Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik
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0171-5410
2941-0762
Narr Verlag Tübingen
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KettemannElke Huwiler, Erzählströme im Hörspiel. Zur Narratologie der elektroakustischen Kunst.
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Doris Mader
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Rezensionen 187 Elke Huwiler, Erzählströme im Hörspiel. Zur Narratologie der elektroakustischen Kunst. (EXPLICATIO. Analytische Studien zur Literatur und Literaturwissenschaft). Paderborn: mentis, 2005 Doris Mader Die Literaturwissenschaft der letzten Dekade(n) hat sich in beeindruckend vielfältiger Weise neuen Herausforderungen gestellt und dabei den Ort und das ‘Wesen’ des Literarischen neu perspektiviert. Das hat einerseits dazu geführt, dass literaturwissenschaftliche Konzepte in andere Bereiche migriert sind, andererseits wurde der Gegenstandsbereich der Literaturwissenschaft neu verhandelt. Ein besonders beachtetes Verdienst trifft dabei jene Arbeiten, die den ‘intermedial’ bzw. ‘narrative turn’ initiiert und weitergetrieben haben. Elke Huwiler kann mit der von ihr 2004 vorgelegten und 2005 publizierten Dissertation Erzählströme im Hörspiel. Zur Narratologie der elektroakustischen Kunst für sich beanspruchen, an beiden dieser Schrauben gedreht zu haben, sowohl im innovativen als auch im bewahrenden Sinn. Insofern, als sie sich der bislang wenig beachteten “Hörspiel-Adaptation nach literarischen Vorlagen” (26) annimmt, schließt sie nicht nur eine wohl erkannte Lücke in der Forschung, sondern begradigt gleichzeitig auch die gängige Praxis, diese radiophonen Adaptationen anders - und als noch randständiger - zu behandeln denn sogenannte ‘Originalhörspiele’. Ein Offert von Verf. an die wissenschaftlich ausgerichteten Rezipientinnen und Rezipienten von Audioliteratur ist der Versuch einer Anwendung narratologischer und zusätzlich intermedialer Kategorien auf dieses Genre. Dem Desiderat einer stärkeren Berücksichtigung der akustischen Literatur in den Feldern der Intermedialität und der Erzählforschung sucht Verf. in den Großkapiteln zu den “Theoretische[n] Grundlagen” (53ff.), zur “Analyse der narrativen Komponenten” (95ff.) und zu den “Beispielen der Adaptationsanalyse” (227ff.) nachzukommen. In diesem letzten und entscheidenden Abschnitt schlägt Verf. eine sehr diskussionswürdige abgestufte Differenzierung zwischen Übertragung bzw. Bearbeitung, medialer Bearbeitung sowie medialer Transposition vor. Verf. folgt mit ihrem Band somit dem seit längerem bestehenden Ruf nach einer Einbindung der Audioliteratur in die intermedial ausgerichtete Literaturwissenschaft, indem sie sich - wie ganz wenige sonst - der schwierigen Anstrengung der Beschaffung und der mühevollen Arbeit von Audiotexttranskriptionen deutschsprachiger Hörspiele unterzieht. Ihr mit größter Sorgfalt edierter Band besticht denn auch vor allem mit seinen textnahen, strikt funktionalen und äußerst gekonnt durchgeführten Einzelanalysen. Verf. legt eine “textanalytische, narratologisch ausgerichtete Untersuchung” (57) von Hörspieladaptationen vor, mit dem Ziel, aufzuzeigen, wie “narrative Strukturen in das Hörspiel eingeschrieben werden können” und “wie folglich narrative Zusammenhänge im akustischen Medium manifestiert werden” (45). Ihr Vermerk, die Studie sei als “ein erster Ansatz zu einer Hörspiel-Narratologie” zu verstehen (46), liest sich indes doppeldeutig: Als Bescheidenheitstopos erscheint er angesichts der unerschrockenen, umfassenden und in weiten Teilen äußerst gelungenen erzähltheoretischen Behandlung von Audiotexten unangebracht, in seiner möglichen chronologisch-historischen Bedeutung jedoch zweifelhaft, wo doch andere, gerade im Feld der Intermedialität, reichlich vorgearbeitet haben. AAA Band 34 (2009), Heft 1 Rezensionen 188 1 zu denen auch anderes als das Format des Hörspiels gezählt werden müsste. Was diese germanistische Arbeit von konventionellen ‘Hörspiel-Studien’ unterscheidet, ist die - wenn auch nicht gänzlich neue, so doch hier konsequent verfolgte - Anwendung von Kategorien der Erzählforschung auf diese Gattung, wiewohl von einem weitgehend unausgesprochen bleibenden impliziten semiotischen Begriff des Narrativen sowie des Zeichens ausgegangen wird. So hebt diese Studie auf eine innerhalb der Literaturwissenschaft und auch der intermedial studies allerdings schon länger eingeforderte und begonnene Narratologisierung in der intermedialen Betrachtung von Künsten und Gattungen - und auch des Hörspiels - ab. Hätte sie - und das ist die primäre Kautel, mit der die Studie versehen werden sollte - einen noch tragfähigeren semiotischen, medien- und intermedialitätsspezifischen Ansatz zu einem breit angelegten Zugriffsmodell synthetisiert, wäre diese Arbeit sogar bahnbrechend im Sinne eines ‘intermedial turn’ und eines ‘narrative turn’ in der Hörspielforschung geworden. Dafür wären freilich die Paradigmen der Semiotik, der Narratologie und der Intermedialität transparenter zu kombinieren und zu integrieren gewesen. Weil eine solch grundsätzliche Basislegung hier eher additiv denn in Kombination erfolgt - so sollen “semiotische Zeichensysteme sowie narrative Komponenten und Funktionen unabhängig voneinander betrachtet” (53) werden -, zeigt sich im Durchgang durch den Theorieteil der Studie das grundsätzliche Problem eines immer wieder kippbildartigen Wechsels der Referenzrahmen. Aufgrund dieser geteilten Anlage ergeben sich in Folge etliche Redundanzen, sodass die Hierarchie in der Präsentation und die vorgenommenen ‘Rahmungen’ die akribische und narratologisch sehr gelungene Analyse von audioliterarischen Einzelwerken in ihrem paradigmatischen Anspruch sozusagen herunterspielen. Ein inhärenter Widerspruch ist bereits den Paratexten der Studie ablesbar, deren Titel “Erzählströme im Hörspiel” innerhalb der Reihe “EXPLICATIO. Analytische Studien zur Literatur und Literaturwissenschaft” mit dem literaturwissenschaftlichen Vorhaben einer “Narratologie des Hörspiels” (Klappentext) zunächst konform geht. Der Studie Untertitel “Zur Narratologie der elektroakustischen Kunst” nun suggeriert aber einen Bezugsrahmen, der begrifflich keinesfalls auf das von Verf. fokussierte Format des ‘Hörspiels’ reduzierbar ist. Abgesehen davon, dass der Terminus ‘elektroakustische Kunst’ Werke rein musikalischer und/ oder akustischer und eben auch nonverbaler bzw. dominant nonverbaler Codierung sowie sämtliche weitere Misch- und Experimentierformen akustischer Kunst bezeichnen kann und eine Einengung auf ‘Hörspiel’ nicht zulässt, ist auch eine solche Erweiterung ohne weiterreichende intermediale Begriffsabklärung nicht statthaft. Der unbestreitbare Vorzug der Arbeit, die eine Brücke zwischen traditioneller Hörspielbetrachtung und intermedialer Narratologie zu schlagen trachtet, liegt in ihrem beachtlichen und vorbildlichen Ergebnisreichtum im Detail der Hörspiel-Einzelanalysen. Wie widerständig sich allerdings das in sich ja schon intermediale Genre ‘Hörspiel’ diesem Brückenschlag zwischen den so unterschiedlichen Zugängen der Semiotik, der Erzählforschung und Hörspielanalyse entgegensetzt, schreibt sich in den Diskurs der Arbeit immer wieder ein. So birgt schon die Einleitung in sich Widersprüchliches, da einerseits die Kritik an der “Marginalisierung” der “ausschließlich auditiven medialen Formen” 1 (9) den Ausgangspunkt der Arbeit bildet, Verf. anderer- Rezensionen 189 seits das Hörspiel, das von der konventionellen Literaturwissenschaft fraglos als literarische Form begriffen werde, “aus dieser selbstverständlichen Klassifizierung” herausheben und es als “eigenständige auditive Kunstform” (ibid.), wie etwa den Film, anerkannt wissen möchte und letztlich somit, weil das Hörspiel “keine literarische Gattung” (10) sei, erneut dem zentralen Fokus der Literaturwissenschaft entziehen will. Dafür, das wirklich leisten zu können, mangelt es jedoch an einem systematischen übergeordneten Zugriff. Schon die gewählte traditionelle Begriffsklärung des Untersuchungsgegenstandes greift hier nämlich zu kurz. Dies liegt nicht primär an der Zuständigkeitsfrage hinsichtlich der beteiligten (bzw. zu beteiligenden) Disziplinen (außer der Literaturwissenschaft wird keine durchgehend bemüht), sondern vielmehr an einer gewissen Brüchigkeit in der hier vorgenommenen semiotischen und intermedialen Fundierung, die dem genuin intermedialen Format des ‘Hörspiels’ im Sinne eines in sich intermedialen Genres nicht wirklich gerecht wird. Die der Studie zugrunde gelegten Untersuchungsobjekte (‘Hörspiele’) sind mit der knappen Einleitung in ihrem phänomenologischen Sosein nur unzureichend erfasst. Denn es bleibt z.T. offen, inwiefern diese Studie nun “auf genau diese Eigenständigkeit des Hörspiels” (9), seine “medienspezifische Ausdrucksweise” (10) fokussiert. Verf. nämlich umkämpft die Begriffsbestimmung des Hörspiels, indem sie die “schriftlich-literarischen Erzeugnisse” vom “Endprodukt Hörspiel” (12) absetzt, doch jenseits der Feststellung, dass “das Hörspiel nicht als Ganzes als literarisch bezeichnet werden kann” (ibid.), wird eine operationalisierbare begriffliche Bestimmung des Forschungsgegenstandes eher vielfach umspielt denn jemals - im intermedialen und semiotischen Sinne - bindend vorgenommen. Während eine “detaillierte semiotische Zeichenanalyse” (57) dezidiert ausgeklammert wird, steht eine “textanalytische, narratologisch ausgerichtete Untersuchung” im Zentrum der Betrachtung, deren “Bezugsrahmen [...] die narratologische Textanalyse” (56) abgibt. Wenn aber “Literatur und Hörspiel als zwei differente Kunstformen zu betrachten” (53) sind, müsste der Begriff des ‘Textes’ für diesen spezifischen intermedialen Kontext gesondert eingeführt werden. Die genannte Brüchigkeit setzt sich auch in den weiteren ‘Rahmungen’ fort, die in den einzelnen Kapiteln und Subkapiteln abgesteckt werden, v.a. dort, wo in durchaus problematischer Hierarchisierung die Ebene der “Semiotik” (Kap. 2.1) als eigene Kategorie parallel zur “Narratologie” (Kap. 2.2) geführt wird, der zudem die “Narratologie intermedial” (Kap. 2.2.1) subkategorisiert wird. Die Abtrennung der “Analyse der narrativen Komponenten” (Kap. 3) von dem (auf Schmedes aufbauenden) Subkapitel zur “Semiotik”, dem Kurzkapitel “Narratologie” und dem noch kleineren Abschnitt zur “Narratologie intermedial” spiegelt diese nicht überwundene Unentschlossenheit wider, zumal als “methodischer Schwerpunkt”, so betont Verf., gerade “die Narratologie die Analyse der vorliegenden Hörspieladaptationen” (70) bestimme. Auf textueller Ebene zeigt sich diese konzeptuelle Oszillation in leicht missverständlichen Formulierungen, wie z.B. der, dass die Einzelanalysen dazu dienten aufzuzeigen, “wie narrative Phänomene im akustischen Medium adäquat beschrieben und analysiert werden können” (46). Des Weiteren betrifft die Brüchigkeit auch die Begründung der Auswahl des Textkorpus. So bestreitet Verf. zu Recht die grundsätzliche Sinnhaftigkeit einer Differenzierung zwischen Originalhörwerk und Adaptation für die Untersuchung des Erzählens im Hörspiel, widmet dann ihr Augenmerk jedoch ausschließlich einem Rezensionen 190 Textkorpus von über sechzig deutschen Hörspieladaptationen, sodass die Infragestellung der Unterscheidung im Rahmen der Arbeit funktionslos bleibt. Ebenso bleibt der “sehr weite[] Narratologiebegriff” (42), der auch auf Dramen auszudehnen sei (vgl. ibid.) in diesem Sinn ungenutzt, wenn die Untersuchung sich auf “Schrifttexte der sogenannten epischen Literatur” (43) und deren Adaptationen beschränkt. Zudem besteht eine Gemeinsamkeit der behandelten Texte darin, dass die Adaptationen jeweils von den Autorinnen und Autoren des Ausgangsmaterials besorgt wurden. Die (zuvor) betonte grundsätzliche “Vielautorschaft” des Hörspiels als “Medienproduktion” (50) lässt auch diese Korpusabgrenzung nicht unbedingt als für den Vergleich nötig erscheinen, es sei denn, man zielt auch auf die produktionsseitige Autorintention ab, was jedoch nicht geschieht. Denn just der “Prozess der Umformung, der medial adäquaten Adaptation in Bezug auf das elektroakustische End-Medium” (27) an sich steht für Verf. im Mittelpunkt. Dieses Vorhaben jedoch schreit förmlich nach einem theoretischen intermedialen Zugang, der allerdings nur angedeutet wird, und zwar an jener Stelle, wo - ebenfalls problematischerweise - der narratologische Ansatz auf ein späteres Kapitel verschoben wird: “In der vorliegenden Studie geht es vor allem um Narratologie im Hinblick auf intermedial [! ] beobachtbare Ausdrucksformen des Erzählens” (13). Gerade die “medienspezifische Ausdrucksweise” (10) wird indessen nicht explizit ins Zentrum der Betrachtung gerückt, wenn erstens das Hörspiel nur gattungsmäßig als eigenes - nun doch ‘literaturwissenschaftliches’? - Betrachtungsobjekt beschrieben wird, zweitens die Studie sich den ‘sekundären’ Manifestationen, d.h. den ‘literarischen Textsubstraten’ ursprünglich zur Ausstrahlung bestimmter Audiotexte, zuwendet und drittens der dem ‘Hörspiel’ eigenen intermedialen Qualität (nämlich ein internes intermediales Kompositgenre zu sein) begrifflich und sodann im Durchgang der Analysen zu wenig Rechnung getragen wird. Obwohl Verf. zu Gunsten der Frage nach der ‘Medienadäquatheit’ sinnvollerweise mit dem puristischen Vorurteil aufräumt, nur ein ‘originäres’ Hörspiel könne ein wirkliches Hörspiel sein (vgl. 28), konterkariert sie z.T. selbst die Vorannahme einer Gleichheit zwischen Originalwerk und Adaptation. Denn sie untersucht, “wie sich die Geschichte [! ] des Schrifttextes als solche für [! ] ein Hörspiel transformieren lässt” (40). Zudem fokussiert sie für ihre Analyse der ‘Erzählströme’ gerade die Veränderungen zwischen dem ursprünglich textuellen Substrat und der fürs und im Radio realisierten Form, sodass ihr Blickwinkel im Grunde vom Paradigma der Intertextualität (wenn dies auch nirgendwo expliziert wird) bestimmt ist und darüber hinaus (und was davon unbedingt zu unterscheiden wäre) auf die Frage der intermedialen Transposition abzielt. Verf. wählt somit, allerdings ohne dies konkret auszuführen, einen doppelt intermedialen Ansatz, nämlich zum einen, indem sie die “Ausdrucksmittel aufzuzeigen” versucht, “die der akustischen Kunst [! ] bei der Etablierung und Manifestation einer ‘Narration’ zur Verfügung” (15) stehen. Zum anderen bemüht sie implizit die Kategorie der ‘intermedialen Transposition’, wenn “Hörspiel-Adaptationen schriftlich-literarischer Texte mit eben diesen Vorlagen” (16) verglichen werden. Last but not least wird die so grundsätzlich betonte Anwendung der Narratologie auf das Hörspiel mit einem kurzen Kapitel zur “Narratologie intermedial” (75-81) als theoretische Voraussetzung dem späteren Großkapitel “Narrative Komponenten” (95-226) anheimgestellt. Weder der rote Faden des für dieses Genre unabdingbaren intermedialen Zugriffs ist durchgängig, noch beruhen die - in sich durchaus akribisch Rezensionen 191 2 Wenn nicht genuin intermedial gearbeitet wird, so erübrigen sich auch die intermedialen Vergleichsparameter, und das Argument verläuft im Kreis. Oder anders formuliert: Wird hier ohne Notwendigkeit der narratologische Ansatz mit Rekurs auf die ‘episch narrativen’ Vorlagentexte und die Literaturwissenschaft als zuständige Kerndisziplin legitimiert? durchgeführten - einzelnen Kapitel auf einem einheitlichen theoretischen Fundament. Folglich wird - ausgehend von der Anwendung literaturwissenschaftlicher Erzählanalyse Genette’scher Prägung auf das Hörspiel - das weitgehend prognostizierbare (und die Arbeit im Sinne einer Voraussetzung bereits einleitende) Ergebnis erzielt, dass “vom erzähltheoretischen Standpunkt aus [...] an der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Adaptationen und sogenannten Original-Hörspielen” (Klappentext) nicht festzuhalten sei. 2 Dabei bleibt ein genuines Merkmal des ‘Hörspiels’ zu wenig betont und genutzt: Weil stets eine Vorlage (ein Skript, eine ‘Partitur’) dem Endprodukt vorgelagert ist, haftet dem ‘Hörspiel’ oder der ‘Radioliteratur’ schon dadurch (wie dem Drama die Plurimedialität) eine Doppelnatur im Sinne einer Performanz, wenn nicht auch im Sinne der Intermedialität an. Tritt die ‘intermediale Transposition’ von publizierter Buchform zu Audiowerk hinzu, so ergeben sich für eine ‘intermediale’ Untersuchung des Genres bereits zwei unterschiedliche Prozesse der Transposition, die die jeweiligen Konzepte oder Konzeptkonfigurationen der ‘Vorlage’ zu durchlaufen haben. Dieser Umstand wird in der vorliegenden Arbeit theoretisch ausgeklammert. Als ausschlaggebendes Kriterium für den Grad der Medialität und somit für die Zugehörigkeit zu einer der jeweiligen Adaptationsformen gelten die An- oder Abwesenheit von - “bezogen auf das Medium Tonträger” (227) - “spezifisch medialen Ausdrucksformen zur Manifestation narrativer Zusammenhänge” (241) bzw. “neue narrative Zusammenhänge” (228), was hinsichtlich der Medienadäquatheit bzw. des Ausschöpfens audioliterarischer Möglichkeiten durchaus überzeugt. Hier ist m.E. ein substanzieller Beitrag zur Frage der Bewertung der ‘Radiogenität’ geleistet. Vom narratologischen Standpunkt aus betrachtet findet sich gerade im Kernstück dieser Arbeit jedoch erneut eine hierarchisch problematische Vorgangsweise: Das Interesse daran, “wie sich Narrativität” im Hörspiel “manifestiert” (224), wird nämlich mit zu wenig präzisen narratologischen Grenzziehungen und Differenzierungen versehen und ruht auf einer zu unbestimmten semiotischen Unterfütterung auf. Leerstellen finden sich auch im Bereich dessen, was auf der Inhaltsebene typisch narrativ ist, und die vorrangig über die Vermittlungsebene bestimmten ‘narrativen Komponenten’ überschneiden sich partiell mit den zu vage bestimmten ‘narrativen Zusammenhängen’. Trotz dieser Einwände sollte das grundsätzliche Verdienst der Arbeit nicht geschmälert werden, das darin liegt, sich narratologisch einer üblicherweise eher als dem Dramatischen und dem Theater abgemietet eingestuften intermedialen literarischen Kunstform anzunähern und audioliterarischen Texten angemessene Aufmerksamkeit zu schenken. Gerade da, wo das Erzählen in einer intermedialen Gattung in den Vordergrund gestellt wird, hätte sich freilich eine Problematisierung des herkömmlichen Begriffs ‘Hörspiel’ empfohlen. Die Textzentriertheit, unter deren Zeichen diese narratologische Aufbereitung von Hörspiel-Adaptationen steht, ist indes zugleich ihre Stärke und ihre Schwäche. Ihre Stärke, weil sie so auf traditionellen literaturwissenschaftlichen Kategorien fußt und zur willkommenen ‘narratologischen Rezensionen 192 Wende’ in der Betrachtung der Radioliteratur beiträgt. Umgekehrt schafft diese Textzentriertheit jedoch auch den Nachteil, dass innerhalb des narratologischen Unterfangens das Medium ‘Hörspiel’ selbst, und zwar in seiner intermedialen Dimension als Kompositmedium und in seiner Bedingtheit durch sein Vermittlungsmedium, das “Unterhaltungsmedium Radio” und das “Speichermedium Tonträger” (9), gegen die ursprünglichen - intermedialen - Intentionen der Verf. Gefahr läuft, im buchstäblichen Sinne womöglich re-‘literarisiert’ bzw. re-‘philologisiert’ zu werden. Immerhin aber, und das kann nicht hoch genug geschätzt werden, hat Verf. mit ihrer hochaufwändigen und spürbar von Engagement und Enthusiasmus getragenen Untersuchung einen attraktiven Ausgangspunkt für eine angeregte Debatte im audiophilen Flügel der Literaturwissenschaft und der Intermedialität geschaffen. Nicht nur dafür gebührt ihr große Anerkennung. Doris Mader Institut für Anglistik Universität Graz Renate Brosch, Short Story. Textsorte und Leseerfahrung. Trier: WVT, 2007. Arno Löffler Der Umschlagtext verspricht eine neuartige Annäherung an die Short Story. Im Unterschied zu gattungstheoretischen Ansätzen oder zur Analyse textueller Strukturen fasst dieses Buch eine am Leseerlebnis orientierte Verfahrensweise ins Auge und versucht, auf diese Weise die Short Story als Textsorte gegen längere Erzählformen, vor allem den Roman, abzugrenzen. Wenn auch Renate Brosch (in der Folge: Vf.) im Vorspann mit sympathischer Direktheit eingesteht, dass die Fertigstellung des Bandes für sie eine Befreiung “von der quälend langsamen Arbeit an diesem Text” bedeutete, so lässt sie es doch leider offen, ob bzw. wieweit ihre schriftstellerischen Qualen (mit)bedingt waren durch Probleme, die das thematische Konzept oder auch der methodische Ansatz des Buchs mit sich brachten. Die Untersuchung, die ausschließlich englischsprachige Short Stories berücksichtigt, beruht auf der Erkenntnis, “dass Bedeutung nicht in Texten enthalten ist, sondern dass sie in einem Prozess der Interaktion zustande kommt, der sowohl vom Text strukturiert wie auch durch Reaktionen der Leser realisiert wird” (S. 12). Vf. setzt es sich zur Aufgabe, in ihrer “responsorientierte[n] Betrachtung pragmatischer vor[zu]gehen als die um historisch korrekte Exegese bemühte ältere Rezeptionsästhetik” (S. 12). Sie kann ihr Versprechen freilich nur in begrenztem Umfang einlösen, weil für sie der tatsächliche Leserrespons nicht greifbar ist und sie ausschließlich auf die Auseinandersetzung mit den Texten angewiesen ist. Auf erzähltheoretischer Grundlage analysiert Vf. textuelle Eigenschaften und textuelle Strategien, die die Interaktion von Text und Leser stimulieren und steuern, AAA Band 34 (2009), Heft 1
