Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik
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0171-5410
2941-0762
Narr Verlag Tübingen
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KettemannChrista Jansohn, Eta Harich-Schneider: Die Sonette William Shakespeares und die Lyrik der ‘Rekusanten’. Erlebnisse und Übersetzungen einer reisenden Musikerin: 1941-1982.
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Wolfgang Riehle
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Rezensionen AAA Band 37 (2011) Heft 1 122 the history of Canadian literature which has long waited to be given the attention it deserves. The author’s lucid discussion of her material and readerfriendly style (plus useful index) will undoubtedly make the study a valuable source of information and inspiration for further research in the field. Maria Löschnigg Institut für Anglistik Karl-Franzens-Universität Graz Christa Jansohn, Eta Harich-Schneider: Die Sonette William Shakespeares und die Lyrik der ‘Rekusanten’. Erlebnisse und Übersetzungen einer reisenden Musikerin: 1941-1982. (Studien zur englischen Literatur 25). Berlin: L IT , 2011. Wolfgang Riehle Ihre neue wissenschaftliche Monografie widmet Christa Jansohn der international einst hoch angesehenen, heute jedoch in Vergessenheit geratenen Künstlerin, wissenschaftlichen Autorin und Übersetzerin Eta Harich-Schneider, die von 1933 (seit 1935 als Professorin) bis 1940 an der Hochschule für Musik in Berlin wirkte. Sie leitete beispielsweise Klassen für Cembalo und Kammermusik des Barock und hielt insbesondere Vorlesungen über Stilkunde, in denen es ihr um die “enge Verbindung zwischen Literatur und Musik” ging (S. 20). Durch die NS-Zeit fühlte sie sich aber auch zu politischem Widerstand gegen das Nazi-Regime herausgefordert, indem sie sich besonders für ihre jüdischen Schüler/ innen und ihre jüdische Lehrerin Wanda Landowska einsetzte. Es blieb nicht aus, dass sie als ‘judenhörig’ und ‘politisch-katholisch’ eingestuft und zur Feindin der Partei erklärt wurde. Diese Einstufung in Verbindung mit verbreitetem Neid wegen ihrer künstlerischen Erfolge veranlasste die Berliner Musikhochschule schließlich zu ihrer Kündigung. Als großer Kennerin japanischer Musik erhielt sie danach ein Angebot zu einer japanischen Konzertreise (mit eigenem Cembalo). Durch die weiteren Zeitläufte sollte sich diese Reise zu einem Japanaufenthalt bis 1949 ausdehnen, und erst nach einigen in den USA verbrachten Jahren erhielt sie eine Stelle an der Musikhochschule in Wien, die sie bis zu ihrer Pensionierung innehatte. In Wien ist sie 1986 mit 92 Jahren gestorben. Harich-Schneider war nicht nur eine mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnete Cembalistin, sondern auch eine vorzügliche Kennerin japanischer Musik. Ihr 1973 bei Oxford University Press erschienenes Buch A History of Japanese Music gilt noch heute als Standardwerk. Mit dieser Kompetenz hat Rezensionen AAA Band 37 (2011) Heft 1 123 sich die Künstlerin erfolgreich um eine Förderung des europäischen Verständnisses japanischer Musik bemüht. Überhaupt war es ihr ein wesentliches Anliegen, für kulturelle Vermittlung zu wirken. Stark ausgeprägt war bei ihr auch das Interesse an den Wechselbeziehungen zwischen Kunst und Literatur. So führte sie ihr Weg zum Cembalo, wie sie selbst sagt, über die Literatur. Und gerade in diesem Zusammenhang sind ihre literarischen Übersetzungen zu sehen, die somit auch einen eigenen Forschungsgegenstand der Anglistik bilden. Harich-Schneider gehört zu den zahlreichen Menschen, für die Shakespeares Sonette eine lebensbegleitende Bedeutung haben. Daraus ergab sich für Jansohn die lohnende Aufgabe, Harich-Schneiders Übersetzungen in ihrer Biografie zu verorten. In äußerst gründlichen Recherchen, die bereits in der Einleitung des Buches begonnen werden und dann eine große Dokumentation ergeben, untersucht Jansohn die verschiedensten zur Verfügung stehenden Quellen, wie Harich-Schneiders ausgedehnten Briefwechsel (besonders mit der eigenen Tochter und mit Verlagen), ihre Tagebücher und Memoiren, vor allem aber den Nachlass in der Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Mit diesem Aufwand gelingt es der Vf., “ein genaueres Bild der gesellschaftlichen, privaten wie auch der politischen, kirchlichen und kulturellen Atmosphäre”, in der diese Übersetzungsarbeit geleistet wurde, zu vermitteln (S. 13f.). Die Sonett-Übertragungen dieser Künstlerin, die nur ein einziges Mal - und zwar in China - veröffentlicht worden waren, hat nun Jansohn historisch-kritisch und gut zugänglich ediert. Man merkt Harich-Schneiders Übertragungen der Shakespeare-Sonette die persönlich-existentielle Ergriffenheit an, mit der sie diese geschaffen hat, und dass sie deshalb versuchte, ihre Wirkung auch in der deutschen Übersetzung zu vermitteln. Sie wollte die zahlreichen bereits existierenden Nachdichtungen der Shakespeare-Sonette, von denen bis dahin nur fünf aus weiblicher Feder stammten, übertreffen und Jansohn zeigt, wie es sich Harich-Schneider zur Aufgabe setzte, durch ihre weibliche, künstlerische Sensibilität und ihr Einfühlungsvermögen noch größere Nähe zum Original zu erreichen. Unschwer lässt sich erkennen, wie speziell die hohe Musikalität dieser Cembalistin auch der Praxis ihrer Übersetzungsarbeit zugute kommt. Die Tatsache, dass bei ihr literarische Ambition und künstlerische Praxis zusammenfallen, darf somit als ein außerordentlicher Glücksfall gewertet werden, auch wenn diese Übertragungen nicht immer perfekt und über jede Kritik erhaben sind. Harich-Schneider hat sich indes nicht nur Shakespeares Sonetten zugewendet, sie hat auch lyrische Texte englischer Dichter, die nach der Reformation nicht dazu bereit waren, ihren katholischen Glauben aufzugeben, übersetzt und mit ausführlichen Kommentaren versehen. Das 1945 abgeschlossene Manuskript zu diesem Buch über die ‘recusant poets’ mit dem Titel: “Die den Eid verweigerten. Katholische Dichter Englands aus der Zeit der Reformation (Recusant Poets): Eine Studie des Umfangs menschlicher Widerstandskraft” konnte leider nie veröffentlicht werden. Jansohn hat das Werk nun im letzten Teil ihres Buches mit allen Textstadien und Versionen kritisch ediert. Sie fügt die englischen Original-Texte aus der Sammlung “Recusant Poets” von Louise Rezensionen AAA Band 37 (2011) Heft 1 124 Imogen Guiney hinzu, auf die sich Harich-Schneider gestützt hatte, wodurch der Leser die Möglichkeit hat, auch diesmal ihre Übersetzungskunst selbst zu überprüfen. Diese Texte waren im Übrigen noch nie ins Deutsche übersetzt worden. Was aber hatte die Künstlerin dazu bewogen, diese Lyrik einer deutschsprachigen Leserschaft nahezubringen? Ein wesentlicher Grund lag sicher darin, dass sie eine gewisse Verwandtschaft mit jenen Menschen erkannte, die sich in der Shakespearezeit dem Verbot des Beharrens auf eigener Glaubensüberzeugung widersetzten; denn einen Widerstandsgeist besaß auch sie, mit dem sie den politischen Strömungen der eigenen NS- Zeit begegnete. 1 Mit ihrer überaus reich dokumentierten Untersuchung zeichnet Jansohn aber nicht nur das Bild einer großen Künstlerin, sondern zugleich auch einer interessanten, schillernden Persönlichkeit, die etwa kurzzeitig mit dem Sowjet-Spion Richard Sorge und später, sehr überraschend, mit einem Leutnant der Waffen-SS liiert war, und die schließlich in ihrem biografischen Werk auch nicht vor Unwahrheiten und bewussten Fiktionalisierungen zurückschreckte, wenn es um ihre Selbststilisierung ging. Die in diesem Buch vorgelegte, ausführliche Dokumentation kann somit auch zu Recht beanspruchen, “ein Stück gelebter Zeitgeschichte” zu sein. Wolfgang Riehle Institut für Anglistik Karl-Franzens-Universität Graz 1 Es ist freilich schade, dass die von Harich-Schneider benutzte Anthologie von Louise Imogen Guiney nur Gedichte von Männern enthält, gibt es doch auch eine beträchtliche weibliche Rekusantenliteratur, wie das neuere Buch von Dorothy L. Latz zeigt: Glow-worm light. Writings of 17th century English recusant women from original manuscripts (Salzburg: Institut für Anglistik und Amerikanistik, 1989). Lange in Vergessenheit geratener Rekusantenliteratur hat sich die Wissenschaft überhaupt erst neuerdings zugewandt, vgl. dazu etwa auch die diesbezügliche Studie von Dorothy L. Latz: Neglected English Literature. Recusant Writings of the 16th-17th Centuries (1997).