eJournals Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik 39/2

Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik
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0171-5410
2941-0762
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2014
392 Kettemann

Holger Klein (Ed.).William Shakespeare, King Henry IV Part 1. König Heinrich IV. Teil 1 Englisch/Deutsch Holger Klein (Ed.).William Shakespeare, King Henry IV Part 2. König Heinrich IV. Teil 2 Englisch/Deutsch

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2014
Pünktlich zum 40-jährigen Bestehen der zweisprachigen ShakespeareAusgabe in der Reihe ‚Reclams Universalbibliothek‘ erschienen 2013 die beiden Teile von Heinrich IV. mit einem Gesamtumfang von 1.182 Seiten für insgesamt nur € 24,60. Das Jubiläum gibt Anlass, einmal die Geschichte der Reclam-Shakespeare-Ausgaben kurz Revue passieren zu lassen, um Ziele, Erfolge und Defizite sichtbar zu machen.
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Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 195 William Shakespeare, King Henry IV Part 1. König Heinrich IV. Teil 1. Englisch / Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Holger Klein (Reclams Universal-Bibliothek, 19048). Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2013. William Shakespeare, King Henry IV Part 2. König Heinrich IV. Teil 2. Englisch / Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Holger Klein (Reclams Universal-Bibliothek, 19105). Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2013. Christa Jansohn Pünktlich zum 40-jährigen Bestehen der zweisprachigen Shakespeare- Ausgabe in der Reihe ‚Reclams Universalbibliothek‘ erschienen 2013 die beiden Teile von Heinrich IV. mit einem Gesamtumfang von 1.182 Seiten für insgesamt nur € 24,60. Das Jubiläum gibt Anlass, einmal die Geschichte der Reclam-Shakespeare-Ausgaben kurz Revue passieren zu lassen, um Ziele, Erfolge und Defizite sichtbar zu machen. Bereits 1858 publizierte der Verlag eine wohlfeile zwölfbändige Shakespeare-Ausgabe, welche Reclam vom Stuttgarter Georg Wigand-Verlag (1836 ff.) übernommen hatte. 1 Wigands 37 Bändchen zu je 4 Groschen (ab 1839 je 6 Groschen), die 1838 in einem Band und 1839 in zwölf Bänden erschienen, stießen in der Kritik auf recht positive Resonanz, zumal „ihr Taschenformat“ und der „billige Preis“, ein größeres Publikum ansprach, „und Leute Shakspearn kennen lehrte, die nur auf diese Weise ihm den Eintritt gestatten.“ Zudem seien die Übertragungen besser „als die berüchtigte freye von Meyer“, denn jeder der zwölf Übersetzer „giebt den Geist, wie den Buchstaben des Dichters treu wieder, ohne wegen dieser Treue die eigene Sprache zu verändern, ohne nach veralteten, oder provinziellen Wortformen zu greifen, die nur Wenigen verständlich sind.“ 2 Dass die Übernahme dieser erfolgreichen Volksausgabe durch Reclam noch weitere Verbreitung erfuhr, zeigt, dass sie 1867 bereits in der 15. Auflage erschien und 1917 von Shakespeares Dramen 1 Vgl. hierzu die Einträge C 300, C 330, C 340 und C 530 bei Hansjürgen Blinn und Wolf Gerhard Schmidt, Shakespeare - deutsch. Bibliographie der Übersetzungen und Bearbeitungen (2003). Für die Übertragung der Texte wurde nicht auf Schlegel/ Tieck zurückgegriffen, sondern der Verleger bemühte die folgenden zwölf Übersetzer: Adolph Böttger, Heinrich Döring, Alexander Fischer, Ludwig Hilsenberg, Wilhelm Lampadius, Theodor Mügge, Theodor Oelckers, Ernst Ortlepp, Leopold Petz, Karl Simrock, Ernst Susemihl, Ernst Thein. Für die Vorlagen der Umrisslithographien dienten Gemälde aus Boydellʼs Shakespeare Gallery bzw. die Illustrationen aus der von Boydell zwischen 1791 und 1805 veröffentlichten Shakespeare-Ausgabe. Je nach Aus-gabentyp wurden die Texte mit oder ohne Illustrationen angeboten. 2 Vgl. hierzu die namentlich mit ‚n‘ gekennzeichneten Besprechungen in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung 225 (Dezember 1836), 358-360, Sp. 358 und 360, sowie Ergänzungsblätter zur Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung 26 (Dezember 1837), 207-208, Sp. 208, und Ergänzungsblätter zur Jenaischen Allgemeinen Literatur- Zeitung 47 (Dezember 1839), 270-372. Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 196 4 Millionen verkauft waren (cf. Max 2012: 9, 33). Dazu trug sicherlich auch der weiterhin niedrig gehaltene Preis für die zwischen 1865 und 1867 erschienenen Einzelausgaben bei. In jenen Jahren wurden 25 der dort publizierten Dramen zu nur 2 Silbergroschen angeboten, ein Preis, den andere Verlage nicht unterbieten konnten. Freilich ging diese Verkaufsstrategie bereits im 19. Jahrhundert auf Kosten des Gesamtwerks, denn es wurden nur absatzstarke Dramen (und keine Gedichte) angeboten. Schon früh wurde so der Verlag aufgrund seiner auch heute noch praktizierten und überaus erfolgreichen Preispolitik Marktführer im Bereich erschwinglicher Klassikerausgaben, die wissenschaftliche Qualität zum niedrigen Preis anboten. Die Gesamtauflage der seit 1858 verkauften Shakespeare-Ausgaben liegt bei über 17 Millionen, darunter alleine 2 Millionen verkaufte Macbeth-Bändchen (cf. online 1). Als 1970 die verschiedenen farbigen Reihen (u. a. Gelb [einsprachige Ausgabe], Orange [zweisprachig], Rot [fremdsprachig]) auf den Markt kamen, war es vor allem der Bochumer Anglist Ulrich Suerbaum mit seinen Mitarbeiter/ innen (Raimund Borgmeier, Barbara Puschmann-Nalenz, Dieter Wessels u.a.), die zwischen 1973 und 1978 pro Jahr zirka zwei bis vier Dramen in der orangen, zweisprachigen Reihe publizierten. Bis 1993 folgten in größeren Abständen weitere Ausgaben, während die früheren meist unrevidiert nachgedruckt wurden: So wurde zum Beispiel die 1973 publizierte King Lear-Ausgabe 1980, 1983, 1985, 1989, 1992, 1994 unverändert aufgelegt, bei anderen Ausgaben wurden die Nachdrucke zumindest bibliographisch auf den neuesten Stand gebracht. Somit werden neuere Entwicklungen bei den in die Jahre gekommenen Reclam-Bändchen gar nicht bzw. kaum berücksichtigt, was vor allem bei der 1974 erschienenen Sonett-Ausgabe mit ausgewählten deutschen Versübersetzungen aus den Jahren 1820 bis 1959 besonders schmerzlich ist. Auch hier wurde die Ausgabe 2003 lediglich bibliographisch ergänzt, während das längst überholte Nachwort zu „Shakespeares Sonetten in Deutschland“ unangetastet blieb, so dass die heutigen Leser/ innen mit Rolf-Dietrich Keils Übersetzungen aus dem Jahr 1959 die ‚aktuellsten‘ erhält. An der Zahl der Nachdrucke erkennt man sogleich auch die eindeutigen Bestseller der Reihe. Dies sind: 1. Macbeth. 1983; 1987, 1989, 1990 (Nachdrucke); 1993, 1995 (bibliogr. erg. Ausg. 1983); 1996, 2011, 2012 (bibliogr. erg. Ausg.). Engl./ Dt. Hrsg. u. Übers.: Rojahn-Deyk, Barbara. 224 S., € 6,00. 2. The Merchant of Venice - Der Kaufmann von Venedig. 1975; 1979, 1987, 1985, 1989, 1992, 1995 (Nachdrucke); 2006 (bibliogr. erg. Ausg.); 2012 (Nachdruck der bibliogr. erg. Ausg. 2006); Engl./ Dt. Hrsg., Übers. u. Komm.: Puschmann-Nalenz, Barbara. 224 S., € 6,60. 3. A Midsummer Night’s Dream - Ein Sommernachtstraum. 1975; 1982, 1985 (Nachdrucke); 1987, 1990, 1991, 1993, 1995 (bibliogr. erg. Ausg.; jeweils Nachdrucke der vorherigen); 2012 (bibliogr. erg. Ausg.). Engl./ Dt. Hrsg. u. Übers.: Franke, Wolfgang. 223 S., € 6,00. Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 197 4. Romeo and Juliet - Romeo und Julia. 1979; 1986, 1987, 1990, 1992, 1994, 1995, 2009, 2012 (bibl. erg. Ausg.). Engl./ Dt. Übers. u. Hrsg.: Geisen, Herbert. 341 S., € 7,80. Demgegenüber wird man vermutlich auf folgende 16 Dramen (sowie auf Rape of Lucrece und A Lover’s Complaint) in der Orangen Reihe verzichten müssen, da der Reclam-Verlag scheinbar von Anfang an keine vollständige Ausgabe anstrebte: 1. All’s Well That Ends Well - Ende gut, alles gut 2. Coriolanus - Coriolan 3. Cymbeline 4. Henry VIII 5. King Henry VI, Part I - König Heinrich VI. Teil I 6. King Henry VI, Part 2 - König Heinrich VI. Teil II 7. King Henry VI, Part 3 - König Heinrich VI. Teil III 8. King John - König Johann 9. Love’s Labour’s Lost - Verlorene Liebesmühe 10. Measure for Measure - Maß für Maß 11. The Merry Wives of Windsor - Die lustigen Weiber von Windsor 12. Pericles, Prince of Tyre - Pericles, Fürst von Tyrus 13. The Two Gentlemen of Verona - Die zwei Herren aus Verona 14. The Two Noble Kinsmen - die beiden edlen Vettern 15. Timon of Athens - Timon von Athen 16. Troilus and Cressida - Troilus und Cressida Bis auf das Vorwort von Ulrich Suerbaum in der King Lear-Ausgabe (1973) erfahren die Leser/ innen nichts über die Konzeption der Reihe; auch fehlt ein Reihenherausgeber, so dass offensichtlich die Verantwortung ganz bei den jeweiligen Bearbeitenden bzw. beim Verlagslektorat zu liegen scheint. Auch das offenbar programmatische Vorwort von Suerbaum wird in den einzelnen Ausgaben nicht nachgedruckt, obgleich es auf einige wichtige methodische Überlegungen verweist. Man ging, so schreibt Suerbaum, bei der Arbeit von der Prämisse aus, „daß sich die Alleinherrschaft einer einzigen Übersetzungsmethode überlebt hat und daß der Spielraum der methodischen Ansätze verbreitert werden muß. […] im Wechsel des Übersetzungsverfahrens [ist] das beste Mittel gesehen, aus der Einflußsphäre der Schlegel-Tieck- Übersetzung auszubrechen. […] Als Sprachmaterial diente das Deutsch der Gegenwart, und zwar ohne Ausschluß bestimmter lexikalischer Register wie Fremdwörter und umgangssprachlicher Ausdrücke.“ (1. Auflage, 1973, S. 7-8) Weitere methodische Vorgehensweisen hinsichtlich des Kommentarteils und des Nachwortes wurden nicht gegeben. In den meisten Reclam-Ausgaben sind diese sehr knapp gehalten und richten sich offensichtlich - wie auch der Reihenname ‚Reclams Universalbibliothek‘ suggeriert - an ein allgemeines Publikum, das von Schüler/ innen bzw. Studierenden bis hin zu gebildeten Laien Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 198 reicht. Da die Ausgaben einzeln käuflich sind, können sich die Leser/ innen ihre eigene Bibliothek zusammenstellen, die freilich von der rigorosen Auswahl der angebotenen Dramen und Gedichte bestimmt wird. Da Reclam - im Vergleich zu anderen Shakespeare-Ausgaben - von Beginn an keine Gesamtausgabe in der Universal-Bibliothek anstrebte, tragen der Verlag und auch die Absatzzahlen maßgeblich zur Kanonisierung bestimmter Shakespeare-Werke bei, ein Phänomen, welches bisher zu selten in der Rezeptionsforschung berücksichtigt wurde. Da offensichtlich nur bei den absatzstarken Bänden zumindest die Bibliographie in größeren Abständen aktualisiert wird, erhalten die Käufer/ innen zudem häufig einen veralteten Wissensstand. Parallel zu der orangen Reihe wird in der gelben weiterhin der Schlegel- Tieck-Text zusammen mit einem knappen Nachwort zur Entstehung und Erstaufführung angeboten, deren Verkaufszahlen wiederum die Auswahl der 2014 angebotenen Edition mit dem irreführenden Titel William Shakespeare. Dramen. Nach der Schlegel-Tieck-Ausgabe letzter Hand 3 in der Reihe ‚Reclam Bibliothek‘ bestimmt hat. So heißt es im Vorwort: Die hier vorgelegte Auswahl von zehn Shakespeare-Dramen enthält die, nach den Absatzzahlen der einsprachigen Einzelausgaben in Reclams Universal- Bibliothek, beim Lesepublikum beliebtesten Stücke des Autors. Trotz gewisser Unwägbarkeiten des Absatzes hofft der Verlag, damit einen verlässlichen Gradmesser für eine repräsentative Auswahl aus dem Korpus der 38 Stücke gefunden zu haben. 3 Textgrundlage für die Reclam-Teilausgabe ist: Shakespeare’s dramatische Werke (1843/ 44). Übersetzt von August Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck. Ausgewählt wurden: Romeo und Julia, Ein Sommernachtstraum, Der Kaufmann von Venedig, Viel Lärmen um nichts, Was ihr wollt, Hamlet, Othello, König Lear, Macbeth, Der Sturm. Damit stimmen einige Dramen mit dem Klassikprogramm aus dem 19. Jahrhundert überein, wo 1868 der Reclam-Verlag mit insgesamt 40 Werken (meist aus der deutschen Literatur) ein kanonisches Bildungsprogramm realisierte. Unter diesen befanden sich auch neun Shakespeare-Werke, wovon insgesamt sechs wiederum mit der Auswahl von 2014 übereinstimmen. Diese sechs reflektieren auch die meist gespielten Stücke Shakespeares auf der deutschen Bühne. Anders ist indes die starke Konzentration auf die Tragödien innerhalb der 40 Titel von 1868, während man 2014 eine ausgeglichene Mischung aus Komödien und Tragödien anstrebte. Aufschlussreich ist zudem, wie man in regelmäßigen Abständen die 9 Titel unter die 40 ‚deutschen Klassiker‘ einfügte, wodurch Shakespeare innerhalb der deutschen Nationalliteratur solide verankert werden konnte. Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 199 Zum deutschen Kanon und Bildungsgut gehörten demnach zwei Komödien und sieben Tragödien, und zwar: Romeo und Julia (Bd. 5), Julius Caesar (Bd. 9), König Lear (Bd. 13), Macbeth (Bd. 17), Othello (Bd. 21), Die Kunst eine böse Sieben zu zähmen (Bd. 6), Hamlet (Bd. 31), Der Kaufmann von Venedig (Bd. 35) und Antonius und Cleopatra (Bd. 39) (cf. Kampmann 2011: 209-10). Welche Rolle dabei der Reclam-Verlag als Shakespeare-Lieferant für die deutschen Schulen und Universitäten spielt(e), wäre eine eigene Untersuchung wert und kann hier nur als Forschungsdesiderat genannt werden. Bei einer möglichen Analyse müsste schließlich auch die Fremdsprachenreihe (Rote Reihe) berücksichtigt werden, die Hamlet, Macbeth, The Merchant of Venice, A Midsummer Night’s Dream, Othello und The Sonnets im Original mit Übersetzungen schwieriger Wörter am Fuß jeder Seite, Nachwort und Literaturhinweisen sowohl als Taschenbuch-Ausgabe als auch als E-Book für jeweils zirka € 4,80 und 6,00 anbietet. Ebenso wichtig ist die Tatsache, dass seit dem 19. Jahrhundert im Verlagsprogramm die Historien kaum bzw. eine sehr untergeordnete Rolle spielen und nicht unter die ‚Top Ten‘ der deutschen Shakespeare-Klassiker gelangen. Auch die Orange Reihe hat sie bisher kaum berücksichtigt: Hier fanden sich bisher nur die 1978 publizierten und mehrfach nachgedruckten Ausgaben von Heinrich V. und Richard III. Ob in Zukunft der Absatz der beiden Teile von Heinrich IV. günstiger sein wird, wird die Zukunft zeigen. Nach Holger Kleins 395-seitiger Much Ado About Nothing - Viel Lärm um nichts- Ausgabe sind dies im Übrigen die ersten neuen Reclam-Ausgaben seit 1993 in der Universal-Reihe, rechnet man die Venus und Adonis-Ausgabe (2003), die keine neue Übersetzung bietet, nicht mit. Alle anderen, derzeit auf dem Markt angebotenen, sind Editionen aus dem letzten Jahrhundert. Holger Klein, seit Jahren unermüdlich in der wissenschaftlichen Kommentierung, Edition und Übersetzung Shakespeares für die deutschsprachige Leser/ innenschaft bemüht, legt nach einer anspruchsvollen zweibändigen Hamlet-Edition (1984, rev. Ausgabe 2014) und einer kaum weniger gründlichen Ausgabe von Much Ado About Nothing (1993, Nachdruck 1995), eine neue Fassung der beiden Teile von Henry IV vor, die alle charakteristischen Merkmale der beiden vorausgegangenen Editionen aufweist und damit nochmals der ansonsten sehr viel weniger ambitionierten zweisprachigen Reclam-Reihe eine neue Folge zusetzt. Ihrem Anspruch nach könnte man Kleins Edition eher als Parallelprojekt neben der unter dem Patronat der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft erschienenen und von einem deutschsprachigen Herausgeber/ innenteam betreuten ‚Studienausgabe‘ beschreiben, von der seit 1977 Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 200 bis auf zehn Dramen alle Werke vorliegen, 4 darunter auch ein zweibändiger Hamlet (2006) und seit 2010 der erste Teil von Henry IV (2. verbesserte Auflage 2013), welcher für € 19,50 erhältlich ist. Ein Vergleich der beiden Henry IV-Ausgaben böte sich an, ist aber wegen der Unterschiedlichkeit der Darstellungsmethoden schwierig durchzuführen. Auch ein Vergleich der beiden deutschen Versionen liefe wohl allenfalls auf persönliche Geschmackseindrücke hinaus, um sich bei grundsätzlich ähnlicher Zielsetzung nicht mit einseitigen und ungerechten Zufallsbeobachtungen aufzuhalten. Nach verschiedenen Stichproben zu urteilen, haben beide Übersetzer ausgesprochen gewissenhaft gearbeitet. Wesentlich auffälliger sind die inhaltlichen und methodischen Unterschiede: So steht der übersichtlichen, klar gegliederten und anschaulichen Einleitung der Studienausgabe die deutlich ehrgeizigere, auf möglichste Vollständigkeit bedachte, leider oft recht unübersichtliche und gerade dadurch schwerer zugängliche Diskussion der beiden Dramen mit 165 Seiten und 477 Fußnoten gegenüber. Im ersten Teil kommt dazu außerdem noch ein ebenso umfassender Anhang mit Informationen zur ‚Textgrundlage‘ (S. 449-472), zur Textgestalt des englischen und des deutschen Textes sowie zum Kritischen Apparat (S. 465-472); daran anschließend folgt ein Kommentarteil (S. 473- 632) zu Henry IV, Teil 1; der zu Teil 2 gehörige findet sich im 2. Band auf den Seiten 315-457. Den Abschluss bildet dort eine 91-seitige, fleißig zusammengetragene Bibliographie (S. 459-550), die freilich die wenigsten Leser/ innen für sich nutzen werden und die aufgrund der regen Publikationstätigkeit auch besonders schnell veralten wird. Man kann sich jetzt schon wünschen, dass der Verlag den Herausgeber bei einer weiteren Auflage bitten möge, dieses üppige Beiwerk kräftig zu stutzen. Dass dies durch gekonnte Bearbeitung durchaus erfolgreich geleistet werden könnte, zeigt seine 2014 überarbeitete Hamlet-Ausgabe, die nun in einer einbändigen, völlig revidierten und vor allem im Kommentarteil (S. 462-684) um etwa 60 Prozent gekürzten Ausgabe erschien. Diese Kürzungen sind m. E. notwendig und gerechtfertigt, zumal Kleins dargebotene Fülle an Informationen, Quellenangaben und bibliographischen Verweisen den mit dieser Form der Debatte weniger vertrauten Leser/ innen die Orientierung nicht leicht macht und oft sogar kontraproduktiv wirken dürfte, da der Herausgeber sich offensichtlich schwer auf wesentliche Details zu beschränken vermag. Seine Darstellung erinnert deshalb allzu oft an das 1. Buch Moses, 7.19, wo es heißt: „Und das Gewässer nahm überhand, und wuchs so sehr auf Erden, dass alle hohen Berge unter dem ganzen 4 In der englisch-deutschen Studienausgabe der Dramen Shakespeares fehlen folgende Werke: Cymbeline, Henry VIII, Henry IV (Part 2), King Henry VI (Part 2), King Henry VI (Part 3), King Lear, Macbeth, A Midsummer Night’s Dream, Twelfth Night, The Two Noble Kinsmen (Stand: 11. September 2014). (c.f. online 2). Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 201 Himmel bedeckt werden.“ Vermutlich wird die Mehrzahl wissbegieriger Leser/ innen und Shakespeare-Interessent/ innen lieber gleich zu einer englischen Ausgabe greifen, wie der ‚Arden-Edition‘ oder den Reihen des Oxford oder New Cambridge Shakespeare, wo man fast durchweg konzise und gleichzeitig ausgewogene Erläuterungen erhält. Auch die ‚Studienausgabe‘ sowie die Ausgabe im Rahmen der Gesamtübertragung von Frank Günther im ‚Ars Vivendi‘-Verlag wirken im Vergleich zu Kleins enzyklopädischen Ausgaben bescheidener und vor allem realistischer, was die Lese- und Aufnahmebereitschaft der anvisierten Leser/ innenschaft betrifft. Ein gewisser Unterschied wird auch in den jeweils angebotenen deutschen Prosa-Übersetzungen der Reclam- und Studienausgabe sichtbar: Während die Studienausgabe, getreu den ursprünglich von Ernst Leisi bestimmten Grundsätzen, in erster Linie die sprachgeschichtlich korrekten Wortbedeutungen wiedergeben will, legt Holger Klein offensichtlich auch Wert auf gefälligen Sprachstil und Sprechbarkeit. Mit berechtigtem Realismus und selbstkritischer Bescheidenheit schickt er voraus: „in einer Übersetzung sich um möglichste Genauigkeit und gleichzeitig um Klarheit, Prägnanz sowie Sprechbarkeit zu bemühen, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Aber man muss es versuchen, auch wenn man sich der Probleme nur zu bewusst ist.“ (Teil 1; S. 469) Dies wird bestätigt durch seinen Hinweis auf die anderen Übersetzungen, die er zu Rate zog (Schlegel, Frank Günther, Erich Fried u.a.; vgl. Teil 1, S. 471), und bei denen es ja offensichtlich nicht allein um semantische Präzision ging. Ein beliebiges Beispiel mag dies verdeutlichen. Nach der Schlacht von Shrewsbury spricht Prinz Hal seinen Bruder an: Come, brother John, full bravely hast thou fleshed Thy maiden sword. (5.4.150-1) In Schlegels Übersetzung: Komm, Bruder! Mannhaft hast du eingeweiht Dein junges Schwert. Wilfrid Harald Brauns Studienausgabe liefert dazu eine ausführliche semantische Erklärung mit einer längeren Fußnote und weiteren Belegen zum Verb fleshed; seine Übersetzung lautet: „Komm Johann, mein Bruder. Ganz tapfer hast du dein jungfräuliches Schwert Blut lecken lassen.“ Auch Klein übersetzt wörtlich, hier im Sinne von Alexander Schmidts Shakespeare-Lexikon: „Nun Bruder John, du hast dein jungfräuliches Schwert ganz tapfer ins Fleischtöten eingeführt.“ Das ist etwas weniger elegant, bemüht sich aber ebenso wie Braun um lexikalische Präzision. Ob damit der leichteren Sprechbarkeit gedient ist, muss der bzw. die Schauspieler/ in entscheiden. Wie Braun in der englisch-deutschen Studienausgabe legt auch Klein dem szenenweisen Kommentar besondere Bedeutung zu. Anders als in der Studienausgabe wird bei ihm weniger deutlich zwischen einzelnen Worterläuterungen und allgemeinem Szenenkommentar unterschieden, da der Text selbst nur mit textkritischen Verweisen auf den Seiten wiedergegeben wird, wäh- Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 202 rend der Kommentar im Anhang linguistische und allgemein interpretierende Erklärungen zusammenfasst. Aufgrund der Niedrigpreispolitik ist der Reclam-Verlag bei Shakespeare- Ausgaben sicherlich marktführend und andere Shakespeare-Großprojekte, wie die ‚Englisch-Deutsche Studienausgabe der Dramen Shakespeares‘ oder die im Ars Vivendi-Verlag betreute Neuübersetzung durch Frank Günther, haben aufgrund ihrer höheren Preise (bei oft auch höherer Qualität) kaum eine Chance, sich auf dem Markt behaupten zu können. Besonders schade ist dies bei der einzigen, derzeit geplanten neuen Gesamtausgabe der Dramen und Gedichte im Ars Vivendi-Verlag. Derzeit sind 34 Dramen erhältlich. Der Einzelpreis dieser hochwertigen, fadengehefteten Leinenbände liegt zwischen € 30,00 und € 33,00. Der Subskriptionspreis bei Abnahme aller 39 Bände, die bis zur Buchmesse 2016 vorliegen sollen, beträgt € 1.093,95 (c.f. online 3). Nicht alle werden sich diese Ausgaben leisten können oder wollen, weshalb es umso wichtiger wäre, wenn die im Reclam-Verlag Verantwortlichen endlich ein überzeugendes Gesamtkonzept für ihre wohlfeilen Shakespeare- Ausgaben entwickeln würden, welches nicht nur eine neue Prosa- Übersetzung, sondern auch gut strukturierte Ideen für den Kommentarteil, das Nachwort und die Bibliographie beinhalten sollten. Das Verlagslektorat sollten (evtl. mithilfe eines Herausgeber/ innengremiums) dafür Sorge tragen, dass der entwickelte Plan von den einzelnen Bearbeitenden auch realisiert wird. Die vorherrschende Marktpräsenz sollte hier für den Reclam-Verlag Verpflichtung und Herausforderung zugleich sein - vor allem in Zeiten alarmierenden Desinteresses an klassischen Autor/ innen. Bibliographie Blinn, Hansjürgen & Wolf Gerhard Schmidt (2003). Shakespeare - deutsch. Bibliographie der Übersetzungen und Bearbeitungen. Berlin: Erich Schmidt. Ergänzungsblätter zur Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung 26 (Dezember 1837). Ergänzungsblätter zur Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung 47 (Dezember 1839). Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung 225 (Dezember 1836). Kampmann, Elisabeth (2011). Kanon und Verlag. Zur Kanonisierungspraxis des Deutschen Taschenbuch-Verlags. Berlin: Akademie Verlag. Klose, Dietrich (2014). „Zu dieser Ausgabe“. In: Dietrich Klose (Ed.). William Shakespeare. Dramen. Nach der Schlegel-Tieck-Ausgabe letzter Hand. Mit einem Nachwort von Peter von Matt (Reclam Bibliothek). Stuttgart: Philipp Reclam jun. Max, Frank R. (2012). Der Reclam Verlag. Eine kurze Chronik. Stuttgart: Philipp Reclam Jun. [online]. (2. März 2015). http: / / www.reclam.de/ data/ media/ Der_Reclam_Verlag.pdf (11. September 2014). Shakespeare’s dramatische Werke (1843/ 44). Uebersetzt von August Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck. 3. Auflage. 6 Bde. Berlin: G. Reimer. Rezensionen AAA Band 39 (2014) Heft 2 203 Webliographie [1] „Worte, Worte, Worte! “ (2013). boersenblatt.net. [online]. http: / / www.boersenblatt.net/ 659047/ (11. September 2014). [2] „Englisch-deutsche Studienausgabe der Dramen Shakespeares“ (n.d.) [online] http: / / www.stauffenburg.de/ asp/ reihe.asp? id=26 (11. September 2014). [3] http: / / www.arsvivendi.com/ media/ shakespeare-ga/ _html/ 001/ (11. September 2014). Christa Jansohn Lehrstuhl für Britische Kultur Universität Bamberg Journal for the Study of British Cultures, 19, no. 2 (2012): Jürgen Kamm & Bernd Lenz (Eds.), Representing Terrorism. Jürgen Kamm, Jürgen Kramer & Bernd Lenz (Eds.), Deconstructing Terrorism. 9/ 11, 7/ 7 and Contemporary Culture, Passauer Arbeiten zur Literatur- und Kulturwissenschaft 11, Passau: Karl Stutz, 2013. Merle Tönnies These two collections derive from the same 2011 conference and complement each other thematically: they are linked by the parallel focus on textual (in the widest semiotic sense) responses to acts of terrorism. In addition, the editors took the useful decision not to allocate articles to one or the other volume on superficial grounds like the concrete event that is addressed or the medium used in the examples. Instead, they distinguish between the 'representation' and the 'deconstruction' of terrorism, as the volume titles announce. To start with the second case, 'deconstruction' can refer to the choice of material that deliberately opposes the standard 'meta-narrative' of terrorism and brings in new perspectives. At the same time, contributions can also themselves offer a critical view of established discourses on terrorism. In this instance, there can be a close connection to the more neutral concept of 'representation' used in the first volume. Its articles often also address the selected textual responses to terrorism critically and thereby to some extent contain a 'deconstructive' potential in the sense of the second collection. In this way, a productive continuum is created between the two publications. This is strengthened by two fundamental parallels between the volumes. Firstly, both books share the consensus of understanding the complex and controversial term 'terrorism' according to the definition advanced by Richard English (2009: 24). This theoretical basis is frequently quoted in individual articles as well and allows fruitful comparisons between the contributions of the two collections. Secondly, the two publications are held together by their