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Antike Geschlechterdebatten

Die soziale Verortung der Frauen und Männer in der griechisch-römischen Antike

0125
2021
978-3-8930-8659-7
978-3-8930-8459-3
Attempto Verlag 
Kordula Schnegg

Geschlecht ist ein zentrales Kriterium für die Ordnung des sozialen Raumes. Das gilt nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für vergangene Gesellschaften. In der griechisch-römischen Antike waren Verhaltensregeln und Handlungsmöglichkeiten durchweg geschlechtlich markiert. Den Frauen und den Männern wurden klare Rollen in ihrer Gemeinschaft zugewiesen. Dass die daraus resultierende Geschlechterordnung ein mächtiges Instrument war, um die Gemeinschaft zu regulieren, lässt sich aus antiken Quellen erschließen. Der Band skizziert antike Geschlechterverhältnisse anhand von drei historischen Beispielen: Er diskutiert die Position der Ehefrau im griechischen Haushalt, geht der Frage nach der "idealen" Männlichkeit in Rom nach und beleuchtet das öffentliche Auftreten einer Römerin in einer politischen Ausnahmesituation.

<?page no="0"?> Antike Geschlechterdebatten Die soziale Verortung der Frauen und Männer in der griechisch-römischen Antike Kordula Schnegg <?page no="1"?> Dr.in Kordula Schnegg ist assoziierte Professorin am Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik der Universität Innsbruck. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Geschlechter- und Körpergeschichte (Schwerpunkt: Antike) sowie Geschichte der sozialen Verhältnisse in der römischen Antike. 20459_Umschlag.indd 5 20459_Umschlag.indd 5 12.01.2021 10: 44: 25 12.01.2021 10: 44: 25 <?page no="2"?> Antike Geschlechterdebatten <?page no="4"?> Kordula Schnegg Antike Geschlechterdebatten Die soziale Verortung der Frauen und Männer in der griechisch-römischen Antike <?page no="5"?> Umschlagabbildung: Heroes of ancient Greek myths. Theseus abducts Helen. Vector image isolated on white background, migfoto © AdobeStock. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Satz: pagina GmbH, Tübingen CPI books GmbH, Leck ISSN 2626-0697 ISBN 978-3-89308-459-3 (Print) ISBN 978-3-89308-659-7 (ePDF) ISBN 978-3-89308-016-8 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="6"?> Inhalt Vorwort 7 1 Einführung: Geschichte-- Geschlechtergeschichte 9 1.1 Der historische Raum 9 1.2 Vergangenheit, Geschichte, Quellen 10 1.3 Die antike Überlieferung 11 1.4 Die geschlechterhistorische Perspektive 13 2 Periktione: Über die Ordnung der Geschlechter im Haushalt 15 2.1 Die Schrift „Über die Harmonie der Frau“ 17 2.2 Literarischer Diskurs und historische Deutung 24 3 Die Scipionen: Das Erbe der Ahnen 29 3.1 Die Grabanlage der Scipionen: Erinnerungen an ein erfolgreiches Geschlecht 29 3.2 Die Cornelii Scipiones 32 3.3 Scipio Aemilianus: Die Sorge, der Herkunft nicht würdig zu sein 36 3.4 Die Regulierung der politischen Karriere 40 3.5 Römische Männlichkeit 44 4 Hortensia: Der Kampf um die soziale Position 47 4.1 Die Besteuerung der reichen Römerinnen in der Überlieferung nach Appian 49 4.2 Die Rede der Hortensia vor den Triumvirn 51 4.3 Hortensia und ihre Familie 56 4.4 Römerinnen sprechen im öffentlichen Raum 59 4.5 Römerinnen gegen das Oppische Gesetz 61 4.6 Was Frauen dürfen und wofür Männer Sorge zu tragen haben 65 <?page no="7"?> 5 Zusammenschau und Ausblick: Geschlechterdebatten in der Antike 67 6 Anhang 71 6.1 Zeittafel 71 6.2 Stammbaum der Scipionen (im Auszug) 73 6.3 Die Familienverbindung des Scipio Africanus 74 6.4 Die Familienverbindung des Hortalus und der Marcia 75 6.5 Blick auf den griechisch-ägäischen Raum (Karte) 76 6.6 Blick auf das römische Reich im 1. Jh. v.u.Z. (Karte) 77 6.7 Glossar 78 6.8 Abkürzungen 82 6.9 Literaturverzeichnis 84 <?page no="8"?> 7 Vorwort Was zeichnet Frauen aus, was zeichnet Männer aus? Worin unterscheiden sich Frauen von Männern? Wozu dient die Unterscheidung beziehungsweise wem nützt sie? Diese und ähnliche gesellschaftspolitisch relevanten Fragen beschäftigen derzeit die Zivilgesellschaft, die Politik und die Wissenschaften. Aber Gedanken darüber, was Frauen und was Männer ausmacht, welche Aufgaben einzelne Personen in einer Gemeinschaft aufgrund ihres Geschlechtes übernehmen müssen, sind nicht nur aktuell, sondern lassen sich bereits für die griechische und römische Antike nachweisen. In der antiken Überlieferung werden soziale Verhältnisse, insbesondere die Geschlechterverhältnisse vielfältig thematisiert. Vor allem die antiken Texte bieten ein Panorama an Geschlechtervorstellungen und Geschlechternormen. Sie dokumentieren Erwartungshaltungen an Männer und Frauen und bieten Erklärungen für bestehende Geschlechterordnungen. Wie differenziert sich die Geschlechterverhältnisse in der Antike gestalteten, will ich anhand dreier Beispiele illustrieren. Diese führen uns in die Welt der griechischen pólis (die Gemeinschaft der Bürger) und in das antike Rom. In allen drei Beispielen werden die Geschlechterverhältnisse im Zusammenhang mit dem Funktionieren der jeweiligen Bürgerschaft besprochen: Im Fall der Periktione ist die Bezugsgröße die soziale und politische Ordnung einer griechischen pólis, im Fall der Scipionen und der Hortensia ist die Bezugsgröße die soziale und politische Ordnung der römischen Republik (res publica). Die geschlechterhistorische Perspektive, die hier vertreten wird, ermöglicht es dabei, die Geschlechterverhältnisse in ihrer Vielgestaltigkeit zu analysieren, Geschlecht als zentrales, aber nicht als einziges Kriterium für die Ausgestaltung der sozialen Verhältnisse in den Blick zu nehmen. Geschlecht wird in Relation zu weiteren <?page no="9"?> 8 sozialen Differenzierungsmerkmalen wie Klasse, ethnische Zugehörigkeit oder Alter untersucht. Geschlechternormen werden in den antiken Zeugnissen reflektiert und thematisiert. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit macht die antiken Besprechungen als Debatten über Geschlechterverhältnisse greifbar. Es ist daher besonders passend, einzelne dieser antiken Debatten in der Reihe Dialoge zu präsentieren. Das vorliegende Buch bietet den Leser*innen die Möglichkeit, die griechisch-römische Antike aus einer geschlechterhistorischen Perspektive kennenzulernen und dabei Einblicke nicht nur in die Denkweisen der Antike, sondern auch in die Methoden der (post-) modernen Geschichtswissenschaft zu nehmen. Das altgriechische Wort „διάλογος“ (diálogos) bedeutet „Unterredung, Gespräch“. In diesem Sinne kann dieses Buch also auch dazu anregen, sich über Geschlechterverhältnisse und -normen im Allgemeinen auszutauschen, einen Dialog zu führen, an den antiken wie den aktuellen Debatten teilzunehmen. Es sei hier noch all jenen gedankt, die mich bei der Fertigstellung des Buches unterstützt haben: Dem Narr Francke Attempto Verlag, vor allem Valeska Lembke und Corina Popp, danke ich für die professionelle Begleitung des Projektes. Das Buch präsentiert in Auszügen die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Geschlechterdebatten in der Antike. Historische Materialien und ihre Auswertung“, das durch die Richard & Emmy Bahr Stiftung in Schaffhausen 2018 finanziell unterstützt wurde. In diesem Zusammenhang gilt mein besonderer Dank der Universität Innsbruck sowie der Projektmitarbeiterin Delila Jordan für die Unterstützung bei den Recherchearbeiten und bei der Erstellung der Grafiken. Kordula Schnegg Innsbruck, Dezember 2020 <?page no="10"?> 9 1 Einführung: Geschichte-- Geschlechtergeschichte Bevor das Augenmerk auf die Geschlechterverhältnisse in der griechischen und römischen Antike gelenkt wird, sind drei Punkte vorab zu erläutern, die für eine historische Analyse der Geschlechterverhältnisse zentral sind. 1.1 Der historische Raum Raum und Zeit sind die zwei Dimensionen, die in der Geschichtswissenschaft für die wissenschaftliche Strukturierung der Vergangenheit herangezogen werden und die in der Bezeichnung „historischer Raum“ ihren Ausdruck finden. Mit dem Hinweis auf einen historischen Raum wird auf die konkrete zeitliche und geographische Einordnung der untersuchten Verhältnisse aufmerksam gemacht. Demzufolge beziehen sich auch die Aussagen über das Zusammenleben von Frauen und Männern in der vorliegenden Darstellung stets auf einen konkreten historischen Raum. Daher sind die beschriebenen sozialen Verhältnisse und Geschlechterverhältnisse weder ahistorisch noch universalhistorisch, sondern räumlich und zeitlich bedingt. Ahistorisch bedeutet „keine Geschichte zu haben“ und in diesem Sinne „unveränderbar, nicht wandelbar“ zu sein. Universalhistorisch meint „allgemein gültig“, auf alle Kulturen und Gesellschaften zutreffend, unabhängig von Zeit und Raum. <?page no="11"?> 10 1.2 Vergangenheit, Geschichte, Quellen Für das historische Arbeiten ist es notwendig folgende Begriffe zu unterscheiden: Vergangenheit, Geschichte, Geschichtswissenschaft. Die Vergangenheit als solche ist für uns nicht mehr greifbar. Wir können die Vergangenheit nicht wiederbeleben. Was wir jedoch fassen können, sind Materialien (Hinterlassenschaften von Menschen), die sich aus vergangener Zeit erhalten haben, wie Artefakte, Texte, Gebäude. Nur über diese Materialien können wir uns mit der Vergangenheit auseinandersetzen. In der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft werden die Materialien gängig als „Quellen“, mitunter auch als „Zeugnisse“ und „Überreste“ bezeichnet. Die Quellen müssen einer Analyse unterworfen werden, damit eine historische Aussage über die Vergangenheit erzielt werden kann. Denn weder sprechen die Quellen von selbst zu uns, noch reicht es aus, bloß einen Blick auf sie zu werfen, um in die Vergangenheit zu sehen. Vielmehr befasst sich die*der Historiker*in mit den Überresten aus der Vergangenheit, indem sie*er das Analysematerial darstellt und mit einer theoriegeleiteten Fragestellung und mit methodischem Werkzeug bearbeitet. Die Darstellung der Analyseergebnisse in erzählender Form ist Geschichte. Eine Wissenschaft, die sich explizit mit Quellen und Geschichte beschäftigt, ist die Geschichtswissenschaft. Die Quellen bilden die Grundlage für das historische Arbeiten. Ohne Quellen können keine historischen Aussagen über die Vergangenheit getroffen werden. Literaturhinweise Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse (Historische Einführungen, Band 4), Frankfurt am Main 2008. Achim Landwehr, Die anwesende Abwesenheit der Vergangenheit. Essay zur Geschichtstheorie, Frankfurt am Main 2016. <?page no="12"?> 11 1.3 Die antike Überlieferung Für die Antike sind uns Materialien unterschiedlicher Art überliefert: Texte, Inschriften, Gebrauchsgegenstände, Überreste von Wohnhäusern oder von ganzen Städten. Diese Zeugnisse sind jedoch im Vergleich etwa zum Mittelalter, dessen bauliche Spuren vielerorts in Europa noch Teil des Stadtbilds sind, oder zum 19. Jahrhundert, dessen Dokumente Bibliotheken und Archive füllen, für die Antike weit weniger zahlreich vorhanden. Bestimmte Aspekte, vor allem das soziale Leben betreffend, können daher historisch nur vage festgemacht bzw. allein mittels theoriegeleiteter Fragestellungen historisch reflektiert werden. Es gibt soziale Gruppen in der griechischen und römischen Antike, deren Lebensverhältnisse überwiegend aus einer Fremdperspektive vermittelt sind, weil von ihnen selbst kaum historisches Material überliefert ist. Zu diesen sozialen Gruppen zählen Sklav*innen, Freigelassene, Fremde, die fern ihrer Heimat ihr Dasein fristen, aber auch die ärmeren Bevölkerungsschichten-- Menschen, die sich in ihrer rechtlichen und ökonomischen Position in der Gesellschaft zum Teil deutlich unterscheiden. Es sind vor allem die Berichte der Elite, auf die unsere Erkenntnisse über diese Personen zurückgehen. Quer durch alle Gesellschaftsschichten sind es jedoch die Frauen, deren Leben und Handeln nur punktuell überliefert sind. Es ist für die althistorische Forschung eine Herausforderung, Frauen als historische Personen sichtbar zu machen und individuelle Lebensführungen aufzuzeigen. Das gilt selbst für Frauen aus der Elite, jener sozialen Gruppe, auf die ein Großteil der materiellen Hinterlassenschaften zurückgeht. Ein genauer Blick auf diese Quellen zeigt nämlich, dass es vor allem die Aktionen und Handlungsräume der Männer sind, über die berichtet wird. Frauen finden dabei vor allem Berücksichtigung, wenn sie die männlich bestimmten Handlungsräume streifen. So wüsste die Forschung beispielsweise <?page no="13"?> 12 nur wenig über die Römerin Cornelia zu berichten, wäre sie nicht als Mutter der Gracchen, die in den 130ern und 120ern v. u. Z. Rom in eine politisch prekäre Situation brachten, in den antiken Quellen erinnert worden. 1 Für die Antike ist es also aufgrund der Quellenlage schwierig, individuelle Lebensführungen und konkrete Lebenssituationen von Frauen und Männern aus den unterschiedlichen sozialen Schichten zu rekonstruieren. Für eine geschlechterhistorische Analyse bietet sich daher an, die antike Überlieferung nach Wertvorstellungen, Vorschriften und Verhaltenscodices zu untersuchen. Damit lassen sich Geschlechtervorstellungen und Normen fassen, die als abstraktes Regelwerk vermittelt sind und vornehmlich von Vertretern der Elite stammen. Eine zentrale Quelle für den folgenden Einblick in antike Geschlechterdebatten bilden antike Texte in einer bestimmten Auswahl, die Erwartungshaltungen an Männer und Frauen vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Wertekanons der sozialen Elite thematisieren. Die in diesem Zusammenhang besprochenen Geschlechtervorstellungen sind Teile eines Diskurses über korrektes Verhalten und standesgemäßes Auftreten, das je nach Geschlecht normativ bestimmt ist. Die überaus spannende, aber für unseren Gegenstand kaum zu beantwortende Frage, wie die Normen individuell umgesetzt wurden, wird punktuell theoretisch reflektiert, um darauf aufmerksam zu machen, dass Ideal und Wirklichkeit sich nicht notwendigerweise entsprechen müssen. Denn Normen können in der Praxis gebeugt werden. Die hier präsentierten Textauszüge sind in altgriechischer oder lateinischer Sprache verfasst. Zentrale Begriffe und eine Auswahl an Zitaten führe ich in Originalsprache mit deutscher Übersetzung 1 Schnegg 2021. <?page no="14"?> 13 an, um einen Einblick in lateinische und altgriechische Texte zu bieten. Längere Zitate sind ausschließlich in deutscher Übersetzung angeführt, um den Lesefluss nicht zu unterbrechen. Über die Zitation der antiken Texte können diese Stellen jedoch bei Interesse in entsprechenden Editionen aufgefunden werden. Die wissenschaftliche Zitation der antiken Texte erfolgt nach bestimmten Regeln. Demgemäß steht beim Zitat an erster Stelle das Kürzel für den Namen des*der Autor*in, an zweiter Stelle das Kürzel für das Werk. Dem folgen die Angaben zur Abschnittsgliederung, wie sie sich für die jeweiligen Werke etabliert haben (z. B. Buchnummer, Kapitel und Paragraph). Eine Auflösung der im Buch verwendeten Kürzel ist im Kapitel „Abkürzungen“ zu finden. 1.4 Die geschlechterhistorische Perspektive Geschlechtergeschichte setzt sich mit den Lebensverhältnissen von Frauen und Männern in der Vergangenheit auseinander. Sie fragt danach, was es in einem konkreten historischen Raum bedeutete, eine Frau oder ein Mann zu sein; welche Aufgaben, Verpflichtungen Personen aufgrund ihres weiblichen oder männlichen Geschlechts übernehmen mussten und welche Möglichkeiten ihnen offen standen. Geschlechtergeschichte untersucht die vielfältigen Beziehungen zwischen Frauen und Männern. Sie sucht nach den Merkmalen, die zur Unterscheidung der Menschen in Männer und Frauen im jeweiligen historischen Raum definiert wurden. Dies bedeutet zugleich die Verabschiedung von der Vorstellung, dass Geschlechterdifferenzen ahistorisch bzw. universalhistorisch oder von der „Natur“ bestimmt seien. Vielmehr zeigt sich, dass Weiblichkeit und Männlichkeit vom kulturellen und gesellschaftlichen Kontext des historischen Raums geprägt sind. Des Weiteren befasst <?page no="15"?> 14 sich Geschlechtergeschichte mit den Bedeutungen, die aus den sozial und kulturell festgelegten Geschlechterdifferenzen gefolgert wurden. Geschlechtergeschichte erforscht die aus diesen Differenzen abgeleiteten Geschlechterordnungen, -hierarchien und Machtverhältnisse sowie Marginalisierungen und Ausschlüsse von Personen aufgrund ihres Geschlechtes. Sie setzt sich ebenso mit dem Zusammenwirken verschiedener sozialer Differenzierungsmerkmale auseinander wie Klasse (class), Ethnizität (race) und Geschlecht (gender). Denn nur auf diese Weise lässt sich die Positionierung einer Person im sozialen Raum hinreichend erfassen. Im antiken Rom zum Beispiel strukturierte sich das Verhältnis einer Frau zu einem Bürger stark nach sozialem Stand und Alter. Für die zwischenmenschliche Begegnung war es entscheidend, ob die Frau Sklavin oder Freigelassene war oder aus der Bürgerschicht kam. Für die Frau aus der Bürgerschicht bestimmten zudem die mit ihrem Alter verbundenen sozialen Erwartungen, die sich zentral auf die Ehe und das Muttersein bezogen, das Aufeinandertreffen mit einem Bürger. Die hier dargelegten geschlechterhistorischen Ausführungen beruhen zum einen auf der Definition von Geschlechtergeschichte nach Claudia Opitz-Belakhal und zum anderen auf der Definition von Geschlecht als analytischer Kategorie nach Joan W. Scott. Literaturhinweise Claudia Opitz-Belakhal, Geschlechtergeschichte (Historische Einführungen, Band 8), Frankfurt am Main 2010. Joan W. Scott, Gender: A Useful Category of Historical Analysis. In: American Historical Review 91 (1986), S. 1053-1075. <?page no="16"?> 15 2 Periktione: Über die Ordnung der Geschlechter im Haushalt Aus der Antike sind uns mehrere Schriften erhalten, die die „Verwaltung des Haushalts“ (im Altgriechischen: οἰκονομία/ oikonomía) thematisieren. Im Detail wird darin erläutert, wie der Haushalt (οἶκος/ oĩkos) idealerweise funktionieren sollte. Dazu werden die sozialen Verhältnisse, wie sie sich in einem Haushalt darstellen, erörtert, Verhaltensregeln und Tugenden sowohl für den Hausherrn als auch für seine Ehefrau besprochen. Unweigerlich finden auch Geschlechternormen Berücksichtigung, denn im oĩkos sind Handlungsmöglichkeiten und Verhaltensregeln geschlechtlich markiert. Es gibt Aufgaben, die der Mann zu verrichten hat, und solche, die ausschließlich für die Frau vorgesehen sind. Dass in diesen Schriften die Lebensverhältnisse der elitären Bürgerschicht diskutiert werden, scheint selbstverständlich zu sein und wird kaum explizit erläutert. Die thematisierten Geschlechternormen beziehen sich also auf die Elite. Darüber hinaus sind die Überlegungen zur korrekten Haushaltsführung überwiegend aus philosophischen Perspektiven dargelegt, die ethische Ideale festzulegen versuchen und das gebildete Lesepublikum dazu animieren, diesen Idealen zu folgen. Die Schriften über die Verwaltung des Haushalts sind also in mehrfacher Hinsicht als Elitediskurs greifbar, nämlich mit Bezug auf die besprochenen Lebensverhältnisse, mit Bezug auf die Autor*innen und schließlich auch auf das Lesepublikum. Der Begriff oı˜kos umfasst nicht nur das Haus und das dazu gehörige Land, sondern auch die Personen, die im Haushalt leben und tätig sind. Dazu zählen der Hausherr, seine Ehefrau, die legitimen Kinder, mitunter nahe Verwandte des Hausherrn (z. B. unmündige Geschwister) und Sklav*innen. <?page no="17"?> 16 Ein Großteil der uns erhaltenen Texte über die Haushaltsführung wurde von Männern verfasst. Dieser Sachverhalt lässt einen eingeschränkten Fokus, eine androzentrische Perspektive auf das Thema vermuten und ist bei der historischen Analyse zu berücksichtigen. Selten nur werden Frauen als Autorinnen genannt, generell sind nur wenige Autorinnen aus der Antike bekannt. In wenigen Fällen verfügen wir über Textauszüge oder Fragmente ihrer Werke und können Einblicke in ihr Schaffen nehmen. 2 Als Erklärung für diesen Überlieferungszustand kann angeführt werden, dass Frauen wohl weniger schriftstellerisch tätig waren als Männer, da die Erziehung der Frauen nicht notwendigerweise eine Bildung in Lesen, Schreiben und Philosophieren umfasste. Darüber hinaus wissen wir kaum etwas über die zeitgenössische Rezeption der von Autorinnen verfassten Texte, die womöglich nur punktuell stattfand, weil die entsprechenden Netzwerke zur Verbreitung der Texte fehlten. Schließlich ist noch festzuhalten, dass wir für die grichische und römische Antike nicht wissen, wie groß die Überlieferungslücke ist, wie viele Texte also insgesamt im Laufe der Zeit verloren gingen oder nicht mehr überliefert wurden, ohne dass wir auch nur wissen, dass sie überhaupt existiert haben. Mit diesem Wissen über Quellenbestand und Lücken der Überlieferung müssen die Historiker*innen die historische Deutung vergangener Ereignisse und Verhältnisse stets in Relation zu den vorhandenen Quellen und deren Qualitäten vornehmen. Eines dieser spärlichen Zeugnisse von Frauen soll nun als Ausgangspunkt für die geschlechterhistorische Betrachtung dienen. Es handelt sich um den Text „Über die Harmonie der Frau“, der einer gewissen Periktione zugeschrieben wird. 2 Siehe dazu etwa Plant 2004. <?page no="18"?> 17 2.1 Die Schrift „Über die Harmonie der Frau“ Τὴν ἁρμονίην γυναῖκα νώσασθαι δεῖ φρονήσιός τε καὶ σώφροσύνης πλείην· 3 „Die Frau muss die Harmonie vor Augen haben, sich voll und ganz in maßvoller und verständiger Haltung zeigen-[…]“. 4 (Periktione, überliefert nach Stobaios) Das Zitat stammt aus der Schrift „Über die Harmonie der Frau“, die uns in zwei Auszügen im Werk des Stobaios überliefert ist. 5 Stobaios (5. Jh. n. u. Z.) fasste darin zahlreiche philosophische Texte und Lehrmeinungen zusammen. Den hier angeführten Text schreibt er der Pythagoreerin Periktione zu. 6 Diese Angabe ist zugleich die einzige, die uns zur Biographie der Autorin erhalten ist. Wann und wo sie gewirkt hat, ist nicht überliefert. 7 Spracheigenheiten, Formulierungen und inhaltliche Hinweise legen jedoch nahe, den Text zwischen dem 4. und 2. Jh. v. u. Z. zu datieren. 8 Der Inhalt des Textes konzentriert sich auf die Frage, wie die Frau zu Harmonie (ἁρμονία) im Sinne von Ausgeglichenheit gelangen kann. Dazu werden zunächst zentrale Tugenden definiert, der richtige Umgang mit den Mitgliedern des Haushalts besprochen sowie Verhaltensregeln angegeben. Die wichtigsten Punkte sind im Folgenden kurz angeführt: Um Harmonie zu erlangen, brauchen Frauen Klugheit (φρόνησις/ phrόnēsis) und Besonnenheit (σωφροσύνη/ sōphrosýnē). Diese Tugenden ermöglichen ein 3 Stob. 4,28,19 p. 688 f. He (zitiert nach Thesleff 1965, S. 142). 4 Deutsche Übersetzung nach Harich-Schwarzbauer 2000, S. 169. 5 Thesleff 1965, S. 142-145. Plant 2004, S. 76-78. 6 Als Textgrundlage dient hier die Ausgabe von Thesleff 1965, S. 142-145. 7 Die in Teilen der Forschung verfolgte Annahme, Periktione sei das Pseudonym eines Autors, wird hier abgelehnt, weil es dafür keine stichhaltigen Beweise im Text gibt, vgl. dazu auch Reuthner 2009. 8 Lambropoulou 1998, S. 125. Plant 2004, S. 76. <?page no="19"?> 18 gerechtes, tapferes und eigenständiges Handeln. Mit Klugheit und Besonnenheit schmücke die Frau nicht nur sich selbst, ihren Mann, ihre Kinder, ihre Verwandten, ihren Haushalt, sondern auch die Bürgerschaft (πόλις/ pólis). Über Harmonie zu verfügen, bedeute Begierde (ἐπιθυμία/ epithymía) und Leidenschaft (θυμός/ thymós) kontrollieren zu können. Ihre ganze Zuneigung müsse die Frau dem Manne, den Kindern und dem Haushalt entgegenbringen. Außereheliche Verhältnisse seien für die Frau strikt abzulehnen, denn sie zerrütten letztlich den Haushalt. Die Loyalität dem Ehemann gegenüber sei besonders wichtig und zwar unabhängig davon, wie korrekt oder inkorrekt der Ehemann sich verhält. Jede Handlung der Frau ist auf den Ehemann auszurichten. Nur so kann die Ehe, die Familie, der oĩkos funktionieren. Ebenso wichtig ist die Beziehung zu den Eltern, die unter allen Umständen zu umsorgen sind. 9 Schließlich ist auch den religiösen und kulturellen Traditionen gegenüber Treue zu halten, denn das Einfügen jeder und jedes Einzelnen in die Gemeinschaft ist von großer Bedeutung. Was den Umgang mit dem Körper anbelangt, dürfe keine Zeit mit Optimierung oder Ausschmückung verschwendet werden. Die Frau soll sich unauffällig kleiden. Sie soll weder Nahrung noch Getränke im Übermaß zu sich nehmen. Auch das Baden und Schminken müsse sich in Grenzen halten. Weder benötige die Frau Luxusgüter aus fernen Ländern (wie Juwelen oder Parfüme aus Indien oder Arabien), noch solle sie ihre natürliche Erscheinung verfälschen (z. B. durch das Färben grauer Haare). All diese Dinge und Praktiken seien kein Zeichen von Klugheit. Die Schönheit, die dadurch erworben werde, führe nur zu Fehlverhalten. 9 Wilhelm 1915, S. 198, hebt die Ausführlichkeit, mit der die Textpassage über die Verpflichtung den Eltern gegenüber gestaltet ist, als Besonderheit der Schrift hervor. <?page no="20"?> 19 Eine ähnliche Argumentation in Hinblick auf den Umgang mit dem Körper ist Jahrhunderte später in der Schrift „Über den Putz der Frauen“ (De cultu feminarum) des Tertullian (2. Jh. n. u. Z.) zu finden. In seinen christlich-ideologischen Ausführungen interpretiert Tertullian die Körperpflege und den Körperschmuck der Zeitgenossinnen als Portal, das dem Bösen den Weg zur christlichen Welt öffnet. 10 Der Begründung liegt eine körperfeindliche Einstellung zugrunde, wonach allein die Seele zu pflegen sei. Der Mensch wird zweigeteilt in Leib-- Seele gedacht, wobei die Seele über dem Leib stehe, da sie von Dauer sei und selbst nach dem Tod noch existiere. In der Schrift der Periktione wird davon ausgegangen, dass Harmonie nicht angeboren ist, sondern erworben werden muss. Dazu wird die Frau im Text angehalten. Denn die Harmonie gilt als Voraussetzung, um im Haushalt die ordnungsgemäße Position einnehmen und die richtigen Handlungen setzen zu können. Wenn wir „zwischen den Zeilen lesen“, sind noch weitere Informationen über Geschlechtervorstellungen aus dem Text zu filtern: Es wird unhinterfragt von einer Geschlechterdichotomie ausgegangen-- also von einer klaren Zweiteilung der Menschen in Frauen und Männer, auf deren Grundlage die Geschlechter als konträre und komplementäre Gegensätze gedacht sind. 11 Die Regelung des Haushaltes erfolgt somit über eine binäre Geschlechterordnung. Handlungsräume und Verhaltensweisen sind geschlechtlich markiert. Weder Frauen noch Männer können frei entscheiden, welche Funktionen sie im Haushalt einnehmen wollen. Die Rollen sind fixiert. Ein individuelles Ausscheren aus der Geschlechterordnung steht nicht zur Debatte. 10 Schnegg 2011. 11 Zum Begriff „Dichotomie“ bzw. „Dichotomisierung“ vgl. Opitz-Belakhal 2010, S. 40. <?page no="21"?> 20 Im Text geht es wesentlich um die Stellung der Frau, genauer gesagt der verheirateten Bürgerin im oĩkos. Die Anleitung zur richtigen Positionierung erfolgt über die Darlegung der Tugenden und Verhaltensweisen, die geübt werden können, sowie durch die Besprechung der sozialen Verhältnisse, in denen die Frau integriert ist. Ihre Stellung wird mehrfach relational thematisiert und zwar als Ehefrau dem Ehemann gegenüber (→ Ehebeziehung), als Tochter den Eltern gegenüber (→ Kind-Eltern-Beziehung), als Mutter den Kindern gegenüber (→ Mutter-Kind-Beziehung), als Zugehörige der Gemeinschaft der pólis gegenüber (→ Individuum und Gemeinschaft), als Mensch der göttlichen Welt gegenüber (→- Mensch-Gott / Göttin-Beziehung). Diese verschiedenen und vielfältigen Beziehungen bilden den Rahmen für die Definition einer verheirateten Frau, die über Harmonie verfügt. Die Bestimmung des Mannes ist in diesem Text nur indirekt zu erfassen, indem der Mann den Referenzpunkt für das Verhalten der Frau darstellt. Dabei tritt der Mann als Ehemann und Hausherr in Erscheinung. Auf ihn sind die Handlungen der Frau ausgerichtet. Das Verhalten des Mannes wird im Text nicht geregelt, sondern dient lediglich zur Besprechung des weiblichen Verhaltens. Die Frau wird dazu angehalten, auch mit unangebrachtem Verhalten des Mannes (als solches werden explizit die Trunksucht und sexuelle Eskapaden erwähnt) umzugehen. Der Text charakterisiert den Mann nicht explizit als fehlerhaft in seinen Handlungen oder gesteht ihm ein fragwürdiges Verhalten zu, sondern hält fest, dass Frauen soziale Verstöße des Ehemannes ausgleichen müssen. Blicken wir noch einmal auf die Person, die im Text explizit angesprochen wird: Es ist dies die verheiratete Bürgerin. Es geht also um die Frau aus der Elite, die die soziale Position hat, um eine rechtmäßige Ehe schließen zu können, und die über ein bestimmtes Alter verfügt, denn der Text spricht sie bereits als verheiratete Frau an. Der Text richtet sich nicht an jene Frauen, die über kein entsprechendes Bürgerrecht verfügen und damit auch keine <?page no="22"?> 21 rechtmäßige Ehe eingehen können, wie Sklavinnen, Freigelassene, Fremde, Verurteilte, auch nicht an die Mädchen aus der Bürgerschicht, die aufgrund ihres Alters noch nicht heiratsfähig sind und sich erst auf die Ehe vorbereiten müssen. Die Ehe wird im Text zum wichtigen Handlungsraum der Frau fixiert. Das entspricht dem Ideal, das sich allgemein aus den Quellen für die griechische Antike erschließen lässt. Für Frauen aus der Bürgerschicht war die Ehe das vorgegebene Lebensziel. 12 Ein bedeutender Zweck der Ehe lag darin, legitime Nachkommen zu zeugen und somit den Fortbestand des oĩkos zu sichern. Die Ehe war eine grundlegende zwischenmenschliche Verbindung in der Bürgerschicht, die-- wie aus dem Text der Periktione auch erschlossen werden kann- - nicht in Frage gestellt wurde. Das bedeutet gleichzeitig, dass es kein alternatives Modell des Zusammenlebens für reproduktionsfähige Bürgerinnen gab. Ihre soziale Position war über ihre Funktion in der Ehe und im oĩkos bestimmt sowie über ihre Verpflichtung der pólis und der göttlichen Welt gegenüber. Der Text macht deutlich, dass Frauen Verantwortung für das Funktionieren der unterschiedlichen Beziehungen tragen. Deshalb werden sie angehalten, aktiv Tugenden einzuüben. Es wird ihnen damit eine gewisse Verantwortung für das Gelingen der ihnen bestimmten Aufgaben auferlegt. Periktione thematisiert ein Leitprinzip, das alle Verhältnisse im notwendigen Gleichgewicht hält, nämlich die Harmonie. Mit diesem Leitprinzip wird die Beziehung des Textes zum Pythagoreismus deutlich, für den die Harmonie die alles bestimmende und strukturierende Maxime ist. 13 12 Hartmann 2000. Scheer 2011, S. 15-25. 13 Wie stark der Text in den Traditionen des Pythagoreismus wurzelt, hat bereits Wilhelm 1915 im Detail und mit zahlreichen Querverweisen zu weiteren antiken Schriften erläutert. <?page no="23"?> 22 Exkurs 1: Pythagoreismus Als Begründer der Schule gilt Pythagoras von Samos. Er wirkte im 6. Jh. v. u. Z., vor allem in Süditalien. 14 Von Pythagoras selbst sind keine Schriften überliefert. Die Inhalte der philosophischen Strömung werden daher aus später zu datierenden Werken rekonstruiert. Die Schriften seiner Schüler*innen verteilen sich auf mehrere Jahrhunderte und zeigen eine gewisse Flexibilität der Denkrichtung, die Aspekte anderer philosophischer Strömungen (z. B. Platonismus) zu integrieren wusste. Charakteristische Merkmale des Pythagoreismus waren unter anderem: 15 • die Vorstellung, dass der Kosmos mittels Zahlen abgebildet werden kann; • die Vorstellung einer Leib-Seele-Dichotomie, wobei der Seele die Qualität der Unsterblichkeit zugeschrieben wurde (Vorstellung der Seelenwanderung); • die Festlegung der Harmonie als Leit- und Ordnungsprinzip für alle Lebensbereiche; • das Streben nach Harmonie etwa durch Katharsis (Reinigung der Seele z. B. durch die Beachtung von Ernährungsvorschriften wie dem Fleischverbot); • die Verknüpfung der Staatsführung mit der Haushaltsführung. 16 Eine Besonderheit des Pythagoreismus im Vergleich zu anderen philosophischen Schulen war wohl, dass auch Frauen als Schülerinnen aufgenommen wurden. Der antike Autor Iamblichos (3./ 4. Jh. n. u. Z.) listet in seiner Biographie über Pythagoras die 14 Scharinger 2017, S. 7-26. 15 Vgl. z. B. Ricken 2007, S. 31-34. Huffman (Hg.) 2014. 16 Iambl. v. P. 9,47. <?page no="24"?> 23 Namen von 17 Pythagoreerinnen auf, wie sie ihm zu seiner Zeit bekannt waren. 17 Exkurs 2: Erwartungen an den Hausherrn Der Pythagoreismus verlangt nicht nur von Frauen das Einhalten von bestimmten Vorschriften. Es sind pythagoreische Schriften überliefert, die auch das disziplinierte Verhalten der Männer im oĩkos besprechen. Dabei wird ihre Funktion als Ehemann, als Hausherr und als Bürger deutlich gemacht. So ist etwa bei Kallikratidas in seiner Schrift „Über die Glücklichkeit des Haushaltes“ nachzulesen, dass auch der Mann auf Harmonie im Haushalt zu achten habe: 18 Dafür muss er als Hausherr (οἰκοδεσπότης/ oikodespótēs) für Ordnung sorgen, dürfe weder nach übertriebenem Luxus noch nach Besitzungen streben. Der Hausherr müsse über Vernunft verfügen, Leidenschaft und Begierde möglichst unter Kontrolle halten. 19 -- Ähnliche Verhaltensregeln sind für die Ehefrau im Text der Periktione festgelegt.-- Die Wahl der Ehefrau müsse mit Bedacht getroffen werden. Die Ehe selbst sei als politische Lebensgemeinschaft zu sehen. Der Hausherr müsse die Frau beherrschen, nicht jedoch in despotischer oder überwachender Manier, sondern auf politische Weise, im Sinne von „den gemeinsamen Nutzen wahrnehmend“. 20 Pythagoras selbst soll Iamblichos zufolge den Männern unter 17 Iambl. v. P. 36,267. Reuthner 2009. 18 Die Schrift ist in vier Fragmenten bei Stobaios überliefert (Stob. 4,22,101; 4,28,16; 4,28,17; 4,28,18 nach Thesleff 1965, S. 102-107). Wilhelm 1915, S. 167-186. Der Text des Kallikratidas wird zwischen dem 3. Jh. v. u. Z. und dem 1. Jh. n. u. Z. datiert. 19 Vgl. dazu auch Iambl. v. P. 31,195 (Kontrolle der Leidenschaft) und Iambl. v. P. 31,197 (Kontrolle über die Wut). 20 Wilhelm 1915, S. 181. <?page no="25"?> 24 anderem den Rat erteilt haben, den oĩkos so zu verwalten, dass sich darin ihre politischen Entscheidungen widerspiegeln. Darüber hinaus sei die Ehefrau zu achten und respektvoll zu behandeln, damit sie keinen Grund zu außerehelichen Beziehungen habe. 21 Das Streben nach Besonnenheit und Selbstbeherrschung lässt sich im Pythagoreismus als Tugend für beide Geschlechter ausmachen. Das Streben nach harmonischen Beziehungen muss für Frau und Mann gleichermaßen wichtig sein. Dazu gehört der achtsame Umgang mit der Partnerin / dem Partner. Der Unterschied in der Umsetzung der pythagoreischen Verhaltensvorschriften für Frauen und Männern liegt in der sozialen Verortung der Eheleute im oĩkos. Diese wird nicht hinterfragt. Sie basiert auf einer Hierarchie, die dem Hausherrn eine „herrschende“ Position über alle Mitglieder des Haushalts einräumt. 2.2 Literarischer Diskurs und historische Deutung Die Schriften über die Haushaltsführung haben eine politische Dimension, weil sie den Mann und die Frau stets in Bezug auf die Bürgerschaft, die pólis bestimmen. Dies wird auch im Text der Periktione greifbar. Dahinter steht die Vorstellung, dass es zwischen der kleinsten sozialen Einheit, der Ehe (γάμος/ gámos), und der größten sozialen Einheit, der pólis, eine direkte Abhängigkeit gibt: Funktioniert die Ehe gut, dann funktioniert der oĩkos gut und letztlich auch die pólis. Oder umgekehrt: Verfügt eine pólis über Wohlstand, über einen glücklichen Zustand (εὐδαιμονία/ eudaimonía), dann kann daraus geschlossen werden, dass die zur pólis gehörenden oĩkoi und die ihnen zugrunde liegenden Ehen 21 Iambl. v. P. 9,47. <?page no="26"?> 25 gut geführt werden. Der Zustand jeder sozialen Einheit spiegelt den Zustand der zwei weiteren sozialen Einheiten wider (gámos  oĩkos  pólis). Unabhängig von der philosophischen Richtung sind die niedergeschriebenen Verhaltensvorschriften als Disziplinierung der Bürgerschaft zu lesen. Die Gestaltung der Gemeinschaft, die soziale Ordnung und die Geschlechterverhältnisse werden nicht in Frage gestellt. Die Texte erfüllen eine stabilisierende Funktion für die bestehenden Strukturen. Das gilt auch für die Schrift „Über die Harmonie der Frau“. Es sind darin keine sozialrevolutionären Ansätze zu finden, wie wir sie in den Schriften der Frauenbewegungen aus späterer Zeit kennen. Periktione befreit die Frau nicht aus der bestehenden Geschlechterhierarchie, sie fordert keine Geschlechtergerechtigkeit oder Chancengleichheit-- all dies sind sozial-politische Ansprüche, die erst ab einem späteren Zeitpunkt, in einem speziellen historischen Raum gestellt werden, nämlich im Zeitalter der Revolutionen in Europa und den USA im 18. und 19. Jahrhundert. 22 Die politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse im antiken Griechenland gestalteten sich anders. Sie führten nicht zu einer Frauenbewegung. So ist auch der Text der Periktione als Zeugnis seiner Zeit zu verstehen, die den Status des Bürgers einer pólis zum Ideal und Maßstab erhob und die Funktion und den Wert aller Mitglieder der Gesellschaft abhängig von ihrem Verhältnis zum Bürger bestimmte. Die Haushaltsverwaltung wird in den antiken Schriften „verwissenschaftlicht“, in ein abstraktes Regelwerk gepackt und als besondere Fertigkeit und Wissenschaft (ἐπιστήμη/ epistē΄mē) definiert, so etwa von Xenophon (5./ 4. Jh. v. u. Z.); die Haushaltsverwaltung wird auch als integraler Bestandteil der Politik entworfen, wie von 22 Vgl. Bock 2000. Bock 2014. Offen 2000. Offen 2010. <?page no="27"?> 26 Aristoteles (4. Jh. v. u. Z.). 23 Nicht alle diese Schriften eignen sich aber als konkrete Praxisanleitung für die alltäglichen Tätigkeiten in einem Haushalt. Das gilt auch für den Text der Periktione. 24 Er zielt allein auf die ethische Schulung der Ehefrau ab. Es finden sich darin keine Empfehlungen für die alltäglichen Handlungen wie etwa Buchführung, Kindererziehung, Einkauf und Zubereitung von Essen oder Textilarbeit (Herstellung von Kleidern), eine wichtige und vielerorts angesehene Tätigkeit für die Frauen aus der Bürgerschicht. 25 Allein für Sparta ist nach Xenophon überliefert, dass die Frauen aus der Bürgerschicht keine Textilarbeit verrichtet hätten. 26 Der mythische Gesetzgeber Lykurgos habe es nämlich für wichtig erachtet, dass die Spartanerin ihre körperliche Konstitution durch Training stärkt, um gesunde Kinder gebären zu können. Zur Textilarbeit, die ein Sitzen im Haus verlange, sollten daher Sklavinnen herangezogen werden. Vor diesem Hintergrund ist es noch einmal wichtig die Frage aus dem vorangegangenen Kapitel aufzugreifen: Wer also sind die Adressatinnen des Textes der Periktione? Es sind wohl die Ehefrauen aus vermögenden Haushalten, die Zeit für philosophische Lektüre und ethische Reflexionen hatten und die mühsamen Verpflichtungen des Alltags delegieren konnten. Denn für weniger vermögende Haushalte, die sich keine Arbeitskräfte für die verschiedenen Tätigkeiten leisten konnten, ist anzunehmen, dass die Hausherrin weder Zeit noch Muße für derlei Überlegungen hatte, da die Tätigkeiten der Frauen vor allem dem Überleben der Mitglieder im oĩkos dienten, wozu sie nicht nur das Haus verwalteten, sondern auch in der Landwirtschaft mithalfen oder am Markt Waren verkauften. 27 23 Xen. oik. 1,1. Aristot. pol. 1252a-1254a; pol. 1343 a1. 24 Vgl. dazu Herz 2009 (mit Bezug auf Aristoteles), speziell S. 177-180. 25 Cohen 1989, S. 7-9. Scheer 2011, S. 25-27. 26 Xen. Lak. pol. 1,3-4. 27 Cohen 1989, speziell S. 7-9. <?page no="28"?> 27 Im Text der Periktione wird deutlich gemacht, dass die Ehefrau wesentlich zum Funktionieren des oĩkos beiträgt. Xenophon formuliert es in seiner Schrift über den Haushalt noch deutlicher, wenn er Mann und Frau als gleich wichtig für den Haushalt konzipiert. 28 Aber gleich wichtig zu sein, bedeutet nicht, gleichberechtigt zu sein. Für die Frau aus der Bürgerschicht galt in der griechischen Antike, dass sie über keine politischen Rechte verfügte, weder aktiv noch passiv. Frauen unterstanden der Vormundschaft eines Mannes (zumeist Vater, Ehemann oder nächster männlicher Verwandter). 29 Es war eine klare Geschlechterhierarchie zugunsten des Bürgers fixiert. Die Handlungsmöglichkeiten der Frauen waren in einem hohen Ausmaß über Abhängigkeitsverhältnisse zu Männern (Vater, Ehemann, Vormund) strukturiert. Vor allem die junge Frau wird in den antiken Texten überwiegend als zu erziehendes Subjekt konzipiert, das in den oĩkos des Ehemannes eingepasst werden muss. Bei Xenophon ist überliefert, dass ein Mann sich ein junges Mädchen zur Ehefrau nehmen sollte, damit er sie noch erziehen kann. 30 Aus einer geschlechtertheoretischen, speziell diskursanalytisch-dekonstruktivistischen Perspektive, die sich mit Identitätskonzeptionen beschäftigt, 31 ist davon auszugehen, dass die Eheschließung für Mädchen in jungen Jahren, während der Bräutigam ein erwachsener Mann war, sie direkt in eine inferiore Position in dieser Beziehung führte. Das Mädchen konnte sich zumindest in ihrer ersten Ehe nur in ihrer sozialen Rolle als Ehefrau und Gebärerin der legitimen Nachkommen und in Abhängigkeit zu ihrem Ehemann entfalten. Viele ihrer Erfahrungen machte sie 28 Xen. oik. 7,26. Föllinger 2002. 29 Speziell für Athen vgl. Hartmann 2007. 30 Xen. oik. 7,5-12; 10,10. Zum jungen Heiratsalter der Mädchen vgl. Scheer 2011, S. 86. 31 Degele 2008, speziell S. 9-23. <?page no="29"?> 28 wohl ausschließlich in Bezug auf ihren Ehemann. Die Frage nach den Möglichkeiten zur Identitätsbildung in hierarchischen und asymmetrischen Beziehungen, die für die Geschlechterhistorikerin des 21. Jahrhunderts von Interesse ist, wird in den antiken Texten jedoch nicht reflektiert. Vielmehr zeichnen die antiken Quellen den idealen Zustand, dass etwa die vorbildliche Ehefrau Athens monogam lebt, möglichst „unauffällig“ auftritt und nicht von sich reden macht, ganz nach dem Motto „wenig sagen, wenig fragen, nichts hören“. 32 Im öffentlichen Raum wurde erwartet, dass die Ehefrau leise ist. Tanja Scheer fasst prägnant zusammen: „Knaben erzog man zum Reden, Mädchen zum Schweigen, zumindest in der Öffentlichkeit.“ 33 32 Xen. oik. 7,5-12. Wiemer 2005. Scheer 2011, S. 42. 33 Scheer 2011, S. 45. <?page no="30"?> 29 3 Die Scipionen: Das Erbe der Ahnen …-facile facteis superases gloriam maiorum … 34 „…leicht hättest du mit Taten den Ruhm der Vorfahren übertroffen…“ Diese Worte stammen aus einer Grabinschrift, die einem jungen Mann namens Publius Cornelius Scipio gestiftet wurde. In der Inschrift wird festgehalten, was der Verstorbene politisch alles hätte erreichen können, wäre er nur nicht so früh aus dem Leben geschieden. Ehre (honos), Tapferkeit (virtus), Ruhm (fama, gloria) und Begabung (ingenium) konnte er daher nur begrenzt einsetzen bzw. erreichen. Eine gewisse Melancholie schwingt in den Zeilen mit, da Publius sein großes Potential nicht ausschöpfen konnte. 3.1 Die Grabanlage der Scipionen: Erinnerungen an ein erfolgreiches Geschlecht Die Grabinschrift (Epitaph) ist auf einem Sarkophag angebracht, der in der Grabanlage der berühmten Cornelii Scipiones aufgestellt war. Der Begriff „Sarkophag“ kommt vom altgriechischen σαρκοφάγος und heißt wörtlich übersetzt „fleischfressend“. Als Substantiv verwendet, wird damit ein Sarg bezeichnet, der aus verschiedenen Materialien hergestellt sein kann (z. B. Marmor, Basalt oder auch Holz). Je nach Vermögen und Ansehen des*der Toten konnte der Sarkophag geschmückt sein mit Reliefs, Malereien und Inschriften. 34 Grabinschrift C. Die lateinische Inschrift ist in der Sammlung Corpus Inscriptionum Latinarum ( CIL ) überliefert (exakte Zitation hier: CIL I 2 10). <?page no="31"?> 30 Die Grabanlage liegt an der antiken Straße Via Appia, vor der Porta Capena, wo sie heute noch besichtigt werden kann. Sie wurde direkt in die Felswand aus Tuffgestein gehauen und besteht aus zwei Grabkammern. Zentral positioniert ist der Sarkophag des L. Cornelius Scipio Barbatus (3. Jh. v. u. Z.), der auch in der Ahnenreihe der Cornelii Scipiones einen prominenten Platz einnimmt. 35 Im Gegensatz zu dem jung verstorbenen Publius konnte Barbatus zu allen Ehren eines römischen Aristokraten gelangen, und so lesen wir auch in seiner Grabinschrift: 36 Cornelius Lucius Scipio Barbatus Gnaivod patre prognatus fortis vir sapiensque quoius forma virtutei parisuma fuit consol censor aidilis quei fuit apud vos Taurasia Cisauna Samnio cepit subigit omne Loucana opsidesque abdoucit. Lucius Cornelius Scipio Barbatus, Nachkomme des Vaters Gnaius, ein tapferer und kluger Mann, dessen Gestalt seiner Tüchtigkeit ganz gleich kam, der Consul, Censor, Aedil bei euch gewesen ist. Taurasia, Cisauna, Samnium hat er genommen; er hat ganz Lucanien unterworfen und Geiseln weggeführt. 37 Zur Zeit ihrer Errichtung im 3./ 2. Jh. v. u. Z. lag die Grabanlage außerhalb der Stadtgrenze (pomerium), was ganz den römischen Gepflogenheiten entsprach. In Rom durften die Toten aus hygienischen Gründen in der Stadt nicht begraben werden. 38 M. Tullius 35 Die zentrale Positionierung dieses Sarkophags in der Grabanlage ist ein Hauptargument für die Annahme, dass die Grabanlage zur Zeit des Barbatus errichtet wurde, siehe dazu Kolb / Fugmann 2008, S. 44-47. Für eine spätere Datierung, nämlich zur Zeit des Scipio Africanus (2. Jh. v. u. Z.) plädiert Saladino 1970, der davon ausgeht, dass der Sarkophag des Barbatus in die neu errichtete Grabanlage transferiert wurde, um das Prestige der Familie aus früheren Generationen sichtbar zu machen. 36 CIL I 2 7. 37 Deutsche Übersetzung nach Kolb / Fugmann 2008, S. 45. 38 Kolb / Fugmann 2008, S. 15. Nur in wenigen Ausnahmefällen wurde es gestattet, <?page no="32"?> 31 Cicero, der sich auf das alte Zwölftafelgesetz (lex duodecim tabularum) bezieht, hält im 1. Jh. v. u. Z. noch fest: ,Hominem mortuum‘ inquit lex in XII ,in urbe ne sepelito neve urito‘. 39 „Einen toten Menschen“, so sagt das Gesetz auf den Zwölf Tafeln, „soll man in der Stadt nicht bestatten oder verbrennen.“ 40 Mit der Erweiterung des Stadtgebietes unter Kaiser Augustus (lebte von 63 v. u. Z. bis 14 n. u. Z.) wurde die Grabanlage jedoch in die Stadt integriert. Sie war zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr als Grabanlage genützt, sondern zu einem Erinnerungsort geworden, der die vorbeikommenden Besucher*innen an die Tüchtigkeit der Scipionen für das Gemeinwesen (res publica) erinnern und sie auch zur Nachahmung ermuntern sollte. Grabanlagen erfüllten im antiken Rom, so wie heute auch, verschiedene Funktionen: Sie waren ein Mahnmal, um der Verstorbenen zu gedenken und um sich der eigenen Sterblichkeit bewusst zu sein. Sie symbolisierten aber auch die Macht und das Ansehen einzelner einflussreicher Familien nach außen und erinnerten gleichzeitig die noch lebenden Familienmitglieder daran, Macht und Ansehen der Familie zu wahren. Die Scipionen sind ein Musterbeispiel für diese vielseitige Instrumentalisierung des Totengedenkens. Bereits antike Quellen verweisen auf die Berühmtheit ihrer Grabanlage. 41 Die Via Appia, die von einigen beeindruckenden Grabanlagen vornehmer Familien gesäumt wurde, war zu einem Schauplatz aristokratischer Selbstdarstellung geworden. 42 eine Person (z. B. C. Julius Caesar) innerhalb der Stadt zu begraben bzw. zu verbrennen. 39 Cic. leg. 2,58. 40 Deutsche Übersetzung nach Nickel 2004. 41 Vgl. Cic. Tusc. 1,13; Liv. 38,56. 42 Coarelli 2000, S. 352-357. Kolb / Fugmann 2008, S. 17; S. 45-47. <?page no="33"?> 32 In späterer Zeit geriet die einst so mächtige Grabanlage der Scipionen in Vergessenheit, bis sie 1616 wiederentdeckt, zum Teil geplündert und ab 1780 dann schrittweise erforscht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. 43 Das Konzept „Erinnerungsort“ wurde von dem französischen Historiker Pierre Nora geprägt, der mit un lieu de mémoire Orte (auch im übertragenen Sinne) zu fassen suchte, die sich als soziale und / oder kulturelle Bezugspunkte und Identifikationsmarker einer Gemeinschaft herauskristallisieren. Das Konzept wird in der Forschung breit rezipiert. Literaturhinweise Elke Stein-Hölkeskamp / Karl-Joachim Hölkeskamp (Hg.), Erinnerungsorte der Antike: Die römische Welt, München 2006. Elke Stein-Hölkeskamp / Karl-Joachim Hölkeskamp (Hg.), Die griechische Welt: Erinnerungsorte der Antike, München 2010. 3.2 Die Cornelii Scipiones Wer sind nun die Scipionen, die nicht nur im antiken Rom erinnert wurden, sondern durch die Geschichtswissenschaft auch historisch bedeutend wurden? Die Scipionen (scipio heißt übersetzt „Stock“) sind ein berühmter Familienzweig des Geschlechts der Cornelier (gens Cornelia). Die Cornelii Scipiones waren vor allem im 3. und 2. Jh. v. u. Z. politisch sehr erfolgreich. Das lässt sich unter anderen daran ablesen, dass in dieser sechs Generationen umfassenden Phase jede Generation 43 Zur Geschichte der Wiederentdeckung der Grabanlage siehe Coarelli 1988. Coarelli 2000, S. 352-357. <?page no="34"?> 33 zumindest einen Konsul stellte. Mit Scipio Africanus, der über Hannibal triumphierte, und seinem Adoptivenkel Scipio Aemilianus kann dieser Familienzweig sogar Personen aufweisen, die zweimal das Konsulat innehatten. Viele seiner Mitglieder bekleideten hohe Ämter und erhielten besondere Ehrungen von Senat und dem Volk von Rom. Zu diesen Ehrungen zählte z. B. der Triumph, den Scipio Africanus (201 v. u. Z.) und Scipio Aemilianus (146 v. u. Z.) erhielten, worüber antike Schriftsteller zu berichten wissen. So etwa zeichnet der Historiograph Polybios ein schillerndes Bild vom Triumphzug des Scipio Africanus, den dieser im Anschluss an den Sieg über die Karthager im Zweiten Punischen Krieg feiern konnte. 44 Polybios beschreibt auch die emotionale Verbindung zwischen der stadtrömischen Bevölkerung und dem Feldherrn, der mit den erbeuteten Schätzen, den Geiseln und den eigenen Soldaten durch Rom schritt: 45 Als er im Triumph einzog, wurden sie [stadtrömische Bevölkerung] noch mehr durch den Anblick alles dessen, was ihnen im Zug vorgeführt wurde, an die überstandenen Gefahren erinnert, und so kannte denn ihre Dankbarkeit gegen die Götter und ihre Liebe zu dem Mann, der diese Wende herbeigeführt hatte, keine Grenzen. Denn auch Syphax, der König der Massaisylier, wurde jetzt unter den anderen Gefangenen im Triumph durch die Stadt geführt-[…]. 44 Näheres zu Polybios im Kapitel 3.3. 45 Pol. 16,23 (deutsche Übersetzung nach Drexler 1963). Ähnliches berichtet auch Livius (Liv. 30,45,1-3). Der Triumph ist eine Ehrung, die allein einem Feldherrn nach siegreicher Beendigung eines „gerechten Krieges“ (bellum iustum) zuteil werden konnte. Der Triumph wurde in einem ritualisierten Spektakel der stadtrömischen Bevölkerung vor Augen geführt. Der Triumphator wurde bekleidet und mit Insignien ausgestattet, die eigentlich dem obersten Gott Roms, Juppiter, vorbehalten waren. In diesem Aufzug fuhr der Geehrte auf dem Triumphwagen stehend <?page no="35"?> 34 Die politische Präsenz der Scipionen im 3. und 2. Jh. v. u. Z. führte dazu, dass sie über die Kernfamilie hinaus erinnert wurden, als Mitglieder eines Zweiges, als Mitglieder der gens Cornelia und als bedeutende Akteure der res publica. Sie wurden zu prominenten Gestaltern der römischen Geschichte, deren Taten in antiken Texten verewigt wurden. Vereinzelt finden auch die weiblichen Familienmitglieder der Scipionen einen literarischen Nachhall, so etwa Cornelia, die jüngere Tochter des Scipio Africanus, und deren Tochter Sempronia. Sie werden in der antiken Literatur als Mutter und Schwester der Gracchen bzw. als Schwiegermutter und Ehefrau des Scipio Aemilianus erinnert. 47 Die Cornelii Scipiones waren Vertreter der Nobilität. Mit diesem Begriff bezeichnet die Forschung allgemein jene politische Elite der römischen Bürger, die erfolgreich hohe Ämter inklusive des Konsulats bekleiden konnte, die über ein entsprechendes Vermögen zur Finanzierung der politischen Karriere verfügte und die auf ein Netzwerk von Personen zur politischen Unterstützung zurückgreifen konnte. 48 Das Netzwerk war idealerweise horizontal und vertikal ausgerichtet. Es brauchte Verbündete mit hohem sozialem Prestige, die politisch nützlich sein konnten (horizontale Vernetzung). Ebenso war die Vernetzung zu den „einfachen“ 46 Flaig 2004, S. 32-48. Itgenshorst 2005. Beard 2007. 47 Schnegg 2021. 48 Zur Nobilität bzw. zur politischen Elite in der römischen Republik siehe z. B. Hölkeskamp 2004. Flaig 2004. Beck 2005. Hölkeskamp 2006. Hölkeskamp 2011. Hölkeskamp 2017. von Magistraten, Soldaten und Geiseln begleitet durch die Stadt Rom hin zum Juppitertempel auf dem Kapitol, wo die Triumphalinsignien abgelegt wurden. 46 <?page no="36"?> 35 Bürgern notwendig, auf deren Stimmen man(n) bei den Wahlen angewiesen war (vertikale Vernetzung). 49 Darüber hinaus war es bedeutend, über eine gewichtige Ahnengalerie zu verfügen. Denn die politischen und militärischen Erfolge der Vorfahren (maiores) waren das Startkapital für die Karriere eines jungen Römers. 50 Zugleich wurde er aber auch an der Tüchtigkeit der Vorfahren gemessen, deren Ruhm auf Grabinschriften zu lesen war oder auch bei den Leichenzügen (pompa funebris) zelebriert wurde. 51 Ein junger Römer begab sich in ein mehrfach kompetitiv ausgerichtetes Handlungsfeld, wenn er eine politische Karriere verfolgte (und eigentlich hatte er auch gar keine andere Wahl): Er musste sich an den Taten seiner Vorfahren messen, er stand im Wettbewerb mit den noch lebenden männlichen Verwandten und er hatte sich mit konkurrierenden Mitgliedern anderer Familien und Geschlechter auseinanderzusetzen. Wie groß dieser Erfolgsdruck auf Männer aus der Nobilität war, lässt sich wohl auch an den Grabinschriften für die Scipionen ablesen; vor allem an jenen, die die Verstorbenen im Kontext der politisch-militärischen Ehrungen erinnern, obwohl sie zum Zeitpunkt ihres Todes noch keine großen Erfolge in diesem Feld aufweisen konnten. Davon zeugt die bereits zitierte Inschrift für Publius, aber auch die Grabinschrift für L. Cornelius Scipio, dem mit seinen 20 Jahren zwar „das Leben fehlte“, aber „nicht die Ehre zur Aus- 49 Flaig 2004, S. 13-31 bespricht in diesem Zusammenhang die Bedeutung des „Wahlvolkes“ für die politische Karriere eines Römers, der über „Kontaktqualität mit Klienten“ und über eine „[a]ffektive Nähe bei sozialer Distanz“ verfügen musste, um die Wähler an sich binden zu können. 50 Flaig 2004, S. 49-68, speziell S. 55, spricht in diesem Zusammenhang vom „Ahnenkapital“, das er in Anlehnung an Bourdieus Konzept des symbolischen Kapitals definiert. Vgl. speziell zu den Scipionen auch Hölkeskamp 2004, S. 76-78; 91-97. 51 Flaig 2004, S. 49-68. <?page no="37"?> 36 zeichnung“. 52 Auch in der antiken Literatur wird der Erfolgsdruck thematisiert, wie das folgende Kapitel zeigt. 3.3 Scipio Aemilianus: Die Sorge, der Herkunft nicht würdig zu sein Der antike Schriftsteller Polybios berichtet von einem Gespräch, das er mit P. Cornelius Scipio Aemilianus (Abkürzung: Scipio Aemilianus) geführt haben will. Polybios (von ca. 200 bis ca. 120 v. u. Z.) war ein angesehener Bürger der peloponnesischen Stadt Megalopolis. 167 v. u. Z. wurde er als politischer Gefangener nach Rom verschleppt, wo er Kontakte zu aristokratischen Kreisen knüpfen konnte. L. Aemilius Paullus Macedonicus bestellte ihn sogar zum Erzieher seiner Söhne. Einer dieser Söhne, eben Scipio Aemilianus, soll in jungen Jahren ernsthafte Bedenken Polybios gegenüber geäußert haben, seiner Herkunft nicht würdig zu sein. Er soll dabei angemerkt haben, dass die Leute bereits über ihn redeten: Und sie sagen, das Haus, aus dem ich hervorgehe, verlange nicht ein solches Haupt, sondern eins von ganz anderer Art; das kränkt mich am meisten. 53 Polybios, so die Erzählung, versuchte den jungen Römer daraufhin zu ermuntern, „… war aber doch nicht ohne Bedenken im Hinblick auf die gewaltige Stellung des Hauses und den Glanz und Reichtum des Geschlechts“, aus dem Scipio Aemilianus kam. 54 Wenn auch die Erzählung damit enden wird, dass Scipio Aemilianus schließlich alle Erwartungen übertrifft und seiner Herkunft gerecht wird, 55 so beleuchtet diese Szene doch einen Moment der 52 CIL I 2 11. 53 Pol. 32,9 (deutsche Übersetzung nach Drexler 1963). 54 Pol. 32,10 (deutsche Übersetzung nach Drexler 1963). 55 Pol. 32,11. Vgl. auch Cic. Lael. 11. Für biographische Informationen zu Scipio Aemilianus siehe Zahrnt 2000. <?page no="38"?> 37 Verunsicherung im Leben eines jungen Römers. In der Erzählung nach Polybios hatte Scipio Aemilianus Angst vor dem Versagen, weil die Tüchtigkeit der Ahnen unerreichbar erschien, und er hatte Angst vor dem Gerede der Leute, das seiner zukünftigen Karriere schaden könnte. Die öffentliche Meinung war nämlich wichtig, wenn man(n) in ein Amt gewählt werden wollte. 56 Als Schwächling abgestempelt zu sein, konnte sich ein junger Römer nicht leisten. Und das Erbe der Ahnen wog für Scipio Aemilianus tatsächlich schwer: Er wurde in eine angesehene Familie geboren. Sein Vater war der erfolgreiche Militär und Politiker L. Aemilius Paullus, mit dem Beinamen Macedonicus. Dieser wollte allen seinen Söhnen eine erfolgreiche politische Karriere ermöglichen und ließ daher zwei von ihnen von angesehenen römischen Familien adoptieren. Scipio Aemilianus wurde vom Sohn des Scipio Africanus adoptiert, dem selbst ein legitimer männlicher Nachkomme fehlte. Scipio Africanus selbst hatte zwei Töchter (Cornelia die Ältere und Cornelia die Jüngere) und zwei Söhne (Publius, Adoptivvater von Scipio Aemilianus, und Lucius). Beide Söhne scheinen relativ früh verstorben zu sein, auch sonst wissen die antiken Quellen kaum etwas über deren Leben zu berichten. 57 Mit dem Adoptivenkel, Scipio Aemilianus, schien die männliche Linie und damit die patrilineare Erbfolge in der Familie gesichert zu sein. 56 Flaig 2004, S. 25. 57 Zur Biographie des Scipio Africanus siehe Scullard 1970. Schwarte 2000. Die Adoption war im antiken Rom eine gängige Praxis innerhalb der Elite. Sie wurde ausgeübt, um bei fehlenden leiblichen Söhnen über einen legitimen männlichen Nachkommen zu verfügen. Adoptiert zu werden bedeutete nicht notwendigerweise, jeglichen Kontakt zur Geburtsfamilie zu verlieren. Von <?page no="39"?> 38 Zu den Cornelii Scipiones bestand bereits vor der Adoption eine verwandtschaftliche Verbindung. Denn die Tante des Scipio Aemilianus war die Ehefrau des Scipio Africanus, seines Adoptivgroßvaters. Später wird Scipio Aemilianus auch noch die Enkelin seiner Tante / Adoptivgroßmutter heiraten. Scipio Aemilianus musste sich an zwei Familien orientieren, um als politisch erfolgreich zu gelten. Allein die Erfolge seines leiblichen Vaters und jene seines Adoptivgroßvaters waren herausragend. Wollte er es ihnen gleichtun, musste er zumindest ebenso viele Ehrenämter, militärische Erfolge und Ehrzuweisungen (wie etwa einen Triumph) erreichen. 58 Drei Karrieren im Vergleich- - Höhepunkte der Karriere des P. Cornelius Scipio Africanus, L. Aemilius Paullus Macedonicus, P. Cornelius Scipio Aemilianus. In der folgenden Auflistung berücksichtigt sind die Ämter des cursus honorum und besondere Ehrungen wie die Funktion des Vorsitzenden des Senats (princeps senatus), der Triumph für besondere militärische Leistungen oder die Verleihung außerordentlicher Machtbefugnisse (z. B. konsularisches imperium). Scipio Africanus: • 213 v. u. Z.: Ädil • 210 v. u. Z.: konsularisches imperium für den Zweiten Punischen Krieg • 205 v. u. Z.: Konsul 58 Flaig 2004, S. 30-31. Scipio Aemilianus ist überliefert, dass er nach seiner Adoption weiterhin von seinem leiblichen Vater erzogen wurde. Den Gentilnamen seines leiblichen Vaters (Aemilius) führt er nach der Adoption als Beinamen (Aemilianus). <?page no="40"?> 39 • 201 v. u. Z.: Triumph über Karthago • 199 v. u. Z.: Zensor • 199, 194, 189 v. u. Z.: princeps senatus • 194 v. u. Z.: Konsul Aemilius Paullus Macedonicus: • (? ) 195 v. u. Z.: Quästor • 193 v. u. Z.: Ädil • 191 v. u. Z.: Prätor • 182 v. u. Z.: Konsul • 168 v. u. Z.: Konsul • 167 v. u. Z.: Triumph über Makedonien • 164 v. u. Z.: Zensor • 162 oder 175 v. u. Z.: Interrex Scipio Aemilianus: • 147 v. u. Z.: Konsul • 146 v. u. Z.: Triumph über Karthago • 142 v. u. Z.: Zensor • 134 v. u. Z.: Konsul • 132 v. u. Z.: Triumph über Numantia Aemilius Paullus, der leibliche Vater des Scipio Aemilianus, machte Karriere, indem er die politische Laufbahn von einem rangniederen Amt, der Quästur, zum ranghöchsten Amt, dem Konsulat durchlief. 59 Wohingegen Scipio Africanus und Scipio Aemilianus ihre politische Karriere mit der Bekleidung von ranghohen Ämtern starteten. Sie erhielten damit schon zu Beginn ihrer Laufbahn hohes Ansehen und eine gewichtige Stimme im Senat. 60 59 Eine detaillierte Biographie bietet Flaig 2000. 60 Flaig 2004, S. 29. <?page no="41"?> 40 Die Politik war das Aktionsfeld, auf dem sich die Männer in der römischen Republik beweisen konnten. Das Feld der Politik war jedoch nur begrenzt mit Ämtern ausgestattet, um die sich eine Vielzahl an Bewerbern bemühten. Zusätzliche Regulierungsmaßnahmen zur Bekleidung der Ämter erschwerten darüber hinaus ein rasches Durchschreiten des Feldes, wenn auch die Tüchtigkeit der Ahnen schon ihre langen Schatten warf und zum raschen Aufstieg drängte. 3.4 Die Regulierung der politischen Karriere Eine stärkere gesetzliche Regulierung der politischen Karriere ist ab dem frühen zweiten Jahrhundert v. u. Z. in den antiken Quellen greifbar. 61 Um 180 v. u. Z. wurde die lex Villia annalis erlassen, in der das Mindestalter für die Bekleidung wichtiger Ämter festgelegt wurde. 62 Die Hauptquelle für dieses Gesetz ist Livius, der jedoch nur sehr vage darüber berichtet. Die Gesetzgebung dürfte eine direkte Reaktion auf die außergewöhnlichen Karrieren junger Römer gewesen sein, wie sie seit dem Zweiten Punischen Krieg (von 218 bis 201 v. u. Z.) vorkamen. So erhielt etwa Scipio Africanus mit 24 Jahren bereits den Oberbefehl über Spanien und wurde gleichzeitig als Prokonsul bestätigt-- so beeindruckt soll der Senat von dem jungen Römer gewesen sein. 63 Die Karriere des Aemilius Paullus entsprach hingegen der idealen Ämterlaufbahn, wie sie für das 1. Jh. v. u. Z. aus den antiken Quellen erschlossen werden kann. In aufsteigender Reihenfolge: Quästur, Ädilität, Prätur, Konsulat. 61 Beck 2005, S. 31-113. 62 Liv. 40,44,1. 63 Liv. 26,19. <?page no="42"?> 41 M. Tullius Cicero nennt diese Abfolge „Laufbahn der Ehren(ämter)“ (cursus honorum). 64 Die Anzahl der Ehrenämter war beschränkt, wie der tabellarische Überblick im Folgenden zeigt: 65 Amt Anzahl der Beamten Aufgabenreich (in Auswahl) Quästur 20 seit Sulla Finanzwesen, militärische Verwaltung Volkstribunat 10 (nur für Plebejer offen) Leitung des concilium plebis, Schutz der Plebejer vor Übergriffen der Magistrate Ädilität 4 (unter Caesar 6), 2 davon nur für Patrizier offen (sog. kurulische Ädilen) Infrastruktur, Getreide- und Wasserversorgung, Marktaufsicht, Ausrichtung von Spielen Prätur 10 seit Sulla (unter Caesar 12) Hohe militärische Beamte, zuständig für Rechtssprechung Konsulat 2 Oberste Beamte in Rom, militärische Oberfehlshaber, Leiter der Staatsgeschäfte, berufen Senat und Bürgerversammlung (comitia) ein Zensur 2 Führen der Bürgerliste; organisieren Volkszählung, überprüfen den Lebensstil der Senatsmitglieder, treten als „Sittenwächter“ der Bürger auf Tabelle: Ehrenämter 64 Cic. fam. 1,9,17; 3,11,2; 10,25,2. Cic. off. 2,17,59. Die Quästur gehört spätestens seit der Diktatur Sullas zur regulierten Ämterabfolge, vgl. dazu App. civ. 1,101,466. Cic. leg. 3,39. Tac. ann. 11,22. 65 Modifziert nach Gizewski 1997. <?page no="43"?> 42 Für die Zeit der späten Republik können wir eine politische Karriere gemäß dem cursus honorum genauer beschreiben, nämlich die von M. Tullius Cicero (von 106 bis 43 v. u. Z.), da er festhält, er habe das jeweilige Amt in dem dafür vorgesehenen Mindestalter bekleidet: 66 Er wurde mit • 31 Jahren Quästor • 37 Jahren Ädil • 40 Jahren Prätor • 43 Jahren Konsul. Die Ämter im cursus honorum waren auf ein Jahr beschränkt (Prinzip der Annuität). Es war verboten, mehrere Ämter gleichzeitig zu bekleiden (Kumulationsverbot). Für die mehrmalige Bekleidung des Konsulats wurden Regelungen vorgenommen. Der Diktator Sulla hatte ein Zehnjahresintervall hierfür festgelegt (Iterationsbeschränkung). 67 Jedes Amt wurde kollegial bestückt (Prinzip der Kollegialität), womit die Kumulation von Macht in den Händen einer Person weiter eingeschränkt werden sollte. Schließlich gab es ein Zweijahresintervall (biennium-Regel), das einzuhalten war, wenn man sich auf ein ranghöheres Amt bewerben wollte. Die Zeitdauer, in der ein Römer politische Akzente setzen konnte, war also sehr begrenzt, wie Hans Beck in seiner Studie aufzeigt. 68 Dazu kam noch, dass die Ämterlaufbahn aufgrund der biennium-Regel immer wieder unterbrochen werden musste. Alle diese Maßnahmen sollten Amtsmissbrauch und Kumulation von Macht verhindern sowie den Wettbewerb, der zwischen den Vertretern der politischen Elite (Nobilität) herrschte, regulieren. Es sollte ein Ausgleich zwischen den einzelnen mächtigen Familien bzw. gentes geschaffen werden, aber auch eine gewisse Offenheit 66 Cic. off. 2,17,59. Gizewski 1997. 67 App. civ. 1,101,466. 68 Beck 2005, speziell S. 9-61. <?page no="44"?> 43 hergestellt werden für Bewerber aus weniger mächtigen Familien bzw. für politische Neulinge (homines novi), die als Erste ihrer Familie das Konsulat bekleideten, wie etwa M. Tullius Cicero. 69 Wenn die Karrieremöglichkeiten eines Römers so konzentriert auf das Handlungsfeld Politik ausgerichtet waren, stellt sich die Frage, was den Römern nach ihrer Amtszeit noch offenstand. Sie konnten sich, sofern sie bis zum Konsulat kamen, als Zensor bewerben (Dauer dieses Amtes 1,5 Jahre). Sie konnten sich für ein militärisches Sonderkommando bewerben (dies tat etwa Scipio Africanus, der den Oberbefehl über den Krieg gegen den Seleukidenkönig Antiochos III . wollte, aber nicht erhielt). Sie waren Mitglieder des Senats, wenn sie den cursus honorum durchliefen, und das blieben sie bis zu ihrem Lebensende, sofern sie ein „untadeliges“ Leben führten. Manche Römer hatten auch angesehene Priesterämter inne. Ebenso stellt sich die Frage, was ein junger Römer zu tun hatte, bis er sich um ein politisches Amt bewerben konnte. Von der Geburt bis zum Mindestalter für die Quästur zu Ciceros Zeit verstrichen in der Regel 31 Jahre! Bevor die Römer sich für Ehrenämter bewarben, wurde von ihnen erwartet, militärisch tätig zu sein. 70 Zusätzlich standen ihnen auch kleinere Priesterämter offen. Ebenso konnten sie sich in Prozessreden hervortun und auf sich aufmerksam machen. Ein Amtsinhaber erhielt kein Gehalt für seine Tätigkeit, sondern Ehre (honor) und Würde (dignitas). Damit steigerte er das Prestige seiner Familie. Ein wesentlicher Unterschied zu den Beamten heute liegt nach Peter Funke darin, „dass die Beamten eben nicht Beauftragte oder Diener des Staates waren, sondern Repräsentanten und Inhaber staatlicher Gewalt.“ 71 69 Beck 2005, S. 59-61. 70 Pol. 6,19,4. 71 Funke 2008, S. 23. <?page no="45"?> 44 3.5 Römische Männlichkeit In der Zeit der Republik (ca. 500 bis 31 v. u. Z.) gab es zwei Aktionsfelder, auf denen sich ein römischer Bürger beweisen musste, vor allem wenn er aus der politischen Elite kam: Das waren der Krieg und die Politik. Die zentrale Tugend für einen Römer, die virtus (Mannhaftigkeit / Tapferkeit), konnte zunächst nur in militärischen und politischen Handlungen demonstriert werden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt in der römischen Geschichte öffneten sich noch weitere Handlungsräume für einen Bürger, z. B. die Philosophie oder auch die Rhetorik. 72 Das Handlungsfeld, in dem sich ein Römer also beweisen konnte, war für die römische Republik sehr begrenzt. Der politische Raum war stark reguliert. Der fortwährende Wettbewerb um die Ämter war für viele Römer bestimmt auch belastend. Das zweite Aktionsfeld, der Krieg, ist per se gewalttätig und zerstörerisch. Männlichkeit kann sich darin nur im Kontext von Gewalt, Sterben und Töten entfalten. Erfolgreiche Männer im Feld sind siegreiche Männer. Eine so gewalttätig geprägte Männlichkeit setzt sich aber nicht nur auf dem Schlachtfeld in Szene, sondern wird von den Überlebenden nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg in allen Lebensbereichen ihrer Gemeinschaft performiert. Sie schreibt sich in die soziale Ordnung und in die Geschlechterverhältnisse ein, die im antiken Rom auf den stets erfolgreichen, siegreichen und mächtigen Bürger hin ausgerichtet waren. Gewalt, in verschiedenen Facetten, wurde zur Regulierung der sozialen Verhältnisse definiert. Das zeigt sich u. a. an der Strukturierung der römischen Familie. Hatte ein Römer die Position des Familienoberhauptes (pater familias) erlangt, stand er allen Mitgliedern der Familie vor. Diese Stellung verlieh ihm große Macht. Er verfügte sogar 72 Gleason 1995. McDonnell 2006. <?page no="46"?> 45 über das Recht über Leben und Tod seiner Familienmtiglieder zu entscheiden, sie zu verkaufen oder einem Geschädigten auszuliefern- - allein die Ehefrau war von diesen Maßnahmen geschützt, nicht jedoch die Kinder. 73 Mit der sogenannten väterlichen Gewalt (patria potestas) ausgestattet kontrollierte der pater familias die einzelnen Personen in seinem Haushalt, die alle- - inklusive der Ehefrau-- in einer wirtschaftlichen und rechtlichen Abhängigkeit zu ihm standen. Die Ausübung der patria potestas verlangte aber auch, dass das Familienoberhaupt die Verantwortung eben für die von ihm abhängigen Personen übernahm, seine Rechte brachten also auch Pflichten mit sich. Solange der Römer nicht pater familias war, zählte er aber zu den untergeordneten Personen in seiner Familie und zwar ungeachtet seines Alters und seiner militärischen und politischen Verdienste. 74 Die römische familia war ähnlich strukturiert wie der griechische oı˜kos. Sie umfasste das Familienoberhaupt (pater familias), seine Ehefrau, Töchter, Söhne sowie in reichen Haushalten Sklav*innen. Der Begriff familia bezeichnet den gesamten Haushalt inklusive Besitztümer. Die familia funktionierte als soziale, wirtschaftliche und religiöse Einheit. 73 Gardner 1995, S. 11. 74 Gardner 1995, S. 10-35. <?page no="48"?> 47 4 Hortensia: Der Kampf um die soziale Position Als am 15. März 44 v. u. Z. C. Julius Caesar (im Folgenden Caesar) ermordet wurde, schien die politische Ordnung in Rom aus den Fugen zu geraten. Denn die Mörder waren zum Teil hochrangige Politiker, zum Teil auch enge Vertraute Caesars. Unmittelbar nach der Ermordung war nicht abzusehen, welches politische Lager sich durchsetzen würde: Die Mörder Caesars, die sich selbst als „Befreier“ der Republik sahen, oder die Freunde Caesars, die das Attentat als feige Aktion und als frevelhafte Tat bewerteten. 75 In dieser turbulenten Zeit bündelten drei Männer ihre Macht und ihren Einfluss, um die politischen Verhältnisse neu zu gestalten. Es waren dies M. Antonius und M. Aemilius Lepidus, langjährige Weggefährten des Caesar, reich an militärischen und politischen Erfahrungen, sowie der junge C. Octavius, politisch zwar unerfahren, aber ein entfernter Verwandter und Haupterbe Caesars. Die drei Männer schlossen ein Bündnis und ließen dieses, ausgestattet mit Sondervollmachten, durch ein Gesetz, der sog. lex Titia legitimieren. Dieses Bündnis wird in der Forschung als Triumvirat bezeichnet. Es war zunächst für fünf Jahre geschlossen worden und wurde im Jahre 37 v. u. Z. erneuert, wie die antiken Quellen berichten. 76 In ihrer offiziellen Funktion als „Triumvirn zur Wiederherstellung der Republik“ (tresviri rei publicae constituendae) ergriffen die drei Politiker mehrere Maßnahmen, um die politischen Verhältnisse in Rom zu klären, um ihre Macht zu stabilisieren und um die 75 Die Forschungsliteratur dazu ist sehr umfangreich; vgl. z. B. Gotter 1996. Jehne 1998. Schnegg 2015. 76 App. civ. 5,93,388-95,399. Plut. Antonius 35. Cass. Dio 48,54. <?page no="49"?> 48 Mörder Caesars zur Verantwortung zu ziehen. Letzteres wollten die Triumvirn durch eine totale Vernichtung der Attentäter erreichen und so rüsteten sie zum Krieg gegen diese. Für die Finanzierung des Krieges fehlte den Triumvirn aber den antiken Quellen zufolge das dafür notwendige Geld. Und so wurde zum ersten Mal in der römischen Geschichte ein Edikt erlassen, das eine Zwangsbesteuerung der reichen Römerinnen vorsah. Diese Maßnahme führte zu einer unerwarteten Reaktion der betroffenen Frauen, die sogar in einer öffentlichen Rede der Hortensia gipfelte. Genau dieses Ereignis wird nun im Mittelpunkt der historischen Betrachtung stehen. Den ausführlichsten Bericht dazu liefert Appian von Alexandrien, der ca. 150 Jahre nach den Geschehnissen darüber schrieb. 77 Appian stammte aus Alexandrien in Ägypten, das im 2. Jh. n. u. Z. bereits römische Provinz war. Appian schrieb eine umfassende Römische Geschichte. Das Werk in altgriechischer Sprache hat ursprünglich 24 Bücher umfasst, die uns aber nur mehr teilweise erhalten sind. Das Besondere an Appians Geschichtswerk ist der spezifische Blick auf die Provinzen Roms. Seine Bürgerkriegsbücher stellen außerdem eine Hauptquelle für die historische Auseinandersetzung mit den Ereignissen in Rom von ca. 133 bis ca. 31 / 30 v. u. Z. dar. Ausgehend von Appians Darstellung wird zunächst der Blick auf die Überlieferung des Edikts sowie auf die Reaktionen der Frauen gelenkt. 77 Vgl. dazu etwa Hose 1994. Schnegg 2010. Welch (Hg.) 2015. <?page no="50"?> 49 4.1 Die Besteuerung der reichen Römerinnen in der Überlieferung nach Appian Appian schildert die politischen Maßnahmen der Triumvirn sehr ausführlich im vierten Buch seiner Bürgerkriege. Dabei betont er die Brutalität, mit der die Politik umgesetzt wurde. Nach Appian „kam es zu ganz gräßlichen Leidensszenen“ zu dieser Zeit. 78 Neben der Konfiskation von Geld und Land sowie der Verfolgung und Tötung politischer Gegner hatten die Triumvirn auch die Besteuerung der reichsten Römerinnen festgesetzt. Appian beschreibt die Anordnung wie folgt: In dieser Schwierigkeit wandten sich die Gewalthaber an das Volk und setzten 1400 der reichsten Frauen auf eine Liste. Diese sollten eine Schätzung ihres Vermögens vornehmen und für Kriegszwecke so viel beisteuern, als die Triumvirn von jeder forderten. 79 Den Frauen, die sich der Schätzung verweigerten oder falsche Angaben dazu machten, wurden Strafen angedroht. Eine Folge der Anordnung war nun, dass die betroffenen Frauen sich organisierten. Sie entschlossen sich zu einem gemeinsamen Vorgehen, um ihre Rechte zu verteidigen. Sie versuchten zunächst, die Angelegenheit über informelle Einflussnahme zu regeln. Der erste Weg führte sie also zu den weiblichen Verwandten der Triumvirn. Von diesen erbaten sie sich Unterstützung in ihrem Kampf gegen die Besteuerung. Diese Aktion blieb jedoch ohne Erfolg, wofür Appian vor allem Fulvia, die Frau des M. Antonius, verantwortlich macht. Sie habe nämlich den Bittstellerinnen jegliche Unterstüt- 78 App. civ. 4,1,2 (deutsche Übersetzung nach Veh 1989). 79 App. civ. 4,32,135 (deutsche Übersetzung nach Veh 1989). Die gesamte Rede ist nachzulesen in App. civ. 4,32,137-4,33,144. <?page no="51"?> 50 zung verweigert. Mit diesem Hinweis lässt Appian das Bittgesuch scheitern. Es ist bezeichnend, dass Fulvia hier als Hauptverantwortliche dafür angeführt wird, ist sie doch in Appians Geschichtswerk und in den antiken Quellen allgemein überwiegend negativ charakterisiert, was vor allem auf ihr politisches Engagement und ihren vermeintlichen Einfluss auf M. Antonius zurückzuführen ist. Eine Frau, die wie Fulvia im öffentlichen Raum für die Politik ihres Mannes eintrat, die laut den antiken Quellen sogar Soldaten angeworben und politische Bündnisse initiiert haben soll, überschreitet im antiken Rom den geschlechtlich markierten Handlungsraum. In Appians Geschichte steht Fulvia der Politik ihres Mannes näher als den Bedürfnissen ihrer Standesgenossinnen. Diese Haltung wird negativ gewertet, weil sie dazu führt, dass die Bittsuchenden ihrerseits nun unkonventionell auftreten mussten. 80 Für die reichen Römerinnen bedeutete dies, dass sie sich nun direkt an die Triumvirn wandten. Und damit betraten sie den politischen Raum, der den Frauen in Rom üblicherweise verschlossen blieb. Aber besondere Umstände erfordern ein außergewöhnliches Vorgehen. Darauf verweist auch Appian in seinem Geschichtswerk, wenn er berichtet, dass weder die versammelte Menschenmenge noch die Leibgarde der Triumvirn die Frauen an ihrem Vorhaben gehindert hätten. Und so konnte Hortensia direkt das Wort an die politischen Machthaber richten. Appian lässt Hortensia eine direkte Rede halten, deren Authentizität in der Forschung zwar diskutiert wird, die aber für die Frage nach den Geschlechternormen im antiken Rom von großer Bedeutung ist. 81 Daher gilt der Rede nun das Augenmerk der historischen Betrachtung. 80 Vgl. z. B. Virlouvet 2001. Schnegg 2010, S. 55-66; S. 108-114. 81 In antiken Geschichtswerken finden sich immer wieder direkte Reden, die als Stilmittel eingesetzt werden, um Begebenheiten besonders eindringlich zu schildern. Der historische Wert der fingierten direkten Reden zur Erläuterung <?page no="52"?> 51 4.2 Die Rede der Hortensia vor den Triumvirn Die in Appians Werk überlieferte Rede der Hortensia ist kunstvoll aufgebaut. 82 Sie beginnt mit dem Hinweis, dass den Frauen keine andere Möglichkeit zur Verfügung stehe, um ihre Rechte einzufordern, als vor die Triumvirn zu treten. Das Bittgesuch bei den weiblichen Verwandten der Triumvirn sei erfolglos gewesen. Ferner gebe es keine Männer mehr, die die Interessen der Frauen öffentlich vertreten könnten, weil diese entweder im Krieg oder bereits tot seien. Also müssen die Frauen direkt das Wort an die Machthaber richten. Nach dieser erklärenden Einleitung folgt die Argumentation gegen das Edikt mit der zentralen Aussage, die auf die soziale Position der Frauen verweist: solltet ihr [Triumvirn] aber auch noch unser Eigentum nehmen, dann werdet ihr uns zu einer Stellung erniedrigen, die weder unserem Herkommen noch unserer Lebensweise noch unserem Geschlecht entspricht. 83 Zudem wird den Triumvirn vor Augen geführt, dass sie die Besteuerung der Frauen nicht ausreichend begründen können, während die Rednerin ein konkretes politisches Argument gegen das Edikt anführt: Die Frauen haben kein politisches Unrecht begangen, sie können daher auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Da die Frauen keine Politik machen (dürfen), nicht die Geschicke der Republik lenken (dürfen), ist es nicht zulässig, sie für die öffentliche Angelegenheit (res publica) zu besteuern. Um ihr Argument zu stärken, verweist die Rednerin zunächst allgemein darauf, dass Frauen allerorts von den Steuern befreit seien, und des Sachverhalts wird bereits in der Antike kontrovers diskutiert. Vgl. z. B. Pausch (Hg). 2011. 82 Vgl. dazu die Rede in App. civ. 4,32,137-4,33,144. 83 App. civ. 4,32,138 (deutsche Ubersetzung nach Veh 1989). <?page no="53"?> 52 dann speziell noch auf die römische Geschichte, in der es bislang keine Besteuerung der Frauen gegeben habe. Die Rede endet mit einer Kritik an der Politik der Triumvirn: Die Frauen unterstützen keinen Bürgerkrieg (bellum civile), den die Triumvirn mit ihrer Politik herbeiführen. Appian beschreibt die Reaktion der angesprochenen Politiker wie folgt: […] die Triumvirn aber ärgerten sich, daß Frauen, während ihre Männer kein Wort sagten, sich erkühnten und Versammlungen abhielten, ja sogar von den Behörden Rechenschaft über ihre Maßnahmen forderten und dabei selbst nicht einmal mit Geld herausrückten, indes ihre Männer Kriegsdienst leisteten. 84 Dennoch war der Auftritt der Frauen bis zu einem gewissen Grad erfolgreich, wie Appian festhält. Die Triumvirn modifizierten ihre Anordnungen und besteuerten anstelle von 1400 nur mehr 400 Frauen. 85 Die Reaktionen der Frauen auf die neue Verordnung schildert der antike Autor nicht mehr. Woher kam überhaupt der Reichtum der Römerinnen bzw. von welcher Art war ihr Reichtum, den sie so vehement zu verteidigen versuchten? Appian macht keine genauen Angaben dazu. Er schreibt von den „reichsten Römerinnen“. 86 In der Rede der Hortensia wird jedoch angeführt, was einst die Frauen Roms bereit waren, dem Staat zu geben, als dieser sich während des Zweiten Punischen Krieges (siehe dazu Kapitel 4.5) in einer finanziellen Notlage befand: Damals aber gaben sie freiwillig ihre Beisteuer, nicht indessen von ihrem Landbesitz, ihren Feldern, Aussteuern oder Häusern, ohne die freie Frau- 84 App. civ. 4,34,145 (deutsche Übersetzung nach Veh 1989). 85 App. civ. 4,34,146. 86 App. civ. 4,32,135. <?page no="54"?> 53 en nicht leben können, sondern einzig und allein von ihrem häuslichen Schmuck, und auch diesen nicht auf Grund einer bestimmten Schätzung und unter dem Druck von Denunzianten und Anklägern, nicht unter Zwang und Gewalt, dabei nur so viel, als sie selbst bereit waren zu spenden. 87 Daraus kann abgeleitet werden, dass die Triumvirn im Gegensatz zu den Vorfahren auf jede Form von Vermögen der Römerinnen zurückgreifen wollten und damit ihre Lebensgrundlage antasteten. Hortensia macht deutlich, dass alle genannten Güter wichtig sind, um der angesehenen Römerin den Platz in der sozialen Hierarchie zu sichern. Die aufgezählten Güter (Schmuck, Land, Häuser usw.) sind in den antiken Quellen durchaus als Vermögen für Römerinnen vor allem zur Zeit der Hortensia breit bezeugt; ebenso der Besitz von Tieren und Sklav*innen. 88 Das Vermögen konnte durch Schenkung oder Erbe an die Frauen übergehen und durch gewinnbringende Investitionen gesteigert werden. Rechtlich gesehen konnten die Frauen zwar Vermögen besitzen, aber nicht unabhängig darüber verfügen. 89 Solange die Frau unter der patria potestas stand, verwaltete der pater familias das Vermögen. Unterstand die Frau keiner patria potestas, weil der pater familias tot war, wurde ein männlicher Vormund (tutor) bestellt, der das Vermögen im Interesse der Frau im Auge behielt. In einer cum manu geschlossenen Ehe (siehe unten) gehörte das Vermögen der Frau dem Ehemann. In einer sine manu geschlossenen Ehe (siehe unten) wurde der Frau zur Beaufsichtigung ihres Vermögens ein Vormund zur Seite gestellt, zumeist ein männlicher Verwandter aus der Geburtsfamilie (z. B. Bruder). Die Römerinnen durften 87 App. civ. 4,33,142 (deutsche Übersetzung nach Veh 1989). 88 Gardner 1995, S. 26. 89 Gardner 1995, S. 25, macht jedoch darauf aufmerksam, dass antike Quellen mitunter darüber informieren, wie einzelne Römerinnen über kleine Güter (z. B. Tiere, Schmuck, Kleidung) relativ frei verfügten. <?page no="55"?> 54 also Vermögen besitzen (außer sie schlossen eine cum manu Ehe), nur nicht selbständig darüber verfügen. Die Männer, die ihr Vermögen verwalteten, waren verpflichtet im Interesse der Besitzerin zu handeln. Und genau diese tutores fehlen im Jahre 42 v. u. Z., wie Hortensia bemerkt, weil sie tot sind oder sich auf dem Schlachtfeld befinden, sodass die Frauen ihr Vermögen gegen den Zugriff des Staates selbst verteidigen müssen. Eine nach dem römischen Recht rechtsgültige Ehe konnte nur zwischen einem Bürger und einer Bürgerin geschlossen werden. Dabei mussten neben dem Bürgerrecht noch weitere bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um heiraten zu dürfen, z. B. Mindestalter, körperliche Reife, Ehekonsens. Im antiken Rom gab es zwei Formen der Eheschließung: cum manu, also mit Manus (manus ist die schützende Hand), und sine manu, ohne Manus. Die Ehe cum manu bedeutete für die Frau, dass sie in die Vollgewalt des Ehemannes einging. In dieser Ehe konnte sie kein Vermögen besitzen, alle Schenkungen und Erbteile gingen direkt an den Ehemann. Bei einer Ehe sine manu, die im 1. Jh. v. u. Z. gebräuchlich war, blieb die Frau weiterhin der potestas ihres Vaters untergeordnet, der für seine verheiratete Tochter eine schützende Funktion übernehmen konnte. Bei dieser Form der Ehe war es der Frau erlaubt, ein eigenes Vermögen zu besitzen. Starb der Vater, so wurde für sie ein Vormund bestimmt, der u. a. ihr Vermögen verwaltete. 90 Die Rede der Hortensia, die Appian in seinem Geschichtswerk präsentiert, ist eine politische Rede. Hortensia kritisiert die Politik der Triumvirn. Dabei bedient sie sich unterschiedlicher Argumentationsstrategien: Sie weist darauf hin, dass die Politik der Triumvirn die Frauen nötigt, mit Traditionen zu brechen. Dann führt sie das Recht der Römerinnen auf ihre soziale Position an, die sie durch die Besteuerung gefährdet sieht. Es geht also wesentlich um 90 Gardner 1995, S. 26-28; 36-83. <?page no="56"?> 55 die Sicherstellung der Position der vermögenden Römerin in der römischen Gesellschaft. Hierauf verweist sie auf den Ausschluss der Frauen aus der römischen Politik, der sie folglich auch vor Besteuerung und sonstigen Restriktionen schütze. Sollte Hortensia die Rede in dieser Weise vorgetragen haben, dann wäre das als mutige Aktion zu bewerten. Zögerten die Triumvirn doch keineswegs, politische Gegner zu vernichten. Leider ist uns die Originalrede aus dem Jahre 42 v. u. Z. nicht direkt erhalten. Ebenso fehlen der Forschung weitere Quellen, die unabhängig von Appian die Rede überlieferten. Aufgrund dieser Quellensituation wird die Frage nach der Authentizität der Rede bei Appian in der Forschung kontrovers behandelt. 91 Was jedoch als historisch gesichert gilt, ist das rhetorische Talent der Hortensia und ihre Rede vor den Triumvirn. Denn nicht nur Appian informiert darüber, sondern auch die antiken Autoren Valerius Maximus und Quintilian (beide wirkten im 1. Jh. n. u. Z.). 92 Hortensias Rede vor den Triumvirn musste bei den Zeitgenossen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Sie wurde offensichtlich für einen größeren Lesekreis tradiert. Immerhin finden wir im Werk des Quintilian noch den Hinweis, dass die Rede zu seiner Zeit gelesen wurde. 93 Das setzt eben die Verschriftlichung der Rede voraus, die entweder für den Auftritt vor den Triumvirn selbst oder unmittelbar danach erfolgte, wie es etwa auch für die Reden des M. Tullius Cicero überliefert ist. Appian hat also zumindest insofern die historische Wahrheit auf seiner Seite, als er Hortensia eine rhetorisch ausgefeilte Rede halten lässt. Inwieweit Inhalt und Wortwahl Hortensias historischer Rede entsprechen, ist nicht mehr zu entscheiden, jedoch gibt die Rede 91 Hopwood 2015. 92 Val. Max. 8,3,3. Quint. inst. 1.1.6. Plant 2004, S. 104-105. 93 Quint. inst. 1,1,6. <?page no="57"?> 56 zumindest Auskunft auf die Frage der Geschlechternormen im antiken Rom aus Sicht des Appian. Wer war nun diese Frau, die Appian so schillernd zeichnet, die vor den Triumvirn eine öffentliche Rede hielt und sich damit in die Geschichtswerke einschrieb? 4.3 Hortensia und ihre Familie Hortensia war die Tochter des Q. Hortensius Hortalus (im Folgenden Hortalus), einem erfolgreichen Militär und Politiker, der römischer Senator und Konsul im Jahre 69 v. u. Z. war. 94 Er stammte aus dem angesehenen Geschlecht der Hortensii (gens Hortensia). Die Mutter der Hortensia war Lutatia, die Tochter des Q. Lutatius Catulus, der im Jahre 102 v. u. Z. als Konsul tätig war. 95 Sowohl über die Linie des Vaters als auch jene der Mutter wurde Hortensia ein symbolisches Kapital zur Verfügung gestellt, das ihr eine gute soziale Position in der römischen Bürgerschaft ermöglichte. 96 Zudem war ihr Vater sehr vermögend, wovon auch Hortensia profitierte. 97 Lutatia muss entweder früher als ihr Mann gestorben sein oder aber von diesem geschieden worden sein, denn der antike Biograph Plutarch (1./ 2. Jh. n. u. Z.) weiß davon zu berichten, dass Hortalus kurz vor seinem Tod eine gewisse Marcia ehelichte, um einen legitimen männlichen Nachkommen zu zeugen. 98 Die Eheschlie- 94 Gualtiero 1998. 95 Strothmann 1999. 96 Zur Bedeutung des sozialen Kapitals für weibliche Mitglieder einer Familie vgl. Flaig 2004, S. 62-66. Flaig 2011, S. 362-365. 97 Calboli 1998. 98 Plut. Cato der Jüngere 25; 52. App. civ. 2,99,413. Vgl. dazu Schnegg 2010, S. 102-106. <?page no="58"?> 57 ßung mit Marcia gestaltete sich aus heutiger Sicht etwas bizarr und sorgte wohl auch schon in der Antike für Gesprächsstoff, wie Plutarch berichtet. Marcia war ursprünglich mit M. Porcius Cato verheiratet, dem Freund des Hortalus. Der Erzählung zufolge soll Cato seine Ehefrau dem Freund zur Eheschließung ausgehändigt haben. Marcia soll dem Hortalus ein Kind geboren haben, über dessen Schicksal in den antiken Quellen aber nicht weiter berichtet wird. 99 Nachdem Hortalus gestorben war, nahm Cato Marcia, nunmehr reich verwitwet, wieder als Ehefrau in seinen Haushalt auf. 100 Plutarch will mit dieser Geschichte den vorbildlichen Charakter des Cato illustrieren, der seinem Freund aus einer Notlage half. Aus geschlechterhistorischer Sicht ist hervorzuheben, dass Marcia in den Quellen nicht als Subjekt thematisiert wird, sondern als Reproduktionsgut, das von ihrem Mann verwaltet und gewinnbringend eingesetzt wird, um zunächst die enge Verbindung zu Hortalus zu stärken und anschließend sein Vermögen durch das Erbe seiner Frau aus der Ehe mit Hortalus zu mehren. Marcia wurde offenbar weder gefragt, ob sie zum Erhalt der gens Hortensia beitragen wollte, noch war ihre Mitwirkung an der Vereinbarung Plutarch eine Erwähnung wert: Der Held dieser Geschichte war Cato. Hortalus war nicht nur ein angesehener Politiker, sondern auch ein bekannter Redner zu seiner Zeit. 101 Er trat mehrmals gegen seinen berühmten Zeitgenossen M. Tullius Cicero in Prozessen auf. 102 Das Redetalent scheint er an seine Tochter weitergegeben zu haben. Zumindest führen die antiken Quellen die rhetorische Begabung der Hortensia auf den Einfluss ihres Vaters zurück. 103 Es ist wahrscheinlich, dass Hortalus und Lutatia ihrer Tochter eine 99 App. civ. 2,99,413. 100 Plut. Cato der Jüngere 52. 101 Cic. Brut. 229; 301-304. 102 Gualtiero 1998. Dyck 2008. 103 Val. Max. 8,3,3. Quint. inst. 1,1,6. <?page no="59"?> 58 gute Ausbildung ermöglichten, um ihr Talent zu formen. Die finanziellen Möglichkeiten hatten sie dazu. Töchter gut auszubilden, sie vor allem auch in Rhetorik und Philosophie zu unterweisen, war im antiken Rom etwas Besonderes. Emily Hemelrijk weist in ihrer umfassenden Studie darauf hin, dass eine gute Ausbildung für Mädchen nicht konventionell war, wenn auch einige Familien nachweislich in die Ausbildung der Mädchen investierten. 104 Von Mädchen erwartete man(n), eine gute Ehefrau und Mutter zu sein. Da Mädchen relativ jung heirateten, blieb für eine gute Ausbildung nicht viel Zeit, außer der Ehemann führte die Ausbildung seiner Ehefrau weiter, um-- wie Plinius der Jüngere (1./ 2. Jh. n. u. Z.) berichtet- - eine ebenbürtige Gesprächspartnerin zu haben. 105 Diese Eigenschaften wusste jedoch längst nicht jeder zu schätzen: Andere Schriftsteller vertraten die Auffassung, dass die Ausbildung von Mädchen und Ehefrauen nicht nur unnötig, sondern geradezu unvorteilhaft sei, da gebildete Frauen eine Mühsal für ihre Ehemänner wären. 106 Dennoch sind einzelne Römerinnen greifbar, die mit ihrem rhetorischen Talent glänzten. Ein Blick in die Geschichte der römischen Republik zeigt, dass Frauen immer wieder in Erscheinung getreten sind und sich so für einen Moment den öffentlichen Raum, der so stark von den Bürgern dominiert wurde, angeeignet haben. 104 Hemelrijk 1999, S. 9-91. 105 Plin. epist. 4,19. 106 Vgl. dazu Iuv. 6,448-451. <?page no="60"?> 59 4.4 Römerinnen sprechen im öffentlichen Raum Die antike Überlieferung informiert über einzelne Römerinnen, die zur Zeit der Republik (ca. 500 bis 31 v. u. Z.) als Rednerinnen öffentlich auftraten. Von Maesia von Sentinum wird z. B. berichtet, dass sie ihre rechtlichen Angelegenheiten vor dem dafür zuständigen Beamten, dem Prätor Titus Livius, selbst vorgetragen habe. 107 Carfania, die Ehefrau des Senators Licinius Buccio, soll mehrmals vor Gericht aufgetreten sein und zwar auf eine derart auffallende Weise, dass ein Gesetz erlassen wurde, das allgemein die Redefreiheit der Frauen im öffentlichen Raum beschränkte. 108 Carfania soll später sogar als Spottname für all jene Frauen verwendet worden sein, die im öffentlichen Raum negativ auffielen. 109 Jahrhunderte später beschimpfte Domitius Ulpianus (3. Jh. n. u. Z.) Carfania noch als improbissima femina, als äußerst unverschämte Frau. 110 Die antiken Autoren berichten nicht wertfrei vom öffentlichen Auftreten dieser Frauen. Ihre Aktionen und ihr Verhalten werden als „außergewöhnlich“, als „unweiblich“ oder als „schimpflich“ bezeichnet. 111 Ein herausragendes Talent, das unhinterfragt als Zierde eines jeden Bürgers gilt, muss bei einer Frau speziell erklärt werden. Dabei werden die Frauen häufig vermännlicht. Valerius Maximus zufolge sei Maesia von Sentinum als Androgyne (Mannfrau) bezeichnet worden, weil man(n) davon ausging, dass sich ein männlicher Geist in ihrem weiblichen Körper befunden habe. Das Redetalent wird damit eindeutig männlich markiert. Redebegabte Personen haben folglich einen männlichen Geist. Das trifft nach Valerius Maximus auch auf Hortensia zu, da der Geist ihres Vaters 107 Val. Max. 8,3,1. Münzer 1974. 108 Val. Max. 8,3,2. Münzer 1991. 109 Val. Max. 8,3,2. 110 Ulp. dig. 3,1,1,5. 111 Val. Max. 8,3,1-3. <?page no="61"?> 60 in ihr wirkte. In der antiken Literatur finden sich noch weitere Beispiele dieser Art: Cicero bezeichnet seine Tochter Tullia als Abbild seines Antlitzes, seiner Redeweise, seines Geistes (effigiem oris, sermonis, animi mei). 112 In den Reden der Laelia hörte man(n) die Sprechweise ihres Vaters, und in Minicia Marcella habe sich das Aussehen, Verhalten und Sprechen ihres Vaters widergespiegelt. 113 Die Beispiele zeigen: Eignen sich Frauen männlich markierte Handlungsräume an oder verfügen sie über „männliche“ Talente, muss das erklärt werden. Dabei machen die antiken Autoren nicht den Denkschritt, die geschlechtliche Markierung in Frage zu stellen, sondern sie sprechen den Protagonistinnen bis zu einem gewissen Grad ihre Weiblichkeit ab. Basierend auf der Vorannahme, dass der Mensch aus zwei getrennten Einheiten besteht, nämlich Körper und Geist, ist es eben der Geist, der dann männlich ausgezeichnet wird. Der männliche Geist ruht in einem weiblichen Körper. Die Textbeispiele veranschaulichen, wie Geschlechterdifferenzen gedacht und wie Geschlechterverhältnisse erklärt wurden. Sie zeigen auf, dass die bestehende Geschlechterordnung nicht in Frage gestellt wurde. Ein normwidriges Auftreten der Frauen wurde nicht als Folge einer zu starren Ordnung reflektiert, sondern als eine Störung, die in der Person selbst verortet wurde. Von der strikten Regulierung der Geschlechterverhältnisse zeugt noch ein weiteres Beispiel aus der römischen Republik, das im folgenden Kapitel näher beleuchtet wird. 112 Cic. ad Q. fr. 1,3,3. 113 Quint. inst. 1,1,6. Plin. epist. 5,16,9. <?page no="62"?> 61 4.5 Römerinnen gegen das Oppische Gesetz Inmitten der Wirren des Zweiten Punischen Krieges (von 218 bis 201 v. u. Z.) wurde die lex Oppia (215 v. u. Z.) erlassen. Mit dem Gesetz, das den Römerinnen untersagte, ihren Reichtum zur Schau zu stellen, sollte die aristokratische Selbstbeschränkung der Bevölkerung vor Augen geführt werden. 114 Denn der langjährige Krieg forderte viele Opfer und brachte jede Form von Entbehrung mit sich. Nach Livius (ca. 60 v. u. Z. bis 20 n. u. Z.), der Hauptquelle für die lex Oppia, durfte keine Frau mehr als eine halbe Unze Gold haben, ein buntes Gewand tragen und in Rom oder einer Landstadt oder weniger als eine Meile von dort entfernt mit einem bespannten Wagen fahren, es sei denn anläßlich einer Opferhandlung im Namen des Staates. 115 195 v. u. Z., einige Jahre nach dem Ende des Krieges, aus dem die Römer als Sieger hervorgingen, organisierten sich die Römerinnen, um das Gesetz zu Fall zu bringen. Nach Livius versammelten sich nicht nur die Römerinnen, die in der Stadt Rom lebten, sondern es kamen auch Frauen aus den umliegenden Landstädten nach Rom, um gegen das Gesetz aufzutreten. 116 Im Unterschied zu den Römerinnen um Hortensia aus dem Jahre 42 v. u. Z. ergriffen sie aber nicht selbst das Wort im öffentlichen Raum, sondern versuchten einflussreiche Männer und Politiker davon zu überzeugen, ihre Interessen bei politischen Versammlungen zu vertreten. Dabei seien die Frauen Livius zufolge sehr offensiv aufgetreten und hätten Straßen und Versammlungsorte besetzt, um auf ihr Anliegen 114 Schmitt 2000. 115 Liv. 34,1,3 (deutsche Übersetzung nach Hillen 2007). 116 Liv. 34,1,6. <?page no="63"?> 62 aufmerksam zu machen. Livius bewertet das Auftreten der Frauen insgesamt als impertinent: Die Frauen ließen sich durch keine Autorität, kein Gefühl für Anstand und keinen Befehl ihrer Männer im Hause halten, sie belagerten alle Straßen der Stadt und die Zugänge zum Forum und baten die Männer, die zum Forum hinabstiegen, wo der Staat in voller Blüte stehe, wo das Privatvermögen aller von Tag zu Tag wachse, sollten sie doch zulassen, daß auch den Frauen ihre frühere Ausstattung zurückgegeben werde. 117 Auch wenn Livius das Verhalten der Frauen negativ charakterisiert, legt er ihnen doch ein starkes Argument in den Mund: Die Ordnung im Staat, der res publica, ist nach dem langen Krieg wiederhergestellt. Die römische Oberschicht hat sich finanziell saniert-- warum sollten also die reichen Frauen aus der Bürgerschicht als einzige Bevölkerungsgruppe noch beschnitten werden? Es gebe, so der Tenor der Frauen, hierfür kein politisches Argument mehr. In seinen Bericht von der politischen Auseinandersetzung um das Oppische Gesetz flocht Livius zeitgenössische Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit ein. Diese werden in den zwei Reden besonders gut ersichtlich, die der antike Autor als Streitgespräch zwischen dem Konsul M. Porcius Cato dem Älteren (im Folgenden: Cato) und dem Volkstribun L. Valerius konzipierte. Ob dieses Rededuell je stattgefunden hat, kann historisch nicht belegt werden. Auch hier ist wieder zu bedenken, dass antike Geschichtsschreibung anders funktioniert und anderen Regeln unterworfen ist als die (post-)moderne Geschichtsschreibung, die nichts erfinden darf, alle verwendeten Quellen angeben muss und keine Quellen aussparen darf. Das Konzept der historischen Wahrheit wird von den antiken Autoren speziell und wesentlich anders als in der aktuellen Geschichtswissenschaft umgesetzt: Sie verwenden dramaturgische Mittel, um Ereignisse zu veranschaulichen, 117 Liv. 34,1,5 (deutsche Übersetzung nach Hillen 2007). <?page no="64"?> 63 zu gewichten und zu bewerten. Fiktionale Reden sind dabei ein erlaubtes Mittel, um den Sachverhalt zu verdeutlichen. Für die geschichtswissenschaftliche Arbeit mit den antiken Quellen bedeutet dies, dass stets auf die besonderen Gattungsvorgaben zu achten ist und neben den Aussagen der Texte auch deren Aufbau, die Wirkung bestimmter Stilmittel etc. zu analysieren sind. Zurück zum Rededuell zwischen Cato und L. Valerius. Um die zwei Positionen im Streit um die lex Oppia zu veranschaulichen, schildert Livius die Debatte folgendermaßen: Während Cato die Beibehaltung des Gesetztes fordert und dazu eine Reihe von misogynen (frauenfeindlichen) Aussagen aneinanderreiht, führt L. Valerius ein politisches Argument dafür an, das Gesetz aufzuheben. 118 Er weist darauf hin, dass die lex Oppia aus einer politischen Notwendigkeit heraus erlassen wurde, die sich so in der aktuellen Situation nicht mehr darstellt. Und da alle Bevölkerungsgruppen von den Einschränkungen nun befreit werden, warum nicht auch die Römerinnen-- oder sollten sie, von hohem sozialem Ansehen, sich weniger gut gekleidet zeigen als die Frauen der Verbündeten oder der Bundesgenossen? Was würde das für ein Bild von Rom machen? Catos Rede ist als Pamphlet (Schmährede) gegen die Frauen konzipiert: Er klagt sie der Verschwendungssucht, der Habsucht, der Sittenlosigkeit, des Unruhestiftens an und wirft ihnen sogar aufrührerisches Verhalten vor. Weiters wird in seiner Rede angeführt: Frauen würden allgemein über die niederträchtigsten Eigenschaften verfügen. Daher müssen sie von ihren Männern kontrolliert werden. Dass sie jetzt aber gegen ein Gesetz mobil machen, zeige, wie wenig die Männer ihre Frauen unter Kontrolle haben. Geben die Politiker in dieser Angelegenheit den Frauen 118 Liv. 34,7,11-15. <?page no="65"?> 64 nach, würden diese nach „Freiheit streben“, was ihnen aber die Sitte und das Gesetz untersagen. 119 Die Rede gipfelt in der Aussage: Wenn ihr duldet, daß sie einzelne rechtliche Bestimmungen in Frage stellen und euch abtrotzen und daß sie am Ende den Männern gleichgestellt sind, glaubt ihr, daß ihr sie dann noch ertragen könnt? Sobald sie angefangen haben gleichberechtigt zu sein, werden sie euch auf der Stelle über sein. 120 L. Valerius räumt die misogynen Aussagen des Cato nicht aus. Denn auch er vertritt ganz klar die Position, dass es eine natürliche Geschlechterhierarchie gebe, die Frauen in eine subordinierte Position dem Mann gegenüber bringt. Um das (Ungleich-)Verhältnis zwischen Männern und Frauen zu stabilisieren, brauche es aber kein Gesetz, solange die Männer als Väter oder Ehemänner ihre Macht bewusst einsetzen. Denn: „Niemals hört die Abhängigkeit der Frauen auf, solange einer ihrer männlichen Angehörigen lebt.“ 121 Letztlich wurde das Gesetz abgeschafft. Die Römerinnen konnten sich wieder standesgemäß zeigen. Betrachten wir das Textbeispiel aus einer geschlechtertheoretischen Perspektive zeigt sich besonders deutlich, dass die Geschlechterordnung und die Geschlechterhierarchie nicht in Frage gestellt werden. Im Zentrum des Streitgespräches zwischen Cato und L. Valerius steht die Frage, mit welchen Mitteln der Mann die Frau kontrollieren sollte. Sind Gesetze zielführend (Ansicht Catos) oder das bewusste Einsetzen der „natürlichen“ Macht des Mannes über die Frau (Ansicht des L. Valerius)? Die hegemoniale Stellung des Bürgers in der Gesellschaft steht nicht zur Debatte. Und es liegt jenseits des Vorstellbaren, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sein könnten. 119 Liv. 34,2,12. 120 Liv. 34,3,2 (deutsche Übersetzung nach Hillen 2007). 121 Liv. 34,7,12. <?page no="66"?> 65 4.6 Was Frauen dürfen und wofür Männer Sorge zu tragen haben Wir blicken noch einmal auf die Rede der Hortensia. In der Argumentationsführung werden wichtige Aspekte des Lebens reicher Frauen angesprochen, die Einblicke in die sozialen Verhältnisse im antiken Rom erlauben. Es wird deutlich, dass es für gewöhnlich den Frauen in Rom nicht gestattet war, im politischen Raum aufzutreten. Ihre Interessen mussten entweder über Netzwerke im Hintergrund vertreten oder von einem männlichen Vormund (tutor) bzw. Rechtsvertreter (advocatus) offiziell vorgetragen werden. Das wird auch im Rededuell zwischen Cato und L. Valerius in Hinblick auf das Auftreten der Römerinnen gegen die lex Oppia deutlich gemacht. Des Weiteren ist aus den antiken Quellen zu lesen, dass angesehene Römerinnen über einen entsprechenden Lebensstil verfügten, der durchaus auch öffentlich präsentiert wurde. Hortensia weist die Triumvirn darauf hin, dass durch ihre geplanten Maßnahmen die Frauen den für ihren Stand angemessenen Lebensstil verlieren würden. Die Elite kann aber nicht wie die arme Bevölkerung herumlaufen. Die Frage nach dem sichtbaren Prestige bringt auch Livius, wenn er den Volkstribun L. Valerius sagen lässt, dass die Römerinnen nicht ärmlicher auftreten dürften als die Frauen der Bundesgenossen. Bei diesen Argumentationen geht es nicht um das individuelle Auftreten einer Frau. Es geht vielmehr um das standesgemäße Auftreten eines weiblichen Mitgliedes einer Familie. Das politische System in Rom war auf Wettbewerb zwischen den einzelnen Familien und gentes ausgerichtet. Daher wurde jeder politische und wirtschaftliche Erfolg einer Familie nach außen sichtbar gemacht, auch über die Frauen der Familie, die deren Reichtum und Einfluss zur Schau stellten. Es lässt sich aus den Texten auch ableiten, wofür die Bürger <?page no="67"?> 66 Sorge zu tragen hatten: Sie mussten die Interessen der Frauen ihrer Familie vertreten. Die Interessen werden nicht als individuelle, sondern auf den sozialen Stand und das Geschlecht bezogene Interessen thematisiert. Die Politiker haben darauf zu achten, dass die Traditionen und die damit verbundenen Verhaltensregeln für Männer und Frauen eingehalten werden können. Die hier angeführten antiken Beispiele machen deutlich, dass von einer Geschlechterdichotomie ausgegangen wird. Darauf baut die Geschlechterordnung im antiken Rom auf. Es gibt klar definierte Handlungsräume für Männer und für Frauen aus der Bürgerschicht. Die sozialen Verhältnisse werden über eine Geschlechterhierarchie zugunsten des Bürgers geregelt. Frauen sind aus allen politischen Institutionen ausgeschlossen. Zwar finden sie Erwähnung in den antiken Texten, wenn sie sich in Ausnahmesituationen in der Öffentlichkeit zu Wort melden, die Autoren markieren ihr Verhalten jedoch als unkonventionell und meistens auch als unangebracht. Und dennoch: Es gibt Belege für das Auftreten von Frauen im politischen Raum und für ihre politische Einflussnahme. 122 122 Dargelegt z. B. auch in Dettenhofer 1992. Dettenhofer 1994. <?page no="68"?> 67 5 Zusammenschau und Ausblick: Geschlechterdebatten in der Antike In diesem Buch werden anhand von drei Beispielen Geschlechterverhältnisse, Geschlechterordnungen und -hierarchien in der griechischen und römischen Antike thematisiert. Mit Hinweisen auf das (alt-)historische Arbeiten einerseits und auf die geschlechtertheoretischen Anforderungen für eine wissenschaftliche Analyse andererseits wird der methodisch-theoretische Rahmen der geschlechterhistorischen Publikation eingangs dargelegt (siehe Kapitel 1 „Einführung“). Im Mittepunkt des ersten historischen Beispiels steht der antike Text „Über die Harmonie der Frau“ der Periktione, dessen Abfassung zwischen dem 4. und 2. Jh. v. u. Z. datiert wird (siehe Kapitel 2 „Periktione“). Dem Pythagoreismus nahe stehend werden im Text die Aufgaben und Pflichten der verheirateten Bürgerin dargelegt. Sie wird darin aufgefordert, zum Funktionieren der Ehe und des Haushaltes beizutragen. Ihre Verortung im Beziehungsgeflecht, das sich über Ehe und Haushalt erstreckt, hängt wesentlich von der Position des Ehemannes und des Hausherrn ab. Ausgehend von der Textanalyse werden verschiedene Fragen verfolgt, die auf die Exklusivität der Bürgerschaft und auf den Zusammenhang zwischen Haushaltsführung und Politik abzielen. Die historische Auswertung der antiken Quellen wird mit theoretischen Fragen nach der Persönlichkeitsentfaltung in einer asymmetrischen Ehebeziehung in Verbindung gebracht. Das zweite historische Beispiel führt uns in das antike Rom zur Zeit der Republik (siehe Kapitel 3 „Die Scipionen“). Ausgehend von der mächtigen Familie des Scipio Africanus (2. Jh. v. u. Z.) wird aufgezeigt, welches Privileg, aber auch welche Bürde es für einen jungen Römer aus einer sehr erfolgreichen Familie mitunter war, <?page no="69"?> 68 politisch Karriere zu machen. Dem Traditionsbild des „großen und erfolgreichen Mannes“ werden Verlust- und Versagensängste, wie sie in antiken Quellen vereinzelt zu finden sind, entgegengestellt und vor dem Hintergrund der „Römischen Männlichkeit“, die wesentlich in der Politik und auf dem Schlachtfeld generiert wurde, reflektiert. Auch das dritte historische Beispiel ist in das antike Rom zu verorten und in eine Zeit zu datieren, in der sich die politischen Verhältnisse in Rom zu verändern beginnen (1. Jh. v. u. Z.). Im Zentrum dieser Ausführungen steht Hortensia, eine der wenigen Frauen, die aufgrund ihres öffentlichen Auftretens Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hat. Die Rede der Hortensia vor den Triumvirn galt schon in der Antike als außergewöhnlich. Daher wird sie in der Überlieferung nach Appian nach den darin vermittelten Geschlechtervorstellungen besprochen. Der Inhalt der Rede ermöglicht einen breiten Blick auf die soziale Positionierung angesehener Römerinnen und auf die ihr zugrundeliegenden Geschlechternormen. Die Geschlechterordnung im antiken Rom zeigt sich in den antiken Texten als starres, langlebiges Konstrukt, was auch aus Livius Bericht über den Aufstand der Römerinnen gegen die lex Oppia deutlich hervorgeht. Das Buch bietet keine große Geschichtserzählung über Frauen und Männer in der Antike, sondern Einblicke in soziale Verhältnisse, vor allem in Geschlechterverhältnisse wie sie aus den antiken Quellen für konkrete historische Räume rekonsturiert werden können. Dabei ist es mir wichtig, auch den Weg zur historischen Erkenntnis mit Hinweisen auf die antike Überlieferung und auf geschlechtertheoretische Fragestellungen aufzuzeigen. Sollte es gelingen, bei der Leserin / beim Leser Interesse für die Antike und für die Geschlechtergeschichte zu wecken, freue ich mich sehr. Die Literaturtipps am Ende einzelner Kapitel sowie <?page no="70"?> 69 das Literaturverzeichnis am Ende des Buches bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte, um sich in einzelne Themen zu vertiefen. Wenn der von mir gebotene Blick auf die weit entfernte Vergangenheit der griechischen und römischen Antike auch dazu anregt, über die Komplexität der Geschlechterverhältnisse allgemein und über aktuelle Geschlechterdebatten im Speziellen nachzudenken, ist ein weiteres Anliegen, das zur Abfassung dieses Buches geführt hat, erfüllt. <?page no="72"?> 71 6 Anhang 6.1 Zeittafel ca. 530 v. u. Z. Pythagoras landet in Kroton und gründet seine Schule 5./ 4. Jh. v. u. Z. Xenophon verfasst sein Werk Oikonomikos 298 v. u. Z. Konsulat des Scipio Barbatus 264-241 v. u. Z. Erster Punischer Krieg (Rom gegen Karthago) 3./ 2. Jh. v. u. Z. Periktione schreibt über die Harmonie der Frau 1 Errichtung der Grabanlage der Scipionen 218-201 v. u. Z. Zweiter Punischer Krieg (Rom gegen Karthago; Scipio Africanus gegen Hannibal) 215 v. u. Z. lex Oppia 205, 194 v. u. Z. Konsulat des Scipio Africanus 195 v. u. Z. Römerinnen gegen die lex Oppia ca. 180 v. u. Z. lex Villia annalis 2. Jh. v. u. Z. Polybios schreibt sein Geschichtswerk 149-146 v. u. Z. Dritter Punischer Krieg (Rom gegen Karthago; Polybios begleitet Scipio Aemilianus im Krieg) 147, 134 v. u. Z. Konsulat des Scipio Aemilianus 82-79 v. u. Z. Diktatur Sullas 44 v. u. Z. Ermordung des Diktator Caesar 43 v. u. Z. M. Antonius, M. Aemilius Lepidus, C. Ocatvius schließen ein politisches Bündnis (Triumvirat; bestätigt durch die lex Titia) 1 Datierung hier nach Plant 2004. <?page no="73"?> 72 42 v. u. Z. Rede der Hortensia 1. Jh. v./ 1. Jh. n. u. Z. Livius berichtet von der lex Oppia 1./ 2. Jh. n. u. Z. Plutarch verfasst Biographien über berühmte Griechen und Römer (z. B. über Cato den Jüngeren) 2. Jh. n. u. Z. Appian berichtet von der Rede der Hortensia 3./ 4. Jh. n. u. Z. Iamblichos verfasst das Werk Leben des Pythagoras 5. Jh. n. u. Z. Stobaios stellt eine Exzerptensammlung zusammen; diese beinhaltet u. a. die Textauszüge der Periktione 1616 n. u. Z. Grabanlage der Scipionen wiederentdeckt <?page no="74"?> 73 6.2 Stammbaum der Scipionen (im Auszug) L. Cornelius Scipio Barbatus L. Cornelius Scipio Cn. Cornelius Scipio Calvus L. Cornelius Scipio Hispallus Paulla Cornelia L. Cornelius Scipio Cn. Cornelius Scipio Hispanus P. Cornelius Scipio P. Cornelius Scipio L. Cornelius Scipio Asia�cus P. Cornelius Scipio L. Cornelius Scipio P. Cornelius Scipio Aemilianus Cornelius Scipio Die schwarz umrandeten Personennamen haben eine Alle Jahreszahlen vor unserer Zeitrechnung Abkürzungen: cos.: Konsulat Inschri� im Scipionengrab Asiagenus Comatus 300 250 200 150 Africanus cos. 298 cos. 259 cos. 222 cos. 176 cos. 218 cos. 205,194 cos. 190 cos. 147, 134 Stammbaum der Cornelii Scipiones: ein Auszug <?page no="75"?> 74 6.3 Die Familienverbindung des Scipio Africanus Die Familienverbindung des Scipio Africanus, der Cornelia der Jüngeren und Sempronia Scipio Aemilianus (adoptiert von Publius*; cos. 147, 134) Ehe Tiberius Gaius Sempronia Ehe Cornelia die Jüngere Ehe Scipio Barbatus (cos. 298; Urgroßvater des Africanus) Scipio Africanus (cos. 205, 194) Aemilia Paulla Publius* L. Aemilius Paullus (cos. 219, 216) L. Aemilius Paullus Macedonicus (cos. 182, 168) Lucius Cornelia die Ältere Tib. Sempronius Gracchus (cos. 177, 163) Alle Jahreszahlen vor unserer Zeitrechnung. Eheschließungen und Kinder nur punktuell aufgenommen. Abkürzung: cos. = Konsulat : Kind <?page no="76"?> 75 6.4 Die Familienverbindung des Hortalus und der Marcia Die Familienverbindung des Q. Hortensius Hortalus und der Marcia Ein Kind 1 Kinder (verstarben früh) 1. Ehe 2. Ehe Ehen M. Porcius Cato (cos. 195; tritt für die lex Oppia ein; Urgroßvater Catos, cos. 59) M. Porcius Cato (cos. 59) Marcia Q. Hortensius Hortalus (cos. 69) Lutatia Hortensia Sohn? 2 1 Appian (civ. 2,99,413 ) zufolge wurde ein legitimes Kind geboren. 2 Es ist unklar, ob Hortalus aus der Ehe mit Lutatia einen Sohn hatte, mit dem er sich später entzweite, oder ob in erster Ehe kein Sohn geboren wurde. Alle Jahreszahlen vor unserer Zeitrechnung. Abkürzung: cos. = Konsulat : Kind <?page no="77"?> 76 6.5 Blick auf den griechisch-ägäischen Raum (Karte) <?page no="78"?> 77 6.6 Blick auf das römische Reich im 1. Jh. v.u.Z. (Karte) <?page no="79"?> 78 6.7 Glossar bellum civile: ist die lateinische Bezeichnung für „Bürgerkrieg“. cursus honorum: Damit wird im antiken Rom die Ämterlaufbahn bezeichnet, die eine bestimmte Abfolge ehrwürdiger Ämter vorsieht. Diktatur: Die Diktatur war im antiken Rom ein Amt, das in Ausnahmesituationen besetzt wurde. Der Diktator fungierte anstelle der Konsuln. Zum Diktator wurde man(n) bestellt, um eine konkrete Aufgabe zu erfüllen. Um die Macht des Diktators einzugrenzen, der ja ohne Kollegen amtierte, war die Dauer des Amtes auf sechs Monate begrenzt. Im 1. Jh. v. u. Z. wurden einzelne Diktatoren jedoch für einen längeren Zeitraum bestellt, z. B. Caesar, der kurz vor seinem Tod die Diktatur auf Lebenszeit erhielt. epistē΄mē: altgriechische Bezeichnung für „Wissen“, „Kenntnis“, „Wissenschaft“. epithymía: altgriechische Bezeichnung für „Begierde“, „Verlangen“. eudaimonía: altgriechische Bezeichnung für „glücklicher Zustand“, „Wohlstand“, „Wohlergehen“. fama: lateinische Bezeichnung für „Ruhm“, „Ruf “ oder auch „öffentliche Meinung“. familia: lateinisches Wort, das mit „Haushalt“ oder „Familienverband“ zu übersetzen ist. Eine familia umfasste Vater, Mutter, Kinder, mitunter auch Sklaven und Sklavinnen. gámos: steht im Altgriechischen für die „Ehe“; ein Bund, der zwischen einem Bürger und einer Bürgerin geschlossen werden konnte, vor allem um legitime Nachkommen zu zeugen. gens: lateinisch für „Geschlecht“, im Sinne von Verwandtschaft, Sippe. Die Bedeutung der Zugehörigkeit zu einer gens im antiken Rom lässt sich u. a. daran erkennen, dass die gens im Namen des Bürgers (im nomen gentile) und der Bürgerin (im praenomen) angeführt ist. gloria: lateinische Bezeichnung für „Ruhm“, „Ehre“. <?page no="80"?> 79 harmonía: altgriechische Bezeichnung für „Einklang“, „Eintracht“, „Ausgeglichenheit”. Historiograph: Das Wort lässt sich aus dem Altgriechischen herleiten und wird mit „Geschichtsschreiber“ übersetzt. Die Verfasser der antiken Geschichtswerke werden von der Forschung als Historiographen bezeichnet. Damit wird der Unterschied zu den (post-)modernen Historiker*innen, die disziplinären Regeln folgen, zum Ausdruck gebracht. homo novus: Als homo novus wurde im antiken Rom ein politischer Newcomer bezeichnet, dessen Vorfahren keine hohen Ämter (z. B. das Konsulat) bekleidet hatten. Zu den bekanntesten homines novi zählten M. Porcius Cato der Ältere, C. Marius sowie M. Tullius Cicero. honos: lateinische Bezeichnung für „Ehre“. imperium: bezeichnet die militärische Befehlsgewalt der höchsten Beamten in Rom (Konsuln, Prätoren, Diktatoren). Interrex: war im antiken Rom ein außerordentlicher Amtsträger. Er wurde aus den Reihen der patrizisichen Senatoren bestellt, wenn beide Konsuln verstorben waren und Nachfolger gewählt werden mussten. Der Interrex hatte die Aufgabe, die Wahlen dafür vorzubereiten und einzuleiten. Die Amtszeit war auf wenige Tage begrenzt. kátharsis: altgriechische Bezeichnung für „Reinigung“, „Sühnung“, „Versöhnung“. manus: Als „schützende, herrschende Hand“ steht manus für ein familienrechtliches Herrschaftsverhältnis, das die Position des pater familias v. a. gegenüber seiner Frau regelte. Für das Machtverhältnis zwischen Ehefrau und Ehemann war es entscheidend, ob die Ehe cum manu oder sine manu geschlossen wurde. mos maiorum: Mit mos maiorum oder auch mores maiorum (Plural) werden die „Sitten der Vorfahren“ bezeichnet, die im antiken Rom von besonderer Bedeutung waren. Dabei handelt es sich um einen nicht schriftlich fixierten Verhaltenskodex, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Nobilität: Fachterminus, mit dem die politische Elite im antiken Rom zur <?page no="81"?> 80 Zeit der Republik bezeichnet wird. Die politische Elite setzte sich aus Vertretern patrizischer und plebejischer Geschlechter zusammen, sie umfasste Personen aus prestigereichen Familien ebenso wie politische Newcomer. oikodespótēs: bezeichnet im antiken Griechenland den „Hausherrn“, der dem Haushalt vorstand. oikonomía: altgriechische Bezeichnung für „Haushaltung“ bzw. für die „Verwaltung des Haushaltes“. oĩkos: altgriechischer Begriff, der mit „Haushalt“ zu übersetzen ist. Der oĩkos ist ein Personenverbund, der den Hausherrn, seine Gattin, ihre Kinder und eventuell aus Sklav*innen umfasste. Oĩkos steht aber auch für den materiellen Haushalt (Haus, Land, Besitztümer). pater familias: bezeichnet im Lateinischen das Oberhaupt der familia. Der pater familias verfügte über die sog. „väterliche Gewalt“ (patria potestas), die das Abhängigkeitsverhältnis der Mitglieder der familia (Ehefrau, Söhne, Töchter, Sklav*innen) zum Familienoberhaupt regelte. patria potestas: bezeichnete im antiken Rom die Rechtsgewalt des Familienoberhauptes (pater familias) über die Mitglieder der familia. phrónēsis: altgriechisches Wort für „Klugheit“, „Verstand“. pólis: altgriechische Bezeichnung für jenen politischen Verbund, in dem die Bürgerschaft (=-waffenfähige Männer aus der Bürgerschicht) wichtige politische und soziale Entscheidungen für die Gemeinschaft traf. Jede pólis verfügte über drei zentrale politische Säulen: eine Versammlung der Bürger, einen Rat der Ältesten sowie Ämter. Bestellung, Funktion, Dauer und Verschränkung der drei politischen Einrichtungen waren klar geregelt. princeps senatus: Dienstältester patrizischer Senator, der für gewöhnlich ein ehemaliger Konsul oder Zensor war, und der als erster im Senat sprechen durfte. Diese Position, die mit großem Ansehen (auctoritas) verknüpft war, wurde besonders geachteten Männern zuteil. Es waren die amtierenden Zensoren, die den princeps senatus bestellten. Proskription: kommt von dem lateinischen Verb „proscribere“, was „öffentlich bekanntmachen“ bedeutet und im übertragenen Sinne auch <?page no="82"?> 81 für „Ächtung“ steht. In der römischen Republik kam es zweimal zur Ächtung politischer Gegner, zuerst im Konflikt zwischen C. Marius und L. Cornelius Sulla Felix (Diktator von 82 bis 79 v. u. Z.) und später im Streit zwischen den Triumvirn (M. Antonius, M. Aemilius Lepidus, C. Octavius) und den Caesarmördern. Die Proskriptionen unter den Triumvirn wurden den antiken Quellen zufolge mit einer außergewöhnlichen Brutalität durchgeführt Quelle: Fachterminus zur Bezeichnung jeglicher Hinterlassenschaft aus der Vergangenheit (z. B. Bauwerke, Gegenstände, Inschriften, Texte), die durch die wissenschaftliche Bearbeitung Aufschluss über vergangene Personen, Ereignisse und Verhältnisse geben. res publica: wörtlich „öffentliche Sache“; im übertragenen Sinne die Bezeichnung für die Verfasstheit des römischen Gemeinwesens, das ebenso wie die griechische pólis über Magistraturen, einen Rat der Ältesten und eine Bürgerversammlung verfügte. Römische Namensgebung: Zur Zeit der römischen Republik hatten die Bürger für gewöhnlich einen dreigliedrigen Namen, der aus praenomen (Vorname), nomen gentile (Gentilname) und cognomen (Beiname) bestand. Mitunter gab es auch noch die Beifügungen Maior (der Ältere) und Minor (der Jüngere). Die Frauen aus der Bürgerschicht verfügten im Wesentlichen über einen Vornamen, der sich vom Gentilnamen des Vaters herleiten ließ (z. B. Iulia, Tochter des C. Julius Caesar). Gab es in einer Familie mehrere Töchter dienten Beifügungen wie Maior (die Ältere) und Minor (die Jüngere) oder wie Prima (die Erste), Secunda (die Zweite), Tertia (die Dritte) zur Unterscheidung der Töchter. sōphrosýnē: altgriechische Bezeichnung für „Besonnenheit“, „Gelassenheit“. thymós: altgriechische Bezeichnung für „Leidenschaft“, „Verlangen“ und für „Lebenskraft“, „Leben“. Triumvirat: bezeichnet das von der römischen Bürgerversammlung im Jahre 43 v. u. Z. legitimierte Bündnis zwischen den drei Politikern M. Antonius, M. Aemilius Lepidus und C. Octavius, dem späteren Augustus. Die drei Bündnispartner werden in den antiken Texten und <?page no="83"?> 82 Inschriften als „tresviri“ oder „triumviri“ bezeichnet, die den speziellen Auftrag zur Wiederherstellung der Republik („rei publicae constituendae“) hatten. tutor: bezeichnet im Lateinischen den „Vormund“. Er wurde unmündigen Personen zur Seite gestellt, um deren Interessen öffentlich zu vertreten bzw. auch deren Besitztümer rechtmäßig zu verwalten. Als Vormund konnten nur Bürger fungieren. Frauen benötigten einen Vormund, wenn sie keiner patria potestas unterstanden. virtus: ist ein lateinisches Wort und bezeichnet zunächst die „Mannhaftigkeit“ als eine explizit auf den Mann / Bürger konzentrierte und positiv konnotierte Haltung, die vor allem im Krieg und in der Politik eingenommen werden musste. Im Laufe der Zeit wurde virtus zur „Tugend“ in einem allgemeinen Sinn, über die auch Frauen verfügen können. 6.8 Abkürzungen Römische Vornamen (praenomina), männlich: Es sind hier die Kürzel jener Vornamen aufgelöst, die im Text vorkommen. C. Gaius L. Lucius M. Marcus P. Publius Q. Quintus Tib. Tiberius <?page no="84"?> 83 Antike Autoren und Werktitel Die Namen antiker Autor*innen sowie deren Werke werden in der altertumswissenschaftlichen Forschung mit Kürzeln angeführt. Die hier verwendeten Abkürzungen richten sich nach dem Standardwerk Der Neue Pauly (Band 3, 1997). App. civ. Appian, bella civilia Aristot. pol. Aristoteles, politica Cass. Dio Cassius Dio Cic. Cicero ad Q. fr. epistulae ad Quintum fratrem Brut. Brutus fam. epistulae ad familiares Lael. Laelius de amicitia leg. de legibus Tusc. Tusculanae disputationes Iambl. v. P. Iamblichos, de vita Pythagorica Iuv. Iuvenalis, saturae Liv. Livius, ab urbe condita Plin. epist. Plinius minor, epistulae Plut. 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Der Band skizziert antike Geschlechterverhältnisse anhand von drei historischen Beispielen: Er diskutiert die Position der Ehefrau im griechischen Haushalt, geht der Frage nach der „idealen“ Männlichkeit in Rom nach und beleuchtet das öŠentliche Auftreten einer Römerin in einer politischen Ausnahmesituation. W W W . N A R R . D E