in ihrer „Standortwährung“ vor. Mithilfe einer Basiswährung werden vom zentralen Cash-Management die Ansprüche der Teileinheiten untereinander verrechnet und die einzelnen Unternehmenseinheiten angewiesen, die Salden auszugleichen. Das Verfahren erleichtert durch die Vereinbarung fester Abrechnungstermine die Gesamtliquiditätsplanung des internationalen Unternehmens und reduziert die Transfer- und Konvertierungshäufigkeit und die damit verbundenen Kosten. Auch das Clearing ist in vielen Ländern nicht oder nur eingeschränkt erlaubt bzw. es bedarf der Erlaubnis der lokalen Zentralbank. Einzelne internationale Unternehmen haben zu einseitige, auf die Muttergesellschaft bezogene Liefer- und Leistungsbeziehungen, wodurch i.d.R. kein multilaterales Clearing notwendig ist. Kapitalverkehrsbeschränkungen und die Devisenbewirtschaftung einiger Länder reduzieren die Möglichkeit der Verrechnung und Zentralisierung der Zahlungsströme auf wenige Länder. Bisweilen regen sich auch Widerstände im eigenen Konzern gegen das Cash- Management, da manche ausländischen Tochtergesellschaften um ihre Selbstständigkeit fürchten. Internationales Zinsmanagement Internationalen Unternehmen bietet sich die Chance, Zinsunterschiede auf einzelnen Kapital- und Kreditmärkten auszunutzen. Dabei muss das Währungsrisiko berücksichtigt werden. Relative Zinsvorteile einer Anlage in Auslandswährung ergeben sich nach der Ermittlung der Währungsrisiken und der erforderlichen Kurssicherungskosten. Das Zinsänderungsrisiko in den einzelnen Ländern beeinflusst die Entscheidung über die Fristigkeit einer Finanzierung oder Kapitalanlage. Ist das Zinsänderungsrisiko hoch und rechnet das Finanzmanagement mit fallenden Zinsen, so ist eine kurzfristige Finanzierung sinnvoll. In Zeiten stärker schwankender Zinsen besteht das Bedürfnis nach Absicherung der Forderungen und Verbindlichkeiten gegen Zinssteigerungen. Die Zinskosten bei variabel verzinslichen Verbindlichkeiten kann der Finanzmanager mittels Zinscaps wie bei einer Festsatzfinanzierung begrenzen. Der Zinssicherung dienen auch Forward Rate Agreements, die sich aus dem Forward Market entwickelt haben <?page no="59"?> 58 3 Instrumente der internationalen Finanzierung und dabei weder die Liquidität des Unternehmens noch die Bilanz belasten. Ein Forward Rate Agreement ist eine zweiseitige Vereinbarung über eine Zinsfestschreibung zum gegenwärtigen Zeitpunkt für eine in der Zukunft liegende Zinsperiode. Es wird die zu Beginn der Zinsperiode gegenüber dem Referenzzinssatz festgestellte Abweichung ermittelt und diese als abgezinste Differenzzahlung sofort beglichen. Als Käufer kann sich der Finanzmanager so gegen einen Zinsniveauanstieg absichern. Im Gegensatz zu den börsenmäßig abgewickelten Financial Futures sind Forward Rate Agreements nicht standardisiert, so dass sie in ihrer Ausstattung wesentlich flexibler handhabbar sind (Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Allen, F., 2013). Alle bisher dargestellten Zinsabsicherungsinstrumente knüpfen an einer bestehenden, variabel verzinslichen Verbindlichkeit an. Dies ist beim Swap nicht unbedingt der Fall. Bei einem Swap handelt es sich um eine Technik, Zahlungsströme in eine andere Währung oder Zinsbasis zu tauschen. Dabei entstehen durch die Nutzung von Standing-Vorteilen der Emittenten an unterschiedlichen Märkten relative Kostenvorteile, die entweder bei Liability Swaps die Kapitalbeschaffungskosten senken oder bei Asset Swaps die Rendite der Aktiva erhöhen (Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Marcus, A.J., 2013). Man unterscheidet zwischen Interest Rate Swaps, Currency Swaps und einer Kombination aus beiden (Betsch, O./ Groh, A./ Lohmann, L., 2000). Beim Interest Rate Swap (Zinsswap) tauschen die Vertragspartner feste gegen variable Zinssätze, aber auch variable Zinssätze mit unterschiedlichen Referenzzinssätzen untereinander aus, ohne dass es zum Austausch des zugrunde liegenden Kapitalbetrages kommt. Beim Currency Swap (Währungsswap) werden Verbindlichkeiten in verschiedenen Währungen zu einem fest fixierten identischen Devisenkurs per Kasse (Initial Exchange Rate) und mit umgekehrten Vorzeichen per Termin (Final Exchange Rate) ausgetauscht, wobei während der Laufzeit der Swaps gegenseitig Zinszahlungen geleistet werden. Zur Vermeidung von Risiken ist es notwendig, dass identische Währungsbeträge über identische Laufzeiten verfügen. <?page no="60"?> 3.2 Finanzierung im Rahmen von internat. Transaktionen 59 Beim kombinierten Cross Currency Interest Rate Swap werden feste Zinsen in der einen gegen variable Zinsen in einer anderen Währung getauscht. Empfängt ein Unternehmen beispielsweise im Rahmen eines Swaps Zinsen auf variabler Basis und zahlt einen Festzins, so hat es mit diesem Zinsswap wirtschaftlich eine laufzeitkongruente Festzinsfinanzierung erreicht, die keinem Zinsänderungsrisiko unterliegt. Bilanziell sind Swaps neutral, jedoch erhöht ein Swap die Flexibilität des Finanzmanagers beim Zinsmanagement, wobei sogar eine Prämienzahlung wie z.B. bei einem Cap entfällt. Zudem kann die eingegangene Swap-Position jederzeit durch den Abschluss eines Gegenswaps, durch die Abtretung des Swaps (Assignment) oder durch eine Glattstellung wieder aufgehoben werden. Die Möglichkeit zum Hedging des Zinsänderungsrisikos mittels Swap wird durch die Swap Options, dem Recht auf spätere Ausübung eines Swaps, und die Forward Swaps, der Verschiebung des Laufzeitbeginns auf einen späteren Zeitpunkt, erweitert. Auch dabei bleibt das grundlegende Risiko der Vertragserfüllung. Internationales Währungsmanagement Das Währungsmanagement hat die Aufgabe, drohende Verlustgefahren und Chancen aus Wechselkursänderungen zu erkennen und entsprechende Vorkehrungen zur Risikoabwehr oder -verminderung und Chancenausnutzung zu treffen. Gegenstand des Währungsmanagements eines internationalen Unternehmens ist das sog. „Exposure“, das anzeigt, inwieweit das Unternehmen einem Währungsrisiko ausgesetzt ist (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2014). Dabei wird grundsätzlich unterschieden in Translation (auch Accounting Exposure genannt), Transaction und Economic Exposure. Das Translation Exposure betrifft die Notwendigkeit der Umrechnung der Bilanzen ausländischer Tochtergesellschaften in die Währung der Muttergesellschaft. Dabei wird im Rahmen der Konsolidierung von Mutter- und Tochtergesellschaften eine Art „Weltwährung“ für die gesamte Unternehmensgruppe festgelegt. Man spricht in diesem Zusammenhang von dem Translationsrisiko, weil durch die Umrechnung, die nach unterschiedlichen Methoden erfolgen kann, in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung <?page no="61"?> 60 3 Instrumente der internationalen Finanzierung Differenzen entstehen, die sich auf den umgerechneten Abschluss positiv oder negativ auswirken können. Im Bereich des Transaction Exposure geht es um das Wechselkursrisiko, das sich aus dem laufenden Geschäft oder Zahlungsvorgängen ergibt, wenn die Rechnungen oder die Zahlungen in einer anderen als der eigenen Währung zu begleichen sind. Das Economic Exposure hat seine Ursachen in Wechselkursveränderungen, die sich in der Zukunft vollziehen und negative Auswirkungen haben können. Ein Beispiel dafür ist eine Investition durch eine deutsche Muttergesellschaft im Ausland, auf die sie eine vorgegebene Rendite erwartet, die in Euro festgelegt wurde. Verschlechtert sich der Wechselkurs der ausländischen Währung, so muss die Tochtergesellschaft im Ausland in Landeswährung ein höheres Ergebnis erwirtschaften, um der Renditeforderung der Muttergesellschaft - ausgedrückt in einem Euro-Betrag - nachkommen zu können. Im Mittelpunkt des Wechselkursrisikomanagements steht das Transaction Exposure, das sich aus dem Exportgeschäft eines Unternehmens ergibt, wenn das Unternehmen aus Wettbewerbsgründen seine Rechnungen nicht in Euro ausstellen kann, sondern diese in der Landeswährung seiner Kunden aufsetzen muss und sich damit eine Risikoposition schafft, über deren Absicherung täglich entschieden werden muss. Dabei liegt es nahe, diese Risikoposition so gering wie möglich zu halten. Grundsätzlich kann man Transaction Exposures mit finanziellen Sicherungsgeschäften (auf Basis von Finanzderivaten) und mit operativen Maßnahmen begegnen (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2014). Dabei sind finanzielle Sicherungsgeschäfte und operative Sicherungsmaßnahmen zu unterscheiden. (1) Finanzielle Sicherungsgeschäfte: (a) Währungssicherung mit Devisentermingeschäften, (b) Währungssicherung mit Fremdwährungskrediten, (c) Währungssicherung mit Futures, (d) Währungssicherung mit Optionen, (e) Währungssicherung mit Swaps. <?page no="62"?> 3.2 Finanzierung im Rahmen von internat. Transaktionen 61 (2) Operative Sicherungsmaßnahmen: (a) Wahl der Rechnungswährung, (b) Beeinflussung des Zahlungszeitpunktes (Leading oder Lagging), (c) Abschluss von operativen Gegengeschäften. In Bezug auf die Absicherungsentscheidung spannt sich der Bogen von der Vollabsicherung bis zur selektiven Absicherung. Zur Absicherung gegen Verluste aus Wechselkursänderungen lassen sich drei Strategien unterscheiden (Büschgen, H.E., 1997). Ein ähnliches Vorgehen gilt für das Importgeschäft, wenn der heimische Importeur Rechnungen zu begleichen hat, die nicht auf Euro lauten. Strategie der vollständigen Absicherung: Sie geht davon aus, dass die Summe der zukünftigen Kursverluste größer ist als die Kosten der Kurssicherung. Absicherungsverzicht: Das Finanzmanagement rechnet damit, dass die Kurssicherungskosten die Kursverluste übersteigen oder sich die Kurse beim Exportgeschäft erhöhen oder beim Importgeschäft sinken und damit Kursgewinne entstehen. Flexible Strategie: Hier wird fallweise selektiv über den Umfang der Absicherungsmaßnahmen entschieden, um ein günstiges Verhältnis zwischen Kurssicherungskosten, Risiko und Ertrag zu erzielen. Welche Strategie ausgewählt wird, ist eine Frage der Zielsetzung, die das Unternehmen verfolgt (Shapiro, A.C., 2013). Der Vollabsicherung liegt die Argumentation zugrunde, dass das Unternehmen den kalkulierten Gegenwert des auf der Währung lautenden Betrags, z.B. in Euro, anstrebt und darüber hinaus nicht auf eine Veränderung des Wechselkurses zu seinen Gunsten „spekuliert“, zumal auch die gegenteilige Entwicklung eintreten kann. Bei der selektiven Kurssicherung ist ein Unternehmen bestrebt, an möglichen Vorteilen aufgrund der erwarteten Wechselkursentwicklung zu partizipieren. Bei der Übertragung der Verantwortung für die Kurssicherungsentscheidungen hat ein internationales Unternehmen die Wahl zwischen einer Zentralisierung aller Entscheidungen bei der Mut- <?page no="63"?> 62 3 Instrumente der internationalen Finanzierung tergesellschaft oder einer Dezentralisierung „vor Ort“. Eine zentrale Lösung ist zugleich auch die wirtschaftlichste, da bei der dezentralen Lösung bei allen Tochtergesellschaften Kurssicherungbetrieben wird, was zu einer unangemessenen Aufblähung des Personals führt. Es empfiehlt sich deshalb, den Tochtergesellschaften das Währungsrisiko „abzunehmen“ und alle Risiken in der Zentrale abzusichern. Der Absicherung des Wechselkursrisikos dient primär das Devisen-Termingeschäft, in dessen Rahmen entsprechend den Kurserwartungen die zu erwartenden Fremdwährungsbeträge, z.B. im Falle von Exporten, auf Termin verkauft und die zu zahlenden Fremdwährungsbeträge, z.B. im Falle von Importen, auf Termin gekauft werden. Als Preis wird dabei der Devisen-Terminkurs zugrunde gelegt, der sich aus dem Kassakurs plus Auf- oder Abschlag ergibt. Letztere hängen von der Zinsdifferenz beider Länder ab. Das Devisentermingeschäft wird dann bevorzugt, wenn die Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Kursentwicklung im Falle des Exports eine deutliche Tendenz nach unten und im Falle des Imports nach oben zeigen. Ist dagegen mit einer eher volatilen, d.h. einer stark schwankenden Kursentwicklung zu rechnen, empfiehlt sich als Kurssicherungsinstrument die Devisen-Option, die dem Käufer das Recht, nicht aber die Pflicht einräumt, die Option auszuüben oder auf sie zu verzichten. Die Entscheidung hierüber hängt von dem sogenannten Basispreis im Vergleich zum dann festzustellenden Kurs ab. Da die Option einer Versicherung gleichkommt, muss für sie eine Prämie gezahlt werden, die sie im Vergleich zum Devisen-Termingeschäft teurer erscheinen lässt, dafür aber eine Chance gewährt. Während der Käufer einer Option nur das Recht, nicht aber die Pflicht hat, die Option auszuüben, hat der Verkäufer stets die Pflicht, zu kaufen oder zu verkaufen. Deshalb wird er auch Stillhalter genannt. Eine Kaufoption (Call) beinhaltet das Recht, einen zugrunde liegenden Gegenstand oder Basiswert, einen Devisenbetrag etwa, zu einem im Voraus bestimmten fixen Preis, dem Ausübungspreis, <?page no="64"?> 3.2 Finanzierung im Rahmen von internat. Transaktionen 63 während (amerikanische Option) oder nur am Ende der Laufzeit (europäische Option) der Option zu kaufen. Eine Verkaufsoption (Put) beinhaltet das Recht, einen zugrunde liegenden Gegenstand oder Basiswert, einen Devisenbetrag etwa, zu einem im Voraus bestimmten fixen Preis, dem Ausübungspreis, während (amerikanische Option) oder am Ende der Laufzeit (europäische Option) der Option zu verkaufen. Beispiel einer kurzfristigen Kursabsicherung Die Anwendung dieser Sicherungsinstrumente wird anhand einer Aufgabe im nachfolgenden Beispiel demonstriert. Ein Unternehmen steht vor folgender Ausgangssituation: Es erhält in 3 Monaten 10 Mio. US-$ Der Kassakurs beträgt heute 0,9282 €/ US-$ Der 3-Monats-US-LIBOR ist 1,34% p.a. (Aufnahmesatz) Der 3-Monats-EURIBOR beläuft sich auf 2,5% p.a. (Anlagesatz) Das Unternehmen erwartet in 3 Monaten einen Kurs von 0,8818 €/ US-$ und verfolgt die Strategie, sich gegen einen fallenden Kurs abzusichern. Das Unternehmen steht vor folgenden Fragen: (1) Wie kann durch eine Darlehensaufnahme in Fremdwährung eine Kurssicherung durchgeführt werden? (2) Wie hoch sind die Absicherungskosten bzw. der Terminkurs auf 3 Monate im Falle eines Devisentermingeschäftes? Zur Beantwortung der ersten Frage kann man folgende Überlegungen anstellen: Das Unternehmen nimmt einen Dollarkredit mit einer Laufzeit von 3 Monaten auf. Die Zinsen betragen 1,34% p.a. Das Darlehen soll zusammen mit den zu zahlenden Zinsen 10 Mio. US-$ betragen, d.h. die reine Darlehenssumme beträgt 9.966.611 US-Dollar. Dabei kann man die reine Darlehenssumme wie folgt ermitteln: US$ Mio. 10 x 4 0,0134 x <?page no="65"?> 64 3 Instrumente der internationalen Finanzierung US$ Mio. 10 4 0,0134 1 x US$ 611 . 966 . 9 00335 , 1 US$ Mio. 10 4 0134 , 0 1 US$ Mio. 10 x Diesen Dollar-Betrag tauscht das Unternehmen auf dem Kassamarkt gegen € zu einem Kurs von 0,9282 €/ US$. Es erhält 9.251.008 € und legt diese € für 3 Monate zu 2,5% p.a. an. Nach 3 Monaten erhält das Unternehmen insgesamt 9.308.827 € zurück (9.251.008 + 57.819 Zinsen). Gleichzeitig erhält es von seinem amerikanischen Kunden 10 Mio. US-Dollar, die dazu verwendet werden, das US-Dollar-Darlehen zurückzuzahlen. Zusammengefasst hat das Unternehmen für die 10 Mio. US$ 9.308.827 € erhalten. Dies entspricht einem Terminkurs von 0,9309 €/ US$ (9.308.827/ 10.000.000). Bezüglich der zweiten Frage kommt es zu einer Absicherung durch ein Termingeschäft, d.h. Verkauf von 10 Mio. US-$ in 3 Monaten. Die Berechnung des dabei zugrunde liegenden Terminkurses ergibt sich dann wie folgt: 360 100 Tagen in Zeit ) Ausland Zins Inland Zins ( enz Zinsdiffer Kassakurs Swapsatz ) Aufschlag bzw. Report d.h. ( 00269 , 0 360 100 90 ) 34 , 1 5 , 2 ( 9282 , 0 Swapsatz Daraus lässt sich der folgende Terminkurs ermitteln: Terminkurs = 0,9282 + 0,00269 = 0,93089 €/ US-$. Dieser Terminkurs weicht von dem vorher errechneten marginal ab, da in dieser Formel unterstellt wird, dass der Zinsertrag zu dem in der Formel eingesetzten Kassakurs konvertiert wird. Dies ist eine Voraussetzung, von der jedoch nicht immer ausgegangen werden kann. Aus diesem Grunde werden heute im Allgemeinen kompliziertere Berechnungsmethoden angewandt. Nach einem Monat ergibt sich folgende Entwicklung: <?page no="66"?> 3.2 Finanzierung im Rahmen von internat. Transaktionen 65 Der Kassakurs steigt bei unveränderten Zinsen auf 0,9561 €/ US-$ und das veranlasst das Unternehmen, seine Kurseinschätzung für die nächsten 2 Monate zu revidieren. Es rechnet mit einem Anstieg auf 0,9839 €/ US-$ und schließt deshalb ein Gegengeschäft zum bisherigen Termingeschäft ab. Es stellen sich jetzt die folgenden Fragen: (1) Wie hoch sind jetzt die Kosten bzw. der Terminkurs auf zwei Monate? (2) Welches Ergebnis ergibt sich (a) aus dem Gegengeschäft, wenn der Kurs auf 0,9839 €/ US-$ hochgeht und (b) per Saldo aus beiden Geschäften? (3) War es richtig, ein Gegengeschäft abzuschließen? Durch das Gegengeschäft für zwei Monate wird die Position wieder geöffnet. Das Unternehmen kauft 10 Mio. US-$ in zwei Monaten. Die Berechnung des Terminkurses ergibt sich dann wie folgt: ) Report d.h. ( 001848 , 0 360 100 60 ) 34 , 1 5 , 2 ( 9561 , 0 Swapsatz Daraus ergibt sich als Terminkurs: Terminkurs = 0,9561 + 0,001848 = 0,9579 €/ US-$. Durch das Gegengeschäft hat das Unternehmen die Kurssicherung wieder aufgehoben, d.h. die Position geöffnet, um von einem steigenden Kurs profitieren zu können. Allerdings werden jetzt Verluste realisiert, da 10 Mio. US-$ zu 0,9309 €/ US-$ verkauft und durch das Gegengeschäft 10 Mio. US-$ zu 0,9579 €/ US-$ gekauft wurden. Der realisierte Verlust berechnet sich wie folgt: Verlust = 10 Mio. US-$ · (0,9309 - 0,9579) €/ US-$ = 10 Mio. US-$ · (-0,0270) €/ US-$ = - 270.000 €. Als möglicher Vorteil durch das Öffnen der Position ergibt sich: Wenn das Gegengeschäft nicht gemacht worden wäre und in zwei Monaten der Kassakurs dem erwarteten Kurs von 0,9839 €/ US-$ <?page no="67"?> 66 3 Instrumente der internationalen Finanzierung entsprechen würde, hätte das Unternehmen einen Verlust in Höhe von - 530.000 € erzielt. Der Verlust ohne Gegengeschäft berechnet sich folgendermaßen: Verlust = (0,9309 - 0,9839) €/ US-$ · 10 Mio. US-$ = - 0,0530 €/ US-$ · 10 Mio. US-$ = - 530.000 €. Durch das Öffnen der Position hat das Unternehmen in diesem Fall 260.000 € gewonnen. Abbildung 16 gibt die Alternativen noch einmal schematisch wieder. Abbildung 16: Kursabsicherung mit Gegengeschäft Unterstellt man, dass das Verhältnis der Zinsen umgekehrt ist, d.h. der 3-Monats-US-LIBOR 2,5% p.a. und der 3-Monats-EURIBOR 1,34% p.a. betragen würde, so stellt sich für das Unternehmen die Frage, wie hoch der Terminkurs auf 3 Monate im Falle eines Devisentermingeschäftes ist, wenn die sonstigen Voraussetzungen für das Unternehmen gleich sind. Der neue Terminkurs beträgt dann: 360 100 Tagen in Zeit Ausland) Zins Inland Zins ( renz Zinsdiffe Kassakurs Swapsatz <?page no="68"?> 3.2 Finanzierung im Rahmen von internat. Transaktionen 67 Abschlag) bzw. Deport (d.h. 0,00269 360 100 90 2,5) (1,34 0,9282 Swapsatz Terminkurs = 0,9282 - 0,00269 = 0,9255 €/ US-$. Die langfristige Kursabsicherung durch Währungsswaps Richtungsweisend für die langfristige Kursabsicherung durch Währungsswaps war der 1981 zwischen der IBM und der Weltbank abgeschlossene Währungsswap, wobei US-$ gegenüber DM bzw. sfr getauscht wurden. Arrangiert wurde diese Transaktion von Salomon Brothers. Ein solcher Währungsswap lässt sich in drei Schritte aufgliedern (vgl. Abbildung 17): (1) Bei Geschäftsabschluss werden Kapitalbeträge in den zugrunde liegenden Währungen getauscht, wobei üblicherweise der Tausch zum aktuellen Kassakurs erfolgt. (2) Während der Laufzeit werden Zinsen auf die im Tausch erhaltenen Kapitalbeträge an die Parteien gezahlt. (3) Am Ende der Laufzeit werden die Kapitalbeträge unter Zugrundelegung des ursprünglichen Wechselkurses (Pari-Termin- Basis) zurückgetauscht. Abbildung 17: Der Austausch der Kapitalbeträge und der Zinsen auf diese Kapitalbeträge <?page no="69"?> 68 3 Instrumente der internationalen Finanzierung Ein Beispiel aus der Konzernfinanzierung im Falle einer Akquisition eines US-amerikanischen Unternehmens soll diesen Sachverhalt verdeutlichen. Erwirbt die deutsche Muttergesellschaft das Unternehmen, so könnte sie im Falle einer hohen „Kriegs“-Kasse ihre liquiden Mittel in Euro zum Kassakurs in US-$ tauschen und damit den Kaufpreis bezahlen. Damit hätte sie sich jedoch zum gegenwärtigen Kurs festgelegt, obwohl sie nicht ausschließt, dass der US-$ sich abwerten wird. Sie könnte aber auch ihre amerikanische Tochtergesellschaft die Akquisition durchführen lassen, die sich in US-$ verschulden und mit dem aufgenommenen Betrag den Kaufpreis bezahlen würde. Das hätte jedoch zur Folge, dass sich nach der Konsolidierung der Tochtergesellschaft die konsolidierte Gruppen- Bilanz verlängern würde, was die Muttergesellschaft angesichts ihrer hohen Liquiditätsbestände vermeiden möchte. Ein Ausweg aus diesem Dilemma zeigt sich in der Vergabe eines Darlehens der Muttergesellschaft aus der Auflösung eines auf Euro lautenden Wertpapierportfolios unter gleichzeitiger Einschaltung einer Swap-Bank, die den auf Euro lautenden Darlehensbetrag in US-$ für einen Zeitraum von beispielsweise 9 Jahren tauscht und der amerikanischen Tochtergesellschaft zur Verfügung stellt. Auf diese Weise ist die Tochtergesellschaft in der Lage, den Kaufpreis für die Akquisition mit den erhaltenen US-$ zu begleichen. In der am Ende des Jahres umgerechneten EURO-Bilanz dieser Tochtergesellschaft erscheint dann auf der linken Seite unter dem Beteiligungsbuchwert aufgrund der Akquisition der gleiche EURO-Betrag wie der von der Muttergesellschaft erhaltene Darlehensbetrag auf der rechten Seite der Bilanz. In dem beschriebenen Fall handelt es sich um einen Currency Asset Swap. Wird dieser Swap z.B. nach Ablauf von 9 Jahren fällig, gibt die Swap-Bank die erhaltenen Euro im Austausch gegen US-$ an die Tochtergesellschaft zurück, die damit ihre Darlehensschuld gegenüber der Muttergesellschaft zurückzahlt. Da der Rücktausch zum Pari-Terminkurs wie vor 9 Jahren erfolgt, bleiben mögliche Wechselkursveränderungen während der Laufzeit von Swap und Darlehen ohne Einfluss. Abbildung 18 veranschaulicht die beschriebene Transaktion. <?page no="70"?> 3.2 Finanzierung im Rahmen von internat. Transaktionen 69 Abbildung 18: Der Einsatz eines Currency Asset Swaps zur Absicherung von Gruppendarlehen <?page no="71"?> 44 SSoonnddeerrpprroobblleemmee d deess iinntteerrnnaattiioonnaalleenn FFiinnaannzzmmaannaaggeemmeennttss 44..11 FFiinnaannzziieerruunngg iinntteerrnnaattiioonnaalleerr MM&&AA-- TTrraannssaakkttiioonneenn Cross Border Transactions M&A ist die Abkürzung von Mergers & Acquisitions und bezeichnet Unternehmenstransaktionen, bei denen es zum Kauf bzw. Verkauf oder einer Zusammenführung von Unternehmen oder Teilbetrieben primär zwischen operativen Unternehmen (im Gegensatz zu reinen Beteiligungsunternehmen) kommt. Internationale M&A-Transaktionen sind keine Innovation des strategischen Managements der letzten Jahre - so wurde beispielsweise Opel bereits in den Jahren 1929-1931 von General Motors übernommen. Allerdings haben sie in ihrer Intensität und Alltäglichkeit sehr an Bedeutung gewonnen. Internationale M&A- Aktivitäten, die häufig auch unter dem Begriff des Cross Border- M&A betrachtet werden, sind heute nicht das Betätigungsfeld weniger Großkonzerne, sondern der Alltag auch im Bereich mittelständischer Unternehmen. Das Volumen und die Anzahl der weltweiten M&A-Transaktionen unterliegen starken Schwankungen. Abbildung 19 zeigt das Volumen und den Anteil der Cross-Border-Transaktionen. Auch hier liegen in Bezug auf das Volumen starke Schwankungen vor - so konnte der Wert des Jahres 2007 in den Folgejahren nicht gehalten werden -, der Anteil der Cross-Border-Transaktionen am oben genannten Gesamtvolumen liegt aber in den letzten fünf Jahren bei gut einem Drittel und ist seit dem Jahr 2000 weiter gestiegen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Zahlen der Cross-Border- Transaktionen in Abbildung 19 den tatsächlichen Anteil des internationalen M&A tatsächlich sogar deutlich zu niedrig darstellen. Dies liegt darin begründet, dass Transaktionen wie der Erwerb von Porsche durch VW oder von Continental durch Schaeffler als rein <?page no="72"?> 4.1 Finanzierung internationaler M&A-Transaktionen 71 deutsche Transaktionen gewertet werden, wobei es sich bei allen beteiligten Unternehmen um globaleUnternehmen handelt. Es ist offensichtlich, dass eine Integration von Porsche in den VW- Konzern nicht nur im deutschen Markt stattfinden wird, sondern beispielsweise auch in Nordamerika, wo beide Unternehmen sowohl Vertriebsals auch Produktionsstätten haben. Letztlich ist die internationale Dimension einer solchen als „national“ bezeichneten Transaktion häufig noch höher als beispielsweise bei der als „international“ gewerteten Übernahme von Rover durch BMW in den neunziger Jahren. Abbildung 19: Weltweite Cross-Border-Transaktionen Quelle: Thomson Reuters, 2015, online Die Übernahme von Rover durch BMW ist aber auch ein gutes Beispiel, dass M&A-Transaktionen mit hohen Risiken behaftet sind. Langjährige Untersuchungen zeigen, dass M&A-Transaktionen nicht selten den Wert des übernehmenden Unternehmens belasten, also keinen Wert schaffen. Bruner (Bruner, R. F., 2004) hat in einer Metaanalyse von insgesamt 44 Studien zur Wertschaffung von M&A-Transaktionen gezeigt, dass 20 Studien eine Wertvernichtung durch M&A belegen, 24 Studien eine Wertschaffung. Diese ambivalente Bewertung von M&A wird noch dadurch verstärkt, dass neuere Studien eher ein negatives Bild zeichnen. Letztlich müssen M&A-Transaktionen vor dem Hintergrund der Motive betrachtet werden. <?page no="73"?> 72 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements Die allgemeinen Motive für M&A-Transaktionen sind vielfältig (Ernst, D./ Häcker, J., 2011) und können folgende Hintergründe haben: Markteintritt in neue Märkte, Überwindung von Markteintrittsbarrieren, Erweiterung der geografischen Präsenz, Marktanteilszuwachs (Marktdurchdringung) in bestehenden Märkten, Erweiterung oder Vervollständigung des Produktportfolios, Zugang zu neuen Technologien, Erhöhung der Marktmacht gegenüber Lieferanten, Erhöhung der Marktmacht gegenüber Kunden, bessere Nutzung vorhandener Kapazitäten, die Ausnutzung weiterer Größeneffekte. Es wird an dieser Stelle offensichtlich, weshalb der Anteil von Cross-Border-Transaktionen so hoch ist: Ein Großteil der Motive von M&A-Transaktionen erhält eine besondere Bedeutung vor einem internationalen Unternehmenshintergrund. Dies betrifft insbesondere die Motive des Marktanteilgewinns, des Eintritts in neue Märkte, des Überwindens von Markteintrittsbarrieren etc. Nun führen aber nicht alle Motivationen auch zu einem Erfolg in dem Sinne, dass die Transaktion auch wertsteigernd für das übernehmende Unternehmen ist. Hierzu gibt es eine umfassende Diskussion (Koller, T./ Goedhart, M./ Wessel, D., 2010; Ernst, D./ Häcker, J., 2011). Bruner (Bruner, R. F., 2004) leitet aus der oben erwähnten Metaanalyse „Erfolgsfaktoren“ ab. Das Vorliegen von konkreten, benennbaren Markt- und Kostensynergien ist essenziell im Hinblick auf die Wertschaffung. Die Einhaltung klarer Maximalpreisvorstellungen, insbesondere in Bieterwettbewerben, bzw. die Konzentration auf tendenziell unterbewertete Akquisitionsziele ist von Vorteil. Die Motivation eines reinen Marktanteilsgewinns - auch im Hinblick auf die oben erwähnte Steigerung der Verhandlungsmacht gegenüber Lieferanten oder Kunden bzw. die Beseitigung <?page no="74"?> 4.1 Finanzierung internationaler M&A-Transaktionen 73 eines Konkurrenten - zahlt sich eher nicht aus. Diversifikation als Ziel einer M&A-Aktivität vernichtet Wert, der Fokus in Bezug auf die Geschäftssegmente ist erfolgreicher. Transaktionen, bei denen das neue Unternehmen mit eigenen Aktien bezahlt wird, sind weniger erfolgreich, als Transaktionen, die mit „Cash“ bezahlt werden. Allerdings neigen Firmen, die überschüssiges Cash haben dazu, dieses weniger erfolgreich einzusetzen. Die finanzielle Beteiligung des Managements ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. M&A-Transaktionen, die das Ergebnis strukturierter M&A- Prozesse im Unternehmen sind, sind erfolgreicher als „Nachtund-Nebel“-Transaktionen. Gerade der letzte Erfolgsfaktor erfordert, den Prozess von M&A- Transaktionen genauer zu betrachten. Prozess internationaler M&A-Transaktionen Abbildung 20 zeigt den M&A-Prozess mit seinen drei Phasen (Deimel, K./ Heupel, T./ Wiltinger, K., 2013): (1) die strategische Analyse- und Konzeptionsphase (Pre-Akquisitionsphase), (2) die Transaktionsphase sowie (3) die Integrationsphase (Post-Merger-Integrationsphase). Die strategische Analyse- und Konzeptionsphase wird auch als Pre-Akquisitionsphase bezeichnet. Hier erfolgt zunächst die strategische Zielbildung des übernehmenden Unternehmens mithilfe einer strategischen Unternehmensanalyse. Auf Basis einer Umweltanalyse werden die unternehmensexternen Rahmenbedingungen analysiert und strategisch bewertet. Anschließend muss aus der Unternehmensperspektive die Frage beantwortet werden, über welche Stärken und Schwächen das erwerbende Unternehmen verfügt und wie eine gegebenenfalls vorhandene strategische Lücke des Unternehmens geschlossen werden soll. Hier kommen insbesondere die oben genannten Motive der internationalen M&A-Transaktionen zum Tragen. <?page no="75"?> 74 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements Abbildung 20: Phasen einer Akquisition Quelle: Deimel, K./ Heupel, T./ Wiltinger, K., 2013 Die Akquisitionsplanung soll Transparenz über die treibenden Motive und die Zielsetzung der Handlung aller Prozessbeteiligten an der Akquisition verschaffen. Auf Basis dieser Planung lässt sich der Unternehmenskauf zu einem rationalen Prozess gestalten, in dem die Teilprozesse systematisch abgearbeitet, analysiert und für alle Beteiligten dokumentiert werden. Die unterschiedlichen Informationsstände in Bezug auf das Kaufobjekt zwischen Käufer und Verkäufer, sogenannte Informationsasymmetrien, werden hierdurch abgebaut, wodurch sich der Abschluss einer erfolgreichen Akquisition mit höherer Wahrscheinlichkeit umsetzen lässt. Eine Aufgabe im Rahmen der Pre-Akquisitionsphase ist sicherlich die Auswahl von Beratern, die das Unternehmen durch den Akquisitionsprozess begleiten. Typische Berater, die in die meisten Transaktionen eingebunden werden, sind Investmentbanken, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Rechtsanwaltskanzleien. Insbesondere im Rahmen der Due Diligence werden weitere Berater eingeschaltet. Den Investmentbanken kommt als Berater meistens das zentrale Projektmanagement im Rahmen des M&A-Prozesses zu. Daneben gehören die Bewertung, d.h. die Ermittlung eines „fairen“ Kaufpreises, die Vorbereitung von Informationsmemoranden, in denen das Verkaufsobjekt beschrieben wird, sowie weiterer Dokumente <?page no="76"?> 4.1 Finanzierung internationaler M&A-Transaktionen 75 im Prozessverlauf und die Leitung der Verhandlungen zu den zentralen Aufgaben. Eine regionale Aufgliederung zeigt, dass das Investmentbanking eine wirklich globale Branche ist. Alle fünf in Europa führenden Investmentbanken Goldman Sachs, Morgan Stanley, JP Morgan, Deutsche Bank und Credit Suisse gehören auch weltweit führenden Instituten und auch die Top Fünf in Asien Goldman Sachs, Citi, Morgan Stanley, UBS, Bank of America Merrill Lynch kommen aus den globalen Top Ten. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die meisten M&A-Transaktionen internationale Aspekte umfassen und sich die Käufer sowie Verkäufer daher von international führenden Investmentbanken beraten lassen. Abbildung 21 zeigt die Top Ten der globalen Investmentbanken im Jahr 2015. Abbildung 21: Top Ten der Investmentbanken 2015 Quelle: Financial Times Online, 2015, online Die Transaktionsphase beinhaltet die Selektion möglicher Akquisitionskandidaten sowie den tatsächlichen Akquisitionsvorgang, der sich von der ersten Kontaktaufnahme über die Unternehmensbewertung bis zum Vertragsabschluss und die Übertragung aller Rechte und Pflichten an den Erwerber erstreckt. Im Einzelnen <?page no="77"?> 76 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements unterteilt man folgende Meilensteine, auf die nur zum Teil detaillierter eingegangen wird: (1) Screening und Selektion zur Ableitung einer Short List von möglichen Übernahmeobjekten, (2) Kontakt- und Verhandlungsaufnahme abgeschlossen durch den Letter of Intent (LOI), (3) Due Diligence mit verschiedenen Detailprüfungen, (4) Bestimmung eines Kaufpreises im Rahmen der Bewertung des Übernahmeobjektes, (5) Vertragsverhandlungen und im Erfolgsfalle Signing und Closing. Abbildung 22: Screening-Kriterien Basierend auf einem grundsätzlichen Anforderungsprofil an mögliche Akquisitionsobjekte werden in der Screening- und Selektionsphase systematisch allgemein zugängliche Informationen über mögliche Akquisitionsobjekte gesammelt, ausgewertet und aufbereitet. <?page no="78"?> 4.1 Finanzierung internationaler M&A-Transaktionen 77 Hierdurch entsteht zunächst eine sogenannte „Long List“, d.h. eine Liste von bis zu 20 möglichen Akquisitionsobjekten und nach einem weiteren Screening die sog. „Short-List“, die in der Regel nur noch bis zu fünf Übernahmeobjekte umfasst. Im Allgemeinen basiert das Screening auf nachvollziehbaren Kriterien, die in Abbildung 22 dargestellt sind. Nach Abschluss der internen Vorbereitungen wird versucht, mit den Eigentümern bzw. dem Management des Akquisitionskandidaten Kontakt aufzunehmen. Der erste, Kontakt kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Bei Cross-Border-Transaktionen ist es jedoch häufig so, dass der Kontakt zum Übernahmeobjekt von einer Investmentbank oder einem auf Transaktionen spezialisierten Berater hergestellt wird. Gerade eine global agierende Investmentbank hat möglicherweise bereits in einem anderen Umfeld Kontakt zu dem Transaktionsobjekt aufgebaut. Sollte das Management bzw. die Eigentümer des Transaktionsobjektes prinzipiell an einem Verkauf interessiert sein, werden erste Gespräche geführt. Diese konzentrieren sich im Allgemeinen auf eventuelle Rahmenbedingungen eines Verkaufs und fast immer auf eine erste Kaufpreisindikation. Kann hier eine grundlegende Übereinstimmung erzielt werden, dient der Letter of Intent dazu, die bisher erzielten Verhandlungsergebnisse zusammenzufassen. In einem LOI erfolgt die meist unverbindliche Erklärung der Verhandlungsparteien, dass man auf Basis der bereits erzielten vorvertraglichen Verhandlungsergebnisse zum Vertragsabschluss kommen will. Ein LOI dient zur Absicherung des Managements des Zielunternehmens, sofern beim Käufer noch Punkte bis zur endgültigen Einigung geklärt werden müssen oder noch eine dritte Partei, wie z.B. ein Finanzinvestor, ihre Zustimmung geben muss. Im Wesentlichen legt der LOI nicht nur eine möglichen Kaufpreis fest, sondern auch die weitere Vorgehensweise sowie den Zeitplan bis zur Übertragung der Unternehmensanteile bzw. des vollständigen Unternehmens (Betsch, O./ Groh, A./ Lohmann, L, 2000). Die nächste Phase im Transaktionsprozess ist die detaillierte Prüfung des Zielobjekts, die sogenannte Due Diligence. Unter Due Diligence (übersetzt: gebührende Sorgfalt) versteht man eine weitgehende Überprüfung einer Gesellschaft, die durch einen Erwerber <?page no="79"?> 78 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements oder eine sonstige Vertragspartei im Rahmen eines Unternehmenskaufs oder einer anderen Transaktion erfolgt (Bruner, R. F., 2004). Ziel einer Due Diligence-Prüfung aus Sicht des Käufers ist im Wesentlichen, Informationen über alle bewertungsrelevanten Details zu erlangen sowie mögliche mit einem Kaufobjekt verbundene Chancen und Risiken zu identifizieren. Aus Sicht des Verkäufers ist eine umfangreiche und detaillierte Due Diligence sinnvoll, da dies das Risiko für spätere Klagen und Rückforderungen des Käufers aufgrund „verschwiegener Mängel“ reduziert. Daher empfehlen inzwischen etliche Investmentbanken den Verkäufern vor Start eines Verkaufsprozesses, eine sogenannte „Seller Side Due Diligence“ durch einen vom Verkäufer beauftragten Wirtschaftsprüfer durchführen zu lassen. Das Ergebnis dieser Prüfung wird den potenziellen Käufern zur Verfügung gestellt. Die Due Diligence ist nicht eine einzige Prüfung, sondern besteht aus einer ganzen Reihe von Prüfungen: Financial Due Diligence auf Basis der kurz- und mittelfristigen Unternehmensplanung, Commercial Due Diligence in Bezug auf die Produkte und Märkte, Operational Due Diligence im Hinblick auf Produktion und Logistik, R&D Due Diligence im Hinblick auf die Produkt-Pipeline, Legal Due Diligence im Hinblick auf alle wesentlichen Verträge und auch Vertragsbzw. Prozessrisiken, Tax Due Diligence im Hinblick auf die steuerlichen Auswirkungen der Transaktion, Human Resources im Hinblick auf das Führungsteam sowie die Führungs- und Mitarbeiterstrukturen. Fallweise werden die Due-Diligence-Prüfungen noch um folgende weitere Prüfungen ergänzt, wie z.B. IT Due Diligence, Real Property Due Diligence, Environmental Due Diligence und/ oder Insurance & Risk Due Diligence. Die resultierenden Ergebnisse aus den Teilbereichen der Due Diligence fließen in die Verhandlungen, die Unternehmensbewertung wie auch die später zu erfolgende Vertragsgestaltung ein. Idealty- <?page no="80"?> 4.1 Finanzierung internationaler M&A-Transaktionen 79 pisch verläuft die Phase der Due Diligence parallel zur eigentlichen Kaufbzw. Verkaufsverhandlung. Schon die Anzahl der durchzuführenden Detailprüfungen im Rahmen der Due Diligence verdeutlicht, dass ein Übernahmeprozess eines internationalen Unternehmens hohe Anforderungen an den Erwerber und Verkäufer stellt. Zwar versuchen die Verkäufer in aller Regel, den Due-Diligence-Prozess durch vorbereitete Informationen wie das Information Memorandum, gegebenenfalls eine „Seller Side Due Diligence“ und im Rahmen der eigentlichen Due Diligence durch einen „Data Room“ zu unterstützen, in dem alle wesentlichen Unterlagen zur Verfügung stehen. Trotzdem umfasst das Due-Diligence-Team des Käufers bei internationalen Transaktionen nicht selten fünfzig oder mehr Personen. Hinzu kommt, dass gerade im Rahmen der Operational Due Diligence, der Real Property Due Diligence und der Environmental Due Diligence Besuche der Niederlassungen unumgänglich sind. Diese werden im Rahmen internationaler Transaktionen dann häufig nicht von Mitarbeitern der Holding durchgeführt, sondern durch Mitarbeiter aus den Landesgesellschaften. Auf Basis bereits vorliegender Verhandlungsergebnisse wie auch der durchgeführten Due Diligence entwickelt der Käufer seine konkrete Kaufpreisvorstellung, die dann in die Phase der Verhandlungen und der konkreten Vertragsgestaltung einbezogen wird. Die wesentlichen bisher erzielten Ergebnisse der Verhandlungen werden zur Dokumentation des Verhandlungsstandes häufig in einem sog. Memorandum of Understanding konkretisiert und festgehalten. Bei diesem Dokument wird zumeist zwischen Ergebnissen, bei denen bereits Einigung erzielt wurde, und noch offenen, klärungsbedürftigen Punkten unterschieden. Darüber hinaus werden auch die weiteren Schritte im Transaktionsprozess fixiert. Gegenstand der Vertragsverhandlungen sind im Wesentlichen formale Aspekte wie z.B. die Eigentumsverhältnisse, der Übergabezeitpunkt, der Kaufpreis, mögliche vom Käufer oder Verkäufer abzugebende Garantien wie auch gegebenenfalls weitere Nebenabreden, z.B. Weiterbeschäftigung des Managements bzw. Beraterverträge. Den Abschluss des Verhandlungsprozesses stellt das sogenannte Signing dar. Hierunter versteht man die abschließende Unterzeichnung des Kaufvertrags durch beide Parteien. Je nach Vertragskons- <?page no="81"?> 80 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements tellation ist hierzu auch eine notarielle Beurkundung notwendig. In aller Regel geht die Verfügungsgewalt des Verkäufers allerdings nicht sofort mit Unterzeichnung des Kaufvertrags auf den Käufer über. Bevor das Kaufobjekt tatsächlich den Eigentümer wechselt, müssen häufig noch eine oder mehrere aufschiebende Bedingungen erfüllt werden. Mit dem Closing übernimmt der Käufer gegen Entrichtung des Kaufpreises alle Rechte und Pflichten an der zu übernehmenden Gesellschaft zu einem festgelegten Zeitpunkt. Die letzte Rechtshandlung des übernommenen Unternehmens beim Closing ist die Eigentumsübertragung auf den Käufer. Daneben werden weitere Rechtshandlungen innerhalb des Closing abgewickelt, wie z.B. die Feststellung von Bilanzen und Ergebnissen von Zwischenprüfungen sowie die Abwicklung der Kaufpreiszahlungen. Zum Übergangsstichtag müssen die im Kaufvertrag vereinbarten, aufschiebenden Bedingungen sowohl quantitativ als auch qualitativ erfüllt sein. Zwischen Signing und Closing steht die Einholung von behördlichen Genehmigungen, die Umsetzung der Finanzierung durch den Käufer, aber auch die Gründung von Akquisitionsgesellschaften, sofern diese notwendig sind. Im Rahmen internationaler Transaktionen liegt hier ein besonderes Augenmerk auf den kartellrechtlichen Genehmigungen, deren Einholung sehr umfangreicher Dokumentationen bedarf und die auch sehr lange dauern können. Häufig wird hier vergessen, dass bei internationalen Transaktionen in jedem betroffenen Land eine Genehmigung eingeholt werden muss. Die Zusammenführung in Europa im Rahmen der EU-Fusionskontrollverordnung stellt dabei eher die Ausnahme dar. Werden im Rahmen eines Asset-Deals die einzelnen Vermögensgegenstände des Akquisitionsobjektes einzeln übertragen und nicht die Anteile am Eigenkapital der Muttergesellschaft des Akquisitionsobjektes (Share-Deal), z.B. in Form von Aktien, kommt eine weitere Komplexität hinzu. In jedem Land, in dem das Akquisitionsobjekt tätig ist und Assets vorhanden sind, muss die übernehmende Muttergesellschaft selbst über eine übernehmende Tochter verfügen oder eine solche gründen, die die Assets erwerben kann. Da dies manchmal wiederum behördlicher Genehmigungen bedarf, <?page no="82"?> 4.2 Private-Equity-Finanzierung 81 ist es bei internationalen Asset-Deals nicht unüblich, dass im Rahmen des eigentlichen Closing nur ein Teil des Unternehmens übergeht und einzelne Landesaktivitäten im Rahmen eines „Subsequent Closing“ nachfolgen. Die Integrationsphase, auch als Post-Merger-Phase bezeichnet, beinhaltet die Gestaltung der neuen Beziehung zwischen dem erwerbenden Unternehmen und dem erworbenen Unternehmen sowie die Umsetzung der durch den Erwerb formulierten Ziele. Hierbei müssen die Unternehmen operativ, organisatorisch und strategisch zusammengeführt werden. Dabei geht es häufig auch um die Realisierung von Synergien. Diese steht aber nicht im Mittelpunkt der finanziellen Aspekte des M&A. 44..22 PPrriiv vaattee- -EEqquui it tyy--FFiin naannzziie er ruun ngg Durch den „Heuschrecken“-Begriff des ehemaligen SPD-Parteivorsitzenden Franz Müntefering haben Private-Equity-Finanzierungen in der deutschen Öffentlichkeit erheblich an Aufmerksamkeit gewonnen. Dabei wird unter einer Heuschrecke ein Investor verstanden, der ein Unternehmen erwirbt, kurzfristig alle finanziellen Ressourcen aus dem Unternehmen heraussaugt und das Unternehmen dann wieder möglichst mit Gewinn abstößt. Betrachtet man Private Equity erst einmal wortneutral, bezeichnet es Eigenkapitalfinanzierungsformen, die im Gegensatz zu Public Equity stehen. Public Equity ist Eigenkapital, das über organisierte Kapitalmärkte, also Börsen, vermittelt wird. Unter Private Equity wird daher die Finanzierung von Unternehmen mit Eigenkapital, das nicht über organisierte Kapitalmärkte wie Börsen erfolgt, verstanden. Die Private-Equity-Finanzierung umfasst dabei umfangreiche Informations- und Mitbestimmungsrechte für den Eigentümer (Ernst, D./ Häcker, J., 2011). Ein weiteres konstituierendes Merkmal von Private Equity ist, dass der Private-Equity-Investor in aller Regel nur einen begrenzten Zeitraum in ein Unternehmen investieren will. Nach fünf bis sieben Jahre erfolgt die Devestition, der Exit. <?page no="83"?> 82 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements Private Equity wird in aller Regel nach der Zweckbindung in Bezug auf die Investments unterteilt. So unterscheidet der Bundesverband Deutscher Kapitalgesellschaften: (1) Venture Capital mit den Unterbereichen (a) Early Stage, (b) Later Stage sowie (c) Balanced, (2) Growth Capital, (3) Mezzanine Capital, (4) Generalist Capital sowie (5) Buyout Capital. Venture Capital dient dabei der Finanzierung von jungen Unternehmen in ihren frühen Entwicklungsphasen. Während die Early Stage-Finanzierung (auch Seed-Finanzierung genannt) letztlich der Entwicklung einer Geschäftsidee oder eines Geschäftsmodells dient, bedienen Later Stage Capital sowie Balanced Capital die Gründung bzw. das frühe Wachstum von Unternehmen. Growth Capital dient der Wachstumsfinanzierung von Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich letztlich schon in den Märkten bewiesen hat. Mezzanine Capital dient der Finanzierung von Fremdkapital bzw. nachgeordnetem Fremdkapital bei Unternehmensakquisitionen; Generalist Capital hat keinen speziellen Fokus (vgl. European Private Equity and Venture Capital Association, 2015, online). Abbildung 23: Der europäische Markt für Private Equity (Volumen in Mrd. €) Quelle: European Private Equity and Venture Capital Association, 2015, online <?page no="84"?> 4.2 Private-Equity-Finanzierung 83 Der Buyout-Markt umfasst, wie Abbildung 23 zeigt, den größten Teil (ca. 80%) des gesamten Private-Equity-Marktes. Danach folgen das gesamte Mezaninne Capital mit ca. 5% der Private-Equity- Investitionen und schließlich der gesamte Venture-Capital-Bereich mit ca. 7%. Durch das geringe Volumen der einzelnen Venture- Capital-Investition ist die Anzahl der Investitionen im Bereich Venture Capital aber höher als im Bereich Buyout. Im Folgenden wird der Fokus auf den Buyout-Markt gerichtet. Die wichtigsten Formen von Buyout-Transaktionen sind der Management Buyout (MBO), der Management Buy-In (MBI) und der Leveraged Buyout (LBO). Der Management Buyout ist die klassische Form des Buyouts. Hierbei übernimmt das zuvor angestellte Management das eigene Unternehmen. Dazu behilft es sich einer Beteiligungsfirma, welche den Großteil des verwendeten Kapitals bereitstellt. Bei einem MBO werden demnach Eigentum und Geschäftsführung vereint. Bei einem Management Buy-In erfolgt die Übernahme des Zielunternehmens durch ein externes Management, welches von Finanzinvestoren unterstützt wird. Hierbei übernimmt das externe Management Geschäftsanteile und die Führung des Unternehmens. Demgegenüber steht bei einem Leveraged Buyout die Finanzierungsstruktur im Mittelpunkt der Transaktion. Ein LBO wird mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Fremdkapital finanziert. Mit dem geringen Eigenkapitaleinsatz kann der Private-Equity-Investor aufgrund des Leverage-Effektes eine attraktive Eigenkapitalrentabilität erzielen. Die Tilgung der Schulden erfolgt aus dem freien Cashflow des erworbenen Unternehmens selbst. Das ideale Zielunternehmen weist daher stabile, positive und vorhersehbare Cashflows auf. Abbildung 24 zeigt die typische Struktur eines Private-Equity- Fonds. Der Fonds selbst ist meist als eine in einem steuerbegünstigten Land - in Europa häufig Luxemburg - angesiedelte Gesellschaft organisiert. Obwohl er im Zentrum von Abbildung 24 steht, da in ihm das anzulegende Kapital und die Beteiligungen gesammelt sind, ist die zentrale Instanz die Private-Equity-Gesellschaft. Große Private-Equity-Gesellschaften sind TPG Capital, Goldman Sachs Principal Investment Area, The Carlyle Group, Kohlberg Kravis Roberts (KKR), The Blackstone Group, Apollo Global <?page no="85"?> 84 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements Management, Bain Capital, CVC Capital Partners. Betrachtet man beispielsweise die Beteiligungen von KKR in Deutschland, so sind und waren hier Unternehmen wie Wincor Nixdorf, Tenovis, Demag, Duales System Deutschland (Grüner Punkt), ATU, Kion oder ProSiebenSat1 Media unter den Investments. Abbildung 24: Typische Struktur eines Private-Equity-Fonds Quelle: In Anlehnung an: Hehn, M., 2011 Die Private-Equity Gesellschaft übernimmt die folgenden Funktionen: Fundraising, Auswahl der Beteiligung und Durchführung des Investments, aktive Führung der Beteiligungen, De-Investment (als Exit bezeichnet). <?page no="86"?> 4.2 Private-Equity-Finanzierung 85 Im Rahmen des Fundraisings sammeln die PE-Gesellschaften Kapital von Investoren ein. Das typische Fundraising für einen Fond dauert 12 bis 24 Monate. Investoren in Private Equity sind überwiegend institutionelle Anleger wie Banken, Versicherungen und Rentenfonds. Aber auch reiche Privatanleger oder beispielsweise die Stiftungen der US-amerikanischen Top-Universitäten Harvard und Stanford legen ihr Geld in PE-Fonds an. Während sich die Auswahl der Beteiligungen und der weitere M&A-Prozess nicht grundsätzlich von dem normalen M&A-Prozess unterscheidet, ist das aktive Beteiligungsmanagement, d. h. die aktive Führung der Beteiligung, eine Besonderheit der LBO-Fonds. Brettel (Brettel, M., et al., 2008) untergliedert die Funktionen Monitoring, Mentoring und Intervening. Unter Monitoring subsumiert er die Organisation eines Kontrollsystems, das laufende Beteiligungscontrolling und das Mitwirken in Aufsichtsgremien, unter Mentoring die Managementberatung und -unterstützung sowie das Einschalten von externen Ressourcen, d.h. insbesondere Unternehmensberatungsgesellschaften. Im Bereich des Intervening erfolgen die Ablösung des Managements sowie die Übernahme des aktiven Tagesgeschäfts im Krisenfall. Auch wenn ein Intervening häufig sogar an objektiv nachvollziehbare Kriterien gebunden ist, haben insbesondere die mit dem Intervening verbundenen häufigen Wechsel im Topmanagement von Beteiligungsunternehmen zum negativen Image vieler PE-Gesellschaften geführt. Ein weiterer Faktor für das schlechte Image der PE-Investoren im Rahmen des Beteiligungsmanagements ist die häufig stark ausgeprägte Cashflow-Orientierung von PE-Fonds. Diese rührt aus der typischen Deal-Strukturierung von PE-basierten M&A-Transaktionen. Der Erwerb der Beteiligungsunternehmen erfolgt meist mit einem relativ geringen Anteil an Eigenkapital aus dem PE-Fonds, um einen hohen Leverage-Effekt für die PE-Investoren zu erzielen. Die restlichen Mittel werden in aller Regel über Bankkredite im Rahmen einer strukturierten Finanzierung beschafft. Diese hohen Schulden werden dann akquirierten Unternehmen aufgebürdet, so dass diese nach dem Erwerb durch den PE-Fonds eine hohe Zinslast zu tragen haben. <?page no="87"?> 86 4 Sonderprobleme des internationalen Finanzmanagements Nach einer Laufzeit von vier bis sieben Jahren erfolgt in aller Regel der Exit des Fonds. Klassische Exit-Strategien sind: Börsengang (Initial Public Offering), Veräußerung der Beteiligung an einen strategischen Investor (Trade Sale), Verkauf der Anteile an eine andere PE-Gesellschaft (Secondary Buyout), Rückkauf der Anteile durch Altgesellschafter (Buyback). Natürlich gibt es auch den Fall, dass die Gesellschaft in Konkurs geht und die Beteiligung somit aus Sicht des PE-Investors vollständig abgeschrieben werden muss. Dies ist allerdings seltener der Fall, da sich die Fremdkapitalgeber im Rahmen der strukturierten Finanzierung des Erwerbs erhebliche Mitspracherechte bzw. Übernahmeansprüche für den Fall sichern, dass die Kredite nicht mehr bedient werden bzw. bestimmte Kennzahlen auf ein entsprechendes Risiko hindeuten. <?page no="88"?> FFaallllssttuuddiiee: : IIn ntte errnnaattiioonnaalleess CCoonnttrroolllliinngg bbeeii EEnnBBWW Herausforderungen der Beteiligungssteuerung - Ansätze der Electricité de France (EDF) im internationalen Umfeld Dipl.-Kfm. Michael Dominique Gross, MBA Risikomanagement und Controlling, Energie Baden-Württemberg AG Die Liberalisierung der europäischen Strom- und Gasmärkte schreitet seit Anfang der 1990er Jahre unvermindert voran. Bisher meist nur national agierende Energieversorger entdecken die mit der zunehmenden Öffnung der Märkte verbundenen Wachstumschancen. Zur Stärkung seiner internationalen Marktstellung startete ab Mitte der 1990er Jahre einer der führenden Energiekonzerne, die Electricité de France (EDF), eine weltweit ausgedehnte Übernahmeoffensive. In diese Strategie reihte sich auch der Anteilserwerb in Deutschland an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) und die Bildung der 100%-Tochtergesellschaft EDF Energy in Großbritannien ein. Aufgrund verschiedener Beteiligungsanteile ergeben sich für die EDF Unterschiede in der Einbindung und in der Steuerung beider Unternehmen innerhalb der Gruppe. Umfeld/ Unternehmen Die Energiemärkte der großen europäischen Industrienationen erleben seit Mitte/ Ende der 1990er Jahre grundlegende strukturelle Veränderungen. Die Liberalisierung monopolistischer bzw. oligopolistischer Marktstrukturen, die wachsenden Privatisierungen von Staatsbetrieben, die zunehmende Entflechtung von Erzeugung, Übertragungsnetz und Vertrieb sowie europaweit harmonisierte Regulierungsvorschriften erfordern von Energiekonzernen sowohl strategische als auch operative Neuorientierungen. In Frankreich wird der französische Strommarkt heute mit über 90% Marktanteil von der EDF dominiert. Seit der Verstaatlichung des Unternehmens im Jahr 1946 ist der französische Staat mit über 80% (2009) Hauptanteilseigner am Stammkapital. Ist die Liberali- <?page no="89"?> 88 Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW sierung in Deutschland und Großbritannien bereits weit fortgeschritten, wird nun auch Frankreich auf Basis der Übertragung europäischer Vereinheitlichungsregelungen insbesondere seit 2007 verstärkt damit konfrontiert, seinen Energiemarkt zu öffnen und mehr Wettbewerb zuzulassen. In Deutschland trug bereits 1998 das Energiewirtschaftsgesetz, das die Auflösung der Gebietsmonopole zur Folge hatte, sowie die zweite Novellierung von 2005 auf Basis der entsprechenden EU- Richtlinie wesentlich zur Marktliberalisierung bei. Die dominierenden Marktakteure sind heute die sog. „großen“ Vier: E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Bereits Ende der 1980er Jahre wurde die Liberalisierung des britischen Stromsektors durch den sog. „Electricity Act“ umgesetzt. Wesentliche Akteure im Markt sind heute u.a.: EDF Energy, Centrica, E.ON UK sowie der britische Ableger der RWE. Abbildung 25 gibt die klassischen Wertschöpfungsstufen in der Stromwirtschaft wieder. Abbildung 25: Klassische Wertschöpfungsstufen in der Stromwirtschaft Herausforderung Mit einem Umsatz von 66,3 Mrd. € (2009) ist die EDF einer der umsatzstärksten Energiekonzerne Europas, was auch auf die massiven Beteiligungs- und Akquisitionsstrategien seit Ende der 1990er Jahre zurückzuführen ist. Die EnBW ist ein vertikal integrierter Energieversorger mit knapp 21.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 15,6 Mrd. € (2009). Die EnBW entstand 1997 durch Zusammenschluss der beiden regionalen Energieversorgungsunternehmen Badenwerk AG und Energie-Versorgung Schwaben AG, die sich bis dahin die Gebietsmonopole in Baden-Württemberg aufteilten. Im Jahr 2000 verkaufte das Land Baden-Württemberg seinen EnBW-Anteil von <?page no="90"?> Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW 89 25,1% an die EDF-Gruppe. Durch weitere Zukäufe konnte die EDF ihre Anteile an der EnBW ausdehnen. Zum Jahresende 2009 sind die EDF sowie der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) die größten Anteilseigner mit jeweils 45,01% am Stammkapital (vgl. Abbildung 26). Abbildung 26: Aktionärsstruktur der EnBW zum 31.12.2009 Quelle: EnBW, 2009, online Anmerkung: Wertbeitrag = (ROCE - Kapitalkostensatz) x Capital Employed ROCE = (Adjusted EBIT inklusive Beteiligungsergebnis) / Capital Employed Abbildung 27: Kennzahlen EnBW. Quelle: EnBW, 2009, online Zwischen den beiden Anteilseignern wurde ein bis Ende 2011 wirksamer Konsortialvertrag geschlossen, der die Eigentümerstruktur und die jeweilige Repräsentanz im Aufsichtsrat der EnBW <?page no="91"?> 90 Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW regelt. Der Aufsichtsrat der EnBW besteht zum Stichtag 31.12. 2009 aus 20 ständigen Mitgliedern. Die EDF stellt dabei 5 Mitglieder, der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) 3 Mitglieder und das Land Baden-Württemberg einen Vertreter. Die weiteren Mitglieder sind der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung zuzurechnen inkl. des Aufsichtsratsvorsitzenden und dessen Vertreter. Ferner sieht der Vertrag vor, dass der EDF ein Sonderrecht in Bezug auf die mittelfristige Unternehmensentwicklung der EnBW zusteht („Document de référence 2009“ der EDF, S. 91). Bisher stammten auch zwei Vorstände der EnBW von der EDF-Gruppe. Die wichtigsten Kennzahlen der EnBW sind in Abbildung 27 zusammengefasst. Auch EDF Energy ist ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen mit knapp 20.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 11 Mrd. € (2009) (vgl. Abbildung 28). Das Unternehmen entstand 2002, als die EDF die zusammengeschlossenen Energieversorger SEEBOARD, London Energy und SWEB Energy übernahm. 2009 folgte die Übernahme des Kernkraftwerksbetreibers Britisch Energy. Seit 2009 ist die 100%-Tochtergesellschaft der EDF führender Stromerzeuger Großbritanniens. Besonders im Hinblick auf die Erweiterungsmöglichkeiten der Erzeugungskapazitäten im Kernkraft- und Windkraftanlagenbereich offenbart der britische Energiemarkt Wachstumsmöglichkeiten und reiht sich somit in die Expansionsstrategie der EDF ein. Abbildung 28: Kennzahlen der EDF Energy Quelle: EDF, 2009, online; EDF Energy, 2009, online Zum 31.12.2009 stammen alle Mitglieder des Aufsichtsrates (Board of Non-Executive Directors) der EDF-Energy und deren Vorstandsvorsitzender (Chief Executive Officer) von der Muttergesellschaft. Die massiven Beteiligungs- und Akquisitionsstrategien der <?page no="92"?> Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW 91 EDF wurden von Pierre Gadonneix, CEO der EDF-Gruppe bis 2009, wie folgt beschrieben: „Die Öffnung der Energiemärkte in Europa hat die grundlegende Restrukturierung des Sektors sowie die Bildung von führenden Unternehmen auf europäischer Ebene zur Konsequenz. In einer derartigen Entwicklung fällt derjenige zurück, der es nicht versteht, voranzuschreiten. EDF muss daher seinen Teil am europäischen Wachstum wahrnehmen, um sich unter den Führenden zu behaupten“ (Gadonneix, 2005). Besonders die massiven Expansionsstrategien von Konkurrenten wie der deutschen E.ON oder der italienischen Enel-Gruppe setzten die EDF verstärkt unter Zugzwang. Die Zukäufe der EDF in Deutschland und Großbritannien, aber auch in Italien können daher als unmittelbare Reaktionen gesehen werden. Zudem ermöglicht der Zugang zum deutschsprachigen Energieversorgermarkt mit 90 Mio. potenziellen Kunden (Deutschland, Österreich und Schweiz) weitere Wachstumsoptionen, beispielsweise als zentrale „Energiedrehscheibe“ zu Osteuropa. Ferner ergeben sich technische Kooperationsmöglichkeiten im Bereich Kraftwerkstechnologie durch die geografische Nähe zwischen EDF und EnBW. Zum Erreichen, der mit der Akquisition ursprünglich beabsichtigten strategischen Zielsetzungen ist die langfristige Einbindung, Koordination und Steuerung einer Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft wesentlicher Erfolgsfaktor. Aus unterschiedlichen Beteiligungsstrukturen resultieren verschiedene Konzepte bzw. Möglichkeiten der Integration in die Konzerngruppe (Sollen nicht nur finanzielle Synergien erzielt werden, sind sowohl der Grad an Interdependenz, d.h. eine Verringerung der Grenzen, sowie der Grad an gewährter Autonomie zwischen Mutter- und Tochter-/ Beteiligungsgesellschaft von Bedeutung (Haspeslagh, P./ Jemison, D., 1991). Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts werden diese Faktoren praxisbezogen im Hinblick auf die Beteiligungssteuerung erörtert und präzisiert [Kategorien (1) bis (5)]). Die einfachste Form der Beteiligungssteuerung stellt dabei die Vorgabe von Finanzkennzahlen dar. Gewöhnlich wird dies bei strategischen Beteiligungen angewandt, bei denen die Muttergesellschaft über keine Anteilsmehrheit verfügt. Die in Praxis vorzufindenden Ansätze berühren üblicherweise die folgenden Kategorien: <?page no="93"?> 92 Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW (1) Wahrnehmung von Aufsichts- und Führungsfunktionen der Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft durch Vertreter der Muttergesellschaft. (2) Vereinbarung einvernehmlicher vertraglicher Bestimmungen zur Berücksichtigung der jeweiligen Zielsetzungen, Beteiligungsmotive und der langfristigen Beteiligungsstrukturen bei einer Mehreigentümerstruktur. (3) Bestimmung der auf die Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft zutreffenden Organisationsform zur Steuerung und Koordination durch die Muttergesellschaft: Dezentrale, weitestgehend eigenständige Controllingorganisation im Gegensatz zu einer zentralen Ausgestaltung. (4) Operative Ausgestaltung der Steuerungs- und Berichtssysteme (Frequenz und inhaltliche Tiefe des Berichtswesens, gruppenweite Vereinheitlichung der IT-Unterstützungssysteme zur Berichtserstellung, Einsichtsregelungen und automatisierte Zugriffsrechte der Muttergesellschaft in das Berichtswesen) sowie daraus abgeleitete Eingriffsrechte in die operative Geschäftstätigkeit der Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft. (5) Das Beteiligungsmodell als Führungs- und Steuerungssystem zielt ferner auf die Steigerung des Wertbeitrags einer Beteiligung bzw. auf eine entsprechende Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Fragen zur Fallstudie (1) Ordnen Sie die exemplarisch genannten Länder (Frankreich, Deutschland und Großbritannien) jeweils dem Grad der Marktliberalisierung und Privatisierung der Energiebranche zu. Leiten Sie das sich daraus ergebende Verhältnis zwischen Markteintrittsbarrieren und internationalen Expansionsbestrebungen von Energieversorgern ab. (2) Welche zwei Anteilseigner dominieren die EnBW zum Stichtag 31.12.2009? Welche konträren Zielsetzungen können diese beiden Anteilseigner verfolgen? Warum kann solch eine Beteiligungsstruktur gerade bei Energieversorgern in Deutschland üblich sein? (3) Diskutieren Sie, inwiefern im Rahmen einer Mehranteilseig- <?page no="94"?> Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW 93 nerstruktur, Einfluss auf die Beteiligungssteuerung ausgeübt werden kann. Beziehen Sie hierzu die vorgestellten Kategorien der Integrationsansätze (I) bis (IV) auf die vorgestellten Unternehmen. Verwenden Sie zur Beantwortung dieser Frage folgende tabellarische Gegenüberstellung und ermitteln Sie den potenziellen Einfluss der EDF bei der EnBW und bei der EDF Energy: Abbildung 29: Potenzieller Einfluss der EDF (a) Diskutieren Sie, welche Synergien ein durchgängiges, gruppenweites Steuerungsmodell bei Energieversorgern aus Sicht der Muttergesellschaft bewirken würde. Gehen Sie zur Beantwortung dieser Frage beispielhaft auf folgende zwei Elemente der Wertschöpfungskette eines Stromkonzerns ein: Energieerzeugung durch Windkraftanlagen und Stromvertrieb an einen Automobilkonzern mit Produktionsstätten in Frankreich und England. Erörtern Sie diese im Hinblick auf Kosten- und Erlöseffekte im Verbund EDF und EDF Energy: (b) Ausgehend von Ihrer Analyse aus a), welches der beiden Unternehmen wird stärker in die Steuerungsorganisation der EDF eingebunden? Welches Unternehmen genießt dagegen eine relativ hohe Autonomie und würde eher primär über ein Finanzkennzahlen-Reporting gesteuert? Welchen Einfluss können derartige Synergieeffekte auf den Wertbeitrag ausüben? Legen Sie zur Beantwortung dieser Frage folgende vereinfachte Definition des Wertbeitrages zugrunde und analysieren Sie die Kosten- und Erlöseffekte <?page no="95"?> 94 Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW aus der vorherigen Fragestellung: Wertbeitrag = EBIT - Kosten des eingesetzten Kapitals Abbildung 30: Kosten- und Erlöseffekte der EDF <?page no="96"?> QQuueelllleenn Betsch, O./ Groh, A./ Lohmann, L, 2000: Corporate Finance: Unternehmensbewertung, M & A und innovative Kapitalmarktfinanzierung, 2. Aufl., München. 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Juli 2015 <?page no="100"?> SSt tiicchhwwoorrttvveerrzzeeiicchhnniiss Cash-Management 53 Cash-Pooling 55 Clearing 56 Commercial Banking 28 Commercial Papers 52 Cross Border Transactions 70 Deep Discount 50 Due Diligence 77 Eigenkapitalquote 18 Innenfinanzierung 36 internationale Kapitalmärkte 22 Investment Banking 28 konzernexterne Außenfinanzierung 39 konzerninterne Außenfinanzierung 38 Letter of Intent 77 M&A-Transaktionen 73 Marktstellung 87 Private-Equity-Finanzierung 81 Private-Equity-Fonds 84 Prozess der Kapitalbeschaffung 35 Roll-over-Kredite 48 Screening-Kriterien 76 Teilmärkte des Euromarktes 26 Träger der Kapitalbeschaffung 26 typische Geschäftsfelder einer Universalbank 27 Währungsmanagement 59 Wechselkurssysteme 19 Zero Coupon Bond 50 Ziele des internationalen Finanzmanagements 13 Zinsmanagement 57 <?page no="101"?> www.uvk.de Verhandeln wie professionelle Ein- und Verkäufer Der Erfolg gibt ihnen Recht: die Everest- Methode von Jörg Pfützenreuter und Thomas Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gleichermaßen gefragt. Seit Jahren coachen sie Vertriebler und Einkäufer und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raffinesse, wer als Sieger vom Verhandlungstisch aufsteht. Ein Buch für alle, die im Einkauf oder Vertrieb arbeiten und ihr Verhandlungsgeschick um den alles entscheidenden Gipfelmeter voranbringen wollen. Jörg Pfützenreuter, Thomas Veitengruber Die Everest-Methode Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer 2015, 230 Seiten, flex. Einb. ISBN 978-3-86764-549-2