Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik
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Narr Verlag Tübingen
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KettemannAnne-Kathrin Hillenbach, Literatur und Fotografie. Analyse eines intermedialen Verhältnisses. Bielefeld: Transcript, 2012.
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Jeff Thoss
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Rezensionen AAA Band 38 (2013) Heft 1 96 Anne-Kathrin Hillenbach, Literatur und Fotografie. Analyse eines intermedialen Verhältnisses. Bielefeld: Transcript, 2012. Jeff Thoss Intermedialität dürfte seit über einem Jahrzehnt kaum mehr zu denRandgebieten der Literaturwissenschaft zählen. Die Komparatistin Anne-Kathrin Hillenbach setzt sich in dieser Monographie, die zugleich ihre Dissertation an der Universität Gießen darstellt, mit einem der Kerngebiete der Intermedialität auseinander, den Text-Bild-Beziehungen - genauer gesagt, dem Verhältnis und der Verbindung von Literatur und Fotografie. Die Einbettung von Fotografien in literarische Texte wurde in letzter Zeit, etwa am Werk W.G. Sebalds, vielfach untersucht. Allerdings möchte die Autorin hierüber hinausgehen und einen „umfassenden Überblick zu Formen und Funktionen der Kombination aus Literatur und Fotografie“ (24) liefern. Nach einer ausgedehnten Einleitung und einem Kapitel, das Aufschluss über Intermedialitäts- und Fototheorie sowie Hillenbachs eigenen Ansatz gibt, folgt demnach auch ein praktischer Teil, der sowohl Analysen von Erzähltexten, die Fotos beinhalten, wie auch von Fotoromanen, Comics, Fotoserien und Künstlerbüchern bietet. Dabei gelingt es der Autorin sehr schön aufzuzeigen, wie die von ihr ausgewählten Beispiele gängige Unterscheidungen in Bezug auf die Relation zwischen Text und Bild aufgreifen, problematisieren und sich produktiv zu Nutze machen. Kunstwerke, die Literatur und Fotografie kombinieren, so Hillenbachs vielleicht etwas zu verallgemeinernde These, vollziehen implizit auch immer eine mediale Selbstreflexion. Allerdings sind die theoretischen Überlegungen der Verfasserin und der praktische Teil ihres Buches nicht immer optimal aufeinander abgestimmt, und auch die Fallstudien sind untereinander etwas isoliert. Hier hätte man sich eine stringentere und konsistentere Argumentationsführung gewünscht. Die Verfasserin beginnt mit einer Einordnung ihres Gegenstands in die Intermedialitätsforschung und bemerkt zu Recht, dass der Begriff der Medienkombination, unter den sämtliche ihrer Beispiele fallen würde, zu vage ist. Als Erweiterung der Typologien von Irina Rajewsky und Werner Wolf schlägt sie eine Unterscheidung zwischen verdeckter und offener Medienkombination vor. Erstere umfasst Bereiche wie Oper oder Film, die längst nicht mehr als Konvolut distinkter Medien angesehen werden, zweitere schließlich solche Fälle, in denen die Plurimedialität noch augenfällig ist und mit denen sich Hillenbach in ihrer Arbeit beschäftigt. Einer engeren Festlegung des Medienbegriffs geht sie dabei geschickt aus dem Weg. Den Beweis für ihre Behauptung, dass „mediale Selbstreflexivität in der Kombination zweier Medien besser beobachtet werden kann, als wenn der Bezug des einen Mediums auf ein anderes metaphorisch oder durch Verweis hergestellt wird“ (12), bleibt sie allerdings schuldig. Eine Auseinandersetzung mit der Forschung zur „filmischen Schreibweise“ oder zur Ekphrasis, die hierfür wohl notwendig wäre, findet jedenfalls nicht statt. Hervorzuheben ist, dass Hillenbach das vermehrte Aufkommen von Fotografie und Literatur vermischenden Werken in den Rezensionen AAA Band 38 (2013) Heft 1 97 letzten Jahrzehnten und ihr wissenschaftliches Interesse daran nicht aus dem pictorial turn heraus erklärt. Sehr stichhaltig legt die Autorin dar, dass wir „nicht in einem Zeitalter des Bildes leben, sondern in einem Zeitalter der allgegenwärtigen, intermedialen, technisch vermittelten Informationen“ (34). Im zweiten Kapitel ihres Buchs setzt sich Hillenbach in erster Linie mit zentralen Begriffen der Fototheorie auseinander und bindet diese in eine Diskussion von Text-Bild-Beziehungen ein. Vielfach argumentiert die Autorin hier gegen die traditionelle Auffassung dieser beiden Medien als quasi diametral entgegengesetzte und zeigt beispielsweise, wie die Authentizität des Bildes auch nur eine Fiktion ist, wie Texte zumindest ansatzweise indexikalisch oder ikonisch sein können oder wie sowohl Fotografie als auch Literatur zur Darstellung von Erinnerungen genutzt werden. So sehr man Hillenbachs Plädoyer für eine Anerkennung der Vielschichtigkeit und Dynamik von Fotografie und Literatur begrüßen muss, scheinen manche ihrer Schlüsse jedoch voreilig gezogen oder unzureichend begründet. Gegen die bekannte Lessing’sche Unterscheidung zwischen der Simultaneität der Bilder und dem Nacheinander der Sprache etwa zieht Hillenbach mit zwei Argumenten ins Feld. Zum einen bringt sie überzeugende Beispiele, in denen man sehr wohl von einer „Leserichtung“ und sukzessiven Wahrnehmung von Bildern sprechen kann, wobei allerdings noch zu klären wäre, ob diese partielle Parallelität ausreicht, um die grundsätzliche Divergenz der beiden Medien zu revidieren. Zum anderen aber entscheidet sie sich dafür, „Momente des Simultanen in der Literatur“ (67) ausgerechnet an einer ganz klar ekphrastischen Stelle aus Zadie Smiths Roman On Beauty zu demonstrieren. Dies scheint ungünstig, versucht doch der Text hier die Simultaneität des Mediums Bild zu imitieren und sich gerade nicht auf seine ‚eigenen‘ medialen Mittel zu verlassen. In Bezug auf das Narrative in der Fotografie räumt die Verfasserin anderswo ein, dass dieses zwar nur in der „Vorstellungskraft des Betrachters“ stattfindet, fährt allerdings dann mit dem Hinweis fort, dass es beim Text schließlich auch darauf ankomme, dass der Rezipient „die Worte als visuelle Zeichen erkennt und in Vorstellungen übersetzt“ (76). Hieraus auf eine ähnliche gelagerte Narrativität der beiden Medien zu schließen, wie es Hillenbach vorschlägt, erscheint etwas verkürzt und lässt wesentliche Charakteristika von Erzähltexten - wie etwa den Erzähler - außer Acht. Darüber hinaus muss man anmerken, dass die Autorin mit einem sehr engen Fotografiebegriff arbeitet: Obwohl sie auch kurz auf die Möglichkeiten des digitalen Bilds eingeht, ist Fotografie bei ihr meist synonym mit klassischer Dokumentarfotografie. Der explizite Einbezug der inszenierten Fotografie hätte sicherlich interessante Impulse geliefert in Bezug auf Stichworte wie Authentizität, Fiktionalität oder auch Narrativität. Insgesamt hinterlässt das zweite Kapitel einen durchwachsenen Eindruck. Zwar greift die Autorin alle zentralen Diskussionen und Begriffe um das Verhältnis von Literatur und Fotografie auf und versucht sie miteinander zu verbinden, aber die Sachverhalte werden eher kursorisch abgehandelt, so dass sich am Ende dennoch kein wirklich einheitliches Bild ergibt. Der dritte und längste Teil des Buchs ist schließlich ausgedehnten Fallstudien gewidmet. Zeitlich beschränkt sich Hillenbach auf Werke aus den letzten Rezensionen AAA Band 38 (2013) Heft 1 98 dreißig Jahren, da sie davon ausgeht, dass diese den Boom der Fototheorie im Anschluss an Susan Sontag und Roland Barthes in gewisser Weise mitreflektieren. Bei den einzelnen Analysen ist allerdings selten ersichtlich, dass diese sich explizit mit diesen theoretischen Texten auseinandersetzten. In der Korpusauswahl der ersten Gruppe von Werken, literarischen Texten, die Fotografien beinhalten, findet man jedenfalls die unumgängliche Prosa W.G. Sebalds, Jonathan Safran Foers Roman Extremely Loud & Incredibly Close sowie zwei Erzählungen von Monika Maron: Pawels Briefe und Geburtsort Berlin. Die Verfasserin bietet hier souveräne Interpretationen, die vor allem um die Begriffe Authentizität und Erinnerung kreisen, sich allerdings auch nicht sonderlich von der bisherigen Forschung zu diesen Texten absetzen. Etwas irritierend ist es, dass Hillenbach hier zum Teil etwas andere Standpunkte vertritt als im vorigen Kapitel. So argumentiert sie in Bezug auf Sebald, dass dieser „das vornehmlich Konsekutive der Sprache nutzt,“ „während das fotografische Bild bei [ihm] keine erzählende prozesshafte Struktur aufweist“ (108), und untermauert damit die traditionelle Position, die sie doch scheinbar anfechten wollte. Spannender als diese erste Auswahl von Werken sind sicherlich jene Beispiele, die Hillenbach im Anschluss bespricht und mit denen sie auch die bekannteren Pfade der Text-Bild-Forschung verlässt. Sie beschäftigt sich nun mit einem Comic, in den Fotos eingebettet sind (Der Fotograf von Emmanuel Guibert, Didier Levèvre und Frédéric Lemercier), einer Fotoserie, deren Bilder mit Texten überschrieben sind (Shirin Neshats Women of Allah), und zwei Künstlerbüchern (Double Game von Sophie Calle und Wisconsin Death Trip von Michael Lesy). Einige exkursartige Unterkapitel, etwa zur Entstehungsgeschichte einzelner Werke oder zur Biografie Shirin Neshats, mögen zwar überflüssig erscheinen oder den Eindruck erwecken, dass die Fallstudien Hillenbachs theoretischen Überlegungen entgegen laufen, aber dennoch ist dies der stärkste Teil des Buchs. Hillenbach zeigt hier sehr anschaulich auf, wie Literatur und Fotografie überaus vielfältige Formen von Beziehungen eingehen können, die ein neues Licht auf viele der bereits bekannten Konzepte und Oppositionen werfen. Zum Beispiel beschreibt die Autorin, wie das gezeichnete Bild durch die Einbettung von fotografischen Bildern im Comic näher zum Text und zur Schrift rückt, wie bei Shirin Neshat der literarische Text in der Fotografie „zwischen Ornament und Lesbarkeit“ (195) oszilliert oder wie Sophie Calle, die mit Double Game auf Paul Austers Darstellung ihrer selbst in Leviathan reagiert, die Frage nach Fiktion und Authentizität um ein Vielfaches kompliziert. Rezensionen AAA Band 38 (2013) Heft 1 99 In einem kurzen Fazit führt Hillenbach ihre Analysen, die bis dahin immer ein wenig für sich standen, zusammen und gibt einen Ausblick auf die Zukunft der Text-Bild-Forschung. Mit ihrer Arbeit hat die Autorin sicherlich wichtige Impulse zu einer Ausweitung des Forschungsgebiets von Literatur und Fotografie geliefert und kann doch auf Grund einiger Ungereimtheiten und Schwächen nicht immer vollständig überzeugen. Jeff Thoss Institut für Englische Philologie Freie Universität Berlin Russell West-Pavlov, Jennifer Wawrzinek (eds), Frontier Skirmishes. Literary and Cultural Debates in Australia after 1992. (Anglistische Forschungen 409). Heidelberg: Winter 2010. Adi Wimmer This volume starts from the premise that frontier research in Australia reached a dead end in the early 1990s. The project is ambitious: in the introduction the editors list a whole range of discursive areas and aims. What it boils down to is this: “to examine these areas as multiple facets of a single broader issue: white Australia’s multi-pronged campaigns to control, on the cultural plain, the frontiers of a continent fully conquered in the 19 th Century but still felt to be insecure in less tangible ways.” (I daresay that not all contributors to this volume would underwrite the editors’ “state control” motive.) In 1993 Australia’s most prominent historian Geoffrey Blainey coined the term “black armband view of history,” arguing that most young historians had a biased view towards Australia’s colonial past, representing it primarily in terms of dispossession, violence and genocide. This was the opening salvo in what later became known as the “history wars” and this volume is clearly part of the anti-Blainey, left-wing campaign. Research on the “frontier aspect” of Australia’s 19 th century history was largely absent, as the opening chapter convincingly demonstrates. In 1999, Rod Moran published Massacre Myth, in which he examined the 1926 Forest River massacre in Western Australia. The result of his research was that it never happened, that it was in fact invented by a well-meaning missionary. His research represents a ‘skirmish’ towards the real ‘history war’, in which a polemical study by historian Keith Windschuttle (2002, The Fabrication of Aboriginal History, Vol. 1: Van Diemen Land, 1803-1847) plays a key role. Windschuttle hangs like a ghost over this volume. Curious that almost all contributors mention - and revile - him, but none engages with his theses.
