eJournals Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik 33/1

Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik
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0171-5410
2941-0762
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2008
331 Kettemann

Gabriele Linke, Populärliteratur als kulturelles Gedächtnis: Eine vergleichende Studie zu zeitgenössischen britischen und amerikanischen popular romances der Verlagsgruppe Harlequin Mills & Boon.

61
2008
Eva Kuntschner
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Rezensionen 168 Sinclair, John McH. (ed.) (2004). How to Use Corpora in Language Teaching. Amsterdam: John Benjamins. Ute Römer Leibniz Universität Hannover Englisches Seminar Gabriele Link e , Populärliteratur als kulturelles Gedächtnis: Eine vergleichende Studie zu zeitgenössischen britischen und amerikanischen popular romances der Verlagsgruppe Harlequin Mills & Boon. (American Studies, 104). Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2003. Eva Kuntschner In dieser umfassenden vergleichenden Studie beschäftigt sich Linke mit einem populärkulturellen Phänomen, dessen Erforschung nach Ansicht der Autorin in der Vergangenheit durch “die Fixierung auf ästhetische oder ideologiekritische Wertungen” (7) geprägt war. Linke versucht, dem mit einem “neue[n] Ansatz in der Trivialliteraturbzw. Populärliteraturforschung aus der Sicht anglistischer und amerikanistischer Kulturwissenschaft in Deutschland” (7) zu begegnen. Die Einbeziehung eines kulturwissenschaftlichen Ansatzes in der Form einer Theorie von Literatur als kulturellem Gedächtnis soll dabei helfen, ebendiese Fixierung, “von der die deutsche Forschung zu diesem Gegenstand in der Vergangenheit geprägt wurde” (7), zu durchbrechen. Dieses Konzept, das in der Kulturgeschichte als “institutionalisierte Kommunikationsform […], durch die vorrangig ‘schicksalhafte Ereignisse der Vergangenheit’ (Assmann 1988: 12) wachgehalten werden” (15), definiert wird, wird von Linke hierbei dazu verwendet, die so genannten popular romances der Verlagsgruppe Harlequin Mills & Boon sowohl einem transatlantischen Vergleich als auch einer Analyse bezüglich der Darstellung und Verwendung der darin vorkommenden Kulturthemen und Mythen - wie z.B. “Das Fremde” (89), “Koloniales” (93) oder “Klassenbewusste und klassenlose Gesellschaft” (158) - zu unterziehen. Hierbei geht Linke davon aus, dass “popular romances Texte [sind], die objektivierte Kultur darstellen und Wissensbestände vermitteln, die zum kollektiven Wissen einer Gruppe gehören und Identität stiften, die Handeln und Erleben steuern und über Generationen weitergegeben werden.” (16) Potentiellen Einwänden der Überbewertung des Stellenwerts von so genannter ‘Trivialliteratur’ in einem kulturellen Diskurs wird durch das exemplarische Heranziehen von Leserinnenbriefen aus der Verlagszeitschrift Harlequin Magazine entgegengetreten, die den kulturellen Stellenwert dieser Art von Literatur belegen: “I have three children, and I am trying to teach them that between a man and a woman in love the real side of real love is beautiful and normal and healthy. […] I feel that in no way was that book [ein Roman the Harlequin Mills & Boon Autorin Anne AAA Band 33 (2008), Heft 1 Rezensionen 169 Mather, Anm. E.K.] against the code I am trying to teach my children. […] In fact, I can’t wait for my eldest daughter to grow up a little more and start reading my collection of Harlequin.” (19) Solche und ähnliche Aussagen von Leserinnen beweisen, wie zentral die Rezeption von popular romances in Bezug auf die Diskursbildung bei gesellschaftlich relevanten Themen wie z.B. Sexualität oder ‘die Beziehungen zwischen den Geschlechtern’ zu sein scheint. Was hier auffällt ist die hauptsächliche Beschränkung auf heteronormative Lebenskonzepte, sowohl in den Primärtexten als auch in der Auswahl der untersuchten Themen in diesem Zusammenhang. Mag dies einerseits der Häufigkeit des Vorkommens ‘anderer’ Konzepte in den ausgewählten Romanzen entsprechen (popular romances für und über z.B. Schwule und Lesben existieren als Sub-Genres in eigenen romance-Linien), so wäre eine genauere Abgrenzung des Themas in diesem Fall wünschenswert gewesen. Linkes Fokus richtet sich in dieser Studie allerdings dezidierter Weise auf andere kulturwissenschaftliche Themen. Besonders interessant sind die Vergleiche zwischen britischen und amerikanischen Darstellungsformen in Bezug auf Konzepte wie z.B. Kolonialismus. So stellt sich beim Vergleich von popular romances aus den USA und Großbritannien u.a. heraus, dass die Verortung der Auseinandersetzung mit “nichtweißen Anderen” (93) eine sehr unterschiedliche ist. Die sich selbst als in einer multikulturellen Gesellschaft lebend definierenden amerikanischen Autorinnen empfinden ‘Nicht-Weiße’ als Teil ihrer Kultur und lassen ergo die Begegnung ihrer (meist) weißen Heldinnen mit ‘nicht-weißen’ Helden im eigenen Land stattfinden. Britische romances hingegen sehen sich noch fest in der Tradition des britischen Kolonialreichs, wo ‘nicht-weiß’ als Synonym für ‘außerhalb Großbritanniens’ verstanden wird. (93) Durch die vergleichenden Analyse von britischen und amerikanischen popular romances stellt Linke in diesem Zusammenhang fest, dass Autorinnen beider Nationalitäten “ähnliche Strategien des Erinnerns” (347) anwenden, wobei hier auffällt, dass der kleinste gemeinsame Nenner jener der Ambiguität zu sein scheint. So meint auch Linke: “Die ideologische Ambiguität des romance-Genres macht Verallgemeinerungen über eine ideologische Richtung oder eine bestimmte Weltsicht des Genres als Ganzes unmöglich; sie wird sowohl durch die Verschiedenheit der romances als auch durch das Nebeneinander widersprüchlicher Werte in der einzelnen romance erzielt.” (347) Doch genau diese Feststellung macht Linkes Ansatz nachvollziehbar: Ebenso wie im individuellen Gedächtnis gibt es also anscheinend auch im kulturellen Gedächtnis ein Nebeneinander von Widersprüchlichkeiten, die in ihrer potentiellen Unlösbarkeit den Reiz des (kulturellen) Erinnerns ausmachen. Eva Kuntschner Universität Graz Institut für Amerikanistik