eJournals

Colloquia Germanica
0010-1338
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2017
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BAND 50 • Heft 2 Inhalt Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise Rüdiger Scholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Luftkrieg und Legende: Hans Erich Nossacks literarische Sinnbewältigung der Bombardierung Hamburgs im Sommer 1943 Christoph D. Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy Sarah Painitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany by West Germany in Novels by Günter Grass, Christa Wolf, and Volker Braun John Pizer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 “An der Kernstelle der Existenz”: Techno, Intoxication, and the Limits of Literary Representation in Rainald Goetz’s Rave Kai-Uwe Werbeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Reviews Werner Frick, ed. Heinrich von Kleist. Neue Ansichten eines rebellischen Klassikers. Heiko Ullrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Birgitta Krumrey, Ingo Vogler, Katharina Derlin, eds.: Realitätseffekte in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Schreibweisen nach der Postmoderne? Arne Klawitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 126 Inhalt Michelle Woods: Kafka Translated. How Translators have Shaped our Reading of Kafka. Veronika Tuckerová . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 127 Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise Rüdiger Scholz Universität Freiburg Abstract: Most scholars have ignored the family plot when dealing with Lessing’s last drama, Nathan der Weise , even though the essence of the drama revolves around the dialectic inherent in humans and human relations. Nathan tries to prevent Recha from leaving his house in order to marry the Tempelherr. Nathan is successful in discovering that Recha and the Templer are sister and brother as well as renewing the love Recha feels for him. The consequences are bitter for both Recha and the Tempelherr in that they must renounce their previous identities and remain within Nathan’s realm. Their sexual life, intimated by Lessing in a variety of symbolic scenes, is destroyed; the young generation cannot continue the history of tolerance by living in a new family with their own children. The fact that their identities are broken leads to tragedy for both Recha and the Templer. Nathan is revealed to be an egoist, in the same mold as William Sampson and Odoardo Galotti. Thus, this man, celebrated as the epitome of humanity is revealed as a complicated person of dialectic impulses. Keywords: Dialektik der Humanität, Besitzegoismus, psychischer Inzest, Sexualsymbolik, Geschwisterliebe, Kreuzzüge Das Drama Nathan der Weise , 1779 veröffentlicht und am 14 April 1783, zwei Jahre nach Lessings Tod, in Berlin uraufgeführt, das große Humanitätsdrama der Aufklärung, Plädoyer für die wechselseitige Toleranz der drei großen monotheistischen Religionen: Christentum, Judentum und Islam, ja ihre Versöhnung - gilt als der Höhepunkt der europäischen Aufklärung. Die religiöse Toleranz verkörpert Lessing in der Titelfigur, die mit überaus positiven Charaktereigenschaften ausgestattet ist. Nathan ist nicht nur die Anti-Figur des religiösen Fanatismus, dem der Kampf der Aufklärung galt, sein Wirken in Gesellschaft und 128 Rüdiger Scholz Familie scheint ohne jeden Tadel. Sein Ansehen in Jerusalem ist infolge seiner Wohltätigkeit überragend, “sein Volk” - nach Dajas Worten zum Tempelherrn - “verehret ihn als einen Fürsten” (1.6.738), und, nach Al-Hafi, “nannt [ihn] einmal das Volk den Weisen! ” (2.2.1048), was der mächtige Sultan Saladin bei seiner Begegnung mit Nathan wiederholt (3.5.1799f.). Nathan ist der ideale Großkaufmann und ein “Politicus” (Fulda 56). Nathans Verhalten ist auch als Privatmann vorbildlich: Er ist der mächtige, milde und liebende Patriarch, der das Beste für alle in seinem Haus lebenden Personen, vor allem für seine Pflegetochter Recha. tut und der mit der Wandlung von Rechas Liebhaber zum Bruder eine neue Familie liebender Menschen begründet, mit ihm selbst als Vater. Dieses Bild mustergültiger Toleranz und Friedfertigkeit, der vernunftgeleiteten Geschicklichkeit im privaten wie politischen Handeln, hat zu einem nicht versiegenden Strom lobender bis begeisterter Auslegungen geführt. Die Wirkungsgeschichte ist eine einzige Orgie sich überschlagender Lobeshymnen. Die überragende Positivität der Titelfigur ist unbezweifelter Standard aller Nathan -Interpretationen. “Nathan stellt also den Höhepunkt menschlicher Vollkommenheit dar” (Schweitzer 277). Ruth Klüger betonte 1972 Nathans “Einmaligkeit”, “seinen außerordentlichen Stellenwert unter den Vätern der Weltliteratur” (Kreuzug 213). Barbara Becker-Cantarino bezeichnete noch 1993, in Abgrenzung zu Goethes Wilhelm Meister , und trotz aller Kritik an der patriarchalischen Herrschaftsstruktur der Familie in der Literatur des 18. Jahrhunderts, den Protagonisten Nathan den Weisen als positives Beispiel der Humanität der Aufklärung. 1 George Mosse hat das Drama 1985 als Magna Charta des deutschen Judentums bezeichnet. 2 Peter J. Brenner meinte 2000, mit der “Idee des ‘ganzen Menschen’” habe Lessing “das Leitbild des deutschen Bürgertums” im 19. Jahrhundert und das “Irrlicht des Sozialismus” in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorweggenommen (zit. nach Düffel 209). Das ist angesichts des Ausmaßes an Judenvernichtung im nationalsozialistischen Deutschland nicht verwunderlich. Im Dritten Reich durfte das Stück nicht aufgeführt werden (Bauer 69). Auch die intensiv geführte Diskussion über Widersprüche im Toleranzbegriff der Aufklärung, über die Grenzen der Toleranz einer Ehe zwischen Christ und Jüdin, über Adoptiv- und Blutsfamilie, über die Dominanz des Vaters, vor allem über die Grenze der Toleranz im Hinblick auf den - abgewendeten - Geschwisterinzest hat nicht nicht zu einer Relativierung der Titelfigur geführt. 3 Ebenso wenig die Diskussion über Nathans Kaufmannstätigkeit und die Herkunft seines Reichtums. 4 Dabei wurde meist übersehen, dass Lessing den weisen Nathan in die Reihe der Väter von Sir William Sampson und Odoardo Galotti gestellt hat, die ihre Töchter nicht hergeben wollen und alles unternehmen, um sie für sich zu behalten. 5 Zwar kommt Recha - anders als Sara Sampson und Emilia Galotti, nicht zu Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 129 Tode, aber sie wird durch Nathans Überliebe um Ihre Selbständigkeit und durch Recherchen zu ihrer Herkunft um ihre Identität und damit um ihr Liebes- und Eheglück gebracht. Das “dramatische Gedicht”, wie Lessing sein Stück genannt hat, das als fünfaktige Tragödie in Versform angelegt ist und doch keine Tragödie ist, weil es in der Harmonie des Familienschlussbildes endet, bedeutet für die Liebenden, für Recha und für den Tempelherrn, eine Tragödie. Denn der altruistische Nathan wird von Lessing zugleich als krasser Egoist gezeichnet, der unter der Maske des zärtlichen Vaters Besitzansprüche an seine Pflegetochter durchsetzt. Nathan unterwirft sich die Liebenden, indem er sie zu Geschwistern macht, die deswegen nicht heiraten dürfen. Das Drama endet damit, dass der Macher Nathan, der nicht zur Blutsfamilie Saladin gehört, über Freundschaft und Adoptivvaterschaft das Familienoberhaupt bleibt. Dem großartigen Altruismus steht der Egoismus gegenüber, verbunden in einer Person. 6 Diese Wertung der Titelfigur findet sich in der riesigen Interpretationsliteratur nicht. Die Familiengeschichte des Dramas überhaupt, die ja die Handlung ausmacht, wurde nur spärlich und sehr spät, und auch da nur ganz selten unter dem Aspekt der Vater-Tochter-Beziehung und der Liebesgeschichte zum Gegenstand der Interpretation. 7 Die Vernachlässigung der Vater-Tochter-Beziehung und der - verhinderten - Liebesgeschichte liegt natürlich daran, dass die Ringparabel und die geschichtliche Bedeutung des Themas der Versöhnung der drei großen monotheistischen Religionen im Vordergrund stand und bis heute steht. Die Ringparabel bleibt infolge der Themenstellung dieses Beitrags weitgehend ausgespart, siehe Böhler. Sie liegt aber auch daran, dass Lessing die Vorgänge mehrdeutig angelegt und die psychischen Bindungen in symbolischer Dramensprache versteckt und nur so offenbart hat. So lässt sich etwa das Motiv für Nathans Recherchen zur Herkunft des Templers und Rechas auch aus der vermuteten und geahnten Geschwisternschaft herleiten und damit aus dem Willen, den Inzest zu verhindern. Rechas sinnliche Leidenschaft zum Tempelherrn wird in der Symbolik von Feuer und Rettung erzählt. Nathans Handeln scheint auch motiviert mit der Angst, Recha an den bösen Patriarchen zu verlieren. 8 Signifikant ist, dass die Vater-Tochter-Geschichte samt verhinderter Liebesgeschichte den Hauptteil der Dramenhandlung ausmacht. Die wenigen Interpretationen, die auf dieses Verhältnis eingehen, sind schnell genannt. Das ausbleibende happy end kritisierte der Literaturkritiker und Schriftsteller Friedrich Theodor Vischer 1857: “Die Handlung” schließe “schlecht im Sinne des bürgerlichen Familienstücks (…) mit einer Erkennung, worin Liebende zu Geschwistern werden müssen.” Aber auch Vischer sieht den Egoismus Nathans nicht, denn er fährt fort: “Es ist hier vor Allem der freie, klare, harmonische Charakter des Nathan, der ein positives Ende fordert.” 9 Der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt nannte das Nathan -Drama “eine Art umgekehrter Ödipus”, denn Inzest und 130 Rüdiger Scholz Vatermord würden verhindert (zit. nach Bahr 70). Ernst genommen hat die Familiengeschichte Peter Horst Neumann 1977, der die Vaterautorität psychoanalytisch analysiert und den Konflikt zwischen Recha und Nathan sieht (60—75). Denis Jonnes weist darauf hin, dass sich im Dreieck Nathan, Recha und der Tempelherr “a triangular father/ daughter/ suitor configuration constitutes” wie in den beiden Trauerspielen Miß Sara Sampson und Emilia Galotti (168 f.) Thomas Koebner sieht 1987 die “Verlustangst” Nathans (165). John A. McCarthy erkennt “eine Art Symbiose” zwischen Nathan und Recha “wie ehedem zwischen Emilia und Odoardo” (357). Helmut J. Schneider spricht von “Insemination des weiblichen Körpers durch die väterliche Vernunft” und markiert damit das zu enge Verhältnis zwischen Recha und Nathan ( Geburt 31). Breiter erörtert Ortrud Gutjahr 1993 das Verhältnis von Religionskritik und Liebesdrama. Das Liebesglück werde der Idee der Toleranz geopfert. Peter Pütz schließlich sieht die Ursache für das ausbleibende Liebes-Happyend in Lessings Misstrauen gegen Liebesleidenschaft (276). 10 Aber weder Neumann noch Gutjahr noch McCarthy noch Pütz sehen die Dialektik der Humanität in der Nathan-Figur. Ganz im Gegenteil zu meiner These wertet Neumann Nathan als “vollkommenen Vater”, Gottfried Willems noch 2012 in seiner Literaturgeschichte Nathans Umgang mit Recha “einfühlsam” (202). Dabei wird der Egoismus Nathans von Lessing geradezu aufdringlich dargestellt. Die gesamte Dramenhandlung kreist darum, dass Nathan seine Pflegetochter Recha, die glaubt, die leibliche Tochter des Juden zu sein (V. 5., V. 3436—38), ihrem Retter, dem Tempelherrn, den Recha anfänglich auch mit einem Hauch von Leidenschaft liebt, nicht zur Frau geben will. 11 Lessing macht gleich im ersten Dialog klar, dass Recha, die Pflegetochter, Nathans höchstes Liebesobjekt ist. Während ihn der Brand seines Hauses kalt lässt, will er nicht mehr weiterleben, wenn Recha zu Tode gekommen wäre: “Verbrannt? Wer? Meine Recha? Sie? - / Das hab ich nicht gehört. - Nun dann! So hätte / Ich keines Hauses mehr bedurft” (1.1.21—23). Er reagiert panisch und nimmt, gegen den gegenteiligen Bericht Dajas, plötzlich an, Recha sei verbrannt: “Ha! Sie ist es wohl! / Ist wirklich wohl verbrannt! - Sag nur heraus! / Heraus nur! - Töte mich: und martre mich / Nicht länger. - Ja, sie ist verbrannt (1.1.24—27). In dieser ersten Szene macht Nathan aus dieser Höchstwertigkeit Rechas für ihn Besitzansprüche geltend. In dem folgenden kurzen Dialog zwischen Daja und Nathan, der sich unmittelbar an seine Angst anschließt, Recha könnte verbrannt sein, geht es um Nathans Eigentumsrechte gegenüber Recha: DAJA: Wenn sie Es wäre, würdet Ihr von mir es hören? NATHAN: Warum erschreckest Du mich dann? - O Recha! Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 131 O meine Recha! DAJA: Eure? Eure Recha? NATHAN: Wenn ich mich wieder je entwöhnen müsste, / Dies Kind mein Kind zu nennen! DAJA: Nennt Ihr alles, / Was Ihr besitzt, mit ebenso viel Rechte / Das Eure? NATHAN: Nicht mit größerm! Alles was / Ich sonst besitze, hat Natur und Glück / Mir zugeteilt. Dies Eigentum allein / Dank ich der Tugend. (1.1. 27—36) Das bezieht sich zwar darauf, dass Nathan ja nur der Pflegevater ist und nicht die vollen Rechte des biologischen und durch eheliche Geburt sanktionierten Vaters hat, aber die Emphase Nathans macht klar, dass Recha sein liebster Mensch ist, dessen Untergang sein eigenes Lebensende wäre und dass er sie wegen seiner Liebe zu ihr sie behalten will. Daher sagt er im 4. Akt nochmals: “Ich bliebe Rechas Vater / Doch gar zu gern! ” (4.7.2912f.). Angesichts der Gefahr, dass ihm Recha vom Patriarchen entrissen wird, weil sie christlich getauft wurde, zieht er in Erwägung, Recha seinem neuen Freund, dem Templer, zur Frau zu geben: “Mir wär der Tempelherr schon recht. Ihm gönnt / Ich Recha mehr als einem in der Welt” (4.6.2898f.). Und eine Szene später: “Gott! Wenn ich doch das Mädchen noch behalten, / Und einen solchen Eidam mir damit / Erkaufen könnte! ” (4.7.3118—20). Dieses Zugeständnis erweist sich aber als nicht notwendig, als sich die Möglichkeit abzeichnet, dass Recha und ihr Liebhaber Geschwister sind und da Saladin die Auslieferung Rechas an den Patriarchen verhindert. Da bricht Nathan in einen großen Stoßseufzer aus: “Gott! / Daß ich nicht gleich hier unter freiem Himmel / Auf meine Knie sinken kann! Wie sich / Der Knoten, der so oft mir bange machte, / Nun von sich selber löset! ” (3324—27). Dass damit nicht Nathans Angst vor dem Inzest von Recha und dem Templer gemeint ist, wie manche Interpreten annehmen, zeigen Nathans Ängste vor dem Verlust von Recha durch Verlieben und Ehe. Die private Geschichte der drohenden Verheiratung Rechas wird gleich zu Beginn dramatisch in Szene gesetzt. Der reiche Jude Nathan kommt von einer längeren Geschäftsreise nach Hause zurück und muss erfahren, dass es in seinem Haus gebrannt hat und Recha von einen jungen Mann gerettet worden ist, einem jungen Tempelherrn, “den, wenig Tage / Zuvor, man hier gefangen eingebracht, / Und Saladin begnadigt hatte.” (1.1.84—87) Damit droht ein möglicher Liebhaber für Recha, was Nathan höchst beunruhigt. Im 2. Akt (4. Aufzug) will er durch scheinbar geschicktes Fragen herausfinden, ob Recha ihren Retter liebt: “Ich möchte dich nicht anders, als du bist: / Auch wenn ich wüßte, daß in deiner Seele / Ganz etwas anders noch sich 132 Rüdiger Scholz rege.” Als die unschuldige naive Recha fragt: “Was. / Mein Vater? ”, antwortet Nathan beruhigend: “Fragst du mich? So schüchtern mich? / Was auch in deinem Innern vorgeht, ist / Natur und Unschuld. Laß es keine Sorge / Dir machen. Mir, mir macht es keine” (2.4.1160—66). Das doppelte “Mir” verrät Nathan: es macht ihm eben sehr große Sorgen. Daher muß er Recha das Versprechen abnehmen, dass diese alle ihre Wünsche Nathan mitteilt. Im folgenden versucht er, die Begegnung Rechas mit dem Templer zu vereiteln, obwohl oder weil Recha sehr neugierig auf den Tempelherrn ist. In der folgenden Szene (2. Akt, 5. Aufzug) versucht Nathan, den Tempelherrn als Freund zu gewinnen, um auf ihn Einfluß zu nehmen. Es gelingt: Beide werden Freunde: NATHAN: Kommt, / Wir müssen Freunde sein! (…) TEMPELHERR: Nathan, ja; / Wir müssen Freunde werden” (2.5.1306 —19). Nathan versucht hier, den Templer durch die Freundschaft zu entsexualisieren und damit von Recha abzuziehen, was auch gelingt. 12 Es ist fast dieselbe Situation wie zwischen Odoardo und Appiani in Emilia Galotti, wo es Ododardo gelingt, Appianis Liebesinteresse von Emila auf ihn selbst umzulenken. Vor der nächsten Begegnung Nathans mit dem Tempelherrn liegt die Szene zwischen Recha und dem Tempelherrn, der sich bei dieser Begegnung heftig in Recha verliebt. Nathan fragt daher sofort den Templer aus: “Sagt: Wie / Gefällt Euch Recha? ” (3.9.2172f.) Als der Templer mit den Worten “Mein Vater” Nathan um den Hals fällt, weist dieser ihn ab (2178). So richtig es ist, dass Nathans Verhalten durch die sich entwickelnde Aufdeckung der Geschwisternschaft von Recha und dem Templer motiviert erscheint, so richtig ist auch, dass dies nicht die einzige, und nicht die wichtigste Ebene ist. Lessing bringt die Rivalität von Nathan und dem Tempelherrn auf den Punkt, indem er den Tempelherrn sagen läßt, dass dieser, genau wie Nathan, ohne Recha nicht leben kann: “(…) Von ihr getrennt / Zu leben, ist mir ganz undenkbar; wär / Mein Tod, - und wo wir immer nach dem Tode / Noch sind, auch da mein Tod. - Ist das nun Liebe” (3.8. 2126—29). Und noch einmal weist Nathan die Bitte des Templers ab, ihm Recha zur Frau zu geben, jetzt im Wissen, dass Recha und der Templer Geschwister sind: TEMPELHERR: (…) Gebt / Sie mir! Ich bitt Euch, Nathan, gebt sie mir! / Ich bin’s allein, der sie zum zweiten Male / Euch retten kann - und will. NATHAN: Ja - Konnte! Konnte! / Nun auch nicht mehr. Es ist damit zu spät. (5.5.3444—48) Nach der Anzahl der Auftritte gerechnet, fungiert, worauf Koebner hingewiesen hat, der Tempelherr “offensichtlich als Antagonist der Titelfigur” (181). Selbst Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 133 wenn man die Bezüge auf die Vorgeschichte einrechnet: Es geht Nathan um den Besitz von Recha, den er gegen alle verteidigen will, gegen die christlichen Eiferer, welche die christlich getaufte Frau dem Juden entreißen wollen und gegen den Liebhaber, der nach Nathans Empfinden ihm Recha mit dem schlimmsten aller Mittel, der sinnlichen Liebe, wegzulocken droht. Nathan ist derjenige, der die Handlung vorantreibt, ausgelöst durch den Rivalen, den Templer. 13 Motiviert wird diese Besitzliebe durch das Schicksal Nathans, dessen Frau und alle sieben Söhne von Christen ermordet wurden, im Haus von Nathans Bruder verbrannten. Daher die Panik, Recha könnte verbrannt sein. Als Nathan nach dem Verlust seiner Familie auf dem Tiefpunkt angelangt war, wurde ihm das Kind übergeben, um das er sich kümmern musste und das ihm der Ersatz für die Ermordeten geworden ist (4.7.3038—64). Das macht Nathans Kampf um Recha verständlich, rechtfertigt aber nicht, dass Nathan Recha, die mit 18 Jahren kein Kind mehr ist, vor allem psychisch nicht freigeben will. Lessing reiht mit dieser Eröffnungsszene die Titelfigur ein in die Reihe der Väter in seinen Dramen, die ihre Tochter für sich behalten wollen. Schon in dem Jugenddrama Die Juden von 1749, das Lessing als Zwanzigjähriger verfasst hat, kann der Baron, der auf jeden möglichen Heiratskandidaten seiner Tochter eifersüchtig ist, selbst dem Retter seiner Tochter diese nicht zur Frau geben will, obwohl die Tochter ihren Retter liebt, weil dieser Jude ist - ein gegen seine Tochter böses, inhumanes und zugleich gesellschaftlich brisantes Argument. 14 In den Hauptdramen Miss Sara Sampson und Emilia Galotti kommt es infolge der Besitzansprüche der Väter zur Katastrophe. In diesen beiden Dramen überlebt die jüngere Generation den Konflikt nicht, während die Väter am Leben bleiben, wenn sie auch ihr Ziel nicht erreichen, da sie ihre Töchter durch gewaltsamen Tod verlieren. Recha überlebt zwar, aber sie kann sich nicht frei entfalten, sondern wird geradezu entmündigt. Nathan nennt sie “Armes Kind! ” (1.1.69) und “Mein Kind! Mein liebes Kind! ” (1.2.178). Das mag noch im üblichen Sinn als Bezeichnung eines Vaters für seine Tochter gemeint sein, selbst wenn diese schon erwachsen ist. Im Kontext weiterer Merkmale aber zeigt sich, dass Nathan sie im Kindstatus festhält und daher so bezeichnet. Recha kann nach eigenem Bekenntnis kaum lesen, Bücher zu lesen fällt ihr sehr schwer. Alles, was sie weiß, hat sie mündlich von Nathan (5.6.3529ff.). Und das im Bücher lesenden 18. Jahrhundert! in dem Sophie Gutermann, spätere La Roche, schon mit 3 Jahren zu lesen begann und in dem ein Lessing sich schon als Kind nur mit einem großen Haufen Bücher malen lassen wollte! Krasser kann das frevelhafte Verkümmerung des Geistes nicht ausgedrückt werden. 15 Dass auch ihr Retter und Liebhaber sie “gutes, holdes Kind! ” (3.2.1634) nennt, unterstreicht den Eindruck der Kindhaftigkeit, den sie auch durch ihre Geschichte, sie sei von einem Engel gerettet worden, nicht 134 Rüdiger Scholz von einem Menschen, und mit ihren “Wahn”, der Versöhnung aller Religionen, ausstrahlt (1.1.151—53 und 1.2.). Sie hat, fixiert an den Vater, ihre Rolle als kleine kindliche Tochter weitgehend verinnerlicht. Aus dieser Situation bricht sie auch durch die im Ansatz aufkeimende, ihr zunächst unbewusste Liebesleidenschaft zum Tempelherrn nicht aus. Auf die Frage, wen Recha eigentlich liebt, muss die Antwort zwar lauten: am Anfang und am Ende des Dramas allein ihren Vater Nathan. Aber sie macht eine Entwicklung durch. Nach ihrer Rettung liebt sie ihren Retter als Engel, als wirklichen Engel: “Nicht so ein Engel; nein! ein wirklicher; / Es war gewiß ein wirklicher! (…) Ich lieb ihn ja” (1.1.204—210). Dann entwickelt sie eine große Neugier auf den Templer. Das geht nicht nur aus Dajas Bericht hervor, deren Glaubwürdigkeit zweifelhaft ist, da sie Recha unbedingt mit dem Tempelherrn verkuppeln will, sondern auch durch Rechas Neugier auf den Tempelherrn: Nach Daja hat sie “Ihr gierig Aug” auf den Tempelherrn geworfen (1.4.514). Im zweiten Akt möchte sie den Templer von ferne unbedingt sehen: “Nur einen Blick noch! - ah! die Hecke, / Die mir ihn stiehlt” (2.5.1183f.). Ihr Herz schlägt höher, wenn sie den Templer sieht (3.3.1722f.). Kurz vor der Begegnung mit dem Tempelherrn spricht sie aus, dass sie auf dem Weg einer leidenschaftlichen Liebe zu ihm ist: “Und wenn er nun / Gekommen diesen Augenblick, wenn denn / Nun meiner Wünsche wärmster, innigster / Erfüllet ist: was dann? - was dann? (…) Was wird dann / In meiner Brust an dessen Stelle treten, / Die schon verlernt, ohn einen herrschenden / Wunsch aller Wünsche sich zu dehnen? (3.1.1527—35). 16 Nach der - späten - Begegnung mit dem Tempelherrn, in der zweiten Szene des dritten Aktes, erlischt die leidenschaftliche Liebe. Nachdem er gegangen ist, wird sie nach der Aufregung ruhig und formuliert dann selbst das Ende ihres leidenschaftlichen Interesses an dem Tempelherrn: “Er wird / Mit ewig wert; mir ewig werter, als / Mein Leben bleiben: wenn auch schon mein Puls / Nicht mehr bei seinem bloßen Namen wechselt; / Nicht mehr mein Herz, sooft ich an ihn denke, / Geschwinder, stärker schlägt” (3.3.1718—23). Über die Ursache des vorzeitigen Endes der aufkeimenden Liebe kann nur spekuliert werden, weil die Szene keine Begründung liefert. Auf dem Hintergrund des Dramas ist die Bindung an den Vater die Ursache. Klügers Annahme, “das instinktive Wissen um die Blutsverwandtschaft” sei die Ursache, findet im Drama keinen Beleg, weil Recha keine noch so entfernte Ahnung von der Geschwisternschaft hat, sondern bei der Entdeckung aus allen Wolken fällt (Kreuzzug 210). Der Tempelherr muss spät erkennen, dass Recha ihn nicht liebt. Im letzten Auftritt wird endgültig klar, dass Recha keine Liebesleidenschaft für den Tempelherrn empfindet, nicht einmal großes Interesse an ihm hat. 17 Recha bestätigt Nathan, dass sie niemanden in ihrem Herzen hat: Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 135 NATHAN: (…) (Geht auf Recha zu) Du hast geweint? / Was fehlt Dir? - bist doch meine Tochter noch? RECHA: Mein Vater! … NATHAN: Wir verstehen uns. Genug! - / Sei heiter! Sei gefaßt! Wenn sonst dein Herz / Nur dein noch ist! (…) / Wenn deinem Herzen sonst / Nur kein Verlust nicht droht! - Dein Vater ist Dir unverloren! RECHA: Keiner, keiner sonst! TEMPELHERR: . Sonst keiner? - Nun, so hab ich mich betrogen. (…) Das ändert, Nathan, / Das ändert alles! (5.7.3701—13) Die Szene demonstriert Rechas psychische Fixierung allein auf den Vater. Recha liebt nur ihn. In der Szene zuvor ist sie, als sie Sittah von ihrer wahren Herkunft erzählt, in höchster Erregung, weil ihr Nathan als Vater genommen wird: “(…) er nicht mein Vater! / - Gott! Gott! Er nicht mein Vater! - Sittah! Sittah! ” (5.7.36f.). Nathan hat gewonnen. Der Templer sieht seine Niederlage ein; er gibt das Werben um Recha auf. Die Szene macht aber endgültig klar, dass Recha und Nathan sich in einem psychisch inzestuösen Verhältnis befinden. Die Abwehr des genitalen Geschwisterinzests stabilisiert dieses psychisch inzestuöse Vater-Tochter-Verhältnis. 18 Diese Ebene der psychologischen Charakterisierung Rechas ist aber nur die Oberfläche. Auf einer weiteren, verdeckteren Ebene wird deutlich, dass Recha sehr früh und sehr stark auf dem Weg ist, den Templer als Liebhaber und Ehemann zu sehen, um erwachsen zu werden. Das macht Lessing in seinem typischen Symbolstil im dramatischen Akt der Rettung Rechas aus dem brennenden Haus Nathans deutlich: Der Brand symbolisiert Rechas Bedrohung. Sie droht in der Obhut des Vaters unterzugehen, von Nathan, für den sein Haus symbolisch steht, im übertragenen Sinn verbrannt zu werden. Ihre Rettung durch einen möglichen Liebhaber ist psychisch zu verstehen als Rettung aus der Fixierung an Nathan. Zugleich ist das Feuer Symbol für die erwachende Sexualität Rechas. 19 Dazu trägt die äußere Erscheinung des Tempelherrn bei. Sein weißer Mantel mit rotem Kreuz ist “vorgespreizt”: “Mit vorgespreiztem Mantel” (Daja, 1.1.100) rannte der Tempelherr in Nathans Haus, um Recha zu retten. Zur Verstärkung dieses Bildes wiederholt Nathan: “(…) Ja, ja! Der weiße vorgespreizte Mantel / Des Tempelherrn” (1.2.193f.; das rote Kreuz: 1.5.570). “Vorgespreizt” ist ein ungewöhnliches Wort, hier mit sexueller Anspielung. Das Weiß des Mantels kontrastiert dazu. Recha erlebt den Templer anfangs, bei ihrer Rettung, als weißen Engel, d. h. entsexualisierten Menschen, dann erst als sinnliches Liebesobjekt (1.2.193ff.). Nathan empfindet den Templer als Mann des “prallen Gang” mit bitterer Schale, aber süßem Kern (2.5.1196ff.). 136 Rüdiger Scholz Der Brand und der weiße Mantel sind auch für den Templer psychisch bedeutsam: Auch für den Tempelherrn symbolisiert der Brand Gefahr und sexuelle Leidenschaft. 20 Er begibt sich in Todesgefahr, um Recha zu retten, sein Mantel wird angesengt; mit der Rettung gewinnt er zugleich ein höchstes Liebesobjekt. Für Recha eröffnet sich die Möglichkeit, durch den Brand Nathans Haus zu verlassen, dann mit Hilfe ihres Retters, von Nathan loszukommen, sich zu verlieben, ein eigenes Leben zu beginnen, außerhalb der Oberaufsicht Nathans. Auch der Ausgang ist in den Folgen des Brandes symbolisiert. Nathans Haus brennt nicht ab, bleibt bewohnbar und fest bestehen. Da keine schwere Beschädigung eingetreten ist, kann und muss Recha weiter darin leben. Das heißt: Nathans Macht über Recha ist ungebrochen, wankt nur durch den Brand in seiner Abwesenheit, durch den Schritt des Tempelherrn in das Haus, den zu wiederholen dieser sich weigert: “TEMPELHERR: Wohin? / Nein! - Mit in Euer Haus? - Das nicht! Das nicht! - / Da brennt’s! ” (3.9.2222—24). Mit dem folgenden Monolog (III., 10.) wird klar, dass der Tempelherr mit “da brennt’s” seine Liebe zu Recha meint. Die erwachende sinnliche Lust und die Liebeswahl eines nur wenig älteren Mannes sind für Nathan höchst bedrohlich in seinem Besitz Rechas. Dass Recha infolge des Besitzegoismus Nathans um ihr Liebesglück übel betrogen wird, zeigt Lessing wortreich in der sechsten Szene des vierten Aktes im Dialog zwischen Daja und Nathan über das Brautkleid Rechas. Nathan hat aus Babylon kostbare Stoffe mitgebracht, und Daja findet, einer passe als Brautkleid - für Recha. Nathan begreift gar nicht, dass Daja von Rechas Brautkleid redet und fragt sie, ob sie, Daja, selbst heiraten wolle. Resultat: es wird kein Brautkleid für Recha geben. Parallel zum zaghaften Erwachen der sinnlichen Liebe in Recha wird - etwas zeitversetzt - derselbe Prozess beim Tempelherrn dargestellt. Curd von Staufen, obwohl in der Liebe nicht ganz unerfahren (3.10.2235f.) ist anfangs ein frommer, kämpferischer Christ, ein Franke, ein Einzelgänger, der sich lange gegen die Liebe Rechas zu ihm und gegen seine eigene erwachende Leidenschaft für sie wehrt. Auch hier ist das Darstellungsmittel die Symbolik. In geradezu aufdringlicher Wiederholung ist von den Palmen die Rede, unter denen er sich aufhält. Elfmal kommt der Begriff in den Dialogen vor, mehrere Szenen spielen in dem und nahe dem Palmenhain (1.5; 2.4; 3.8.; 4.6). Die gesamte Topographie ist von Lessing symbolträchtig angeordnet. Das Palmenwäldchen befindet sich nahe bei dem Haus von Nathan. Recha kann von ihrem Fenster aus die Palmen sehen (3.31724f.). Die Palmen wiederum liegen auch nahe am Grab Jesu Christi. An das Palmenwäldchen schließt sich ein Kloster an (1.1.124ff.; 3.8. Regieanweisung). Das besagt: Unmittelbar neben dem Haus des reichen Juden Nathan beginnt die christliche Sphäre, nicht irgendeine, sondern mit Jesu Grab eine Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 137 hoch repräsentative. Die Palmen sind durch die Bibel christlich assoziiert, von den Palmenzweigen für das Laubhüttenfest - ein natürlich jüdisches Fest - bis zu den Palmenzweigen, die auf den Weg des in Jerusalem letztmalig einziehenden Jesus von Nazareth gelegt werden. In der ersten Szene des 1. Aktes spricht Daja den Zusammenhang von Palme und Jesus an: “die ersten Tage [nach der Rettung Rechas] sahen wir / Ihn unter Palmen auf und nieder wandeln, / Die dort des Auferstandnen Grab umschatten” (1.1.109—11, wiederholt 124 f.). Das ist die Sphäre des Tempelritters, die er erstmals verlässt, um Recha aus dem brennenden Haus des Juden zu retten. Das Drama setzt ein mit dem Versuch der jüdischen Hausbewohner Daja und Recha und dann auch Nathan, den Templer aus seiner christlichen Sphäre der Palmen wegzulocken und Kontakt mit ihm aufzunehmen, wogegen er sich anfangs heftig wehrt. Sinn und Ziel dieser Handlung ist die Bekehrung des Tempelherrn von Judenhasser zum Judenfreund, der schon in der fünften Szene des zweiten Aktes per Handschlag Freundschaft mit Nathan schließt (1306 ff.). Zugleich stellt Lessing in dieser Topographie und Handlung die erwachende sinnliche Liebesleidenschaft des Liebhabers dar. Die Sphäre der Palmen mit Jesusgrab und Kloster ist zunächst christlich fromm, d. h. asexuell; unter den Palmen wandelt keine Frau, überhaupt niemand außer dem Templer, der sich nur mühsam aus seiner asketischen Umgebung in die Sinnlichkeit des jüdischen Hauses locken lässt. Dass er seiner erwachende Liebe zu Recha ausweicht, beweist seine Flucht aus der Nähe von Nathans Haus auf den Berg Sinai, wo nach dem Alten Testament einst Moses in Einsamkeit die 10 Gebote vom Herrn erhielt, worauf angespielt wird (3.2.1648ff.). Der Templer sucht, so die Handlung, die Zwiesprache mit Gott in einer Situation, wo er im Begriff ist, seine mönchische Lebensführung für Gott infolge seiner Liebesleidenschaft zu Recha aufzugeben. In seinem Monolog im dritten Akt spricht er den Konflikt aus: “Nun gut! Ich mag nicht, mag nicht näher wissen, / Was in mir vorgeht.; mag voraus nicht wittern, / Was vorgehn wird. - Genug, ich bin umsonst / Geflohn! Umsonst” (3.8.2112—15). Nämlich vor seiner Liebe zu Recha. Zu Daja hat der Templer schon vorher gesagt, als sie ihn auf Recha hin anspricht: “Weib, macht mir die Palmen nicht / Verhaßt, worunter ich so gern sonst wandle” (1.6.783f.). Die Palmen sind aber auch Bäume der Lust. Es handelt sich um Dattelpalmen, deren Früchte gerade reif sind. Nach der Rückkehr vom Sinai wandelt der Templer wieder unter den Palmen und isst von ihren Früchten: “Ich habe Fleisch wohl lange nicht gegessen: / Allein, was tut's? Die Datteln sind ja reif” (1.5.547f.). In einer weiteren Stelle findet es Nathan unpassend, dass der Templer Datteln isst: 138 Rüdiger Scholz DAJA [zu Nathan]. Er wandelt unter Palmen wieder auf / Und ab; und bricht von Zeit zu Zeit sich Datteln. / NATHAN: Sie essend? - Und als Tempelherr? DAJA: Was quält / Ihr mich? Ihr [Rechas] gierig Aug' erriet ihn hinter / Den dicht verschränkten Palmen schon; und folgt / Ihm unverrückt. (1.4.511—16) Alles ist hier symbolisch: Mit den Datteln isst der Tempelherr die süße Frucht - Zeichen für sinnlichen Genuss. Das bestätigt Nathans Kritik. Zugleich scheint das Essen von Datteln für einen Christen unüblich. Da aber der Tempelherr gebürtiger Orientale ist, was Nathan an der Stelle noch nicht weiß, passt es in Horizont der Gesamtgeschichte wieder. 21 Der unmittelbare Anschluss mit Rechas “gierig Aug'“ auf den zurückgekehrten Tempelherrn zieht den Vorgang in den Bereich des sinnlichen Liebe. Der sinnliche Genuss der Datteln hat dann auch sexuelle Bedeutung. Hinzu kommt, dass in einem deutschen Drama des 18. Jahrhunderts mit dem weit verbreiteten Tick südlicher sinnlicher Freiheit Palmen schon an sich südliches sinnliches Flair indizieren. 22 Dass Curd von Staufen die reifen Datteln unmittelbar nach seiner Rückkehr vom Berg Sinai ißt, zeigt den Umschwung in ihm: er wendet sich von der Askese zum Genuss, d. h., zur sinnlichen Liebe. Dass der Tempelherr schon von Anfang an zwischen christlicher Sexualaskese und und sinnlicher Leidenschaft hin und hergerissen ist, symbolisiert auch seine Kleidung, wie schon dargestellt. Warum erzählt Lessing diese Liebesgeschichte in seinem “Dramatischen Gedicht” mit dem Hauptthema politischer Religionstoleranz in solcher Symbolik? Ein wichtiges Motiv mag sein, dass Recha selbst lange ihre Sinnlichkeit nicht bewusst ist und sie ihre Bedrohung durch die Fixierung an Nathan nicht begreift. Um die sexuelle Sinnlichkeit dieser Liebe nicht allzu offen darzustellen? Bedeutet die symbolische Darstellung Lessings Verdammung der Leidenschaft als zerstörerisch, wie einige Interpreten, z. B. Pütz, meinen? Das Plakative dieser Symbolik, deren Metaphorik der Allegorie benachbart ist und die wir heute als etwas lächerlich empfinden, weil wir an der Symbolik Goethes geschult sind, wertet das Thema Liebe jedenfalls auf. Die Liebesgeschichte erhält mit der Symbolik ein starkes Gewicht, sie begründet schließlich die Tragik des Dramas. Wie Recha wird dem Liebhaber übel mitgespielt. Mit dem Tempelherrn setzt Lessing die Reihe der “betrogenen” Liebhaber in seinem Werk fort. Parallel zu der Reihe der siegenden Väter gestaltet Lessing in seinen Dramen die Reihe der untergehenden Jünglinge: vom Freigeist über Lelio ( Der Schatz ) Ende der 1740er Jahre, über Mellefont, Lucas und Philotas in den fünfziger Jahren, die sich selbst töten, über Tellheim in den 60er Jahren, den seine Frau psychisch verschlingt, bis zu Appiani in der Emilia Galotti , der umgebracht wird. Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 139 Den Templer im Nathan ereilt - ähnlich wie Recha - ein besonders fieses Schicksal: Er weiß am Ende nicht mehr, wer er ist: Anfangs der stolze christliche deutsche Ritter des Templerordens Curd von Stauffen, soll er nun Leu von Filnek sein, und seine Geliebte Recha wird ihm entrissen, da sie seine Schwester sein soll. 23 Dem jungen Mann gelingt keine eigene Familiengründung; er wird auf die Elternfamilie zurückgeworfen von Rechas Pflegevater, der sich als der Macher der ganzen Tragödie behauptet: Nathan kann Recha behalten. 24 Wie Odoardo integriert er den Schwiegersohn als eigenen Sohn durch Entsexualisierung, hier mittels des Inzesttabus. 25 Hinzu kommt, dass der Tempelherr in seinem Monolog im 5. Akt (3. Szene) vor sich selbst bekennt, dass er Recha eigentlich nur deswegen liebte, weil sie die Tochter des Juden Nathan war. Dieses Harmoniedrama hat also in der jungen, 18jährigen Recha und ihrem Liebhaber zwei tragische Figuren, über deren Tragik das Drama aber gar nicht mehr verhandelt, sondern in der allgemeinen Umarmung zukleistert. Nathan ist die überlegenste aller Vaterfiguren im Werk von Lessing. Nathan braucht sein Liebesobjekt nicht zu töten wie Odoardo, um es dem Liebhaber zu entreißen. Dass Recha bei all ihrer Liebe zu ihrem sozialen Vater Nathan eine tragische Figur ist, darüber kann auch ihre Freude über den neu gewonnen Bruder nicht hinwegtäuschen. Mit ihrer Liebe zu dem Tempelherrn, ihrem Retter, ist sie auf dem Weg aus dem Haus Nathans hinaus in eine Zukunft mit einem sexuell sinnlichen Liebesglück, auf dem Weg zu einer eigenen Familie mit neuen Wohnsitz und eigener Umgebung. Sie ist aber psychisch so stark an ihren sozialen Vater Nathan gebunden, dass schon nach der ersten Begegnung die sinnliche Liebe zu einem Mann ihrer Generation verkümmert. Nach der Eröffnung, dass ihr Retter ihr Bruder ist, erlischt ihre schon zuvor sistierte sexuelle Sinnlichkeit endgültig. Für Recha gibt es kein Brautkleid, sie verbleibt physisch und emotional in der Primärfamilie. Daher sagt der Tempelherr: “Arme Recha! Was / Dir alles zustößt, arme Recha! Was / Ein Glück für andre Waisen wäre, wird / Dein Unglück! Nathan! ” (5.5.3457—59). Tragisch ist die Situation der jungen Generation, da diese nicht zum Ziel einer eigenen Familiengründung mit Nachkommen gelangt. Die Tragik der Hauptfiguren wird noch dadurch gesteigert, dass das Drama nicht als Tragödie endet, sondern als Komödie. 26 Die Widersprüche in der literarischen Gattung und in der Form sind oft und intensiv diskutiert worden. 27 Für einen akzeptablen Komödienschluss müsste die geheime Sehnsucht der Liebenden in Richtung Geschwisterliebe gehen. Hier aber ist das Gegenteil der Fall, woraus die Tragödie für die Liebenden resultiert und sich verschärft, weil ihnen kein Pathos zugestanden wird, sondern sie in der Umarmung zum Verstummen gezwungen werden. Gegen diese Interpretation können zwei Einwände erhoben werden: 140 Rüdiger Scholz 1.Dass Lessing tief in die Klamottenkiste barocker Identitätsvertauschungen greift, die im 18. Jahrhundert nur noch die Trivialliteratur bevölkern, hat seinen Grund in Lessings Ziel, die Relativität der Religion als Identitätsfaktor zu zeigen. Die verwickelten Herkunftsgeschichten erweisen, dass die Menschlichkeit als oberste ethische Kategorie unabhängig von der Religion ist. Recha ist christlich geboren und getauft, aber jüdisch erzogen. Die Christin Daja ist ihre Erzieherin in einem jüdischen Haus. Der christliche Kreuzritter hat einen muselmanischen Vater, der ein Faible für Christinnen hatte; er wird christlich erzogen mit der christlichen Einstellung, Juden seien minderwertigen Menschen. Mit seiner Liebe zu Recha gibt er dieses Vorurteil auf. Nathan ist Jude, verhält sich in extremer Notsituation wie ein wahrer Christ, was ihm der Klosterbruder bestätigt: “Ein bessrer Christ war nie! ” (4.7.3058). Pütz hat 1986 die von Lessing bewusst angelegte Dialektik dargestellt: Der Jude Nathan, dem die Christen alle seine Söhne ermordet hatten, nahm sich eines Christenkindes an. Der judenfeindliche Templer rettet ein jüdisches Mädchen, der mohammedanische Saladin begnadigt einen christlichen Kreuzzugsritter, nur so konnte dieser Recha retten. Die Botschaft der verwickelten Verwandtschaftsverhältnisse lautet: Gerade die Kreuzzüge, in denen es um Herrschaft im Vorderen Orient aus ökonomischen Gründen geht, deren Gewand religiöser Fanatismus ist, zeigen, dass sich die Vermischung der Religionen hinter dem Rücken der von egoistischen Motiven geleiteten handelnden Menschen vollzieht. Die Menschlichkeit entwickelt sich auf Grund sozialen Verhaltens, unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Dass Menschlichkeit der oberste positive Leitbegriff des Dramas ist, wurde in den Interpretationen wiederholt betont. Daher hier nur eine Skizze in Thesen: Menschlichkeit steht gegen Religionsfanatismus. Sittah zu ihrem Bruder Saladin: “Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen. / Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen. Denn / Selbst das, was, noch von ihrem Stifter her, / Mit Menschlichkeit den Aberglauben wirzt, / Das lieben sie, nicht weil es menschlich ist” (2.1.867—872). Diese These formuliert auch Nathan gegenüber dem Tempelherrn: “Was heißt denn Volk? / Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, / Als Mensch? ” (2.5.1309—11). Die Tat der Rettung Rechas aus den Flammen ist die Tat eines Menschen, wie durch Sperrung des Wortes hervorgehoben wird: “NATHAN [zu Daja]: Laß mich! - Meiner Recha wär / Es Wunders nicht genug, daß sie ein M e n s c h / Gerettet” (1.2.227—29). Der Templer mit seiner christlich aggressiven Ideologie gegen Juden rettet ein Judenmädchen, weil sich in der Notsituation die Menschlichkeit durchsetzt. Die Folge seiner menschlichen Tat ist, dass er sich in das Judenmädchen verliebt und sein Weltbild ändert. Am Ende erfüllt sich in den Lebensgeschichten der Hauptfiguren Rechas Traum, ihre “Grille”, ihr “Wahn”, wie Daja sagt, zu Beginn des Dramas: “Laßt lächelnd wenigstens ihr einen Wahn, / In dem sich Jud’ und Christ und Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 141 Muselmann / Vereinigen; so einen süßen Wahn! ” (1.1.151—153). Das aber für sie nur auf der Ebene der Primärfamilie. Und das hat etwas von Rückwärtsgewandtheit. Denn eigentlich müsste die nächste, junge Generation Trägerin der Hoffnungen auf eine Welt sein, in der die Versöhnung der Religionen dauerhaft gelingt und sich festigt. Dieser jungen Generation wird, um es nochmals zu betonen, mit Nathans Entdeckung der Geschwisternschaft, die Normalität einer Liebesbeziehung, und Ehe mit Kindern, vorenthalten. Denn sowohl für Recha wie für den Templer hat das Scheitern psychische Folgen bei einer möglichen neuen Liebeswahl. Recha wird erst ihre Fixierung an Nathan auflösen müssen; dafür sich die Aussichten gering; sie wird unverheiratet bleiben. Die verwickelten Herkunftsgeschichten mit dem Wechsel der Religionen schon in der Primärsozialisation wertet das Glaubensbekenntnis als politisches Phänomen, das keine Gewähr für menschliches Handeln gibt. Der strikt und ausschließlich christlich sozialisierte Patriarch entpuppt sich als der größte Schurke. 28 Der Muselmann und mächtigste Herrscher in dem Stück, Sultan Saladin, Vertreter einer Sklavenhaltergesellschaft - seine Schwester Sitta kauft mal eben eine Sängerin (2.3.1142f.) - und brutal im Umgang mit christlichen Gefangenen, erweist sich in Bezug auf die Religionen als aufgeklärt und human. Er lässt Nathan gelten, ja bewundert ihn, bietet ihm seine Freundschaft an. Dass der christliche Patriarch keinen Schaden anrichten, Recha dem Juden Nathan nicht wegnehmen und diesen nicht verbrennen kann, ist allein ihm zu verdanken. Das alles ist zugestanden, bedeutet aber keinen Einwand dagegen, dass es Nathan, nach der Anlage der Handlung des Dramas, vorrangig um den egoistischen Besitz Rechas geht. Die Verknüpfung des Motivs der Relativierung der Religionen vor der Humanität handelnder Menschen mit dem Motiv des krassen Egoismus Nathans um den Besitz Rechas, die, psychisch gesehen, wie eine Sklavin im Hause Nathans lebt, ist die Aussage des Stückes: Humanität geht immer einher mit Inhumanität in denselben Personen. Dafür steht auch die Figur des Sultan Saladin. 2. Der zweite Einwand betrifft Nathans Rolle bei der Aufdeckung der wirklichen Verwandtschaftsverhältnisse. Er ist derjenige, der mit großer Energie die Aufdeckung der wahren Herkunft vor allem des Tempelherrn betreibt und damit die Heirat von Recha und dem Tempelherrn verhindert. Aber er manipuliert die Realität nicht, sondern deckt diese nur auf. Der Beweis ist das vom Klosterbruder übergebene Brevier des toten Assad, in das dieser handschriftlich die Herkunft seiner Angehörigen eingetragen hat. Da Saladin in den eingetragenen Bemerkungen die Schriftzüge seines toten Bruders erkennt, ist an der Echtheit der Eintragungen und damit der wirklichen Verwandtschaftsbeziehungen nicht zu zweifeln. Hinzu kommt noch die Ähnlichkeit des Tempelherrn mit Saladins Bruder Assad, die bekanntlich zur Begnadigung des gefangenen Tempelherrn führt. 142 Rüdiger Scholz Nathan ist aber der treibende Entdecker der Geschicke von Curd von Staufen alias Leu von Filnek und seiner Pflegetochter Recha alias Wanda von Filnek. Es ist allein sein Interesse, die verwickelten Verwandtschaftsverhältnisse zu entwirren. Normalerweise wird die Suche nach den leiblichen Eltern von den betroffenen Kindern ausgelöst, die sich meist in der Pubertät für ihre wahre Herkunft interessieren. Das ist hier nicht der Fall. Im Gegenteil: Recha bemüht sich keinen Deut darum, ihre wahre Herkunft zu erfahren, sie wird ihr von Daja aufgedrängt (4.8. und 6, 3572 ff.), und sie will nichts von ihrem leiblichen Vater wissen: “Noch weiß ich nicht, wer sonst mein Vater / Zu sein verlangt; - verlangen kann. Will’s auch / Nicht wissen” (5.7.3651—53). Und der aus seiner Identität als Tempelritter geworfene Curd von Stauffen fragt abwehrend: “Wer bin ich denn? ” (5.8.3764). Wenn er die Aufdeckung der leiblichen Herkunft für Recha als Unglück bezeichnet, so gilt das auch für ihn. 29 Dass Nathans Recherchen die Schädigung der jüngeren Generation zur Folge hat und dass Nathan der Verursacher ist, macht das Drama in der bereits zitierten Rede des Tempelherrn gegenüber Nathan klar, die mit dem Ausruf “Nathan! ” endet. 3. Ein dritter Punkt betrifft Lessings Absichten bei der Darstellung der Geschwisternschaft, des drohenden Geschwisterinztestes. Worauf kam es Lessing auf dieses Thema an? Inzestgeschichten gibt es in der gesamten internationalen Literatur, die Ödipusgeschichte ist der bekannteste griechische Mythos, Sophokles’ Drama ist Weltliteratur. Gregorius, der spätere Papst in Hartmann von Aues mittelalterlicher gleichnamiger Verserzählung stammt aus einem Geschwisterinzest. Im 18. Jahrhundert hat Johann Fürchtegott Gellert in seinem 1848 erschienenen Roman Das Leben der schwedischen Gräfin von G*** einen Geschwisterinzest dargestellt, der, obwohl die Liebenden daran schuldlos sind, für beide tödlich endet. Mit der in der Neuzeit zunehmenden Intimisierung der Beziehungen der Familienmitglieder gewinnt der Inzest eine neue Bedeutung. Wenn es das aus dem Puritanismus/ Pietismus stammende Gebot ist, dass alle Mitglieder der bürgerlichen Familie sich nicht nur respektieren, sondern lieben müssen, dann entsteht die Gefahr, dass die zärtliche Liebe in sinnliche Liebe entgleitet und damit die Inzestschranke nicht eingehalten wird, etwa wie in Thomas Manns Wälsungenblut . Hinzu kommt, dass die psychisch enge Bindung der Kinder an die Eltern diesen es schwer macht, sich psychisch aus der Primärfamilie zu lösen. Geschwisterliebe ist dann eine mögliche Form der psychischen Befreiung aus der Liebe zu den Eltern. In Verbindung mit der besonders im Protestantismus praktizierten Verdammung der sinnlichen Leidenschaft erscheint die zärtliche Geschwisterliebe als Ideal. Und in er Tat bannt Lessing in seinem Nathan -Drama die Sexualität durch die Umwandlung in die zärtliche Liebes zum Vater wie zum Bruder. 30 Zugleich zeigt Lessing in der positiven Beziehung Saladins zu seiner Schwester Sittah, dass der Geschwisterliebe ein hoher Stellenwert Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 143 zukommt. Die Geschwisterliebe in der Familie Saladin ist überstark ausgeprägt. Saladin liebte seinen Bruder Assad, dieser liebte ihre Schwester Lilla fast offen inzestuös, denn Saladin sagt von seinem und Sittahs Bruder Assad: “Lilla, / Die eines Morgens ihn so ganz und gar / Nicht aus den Armen lassen wollt. (…) Lilla starb / Vor Gram, und hat mir’s nie vergeben, daß / Ich so allein ihn reiten lassen” (4.3.2626—33). 31 Dieses Ideal der Geschwisterliebe und Eltern-Kind-Liebe hat seine Entsprechung in dem Freundschaftsbegriff, einem weiteren großen Begriff des 18. Jahrhunderts. Auch Lessings Drama verherrlicht diesen Begriff. Ganz zentral gilt er für Nathans Beziehung zu Saladin. Nach der Erzählung der Ringparabel bietet ihm Saladin die Freundschaft an: “Nathan, lieber Nathan! - (…) sei mein Freund! ” (3.7.2057—60). Nathan sucht nach seiner Rückkehr sofort die Freundschaft des Retters seiner Tochter Recha. Wie schon zitiert, sagt der Tempelherr im 5. Auftritt des 2. Aktes zu Nathan; “Wir müssen Freunde werden.” Worauf Nathan erwidert: “Sind / Es schon.-” (1319 f.). 32 Bei der Auflösung im letzten Auftritt kommt heraus, dass Wolf von Filnek, der leibliche Vater des Tempelherrn, Nathans Freund war: “Nathan. Euer Vater (…) / Er war mein Freund” (5.8.3784 f.). Adoptivvaterschaft und Freundschaft sind die seelischen Bindemittel, mit denen Nathan seine überragende Vaterrolle in der neuen Mischfamilie Saladin behält und alles in Harmonie enden kann. Zur Beurteilung der zu engen Bindung zwischen Nathan und Recha gehört das Machtgefälle in der Familie. Nathans Familie ist überaus patriarchalisch. 33 Das zeigt sich krass daran, dass der Tempelherr Nathan um die Hand der Tochter bittet, ohne sich Rechas Liebe zuvor versichert zu haben. Die Mutter fehlt als Figur, nicht nur für Recha und den Templer, sondern überhaupt. In diesem Drama sind die Mütter alle schon tot. Es gibt nur Rechas Ersatzmutter, Daja, die aber als Angestellte keine Macht im Hause Nathans hat. 34 Im Hinblick auf die dramatischen Konflikte in Miß Sara Sampson und Emilia Galotti ist charakteristisch, dass es im Nathan keine Auseinandersetzung mit dem Vater gibt, schon gar nicht einen offenen Kampf zwischen Nathan und Recha. Sobald Nathan weiß, dass Rechas Interesse an ihrem Retter - noch - nicht sexuell leidenschaftlich ist, bricht die Kommunikation zwischen beiden ab. Nathan agiert nur hinter ihrem Rücken. Es geht ihm allein um Rechas Festhalten in seinem Haus. Die Wünsche der Tochter werden auch gedanklich nicht berücksichtigt. Zwar sagt Nathan, er werde gehorchen, wenn die Vorsehung ihm Recha nehmen werde: “Ob der Gedanke mich tötet, daß / Ich meine sieben Söhn’ in ihr aufs Neue / Verlieren soll: - wenn sie von meinen Händen / Die Vorsicht wieder fodert” und zu Daja sagt er: “Mir wär der Tempelherr schon recht. Ihm gönnt / Ich Recha als einem in der Welt. / Allein … Nun habe nur Geduld” (4.6.2897—99). Aber dieses Zugeständnis geschieht auf dem Hintergrund, dass er bereits weiß, dass Recha sich als die Schwester des Tempelherrn erweisen wird. Im folgenden Auftritt 144 Rüdiger Scholz wird im Dialog mit dem Klosterbruder deutlich, wie schwer es Nathan fällt, auf Recha zu verzichten: NATHAN: Und ob mich siebenfache Liebe schon / Bald an dieses einz’ge fremde Mädchen band; / Ob der Gedanke mich schon tötet, dass / Ich meine sieben Söhn’ in ihr aufs Neue / Verlieren soll: wenn sie von meinen Händen/ Die Vorsicht wieder fodert, - ich gehorche! (…) Nur muß der erste Beste sie mir nicht / Entreißen wollen! ” (4.7.3072—82). Dann kommt die berühmte Stelle, wo Nathan den Vorrang der Blutsfamilie formuliert und Recha demjenigen übergeben will, der durch “Natur und Blut” ältere Rechte hat, d. h. “Bruder”, “Ohm” oder “Vetter” (bis 3088). Aber am Schluss übergibt er Recha ihrem Bruder nicht, sondern integriert den neuen Bruder in seine eigene Familie: “O meine Kinder! meine Kinder! - / Denn meiner Tochter Bruder wär mein Kind / Nicht auch, - sobald er will? ” (5.8.3812—14). 35 Es gibt auch kaum unausgesprochene Divergenzen zwischen Nathan und Recha. Allein beim Thema Adoptivfamilie gegen Blutsfamilie hat Recha eine andere Meinung als Nathan, denn sie tritt für die soziale Rolle der Familienzugehörigkeit ein mit dem Ausruf: “Aber macht denn nur das Blut / Den Vater? nur das Blut? ” (5.7.3653f.). Saladin pflichtet ihr bei: “Jawohl: das Blut, das Blut allein / Macht lange noch den Vater nicht! ” (3662 f.). 36 Aber dieser Divergenz der Ansichten, die im Grunde auch gar nicht besteht, da auch Nathan natürlich am liebsten die soziale Vater- und Tochterschaft befürwortet, wird nicht im Dialog mit Nathan ausgetragen. Die Vaterdominanz ist Signum nicht nur von Lessings Dramen, sondern Hauptthema der Literatur im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Bei Lessing gibt es nur im Henzi -Fragment einen sichtbaren Aufstand gegen die Väter, der eventuell erfolgreich gewesen wäre. Das Muster ist aber eher die Überdominanz der vier Väter im Drama Philotas, die den Helden in den Tod treibt. Diese Dominanz des Vaters ist besonders prekär bei den Töchtern, die auch psychisch nicht selbständig werden können. Aus der für die Väter selbstverständlichen patriarchalen Dominanz resultiert die Selbstverständlichkeit der Väter, ihre Töchter gegen alle Vernunft für sich behalten zu wollen, woraus sich der Widerspruch zwischen großer zärtlicher Fürsorge und egoistischer Beschränkung ihres Lebensraumes ergibt. Die Dialektik der Humanität ist das Charakteristikum des Dramas. Das ist von großer Bedeutung, weil Nathan der Weise als Höhepunkt der Aufklärung gilt, in dem sich die zentralen Themen und Begriffe konzentrieren: Der Kampf gegen den religiösen Fanatismus, für religiöse Toleranz, die Menschlichkeit als oberste Kategorie individuellen wie gesellschaftlichen Verhaltens, die Vernunft als Regulatorin der Triebe und Aggressionen, das Ideal des aufgeklärten Herr- Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 145 schers, die Freigebigkeit des reichen Kaufmanns, das liebevolle Klima in der Primärfamilie, die freie Liebeswahl über soziale Schranken hinweg, die Vorrangigkeit der sozialen Eltern vor den biologischen - Lessings Gesamtwerk widmet sich den Konflikten, die sich aus diesen Zielsetzungen ergeben und die im 18. Jahrhundert infolge der fortschreitenden Liebesintimität in der bürgerlichen Familie brisant sind. Die Bedeutung des Dramas erhöht sich noch dadurch, dass mit Lessings Nathan die deutsche Klassik beginnt. 37 Das geht schon aus der Form hervor. Nach der Reihe der Prosadramen kehrt Lessing zum Vers und zur fünfaktigen klassischen Tragödienform zurück. Noch einmal ist daran zu erinnern, dass Lessings fünfhebiger Jambenvers ohne Endreim, also im Blankvers, aus der englischen Literatur stammend, maßgeblich für Schillers und Goethes Dramen der Klassikphase wurden. Auch andere Merkmale zeugen von der Rückkehr zur klassischen Tragödienform. Lessing, der Begründer des deutschen bürgerlichen Trauerspiels, hat schon in seinen Hauptdramen wenig zur Aufhebung der Ständeklausel getan. Er lässt auch sein Nathan -Drama in den obersten Ständen spielen. Auch inhaltlich setzt Lessing mit seinem Thema Menschlichkeit den zentralen Begriff der Klassik: die Humanität. Das Nathan -Drama ist das Bindeglied zwischen der Aufklärung und der deutschen Klassik, erzeugt eine Kontinuität von Lessing zu Goethe und Schiller, rückwärts zum elisabethanischen Theater. Lessing hat schon vor der Veröffentlichung auf die kategoriale Besonderheit seines Dramas hingewiesen. Er wollte sein “Dramatisches Gedicht” als Satire und zugleich als Rührstück verstanden wissen. So schreibt er am 22. Oktober 1778 an den Bruder Karl: “Es wird nichts weniger, als ein satirisches Stück, um den Kampfplatz mit Hohngelächter zu verlassen. Es wird ein so rührendes Stück, als ich immer gemacht habe (…) (zit. nach Düffel 118). Nichts da von einer Tragödie oder Komödie im klassischen Sinn, trotz der fünf Aufzüge. “Hohngelächter” und “Kampfplatz” beziehen sich auf den Streit mit Götze, “Rührstück” auf die Familienharmonie. Auch hier die Dialektik: In der ehrwürdigen Tragödienform wird ein Zwitter von Satire und Rührstück präsentiert, ein edel triefendes Märchen, aber in den Konflikten mit der Anlage zu einer Tragödie, die aber zu einer Trivialkomödie verniedlicht wird. Das Hohngelächter zu der edlen Nathanfigur zeigt die Spannweite von Lessings Weltinterpretation. Lessings letztes Drama ist den Werken Goethes und Schillers in deren Klassikphase überlegen in der Widersprüchlichkeit humanen Handelns (zu Schiller siehe Scholz). Keiner hat so scharf die Dialektik der Humanität akzentuiert wie Lessing in der Titelfigur, der humansten aller Figuren in seinem Gesamtwerk, und in Saladin, dem zugleich brutalen und humanen Herrscher. Damit teilt Lessing die Illusion der Klassiker auf die allmähliche Durchsetzung der Humanität im staatlichen wie im privaten Bereich nicht. Goethes Iphigenie , Schillers 146 Rüdiger Scholz Ballade Die Bürgschaft , Beethovens Oper Fidelio oder ein Entwicklungsroman wie Goethes Wilhelm Meister sind weit naiver, undialektischer. Die Widersprüchlichkeit zwischen ideeller Humanität und praktischen Handeln findet sich auch bei Goethe und Schiller, weniger in ihrem Werken der Klassikphase als im realen Leben im Verhältnis zu ihren veröffentlichten Werken. Im selben Jahr 1783, in dem Lessings Drama Nathan der Weise erstaufgeführt wurde, setzte Goethe durch, dass die ledige Dienstmagd Johanna Höhn, die ihr ohne allen Beistand geborenes Kind unmittelbar nach der Geburt in einem Anfall von Panik getötet hatte, hingerichtet wurde, trotz des Votums des Herzogs Carl August für Begnadigung (Scholz, Das kurze Leben und Goethes Schuld). Und Goethe rechtfertigte sein Handeln in seinem berühmten Gedicht Edel sei er Mensch, / Hilfreich und gut (Scholz, “Edel sei der Mensch”), das manchen Interpreten als das “sittlichste Gedicht” Goethes gilt. 38 Schiller beendete in Weimar seine revolutionäre Phase und wurde ein braver Untertan. Es bleibt zu fragen, ob das Nathan -Drama einen biographischen Bezug hat, und wenn ja, welchen. Anne Kowalik hat Lessings letztes Werk als Trauerarbeit begriffen und die Parallelen zwischen Nathans Lage nach dem Tod seiner Söhne und Lessings Verlust seines Sohnes aufgezeigt. Wie Nathan Recha aufnahm, so adoptierte Lessing die vier Kinder Eva Königs aus erster Ehe. Die älteste Tochter Malchen kümmerte sich um den kranken Lessing (Koebner 167). Der biographisch aktuelle Bezug ist aber untergeordnet, denn Lessing hat nach eigener Aussage im Jahr 1778 das “Schauspiel” “vor vielen Jahren (…) entworfen” 39 und das “Stück (…) vor drei Jahren (…) vollends aufs Reine bringen und drucken lassen wollen.” 40 Auch Karl S. Guthkes These: “Die Geburt des Nathan aus dem Geist der Reimarus-Fragmente” ist nur thematisch richtig, nicht historisch. Denn Lessing sagt 1778 zu seinem Bruder Karl: “Ich habe vor vielen Jahren einmal ein Schauspiel entworfen, dessen Inhalt eine Art von Analogie zu meinen gegenwärtigen Streitigkeiten hat, die ich mir damals wohl nicht träumen ließ.” 41 Dass bedeutet, das offenbar ältere Probleme mit im Spiel und vorrangig sind. Neben dem Aspekt, dass Lessing richtig einschätzte, dass eine Schriftstellerkarriere mit einer bürgerlichen Familie wohl kaum möglich gewesen wäre, zeigen die Konfliktlagen der Dramen und frühen Gedichte, dass es für Lessing offenbar ein inneres Verbot gab zu heiraten oder auch nur eine Liebesbeziehung einzugehen. Es ist ja auffällig, dass es schon in der Jugendzeit während der Kontakte zum Theater keine Liebeleien gibt. Das Fehlen hat dazu geführt, dass Biographen wie Erich Schmidt dem jungen Lessing Liebschaften angedichtet haben, weil dieser nicht glauben wollte, dass es bei Lessing keine Liebelei gegeben habe. Lessing hat dieses Problem von Anfang an in seiner Literatur thematisiert. Warum veröffentlichte Lessing, nach dem Desaster seiner späten Verheiratung, Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 147 diese Vater-Tochter-Geschichte? Damit stellt sich zugleich die Frage nach dem biographischen Bezug seiner Vater-Tochter-Geschichten in den anderen Dramen. Man müsste in eine Erörterung des Gesamtwerks eintreten und deren biographischen Bezug erörtern, was bisher vernachlässigt wurde. Dann würde sich erweisen, dass Ehe und Ehelosigkeit zu den dringlichsten Themen gehört, Lessings privates Problem über viele Jahre blieb. 42 An dieser Stelle nur ein paar Stichworte dazu: Lessings privates Leben wird erheblich geprägt durch sein ständiges Bestreben, einer Verheiratung zu entgehen. Der Druck auf den Pfarrersohn, zu heiraten und Kinder zu haben, war von Seiten der Eltern und deren Umgebung sicher groß. Das Problem findet sich schon in den sogenannten Jugenddramen, die alle zum Thema haben, dass eine Verheiratung die Hauptfiguren ins Unglück stürzt oder eine Liebesheirat von außen verhindert wird. Die Dramen der Hauptzeit thematisieren Katastrophen, weil die Eltern ihre Kinder emotional nicht freigeben. Auffällig ist, dass Lessing erst nach dem Tod des Vaters heiratete. Das heißt: die Vater-Tochter-Geschichten seiner Dramen gehören zum Komplex inneres Heiratsverbot, das Lessing erst spät durchbrach. Auch gegenüber den Versuchen, Lessing als Homosexuellen zu bezeichnen, ist festzuhalten: Mit 47 Jahren ist Lessing die späte Ehe mit Eva König nicht nur formal eingegangen, sondern hat sie auch vollzogen. Er war in diesem Alter, aber eben außerhalb der Lebenszeit seines Vaters, heterosexuell, potent und zeugungsfähig. Der furchtbare Schlag, der ihn beim raschen Tode seines Sohnes und bei dem nachfolgenden Tod seiner Frau traf, muß Lessing wie die Bestätigung seiner Katastrophenphantasien vorgekommen sein, die er in seinen Werken auszumalen nicht müde geworden war. Die Rache des Vaters hatte ihn postum noch eingeholt. Von daher gewinnt die Nathan-story mit dem scheinbar übergütigen Vater und der Abwiegelung der Liebesheirat durch die Entdeckung der Geschwisternschaft große biographische Bedeutung. Aus dem furchtbaren Scheitern seiner Ehe, der Niederlage im lebenslangen Kampf um Liebe und Ehe wird Lessings von vielen beschriebene Depression erklärlich und wohl auch Lessings Weigerung, sich behandeln zu lassen, was Interpreten zu Recht zu der Wertung führte, Lessing habe Selbstmord auf Raten begangen. Es ist fraglich, ob Lessing wusste, dass es sein letztes Drama sein würde. Jedenfalls hat er seinen möglichen baldigen Tod im Zusammenhang mit der Finanzierung seines Nathan -Dramas reflektiert. In auffälliger Doppelung schreibt er an seinen Bruder Karl am 7. November 1778: “Denn wenn ich nun plötzlich stürbe? So bliebe ich vielleicht tausend Leuten einem jeden einen Gulden schuldig.” Und wenige Zeilen danach: ..“und wenn ich plötzlich stürbe, würde doch wohl auch noch so viel übrig sein, daß dieser Wechsel bezahlt werden könnte” (Düffel 120). Nach Erscheinen des Dramas schreibt Lessing am 19. Mai 1779 an 148 Rüdiger Scholz Friedrich Heinrich Jacobi: “‘Nathan’ ist ein Sohn seines [des Verfassers Lessing] eintretenden Alters” (Düffel 128). Der Zusammenhang des Themas Liebeswahl und ihre Katastrophen mit den früheren Werken ist vorrangig. Auch das Nathan -Drama thematisiert Untergangsphantasien bei Liebeswahl und Heirat: Dass noch in diesem ganz auf Harmonie und Toleranz abgestellten Drama das Problem Liebe und Ehe nur so gelöst werden kann, dass die Liebenden sich als Geschwister erweisen und die leidenschaftlich sexuelle Liebe infolgedessen sich in die allein zärtlich geschwisterliche verwandeln muss, zeigt, dass Lessing sich auch als 52jähriger keine Harmonie und kein Glück in einer genital sexuell ausgelebten Liebesheirat vorstellen, und dass er abermals einen übermächtigen Vater nicht sterben lassen kann. Biographisch heißt das: Der Nathan beweist, dass Lessing im Kampf gegen das Verbot genitaler Liebe letztlich unterlag: Aus der narzisstischen, d. h. den Persönlichkeitskern betreffenden Konfliktsituation betrachtet ist es das für Lessing brutalste Drama: Recha und dem Templer wird bis auf das Geschlecht alles an eigener Identität genommen, und sie dürfen nicht einmal im Tod ihre eigenen Identität retten, sondern müssen als psychisch Aufgesogene weiterleben. Was an Ödipalkampf abgebaut erscheint, kehrt mit brutaler Wucht auf der narzisstischen Ebene zurück. Wie weit Nathan als Vaterautorität für Lessing noch mit dem eigenen Vater verbunden war, dessen liebevolle und brutale Figuration ist, dürfte schwer zu sagen sein. Jedenfalls hat sich Lessing mit Nathans Religionsansicht identifiziert. Im ersten Entwurf zur Vorrede heißt es: “Nathans Gesinnung gegen alle positive Religion ist von jeher die meinige gewesen” (Düffel 130). Das besagt: Nathan ist nicht mein Vater, denn der war orthodoxer Protestant. Lessings Werk ist wie kein anderes ein Werk über die Stärke der Väter und die Schwäche der Söhne und der Töchter. Nimmt man Lessings spätes Drama als signifikant für die deutsche Klassik, dann zeigt sich, wie bedroht die Position der Klassik mit ihrem Humanitätsideal in der Praxis war. Dass die Humanität mehr Phantasie als gelebte Wirklichkeit war, hat sich dann gegenüber dem Nationalsozialismus gezeigt. Lion Feuchtwanger hat in seinem Roman Die Geschwister Oppermann von 1933 das deutsche Bildungsbürgertum gezeigt, dessen Identität die Ideale der deutschen Klassik waren. Sie reichten zu keinem Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Im Gegenteil: sie waren mit der vielfachen Unterstützung Hitlers vereinbar. Lessings letztes Drama gibt einen Hinweis auf eine Antwort: Die Humanität geht immer einher mit brutalem Verhalten, das der Menschlichkeit unlösbar dialektisch zugeordnet ist. Die Dialektik der Nathanfigur ist aber Jahrhunderte lang übersehen worden. Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 149 Nach der Analyse wird auch sichtbar, worin Lessings Bezeichnung als Satire und Rührstück besteht. Das Schlusstableau mit seiner Sentimentalität entspricht dem Rührstück, das seit Diderot zu einem meist verfassten und gespielten Dramentypus wurde. Lessing lässt das Stück nur scheinbar in der Liebesharmonie enden, Die Tragödie von Recha und dem Templer macht diese Rührstückkomödie zur Satire. 43 Notes 1 “I use ‘humane’ and ‘enlightened’ here in the sense of the enlightened ruler or patriarch, who, like the protagonist of Lessing's Nathan der Weise , strives for the moral best for his subjects or family members and friends” (Cantarino 61). 2 George L. Mosse, German Jews beyond Judaism, zitiert nach Hess 184. Die Interpretationsliteratur zum Nathan ist uferlos und nicht mehr ganz zu übersehen. Es werden hier nur diejenigen Forschungen berücksichtigt, die das psychische Beziehungsdreieck Nathan-Recha-Tempelherr thematisiert haben. Darüber hinaus werden Thesen und Resultate von Forschungen zur Familienstruktur im Nathan genannt. 3 Die gesellschaftshistorische Bedeutung des Juden als Titelfigur und der Begriff der religiösen Toleranz bleiben hier weitgehend unberücksichtigt. Zwei neuere Aufsätze haben die beiden Themen diskutiert und referieren auch die Literatur dazu: Hess und Sutcliffe. Zur “Mischehe” Garloff; zum Thema Adoptiv- gegen Blutsfamilie, Schneider, Der Zufall der Geburt . Zum Geschwisterinzest im 18. Jahrhundert und besonders im Nathan Taylor, der die vorliegende Literatur referiert. Ferner: Engelstein; Jarzebowski; Nonnemacher; Daemmrich. Zur Vaterordnung in der Klassik bei Goethe und Schiller: Hohendahl. Die Diskussion über Adoptions- versus Blutsfamilie und über den Geschwisterinzest hat sich verselbständigt. Es geht fast verloren, dass Lessing mit den verwickelten Lebensläufen den Mangel an prägendem Einfluß auf die Moral eines Menschen durch eine Religion zeigen wollte und dass die Abwendung des Geschwisterinzests Nathan ermöglicht, Recha für sich zu behalten. Unberücksichtigt bleibt auch die Absolutismuskritik in dem Herrschaftssystem Saladins, die Gerhard Bauer in einer ausgezeichneten Studie dargestellt hat. 4 Willi Goetschel, “Spinoza” (16. Kapitel) und “Negotiating Truth” (230—50); Hernadi und Schönert. Resultate: Anders als in William Sampson und Odoardo Galotti wird in Nathan ein in seinem sozialen Stand genuiner Bürger dargestellt. Der Großkaufmann ist im 18. Jahrhundert eine auch in der Ökonomieliteratur sehr positive Figur, das Ideal des wirtschaftlich erfolgreichen Bürgers. 150 Rüdiger Scholz 5 Das hat Thomas Koebner erkannt: “Man vergleiche nur die Konstellation im Nathan mit der in Miß Sara Sampson oder in Emilia Galotti ” (166). 6 Dadurch relativiert sich die oft behauptete These, Lessing habe in Nathan dem Freund Moses Mendelssohn ein Denkmal gesetzt. Ein Beleg: Hess 190. 7 Günter Saße beklagt zu Recht, daß in der Forschung “die Familienthematik selbst nicht intensiv genug analysiert wird”. Er stellt Fragen zu Nathans Verhalten und der Umständlichkeit der Handlung, nennt aber nicht Nathans Bindung an Recha als Grund, sondern die Bedrohung mit der Todesstrafe, weil er als Jude eine Christin großgezogen hat (217, 242). Davor hat zuerst Friedrich A. Kittler die Familienstruktur thematisiert. Susan E. Gustafson sieht richtig, dass auch im Nathan “the father-daughter dyad” wie in Miß Sara Sampson und Emilia Galotti vorliege (14). Die Analyse dieser Beziehung beschränkt sich auf die These des Ausschlusses der Mutter aus dem Drama. 8 Lessings Szene mit der - verworfenen - Doppelhochzeit und seine brieflichen Äußerungen verhindern eher den Blick auf das psychische Beziehungsmuster. 9 Friedrich Theodor Vischer, Ästhetik oder Wissenschaft vom Schönen , Stuttgart 1857, S. 1429 (zit. nach: Düffel 157 f.). 10 Zusammenfassung der Diskussion in Monika Fick, 457. 11 Frank Schlossbauer formuliert 1998 richtig, dass Nathans Recherchen “dem Schema einer typisch komödischen Liebeshandlung” entspricht: “Der Vater sucht die Verbindung seiner Tochter mit einem ihm nicht genehmen Partner zu hintertreiben.” Das Motiv dafür bei Nathan erörtert Schlossbauer aber nicht ( Literatur 194 f.). 12 Gustfason sieht richtig, dass “the potential son-in-law and the father admire one another in a mutually narcissistic manner” (217). 13 Ruth Klüger meint dagegen, der Tempelherr treibe die Handlung voran ( Kreuzzug 213). 14 Dass Rettungen im Nathan eine große Rolle spielen, ist vor allem für den Kampf Nathans gegen den Templer wichtig: Nathan hat Recha als Baby gerettet, der Templer sie als 18jährige junge Frau. Rettungen sind in einer Welt voll Gewalt und Tod für den positiven Ausgang wichtig. Saladin rettet seinen Neffen vor dem Tod, er rettet Recha vor dem Zugriff des Patriarchen. Rettungen begründen Ansprüche auf die gerettete Person. Dazu Saße 216 ff.. 15 Friedrich A.Kittler hat die Bildung Rechas durch Nathans mündliches Unterrichten als ein Erziehungsideal des 18. Jahrhunderts gewertet (123). Mir scheint die Kritik des Dramas an dieser Art von Erziehung vorherrschend zu sein. Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 151 16 Klüger hat nicht ganz Recht, wenn sie von allen drei Frauenfiguren im Drama sagt, “keine der drei Rollen” sei “erotisch besetzt”, Recha sei “sowieso nicht in der Tempelherrn verliebt” gewesen ( Sittah, Recha, Daja 243 f.). 17 Die Entsexualisierung von Recha und des Tempelherrn als Überwindung des geschwisterlich inzestuösen Verlangens zu deuten, wie Schneider es getan hat, scheint mir verfehlt, schon deswegen, weil sie gar nicht wissen, dass sie Geschwister sind. Etwas hochtrabend formuliert Schneider: “Als inneres, geistiges Bild wird schließlich auch die Frau angeeignet und damit die Gefahr des erotischen Körpers gebannt” ( Zufall 119). Ich bezweifle, dass es Lessing darum ging, die Sinnlichkeit aus der Liebe zu verbannen. Die Entsexualisierung Rechas ist durch die psychische Bindung an den Vater bedingt, der Tempelherr muss sich mit dem Verlust Rechas als Liebesobjekt abfinden, was er zuletzt vermag, weil Recha ihn doch nicht liebt. Dass er sein erotisches Begehren “überwindet”, ist zu pathetisch und falsch ( Geburt 30 f., 38). 18 Die in Anm. 4 aufgelistete Literatur zum Inzest beschränkt sich allein auf den abgewendeten Geschwisterinzest. Auch Kittler und Saße sehen die inzestuöse Bindung Rechas an Nathan nicht. 19 So richtig Schneider ( Geburt 30; Der Zufall der Geburt 114 ff.). 20 So Taylor: “the fires within Nathan's house form a metaphoric knot at the centre of the play” (337). 21 Schlossbauer sieht im Datteln-essen des Tempelherrn den symbolischen Vollzug der “Versöhnung der Religionsgemeinschaften und Kulturkreise” (193). 22 Ob Goethe sich mit Ottilies Aphorismus: “Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen” aus Goethes Roman Wahlverwandtschaften von 1800, (II. Teil 7. Kapitel) auf Lessings Nathan bezieht, mag dahingestellt sein. Auf die Bedeutung bei Goethe kann hier nicht eingegangen werden. 23 Ausführlich und klar ist Angress [Klüger] auf die Geschichte des Tempelherrn eingegangen. Es sei wesentlich, dass sich der Tempelherr in derselben Gefahr wie sein Vater befindet; “that is, he is falling in love with a girl of a different faith” ( Dreams 111). 24 So richtig Koebner: “die Tochter bleibt dem Vater vorläufig erhalten” (173). 25 Kittler hat das als Adoption bezeichnet, die nicht nur für den Nathan gilt: “Die Adoption des Schwiegersohns durchzieht die Dramen Lessings” (129). Kittler verweist auf Angress [Klüger], welche die These aufgestellt hat, dass bei Lessing die Väter - einschließlich Nathan - die Schwiegersöhne in spe an sich als Söhne binden ( Generations 19 f.). Kittler arbeitet heraus, dass die männerdominierte Familie sich auch in der Ringparabel findet (136 f.). 26 Zur Komödie tragen auch die Parallelen zwischen dem Tempelherrn und Tellheim bei, wie Robert Heitner und Wolf Hartmut Friedrich gezeigt haben. Dazu Angress, Dreams 126. 152 Rüdiger Scholz 27 Siehe die ausführliche Arbeit zur literarischen Form des Nathan von Schlossbauer (161—261), einer Art Phänomenologie des Nathan -Dramas. Der Verfasser wertet das Drama abschließend mit der Formel: “Komödie als Utopie” (257). 28 Saße ist der Ansicht, dass der Patriarch weniger der Schurke sei als der “Repräsentant der bestehenden Rechtsordnung” (226). 29 Klüger ist auf die Identitätskrise des Tempelherrn eingegangen ( Kreuzzug 221 ff.); ebenso Karl Eibl, 185 ff.. 30 Viele lesen das Drama als Verdammung der sinnlichen Liebe. Ein Beispiel: “daß die von der Sexualität ausgehende Bedrohung durch deren vollständige Domestizierung erfolgreich abgewehrt wird” (Schlossbauer 207). 31 Klüger hat darauf hingewiesen, dass es drei Geschwisterbeziehungen im Nathan-Drama gibt, (Kreuzzug 215). Etwas merkwürdig ist und mutet wie ein kompositorischer Fehler an, dass Saladin seiner Schwester von Assad und Lilla erzählt, als gehörte Sittah nicht zur Familie, und die Geschichte von Assad und Lilla, die ja auch ihre Geschwister waren, wäre ihr neu. Der Geschwisterinzest ist in Lessings Drama eher funktional für die Verhinderung der Heirat Rechas, nicht aber als dramatisch archaisches Motiv wie in Schillers Die Braut von Messina . Als Modell einer besseren Lebensform gegenüber Liebespaaren wird das Motiv bei Lessing wie in der Diskussion des 18. Jahrhunderts bedeutsam. Dazu Engelstein, die das “paradox of fraternity” als Ideal herausstellt, aber auf den Nathan nicht eingeht (212). 32 In der Familiengeschichte ist die Ringparabel das Verbindungsglied zur Saladinfamilie. Die sinnreichen Bemerkungen zur Familiensituation sind Legion. Am ehesten lassen sie sich in Schneiders Satz zusammenfassen: “Macht, Geist und Geld haben zueinander gefunden” ( Aufklärung 46). 33 Zur Dominanz der Vaterfigur bei Lessing Kittler: “der Vater übernimmt alle Funktionen kultureller Reproduktion.” (119). So schon Gerhard Kaiser (144) und Wilms. 34 In der sehr ausführlichen Darstellung von Gustafson sieht die Verf. in der Einleitung in Lessings Tragödien “the dramatic struggle between fathers and mothers for control over the development of their progeny” (14). Diese These wird aber in den Einzelinterpretationen nicht eingelöst, bei Nathan ganz im Gegenteil: “Once the mother is ostensibly out of the way, Nathan can turn his sole attention to the transformation of the narcissistic paternal subject. To this extent Nathan der Weise is Lessing's thoroughly narcissistic work” (239). Die These, dass “Recha, like the daughters of the domestic tragedies, stands on the precipe of maternal desire” scheint mir nicht belegt zu sein. Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 153 35 Klüger hat Unrecht, wenn sie behauptet, Nathan beraube sich seiner Familie ( Kreuzzug 238). 36 Die Bewertung des Schlusstableaus ist strittig. Saße (248 und 26) sieht richtig, dass Nathan auch nach der Aufdeckung der Blutsverwandtschaften der überlegene Adoptivvater bleibt. So auch Schönert, S. 109. Dagegen meint Schneider, Nathan sei am Schluss aus der neuen Familie ausgeschlossen, da mit dieser nicht verwandt: “das Abseitsstehen Nathans bei der Schlußumarmung.” Das wertet Schneider als “reale Diskriminierung” des Juden ( Zufall 104). Dass Nathan am Ende der Ausgeschlossene ist, haben schon frühere Interpreten, etwa Kettner oder Rohrmoser geurteilt (Schweitzer 283). Es ist angesichts von Nathans nicht ganz richtig, wenn Hess urteilt, in den Juden und im Nathan habe Lessing “noble, but isolated individuals” dargestellt (185). Schneider hat die Bedeutung des Gegensatzes von Adoptions- und Blutsfamilie in der Aufklärung breit erörtert. Sein Fazit: “Zwar stellte Nathan der Weise weltanschaulich die Adoption über die Geburt, Kultur und Natur, doch gab seine Handlung der Blutsverwandtschaft das letzte Wort.” Hier folgt er Klüger ( Kreuzzug 215, 227, 229 f.). Im Nathan “fungierte die Rettung als moralisches Lebensgeschenk, das die Brücke schlug zwischen Geburt und Adoption.” Schneiders Urteil vermittelt: Weil empathisches Handeln zwischen den Figuren sich entwickelt hat, “kann die Blutsfamilie zum dramatischen Symbol einer moralischen Geschwisterlichkeit der Menschheit über alle Trennung von Rasse, Nation und des Glaubens hinweg werden” ( Geburt 26, 28, 30). Das scheint mir konstruiert, denn die Blutsverwandtschaft dient Lessing im Nathan dazu, die Berechtigung der Relativierung der Religion als prägendes Merkmal zu demonstrieren und ein positives Bild verwandtschaftlicher Beziehungen zu malen, also dieselbe Funktion wie den Adoptivbeziehungen zu geben. Schneider sieht im Motiv der Adoptionsfamilie auch den Zusammenhang mit der Ringparabel: “Mit dem Motiv des Adoptivvaters [des Richters] ist der Nerv der dramatischen Fabel von ‘Nathan der Weise’ berührt” ( Aufklärung 52). Schönert argumentiert, dass im Nathan die Familie von “sympathetischen Regungen und dem Zufall gestiftet” wird (108). 37 Dieses Urteil besteht schon lange. Ein Beleg: “Deshalb ist Nathan der Weise der Höhepunkt der Aufklärungsdichtung und das erste ‘klassische’ deutsche Drama, auch das Drama der Aufklärung schlechthin” (Schneider, Zufall 102). 38 Max Kommerell, Gedanken über Gedichte (447), zitiert nach Conrady 52. 39 Brief an den Bruder Karl am 11. 8. 1778 (Düffel 115). 40 Brief an den Bruder Karl vom 7. November 1778 (Düffel 118). 41 Brief an den Bruder Karl vom 11. August 1778 (Düffel 115). 154 Rüdiger Scholz 42 Ich werde in absehbarer Zeit die biographischen Bezüge von Lessings fiktionalen Werken in einem Buch vorlegen mit dem Titel: Die geheime Biographie des Gotthold Ephraim Lessing . 43 Saße hat auf die Tradition des Rührstücks verwiesen und “die fatale Nähe zum Rührstück” von Lessings letztem Drama kritisiert (242). Works Cited Angress, R.[uth] K. 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Luftkrieg und Legende: Hans Erich Nossacks literarische Sinnbewältigung der Bombardierung Hamburgs im Sommer 1943 1 Christoph D. Weber University of North Texas Abstract: Since its publication in 1948, Hans Erich Nossack’s “Der Untergang” has become one of the most celebrated German eyewitness accounts of the devastating Allied air raids on Hamburg in July/ August 1943. The text marked a new beginning in Nossack’s literary career. As he repeatedly stated during the postwar years, the bombs destroyed all of his possessions and unpublished manuscripts - a catastrophic event that not only ushered in a “rebirth” but also a liberating break from the hated past. Viewed in light of Nossack’s private correspondence and diaries however, these statements reveal themselves to be fabulations. Key thematic elements of “Der Untergang” were already present in in Nossack’s essay “Gespräch vor der Katastrophe,” written in 1927. Although Nossack distances himself from the response of Hamburg’s party officials to the bombardment, his account nevertheless incorporates tropes similar to those deployed in Nazi propaganda. Nossack’s description of a break with the past, widely interpreted in secondary literature as referring to the liberation from the Nazi dictatorship, instead has its origins in his marital problems. After the war, the losses detailed in “Der Untergang” served as the basis for Nossack’s self-portrayal as a victim of National Socialism. Key Words: disaster narratives, Hans Erich Nossack, “Der Untergang,” WWII air raids, National Socialism Hans Erich Nossacks (1901—1977) Prosastück “Der Untergang,” das die verheerenden Auswirkungen der Hamburger Luftangriffe im Juli/ August 1943 schildert, hat mit W. G. Sebalds lobender Kritik ein erneutes literaturwissenschaftliches Echo gefunden. In seinen 1999 publizierten Züricher Vorlesungen Luftkrieg 158 Christoph D. Weber und Literatur würdigt Sebald den Bericht als einen der wenigen geglückten literarischen Aufarbeitungen des Bombenkriegs auf deutsche Städte. Trotz Nossacks “fatale[r] Neigung zur philosophischen Überhöhung und falschen Transzendenz” sei er der einzige deutschsprachige Schriftsteller gewesen, der noch während des Zweiten Weltkriegs das “tatsächlich” Gesehene “in möglichst unverbrämter Form” niedergeschrieben habe (57). Was den Bericht so besonders mache, sei dessen Wahrhaftigkeit: Das Ideal des Wahren, das in seiner, über weite Strecken zumindest, ganz unprätentiösen Sachlichkeit beschlossen ist, erweist sich angesichts der totalen Zerstörung als der einzige legitime Grund für die Fortsetzung der literarischen Arbeit. Umgekehrt ist die Herstellung von ästhetischen oder pseudoästhetischen Effekten aus den Trümmern einer vernichteten Welt ein Verfahren, mit dem die Literatur sich ihrer Berechtigung entzieht. (59) Joel Agee, Übersetzer der 2004 erschienenen englischsprachigen Ausgabe, äußert im Vorwort ebenfalls seine Bewunderung für Nossacks “Untergang.” Im Unterschied zu Sebald bemängelt er die darin aufzufindenden mythisch-märchenhaften Darstellungselemente nicht. Insbesondere habe ihn die Erzählerstimme beeindruckt: “This refusal to limit the meaning of ‘report’ to the transmission of facts was, for me, a revelation almost as startling as the narrator’s voice, which was personal, quiet, and tender, even when speaking about calamity. Although maybe that stillness was itself an aftereffect of disaster” (ix—x). Sowohl Sebald als auch Agee schneiden Kritikpunkte an, die in den Literaturanalysen von Nossacks Augenzeugenbericht nicht vereint besprochen worden sind. Es stellt sich die Frage, inwiefern Nossacks Schilderung von Hamburgs Zerstörung eine wahrheitsgemäße Dokumentation sei. Darüber hinaus ist die “stillness” des Erzähler-Ich von Belang, da sie implizit auf die Bewahrung der Fassung verweist, die ein normatives Prinzip in Nossacks Bewältigung der Katastrophenerfahrung ausmacht. In Interviews aus den Sechziger- und Siebzigerjahren konstatierte Nossack wiederholt, die Bombenangriffe auf Hamburg im Juli 1943 hätten eine Zäsur in seinem Leben bewirkt: “Für mich war der Untergang Hamburgs eine Art Befreiung: Das, was ich als junger Mensch nicht ganz fertiggebracht hatte, sondern nur halb - die Ablösung von Familie und Konventionen -, das ergab sich nun durch die völlige ‘Zerstörung der Vergangenheit’” (Rudolph 185). Die durch die “Operation Gomorrha” ausgelösten Flächenbrände forderten auch ihre Opfer. Nossack, dessen Schriftstellerkarriere bereits durch das “lebenlose Leben” des Nazi-Alltags beeinträchtigt worden war (“Leben,” 142), stand plötzlich vor dem Nichts: Luftkrieg und Legende 159 Ziemlich genau im Jahre 1933 wäre ich wohl als Schriftsteller an die Oberfläche getaucht. Es lagen die ersten Verträge vor. Da kam Hitler, und ich wurde verboten oder war unerwünscht. So habe ich meine besten zwölf Jahre verloren. 1943 verbrannte mir alles, Manuskripte und Tagebücher - ein schwerer Schlag. Das ist, was ich, ‘verlorene Vergangenheit’ nenne. (Bienek 88). Anknüpfend an Manfred Durzaks entlarvende Frage an den Autor, ob der hohe Stellenwert des “Untergangs” in seinem Werk nicht “Ansätze zu einer gewissen literarischen Legendenbildung” aufweise (369—70), werde ich in diesem Beitrag aufzeigen, dass Nossacks Äußerungen zu Hamburgs Untergang und der daran gekoppelten biographischen Schicksalswende in Widerspruch zu seinen Privataufzeichnungen stehen. Die im September 1943 neu begonnenen Tagebücher wie auch die Briefkorrespondenz aus den Jahren 1943—1956, die Gabriele Söhling jeweils 1997 und 2001 herausgegeben hat, legen den Grundstein für ein unverfälschteres Verständnis über sein literarisches Schaffen. Von Nossacks Schriften erreichte “Der Untergang” mit seinen mehreren Auflagen den größten Bekanntheitsgrad (der Bericht wurde 1948 im Sammelband Interview mit dem Tode erstveröffentlicht). Das Prosastück trug aber auch maßgeblich zur Legendenbildung um den abrupten Vergangenheitsbruch und postkatastrophischen Neufanfang bei. In seiner Darstellung des untergehenden und zerstörten Hamburgs inkorporierte Nossack tradierte Stereotypen aus dem Katastrophendiskurs, die u. a. Parallelen mit der damaligen NS-Luftkriegspropaganda aufweisen. Der strukturelle Rahmen, auf den sich Nossack in seiner Sinnbewältigung des Katastrophenereignisses besann, ist die eingangs erwähnte “Fassung.” Sie konstituiert ein Leitprinzip, das der Autor bereits in “Gespräch über die Katastrophe,” einem Aufsatz aus den Zwanzigerjahren, herausarbeitete und dessen Einfluss auf den “Untergang” in der Nossack-Forschung bislang nur marginal berücksichtigt worden ist (Gäthje 69—70; Buhr 46—47; Esselborn 89). Jene Frühschrift belegt, dass Nossacks lebenslange Faszination für die Katastrophenthematik bereits vor der Zerstörung Hamburgs vorhanden war. Sie stellt ebenfalls einen hermeneutischen Schlüssel bereit, der die Bedeutung der disparaten Dispositionen - Hass, Verzweiflung, Schweigen, Glückseligkeit - in Nossacks Vergegenwärtigung der durchlebten Extremerfahrung offenlegt. Wie sich zeigen wird, operiert Nossacks “Untergang” im Spannungsfeld zwischen Bezeugen und Verschweigen. Auf ergreifende Weise veranschaulicht der Text, was für ein schreckliches Ausmaß die Luftangriffe auf Hamburg und seine Menschen hatten. Gleichermaßen verschleiert er dasjenige, was die moralische Fassung des Autors hätte gefährden oder in Diskredit bringen können. Nossacks selbstauferlegte Tarnung lässt sich mittels der hinterlassenen Tagbücher und Briefe schrittweise aufdecken. 160 Christoph D. Weber Bevor ich mit der Inhaltsanalyse des “Untergangs” beginne, soll kurz auf Nossacks zögerliche Haltung gegenüber der Veröffentlichung seines Prosastücks eingegangen werden, da sie den Verdacht bestärkt, dass er darin wohl mehr von seinen privaten Konflikten offenlegte, als ihm lieb gewesen wäre. In der literaturwissenschaftlichen Rezeption wird der Bericht allgemein als ein autobiographischer Text gewürdigt. Analog zu Nossacks wiederholter Behauptung, bei der Zerstörung Hamburgs im Juli 1943 seien seine “standesamtliche” und geistige Biographie zusammengefallen (letztere betrifft den Werdegang seiner Schriftstellerkarriere) (Schmid und Simmerding 41—43), kommt es im “Untergang” zu einer Konvergenz zwischen dem Erzähler-Ich und dem Verfasser. Der Schriftsteller Hermann Kasack brachte dies 1961 in seiner “Laudatio” zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises an Nossack auf den Punkt: “Für mein Gefühl hat er mit diesem Bericht Der Untergang ein Stück deutscher Prosa geschrieben, das vorbildlich und für lange Zeit gültig ist. (…) Vielleicht ist Nossack diese dichterische Aussage so geglückt, weil das Ich des Berichtenden - als Zuschauer - mit dem Ich des Menschen - als Autor - hier ohne Trennung und Überschneidung zusammenfällt” (121). Kasacks Wertschätzung gründete sich auf eine jahrzehntelange Bekanntschaft mit Nossack und seiner literarischen Tätigkeit. Als Cheflektor des Suhrkamp Verlags setzte er sich für die Erstveröffentlichung der Nossackschen Manuskripte ein und befürwortete 1942 den Druck eines Gedichtbands mit dem Titel Vom Rand der Welt , der aufgrund der Kriegswirren nicht zustande kam. Nossack fand in Kasack eine Vertrauensperson, der er per Briefkontakt ausgiebig über die Entstehung und den Inhalt des “Untergangs” berichten konnte. Am 2. November 1943 kündigte er an, dass er “aus therapeutischen Gründen” ein Prosastück angefangen habe ( Briefwechsel 14). Einen Monat später, am 6. Dezember, äußerte Nossack seine Zweifel, ob er den Text jemals der Öffentlichkeit zugänglich machen werde: “Zum Veröffentlichen ist es übrigens doch nichts, selbst wenn es etwas taugt” (Briefe). Zwei Tage später gab Nossack die unmittelbare Fertigstellung des Prosastücks bekannt: “Es ist ein Bericht von ca. 27 eng beschriebenen Folioseiten über das, was ich in der Zeit vom 24. Juli bis ungefähr 15. August erlebte, mit dem Titel ‘Der Untergang’. Das Wort ‘Bericht’ ist vielleicht irreführend; wenn, dann ist es ein sehr intimer Bericht und man könnte es ebensogut ‘Bekenntnis’ nennen” ( Briefwechsel 19). Obwohl Nossack im Brief zukünftige Leser, “die einen solchen Bericht von uns, die dabei waren, erwarten werden” (19), in Erwägung zieht, wiederholt er seinen Vorbehalt, den Text an andere weiterzugeben. Gründe dafür seien nicht nur dessen “Intimität,” sondern auch die Ungewissheit, ob “es nicht schaden” könne (20). Nossacks Selbstzweifel mögen, wie Inge Stephan behauptet hat, von der Angst vor politischen Repressalien herrühren: “An eine Veröffentlichung des Texts war angesichts der offiziellen Luftkrieg und Legende 161 Endsieg-Euphorie zu der damaligen Zeit natürlich nicht zu denken” (307). Es ist jedoch bestechend, dass Nossack selbst nach Kriegsende wenig Interesse daran zeigte, den “Untergang” zu veröffentlichen. Am 1. Februar 1946 schickte er das Manuskript an seinen Schriftstellerkollegen Hans König zur Begutachtung. Im Begleitschreiben nennt Nossack den “Untergang” ein “rein persönliches Dokument,” das er nicht mehr durchlesen könne und er möchte von König wissen, ob darin etwas Überzeitliches zu finden sei ( Briefwechsel 230). Hartmann Goertz, der als Lektor des Wolfgang Krüger Verlags sich für die Publikation des Prosastücks in Interview mit dem Tode eingesetzt hatte, teilte Nossack am 11. Oktober 1947 mit, er habe den “Tatsachenbericht von 1943” nicht vorabdrucken lassen wollen, weil er ihm “zu privat erschien” (zit. nach Buhr 244). Hinsichtlich der positiven Rezeption, die “Der Untergang” nach der Erstveröffentlichung erhalten hatte, mutet sich Nossacks Befangenheit überraschend an. Sebalds monierte Neigung des Autors “zur philosophischen Überhöhung und falschen Transzendenz” kann als ein Tarnmanöver gedeutet werden, Aspekte, die die persönliche Biographie betreffen, zu typisieren und auf diese Weise zu verschleiern. Gleich zu Anbeginn des “Untergangs” gibt Nossack zu bekennen, dass er die Zerstörung Hamburgs “als Zuschauer” erlebt habe (198). Mit der Proklamation, Augenzeuge gewesen zu sein, wie “die Stadt als Ganzes” untergegangen sei, untermauert er das Anrecht, für alle, die die Katastrophe miterlebt haben, zu sprechen. Diese vorangestellte Erklärung, die das Ethos des Erzählers zu bestärken bezweckt, ist ein in Katastrophennarrativen verankertes rhetorisches Stilmittel. Ein weiteres, miteinhergehendes Stereotyp ist Nossacks Behauptung, er habe mit vielen Hunderten gesprochen, “die dabei” gewesen seien (198). Was er von diesen Frauen und Männern vernommen habe, sei äußerst schockierend gewesen: “[W]as sie erzählen, wenn sie überhaupt davon sprechen, ist so unvorstellbar grauenhaft, daß es nicht zu begreifen ist, wie sie bestehen konnten” (198). Von Bedeutung ist, dass Nossack selbst die alliierten Luftangriffe auf Hamburg vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 nicht unmittelbar erlebte. Als die Bomben fielen und am 28. Juli einen Feuersturm auslösten, der bis zu 30.000 Menschen in den Tod riss (Hausschild-Thiessen 62), war er zusammen mit seiner Frau Gabriele (“Misi”) auf Urlaub in Maschen, einer Ortschaft, die etwa 25 Kilometer vom Hamburger Stadtzentrum liegt. Nossacks Bedürfnis, über die traumatischen Erfahrungen Zeugnis abzulegen, gerät mit der selbstauferlegten Aufgabe, das Unfassbare auszudrücken, in Konflikt. Um die Sprachlosigkeit, die semantischen Leerstellen zu überbrücken, durchmischt Nossack die faktisch verifizierbaren Einzelheiten seines Berichts mit Reflexionen und Darstellungselementen, die ihre Prämisse in Mythen und Märchen haben (vgl. Williams, Mythische 119—25). Daraus erklärt sich die hybride Textgestalt des Prosastücks, 162 Christoph D. Weber die zwischen einer der Öffentlichkeit zugewandten Berichterstattung und einem in sich gekehrten, verschlüsselten Selbstbekenntnis oszilliert. Nossacks Beschreibung der Hamburger Luftangriffe basiert auf der Ursprungsbedeutung des Nomens “Katastrophe.” Der aus der griechischen Dramaturgie stammende Begriff signalisiert eine Umkehr nach unten und schließt die aristotelische Definition der Peripetie, die eine plötzliche Wende im Lebensverlauf signifiziert, mit ein. Im deutschsprachigen Raum fand im 19. Jahrhundert die semantische Überbrückung des Katastrophenbegriffs von der Theaterbühne auf einen reell ereigneten Unglücksfall statt (Walter 17). Unter dem Lemma “Katastrophe” führt das Brockhaus’ Conversations-Lexikon von 1885 folgende Worterklärung an: “Aus der dramatischen Sprache hat sich alsdann dieser Ausdruck auch in das gewöhnliche Leben übertragen. Katastrophe pflegt man dann jede entscheidende, namentlich jede unglückliche Wendung zu nennen, selbst jedes unglückliche Naturereignis” (179). Der Rückgriff auf den Katastrophenbegriff erlaubt es Nossack, dasjenige, was die “Vernunft” niemals als “Wirklichkeit” zu begreifen vermag (199), in ein Ordnungs- und Sinngefüge zu überführen. Bezeichnenderweise verläuft die sprachliche Fixierung der Extremerfahrung gemäß tradierter Darstellungsmuster. Selbst wenn der genaue Zeitpunkt der Juli-Angriffe von 1943 nicht vorsehbar war, erinnert sich Nossack rückblickend an bestimmte Vorzeichen, die auf den Untergang hingedeutet haben. Im vorangegangenen Mai hatten “zwei große mövenartige Vögel” die Hamburger Katharinenkirche umkreist: “Sie waren manchmal schwarz und manchmal weiß, und ihre Schatten streifte beängstigend über Häuser und Wasser” (239). 2 Darüber hinaus schildert Nossack die abrupte Verschiebung vom präzum postkatastrophischen Zustand anhand eines Kontrastbildes: “Stellen Sie sich vor, Sie schlössen die Augen für eine einzige Sekunde, und wenn Sie sie wieder öffneten, wäre nichts mehr da von all dem, was vorher da war” (“Untergang” 216). Die Zäsur im linearen Zeitgeschehen veranschaulicht er zusätzlich mit der Metapher des Abgrunds, die sich leitmotivisch im Bericht wiederholt. Nossack verkürzt die Zerstörung Hamburgs, die während der “Operation Gomorrha” über mehrere Tage und Nächte andauerte, auf einen Schnittpunkt. Durch diese erzähltechnische Raffung lässt sich der plötzliche Zusammenbruch der einst vertrauten Lebenswelt und die daraus resultierende Entfremdung durchschlagend vermitteln. Nossack bekundet im “Untergang,” dass er ein kataklysmisches Ereignis antizipiert, wenn nicht gar herbeigewünscht habe. Diesen Tatbestand illustriert er mit dem Mythos der biblischen Flutkatastrophe: “Wir haben uns alle mit dem Gedanken einer Sintflut beschäftigt, die Zeitereignisse brachten es mit sich” (207). Der Rekurs auf den Sintflut-Topos kommt nicht von ungefähr, denn er war bereits zentraler Gegenstand in Nossacks ältester erhaltener Abhandlung “Gespräch vor der Katastrophe.” Für lange Zeit galt das 1927 verfasste Manuskript Luftkrieg und Legende 163 als “verschollen und vergessen,” bis ein Freund Nossacks, O. H. Strohmeyer, es unter seinen Papieren wiederfand und dem Schriftsteller zuschickte (51). Im Tagebucheintrag vom 1. August 1963 vermerkt Nossack den Erhalt des Aufsatzes, der von der alten Fragestellung handle, “was man im Falle einer Sintflut für nötig halten würde hinüberzuretten” (634). Ihm sei völlig entfallen, dass er schon “vor Hitler, vor der Ausbombung, vor der Atombombe” sich damit so intensiv beschäftigt habe und stellt fest, “[m]anche Motive, die ich später in Nekyia, also nach der Katastrophe verwandte, stehen da schon fast wörtlich” (634). Nicht nur in Nekyia , sondern auch in “Der Untergang” herrschen intertextuelle Verknüpfungen zu diesem “vergessenen” Text vor. Sowohl die Frage, “was wir über eine morgige Sintflut hinüberretten wollten, um es den Überlebenden zu erhalten” als auch die Klage des Indianers, “der als letzter seines Stammes am Meeresufer saß und rief: Was soll ich nun machen? Soll ich Orion werden? ” verweisen direkt auf diese Frühschrift (207—208). 3 Zu Recht ist festgestellt worden, dass die Zerstörung Hamburgs weder einen “entscheidenden Bruch” (Buhr 224) noch “die existentielle und metaphysische Grunderfahrung” in Nossacks literarischem Schaffen eingeläutet habe (Gäthje 69). Da das “Gespräch über die Katastrophe” Nossacks “Untergang” wesentlich präformiert hat, soll auf die überlappende Thematik beider Texte vertiefter eingegangen werden. Jenes Prosastück, das einen Dialog zwischen zwei Männern und einer Frau wiedergibt, verortet den Ursprung der Katastrophe im Kontrollverlust über die eigene Fassung bzw. über die Affekte Liebe und Wut. Wenn die Spannung zwischen der Fassung und demjenigen, was die “Fassung verschweigen soll” zu groß wird (53), bricht die Katastrophe herein. Der bestehende Status quo , die lebensweltliche Manifestierung der Fassung, droht dabei unterzugehen: Und wir würden leider sofort erkennen, daß all diese Dinge, Häuser, Städte, Gewohnheiten und Gesetze, die wir für unzerstörbar halten, weil Jahrhunderte ihre Kraft daran gegeben haben, sie auszubauen, kurz, daß diese ganze Fassung keine eigene Schwerkraft hat, die uns im Ernstfall einen Halt bieten könnte. Die Dinge haben nur das Gewicht, das wir ihnen geben, weil wir sie wollen und an sie glauben; was wir nicht mehr gebrauchen, hat jede Macht verloren. (54) Nachdem der Ausnahmezustand im Juli 1943 eingetroffen war, war für Nossack das Wort “hätte” am gefährlichsten (220), weil es schmerzhafte Erinnerungen an vergangene Versäumnisse weckte. Die Möglichkeit, dabei in Verzweiflung zu geraten und in den Abgrund abzustürzen, sei stets präsent gewesen: “Es hätte nur einer von uns zu schreien brauchen und wir wären alle verloren gewesen” (221). Worauf geachtet worden sei, “war nicht laut zu sein und nicht zu viel Gewicht zu haben” (221). Für die Bombenflüchtlinge Hamburgs sei es demnach äußerst wichtig gewesen, “daß alles die Haltung wahrte” (221). 164 Christoph D. Weber Das Gebot, vor den Augen anderer die Haltung zu bewahren, korreliert mit Nossacks früherer Ausführung über die Bedrohung, die vom Fassungsverlust ausgehe: Es bedürfe “der Gewalt der übrigen, um die Ruhe wieder herzustellen, und zwar muß es sofort geschehen; denn die Fassungslosigkeit ist eine rasch ansteckende Krankheit” (“Gespräch” 54). Daraus lässt sich die Bedeutung der “Erkenntnis” erschließen, die sich für Nossack aus den “schmerzlichen Monaten” nach Hamburgs Untergang ergeben hat ( Briefwechsel 23). Am 12. Dezember 1943 schrieb er Kasack, dass das 1926 verfasste Theatermanuskript “Die Rotte Kain” an erneuter Relevanz gewonnen habe, weil es den grundlegenden Fragepunkt adressiere: “Was wird am Tage nach der Sintflut oder Weltkatastrophe sein? Um das Leben und die Überlebenden zu erhalten, wird die Aufgabe für die Geistigen und Wissenden darin liegen: zu verschweigen! Also nicht zu vergessen” ( Briefwechsel 23). Das Nicht-Vergessen reklamiert einerseits die Einsicht, dass eine durch die Amnesie begünstigte Rückkehr in die alte Ordnung eine Scheinexistenz befördern würde (vgl. Schmid 32). In der Erinnerung an die Katastrophe und den daraus erfolgten Schwebezustand eröffnet sich dagegen der “Durchgang für Ewiges,” die “letzte Möglichkeit” für einen Neuanfang (“Untergang” 222). 4 Das Schweigen konnotiert andererseits ein Eingeständnis der selbstempfundenen Ohnmacht. Im Hinblick auf die durchlebten Schrecknisse bedarf es des Rückzugs aus dem öffentlichen Diskurs in die Privatsphäre, um die innere Fassung zu bewahren. Ein Aufschreien käme einem Akt der Verzweiflung oder des egoistischen Opportunismus in Krisenzeiten gleich. Dieser Kritikpunkt schlägt sich in Nossacks frühen Prosastücken nieder. Das Erzähler-Ich hinterfragt in “Der Untergang” die Aufrichtigkeit derjenigen, die vor der Katastrophe gewarnt und zur Vorbereitung ausgerufen hätten: “Wünschten sie nicht vielleicht die Katastrophe herbei, um andere auf die Knie zu zwingen, während sie selbst sich im Chaos beheimatet fühlten? Und trieb sie nicht die Lust, sich selber zu erproben, aber auf Kosten des vertrauten Daseins? ” (208). Die als Gegenmaßnahme proklamierte Verpflichtung zum Schweigen findet in Nekyia ihre komplementierende Erörterung. In Anlehnung an den Kassandramythos stellt sich der Erzähler die Frage, ob das Wissen, dass morgen die Sintflut eintreffen werde, weitervermittelt werden sollte: “Wenn man es den Leuten nun sagen würde, so hätte es doch nur zur Folge -vorausgesetzt, daß sie es glauben würden, was nicht wahrscheinlich ist, - daß die Sintflut schon heute hereinzubrechen begönne. Also muß man schweigen, obwohl es das Schwerste ist” (45). Ganz im Sinne einer magisch-mystischen Weltaneignung würde das Unheil durch dessen verbale Benennung heraufbeschwört statt abgewendet werden. Nossack verknüpft die Bürde des selbstauferlegten Schweigens mit der Gefühlslage der Melancholie, die das Spannungsfeld zwischen “der nackten Luftkrieg und Legende 165 Wahrheit und der Verzweiflung” absteckt ( Tagebücher 79). Im Tagebucheintrag vom 2. Oktober 1946 hält er fest, die Melancholie ist das Schweigen derer, die nicht anklagen wollen, weil sie wissen, daß anklagen den Kläger selbst trifft: denn helfen ist besser als anklagen; und das Verstummen derer, die nicht schreien wollen, weil ihr Schrei die Welt zerstören könnte. (…) Sie ist ein leises Zugeben unserer Ohnmacht, und dadurch ist sie eine lebenserhaltende Macht mitten im Untergang. (79) Die im “Gespräch über die Katastrophe” implizierte Korrelation zwischen der inneren und äußeren Fassung wird im “Untergang” fortgesetzt. Nossack umschreibt den Kulminationspunkt der freigesetzten Zerstörungskräfte allegorisierend mit der Verwandlung zweier Kiefern in schwarze Wölfe, die “gierig nach der blutenden Mondsichel sprangen” (207). Die von Menschenhand verursachten Verheerungen vermochten selbst die pastorale Heidelandschaft in Aufruhr zu versetzen. Im fahlen Licht eines Flakscheinwerfers getaucht, erblickt Nossack die “im Haß gegen sich selbst” aufgestandene Natur (207). Das in der Außenwelt hypostasierte Hassgefühl besitzt seinen Ursprung im Erzähler-Ich. Nossack räumt ein, er habe sich “jahrzehntelang” gegen den Ausbruch des Hasses gestemmt den Katastrophentag herbeigesehnt, um von der “Aufgabe des Wächters” erlöst zu werden (207). Sein persönliches Schicksal verschleift sich mit demjenigen seiner Heimatstadt: “Und wenn es so ist, daß ich das Schicksal der Stadt herbeigerufen habe, um mein eigenes zur Entscheidung zu zwingen, so habe ich auch aufzustehen und mich am Untergang der Stadt schuldig zu bekennen” (207). Koinzidierend mit der Vernichtung Hamburgs externalisiert sich der Hass und im Vollzug dieser psychischen Dissoziation fühlt sich das Erzähler-Ich “frei davon” (209). An der Schnittstelle, die den “Weg durch die verhaßte Vergangenheit” durchtrennt, entlädt sich die aufgestaute Spannung (209). Mit der Katharsis geht ein Moment der Fassungslosigkeit einher. Das Erzähler-Ich nimmt im Durchlauf dieser Grenzerfahrung die Rolle des am Meeresstrand sitzenden Indianers ein: Laut aufstöhnend wankt es “am Ufer der zerstörten Welt” hin und her (209). In der vierten und letzten Angriffsnacht wiederholte sich der kataklysmische Zwischenfall. Wegen eines starken Gewitters verfehlte das Bombergeschwader das Angriffsziel der Hamburger Innenstadt und warf seine Sprengkörper blindlings auf die umliegenden Gebiete ab. Um nicht getroffen zu werden, flohen Nossack und seine Frau aus der Ferienhütte in die brennende Heide. Diesmal “steigerte sich das Wüten der Welt gegen sich selbst über alle menschliche Vorstellungskraft hinaus” und die “Erde schüttelte sich im Todeskampfe” (210). Angesichts der unmittelbaren Bedrohung schilderte Nossack den misslungenen Luftangriff am 3. August als finalen Höhepunkt der “Operation Gomorrha.” Im neu begonnenen Tagebuch erwähnt er die “Hilfslosigkeit” und 166 Christoph D. Weber “zwei Kiefern, die wie zwei springende Wölfe nach der Mondsichel bissen” im Zusammenhang mit seinen Erinnerungen an den letzten Nachtangriff (10). Die im “Untergang” erfolgte Rückversetzung beider Schlüsselmomente - der Fassungslosigkeit und des Hassausbruchs der Natur - in die erste Bombennacht vom 25. Juli lässt sich aus dem Umstand erklären, dass der schicksalshafte Vergangenheitsbruch sich zu diesem Zeitpunkt ereignet haben soll. Am darauffolgenden Dienstag, den 27. Juli, vernahm Nossack, dass seine Wohnung ausgebombt sei und am Samstag, den 31. Juli, unternahm er zusammen mit seiner Frau die erste Fahrt in die verwüstete Stadt. Indem Nossack kursierende Gerüchte über Hamburgs Zerstörung als unwahr verwirft, nimmt er die Rolle des glaubwürdigen Chronisten ein. 5 Allerdings zerbricht, wie im folgenden Abschnitt aufgezeigt wird, die distanzierte Haltung des Erzähler-Ich zu den Schrecknissen in der Beschreibung der Leichenbergungen und des “schlagartige[n] Überhandnehmen[s] der an den ungeborgenen Leichen gedeihenden parasitären Kreatur” (Sebald, “Geschichte” 41). Im errichteten Sperrgebiet 6 der Ruinenstadt spielten sich abscheuliche Szenen ab: Man sah Zuchthäusler in gestreiften Anzügen darin arbeiten. Sie sollten die Toten bergen. Man erzählte sich, dass die Leichen, oder wie man die Reste ehemaliger Menschen sonst nennen will, an Ort und Stelle verbrannt oder in den Kellern durch Flammenwerfer vernichtet wurden. Aber in Wirklichkeit war es schlimmer. Sie konnten vor Fliegen nicht in die Keller gelangen, sie glitschten auf dem Boden aus vor fingerlangen Maden, und die Flammen mußten ihnen einen Weg bahnen zu denen, die durch die Flammen umgekommen waren. (235) In der Abfolge sich steigernder Schreckensbilder wird das Grauen der entfesselten Ungezieferverbreitung vor Augen geführt. Der beobachtete Einsatz von “Zuchthäuslern” (Häftlinge vom KZ-Neuengamme hatten an der Leichenbergung im abgesperrten Stadtteil Hammerbrook teilgenommen) lässt sich historisch belegen (vgl. Orth 145—55). Hingegen fand dort keine Verbrennung menschlicher Überreste statt. Im Bericht des Hamburger Polizeipräsidenten und SS-Brigadeführers Hans Julius Kehrl vom 1. Dezember 1943 wird notiert, dass man erwägt habe, Leichen an den Fundstellen zu verbrennen. Zum Zeitpunkt der Bergungen sei jedoch ein Großteil der Todesopfer durch die enorme Hitzeeinwirkung der Brände bereits verwest, verkohlt oder eingeäschert gewesen. Nachdem Fachärzte am 6. August 1943 eine von den Leichen ausgehende Seuchengefahr als belanglos erachtet hatten, entschloss man sich “insbesondere aus Pietätsgründen” die Toten in “Gemeinschaftsgräbern auf den Friedhöfen” beizusetzen ( Dokumente, Bd. II/ 2: 294). Die Möglichkeit, dass Leichen zu Fliegenbrutstätten werden könnten, wurde im Polizeibericht als gering eingestuft: “Nach jetzigem Augenschein ist die Fliegenbevölkerung des Gebietes anscheinend Luftkrieg und Legende 167 völlig zugrunde gegangen. Fliegen wurden nur in einem Falle außerhalb des Kellers beobachtet” (306). Zudem stellte man bei der Autopsie der geborgenen Leichen keine “Zeichen von Maden- und Rattenfraß” fest ( Dokumente , 1. Beiheft: 133; vgl. Lowe 403). Hinsichtlich der rekonstruierten Faktenlage erweisen sich die Erzählungen über die Leichenverbrennungen im Sperrgebiet als haltlose Gerüchte. Auf verblüffende Weise interveniert das Erzähler-Ich in diesem Fall nicht als korrigierende Instanz, sondern überspitzt die Szenerie mit der Schreckensdarstellung einer an den Toten gemästeten Maden- und Fliegenbrut. Das Sperrgebiet gestaltet sich zu einem locus terribilis , in dessen verschütteten Kellerräumen sich die Fauna auf groteske Weise vermehrte und durch das reinigende Feuer vernichtet werden musste. Nossacks Einwand, “in Wirklichkeit” sei es “schlimmer” gewesen, bezieht sich nicht auf die empirische Realität. Sein Bericht trägt vielmehr zur Mythenbildung um das Sperrgebiet bei, die über das Kriegsende hinaus fortwährte (vgl. Lowe 275). Gleichermaßen veranschaulicht das Erzähler-Ich den ungebremsten Vormarsch des Ungeziefers in den übrigen Stadtteilen als Manifestation einer aus den Fugen geratenen Lebenswelt. Größeres Ekel als die sich auf den Straßen tummelnden, fett gewordenen Ratten erregten die Fliegen, deren obszönes Treiben lupenhaft vergrößert wird: Große, grünschillernde, wie man sie nie gesehen hatte. Klumpenweise wälzten sie sich auf dem Pflaster, saßen an den Mauerresten sich begattend übereinander und wärmten sich müde und satt an den Splittern der Fensterscheiben. Als sie schon nicht mehr fliegen konnten, krochen sie durch die kleinsten Ritzen hinter uns her, besudelten alles, und ihr Rascheln und Brummen war das erste, was wir beim Aufwachen hörten. Dies hörte erst im Oktober auf. (236) Die monströsen Fliegen und Maden finden ihre Erwähnung nicht nur im “Untergang,” sondern auch in weiteren Prosastücken, die zusammen in Interview mit dem Tode erschienen. In “Kassandra” versucht Odysseus die Titelfigur darüber hinwegzutrösten, dass die Trojanerinnen nach dem Ende des Feldzuges sich mit den griechischen Soldaten vergnügen. Das sei vor tausend Jahren geschehen und werde sich auch in tausend Jahren wiederholen: “Wir dürfen es nicht ändern” (72). Nach einem Moment des Schweigens antwortet Kassandra daraufhin: “Dies, daß es so ist, und dann die großen schillernden Fliegen, die seit dem Brande der Stadt überall in der Sonne ihr Spiel treiben, das ist das Schlimmste” (72). Eine weitere intertextuelle Verbindung findet sich im “Bericht eines fremden Wesens über die Menschen.” Diesmal sind es Maden, die sich an einem verwesenden, die Kriegsvergangenheit symbolisierenden Leichnam laben. Ein Teil davon, der sich am Gestorbenen gemästet hat, zieht sich in seine Schlupflöcher zurück und wartet auf eine Auferstehung. Andere, die bisher nicht an der Mahlzeit teilnehmen durften, drängen sich neidvoll aus den Schlupflöchern und fressen sich 168 Christoph D. Weber fett. Dabei rühmen sie sich mit den Worten: “Seht, wir vertilgen den verfluchten Leichnam! ” (9). Ein derartiger selbstgerechter Umgang mit der Vergangenheit verschafft jedoch keinen Trost: “Die Menschen aber gleiten auf diesen Maden aus, und so werden ihre Bewegungen mißtrauisch und mutlos” (9). Die Wiederholung solcher bestimmten Motive in Nossacks Prosastücken, die die traumatisierenden Nachwirkungen der Kriegserfahrung thematisieren, konterkariert das Unterfangen, Hamburgs Untergang als ein singuläres Katastrophenereignis darzustellen. Durch den Zusatz einer symbolischen Referenz wird das ekelerregende Ungeziefer, das sich in der Ruinenstadt unkontrolliert ausbreiten konnte, vom zeitspezifischen Kontext entkoppelt. Die Schrecknisse, die aufgrund ihrer hyperbolischen Darstellungsweise bereits einen mystifizierenden Anstrich erhielten, werden stattdessen in ein überzeitliches Bezugssystem eingebunden. Die Maden und Fliegen geraten zu Chiffren eines parasitären Opportunismus, der in der Nachfolge periodisch wiederkehrender Katastrophen aufblüht und aus den Überbleibseln der untergangenen Vergangenheit Profit schlägt. Somit ist Sebalds Urteil, Nossack habe mit der tabubrechenden Darstellung der “widerwärtigsten Ausformungen der Trümmerfauna” ein “seltenes Dokument des Lebens in der Ruinenstadt” bereitgestellt (“Geschichte” 42), nur bedingt beizustimmen. Nossack geht es nicht darum, die verstörenden Eindrücke des Luftkriegs in einem sachlich-objektiven Duktus wiederzugeben. Die alptraumhaften Bilder “von der Vermehrung der sonst auf jede Weise unterdrückten Arten” transzendieren die zeitgeschichtliche Dimension (Sebald, “Geschichte” 42). In ihrer Symbolik verweisen sie auf das Spannungsverhältnis antithetischer Pole, das Nossack in seinem Leitprinzip der Fassung umrissen hat. Wie der über Jahre unterdrückte Hass dringt dasjenige, was die Fassung zu verdecken versuchte, im Zusammenbruch der Gesellschaftsordnung an die Oberfläche. Folgend soll nun Nossacks Behauptung, Hamburgs Untergang habe “eine Art Befreiung” bzw. eine “Ablösung von Familie und Konventionen” herbeigerufen (Rudolph 185), kritisch beleuchtet werden. Wie sich zeigen wird, hatte der vermeintliche Bruch mit der Vergangenheit weit ambivalentere Ursachen und Folgen als der Schriftsteller in der Öffentlichkeit preisgeben wollte. Nachdem die Gedankenspiele über die Sintflut bittere Realität geworden waren, distanzierte sich Nossack von der Frage, was man im Falle einer Katastrophe hinüberretten sollte. Die darüber geführten Gespräche verwirft er im “Untergang” als “geistreiches Geschwätz” und “Prahlerei” (207). Grundlegend zum Gesinnungswandel trug die Einsicht bei, dass es unsinnig sei, überhaupt etwas aus der Vergangenheit hinüberzuretten: “[W]o war dann etwas, das uns so notwendig schien, daß wir uns bis zum letzten Atemzug dafür eingesetzt hätten? ” (207). In seinen Tagebuchaufzeichnungen kommt Nossack auf den Vergangenheitsbruch wiederholt zu sprechen. Am 18. August 1944 räumt er ein, “Sintflut und Untergang” habe Luftkrieg und Legende 169 er herbeigewünscht, um von der “Last der Gewohnheiten” befreit zu werden, “die nicht mehr zu unserem Wesen paßten” (20). Ein Umbruch sei notwendig gewesen, weil der Mut, die Lebensumstände “freiwillig” zu verändern, gefehlt habe (20). Jahre später, am 16. Dezember 1960, konstatiert Nossack, die Zerstörung Hamburgs habe ein Erwachen aus einer verlogenen und scheinhaften Lebensführung signalisiert, die 1933 nach den Hausdurchsuchungen eingesetzt habe: “Sehr seltsam und nicht gerade heroisch, daß die Befreiung nur möglich war, indem die Gefängnismauern von außen her und durch andre Mächte zum Einsturz gebracht wurden” (451). Die Frage stellt sich, wovon genau sich Nossack befreien lassen wollte. War es vielleicht das von der Hitlerdiktatur erzwungene “Exil” in den kaufmännischen Beruf, der ihn vom Schreiben ablenkte (vgl. Nossack, “Jahrgang 1901” 140)? Nossack kam das Jahrzehnt vor 1943 einem Totenreich gleich, in dem er die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging, in charakteristischer Manier “durch ein Ausweichen und Verschwinden ins Schweigen” bannte ( Tagebücher 451). Jedoch ist eine alternative Interpretationsmöglichkeit im “Untergang” erschließbar, wenn man Nossacks Einwand, der Text sei ein intimes Bekenntnis, beim Wort nimmt. Der in der Nossack-Forschung wiederholt diskutierte Angelpunkt im “Untergang” ist die eigentümliche Epiphanie, die Nossack während der Rückfahrt in die Ruinenstadt Hamburg widerfährt. Im Gesamtgefüge des Berichts stellt sie den Gegenpol zur davor beschriebenen Hilflosigkeit in der hasserfüllten Natur dar. Statt Verzweiflung bewirkt der Verlust der Besitztümer ein euphorisches Glückgefühl im Erzähler-Ich: Da überkam mich, ich weiß nicht woher, ein so echtes und zwingendes Glücksgefühl, daß es mich Mühe kostete, nicht jubelnd auszurufen: Nun beginnt endlich das wirkliche Leben. Als ob eine Gefängnistür vor mir aufgesprungen wäre und die klare Luft der längstgeahnten Freiheit schlüge mir entgegen. Es war eine Erfüllung. (228) Im Beitrag “Zwischen Geschichte und Naturgeschichte” deutet Sebald Nossacks Epiphanie-Erlebnis als eine Reaktion auf die erblickte Trümmerlandschaft, die den baldigen Zusammenbruch der NS-Diktatur symbolisierte. Angesichts der ungeheuren Verwüstung habe sich Nossack dazu verpflichtet gefühlt, das “Skandalon” der erlebten Euphorie “durch die Kultivierung eines Bewußtseins der Mitschuld und Mitverantwortung auszugleichen” (351). Sebalds Argumentation bezieht sich auf Nossacks Parallelisierung des eigenen Schicksals mit demjenigen von Hamburg. Der Impetus für diese “Art der Gewissensforschung” sei aus “dem Skrupulantismus der Überlebenden entsprungen, der Scham‚ ‘nicht zu den Opfern zu gehören’” - eine Disposition, die “später zu einer zentralen moralischen Dimension der westdeutschen Literatur” werden sollte (351). Das “echte und zwingende Glücksgefühl” scheint neben dem zeitgeschichtlichen 170 Christoph D. Weber Verweis auf die prekäre Lebenssituation im Dritten Reich und der Schuldfrage, inwiefern die Katastrophe durch eine quietistische Haltung begünstigt worden sei, eine privatere, auf die eigene Person bezogene Ursache zu haben. Auffallend ist, dass Nossack sich dazu bekennt, die Deutung zur kathartischen Erfahrung “nicht zu geben wage” (227) und auf die Beschreibung des Epiphanie-Erlebnisses sogleich die Erinnerung an ein Gespräch mit seiner Frau folgt: Und doch muß auch Misi etwas Ähnliches empfunden haben. Ein paar Mal, wenn wir über unsere Zukunft zu sprechen versuchten, sagte sie mir, daß sie das Gefühl habe, jetzt böte sich mir meine letzte große Chance, die ich nicht versäumen dürfe. Meinte sie damit wirklich nur die lähmenden Kompromisse, in die wir uns aus Bequemlichkeit oder falscher Rücksicht verstrickt hatten, und die wir nun nicht mehr einzuhalten brauchten, da eine höhere Gewalt sie zerrissen hatte? (228) Nossack unterstreicht die Selbstreflexion mit der Frage, ob es sich hier “wirklich nur um ein ganz persönliches Gefühl” handle (229). Wenn dies zuträfe, dann “würde es nicht in diesen Bericht gehören” (229). Mithilfe Nossacks Tagebuchaufzeichnungen lässt sich eine von der Forschungsliteratur nicht in Betracht gezogene Erklärung für das befreiende Glücksgefühl rekonstruieren. Im Eintrag vom 25. September 1943 fasst Nossack den Inhalt der verbrannten Tagebücher zusammen und verweist vage auf einen im Sommer 1942 ereigneten Zwischenfall, der vor Hamburgs Untergang eine tiefgreifende Krise ausgelöst haben muss. Das Ereignis ließ ihn “auf schmerzlichste Art” seine “Grenzen erleben” und stellte alles in Frage, was er sich “zu sein einbildete” (9). Nach Kriegsende kommt Nossack am 31. März 1946 nochmals auf sein “unecht” gewordenes Leben zu sprechen, das lange vor 1945 angefangen habe. Auch hier spielt das Ereignis von 1942 eine entscheidende Rolle: Es war schon lange vor 1945 fühlbar, daß dies Leben unecht geworden war. Ein Durchbruch nach außen wurde immer nötiger, und es kostete eine übermäßige Anstrengung, die Fassade aufrechtzuerhalten; das Ereignis von 1942 zeigte, wie leicht sie ins Wanken kommen konnte, und zugleich die Gefahr, daß sie mich beim Zusammenbruch unter sich begraben würde. Nun wurde mir 1943 durch ein grausam gütiges Schicksal dies falsche Dasein völlig zerstört. Von der Vergangenheit, ich meine von der äußeren, blieb nichts. So wie ich ohne Heim, ohne Kleidung, Gebrauchsgegenstände, Luxus, Bücher etc. war, lag ich auch psychisch auf der Straße, und es mußte sich erweisen, was ich als Nackter galt. Zunächst, wie gesagt, fehlte es nicht an Versuchen, wieder so zu beginnen, wie es vorher war. Alle diese Versuche scheiterten sofort an Ekel. (72) Die Juli-Bombenkatastrophe von 1943 hat sich mittlerweile als Zäsur in Nossacks Autobiographie verfestigt. Was ist aber mit der Gefahr eines Zusammenbruchs gemeint, der sich beim Untergang Hamburgs im darauffolgenden Jahr dann Luftkrieg und Legende 171 auch im wahrsten Sinne des Wortes verwirklicht hat? Im gleichen Tagebucheintrag rekapituliert Nossack nochmals den Auslöser des Wandlungsprozesses zu einem öffentlich anerkannten Schriftsteller, der mit der Veröffentlichung seiner geretteten Manuskripte endlich die erhoffte Erfüllung finden sollte: [D]en Beginn der Wandlung - oder den Zusammenbruch des bisherigen - sehe ich jetzt ganz klar in dem Ereignis von 1942. (…) Wie sehr ich damals buchstäblich zitterte und völlig schutzlos war, wie leicht dies Ereignis für mich und andere hätte tragisch auslaufen können, läßt sich kaum ermessen. Doch gleichzeitig mit diesem Ereignis lernte ich den Suhrkamp-Verlag und Kasack kennen. Ich wurde zum ersten Mal nicht als Sohn meines Vaters, nicht als verschlossener Sonderling behandelt, sondern als Dichter. Dies hängt mit dem Ereignis zusammen, ja es ist wohl eigentliche Ursache. (73—74) Bei beiden Wendepunkten - 1942 und 1943 - wird eine negative Erfahrung in etwas Positiv-Produktives umgedeutet. Im ersten Zwischenfall handelt es sich, wie Gabriele Söhling eruieren konnte, um einen Ehebruch. Im August 1942 war Nossack nach Berlin gereist, um sich dort zum ersten Mal mit Peter Suhrkamp zu treffen. Mit Elly Rehbein, der Kassenführerin des Suhrkamp Verlags, die Nossacks Gedichtmanuskripte an den Cheflektor Hermann Kasack weitergeleitet hatte, kam es während des Besuchs “zu einem flüchtigen erotischen Abenteuer” (Söhling 106). Somit stellt sich heraus, dass Nossack mit der Auslöschung seiner verlogenen Existenz im Juli 1943 sich nicht nur einen Neuanfang für seine schriftstellerische Tätigkeit, sondern auch für sein Eheleben erhoffte. Daraus erklärt sich auch, warum er selbst nach Kriegsende sich davor sträubte, den für ihn so bedeutsamen Bericht der breiten Öffentlichkeit vorzulegen. Wie oben dargestellt, verheißt die Peripetie in Nossacks Biographie eine Befreiung von den aufgebürdeten Konventionen und Gewohnheiten. Es gilt aber auch festzuhalten, dass sie einen Kontrollverlust über das eigene Lebensumfeld einläutet. Das Individuum sieht sich als Spielball willkürlicher Schicksalsmächte, die im Unterschied zum christlichen Gott sich indifferent gegenüber dem Menschenwohl verhalten. Als Kehrseite der Euphorie setzt mit dem “Vergangenheitsverlust” eine Entfremdung zwischen dem Erzähler-Ich und der veränderten Realität ein, die im “Untergang” in der Form eines Märchens versinnbildlicht wird. Wie Christof Schmid darauf hingewiesen hat, handelt es sich dabei um die Darstellung einer durch den Zusammenbruch induzierten Neugeburt (30). Allerding gestaltet sich die postkatastrophische Welt alles andere als fürsorglich: “Es war einmal ein Mensch, den hatte keine Mutter geboren. Eine Faust stieß ihn nackt in die Welt hinein, und eine Stimme rief: Sieh zu, wie du weiterkommst. Da öffnete er die Augen und wußte nichts anzufangen mit dem, was ihn umgab. Und er wagte nicht, hinter sich zu blicken, denn hinter ihm war nichts als Feuer” (“Untergang” 217). Unversehens ist das auf seine 172 Christoph D. Weber Kreatürlichkeit zurückgeworfene Subjekt sich selbst überlassen. Der nach der Hamburger Bombennacht vom 25. Juli 1943 eingetretene Schwebezustand, die Gefahr in den Abgrund abzustürzen, währte infolge der äußerst schwierigen Lebensbedingungen fort. Die verwüstete Stadt blieb bis zum Kriegsende das Ziel weiterer schwerer Luftangriffe und Nossack war es nicht möglich, einen zufriedenstellenden Ersatz für seine ausgebombte Wohnung zu finden. Am 10. September 1944 notierte er in seinem Tagebuch: Dies Gefühl der völligen Verlassenheit und daß es keine Engel gibt, die für uns streiten, daß es gar nicht um uns geht, sondern daß wir nur zufällig in Mitleidenschaft gezogen sind und wie ein Ährenfeld von den Stürmen niedergelegt werden, die über uns dahinbrausen. Und ferner, daß wir auch nicht diesen Trotz und Willen haben, uns diesem Sturm gegenüber zu stellen und Stolz zu beweisen, wie es uns Jahrtausende zu lehren sich bemühten, sondern nur ein Dulden, ein Ducken, um es vielleicht zu überstehen. (33) Selbst nach dem erhofften Wendepunkt blieb Nossack ein Gefangener seiner lähmenden Selbstzweifel. Auffallend ist wiederum sein Unvermögen, offen gegen die untragbaren Lebensumstände anzutreten. Bezeichnenderweise überträgt er in demselben Tagebucheintrag die selbstempfundene Ohnmacht auf die Affektlosigkeit, die er bei den Hamburger Flüchtlingen beobachtet hatte. Trotz der inkommensurablen Verheerungen hätten sie davor abgesehen, Anklage gegen die Verursacher zu erheben: Wie stark habe ich dies an den Flüchtlingen im Juli 1943 bei der Hamburger Katastrophe empfunden, dies Neue. Wer sprach da von dem Feinde, der die Stadt vernichtet habe? Wer fand darin Genügen, die Eigenen zu hassen, die diesen Feind herbeigerufen hatten. Wo dies geschah, war es nur ganz an der Oberfläche, aber alle wußten irgendwie, daß das, was mit uns geschah, so groß war, daß es mit Worten wie Freund und Feind nicht erklärt werden konnte. (33—34) Im “Untergang” wird ebenfalls das Aufwallen von Hassgefühlen gegen die alliierten Streitkräfte und das nationalsozialistische Regime dementiert. Zu diesem früheren Zeitpunkt schildert Nossack die Schicksalsergebenheit der Hamburger Stadtbevölkerung jedoch nicht als Resultat einer resignierenden Willenslosigkeit. Sie bezeuge vielmehr, dass die Leidtragenden unmittelbar nach dem existentiellen Zusammenbruch ihre Haltung zu bewahren vermochten: “Dies alles muß einmal gesagt werden: denn es gereicht dem Menschen zum Ruhm, daß er am jüngsten Tage sein Schicksal so groß empfand” (227). Niemand habe sich dazu hinreißen lassen, “Aufstand und Unruhe” zu stiften: “Nicht nur die Feinde, sondern die eigenen Behörden haben sich hierhin verrechnet” (225). Da die wahre Urheberschaft der Katastrophe sich dem menschlichen Fassungs- Luftkrieg und Legende 173 vermögen entzogen habe, seien die Überlebenden den Vergeltungsgedanken ferngeblieben. Auch der Feind, so schlussfolgert Nossack dezidiert, “war für uns höchstens ein Werkzeug unkennbarer Mächte, die uns zu vernichten wünschten” (227). Bezeichnend ist, dass sowohl die Nationalität als auch die Parteizugehörigkeit der “Feinde” und “Machthaber” verschwiegen werden. Bezüglich der Frage, wer die Schuld an der Katastrophe zu tragen habe, blendet Nossack die zeitgeschichtlichen Bezüge zu Politik und Ideologie aus. In dieser Hinsicht ist die im “Gespräch vor der Katastrophe” thematisierte Gefahr der Fassungslosigkeit erfolgreich abgewendet worden. Die “Operation Gomorrha” konnte weder die Moral der Stadtbevölkerung brechen noch anarchistische Zustände herbeiführen. Ein Schwätzer, der “von Vergeltung und Vernichtung der Feinde durch Giftgas” zu reden angefangen habe, sei mit Faustschlägen diszipliniert worden. Wenn sich dieser Zwischenfall tatsächlich ereignet habe, so urteilt Nossack, dann sei er geschehen, “um eine entweihende Dummheit zum Schweigen zu bringen” (227). Zwischen Nossacks Bemerkungen über die vorbildliche Haltung der Überlebenden und den nationalsozialistischen Propagandaparolen, die in Nachfolge von Hamburgs Zerstörung im Juli 1943 verbreitet wurden, zeichnen sich eigentümliche Überschneidungen ab. Vorab ist anzumerken, dass die Moral der Stadtbewohner nach den schweren Bombenangriffen sich “dramatisch” verschlechterte (Büttner 44). Um die Stimmung zu heben, griff die NS-Propaganda auf tradierte Topoi und rhetorische Muster aus vorangegangen Katastrophennarrativen zurück. Im Aufruf an die Bevölkerung der Hansestadt verwendete Gauleiter Karl Kaufmann das Wort “Katastrophe,” um die Singularität des Extremereignisses hervorzuheben: “Eine Katastrophe unerhörten Ausmaßes ist über unsere Stadt gekommen. (…) Alle planmäßigen Vorbereitungen gegen den feindlichen Luftterror, die seit langer Zeit mit allen verfügbaren Mitteln getroffen waren, können bei dem Umfang der Schäden nicht die Hilfe bringen, die notwendig ist” (1). Gerhard Farwick, Hauptschriftleiter des Hamburger Anzeigers , erörtert in seinem Leitartikel “Hamburger Front” ebenfalls die Besonderheit des Bombardements: Wir wissen, daß der eine oder der andere sich in der Nacht der Not und vor den brennenden Trümmern seines Hauses verlassen vorkommen konnte, wir wissen, daß bei manchem der Glaube erschüttert zu werden drohte, wenn er nur Zerstörung und Tod in seiner Nähe sah und keine rettende Hilfe, aber keine menschliche Voraussicht konnte eine solche Katastrophe ahnen und danach Abwehrvorbereitungen treffen. (1) Durch die Chiffre “Katastrophe” gewinnen die verheerenden Luftangriffe den Anschein entfesselter Naturkräfte, die jegliche Schutzmaßnahmen zunichte machen und willkürlich Tod und Verderben bringen. Der herbeigezogene Kata- 174 Christoph D. Weber strophenbegriff kaschiert die Ohnmacht des Staatsapparats und erlaubt den Behörden, sich der Verantwortlichkeit zu entziehen. Erhellend dazu ist die Passage aus dem 1947 erschienenen Bericht Halt wacht im Dunkel von Hiltgunt Zassenhaus, die Zeugin der unmittelbaren Folgen der Juliangriffe auf Hamburg war: Zum erstenmal rollen über eine deutsche Stadt Großangriffe. Doch noch arbeitet die Propagandamaschine. Sie prägt ein Schlagwort, das zwar Vernichtung zugibt, sie aber als etwas Einmaliges, nie mehr sich Wiederholendes darstellt. Sie nennen es ‘Katastrophe’. Lautsprecherwagen und die in panischer Hast gedruckten und herausgeschleuderten Lappen sprechen von Hamburgs ‘Katastrophe’. Die Katastrophe - ein Unglück - etwas Unvorhergesehenes! Wer könnte die Partei dafür zur Verantwortung ziehen? Höhere Gewalt! (136) Obschon Nossack “kein Ohr” für die in den Zeitungen verbreiteten “Ausdrücke wie Luftpiraten oder Mordbrenner” hatte - schließlich schimpfte ja niemand gegen den “Feind” und wer gegen dieses Gebot verstieß, wurde “windelweich geprügelt” (227) - so verabsolutiert er wie die NS-Propaganda den Untergang Hamburgs zu einem beispielslosen Geschichtsereignis. Das grauenhafte Ausmaß der “Katastrophe” sprengt den Rahmen des menschlich Vorstellbaren und aufgrund der transzendentalen Überhöhung nimmt das Extremereignis die Aura des Erhabenen an. Hamburgs Zerstörung gestaltet sich zu einem Schicksalsschlag, der von einer opaken Eigengesetzlichkeit des Kriegsgeschehens zeugt, wogegen der Einzelne nichts auszurichten vermag. Eine derartig fatalistische Haltung ist in den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS in Nachfolge der “Operation Gomorrha” dokumentiert worden. In den “SD-Berichten zu Inlandsfragen vom 5. August 1943” steht: Gerade aus dem Luftkrieg ergibt sich für breiteste Volkskreise die Empfindung, daß man aufgrund der eigenen Einsatzkraft die Dinge nicht wenden kann, sondern daß sie - einmal entfesselt - sich gewissermaßen selbständig gemacht haben , und der Krieg sich nach Gesetzmäßigkeiten entwickelt, auf die wir kaum noch Einfluß nehmen können. (…). Durch dieses Ausgeliefertsein veränderte sich in Teilen des Volkes die Einstellung zum Krieg von Grund auf, und selbst vielen Volksgenossen, die sich in der Heimat aktiv und kämpferisch in das Kriegsgeschehen einordnen wollen, erscheine der Aufruf der Leidenschaft, der Standfertigkeit der Herzen und einer soldatischen Tapferkeit in der Heimat gegenüber der hereinbrechenden Wucht der Massentechnik einfach sinnlos . (5578—79) Um die drohende “November-Stimmung” bzw. den Autoritätsverlust des Staatsapparates zu unterbinden, instrumentalisierte die NS-Propaganda das bereits in frühneuzeitlichen Katastrophennarrativen verankerte Topos der Schicksalsgemeinschaft (Weber 73). Der Vernichtungsschlag gegen die Hansestadt vermochte das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Überlebenden nicht zu brechen: Luftkrieg und Legende 175 “Die so schwer Betroffenen sollen das Gefühl haben, daß unsere Gemeinschaft sich in der Stunde größter Bewährung auch als das beweist, was sie sein soll: als eine verschworene Kameradschaft” (Farwick 1). Nossack preist im “Untergang” ebenfalls die Standhaftigkeit der Stadtbewohner. Ihre tugendhafte Haltung manifestierte sich aber in Abgrenzung zu den Maßnahmen der Machthaber. Es sei keine Apathie gewesen, die die Überlebenden davor abgehalten habe, zu rebellieren. Jeder habe offen seinen Unmut geäußert und den Staat mit Verachtung bestraft, indem man ihn als “etwas völlig Nebensächliches” behandelt habe: “Es war ein Augenblick, wo sich der Mensch nicht mehr als der Sklave seiner Einrichtungen zeigte” (226). Sowohl Nossack als auch die NS-Propaganda greifen auf parallele Denkmuster zurück, um die traumatischen Folgen der Hamburger “Katastrophe” und die eskalierenden Luftangriffe auf deutsche Ziele sinnhaft zu bewältigen. Die Auslöschung einer Großstadt gerinnt zu einem unerhörten Schicksalsschlag, der die Zivilbevölkerung vereint und prüft. Nossack verlegt die Sinnbestimmung in den privat-individuellen Bereich: Den Vergangenheitsverlust erhebt er zu einer persönlichen Chiffre, die für ihn eine Befreiung von der “Last der Gewohnheiten” bedeutet. Im Gegensatz dazu deutet der apokalyptische Diskurs der Nazi-Ideologen die unaufhaltbare Zerstörung Deutschlands als einen notwendigen Läuterungsprozess, der in der Neugeburt der Nation münden werde. Beispielhaft ist der Leitartikel Robert Leys, Reichsleiter der NSDAP, der am 3. März 1945 als Replik auf die Bombardierung Dresdens im vorangegangenen Februar in der Berliner Gauzeitung Der Angriff erschien. Wie Ley bereits im Titel “Ohne Gepäck” ankündigt, begrüßt er das Wegbomben des als Altlast bemängelten Bürgertums: Das Schicksal hilft uns dabei, Tag für Tag, indem es in den endlosen Trecks, reich und arm, hoch und niedrig, eng zusammenführt und alle bürgerlichen Vorurteile im Glutofen verbrennt. Dasselbe gilt für die Menschen in den schwergeprüften Bombenstädten. Wie wollte jemand im Feuersturm brennender Straßen seine bürgerliche Standesfahne erheben! Auch die Salons sind verbrannt und die Zirkel, in denen man kleine Rebelliönchen vorbereitete, sind nicht mehr. (2) Wie der Verlust persönlicher Besitztümer als etwas Befreiendes umgemünzt werden kann, demonstriert Ley anhand einer Anekdote eines Kölner Freundes: Mein Haus ist abgebrannt. Meine Möbel und alles, was ich besitze mit. Und jetzt habe ich nur noch das, was ich auf dem Leibe trage. Ich bin fast glücklich, daß nun alles vorbei ist, daß [ich] nicht immer um all das bangen muß, keine Koffer mehr in den Keller zu schleppen brauche, mit einem Wort, daß ich aller Sorge um diese irdischen Dinge frei bin. (1) 176 Christoph D. Weber Die aus dem Katastrophendiskurs gewonnenen Darstellungsmuster lassen sich von beliebiger Seite in Beschlag nehmen. Da Nossack keine konkrete Stellungnahme zu den politisch-ideologischen Positionen im Kriegsgeschehen einnimmt und stattdessen Hamburgs Untergang weitgehend als eine persönliche Schicksalserfahrung schildert, eröffnen sich Lesearten, die den Textinhalt problematisieren. Man braucht nur die mystifizierende Formulierung, der Feind sei ein “Werkzeug unkennbarer Mächte” gewesen, “die uns zu vernichten wünschen” mit dem antisemitischen Stereotyp der jüdischen Weltverschwörung in Verbindung zu bringen und schon zerbricht Nossacks Distanzierung von der nationalsozialistischen Darstellung der anglo-amerikanischen “Terrorangriffe.” Der in diesem Beitrag noch zu besprechende Problempunkt, den Nossack im Zusammenhang mit der Zerstörung Hamburgs im Juli 1943 zu verschleiern versuchte, betrifft seine Behauptung, dass sämtliche unveröffentlichte Werke den Bränden zum Opfer gefallen seien. “Der Untergang” und seine Briefe belegen aber, dass von einem Gesamtverlust nicht die Rede sein kann. Während im Prosastück die verbrannten Tagebücher beklagt werden, zeigt sich Nossack angenehm überrascht, im Schreibtisch seines Kontors “einige Manuskripte” gefunden zu haben (238). Kurz nach der Fertigstellung des “Untergangs” bespricht er in seiner am 12. Dezember 1943 an Kasack zugeschickten Inventur ausführlich die zerstörten und geretteten Dramen ( Briefwechsel 23—37). Im gleichen Monat erhielt Nossack vom Salzburger Freund Max Felgitsch ein Exemplar des für ihn bedeutsamen Theaterstücks “Die Rotte Kain,” an dessen Umarbeitung er sogleich anfing (23). Die erste belegbare Aussage über die vermeintliche Vernichtung sämtlicher Manuskripte lässt sich im darauffolgenden Jahr verorten. In einem Brief vom 11. September 1944 schildert Nossack dem Zivilingenieur und Kulturförderer Karl Albin Bohacek die Schicksalsschläge, die ihm vom Veröffentlichen abgehalten hätten: Bei der Hamburger Juli-Katastrophe 1943 ist mir alles Geschriebene, was sich im Laufe von zwanzig Jahre angesammelt hatte, vernichtet worden, und was davon zu rekonstruieren war, ist dann wieder im Juni dieses Jahres verbrannt. Gerettet ist nur das, was schon beim [Suhrkamp] Verlag hinterlegt war und das ist keineswegs das, woran ich am meisten hänge. (Briefe) Der vorgebliche Gesamtverlust des Geschriebenen geschah beim schweren Luftangriff vom 18. Juni 1944. Eine Bombenexplosion riss den Geldschrank, in dem die verbliebenen Manuskripte enthalten waren, in den Keller des Kontors, wo er acht Tage lang in der Glut schmorte. Als der Tresor aufgeschweißt wurde, stellte sich glücklicherweise heraus, dass das Papier nicht verkohlt, sondern nur geröstet war. Ende 1945 begann Nossack mit der Restaurierung der in den Dreißiger- Luftkrieg und Legende 177 jahren verfassten Theaterstücke “Die Hauptprobe” (1933), “Über die Freiheit” (1934) und “Der Hessische Landbote” (1936), die er beim Suhrkamp Verlag unterbringen wollte ( Briefwechsel 143). Im Juni 1946 zerwarf sich Nossack aber mit Peter Suhrkamp und wechselte daraufhin zum Krüger Verlagshaus. Anfang 1947 gab der Verlag zu Werbezwecken bekannt, die “Manuskripte von Nossack seien 1943 bei den Bombardements vernichtet worden, indes seien einige Texte erhalten” (Italiaander 152). Insofern trifft Marcus Czerwinokas Vermutung, “Nossacks Darstellung seines erlittenen Verlusts” sei kein “originär von ihm initiierte[r], jedoch unterstützte[r] (…) Versuch, (…) im literarischen Feld der Nachkriegszeit Fuß zu fassen,” nicht zu (278). Wie der Brief an Bohacek darlegt, hat Nossack schon während des Krieges die unzutreffende Behauptung aufgestellt, seine literarischen Erzeugnisse seien allesamt im Bombenhagel vernichtet worden. Der “Gesamtverlust” der vor Juli 1943 entstandenen Texte wie auch das vorgebliche Publikationsverbot von 1933 bis 1945 finden ihre einschlägige Formulierung in Nossacks Antrag vom 28. Oktober 1948 an das Hamburger Amt für Wiedergutmachung. Um von den Behörden eine bessere Wohnung zugeteilt zu bekommen, stilisiert er sich darin zum Opfer der NS-Diktatur: Wegen meiner politischen Einstellung bis 1933 und nachher, wofür Sie anliegend zwei Zeugenaussagen finden, geriet ich selber in Gefahr und hatte als Schriftsteller, da ich von der damaligen Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen war, keine Möglichkeit zu veröffentlichen. Auch noch im Jahre 1941, als der Suhrkamp-Verlag, Berlin, einen völlig unpolitischen Gedichtband von mir veröffentlichen wollte, stiess er beim Propaganda-Ministerium meinetwegen auf Schwierigkeiten, die dies unmöglich machten. (Eine Zeugenaussage vom Suhrkamp-Verlag habe ich vor ein paar Tagen angefordert. Wegen der langen Postdauer nach und von Berlin, werde ich dieselbe nachliefern müssen, wenn es notwendig ist). Mit anderen Worten, ich gehörte zur Kategorie ‘Unerwünscht’. Die indirekte Folge dieses Nicht-Veröffentlichen-Dürfens war, dass mir mein gesamtes zehn-bis-fünfzehnjähriges Werk im Juli 1943 bei der Ausbombung vernichtet wurde. ( Briefwechsel 444) Der geplante Gedichtband, der erst 1947 mit verändertem Inhalt beim Krüger Verlag erschien, war dem Propagandaministerium jedoch niemals zur Begutachtung vorgelegt worden (vgl. Buhr 218—19). Brisant ist zudem, dass Nossack acht Tage zuvor den Suhrkamp Verlag um eine kolportierende Zeugenaussage gebeten hatte. In einem bislang unveröffentlichten Brief instruiert er seinen Mentor Kasack, wie dieser die Bescheinigung zu formulieren habe. Es handle sich darum, nachzuweisen, dass es, sagen wir ab 1941, dem Suhrkamp-Verlag unmöglich war, mich zu veröffentlichen, oder vom damaligen Propaganda-Ministerium die Genehmigung 178 Christoph D. Weber zu erhalten. Praktisch war es ja damals auch so, dass Sie oder Herr Suhrkamp mir sagten, wir dürften uns nicht einem einmaligen Nein aussetzen, weil ich dann für immer erledigt wäre usw. (…) Sie werden ja aus der kurzen Schilderung entnehmen können, wie der Inhalt ungefähr sein muss, dass er seine Wirkung tut. Ich habe eine grosse Abneigung gegen diesen Weg und noch nie davon Gebrauch gemacht, aber das Messer sitzt mir verdammt an der Kehle, und ausserdem sehe ich, wie jeder Feld, Wald- und Wiesen-Nazi sich besser zurechtschiebt, als ich. Wie gesagt, ich brauche das Ganze nur für meine Wohnungsangelegenheit. (Briefe) Nossacks Behauptung, dass die Falschaussagen über eine Benachteiligung während des Dritten Reichs sich auf die “Wohnungsangelegenheit” beschränken würden, hat sich in der Nachfolgezeit bis zu seinem Lebensende im Jahr 1977 nicht bewahrheitet. In den autobiographischen Glossen und Interviews vertrat er von nun an den doppelten Standpunkt, er habe einem Publikationsverbot unterlegen und aus genau diesem Grund sämtliche unveröffentlichte Manuskripte bei der Juli-Katastrophe von 1943 verloren. Diese Äußerungen haben sich spätestens mit der 2001 erfolgten Veröffentlichung von Nossacks Antrag auf die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer im Oktober 1942 7 und dem Auffinden der als verloren gegoltenen Schriften im Deutschen Literaturarchiv Marbach als Legendenbildungen um die eigene Person entpuppt (vgl. Czerwionka 276—77). Eine Mitgliedschaft erwies von Seiten der Reichsschrifttumskammer als hinfällig, nicht weil Nossack als unerwünscht kategorisiert wurde, sondern weil seine “schriftstellerische Tätigkeit” zu diesem Zeitpunkt “nur gelegentlicher Art oder geringfügigen Umfanges” gewesen war ( Briefwechsel 638). 8 Es hat sich herausgestellt, dass Nossacks äußere, an die Öffentlichkeit gerichtete Biographie auf Selbstzeugnisse basiert, welche die in der Nazi- und Kriegszeit erlebten Ängste, Rückschläge und Selbstzweifel verfälscht wiedergeben. Die Kurzschließung persönlicher Schicksalsschläge - das vermeintliche Schreibverbot, die Flucht in die väterliche Firma, die völlige Vernichtung der Manuskripte und Besitztümer - mit der Zerstörung Hamburgs, die Tausende ins Elend gestürzt hatte, machte es möglich, sich nachträglich als Geschädigter der Nazi-Herrschaft zu profilieren. In den drei Nachkriegsjahrzehnten konkretisiert sich Nossacks Sinngebung, dass zeitgleich mit der Bombennacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 sowohl eine Neugeburt als auch ein Erwachen aus der Amnesie des “lebenlosen” Nazi-Alltags geschehen sei (Nossack, “Leben” 64—65). Die Katastrophenerfahrung habe die Möglichkeit eröffnet, sich vom falschen Dasein zu befreien. Paradoxerweise verfangen sich Nossacks Bekenntnisse über die schicksalshafte Lebenswende in Falschaussagen über seine Person. Der Abgleich zwischen den autobiographischen Äußerungen, den Tagebuchaufzeichnungen und dem Briefwechsel hat aufgezeigt, dass Nossack selbst nach dem Luftkrieg und Legende 179 Untergang des Dritten Reichs sich der Öffentlichkeit nicht unverfälscht zur Schau stellen konnte. Fakt ist, dass weder nach der Juli-Katastrophe von 1943 noch nach 1945, der sogenannten “Stunde Null,” ein vollständiger Bruch Nossacks mit der Vergangenheit erfolgte. Sämtliche Dramen, die der Schriftsteller in den ersten Nachkriegsjahren zu publizieren beabsichtigte, waren während oder schon vor der Nazidiktatur entstanden. “Die Rotte Kain” wie auch “Die Hauptprobe,” beides Stücke, die zur Publikation und Aufführung gelangten, ließ Nossack 1951 im Zeitungsartikel “Über das Eigenleben von Manuskripten” kurzerhand wiederauferstehen. Der Rest der geretteten Dramen galt weiterhin als unwiederbringlich verloren. Hingegen beinhaltet Nossacks Bekennertext “Der Untergang” Aspekte der inneren Biographie, die durch gesteigerte Gefühlsaffekte gekennzeichnet sind. In mehreren Anläufen wird im “Untergang” der Versuch unternommen, die Verheerungen der Hamburger Bombenangriffe in Worte zu fassen. Infolge der traumatischen Katastrophenerfahrung kommt es neben dem euphorischen Glücksgefühl zum Ausbruch des Hasses oder zu surreal-hyperbolischen Schreckensschilderungen, die den Ekel vor der Trümmerfauna ausdrücken. Nossacks Zeugnis weist einen ausgeprägt subjektiven Blickwinkel auf, der das Innenleben des Autors aufdeckt. Demnach ist den Urteilen aus der jüngeren Nossack-Forschung, der Bericht sei nur beschränkt eine faktenorientierte Dokumentation über die “Operation Gomorrha,” beizustimmen (vgl. Stephan 308; Williams, “Rascheln” 217—18). Wie oben ausgeführt, rührt das Hassgefühl von Nossacks Desillusion über sein Eheleben und die nicht vorankommende Schriftstellerkarriere her. Seine wiederholten Bemerkungen über den Einfluss einer höheren Gewalt, die das Leben schlagartig in neue Bahnen zu lenken vermag, bezeugen die Ohnmacht, autark über die eigene Existenz bestimmen zu können. Als Prophylaxe gegen den inneren und äußeren Zusammenbruch rekurriert Nossack auf das Leitprinzip der Fassung. Nicht das Aufschreien, sondern das Schweigen verschafft Stabilität innerhalb des an sich verhassten Lebensumfelds. Um die verbleibendende Verzweiflung zu sublimieren, bietet sich das Schreiben als ein Therapeutikum an. Zehn Jahre nach Kriegsende setzte Nossack den Gedanken fort, dass ein drohender Fassungsverlust durch Verschweigen unterbunden werden könne. Am 17. Juli 1955 resümiert er in seinem Tagebuch selbstkritisch: Der Haß erzieht zur Schweigsamkeit, damit er nicht zur Unzeit und aus Versehen zum Ausbruch kommt. Es mag auch ein Versuch sein, ihn durch Schweigen zu neutralisieren. Aber zugleich wird ihm dadurch jedes Ventil genommen, das ist die Gefahr. Man könnte sagen, das Motiv meines Schreibens sei, einen Ausgleich zwischen diesen beiden Gefahren, der des Hasses und der des Verschweigens, zu schaffen. Kein sehr edles Motiv! (304) 180 Christoph D. Weber Notes 1 Die diesem Beitrag zugrundeliegende Forschungsarbeit wurde durch die großzügige Unterstützung eines Suhrkamp-Stipendiums vom Deutschen Literaturarchiv Marbach ermöglicht. Ich möchte mich auch bei Dr. Jennifer Jenkins für ihre kritische Durchsicht dieses Beitrags bedanken. 2 Dasselbe Unglücksomen spielt eine gewichtige Rolle in der Erzählung Nekyia , die er vor der Juli-Katastrophe im März 1942 begonnen und 1947 beim Wolfgang Krüger Verlag publiziert hatte (37—38; vgl. Williams, Mythische 122). 3 Vgl. die korrespondierende Stelle in “Gespräch über die Katastrophe”: “(…) Oder man wird wie jener Indianer, der als letzter von seinem Stamme übrigblieb, am Meeresstrande sitzen und sich fragen: Was soll ich nun machen? Soll ich Orion werden? ” (59). In der Kurzprosa “Das Märchenbuch,” die in der Sammlung Interview mit dem Tode erschien, gibt Nossack den 1921 von Theodor Koch-Grünberg herausgegebenen Band Indianermärchen aus Südamerika als Quelle für das Orion-Märchen an (138). Das sich darin befindende Märchen Epetembo weist den Satz “Soll ich Orion werden? ” auf (Koch-Grünberg 77), jedoch fehlen jegliche Bezüge auf ein Katastrophenereignis (vgl. Williams, Mythische 137). Nossack greift dasselbe Motiv im 1947 veröffentlichten Gedicht “Das Ende” auf: “Siehe, die Welt zerbrach,/ weil wir uneinig./ Am Strande, ach,/ Letzter nun wein ich” (24). 4 Vgl. der von Hans Geulen aufgezeigte thematische Dreischritt “Untergang, Übergang und äußerste Möglichkeit der Gestalten” in Nossacks “Untergang” (146). 5 Vgl. folgende Stelle in Nossacks “Untergang”: “Auch liefen die wildesten Gerüchte um: In Hamburg wären Seuchen ausgebrochen und es würde niemand über die Elbbrücke gelassen. Oder auch umgekehrt: Man käme nicht wieder heraus, jede brauchbare Kraft würde dort festgehalten. Dies alles entsprach nicht den Tatsachen oder stimmte nur halb” (218—19). 6 Über das im Hamburger Stadtteil Hammerbrook errichtete Sperrgebiet siehe Hautschild-Thiessen 244; Brunswig 298; Lowe 275—78. 7 Der vollständige Antrag wurde im Anhang von Söhlings herausgegebenem Briefwechsel 1943—1956 veröffentlicht (637—45). 8 Weiterführend zu dem sich hartnäckig haltenden Mythos von Nossacks Schreibverbot während der NS-Zeit siehe Williams, Mythische 17—18; Buhr 40; Dammann 227—28. Luftkrieg und Legende 181 Works Cited Agee, John. “Foreword.” The End. Hamburg 1943 . Hans Erich Nossack. Übers. John Agee. Chicago: Chicago UP, 2006. ix—xxi. Brockhaus’ Conversations-Lexikon. Allgemeine deutsche Real-Enzyklopädie . Bd. 10. Leipzig: F. A. Brockhaus Verlag, 1885. Bienek, Horst. “Hans Erich Nossack.” Werkstattgespräche mit Schriftstellern. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1976. 85—101. Boberach, Heinz, Hrsg. Meldungen aus dem Reich. 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Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 185 Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy Sarah Painitz Butler University Abstract: This essay aims to bring attention to the complex intersections of language, translation, and exile through an analysis of the production and various reproductions of Robert Neumann’s Children of Vienna . With this novel, first written in English in the fall and winter of 1945, Neumann wanted to direct attention to the plight of children in the destroyed cities of the former Third Reich and appeal for humanitarian aid from the British and American public. Why, then, considering its original intent as a call for action in response to an acute crisis, did the author retranslate his text almost 25 years later? In pursuing this question, I compare the different versions of the novel to illustrate the kinds of negotiations an author undertakes in a cultural translation of his own work. While the retranslation enables Neumann to stake out his authorial claim over the text and ensure his legacy, his continuous return to the text also allows him to negotiate past traumas. Indeed, in its heteroskopic address of audiences of differing cultures and generations, the text performs the unfinished business of the trauma of war and the necessity of continued collective engagement with the past. Keywords: Robert Neumann, Children of Vienna, exile literature, Austrian literature, translation Until recently, language switching and translation have received scant attention in the study of German-language exile literature. This is, at first, rather surprising. The condition of exile after all necessitates an utmost concern with multilingualism and acculturation. Yet, especially within German literary studies, writing in one’s native language has long been considered the unquestioned norm, to the extent that the works of writers who fled the German-speaking countries during the Nazi era and chose to write in the language of their host 186 Sarah Painitz country are routinely excluded from the literary canon. 1 In addition, as Bischoff argues, limiting exile literature to work produced between the years 1933 and 1945 is also problematic, as it tends to ignore not only works not written in German, but also those written after 1945 (21). German-language authors who were forced into exile during the Third Reich lost the connection to the language that was their tool, as well as the culture and community in which their work was situated. Intellectual networks, publication outlets, and readerships were no longer accessible. For many writers, exile signified a serious break in their literary careers; for some, it meant the end. Nevertheless, many did continue writing: Some did so in their native language and tried to reach their audience by either publishing with exile publishers such as Querido in Amsterdam, or having their work translated. Some turned to other forms, such as translation or journalism. And some began writing in the language of their host country. Indeed, a surprising number of German-language authors became bilingual, while in exile during the Nazi era, to the extent that they could produce literary works in a second language: Jean Améry, Rose Ausländer, Alfredo Bauer, Ernst Bornemann, Elisabeth Castonier, Hilde Domin, Ruth Feiner, Hans Flesch-Brunningen, Erich Fried, Anna Gmeyner, Georges-Arthur Goldschmidt, Yvan Goll, Mimi Grossberg, Michael Hamburger, Stefan Heym, Arthur Koestler, Jakov Lind, Lilo Linke, Klaus Mann, Peter de Mendelssohn, Frederick Morton, Hermynia zur Mühlen, Robert Neumann, Ernst Erich Noth, Felix Pollak, Anna Sebastian, Edith Simon, Hilde Spiel, George Tabori, Benno Weiser Varon, and Peter Weiss. 2 Of course, the degree, extent, and duration of language switching varied widely. 3 Such “literary bilingualism” has existed since the era of the French Revolution, which, according to Lamping, marked the beginnings of modern exile literature (“Metamorphosen” 529). Indeed, recent studies have shown that language switching in exile was neither uncommon, nor was it unproductive. 4 However, it is also clear that the work of exiled writers who wrote in multiple languages has not received adequate attention. Bilingualism, language switching, and translation do not easily fit within the boundaries of a national cannon, and the prominence of a national-philological understanding of literary history within German literary studies has contributed to the marginalization and cultural forgetting of oeuvres that include multiple languages. Further, exile studies has traditionally been preoccupied with a historical, political, and sociological approach focusing on biographic and thematic studies. 5 The reception of Robert Neumann might serve as an example of the forces behind such marginalization. A Jewish author from Vienna best known for his prewar parodies, Neumann fled to London in 1934 following the prohibition of his books in Germany by the Nazis and the bloody suppression of the worker’s Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 187 strike in Austria. Six years later, he began writing in English. Children of Vienna , Neumann’s third book in English, has a long and complex history: First written in 1945 during Neumann’s exile in London, it was translated into German in 1948 by Franziska Becker, Neumann’s wife at the time, adapted for the stage, 6 considered for a film version in 1951, again translated into German, this time by the author himself, in 1969, 7 and finally republished as a revised German translation in 1974, just a few months before Neumann’s death. The production and various reproductions of this text occupied its author over the last three decades of his life. For all the novel’s success on its first appearance, we can see in Neumann’s repeated returns to what Stadler calls his “geliebtes Sorgenkind” (236), as well as in the sheer amount of correspondence dealing with the text in his literary estate, 8 that Children of Vienna somehow represented unfinished business to its author. Neumann completed Children of Vienna in just three months in the fall and winter of 1945. The novel follows a group of six children, ranging in age from three to fifteen, who live in the ruins of Vienna immediately following the end of the Second World War. Neumann wrote the text to call attention to what he believed to be a humanitarian crisis, and his harsh depiction of the conditions in occupied Austria was quite radical at the time. The orphaned children must fend for themselves. They face hunger, cold, illness, and death daily. Dealing with the traumatic aftermath of air raids and bombings, of seeing their parents hauled off and murdered, of narrowly surviving internment in concentration camps, they prostitute themselves, steal, and swindle, they bury their pain and despair in alcohol and cigarettes. Neumann explicitly states in the beginning of Children of Vienna that it “is addressed to the men and women of the victorious countries” and that he wrote it “for the sake of the children of Europe” (5). But more than simply informing readers in Great Britain and the United States about the plight of the people in the occupied countries, Neumann intended Children of Vienna to spur these readers to action. He wanted them to recognize and respond to an acute European crisis. Yet, personal reasons also propelled the writing of the novel. As Stadler convincingly argues, Neumann wrote Children while still very much under the shadow of his son Heinrich’s unexpected death one year earlier. 9 Having first grappled with this tragic loss in his journals, and subsequently composing Robert Neumann Being the Journal and Memoirs of Henry Herbert Neumann Edited by his Father , a book that draws on Heinrich’s dairies, letters, and other writings and remains unpublished, Neumann began Children immediately upon concluding Journal . The same “Schreib-Impetus” (Stadler 240) of working through and coming to terms with a traumatic loss appears to underlie all of these writing-projects. 188 Sarah Painitz Neumann’s British publisher was Victor Gollancz, who actively sought humanitarian help for Austria and Germany by appealing to British politicians in his books and newspaper articles. Gollancz also founded the aid organization “Save Europe Now” in the fall of 1945, which coordinated the delivery of food and books to Germany (Stocker 109—10). In Britain and the United States, the novel was widely and positively received and described as “ferocious,” “grim and moving,” “powerful,” “impossible to forget,” “strikingly brilliant,” “brutal,” “illuminating,” “harrowing,” “nightmarish,” “bitter yet compassionate,” “dramatic and compelling,” “vivid,” and “scorching” (S.n. 21.647). 10 By and large, the British and American reviewers understood the novel as Neumann had intended it. The reviewer of the Hartford Courant , for example, deemed it “a searing indictment of the gratuitous cruelties of war, the stupidity of conquerors” and “a work of art that should stir to the depths of heart, soul and consciousness of every thinking American reader,” and Miriam Spicehandler, writing for Justice , declared: “We cannot choose to ignore the fate of these children” (S.n. 21.647). The reception of the German translation just two years later, however, was markedly negative. In Austria 11 it was widely criticized, both for its use of language, which was described as devious, repugnant, unappetizing, muddled, and crass, and for its supposed historical inaccuracies. 12 Yet Neumann never intended to write a realistic portrayal of postwar Vienna, as is abundantly clear from the novel’s prefatory note: “This book is fiction, with fictitious characters, in a fictitious setting which I call Vienna but which could be anywhere east of the Meridian of Despair” ( Children 5). Indeed, Children of Vienna concentrates and intensifies traumatic experiences in scenes that can be called both nightmarish and hyper-realistic. 13 Neumann’s radical use of language - which includes code-switching, street vernacular, and colloquial syntax - provokes a realism that not only unsettled some early reviewers but also led them to treat, mistakenly, the novel as reportage. Such misunderstanding is indicative of one of the text’s fundamental contradictions: The hyper-realism produced by Neumann’s use of language, as well as its clearly identifiable geographic and temporal setting, lead readers to expect a documentary account of life amidst the postwar rubble. 14 Further emphasizing this apparent realism is the novel’s intent as an appeal for aid for a very real humanitarian crisis. Considering this original intent, it is surprising that Neumann chose to compose a new translation of the text almost 25 years after the war was over. The hardships of the immediate postwar years had been replaced by considerable economic growth, stability, and affluence. The Allied forces had long left the countries they had occupied. And, moreover, a German translation of the book had already been published. I intend to shed light on this question by comparing the English version of the text with the second German translation from 1969 Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 189 and analyzing the types of revisions Neumann made. 15 The changes fall into three different categories: first, Neumann altered the place names; second, he made changes that further radicalize his use of language; and third, he added some new material in his portrayal of the Allied forces. Throughout my analysis of these changes, questions regarding Neumann’s intent and audience will continue to play an important role. And although I argue that Neumann’s revisions were an attempt to secure his legacy as an author and stake out a space for himself amidst the post-war literary scene, I also maintain that their effect goes beyond such a practical purpose. All three versions of the text subvert the conventional paradigm of perpetrator - victim - liberator. They question the capacity of language to communicate traumatic experiences and the extent to which art might provide comfort in the face of such experiences. Such issues are, of course, related. Neumann’s stylistic innovations enact his rejection of conventional perspectives on guilt and blame. His new translation of 1969 and the radicalization of language that accompanies it not only make this questioning more poignant, but also allows for a dialogic space between author, text, and reader that was just as relevant in 1969 as it was in 1945 and, indeed, as it is today. That the place names - the ways in which the novel is rooted within a specific temporal and geographic site - were problematic for Neumann from the very beginning, is clear when looking at the original manuscript of Children . Hand-written in blue ink on thin, loose pages of paper, the manuscript includes some, though not many, self-corrections and clarifications of spelling. There are frequent references that clearly locate the text within its specific historical moment - such as “Blockwart” and “Austrian Freedom Front” - as well as its geographical location - like “Rotenturm Street” and “Vienna.” Yet one finds that numerous corrections were made to some of these references: Where Neumann had at first written “High Street,” he crossed out this generic-sounding English name and replaced it with “Himmelpfort Lane,” a clearly identifiable street in the center of Vienna. He similarly changed “river” to “Danube river,” “the churchyard” to “Döbling churchyard,” and “the square outside the gutted church” to “St. Stephan’s square outside the gutted cathedral” (S.n. 20.835). 16 These revisions are a clear indication that Neumann wanted to ground his tale in a real setting, to make it specific and local. The effect for his British and American audience would have been one of foreignization - a deliberate inclusion of references unknown to his intended audience that mark the text as originating from another culture. 17 When we consider Neumann’s original intent for writing the novel, the strong grounding within its particular time and place makes sense. A cry for help in the face of a real humanitarian crisis will undoubtedly be more successful if the people portrayed - even if they are fictitious - are situated within a historically accurate setting. 190 Sarah Painitz One of the most immediately apparent changes Neumann made in the 1969 German translation is the elimination of clearly identifiable place names. Thus, “St. Stephen’s Cathedral” ( Children 10) becomes “Sofienkirche” ( Kinder 10), “Rotenturm Street” ( Children 16) becomes “Lilienstraße” ( Kinder 15), “Theresienstadt Camp” ( Children 16) “Karimmenstadt” ( Kinder 15), “Oswiecim” ( Children 20) “Kolkowka” ( Kinder 18), and specific references to “Austria,” “Vienna,” or the Danube are either turned into generic designations such as “the river” ( Children 25; Kinder 22) or left out completely ( Children 22; Kinder 20). As a result, the events of the text appear uncoupled from their location, further emphasizing what Neumann states, now in an actual foreword rather than in the brief note of the English version: “Es kann aber auch ein anderer Keller gewesen sein anderswo, es kann jeder Keller gewesen sein überall, damals Anno fünfundvierzig, jenseits von dem Meridian der Verzweiflung” ( Kinder 5). Thus, the revised text can be understood as representative, as one location and one story that stands in for many war-torn and bombed-out cities and many untold stories, perhaps even as a parable. Yet unless we forget the title of the novel, the tension between fiction and reality remains and the clearly identified setting of Vienna forms a stark contradiction to the fictitious streetand church names Neumann employs in the text. Yet this change also makes sense when one considers Neumann’s new audience and intent for the 1969 translation. No longer written for the purpose of social activism, the novel was now meant to tell a bigger, more general story about the effects of war and its aftermath on the civilian population. In a letter to Manès Sperber from February 2 1969, Neumann called his new translation “entaktualisierend(-)” (S.n. 21.857). And indeed, when Die Kinder von Wien was published by Piper in 1974, its reviewers largely understood it as such. They described Kinder as “moralische Allegorie,” “realistisches Märchen,” “Fabel,” “Kunstgebilde,” and “Mahnmal” (S.n. 21.647). It thus appears that Neumann achieved his goal of finally making his “‘international’ am weitesten verbreitetes Buch” (S.n. 21.861) available to a German audience. While the changes in place names are obvious, the most drastic revisions are to the language itself. Neumann’s use of language in the English version is already unorthodox. Short, often fragmented sentences, colloquialisms and slang, occasional German and Yiddish expressions, omission of punctuation, and dropped articles and prepositions define the language of the characters and the narrator alike. The result is an illusion of the realism and immediacy of direct speech, with its rough-tongued rhythm and lack of formal polish. Neumann’s new translation, however, allows for an even further radicalization that problematizes language as an effective means of communication. It mixes German with English to an extent that is not possible in the English text. Expressions Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 191 brought by the British and American occupying forces such as “boy,” “bloody,” and “kill” ( Kinder 50, 62) do not have the same effect in the original, where they are simply parts of English sentences. In the German version, they present jarring instances of code-switching, during which a speaker shifts mid-sentence from one language to another. Neumann employs such code-switching throughout the German text, at times quite heavily, contributing significantly to the radical language through which characters express their thoughts and communicate with each other. Other linguistic techniques that add to the provocative nature of Neumann’s language in the new German translation include the subversion of normal sentence structure (for example, placing the past participle earlier in the sentence), the frequent omission of words such as conjunctions, prepositions, helping verbs, or pronouns, the stringing together of multiple words to form compounds [for example, “Heilwieheißterdenngschwind” ( Kinder 23—4)], and a greater emphasis on colloquialism through the use of Austrian dialect (for example, “wie wenn” instead of “als ob”), including the ambiguous use of “is” and “a” instead of “ist” and “ein,” which can be interpreted as either English or Viennese dialect. Together, these techniques result in a language that is imbued with the rhythms and sensations of a street milieu, yet is a highly deliberate construct. The immediacy invoked by this is compounded by Neumann’s change of the novel’s grammatical tense from past in English to present in German. Correspondence from around the time Neumann undertook the new translation sheds some light on how important it was for him to revise the language of the text. In the already quoted letter to Sperber, he wrote only briefly about Kinder , but his focus clearly was on the new version’s language, which he described as “Phantasiesprache” and “Kauderwelsch” (S.n. 21.857). And in a letter later that year to Ernst Klett he called Becker’s 1948 translation for Querido “grausig(- )” and complained that he had no say in it at the time (S.n. 21.861). Thus, the 1969 translation allowed Neumann to retake agency over his own text: “Ich habe das nun selbst zu machen versucht,” he writes to Klett (S.n. 21.861). And indeed, the reviews of Kinder , many of which were not published until just after Neumann’s death in January 1975, were largely positive, and many praised Neumann’s radical use of language. In a lengthy review in the Süddeutsche Zeitung , K.H. Kramberg wrote that the novel “wird wahr durch die Sprache,” and Christine Nöstlinger, writing for Die Welt , suggested that Neumann “hat eine Sprache erfunden, in der das ungeheure Unmaß von Not und Hunger und Krankheit und Verzweiflung gesagt werden kann” (S.n. 21.647). Nöstlinger recognized that Neumann’s language need not be “realistic” in order to express “die ganze Wahrheit” (S.n. 21.647). Indeed, the purpose of his “Kunstsprache” is “die Inszenierung einer durch und durch zerstörten Kommunikation bis hin 192 Sarah Painitz zur Sprachlosigkeit” (Stocker 118), through which language itself - or rather, its failure as a means of communication and empathy in the wake of the horrors of war and the trauma of the Holocaust - becomes the very subject of the text. Although much of the narrative is relayed in the form of dialogue, this dialogue does not - as is typical - convey interpersonal communication. Instead, characters speak past one other, almost as if they are holding parallel monologues rather than engaging in the give and take of conversation, and sentences trail off in fragments. Die Kinder von Wien performs the failure of language as a means of communication and empathy in the wake of the horrors of war and the trauma of the Holocaust. We see this failure played out in an exchange between Jid, one of the six children, and Hosea Washington Smith, an African-American army chaplain from Louisiana, who has come to distribute reeducation pamphlets that contain poetry: 18 “Zu was reimt es sich? (…) Zu was ist das gut? (…) Zu was will es schön sein? ” asks Jid ( Kinder 82). In the face of such questions, Smith struggles to explain poetry. Overhearing their exchange, Ate, who, before the war ended, was an exemplary member of the Bund Deutscher Mädel , joins the conversation; she wants to recite a poem she knows: “Über allen Wipfeln ist Ruh, in allen Gipfeln spürest du die Reihen fest geschlossen SA marschiert die toten Brüder die Rotfront und Reaktion in unsern Reihen mit” ( Kinder 83). Ate’s “poem” can easily be identified as a mishmash of Goethe’s “Ein Gleiches,” one of the most recognizable poems by the most “German” of all poets, and the “Horst-Wessel-Lied,” a Nazi party hymn. 19 In the child’s error, Neumann reveals poetry as not some transcendent truth but earthbound expression. This moment illustrates not only the extent to which Nazi propaganda has infected some of the children’s minds, but also how the Nazis appropriated German cultural heritage for their own political gain. Indeed, it shows how the world - even Goethe’s language - is in ruins in the wake of Fascism. 20 When Curls, yet another child, recites “Ein Gleiches” correctly, this evocation of the pinnacle of German culture produces only silence among the children. This is not the silence of awe but rather an empty, inexpressive silence. Hollow and meaningless, poetry - and the culture it signifies - fails to account for the trauma they have experienced. Contrary to most German-language writers who assiduously avoided the Holocaust in the years immediately following the war - I’m thinking here of the authors of the Gruppe 47 - Neumann acknowledges the Holocaust and its enduring traumatic effects. Textual examples can be found throughout Kinder . For example, upon hearing a barrel organ playing a melody outside, Jid describes: “Schöneblauedonau. Das hat man im Lager gespielt, auf dem Lautsprecher, damit man den Krach nicht hört (…) Sie haben geschrien und geschrien und man hat nicht gehört. Nur gesehen hat man: sie schrein” ( Kinder 82). This Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 193 brief evocation of the horrors of the concentration camps shows that the traumatic events they have experienced not only endanger the children’s physical well-being, but also threaten their very humanity. Neumann’s use of a broken and damaged language to convey trauma comes across more strongly in the 1969 German translation, in which he employs a more radical and experimental language in comparison with the 1945 English version. Thus, the two changes I have discussed thus far - the elimination of clearly identifiable place names and the revisions to the language of the text - are here intricately connected. Despite Neumann’s insistence in Kinder on the representative nature of the events depicted, the traumas the text portrays are rooted in a temporal and geographic specificity that the reader immediately understands to be the Holocaust. Indeed, Neumann’s Sprachkritik in his references to well-known cultural products by the likes of Strauss and Goethe places him squarely within an Austrian intellectual tradition that came to characterize much of the literary production of the twentieth century. By asking “What is poetry, indeed, what is culture good for? What meaning can poetry have after state-sponsored genocide? ” Neumann anticipates Adorno’s famous formulation that “to write a poem after Auschwitz is barbaric” (34). Die Kinder von Wien addresses this moral-aesthetic quandary by continually subverting the very idea of poetry as whole: stitching together a Nazi hymn and lines from Goethe, renaming “Ein Gleiches” “Horstwesselgedicht” ( Kinder 83), as Curls does, and declaring the Atlantic Charter a poem. The Atlantic Charter is a recurring motif in the novel, but it is here, recited by Jid as a “poem” ( Kinder 84), that Neumann draws our attention to its failed promise. A policy document signed in August 1941 by Roosevelt and Churchill, the Atlantic Charter laid out the Allies’ goals for post-war Europe. Article six, which is the one Jid quotes most extensively, proclaims that “after the final destruction of the Nazi tyranny,” the Allies “hope to see established a peace (…) which will afford assurance that all the men in all the lands may live out their lives in freedom from fear and want” (“Atlantic”). By including the Atlantic Charter in an exchange about poetry that reveals art’s uselessness, Neumann calls our attention to what the children really need: “freedom from fear and want.” The failure of the Allied forces to deliver on the promises of the Atlantic Charter is underlined when Jid remarks: “Es reimt sich nicht” ( Kinder 85). The text here alludes to the meaning of the German phrase “einen Reim auf etwas machen”: Of course, the Atlantic Charter does not rhyme in the sense that it is not a poem, but it also does not make sense to someone like Jid. Neither poetry nor the Allies’ policy statements hold any meaning or give any promise to the children. Through repeated quotations from and references to the Atlantic Charter, Neumann directly addresses the audience of the 1945 English version of the novel. By juxtaposing the prom- 194 Sarah Painitz ises made in the Atlantic Charter with the abysmal living conditions portrayed in the text, he reminds the British and the Americans that they have failed to meet their obligations toward the countries they defeated, effectively widening the circle of moral responsibility. Although the novel portrays Smith essentially in a sympathetic light, the end of the text becomes increasingly critical of the Allies and their true motives in occupied Vienna. Reverend Trueslove, Smith’s superior, formulates the Americans’ goal as: “We have come as conquerors, all right, but we stay as educators” ( Children 205). He reminds Smith of the four “lessons” they need to teach “these people here” ( Children 204): that Nazism is a crime, that crime does not pay, that if the people are given too much food, they might not learn their “lesson,” and that the American way of life must be preserved ( Children 205). Unaffected by their individual fates, Trueslove variously expresses disgust and indifference about the children’s physical and psychological suffering. Indeed, whereas Trueslove’s entire moral system revolves around an us-versus-them mentality, Smith subverts such differentiation between victim and perpetrator. Standing in for the ideal reader who has undergone a transformation from naïve bystander to compassionate savior, he comes to realize that there is “no difference to be seen between those slain by Nazi bullet or Allied bomb, (…) no difference between German plague or Russian or Polish plague, (…) no difference for a soldier (…) if he froze to death or died of hunger in the winter of tyranny or in the winter of liberation” ( Children 211). This passage forms one of the novel’s most explicit critiques, implicating the Allied forces in the ongoing trauma of post-war Europe. A Jew whose family was murdered in concentration camps, Neumann was no Nazi apologist. Rather, he subverts the conventional paradigm of German perpetrators and Allied liberators to focus instead on the innocent victims of both. Amid the 1945 controversies and debates about reeducation and collective guilt, Neumann urges his British and American audience to remember their moral obligation toward those who are most innocent: “did they (ask for it)? Did Yizchok Yiddelbaum ask for it? Did Eve Kaltenbrunner or what’s her name ask for it? Did the kid with the balloon belly? ” ( Children 208—09). The above passages are all from the 1945 English version of the text. If we compare these pages with the new German translation of 1969, we discover that Neumann added new material in the later version to give his critique of the Allies more force. For example, the first lesson Trueslove recites is, in the English version, simply “Nazism is Crime” ( Children 205). In the new German translation, however, Trueslove expands this to “National Socialism hat vielleicht seinen guten Kern gehabt - das ist meine ganz private Meinung - Bollwerk gegen Bolschewismus und all that, gewiß - aber was Hitler und sein Gang daraus gemacht haben, war ein Verbrechen” ( Kinder 176—77). Trueslove tempers his Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 195 critique of National Socialism in the German version of the text. He no longer states unequivocally that it was an atrocity, but instead allows for a good, valuable side of Nazism. By putting these words in Trueslove’s mouth, Neumann employs language to criticize the Allies’ moral relativism. Trueslove goes on: Gerechtigkeit ist Gedächtnis. Wehe, wenn wir vergessen. Diese Menschen hier liegen jetzt vor uns auf den Bauch, aber wie wir mit ihnen zu tun bekommen haben, sind sie noch aufrecht gestanden und waren Mörder. Einmal ein Mörder, immer ein Mörder, Reverend (…) Und diese hingestreckten potentiellen Mörder - Gedächtnis! - haben nicht nur durch Zufall am Anfang von diesem Krieg einen Vertrag gemacht und waren Partner von jenen anderen Mördern - einen Steinwurf von hier! - die infolge von demütigenden Verkettungen heute unsere Alliierten sind. Ich wälze mich auf meinem Bett, Reverend, Nacht für Nacht, und stelle mir die furchtbare Frage: Haben wir vielleicht das falsche Schwein geschlachtet? ( Kinder 178—79) Trueslove here equates the Nazis and the communists by employing the word “murderers” to describe both, 21 and asks whether the Americans should not have entered the war on the side of the Nazis in order to defeat the communists, underlining the cynicism inherent in political maneuvering that is unconcerned with moral responsibility or individual lives. Yet the full force of Neumann’s criticism only becomes apparent at the end of the novel, when one of the Russian soldiers who have come to take away the children’s most prized possession - the flushable toilet - employs some of the exact same words as Trueslove: “(…) Gerechtigkeit ist Gedächtnis. Wir dürfen nicht vergessen, unter euch waren Mörder. Und wir dürfen nicht vergessen, daß einen Steinwurf von hier - eine, wie soll ich sagen? - eine demütigende Verkettung, daß gewisse Leute heute unsere Alliierten sind” ( Kinder 189—90). By having Trueslove and the Russian express the same sentiment using almost the same words, Neumann equates the two. He further emphasizes their similarity, as well as their status as representatives of the American and the Russian occupying forces, through their diction. Of all the characters in the novel, Trueslove and the Russian are the only ones who express themselves in mostly whole and eloquent sentences, with few colloquialisms. The two sections in which Trueslove and the Russian disparage their ally are absent in the English version of the text. The 1969 German translation thus reveals Neumann’s more critical stance toward the Allies, especially the Americans. Further, emphasizing the Allies’ preoccupation with each other allows Neumann to allude to the power struggles of the Cold War. These aspects come across more strongly in the new German translation, in which Neumann made significant changes to the Russian soldier’s speech at the end of the novel. In the English version, the speech depicts the Soviets as liberators, focuses on their 196 Sarah Painitz magnanimity toward the native population, and harshly condemns the tyranny of the Nazis. In the new German translation, the Russian hardly speaks about the Nazis at all. Instead, he complains about the Americans - how they are unfairly dividing the city, taking the least destroyed houses and best amenities, and how the Soviets are treating the native population much better than the Americans. Sentiments such as “Wir müssen euch und uns vor ihnen schützen” ( Kinder 190) again betray an us-versus-them mentality just like the one expressed earlier by Trueslove, yet here the lines are drawn differently: The Soviets are on the side of the Austrians and have to protect them from the brutal ways of the Americans. The changes Neumann made in his portrayal of the Allies in the 1969 German translation have the overall effect of emphasizing their cynicism, hypocrisy, and infighting. Condemnation of the Nazis, though still present, moves into the background in comparison to the English version. The English text does allude to the tensions that will escalate into the Cold War, which, by the end of 1945, were already foreseeable (Stadler 241). Yet, clearly, by the time he finished the new German translation in 1969, Neumann’s perspective of the events of 1945 and their ramifications for the following decades was quite different. It is also possible that Neumann felt compelled to make these changes because his audience and intent had changed. In 1945, he wanted to appeal to the British and American public to help the poor, starving children in the countries they had just defeated. Portraying the British and American occupiers in a critical light may have been ill-advised. But Neumann’s potential audience for the new German translation had, in large part, actually lived through the very events the text portrays and, indeed, was aware of the important position of politically neutral Austria during the Cold War. Neumann’s novel asks questions about guilt and responsibility that would come to shape the subsequent half-century of intellectual debate in Germany and Austria. 22 In this sense, although it was originally written in English and addressed an English-speaking audience, the text is actually a very “German” book - the traumas with which it deals were produced by, affected, and cast a long shadow over German and Austrian society. In its setting among the ruins of post-war Europe, its bleak tone and outlook, its preoccupation with emotional pain and trauma, it can even be considered an example of Trümmerliteratur in the vein of Wolfgang Borchert. Why then return to it 25 years later? Neumann essentially had three literary careers: He first found overnight fame upon the publication of his book of parodies Mit fremden Federn in Vienna in 1927, and the subsequent volume Unter falscher Flagge in 1932. Upon his decision to begin writing in English in 1940 while in exile, he became a well-established “English” author and his six novels published in English were widely and Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 197 positively reviewed (Dove, “Almost” 93). 23 When he returned to the continent to settle in Swiss Locarno in 1958, he attempted to reestablish himself as a German author. 24 The lack of literary recognition and marginalization he experienced during this third career caused him great pain. His prewar and exile works were largely forgotten and unknown, and he found it difficult to gain entry into the contemporary literary scene, which was dominated at the time by the Gruppe 47 . His writing revolved mainly around radio and TV-plays, newspaper articles, and polemical works. He also began writing erotic literature during the 1960s in order to improve his financial situation, even though he was aware of the fact that it would likely hurt his reputation as a serious author (Wagener 201). Neumann’s outsider position is expressed in his polemical writings against the Gruppe 47 , which he forcefully criticized for its - in his opinion - naïve belief that a new start after the Nazi era was possible, its exclusion of exile and prewar authors, and its reluctance to deal with the Third Reich and the continued existence of fascist ideology (Wagener 202—03). Describing himself as “einen amüsierten Beobachter aus der Provinz” and “jenseits des Literaturbetriebs” (“Spezis” 39), he attacked the group’s “literarische(-) Ignoranz,” “enthusiastischen Konformismus,” and “Mangel an Courage” (“Spezis” 35—36). Clearly, though, Neumann was not happy about his outsider position. Wagener accurately evaluates Neumann’s polemical attacks against the Gruppe 47 as “ein Sichwehren gegen das eigene Unbeachtetsein, gegen die Isolation als Schriftsteller, gegen die offizielle Nichtanerkennung, gegen die Abstempelung als gestrig” (207) and concludes: “Fraglos litt Neumann an seinem Mangel an Erfolg (…) und er litt an dem Fehlen öffentlicher Anerkennung” (208). It is helpful to keep this context in mind when evaluating Neumann’s 1969 translation of Children of Vienna as the author’s attempt to reestablish himself and stake out his place among a new generation of post-war German and Austrian writers. The new translation allowed Neumann to rectify those aspects of the first German translation that he was dissatisfied with, especially the language, replacing the “grausige” translation of his ex-wife with his own, calculated “Kauderwelsch.” Indeed, in response to Ernst Klett’s concerns about finding an audience for the novel - a concern Neumann shared - he emphasized the need for “eine gültige Übersetzung” of this, his internationally most well-known novel, for his collected works (S.n. 21.861). Neumann was 72 years old at this time and had dealt with numerous serious health problems over the course of the previous few years. Thus, the concern about his collected works and valid translations was perhaps an effort to ensure control over his legacy. The new translation also allowed Neumann to respond to his Austrian critics from 1948, who had complained that the novel was written for America, that the experience of emigration had led to a distorted, grotesque portrayal of Vienna, and 198 Sarah Painitz even that Neumann had “left” Austria “um ungehindert von Hitler, die reinere Luft der englischen Freiheit zu atmen” (S.n. 21.647). By radicalizing the novel’s language and emphasizing the story as representative and universal, Neumann directly addressed the two main points of criticism launched against him by the Austrian reviewers of the 1948 German translation. In his foreword to the new translation, Neumann provocatively asks: “Wozu eindeutschen, überhaupt? ” ( Kinder 5). By repeatedly using the awkward and unusual term “eindeutschen” instead of “übersetzen,” he calls our attention to the fact that this version is indeed not only a translation, but rather a text that has been made German. This puts Die Kinder von Wien in an unusual position as far as translations go. Translation theory today, instead of measuring a translation by its linguistic fidelity to the original, emphasizes the value of translation as an “intercultural transfer” (Bassnett 132), an act of rewriting that must account for its specific time, place, and audience. Yet by making Die Kinder von Wien German, Neumann has in essence translated a very German book, which he wrote for an English-speaking audience, back into German. The back-and-forth movement of intercultural transfer is mirrored in the mixing of languages Neumann employs throughout the text. He claims that the language of the characters in the original version is not English, but a deliberately constructed street language, an argot employed by the author to capture a world and a moment in time that existed only briefly: “Für die Gestorbenen ein Denkmal in diesem Buch - vielleicht am besten auch ein Denkmal für die Sprache von den Gestorbenen? ” ( Kinder 5). Perhaps Neumann’s 1969 translation should not be understood as a Germanization in the sense of intercultural transfer - after all, the cultural content of the text was already specifically German. Neumann’s audience, however, has changed - it is neither the one of the English version, nor is it the one of the first German translation. Thus, the new translation, in addition to correcting the inadequate 1948 translation and responding to its critics, also addressed a new generation of readers. The readers of Neumann’s Die Kinder von Wien in 1974 included a new generation of Germans and Austrians that had no direct experience of the events described in the novel. Not only that, but the cultural discourses of 1970s Germany differed immensely from those of the 1940s. During the 1960s, the Eichmann trial in Israel, the Auschwitz trials in Frankfurt, and the debate surrounding the statute of limitations for capital offenses all contributed to a heightened awareness of the war crimes perpetrated by ordinary Germans, leading the younger generation to confront their parents, criticize their (in)actions, and demand accountability. Thus, the “transfer” Neumann’s translation undertakes can perhaps be better understood as intergenerational rather than intercultural. No longer a call to action in the face of a humanitarian crisis, Neumann’s new translation is a monument for the Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 199 dead and their language, and the process of its writing an act of memorialization. It is a work of art that both speaks beyond language and exists as language. The very process of writing is here, of course, a way to deal with pain and suffering, which in turn recasts the memory of trauma into its memorial. Thus, Neumann’s continuous work in writing and rewriting Children of Vienna can perhaps also be understood as his unceasing attempts to come to terms with his son’s premature death. In this sense, the book forms a kind of monument and its many iterations perform the act of memorialization, a struggle against forgetting. Indeed, Neumann himself noted in his 1963 autobiography Ein leichtes Leben that, in 1938, he had helped his son plan his second novel: “‘Ten Little Niggers’ sollte er heißen - handelnd von der Flucht von zehn Kindern aus der Stadt Wien; und da ich dies niederschreibe, ist mir, daß vielleicht einiges aus diesem Plan in meine ‘Children of Vienna’ geflossen ist” (499). In the manuscript of Children of Vienna , its original title is crossed out: “The Nigger Children of Vienna” (S.n. 20.835). The traces of personal loss are indeed embedded in this text. Yet I would argue that Neumann’s return to his text is not only a form of catharsis, but also performs, in its address to later generations, the unfinished business of the trauma of war and the necessity of continued engagement with the past. Neumann confounds overly simplistic paradigms that we - in the face of complex and uncomfortable questions about guilt and responsibility - all too often rely on. Thus, not all the Allied forces were the liberators they asserted to be, for whereas they may have brought physical freedom from Nazi oppression, they did not bring “freedom from fear and want” as the Atlantic Charter had promised. Similarly, not all Germans and Austrians were perpetrators; some are also victims, such as Ate, an exemplary Bund Deutscher Mädel -member still spewing Nazi propaganda, who was exploited in the brothels and mental institutions in which she was forcibly detained. Neumann expands the boundaries of what it means to be a victim here - not to lessen the pain of those who suffered and died at the hands of the German war machine, but to expand our range of empathy. Indeed, by confounding overly simplistic notions of perpetrator, victim, and liberator, Neumann demands an empathetic response to trauma through and beyond language. In opening up this space for dialogue between author, text, and reader, he urges the same kind of continuous engagement with the experience of trauma that he enacts through the production and reproduction of his own text. The questions with which the texts ask us to engage - questions about humanity amidst unbearable suffering, about guilt, responsibility, morality, empathy, and compassion - go beyond the specific historical circumstances that gave rise to them. They remain unanswered and perhaps unanswerable as well. And that, indeed, is the point. It is only in the endless moment of empathy with the other - a process, not an end point - that we rediscover our shared humanity. 200 Sarah Painitz Notes 1 See, for example, Bischoff’s introduction to the volume Sprache(n) im Exil for a useful overview of the historical problems and current state of research. See also Benteler; Lamping, “Metamorphosen”; and Utsch, “Sprachwechsel” on these issues. 2 Although this list cannot be comprehensive, I have here attempted to include all such writers of literary texts I have encountered in my research. Kucher’s essay focusing on language switching by Austrian exile writers (“Sprachreflexion”) and Strickhausen’s bibliography of English-language publications of German and Austrian exile writers have been the most helpful in compiling this list. 3 See Kucher, “Balance” and “Sprachreflexion.” 4 See, for example, the work by Andress, Jung, Kucher, Lamping, and Utsch. 5 On the problems and inadequacies of scholarship on multilingual exile writers, see Kilchmann; Lamping, Literatur and “Metamorphosen”; and Utsch, “Sprachwechsel” and “Übersetzungsmodi.” See also Kremnitz’s call for a corrective of our understanding of national literatures. 6 Four American newspapers, including the New York Times , announced the planned production of Children of Vienna in January 1948 for March of that year (S.n. 21.647). The play was adapted by Neumann himself and, as Stadler notes, was likely written simultaneously with the novel (237). The typescript of the play can be found in Neumann’s Nachlass, which is housed in the collection of manuscripts and rare prints in the Österreichische Nationalbibliothek ( ÖNB ). All references to materials from Neumann’s Nachlass are noted in the text by ÖNB call number. My archival research, which was instrumental in the writing of this article, was made possible through the financial support of a Franz Werfel-Fellowship from the Österreichischer Austauschdienst . 7 Although the new translation was not published until 1974, Neumann clearly indicates in correspondence with Manès Sperber and Ernst Klett from 1969 that he has completed it (S.n. 21.857 and 21.861). See also Stadler 255. 8 As Stadler notes, the papers and correspondences related to Children of Vienna are “unvergleichbar größer” than that of other works (236). 9 See Stadler 238—40. 10 The reviews are collected - largely in chronological order - in six folders in the ÖNB . 11 Not many, but a few Austrian and Swiss reviews of the 1948 translation published by Querido can be found in the ÖNB . There are no German reviews, confirming the fact that exile publishers had virtually no avenues to distribute their German-language books in Germany during this time. Children of Vienna: Translation, Rewriting, and Robert Neumann’s Legacy 201 12 The reviewer of Neues Österreich described Neumann’s diction as “abwegig(-), oft auch abstoßend(-) und unappetitlich(-)” and the novel’s form as “(k)raus und (- ) kraß” (S.n. 21.647). The same review understood itself as a “(n)otwendinge Korrektur eines verzerrten Bildes von Wien und seiner Jugend” (S.n. 21.647). It is striking that the two Austrian reviews, especially when compared to the British and American ones, were quite concerned with the kind of image the novel portrays of the city of Vienna, its culture and traditions, and its inhabitants. 13 F.C. Weiskopf, writing for the Saturday Review of Literature , described the novel as a “nightmarish fairy tale with super-realistic features” (S.n. 21.647). 14 Indeed, Neumann was frustrated with the apparent marketing of Children as a documentary. See Stadler 244. 15 The first German translation from 1948 largely follows the English text; hence, while I refer to it occasionally, I do not analyze it in depth. 16 In a personal conversation, Stadler clarified that he was mistaken in attributing some of the corrections of the manuscript to Neumann’s wife (see Stadler 246). The corrections were actually all made by Neumann himself. Thus, Stadler’s original assessment that this manuscript dates from before 1948 is incorrect (246). 17 See Venuti, who introduced the terms “foreignization” and “domestication” in translation studies. 18 Smith repeatedly compares himself and his difficult life to the children and their circumstances: “Ich hab mich hochgearbeitet von - nein, nicht von Nichts, von viel tiefer unten als Nichts hab ich mich hochgearbeitet bis dorthin wo ich jetzt bin. Man glaubt, es kann nicht so schwer sein in der American Democracy” ( Kinder 121). Through such statements, Neumann draws an analogy between the inequalities produced by slavery and segregation in the US and the aftermath of the war in Europe. Like the children, Smith is subordinate to white hegemony. 19 Ate recites the first four lines of Goethe’s famous poem - although she mixes up “Gipfeln” and “Wipfeln” - and then switches to a somewhat mixed up version of the “Horst-Wessel-Lied.” In Children of Vienna , Ate recites the poem in German (one of the few moments in the entire novel when German is utilized for more than a word of two), but does not confuse “Gipfeln” and “Wipfeln.” 20 See also Weinzierl 199. 21 In Childern of Vienna , Neumann writes: “Once a killer, always a killer. Or do you mean because they are beaten to the ground just now, and live as they live? ” (207). “Killer” is used only to refer to the Nazis; the references to the Soviets are completely absent. 202 Sarah Painitz 22 Although it is important to note here that, having for many decades portrayed itself as Hitler’s “first victim,” Austria lagged behind Germany in confronting its Nazi past. Public debates about Austria’s participation in Nazi crimes did not begin in earnest until the so-called Waldheim -Affair of the 1980s. 23 Dove gives numerous reasons for Neumann’s language-switch to English. He notes the great material and psychological pressures to assimilate, Neumann’s distress at being classified as an “enemy alien” and trauma stemming from his internment, and the poor prospects of his work appearing in German (“Gift” 110). 24 I propose that, after Neumann’s “Austrian” and “English” careers, one might consider this third phase his “German” one. Living in Switzerland, he largely wrote for a German, not Austrian, audience. He published in German newspapers and magazines like Konkret , Die Zeit , Tribüne , and pardon and wrote commentaries for many German radio stations. His most important publisher during this time was Desch, in Munich, and his new translation of Kinder was published by Piper. Works Cited Adorno, Theodor W. “Cultural Criticism and Society.” Prisms . 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Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany by West Germany in Novels by Günter Grass, Christa Wolf, and Volker Braun John Pizer Louisiana State University Abstract: Although East Germans voted overwhelmingly for reunification in 1990, the liquidation of East German businesses and properties by the Treuhand agency tasked with fusing the economies of the formerly separate nations, shady business practices, and mass layoffs caused many ex-GDR citizens to regard themselves as victims of neocolonialist exploitation. The formerly West German author Günter Grass and the previously East German authors Christa Wolf and Volker Braun wrote novels in which resistance to this perceived neocolonialist evisceration of East German identity, businesses, and institutions takes place. Grass fuses the first and the second epochs of unification in his novel Ein weites Feld in the personage of the Theodor Fontane revenant Theo Wuttke to underscore the malevolent realties of a politically rather than culturally integrated German state, while Wolf configures the West German colonization of East Germany through the palimpsest of the Ancient Greek Corinth state’s colonialist treatment of Colchians in their territory in Medea . In Die hellen Haufen , Braun creates an imaginative revolt by East German workers against their West German overlords. In all three novels, resistance is shown as futile, but the utopia of democratic socialism is nevertheless invoked. By way of contrast, the positive view of reunification by authors Martin Walser and Monika Maron is also briefly presented. Keywords: neocolonialism, democratic socialism, reunification, Treuhand , “Abwicklung” German reunification was and continues to be perceived in some quarters as an instance of neocolonialism. Several works, such as the essay collection Kolonialisierung der DDR (1996), Andrea Geier’s “Der Kolonialisierungs-Diskurs in 206 John Pizer der Literatur nach 1990” (2008), and Paul Cooke’s Representing East Germany since Unification: From Colonization to Nostalgia (2005) have discussed this perception. Dan Bednarz’s ethnographic study East German Intellectuals and the Unification of Germany , largely a summary of interviews conducted with leading East German academics in 1990/ 91 as well as follow-up interviews in 2014, indicates that a large majority of these intellectuals regarded their treatment by West German university representatives (who fired most of the GDR academics after cursorily conferring with them shortly prior to official reunification) as an instance of neocolonialism. Cooke’s and Geier’s studies show this view has been given voice in the cultural sphere. My essay will compare how three canonic German-language authors of the later twentieth century, Günter Grass, Christa Wolf, and Volker Braun, articulate an imagined resistance to the colonization of the German Democratic Republic (GDR) they saw as having occurred through reunification. With respect to Grass, resistance is evident in his novel Ein weites Feld (1995) when the protagonist, Fonty, thunderously denounces the Treuhand (the organization created to deal with the economic aspect of reunification, particularly the sale of the German Democratic Republic’s state-owned concerns and with managing West Germans’ private claims on property confiscated after the Second World war by the GDR government) on the occasion of its thousandth liquidation settlement of East German property, the process encapsulated in the term Abwicklung . Fonty’s denunciation is strongly and clearly manifest in the novel. Christa Wolf’s novel Medea. Stimmen (1996) represents the ancient Colchians as allegorized East Germans treated as colonial subjects in Corinth, the allegorized FRG (Federal Republic of Germany). In a 1992 diary entry, “Santa Monica, Sonntag, den 27. September 1992,” composed when she was researching Medea , Wolf draws an implicit parallel between the Western colonization of the GDR (German Democratic Republic) and that of Colchis. Precisely this parallel is portrayed in Medea . In Die hellen Haufen (2011), Braun conjures an imaginary 1992 East German workers’ revolt against the capitalist West. This novel underscores Braun’s continued support of humane socialism as an alternative to Western capitalism. Though prior to reunification Grass was a West German author while Wolf and Braun wrote and lived in the GDR, all three were deeply dissatisfied with the process of reunification and its aftermath, and imaginatively represented resistance to this process in their novels. Grass, Wolf, and Braun were certainly not unique in composing imaginative works directly or indirectly advancing the proposition that reunification is to be regarded as a form of colonialism, though the three texts discussed in the present essay are the most cohesive examples of this poetic polemic employing the genre of the novel. Broadly speaking, the number of literary compositions expressing either mild or strong opposition to the way reunification was actu- Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 207 alized and is viewed as an instance of colonialism is quite large. Ruth J. Owen has shown that poetry written after reunification by Heiner Müller, Steffen Mensching, and Bert Papenfuß in the 1990s rejects the crassness, immorality, commercialism, hopelessness, and alienation these authors perceived as having become manifest through the “colonizing West’s” economic and political takeover of the territory encompassing the former German Democratic Republic (113—26). However, the three novels by Grass, Wolf, and Braun which are the focus of the following essay are, I would argue, the most cogent examples of works which imaginatively conjure a resistance to this perceived colonization. In connection with Grass, I will also briefly articulate German rejections of the equation of reunification with colonialism on the part of, particularly, Monika Maron. Before examining the three works which suggest that the territory encompassing the former German Democratic Republic was effectively colonized by the government and private enterprises in what, at the time, was referred to by some as the Bonn Republic, the capital of West Germany, we must consider if there is any real justification in referring to the incorporation and integration of East Germany into an expanded Federal Republic of Germany as a form of colonialism. By any traditional definition of this term, such a categorization seems out of place. After all, what distinguished the former GDR citizens from the indigenous peoples across the globe who were subjected to territorial expropriation, authoritarian rule by foreign nations, and often slavery from the Age of Columbus until well into the twentieth century, is that East Germans did vote for reunification in March 1990, not long after the fall of the Berlin Wall in November 1989. The widespread demonstrations precipitating the fall of the Wall did not have reunification as their goal but were focused on introducing democratic reforms to socialist East Germany and lifting restrictions on travel outside the Soviet Bloc nations. While figures such as Wolf and Braun fully embraced such liberalization in the socialist state during the period between the fall of the Wall and full reunification known as the Wende , and even beforehand, the broader GDR populace began to focus on the alleviation of their material deprivations in late 1989 and early 1990. Their relatively easy access to West German television broadcasts in the 1980s and even earlier, as well as the high-quality goods they received as care packages from Western friends and relatives, exposed the lie that real existing socialism allowed them to enjoy a better standard of living than their counterparts in the West. After the fall of the Wall in November 1989, East Germans’ untrammeled ability to travel in the FRG made them all the keener to enjoy the Western lifestyle they could now directly, personally experience in such cities as Coburg, Lübeck, and West Berlin. The vote for reunification was, fundamentally, a vote for this lifestyle. 1 208 John Pizer Almost immediately after the fall of the Wall, East Germans, naïve about the treacherous aspects of capitalism, became victims of Western exploitation. Exultance at the sudden availability of Western goods turned rather quickly to disillusion when deceptive sales practices became immediately apparent. As Andreas Staab remarks: Dubious Western business opportunists claimed the East as the new frontier of Capitalism, and East Germans came to be acquainted with credit sharks, overpriced used cars, or disproportionate insurance policies. The markets of Eastern towns were packed with stands offering clothes and food products whose value-for-money ratings were all too often simply ridiculous. (116) Staab further notes that these practices led to a rather abrupt attitude reversal with respect to preference for Eastern or Western commodities; whereas products from the East had been stigmatized as inferior to Western goods at the very outset of the Wende , already by 1991 most former GDR households came to prefer products manufactured in their former country and now in the new Länder (Staab 116). Though Staab does not say so, this change of heart very soon after reunification, when East Germans reacted to a neo-colonialist exploitation by Western marketers and began to embrace Eastern goods because of their familiarity and - at least with respect to price - dependability, may be the true origin of what came to be called Ostalgie . At any rate, such Western economic exploitation even in the period prior to formal political reunification marks the beginning of what we can call a form of inner colonialism. In their suggestively titled book Kolonie im eigenen Land , published in 1991, as the negative aspects of Westernization in Eastern Germany were becoming clear to its residents, Peter Christ and Ralf Neubauer cite a poll taken in that year which indicated that 2/ 3 of the GDR’s former citizens believed the West Germans had engaged in a colonial-style conquest of their homeland (208—9). Christ and Neubauer argue that there are indeed a number of parallels between earlier European colonization of indigenous people and the political and economic integration of the new Eastern federal states into an expanded FRG. 2 As with previous colonization, they assert that the “missionary enthusiasm” of the outsiders is unlimited, that the achievements of their own society constitute the absolute standard for evaluating all aspects of life in the new territories, which are found to be backward and primitive. The conquerors do not understand the culture and behavior of the population in the new territories and therefore reject them out of hand. The process of colonization is accompanied by the immiseration and exploitation of the colonized population. Christ and Neubauer see evidence of all these epiphenomena, the arrogance and complete rejection of Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 209 the native population and its life ways, as manifestations of colonialism in the West German treatment of the new Eastern Länder (216—17). In his article on “Die verheerende Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland in der Zeit von 1990—1994,” Andreas Büttner lists four political acts made in the period quickly following what he terms the “abrupten Vereinnahmung der DDR” that brought about the economic colonization of the new Eastern Länder : the overly hasty currency union, the wide-ranging selloffs and privatizations undertaken by Treuhand , the rendering valueless of East German enterprise largely through a fictional “Altschulden’-Belastung,” and the turning over of the Eastern market to Western concerns and chains (118—19). This last element mirrors a tendency cited by Staab, but while these deeds took place early in the wake of and - with respect to private enterprise depredations described by Staab and Büttner - even prior to formal reunification, they occurred during the Wende , when there was still a pervasive sense of optimism in the East. As Ben Gook notes, for many GDR citizens this was “a period of release and unimagined novelty,” though experienced by some in a manner he describes as “rueful” (25). Gook notes that West German Chancellor Helmut Kohl had a choice between Article 23 and Article 146 of the West German Grundgesetz (Basic Law) as the legal foundation for bringing about reunification. It was expected that Kohl would choose Article 146, which would have essentially nullified the Basic Law upon the adoption of a constitution by the German people. Instead, he invoked Article 23, which placed the new Länder under the jurisdiction of the West German Basic Law rather than instituting a mechanism which would have brought about the requirement to draft an entirely new constitution. As Gook notes, because of Article 23’s “language of ‘accession,’ some saw it as akin to a colonial act” (27). However, this accession can be viewed very differently. As Cooke notes: “The German federal government saw it as its place to welcome the new eastern members into its fold, rather than to merge with the GDR. Clearly the East German population was also largely happy with this arrangement because the vast majority voted for reunification under these terms” (4). In other words, there was somewhat of a lag between the implementation of economic and political unification and its perception as a colonializing act by a significant segment of the East German populace. Staab provides a particularly cogent argument as to why East Germans, including its intellectuals such as Wolf and Braun, had legitimate reasons to perceive themselves as victims of Western colonialism in the aftermath of reunification. What makes Staab’s argument convincing is its objectivity and balance, because Staab is far from being an apologist for the GDR regimes. While he recognizes that the leaders of East Germany provided the country’s citizens benefits such as free, universal health care, free education, virtually guaranteed employment, 210 John Pizer etc., he is unsparing in his critique of the government’s authoritarian style of rule, seeing it as a continuation of Germany’s dictatorial past. In their general intolerance of dissent and debate, Staab sees the leaders of the GDR during its 40-year existence as in harmony with the approach to governance taken by the rulers of the Third Reich. To be sure, the populace of any nation, or some significant segment of it, might perceive itself as colonized; Staab notes that this is the belief of many people in the European Union member states toward Brussels, with its propensity for imposing measures previously issued by discrete nation states (11). In this sense, the perception of some German intellectuals that East Germany was a victim of colonization found a parallel grievance among citizens of the European Union nations, due to the intrusions of this organization into the decision-making process of its respective sovereign states. One might add that this sentiment is even stronger today than when Staab wrote his book in the late 1990s, as is evident in much political discourse in Europe in the second decade of the 21 st century, with its clamor for the dissolution of the European Union. However, such collectivist laws have been made gradually over the years for and by European Union member states, while changes brought about by reunification took place quite rapidly. The takeover of Eastern businesses and the concomitant replacement of local political and educational directors by individuals imported from the West, corruption and a failure to take local concerns into consideration, as well as Treuhand ’s heavy-handed practices, led the populace in the new Länder to perceive “a colonization of the East by the prosperous and unscrupulous West” (35). Staab’s balanced approach to the cause of the problems attendant to reunification is evident when he notes that the “people’s impression of a colonization of the East by merciless Western capitalism” resulted from a feeling of helplessness in the face of aggressive enterprises driven solely by the profit motive when doing business in Eastern Germany without any attention to regional concerns, while also indicating that such passive attitudes, the sense of futility, can be traced to the rigid top-down hierarchy evident in the political and business spheres in the GDR. In other words, the citizens of the country were trained to be obedient unquestioning subjects, apathetic in the face of economic dictates issued by a government which brooked no opposition or even questions regarding its supreme authority (43). If the general populace of Eastern Germany felt unable to resist what they not unreasonably perceived to be colonialist appropriations by Treuhand and other Western concerns, Staab suggests, it is because they were taught to be unresisting subjects by those who had been in power in the GDR. Certainly, many East Germans had exhibited initiative and defiance in the June 1953 uprising against the imposition of higher industrial production standards and then much later in the 1989 demonstrations leading to the fall of the Wall, but these positive qualities evaporated in the face of what Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 211 became essentially a takeover of the Eastern political sphere by the parties of what had been the “Bonn Republic.” On the political level, the “superimposed” GDR socialist/ communist system was replaced by “another superimposed one,” that of the capitalist FRG, and this also contributed to “the feeling of colonization by the West” (95—96). 3 There was somewhat of a lag between the general sense of euphoria in the East attendant to the fall of the Wall as well as reunification in 1990 on the one hand, and the disillusion that led many former GDR citizens to regard themselves as victims of Western colonialism on the other. After the Wende , intellectuals such as Grass, Wolf, and Braun were opposed to reunification as colonialism from near the beginning of this process. I use the term “near the beginning” because, as David Clarke and Ute Wölfel point out in their introduction to Remembering the German Democratic Republic , “even Helmut Kohl, the self-styled ‘Unity Chancellor,’ at first envisaged only a federation of the two states, leading to eventual unification.” They note that leading West German intellectuals such as Grass and Jürgen Habermas saw in a complete rather than federated merger of both Germanys the danger that the reunified country would revert to the nationalistic orientation and aggressive moves toward territorial expansion that characterized past German governments (5). With respect to the nineteenth-century drive for expansion of German territory through colonialism, the protagonist of Grass’s Ein weites Feld , Fonty, as his name suggests, channels the voice of - even serves as a Doppelgänger of - the late 19 th century canonic German author Theodor Fontane, who enunciated such misgivings as the nation moved toward its initial unification in 1871. As Jan-Werner Müller has indicated in his book on German intellectuals and reunification, Grass favored a confederated form of German statehood, a gradualist approach to reunification for which he had argued since the 1960s. The ties binding the states in such a confederation would ground German identity and unity in a Kulturnation , as Grass argued following the events of November 1989 (68). German intellectuals prior to the establishment of the Second Empire but particularly in the late 18 th and early 19 th centuries had also sought to establish German identity as rooted in its cosmopolitan culture, a historical circumstance drawn upon by Grass and Habermas in their polemics against complete political reunification in 1989. Indeed, these earlier German intellectuals paradoxically sought to ground the national character of Germany in the “mythologizing construction” of a universal, or at least pan-European, approach to literary culture, which such figures as Herder, Hölderlin, Novalis, Fichte, and Friedrich Schlegel regarded as unique to the German-speaking lands. 4 This mildly chauvinistic embrace of Germany as a Kulturnation was certainly borne in part out of frustration that the German-speaking lands did not constitute a unified political 212 John Pizer nation state, and in this period, during the late Napoleonic Age, the will toward creating such a nation state began to emerge. Grass’s own embrace of Germany as a Kulturnation does not share in this chauvinism. Instead, in the wake of the Holocaust, Grass felt that any unification beyond a confederated system and an inner-border transcending culture would lead to the aggressive political nationalism and expansionism that reached acute forms beginning in 1871 and 1933, the respective onset of the Second and Third Empires, the Germanys of Fontane’s mature years and of Grass’s youth. Maya Jaggi’s review in 2000 of the English translation of Ein weites Feld notes that Grass, in this novel, “writes scathingly of how the velvet revolution segued into what he portrays as colonial annexation.” She also cites one of the most misinterpreted passages in the novel, namely, the reference to the GDR as “a comfy dictatorship.” The phrase is uttered by Hoftaller, who, with respect to the novel’s temporal dimension, seamlessly constitutes a shadowy spy in dictatorships from the eras of the Wilhelmine Empire, Hitler, and East Germany. He is the novel’s other chief protagonist, a constant minder of Fonty. This latter figure broadly toils in the fields of culture and his given name is Theo Wuttke. Superficial readings of Ein weites Feld have associated Hoftaller’s description of the GDR state as “eine kommode Diktatur” with Grass’s view. While Grass certainly saw the East German dictatorship as more benign than that of the Third Reich, Hoftaller, as a servant, indeed henchman, of German dictatorships writ large cannot be regarded as a spokesman for his author. Indeed, Hoftaller darkly suggests that the GDR government itself brought about the fall of the Wall in order to block the emergence of the sort of genuinely democratic socialism in East Germany favored by authors such as Wolf and Braun. As Stephen Brockmann has noted: “In his novel Ein weites Feld , whose publication coincided with the fifth anniversary of German reunification, Grass suggested that the GDR’s leaders had let the Wall fall in order to prevent the advent of a ‘third path,’ the utopian social and economic concept longed for by so many writers and dissidents in the GDR” ( Literature and German Reunification 51). Brockmann explains that, in the view of these writers and dissidents, this third path would ideally constitute a balanced approach between the extremes of Western capitalist oppression of the masses and the East’s reliance on communist dictatorships (51). It is important to underscore what Brockmann implies here, namely, that the ideal of this third way was espoused by GDR authors such as Wolf and Braun. Grass was sympathetic to this approach and uses the figure of Hoftaller to imply the GDR’s political elite triggered the fall of the Wall to bring about a form of reunification that would render the third path impossible, hinting broadly that this nomenklatura could take advantage of the advent of untrammeled capitalism, like so many Warsaw Pact elites after Eastern European state Communism Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 213 collapsed. While Grass was a strong proponent of democratic socialism in the FRG, 5 how this approach to economics and politics might be enacted in the GDR was not a primary focus for this West German writer. Instead, he concentrated on articulating the vision of a confederated form of government giving the East German Länder relative autonomy and establishing unification in the cultural rather than political sphere. This preference was largely based on his fear that reunification would lead once again to his country’s tendency, as in the Wilhelmine and Third Reich periods, to embrace authoritarianism and colonialist expansion. Grass was consistent in holding this view before and during the Wende . 6 Already in his 1979 novel Das Treffen in Telgte , Grass evinces an embrace of the ideal of a nonpolitical Kulturnation in a tale where the nation’s greatest Baroque-age authors overcome extreme obstacles in coming together for productive, witty, and insightful dialogue, while their territories are being torn ever further asunder during the Thirty Years War (see, for example, 7—14). Literary culture, not politics, is seen to bind the nation. By the time Grass composed Ein weites Feld , his long-cherished dream of a loosely confederated Germany united primarily within the contours of an apolitical, or, as Friedrich Meinecke would have it, “vegetative” Kulturnation , 7 had been dashed, and in his chronologically comprehensive novel, shuttling back and forth not only between the present and Fontane’s late 19 th century Germany, but to the Prussia of the late 18 th century, Grass gives vent to his fear that a militaristic Prussian form of nationalism is reemerging. The novel evokes a continuity among Friedrich II’s Prussia, Bismarck’s Prussia and Second Empire, Hitler’s Third Reich, and Kohl’s newly reunified Germany (see Pizer, “Kleist”). While Ein weites Feld weaves a rich, temporally intertwining tapestry, Fonty’s speech in the “Kulturbrauerei” on the occasion of the Treuhand ’s thousandth liquidation settlement (“Abwicklung”), constitutes the novel’s climactic episode and culminates in the conflagration of the Treuhandanstalt ’s building, a scene redolent in Grass’s novel with both poetic justice and apocalyptic warning. As Jutta Heinz argues, the speech also represents the high point of a key narrative thread in that Fonty’s disassociation from his lifelong figure of identification, the novelist Fontane, had been growing in the last few chapters. The speech underscores Fonty’s liberation from the pure reproduction of Fontane’s motifs and figures, for characters from the 19 th century author’s collective “Romankosmos” appear in the speech in new, daring, imaginative constellations. Thus the roles of Fontane and Fonty would be definitively reversed: “Fonty wäre nicht mehr eine Figur, die Fontane spielt, sondern Fontane wäre eine Figur aus Fontys neuem Bilderbogen mit Szenen der deutschen Wiedervereinigung geworden” (33—34). We can add that through this liberation not only from Fontane as a figure worthy of unquestioning emulation, but also from his malevolent minder 214 John Pizer Hoftaller, Theo Wuttke can emerge as a genuinely independent, authoritative voice against the colonization of the former GDR. Nevertheless, Fonty, as Heinz indicates, does not take leave of Fontane in the climactic scene in simply ceasing to stand in for this author. Instead, he draws from a broad palette of characters from Fontane’s novels, using them in the service of his tirade against the Treuhand and its massive enactment of what many, including Grass, saw as colonialist liquidation settlements. In doing so, he completely imbricates the militarist pomp Fontane gently critiqued in the Wilhelmine Germany of his age with the Prussian traditions of the era of Friedrich II and its revival in the present time of the narrative, a revival allusively suggested in a lengthy delineation in the novel of Friedrich II’s real-life ceremonious reburial in 1991 in the grounds of Sans Souci castle. His remains had been removed from this castle after the Second World War because the Germans feared their desecration by Soviet troops. As Brockmann notes in summarizing this chapter: “The return of Frederick the Great to Sans Souci allowed Helmut Kohl and the unified Germany to publicly proclaim a connection to a supposedly noble Prussian tradition” (“Günter Grass and German unification” 135). While Fontane wrote somewhat nostalgically on Friedrich’s age in his novels and in his Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862—1882), Grass weaves eighteenth-, nineteenthand late-twentieth-century Prussian-style militarism into a continuity in Ein weites Feld by fictionally narrating the reburial and then having Fonty draw on the martial ceremoniousness represented in the late 19 th century author’s prose fiction. Grass implies that this tradition is spiritually tied to the predatory, colonialist practices of the Treuhand Agency in the wake of reunification. In order to illustrate the complexity of this historical imbrication, its climactic moment in Fonty’s lecture must be cited in full: Und bestimmt, nein, sicher mischt irgendwo Mathilde Möhring mit. Da ist sie und nähert sich Frau Jenny Treibel, um ihr mit unschuldigstem Gemmengesicht die tausendeinste Abwicklung vorzuschlagen: ein ganz besonderes Schnäppchen. Welch ein Gedränge! Ordensbrüste, Schleppsäbel, Stehkragen. Geheim- und Kommerzienräte, hinter denen die Vorstände der Großbanken stecken, glänzen durch Anwesenheit, gleichfalls der Schwefelgelbe, erkennbar am Kragen der Halberstädter Kürassiere, der seinen Bleichröder mitgebracht hat, einen Krösus, den heutzutage die Dresdner Bank stützt. Kredithaie und Bankrotteure, Pumpgenies! Sie können sicher sein: Rubehn, gestern noch pleite, ist heute in Festlaune und obenauf … (754) Grass’s portrayal of reunification as a form of colonialism provoked much controversy among contemporary German intellectuals, including authors such as Monika Maron. Before proceeding to a discussion of how such perceived colonialism is articulated and resisted in works by Wolf and Braun, it is worth Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 215 examining the counterargument made by proponents of reunification in order to present a more complete picture of attitudes toward the issue of reunification in general and reunification perceived as colonialism in particular. Jan-Werner Müller has shown that, in the West, Martin Walser saw the incorporation of the GDR into an expanded FRG as a “triumph” that “vindicated” the people (“ Volk ”) and criticized the pessimists among his fellow intellectuals for their gloomy perspective on the Wende (171—73). 8 Among former GDR writers, the most eloquent critic of the tendency to equate reunification with colonialization was Maron. Her novels such as Stille Zeile Sechs (1991) portray former GDR leaders in a harshly denunciatory manner. In Animal triste (1996), the narrator refers to the Soviet Bloc ruling Communist elite as a “Gangsterbande” disguised as an international liberation movement (30). In an article inspired by the publication of Grass’s post- Wende diary, which he had resolved to keep on the first day of the New Year 1990, Maron notes the cataclysm he predicted at that time as the result of reunification did not come to pass. Thus, the warnings about this process nested in his 1992 novel Unkenrufe were misplaced, in her view; hence the title of Maron’s essay, “Die Unke hat geirrt.” That is to say, the toad has erred when its prophecies are seen from an early twenty-first century perspective. For while there was a certain amount of chaos and much unemployment in the immediate years after reunification, partly due to Treuhand ’s centralized and opaque structure, the Eastern German territory is flourishing in 2009, in Maron’s view. She criticizes Grass for treating the GDR population as a duped “kolonialisierte Masse.” She finds it absurd that Grass believes the region’s civil rights advocates are all depressed because Grass’s dreams of a confederated state were not realized, that the globally-oriented activities of the German economy, and indeed of the entire world - a context which meant that East Germany could not exist as a self-contained, self-enclosed domain - are to be equated with mutual colonization on a universal scale. 9 Maron indicates that Grass’s imperious attitude, his belief that he knows what is best for Eastern Germans, is itself a form of mental colonizing. She notes the development of a solar energy enterprise in Bitterfeld-Wolfen is flourishing. 10 While Grass might complain that the owners of the Bitterfeld-Wolfen complex come from across the globe, the GDR he hoped would continue to exist would have caused this region to remain heavily polluted and rundown. Finally, Maron argues: “Fünfundvierzig Jahre nach dem Krieg sind die Ostdeutschen dazugekommen, freiwillig, in ein reiches, demokratisch verfasstes Land.” Maron’s citation of Grass’s 1992 novel is somewhat misleading. It is true that Grass’s novel’s chief male protagonist, Alexander Reschke (whose background reflects the author’s early life circumstances and who is, in most respects, a spokesman for his author) expresses occasional concern about the conditions 216 John Pizer reunification is bringing about (89, 259), but the toad’s poetic/ anthropocentric warning concerns not reunification but the impending catastrophe of global warming (125—27), and Grass’s imaginatively constructed prognosis is certainly proving to be prescient in the present day, even if Maron is correct in indicating Bitterfeld-Wolfen’s solar energy complex is a huge improvement over the GDR’s environmentally ruinous industrial policies. In its satiric delineation of a German-Polish graveyard society, Unkenrufe takes aim not at Western German colonization of Eastern Germany, but at the reunified nation’s putative emerging financial colonization of Poland. It is also the case that for many intellectuals the reality of the Berlin Republic in the second decade of the twenty-first century does not correspond to the rosy picture drawn by Maron, especially in its eastern regions. As many Europeans as well as North Americans are now rejecting the globalism Maron clearly embraced in 2009, 11 a globalism one might regard as having been inaugurated, at least in Germany, by the fall of the Wall, the debate on whether reunification constituted, and still constitutes, a form of colonialism, will certainly continue for some time to come. As Stuart Parkes has indicated: “Among GDR writers, Christa Wolf undoubtedly came closest to Grass in her rejection of unification” (212). Nevertheless, as Parkes further notes, her disappointment in the GDR’s wholesale incorporation into the FRG was largely due to this act’s shattering of the dream, shared by Braun and others, that “a renewed GDR as a ‘socialist alternative’ to the Federal Republic” could emerge from the fall of the Wall. While she feared, like Grass, that unification could revive tendencies evident in Germany’s dark past (Parkes 212), she was, unlike the West German author, not primarily focused on the economic sphere in articulating that reunification represented a form of colonialism in her second Greek myth novel, Medea . Wolf published the first of these myth novels, Kassandra , in 1983, when the stationing of ballistic missiles on both sides of the inner German border by the respective Cold War alliances, NATO and the Warsaw Pact, led many citizens in both the FRG and GDR to fear that they could become the first victims in a global nuclear conflagration. Thus, the Trojan and Greek rivals in Kassandra are portrayed as, spiritually, one people, united not only by religion and ethnicity, but by their very martial bellicosity. In Medea , on the other hand, Wolf portrays the people of the two ancient kingdoms of Corinth and Colchis as divided by geographic distance, ethnic appearance, and religious practices. 12 She subtly suggests that the many Colchians who accompany Jason and the Argonauts in sailing from Colchis to Corinth after Medea has aided the Corinthians in procuring the Golden Fleece become colonial subjects in Jason’s homeland. Wolf clearly allegorizes Corinth as the FRG, whereas the Colchians are associated with the citizens of the former GDR. While conducting research at the Get- Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 217 ty Center in Los Angeles for Medea , Wolf lived for a number of months in Santa Monica in 1992, and in a diary entry published in the essay collection Auf dem Weg nach Tabou , she reflects on the fate of Medea, around whom all her chains of thought are revolving in this period. She considers the possibility that this Colchian goddess was defamed and persecuted by the male world because of her surplus of imagination, through the power of which she is a healer. Wolf has reached the conclusion that the deed that has made Medea a figure of timeless infamy, the murder of the children she conceived with Jason, was a fiction concocted by the playwright Euripides, a conclusion substantiated for Wolf through her research at the Getty Center. 13 Thus, Wolf realizes she must revise history in order to explain this hatred of the goddess. She sketches Medea’s situation in a few short sentences: “Medea die Zauberin, die den Männern, auch Jason, angst macht. Die von Kolchis andere Werte nach Korinth mitgebracht hat. Die, letzten Endes, kolonisiert werden soll” (243—44). As Wolf’s novel on this figure develops, it becomes evident that not just the eponymous heroine herself is being colonized, but that the Corinthians treat the entire group of refugees from the territory now encompassed by the Republic of Georgia as colonial subjects. Wolf composed Medea during a wave of violence on the part of Neo-Nazis directed at people of color seeking asylum in Germany, and this problem was particularly acute in the new Länder . The complexity of Wolf’s characterization of the Colchians in Medea is rooted in their allegorically overdetermined associations linked to the time of the novel’s composition. Their complexion is darker and their hair curlier than is the case with the relatively fair-skinned Corinthians, so they can be read as ciphers for the people of color who were seeking refuge in Germany. The government of the newly reunified nation assigned them to the various states on a quota system, without considering that the new Länder were quite racially homogeneous. To be sure, the citizens of the GDR had been taught to embrace ideals like the universal brotherhood of mankind and global working-class solidarity, but these were abstract principles never truly taken to heart by the masses there, 14 and, aside from a small group of Vietnamese, the GDR had very few non-Caucasian immigrants. On the other hand, Wolf’s Colchians are also intended to reflect the circumstances of this selfsame populace, the citizenry of the former GDR. The Colchians’ customs, practices, and life ways are regarded as inferior and suspect by the Corinthians, who reflect the attitudes of the West Germans toward their Eastern neighbors in the early 1990s. Sabine Wilke has elucidated Medea ’s construct as a postcolonial text. Medea is a polyphonic novel; each character constitutes the voice of one of this work’s principal protagonists, who narrate the various chapters. As Wilke argues, Jason’s voice is that of the colonizer, who has a command of colonial discourse already in Colchis, before the flight to his homeland (17). According to Wilke, 218 John Pizer the Corinthian court astronomer Akamas represents in even purer form the perspective and narrative diction of the colonizer, given his affective distance from the eponymous heroine. In the voice of Akamas, colonial speech is at one with the discourse of superior rationality; he regards the astronomic practices of the Colchians as primitive, based as it is on the phases of the moon and practiced by women (Wilke 18—19). Broadly speaking, Wilke reads the poles of colonizer and colonized as falling along the respective antipodes of male and female world views. While this is a productive approach, Medea’s failure to bring about peaceful coexistence between the two populaces in Corinth, and the tragic fate to be exiled into the wilderness after she is falsely accused of murdering her sons, is much more linked to her foreignness, her perception by the Corinthians as a disturbing Oriental presence, than it is to her gender. For example, Akamas describes Medea as “nicht von unserer Welt,” and his condescending treatment of the Colchian princess as a confidante is one of the “Spiele mit Fremden” Corinthian leaders could afford in earlier days (122), before relations with the foreigners from the East came to be marked by bitter, irreconcilable acrimony. By the time she wrote Medea , Wolf was anguished by such acrimony on the part of West German cultural elites directed toward former GDR writers who had been lauded in the 1970s and 1980s by precisely this Western intellectual establishment. Wolf’s sense of betrayal, the feeling that this group, like Akamas in his relations with Medea and the other Colchians, was insincere and instrumentalized her, is reflected in her last novel, Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud (2010). 15 The allegorization in Medea of Corinth as the colonizing FRG and Colchis as the colonized GDR is also rooted in its utopian dimension. While Wolf indicated in her 1992 Santa Monica diary entry that the figure of Medea was to be represented as colonized, this figure’s iconoclastic striving in the novel for harmony, justice, and equality among Corinthians and Colchians allows her to emerge as a socialist hero avant la lettre , the sort of leader Wolf hoped would rise to power in a GDR governed according to the principles of genuinely democratic socialism, the “third way” she regarded as possible before real existing unification took place. Stuart Taberner finds “it might be argued that Medea. Stimmen has less to do with coming-to-terms with the ‘real’ GDR past than with the desire to confront a clearly imperfect post-unification present with a vision of what socialism in the east could have been” (39; italics in the original). What must be added is that precisely the cooptation and colonization of Medea by Corinthian leaders like Akamas, as well as the broader colonialist subjugation of the Colchians by the Corinthian elite, blocks the realization of a utopian socialist GDR vision allegorically transposed to Ancient Greece. This transposition is suggested in the figure of the sculptor Oistros, Medea’s lover. In past and present worlds, where Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 219 social origin, nationality, and ethnicity determine the individual’s standing in a community, Oistros appears to have “keine Herkunft,” as he was a foundling adopted by a humble childless couple. He has friends from Crete, Colchis, and Corinth, as well as among people from all social classes, and his salubrious influence stems from his equal treatment of all individuals (165—66). The “voice” narrating Medea’s relationship to Oistros belongs to Leukon, second in rank as court astronomer to King Kreon only to Akamas. Leukon’s voice articulates the utopian dimension of the novel, for he demonstrates that a high-ranking official who belongs to the colonialist elite for the ruling caste can overcome class and ethnic divisions and even admire the colonized minority. He notes that his fellow Corinthians regard Medea’s self-assurance as arrogance, for which she is hated. However, not just Medea, but the other Colchian women, although they perform the most menial tasks, hold their heads high like the wives of Corinth’s highest officials, a circumstance both pleasing and disquieting to Leukon (169). What disturbs the astronomer and enrages his fellow high-born Corinthians is likely rooted in what Homi Bhabha, in his canonic work The Location of Culture (1994), describes as colonial mimicry, whereby the colonized adopt the behavior and discursive modes of the colonizer. While Leukon recognizes that the Colchian women cannot imagine comporting themselves in any other way, the other Corinthians perceive their pride as arrogance because they unconsciously conceive it as taking place in an area “between mimicry and mockery,” and the higher Corinthian caste feels “threatened by the displacing gaze of its disciplinary double” (Bhabha 123). In Oistros’ studio, a glimpse of life beyond such divisions between native and foreign, men and women, colonizer and colonized is made possible, and this points towards the utopian vision Wolf hoped to see enabled by the third path of democratic socialism in a GDR still intact after the fall of the Wall. Through the idealized figure of Oistros, whose attitude and deeds bridge the artificially constructed gulf between the novel’s discrete ethnic, political, and economic castes, Wolf imaginatively undermines the unequal relationship between Western colonizer and Eastern colonized she perceived as having been established in the former GDR through reunification. What ruins this spatially constricted paradise is a natural disaster, an earthquake that destroys the studio. The epicenter of this earthquake is south of the city, inhabited by its poorest residents, including the Colchians. Medea is accused of conjuring this event through her “böse Kunst,” and of bringing about the plague following in its wake (178—81). It seems plausible that the earthquake which shatters the brief instantiation of transcendent unity and harmony metaleptically represents Wolf’s take on what happened in the wake of German reunification, the immiseration of the poorest East Germans, who were thrown out of work, as well as the vilification of leading intellectuals such as Wolf herself. 220 John Pizer Braun takes the immiseration caused by these mass layoffs as a starting point for Die hellen Haufen , which creates a fictitious worker rebellion against the Western forces seen to be responsible for their plight. Sonja Klocke notes that while this uprising is entirely imaginary, Braun’s fictional account of such an event allows him to express ideals he has consistently sustained in his career both before and after the Wende , namely, a refutation of what he regards as the capitalist exploitation of the working class and the need for this class to present a united front opposed to the managerial elite. Die hellen Haufen , as Klocke argues, “picks up the discourse of East German colonization by the West to support his ongoing belief in the superiority of socialist ideals” (190). We can add that this description could also be applied to Wolf’s Medea . However, Wolf was never such a consistent, vociferous critic of Western capitalism as Braun, 16 and while Medea ’s critique of Western colonialism can only be discerned through the palimpsest of ancient classical myth, Braun’s novel is situated in Germany in 1992, when the mass layoffs of Eastern German workers by Western concerns, now in possession of formerly state-owned GDR enterprises, reached a high point. Whereas Wolf’s polyphonic narrative uses a variety of discursive registers to reflect the discrete “voices” of the individual protagonists, Braun’s style in portraying the revolt is reminiscent of journalistic third-person reportage, albeit employing an even more spare and simple diction to heighten the novel’s blue-collar ambience. Only the last names and functions of the workers and their sympathizers are provided. Consistent with this practice, there is no real character development or effort to establish reader identification with these figures as individuals, heightening the inference that they are simply cogs in a virtually faceless Brechtian collective. As in Brecht’s “Lehrstücke,” they are stripped of genuine, discrete markers of individuated identity. This narrative style, Braun’s unmediated contrasts of the masses’ moods after the fall of the Wall as opposed to the present, and the presentation of East German territory as now subject to Western colonial rule are all evident in the following passage: “Am 1. Mai marschierten 4000 an die ehemalige Grenze. Vor drei Jahren war sie unter Jubel geöffnet worden. Sie spürten in den Knochen noch das frohe Gefühl, das ein frischer Zorn verwirrte (…). Von der anderen Seite sah man verwundert die neu aufgerichteten Zäune: KEIN KOLONIALGEBIET” (12). The use of capital letters does not just reflect the apparent size of the message on the newly raised fences, but also underscores the most urgent focal points of Braun’s polemics, as is evident earlier in the text, where the words on a stone tablet read: “DIE MACHT SOLL GEGEBEN WERDEN DEM GEMEINEN VOLK” (10). Of course, in the novel, it is not the common people who hold power, but the Western capitalist elite and their proxies in the new Länder . An example of the latter is a man whose dubious role in the colonization of the East is evident Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 221 in his name, Schufft. He is described as a con man who had been a Direktor für Abwicklung (37; italics in the original). He clearly worked in the service of what another character terms “Die treuhänderische Behörde” (33). As we saw in our discussion of Ein weites Feld , Grass favors “Abwicklung” as a euphemistic term to signify the technique used by Treuhand in colonizing/ expropriating former GDR concerns and selling them to Western interests. Braun’s poetic denigration of Treuhand was certainly not unique to Die hellen Haufen . In Der Wendehals (1995), consisting of a long dialogue (the subtitle of this work is “eine Unterhaltung”) between two characters, a first-person intellectual and a state functionary of the former GDR, as well as several shorter sketches, Braun portrays an Eastern Germany that has fully lost its socialist idealism and is given over to mindless Western consumerism, the selfish pursuit of purely individual interests. Eastern Germany in this novel is marked by a decimated human and environmental landscape created by current mass unemployment as well as the biospherical degradation that had taken place during the time of the GDR. In the dialogue between the nameless ICH and the former director of the East German Akademie der Wissenschaften , ER, whose name is Schaber, reference is made on a number of occasions to the Treuhand agency’s wholesale sell-off of the GDR’s assets. Drawing on the term Abwicklung for the agency’s tendency to liquidate East German assets and anticipating his choice of vocabulary in his 2011 novel, the narrator, ICH, describes himself at the outset as “innerlich abgewickelt” (7) and of Schaber as “der abgewickelte Chef” (9). Schaber obsequiously but also literally contorts himself - a human “Wendehals” - to ingratiate himself with the new Western elites who are in charge of financial matters in Eastern Germany, and at times embraces the Western consumerism now evident in his former country. Nevertheless, he speaks of “[d]as Verschwinden des Volkseigentums” (68) at the hands of Western interests represented by Treuhand . Thus, works such as Der Wendehals anticipate Braun’s unmediated equation of reunification with colonialism in Die hellen Haufen . Like Wolf’s novel, Braun’s refutation of Western economic colonialism in Die hellen Haufen contains a utopian dimension which is undermined by the novel’s dystopian conclusion. Braun’s most urgent political messages are expressed directly through their highlighting in capital letters or italics, as in the above-cited examples. The author’s pessimism regarding the possibility that the common people will attain power, or that Eastern Germany might one day cease to be “colonial territory,” is evident in the final passages of Die hellen Haufen , which narrates the violent, deadly obliteration of the revolt by the military. The rebels are either killed or imprisoned. In the novel’s last words, the narrator underscores the fictionality of the story; it never took place, and while it is difficult to conceive that the tale was an invention, imagining that it really occurred 222 John Pizer would be equally dreadful (97). Presumably, Braun’s fear of not seeing his utopian dream of socialistic solidarity realized, as it was briefly in Oistros’ studio in Wolf’s Medea and as it is in the evocation of literary heroes such as Heinrich von Kleist in Grass’s Ein weites Feld , who are conjured to show common cause with present day resistance to inner German colonialism (see Pizer, “Kleist”), is based on his belief that the military forces defending Western capitalist interests in the Berlin Republic would simply crush any rebellion by working class collectives. Thus, Die hellen Haufen implies that the Western colonization of the East is a now permanent fact of life in reunified Germany. Nevertheless, the novel conjures the tableau of a mass uprising against a reunification the masses themselves perceive as a form of colonialism. In presenting this resistance, even as a literary construct the author ultimately represents as futile, Braun creates at least a vision of the potential for socialistic, anti-capitalist solidarity in the domain of the imaginary. This presentation in the realm of fiction constitutes the novel’s utopian dimension. Notes 1 On how exposure to the West through television and care packages before the Wende , and direct physical access to West Germany after the fall of the Wall, led to East Germans’ essentially materialist-oriented embrace of reunification, see Staab, esp. 99—126. 2 Andrea Geier has cogently articulated this position as follows: “Die Rollenverteilung zwischen westdeutschen Eindringlingen in fremdes Gebiet und übervorteilten, skrupellos ausgebeuteten Ostdeutschen ist strukturell begründet und lässt sich an den historischen Beispielen Amerika oder Afrika konkretisieren“ (72). This perspective is reflected in a number of works she discusses in her article “Enteignete Indianer und ausgebeutete Neger: Der Kolonialisierungs-Diskurs in der Literatur nach 1990.“ 3 Staab argues that the success of the “Partei des Demokratischen Sozialismus” as a uniquely East German political organization is attributable to the feeling by former GDR citizens that the Western political parties were essentially colonizing the new Länder (76—79). 4 This is the provocative but convincingly argued thesis of Höfer’s monograph Deutscher Universalismus . A related perspective is evident in Johannes R. Becher’s vision of a “Literaturgesellschaft” constituted by a comprehensive network of literary relationships he believed was enabled by the collective nature of literature in the socialist state. Indeed, I would agree with Stephen Brockmann that Becher’s concept might be regarded as the successor to Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 223 the notion of “Kulturnation” ( Writer’s State , (339—40), which idealized the concept of unification through culture rather than politics. 5 See, for example, his “Sieben Thesen zum demokratischen Sozialismus” (1974) in Deutscher Lastenausgleich (52—57). These theses reflect the perspective in the 1970s of the Social Democratic Party, of which Grass was a highly active member at that time. 6 This consistency is evident in the various essays from different time periods in Deutscher Lastenausgleich . 7 Meinecke distinguishes the will toward national sovereignty in this period, born from the spirit of the French Revolution, with a more “vegetative” embrace of the Kulturnation prior to 1789, when intellectuals were content with the idea that German unity was rooted solely in the cultural sphere (10—15). Grass’s embrace of the Kulturnation paradigm is more transpolitical than the rather apolitical concept signified by this term in Meinecke’s discussion of pre-1989 thought. Meinecke himself saw the nation-state as a political structure more evolved than - indeed fundamentally superior to - the cultural nation. For a summary of Grass’s thought concerning the ideal of Germany’s rebirth as a Kulturnation , see Müller 82—87. 8 For a detailed discussion on the antithesis between the positions of Grass and Walser with respect to reunification, see Michael Braun’s article. In addition to rooting Grass’s arguments for a culturally-oriented confederation in Herder’s thought and underscoring Walser’s unreserved embrace of the “sanfte Revolution,” Braun elucidates Günter de Bruyn’s intermediate stance, which guardedly favored reunification but enunciated the wish for a Germany coalesced as, fundamentally, a “Kulturnation” not as the antithesis of a “Staatsnation,” but as its “critical corrective,” capable of sustaining European balance and regional cultural diversity (110). 9 In the diary which inspired Maron’s article, Unterwegs von Deutschland nach Deutschland , Grass claims that while German Southwest Africa, “Deutsch- Südwest,” was lost to the nation as a colony, it has been replaced by a new territorial gain, “Deutsch-Ost” (77—78). This equation of German extraterritorial colonialism with what Grass perceived as inner German colonialism takes his denunciation to a rather extreme level, given that one of the few aspects of Germany’s years as ruler of Southwest Africa still widely known to most educated Germans was the genocide against the rebellious Herero tribe in which the mother country engaged. This deed is frequently regarded as a precursor to the Holocaust. 10 In her Bitterfelder Bogen , Maron discusses how the economic and environmental landscape of this region has been transformed because of the efforts of the solar energy advocates who took it upon themselves to develop this 224 John Pizer industry there. At the conclusion of the “Bericht,” Maron notes that Treuhand could have done more to make the inhabitants of the region feel less displaced and degraded in the early period after reunification, but that all these inhabitants recognize the enormous efforts in which this agency engaged in order to revive the region as an industrial center (153—54). Maron’s feeling about the Eastern economic zone at the time was not unique. In an article published in 2010, Joyce Mushaben surmised that Eastern Germany could look forward to a somewhat rosier future than the citizens living in the territories of the original FRG. Contrary to Maron, Mushaben painted a generally bleak picture of life in a unified Germany subject to the dictates of neo-liberalism, but predicted that Eastern Germans were better equipped than Western Germans to deal with economic realities in the coming decade: “Facing Darwinian competition for jobs, East Germans have already run the gamut of structural change; the next 10 years of unity will show that they have not only survived but are poised to surge ahead, being younger, more entrepreneurial and flexible than westerners” (574). 11 In Unkenrufe, Grass pokes rather gentle fun at this emerging globalization in early 1990s Europe in the figure of the Bengali rickshaw magnate Chatterjee, who, along with the cousins he brings from his homeland after early success in Danzig (where most of the novel takes place), is spreading the use of this mode of transportation throughout Europe’s major cities. 12 This antithetical treatment of the respective pairs of ancient rival groups in Kassandra and Medea is the focus of my essay “From Pan-German Cosmopolitanism to Nostalgic National Insularity.” 13 On Wolf’s discovery through her research conducted at the Getty Center that Medea’s murder of her two sons was actually invented by Euripides, see Magenau 422. 14 See Staab 127—64, who also notes that high degrees of racial violence and nationalist chauvinism in the East were rooted in the damage to the self-esteem of GDR citizens through the region’s massive job losses in the first years after reunification, and through the belief in the West that East German products, education, and lifestyle were of an inferior quality. 15 Wolf’s sense of betrayal by Western intellectuals stemmed in large measure from the brutal West German reception of her short novel Was bleibt (1990), as well as these intellectuals’ harsh condemnation of the author after the discovery of her role early in her career as a Stasi informant. On the controversy surrounding the 1990 novel, see Brockmann, Literature and German Reunification 64—70. 16 On the consistency of Braun’s “critique of real existing capitalism,” see Jucker’s essay. To be sure, both Wolf and Braun upheld the same ideal, most Imagining Resistance to the “Colonization” of East Germany 225 cogently articulated during the brief period between the fall of the Wall and the vote on reunification, of developing a humane, democratic socialism in an independent East German state. This perspective is evident in the appeal “Für unser Land,” composed by leading East German intellectuals on 26 November 1989. Both Braun and Wolf were actively involved in the drafting of this document. See Braun, Werkakte I 986. Works Cited Bednarz, Dan. East German Intellectuals and the Unification of Germany: An Ethnographic View. Cham, Switzerland: Palgrave Macmillan, 2017. Bhabha, Homi K. The Location of Culture . London: Routlege, 1994. 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Berlin: Suhrkamp, 2010. “An der Kernstelle der Existenz”: Techno, Intoxication, and the Limits of Literary Representation in Rainald Goetz’s Rave Kai-Uwe Werbeck The University of North Carolina at Charlotte Abstract: This essay re-reads Rainald Goetz's novel Rave and argues that it is not - as some scholars have called it - a gratuitous exercise in authenticity effects. Rather, over the course of its three sections, Rave queries the limits of literary representations. Fascinated with the raw and unfiltered experiences allegedly endemic to the techno experience, Goetz proposes an experimental literature to communicate his decidedly non-literary, non-theoretical experiences in the clubs. This essay treats Rave as one of the authors’s frantic attempts among many to faithfully render the intoxicated and fragmented experiences of city-life legible, mapping the unchartered territories of post- Wall Berlin when the nation was draped with stories of completeness and closure. In this light, Goetz contributes significantly to the creation of a new, urban literature that suggests alternative patterns and identities for life in reunified Germany. A distant relative to the canon of Metropolenliteratur, Rave lends literary gestalt to what Goetz understood as the post-national urban experience ten years after the fall of the Berlin Wall: one that irritates linear narrativity, highlights a multitude of sensory perceptions, distorts time and space, suspends history through intoxication, and embraces the immediacy of the moment. Keywords: Techno culture, Metropolenliteratur, avant-garde, urban experience, literary theory 230 Kai-Uwe Werbeck Die Zeit wird kommen, sprach der Herr, da ich zu den Menschen sprechen werde. Und er nahm sich als Werkzeug die Members, die da waren: Members of Mayday. Er sprach: sehet her und kommt alle, denn ihr seid alle Teil von meinem Reiche, das da kommen soll, das königreiche Königreich der Räusche und Geräusche. [And the Lord said: The time will come that I shall talk to mankind. And He chose as His heralds the Members that had gathered around Him: Members of Mayday. He said: look here and cometh all since thou are members of My Kingdom that shall be, the Kingdom of many Kings of intoxications and sounds.] Rainald Goetz 1 Rainald Goetz’s conversion into an “apostle” of techno music coincided with the drastic geographic shifts that marked the final years of the 20 th century. The end of the Cold War, the fall of the Berlin Wall in 1989, and Germany’s reunification in 1990 all led to the spatial transformation of European cities that proved optimal for a growing techno sub-culture, chock-full of “Räusche and Geräusche” [“intoxications and sounds”] ( Rave 79). 2 Especially in the formerly divided city of Berlin techno acolytes quickly appropriated the subterranean, abandoned, and hitherto inaccessible catacombs for clandestine insider events known as raves. Goetz, a former-punk-turned-raver, had taken the German literary scene by storm in the eighties with angry novels, poems, and plays. Goetz then changed his poetics from these “Punk-beeinflußten Collagen der achtziger Jahre” [“the collages of the 1980s, influenced by punk”] to one rooted in techno culture in which he had already found “zu einem versöhnlichen Verhältnis von Text und Bild” [“a conciliatory relation between text and image”] (Weingart 97). 3 He confessed that he had spent the “hedonistischen 80er Jahre verkrochen in Philosophie, Melancholie und Text” [“the hedonistic 80s, holed up in philosophy, melancholy, and literature”] ( Abfall 449). “Die Erlösung aus diesem Leben,” he continues, “brachte der Acid-House-Hype, der via DJ Hell im September 1988 München erreichte. Seither habe ich mit dem Ausgehen nie mehr aufgehört” [“Deliverance was achieved through the Acid-House hype that arrived in Munich in the September of 1988 with DJ Hell. I haven’t stopped going out ever since”] ( Abfall 449). As a “Member of Mayday,” Goetz contributed significantly to the creation of a new, urban literature that mapped out alternative patterns and identities for life in Germany’s newly reunified, bristling capital. 4 “An der Kernstelle der Existenz” 231 When Goetz started exploring Berlin (among other cities), he personally experienced the guiding principle of his avant-garde Metropolenliteratur , a move that, as I will show later, was criticized by German intellectuals and scholars. Provocatively, he asks, “Warum nicht mal die Sachen direkt in Augenschein nehmen, über die man schreibt? ” [“Why not cast a glance at the stuff you write about directly? ”], which creates a collision “zwischen der eigenen geistigen Form und dem realen Körperding” [“between one’s own mind and the actual body-thing”] ( Rave 176—77). However, Goetz’s newfound fascination with the raw and unfiltered experiences allegedly endemic to the techno experience - described by cultural historian Ulf Poschardt, quoting a 1992 club-flyer, as “the pure extasy [sic] of being in total harmony with his or her surroundings” - presented him with a set of problems (289). How to write about the rave; how to translate an event that, as Poschardt further remarks, is “about feeling communality, a shared social experience, a feeling of life. (…) about the combination of drugs, light and music” into text (291)? Searching for an experimental literature to communicate his decidedly non-literary, non-theoretical experiences, Goetz turned toward an eclectic multi-media project entitled Heute Morgen: Eine Geschichte der Gegenwart (1998—2000), a massive five-part publication including the Internet diary Abfall für alle , two prose texts ( Rave and Dekonspiratione ), the journalistic image-and-essay collection Celebration , and the avant-garde play Jeff Koons . 5 In its totality - even though Goetz would refuse such a term - Heute Morgen approaches the urban playground from various angles, employing each element’s media specifics to bring to the fore aspects of highly fragmented yet imbricated narratives. Rave , the focus of this essay, concentrates, at least initially, on the pseudo-Dionysian promises of techno before it launches a probe into both the potential and limits of literature. Along these lines, this essay treats Rave as one of Goetz’s frantic attempts among many to faithfully render the intoxicated experiences of city-life (and here in particular clubbing) legible. 6 Goetz explains his struggle as follows: “man kann weit weg abtauchen müssen oder wollen, in diese Welten und Erfahrungen. Aber um davon berichten zu können, muß man zurückkommen in die Nüchternheit” [“even if you have or want to plunge into these worlds and experiences, you have to return to the sober surface when you want to report about them”] ( Abfall 94). I argue that Rave relatively quickly moves beyond the techno event as such in order to sketch out the author’s meditation on suitable forms of literary representation as a triptych of distinct phases of aesthetic production triggered by subjective experiences. Rave constructs a narrative arc beyond the party lifestyle that is often neglected in scholarship, but that can be deduced from the trajectory of its three sections, including the black-andwhite photographs that preface each chapter. Briefly: the first chapter, titled 232 Kai-Uwe Werbeck “Verfall” [“Decay”], focuses on urban night life in the clubs, while subtly moving from immediate representations of the rave to instances of reflection, the urge to tell the world what is actually going on “down there.” The second chapter, “Sonne Busen Hammer” [“Sun Breasts Awesome”], leaves the underground clubs behind: “Wir stolperten hoch und taumelten raus. (…) Mein Gott ist das hell hier” [“we stumbled upstairs and staggered out. My god, it’s really bright outside”] ( Rave 89). This is a painful return to the surface of the city, followed by an “escape” to sunnier pastures. This “sunnier” second section, too, keeps in touch with techno-culture as it focuses on the travels of DJs to well-known rave strongholds such as the Canary Island of Ibiza. It is noteworthy that the middle section also contains a large section about a drug deal gone awry that clearly presents itself as a made-up figment that has no relation whatsoever to Goetz’s life, no matter how distorted ( Rave 134 ff.). Chapter three, titled “Die Zerstörten” [“The Destroyed”], eventually revisits the dance floors, but retains a more analytical stance toward these experiences and their representability. At stake here is ultimately the question of the socio-political relevance and literary currency of Goetz’s writing. When Hubert Winkels calls “Urbanität, Massenunterhaltung, gleißende Werbefassaden, das Rauschen der technischen Medien, Sounds” [“urbanity, mass-entertainments, glistening billboards, the white noise of electronic media, sounds”] materials with which literature has to engage and take into account, he presents one side of the debate (16). Eckhard Schumacher advances Winkels’s argument regarding the particular medial form(s) of Heute Morgen and isolates techno music as a critical part of Goetz’s poetics. Schumacher sketches out connections between the music and the broader socio-cultural sphere surrounding it. He argues that “es (…) nie nur um die ‘Augenblicklichkeitskunst’ des DJs und nie nur um die Form [geht] (…), sondern immer auch um das, was Goetz das ‘Sozialexperiment Dance’ nennt” [“it’s never been exclusively about the DJs ‘art of the present moment’ and never just about the form, but also about what Goetz calls the ‘social experiment dance music’”] (147—48). The poetic techniques central to this “Sozialexperiment” are fragmentation, distortion, and multi-voiced collages. Thorsten Rudolph further argues that Goetz’s post-reunification texts query “ob und wie Gegenwart, ein Moment, ein ‘Jetzt’ überhaupt darstellbar oder - in der Form der Schrift herstellbar sind” [“whether and how the present, a moment, a ‘now’ is representable or - producible in writing at all”] (15). Playing devil’s advocate, Moritz Baßler also identifies this “DJ-Poetologie” [“DJ poetics”] but calls it a failure, mostly because “meßbare musikalische Kriterien wie Geschwindigkeit (etwa: beats per minute) (…) ja kaum auf Prosa übertragbar [sind]” [“measurable criteria such as speed (for example, beats per minute) can hardly be applied to prose”] (146). Baßler thus claims that Goetz “An der Kernstelle der Existenz” 233 succumbs to the purely decorative lure of “Authenzitätseffekte” [“effects of authenticity”] such as “Satzabbrüche” [“aposiopesis”] (144). In similar fashion, Axel Schalk claims, “Goetz adheres to time-honoured ‘Sprachskepsis’ [‘language skepticism’], which manifests itself primarily in senseless juxtaposition” (294). I disagree with Baßler and Schalk’s reading of Goetz’s texts and explicitly assume that the “senseless juxtaposition” of media and genres, images and texts, and collages of random impressions is precisely what produces meaning within Rave . Goetz suggests that the new political master narrative overshadowed the fact that new exciting urban, post-national stories emerged at ground zero of Germany’s new capital. The text is thus an attempt at mapping the unchartered territories of post-Wall Berlin, while the nation was draped with stories of completeness and closure replayed again and again. Techno culture facilitated what Goetz saw as the post-national urban experience ten years after the fall of the Berlin Wall: one that irritates linear narrativity, highlights a multitude of sensory perceptions, distorts time and space, suspends history through intoxication, and embraces the immediacy of the moment. With its emphasis on urban street and night-life, Rave can be considered a distant relative to the genre of German Metropolenliteratur , which includes works by authors such as Tanja Dückers and Elke Naters, among others. 7 Corinna J. Heipcke calls the genre “Berlin-Romane,” a post-reunification literature that emerged in the early 1990s and that sought to update modernism’s great urban novels - most notably Alfred Döblin’s 1929 Berlin Alexanderplatz - for the unified city (45). As Heipcke claims, Metropolenliteratur is interested in the capital “as a site of urbanism (…) and (…) the symbol of an exclusively German condition” (45). Over the course of the last decade, literary scholars such as Stephen Brockmann, Stuart Taberner, and Katharina Gerstenberger have argued that the arrival of the quintessential post-reunification Berlin novel of the realist or modernist mold might not happen any time soon. 8 Gerstenberger in particular claims that “the appearance of a ‘masterpiece’ that could perform such as task for the post-wall era might be more than a question of time (…). It may also no longer be what writers aim to achieve” (5). She further points out that the “critics’ calls for the Berlin novel - for one canonical text that could capture and explain the experience of unification - came when the appeal of ‘master narratives’ was waning” (7). In other words, German city life might be “too diverse, too ambiguous, and too influenced by global developments to be captured in one novel” (1). From Gerstenberger’s point of view, it takes a kaleidoscope of texts to succeed in the postmodern representation of Berlin. Heute Morgen is such a collage. Rave is not only one aspect but also a text that intrinsically pursues the same demolition of master narratives. Thus, while the novel contributes to the search for the holy grail of Metropolenliteratur , it simultaneously challenges and complicates it. 234 Kai-Uwe Werbeck In Rave a group of techno enthusiast descends into the night clubs, becoming nocturnal heirs to the Weimar flâneur. As Elisabeth Bronfen claims in her writings on the flâneur at night, “die von künstlicher Helligkeit ausgeleuchtete Vernetzung nächtlicher Schauplätze macht eine ganz andere Karte der Großstadt erkennbar als bei Tag” [“the artificially lit network of nocturnal settings renders visible a completely different map of the metropolis from the one we see during the day”] (382). Rave consists of a sequence of Momentaufnahmen [snap shots] of techno culture, the DJ life-style, and party nights and thus produces the alternative urban maps that Bronfen talks about. These snap shots utilize an experimental style of writing that relies on distorted, partly fictionalized anecdotes that have their origin in the lived experiences of the author. Urban life thus turns into an alloy of fact and fiction, a liminal space whose neon-romantic narratives are located on both sides of the ontological fence: Goetz calls his night-life stories “echte Märchen aus realen Nächten” [“true fairy-tales from real nights”] ( Rave 224). Berlin’s exciting undergrounds become quasi-mythic places detached from the city above; these spaces are alternative, dreamlike realities that feed the city’s self-perpetuated image as hedonistic wonderland. As the book cover informs the reader, Rave tells “Geschichten aus dem Leben im Inneren der Nacht,” a multiplicity of snippets from night-life’s inner sanctum, with an emphasis on the plural use of the term “Geschichte,” meaning both history and story. Rave ’s narratives of intoxication are decidedly fragmented and oscillate between several narrators, tracing the “adventures” of a group of insiders who effortlessly navigate the city, its recreational areas, its clubs and bars, in short, “das große Abenteuer der Nacht” [“the great nocturnal adventure”] (122). Yet, it must be noted that the sheen of hedonistic excitement fades rather quickly as the text grapples to come to terms with its underlying experiences. The “great adventure” begins with an image, as each section in Rave is prefaced by a photograph, setting the tone for the intrinsic contradictions between subjective experience and literary production that permeate the text. The first photograph strongly contrasts the atmosphere of disoriented intoxication that Rave promises and also delivers in its first section. It shows Goetz and his close friend DJ WestBam in front of a desk on which sit a laptop and a keyboard. 9 A sign in the background reads “Inter Continental” and reveals the place as a nondescript hotel conference room somewhere in Germany. Next to the various technological gadgets, sheets of paper and books can be spotted, alluding to the supplementary relationship between technology and writing, visual media and literature. The setting is mundane and suggests a collaboration of Goetz and WestBam as it displays a well-known German author working with an influential German techno DJ. The composition tells us that techno does not exclusively happen in some underground bunker located in the outskirts of Berlin. Very “An der Kernstelle der Existenz” 235 likely, this collaboration is also not happening at night, but even if it does, Goetz and WestBam are not part of any rave that might be going on. It insinuates that techno has arrived in the mainstream and also that the Dionysian experiences which the reader is privy to in Rave and which are yet to come from a narratological standpoint, do not correspond entirely to the reality of techno culture. The visual image refers to something that arguably does not take place during, but rather in preparation for the events recounted in the narration proper. From this relatively secure composition, displayed in this static (and, one might add, decidedly sober) photograph, Rave ’s opening lines suddenly release the reader into the ever so confusing darkness of the techno club-turned-text. In short, as day turns to night, Rave ’s narration stands in stark contrast to what is shown in the picture, prompting the reader to expect contradictions in the structure of the text as well as in its stories. After the introductory photograph and the quote, Rave begins abruptly, dropping the reader off in medias res . The first line of narration starts with an ellipsis followed by a dash, bespeaking a notion of incomprehensibility and incommunicability: “… - und kam mir in Zeitlupe entgegen” [“… - and approached me in slow-motion”] (17). Both semiotic signs suggest that pieces of information have been omitted, namely the events that took place prior (and outside) of this particular decelerated moment in the club. Opening the narrative in such a desynchronized way suggests that the characters in Rave are disconnected from the time and place outside the club. Taking LSD and dancing for 12 hours straight severs their ties to the external world, a fully-chartered, coherent city. The only piece of evidence gesturing toward a “before” is the photograph mentioned above, everything else turns from broad, inclusive panorama to selective sensory perception. Just like Rave ’s first narrator (one of many more to come), the reader begins his descent into the underground spaces of the city without any points of spatial or temporal reference. The techno clubs function as bubbles in which temporality is suspended and history altogether absent; it is a void filled with beats and strobe lights. The sense of sound turns into a haptic phenomenon: “Ich hatte das Picken der Sechzehntel superhell in meinen Fingerspitzen” [“I felt the pinch of the 1/ 16 beats super-bright in my fingertips”] (17—18). These instances of synesthesia suggest a decidedly embodied but also narrow and distorted mode of perception. The perspectival fluctuations that permeate Rave ’s first lines and the resulting feeling of disorientation such as the hectic zooming-in and -out that Goetz calls the “Splittrige” [“the splintered”] are what define and validate the urban experience at the beginning of the text ( Abfall 510). Berlin’s nights, Rave suggests, are captured best as prose blown to smithereens, insinuating that nocturnal encounters in Germany’s techno culture are ideally represented as fragmented hy- 236 Kai-Uwe Werbeck brids between lived experience and story-telling. The paradigmatic literary techniques in Rave , such as the multiple and unidentifiable (third and first person) narrators, elliptical sentences, and disconnected scenes, emulate the multiplicity of experiences through an adequate multiplicity of literary voices, disjunctive impressions, and the rhetorical figure of aposiopesis. The following example, describing a random encounter in a techno club, illustrates these techniques: “Und sah William, wie er seine Arme öffnete, und rief: ‘Hwill! , hey Hwill! , wie schauts? ’ ‘Bestens! Selber? ’ ‘Auch! ’ Und ich erzählte ihm von dem eben hier gedachten Satz. Er: ‘WAS? ’” [“and saw William, how he opened his arms, and said: ‘Hwil! , hey Hwil! , whassup? ’ ‘A lot! What about you? ’ ‘Same here! ’ And I tell him about this sentence I had just thought and he goes: ‘WHAT? ’”] ( Rave 25). Rave ’s first section repeatedly turns the city into discontinuous slices, but connotes the resulting breakdown in continuity positively. This suggests that a multiplicity of parallel narratives uttered in different languages still determined the discourses in Germany’s capital ten years after the geo-political fusion of the Germen states, a Babel-like concurrence of voices that appropriates different channels of communication. The question of representation in Rave is inextricably intertwined with the modernist search for an adequate literary language, a search the text ultimately suspends if not abandons. The alternation between tenses, in which the present intrudes into the past, emulates night life’s blurring effects on temporality. Entering the club brings about a change in temporal experience from past tense to the present, one that also shifts from a first-person narrator to one that talks in the third person: “Der Strom auf dem Gang nahm Wirr auf in sein mildes, gemächlich dahinwogendes Schieben und Gehen, Wogen, Tippeln und Trippeln, Tapern und Taumeln, (…). Halle aller Hallen, Wandelgang in Ewigkeit. Wieder, neu, und immer wieder neu und nie gesehen: Menschen kommen dir entgegen” [“the stream in the corridor absorbed Wirr into its mild, unhurried undulation, its pushing and walking, its surging, mincing, scurrying, scuttling, and staggering flows. Hall of halls, colonnade into eternity. Again, new, always new and never seen before: people that approach you”] ( Rave 52; my emphasis). Berlin’s clubs become places where the historical trajectory that determines the city during the day erodes until there is no cohesion and no point of connection left. As the narrator descends into the club, the music suddenly hits and completely engulfs him, shielding him off: “Dann stand ich mitten in der Musik. - Schub” [“there I was amidst the music - thrust”] ( Rave 17). Piece by piece, the scenery is revealed as an event in which communication - due to the sound waves and the excessive consumption of drugs - is significantly distorted, a distortion rendered “visible” in literature. “An der Kernstelle der Existenz” 237 This altered form of experience that Rave replicates drowns out the outside world in its force-field of bass lines and changes visual conventions through chemically and technologically manipulated perception, underscored by strobe and black lights, a mechanism the text describes as the “Schwarzlicht-Stroboskop-Zerhacker” [“black lights-strobe lights-shredder”] ( Rave 43). The text reproduces these “shredder” effects, evoking an environment that rapidly oscillates between drastically different moments of seeing and non-seeing, sound and silence. These moments alternate so quickly that ultimately differentiation becomes impossible. The club-goer taps both visually and bodily into new registers of experience, “das Kaputte, Beglückte, Vertrauen und Zartes, die vielen Signale, schnell, kurz, ganz klar, vom nächsten schon wieder verwischt” [“messed up, raptured, trust and softness, many signals, fast, short, clear, blurred by the next thing”] ( Rave 19). In this storm of stimuli, the subjectivity of the raver dissolves as soon as it comes into contact with techno music; nothing is meant to last. The first person narrator gazes at the dance floor and the text relays his thoughts as epileptic fragments, “Dann sah ich, wie sie mir ihr - Und drehte mich - Und lauter neue Blicke” [“Then I saw how she - and I turned around - and lots of new looks”] ( Rave 18). In tune with techno’s break-beats, none of these sentences come to an end. Toward the middle of the paragraph, the first-person narrator transmogrifies into a third person narrator as if the “I” had become a detached observer of his own body. These new registers of seeing, hearing, and moving allow the raver to detect spaces where “sich einige, für diese musikalische Raumwirkung gerade speziell empfängliche Leute versammelt [hatten]. (…) DER Ort um zu tanzen” [“some people who were especially susceptive to this musical ambiance had gathered. THE place to dance”] ( Rave 80). The club harbors a non-national community, determined instead through the cultural ability to heed the call of techno’s staccato siren song. Interestingly, however, Rave conserves its fractured and disorienting structure only half-way through its first section. While the text feverishly keeps switching between narrators, the prose adopts a slower rhythm and becomes less frantic: “‘Was soll ich denn jetzt machen? ’ fragt Jasmin. Und Johanna, die diese Geschichten schon kennt, wiederholt einfach noch mal alles” [“‘What am I supposed to do now? ’ Jasmin asks. And Johanna, who already knows these stories simply repeats everything one more time”] ( Rave 66). These two sentences exemplify the general change within the formal structure of Rave as it moves away from its frenzied beginnings toward more cohesive representations of Berlin’s underground caverns. The ability for reflection returns slowly and expresses itself in an urge to contemplate and write down what happens in the basements and clubs. One of the first person narrators thinks as if he was already writing about his immediate experience: “Und ich dachte, in einzelnen 238 Kai-Uwe Werbeck Worten: >Wirrnis, - Komma, Gedankenstrich - , Doppelpunkt: ANGENEHM. Ausrufezeichen! < Es war mir jetzt im Moment aber zu anstrengend, das genau so auch zu notieren” [“And I thought, in single words: >confusion, - comma, dash - , colon: NICE. Exclamation mark! < It was, however, too exhausting to jot this down correctly”] (Rave 31). The narrator considers jotting down his thoughts, but is unable to accomplish this. This failure, however, is only temporary. Twelve pages later another (or the very same) narrator admits that “stand ich im Getümmel, und mein Füller huschte blau über das gewackelte Papier vor mir” [“I stood amidst the commotion and my blue pen flitted across the shaking paper in front of me”] ( Rave 43). He is now capable of verbalizing his experiences, his pen already transferring intoxication into text, even though the act still takes some effort. The literary representation of night-life begins at this point, suggesting a literary text that depends on the immediacy of altered states of mind of its characters but tries to put them in order. As its narrative progresses, Rave substitutes the underground clubs for exotic, sunny locations, another staple of the European electronic dance music scene. The photograph that prefaces section two shows a sunny beach and waves rolling in. The picture allocates three-fourth of its composition to the clouds in the sky. This image, too, represents nothing that stands in relation to the rave and its predominantly industrial locations. Goetz’s text has long left behind the event that shaped it. Rather, Rave expresses freedom and the ability to go to faraway places basked in sunlight. We are left with a rectangular frame containing vast expanses of sky, suggesting a view of a paradisiac place that comes as a shock to the system: “Taumelnd also und stolpernd kommen sie da alle hoch, einer nach dem anderen, und halten sich die Augen zu, und geben Laute der Plage von sich, der Klage” [“Reeling and stumbling, they all ascend, one after the other, and they shade their eyes with their hands and emit sounds of dismay and lamentation”] ( Rave 100). Contrasting the serene atmosphere in the photograph, the transitional moment from darkness to light is one that prompts lament, evoking the notion of an exhausting (re-)birth or moment of decompression. The ravers are spit out of the clubs, forced to leave their safe-havens and re-enter the city above ground; and one is left to wonder if literature is forced to follow suit. The image of ejection is followed by the heading for the section, “Sonne Busen Hammer,” the intrusion of decidedly vernacular language into the blackand-white Garden of Eden. While the “sun” foreshadows the section’s focus on sunny places, “breasts” link the section to sexuality and fun. The last word, in a literal translation meaning “hammer,” is also an outburst of excitement and approval. Given Rave ’s interest in processes of decay, however, the actual meaning of “hammer,” both a constructive and deconstructive tool, should be kept in mind: the text is on the verge of shattering its frame. The unattributed “An der Kernstelle der Existenz” 239 quote that finally begins the section asks, “Do you feel allright [sic],” making the reader aware that something may be off. As soon as the group of ravers leaves the club, the sun “mit ihrem Atomlicht (…) scheinte [sic] und schaute sie jedem in die Augen hinein, leuchtete tief hinunter, jedem ins Herz” [“with its nuclear light shone and gazed into everyone’s eyes, illuminated him deep down inside, in his heart”], a shock to the system (99). The city, in this case Munich, returns with a vengeance, as they perceive a “Breite Straße, leere Straße” [“broad street, empty street”] (99). In the first section of Rave , the reader hardly ever learns anything about urban geography per se , at best it is possible to catch a reference to a club that enables us to assume the city. This suggests that initially the location does not matter as it explicitly remains disconnected from the event downstairs. Once the rave ends, however, the question becomes: “‘Wann wird es wieder dunkel? ’ ‘Das kann noch dauern’” [“‘When will it be dark again? That might take a while’”]; the real city awaits (100). The raver seemingly enters one underground space in one place and exits the techno party into another as soon as the night is over. The sequence of these random places appears “zerhackt,” [“chopped up”], just like the strobe light sensations that determine sense perception during the rave. Rave exercises a city-roulette that explodes any feeling of continuity. One narrator suddenly states: “Im Traum war ich in dieser Nacht versteckt an einem fremden Ort, in einer unbekannten Stadt. Ich war in einer völlig anderen Geschichte” [“in my dream I was hidden in a foreign place at night, in an unknown city. I was part of a completely different story”] (107). However, even though it will take “a while” before it gets dark again, Rave ’s narrative remains on the move. Only briefly “steht [still] die Hitze da, (…) glühte die Sonne, kein Mensch bewegt sich” [“the heat stands still, the sun radiated, no one moves”], before the entourage resumes its “adventures” (114). One of the narrators observes that “Das ‘Roxy’ auf der anderen Seite der Straße hat sich gefüllt, da sitzen die Leute zum Frühstück” [“The ‘Roxy’ across the street is now packed, people are having breakfast”], an uneventful and calm day-lit scene from which the ravers appear separated (121). However, just as the text establishes the diurnal city, “THE SAGA CONTINUES” as the intoxication returns without warning and a new paragraph cuts right into the diurnal tableau like a scream (125). The succeeding paragraph begins abruptly, with a first person narrator stating, “Ich liege am Boden, im Gras unter Bäumen, und wundere mich nicht, daß mein Körper revoltiert und in ruhig anbrandenden Wellen wilde Spasmen hochschickt” [“I’m lying on the ground, in the grass beneath the trees, and it doesn’t come as a surprise that my body is revolting, sending wild spasms up my body in calm waves”] (125). The actual transition from day to night is excluded, even though it must have been exhausting. Argu- 240 Kai-Uwe Werbeck ably forgotten by the narrator, this textual absence signals that which cannot be narrated: all we learn is that his body purifies itself of the toxins - figuratively and literally - responsible for its high, a reference to the difficulty of bringing the “real fairy-tale” into daylight. The party, “im Garten des nach Klo-Containern stinkenden Outdoor-Suicides” [“in the garden of the Suicide outdoor section where it smells like chemical toilets”] is neither located underground nor is it an aesthetically pleasant event (125). From this representation of the breakdown of the body which experiences “Bilder (…), Gedanken, eine so ruhige Sukzession. Wie ich falle” [“images, thoughts, a quiet suceession. How I am falling”], the text then proceeds immediately to the sunny places promised in the photograph at the beginning of the section, highlighting again the texts erratic course and the inconsistencies that the nocturnal city sets up constantly (125). This imagery gestures towards the difficulty to reproduce linguistically what happened, tentatively equating the will to narrate the rave with the violent act of throwing up. From this revolting moment of self-cleansing, the narrative jumps to a relaxing vacation that a group of DJs takes in Spain. Part of the entourage, the narrator explains: “Nun gut. Die anderen sind aufgestanden, und an den Pool gekommen, und machen da jetzt bißchen Krach, springen rein, und spritzen rum” [“Well, the others have gotten up and come to the pool, they raise a little ruckus, jump in and splash around”] (127). Just as Rave seeks to inject the nocturnal fairy-tale into the larger framework of Heute Morgen , its own internal structure is equally “corrupted” by a segment that is in parts made up and thus subverts the text’s presentation as fiction distilled from lived experience. There is a plot element in Rave ’s second section - a story about a drug deal that could have come straight out of a thriller - which Goetz himself debunks as fiction in Abfall für alle . There he admits that “jemand an Rave das Fiktions-Einsprengsel mit der Deal-Geschichte als irgendwie störend empfunden [hat]” [“someone perceived the interspersed fictional element about the deal in Rave as somewhat distracting”] (522). Goetz concludes that he only “an nicht mehr als drei Stellen jeweils vier Worte nur RAUS nehmen müsste, und diese Störung wäre weg” [“take OUT four words at not more than three points and this perturbance would be gone”] (522). The drug-deal story occurs halfway through the book and thus constitutes Rave ’s center, suggesting that at the core of Berlin’s hedonistic narratives lies nothing but made-up stories, a reservoir of fiction that is a critical constituent of any “truthful” representation of what is going on. What is more important, however, is that Goetz charges these fictions positively: the fantasies of the DJ life finally signal themselves as such, contained by a decidedly real frame about techno’s day jobs. After this intrusion of “pure fiction,” Rave returns to the urban landscape and its clubs in a more documentary vein than before - gone are the literary “An der Kernstelle der Existenz” 241 gimmicks of the first act. This shift suggests that the narration is not interested in the decay of the raver’s body, but rather in the dissolution of the myth into something concrete. The final section is titled “Die Zerstörten” [The Destroyed] and insinuates that the process of decay begun in section one and furthered in the middle part of Rave has been completed ( Rave 183). The quote that follows on the next page reads “We’ll never stop living this way,” affirming what has transpired so far (185). The accompanying photograph shows a dimly-lit apartment that is only sparsely decorated. The viewer’s attention is drawn to the huge window that dominates the composition and which allows a glimpse of houses in a city; the visible buildings do not correspond to iconic images of the capital but rather evoke a quite provincial place, even though, of course, this is very likely Berlin. Compared to the first photograph, the perspective is now elevated, gone are all the hints at being part of the underground DJ culture and altered states. While the walls, the chair, and the folding table remain in the dark, the window allows beams of light to filter into the room. This is a scene where the writer pulls back from the darkness of the rave and the daylight of the drug-inflected vacationing. At the border of light and darkness, this suggests spaces of writing as a refuge. The picture neither contains representations of night-life nor does it evoke feelings of ecstasy. Rather the reader is offered a contrastive perspective, a conflict that permeates all of Rave ’s acts. The bright exterior of the city is linked to the dark, interior spaces of an apartment. If we look closely, we can spot sheets of paper strewn all over the floor in disarray as well as on the table and even pinned to the wall, implying that this is the apartment of a writer whose task it is to tell the stories that constitute the underground clubs. Section three opens with the exclamation, “Ich mache es diesmal anders und erzähle allen, was ich gerade schreibe” [“I’m gonna do it differently this time and tell everybody what I am writing right now”], underscoring the interpretation that the photograph shows a writer’s apartment as a liminal space between the rave and a drug deal (189). Daylight intrudes, metaphorically establishing a straight line between acts of perception and their representation on paper. However, rather than enabling the reader to see more clearly, the beams are uncomfortably bright. This moment of “tainted transparency” which posits literature as the window pane that allows readers to “look at” the city while at the same time blinding them, is then suddenly cut short by a sub-section titled “NÄCHSTE NÄCHTE” [“NEXT NIGHTS”], signaling a return to the nocturnal city and its incoherent experiences. Despite the title, however, the first anecdotes deal, at best, with the periphery of techno culture, rather than with its “inner sanctum.” For example, the text tells of people buying drugs: “Der Mann von vorhin spricht mit einem Dealer, gibt ihm Geld” [“The man I just met talks 242 Kai-Uwe Werbeck to a dealer, he gives him cash”] (195). The urban landscape in which these deals go down evokes desolation and boredom: “Der Fremde steht groß, dunkel und finster an der Ecke bei den schweren Bäumen, wo der Park beginnt, zur Stadt hin aufhört. Es ist Nacht geworden. Und es ist kalt geworden” [“The unknown man stands tall, dark and gloomy on the corner next to the heavy trees, where the parks begins or ends in relation to the city. Night has fallen. It has gotten cold”] (190). One of the narrators, a man named Schütte, drives through this bleak environment, “Die Frankfurter Straßen und Schulen, Sonntagabend. Die Stadt ist leer. Das Taxi fährt dahin. Schütte raucht” [“Frankfurt’s streets and schools, Sunday night. The city is empty. The taxi glides through it. Schütte is smoking”] (194). Schütte is on his way to the airport and even though he has a goal his journey seems aimless. At the airport, a heterotopia, “man hört die Flughafenatmo. Reden, Rauschen, Ansagen und Ausrufungen, Dialoge in Fetzen” [“one can hear the airport ambient. Talking, white noise, announcements and calls for travelers”] (190), acts of communication as meaningless as those in the clubs. The difference is that the reader is now offered sign posts as to who is experiencing these things. The paragraphs of Rave ’s last section oscillate between different cities, quickly jumping from Frankfurt to New York to Munich and beyond, following a group of distinguishable characters: “Andere Stadt. Paris. Paderborn. Emden” [“Another city. Paris. Paderborn. Emden”] (194). The airports resemble corridors that connect urban landscapes across the globe, such that these spaces lose their distinctive features. Schütte, for example, “geht durch die unteren Hallen der Flughafenanlage. Effekt des Neons. Die schlaffen Farben. Überall Menschen, Türen, Zeichen, Abzweigungen. Lichter, Reflexe” [“walks along the lower halls of the airport. An effect of the neon light. The meek colors. People everywhere, and doors, signs, junctions. Lights and reflections”] (198). Schütte’s experiences are toned-down replicas of the club nights, reduced in power as they have become “schlaff” [“meek”] (198). Unable to navigate, Schütte, who is now more of a traditional character in a novel, ”irrt durch diese Hallen und Gänge. [Er] hat sich verirrt” [“goes astray in these halls and hallways. He is lost”] (198). What was exciting in the clubs - getting lost, being afloat - has become a negative experience. Schütte reacts by leaving the surface world behind as fast as possible, seeking refuge in the underground clubs: “Schütte trifft Tiermann und sie gehen gemeinsam aufs Klo, gehen zusammen in eine Kabine und nehmen Kokain” [“Schütte runs into Tiermann and they go to the restrooms together, into one of the stalls where they do cocaine”] (198). As a result, Schütte again experiences “die einzelnen Handlungsteile (…) übertrieben zerhackt, isoliert und dadurch in ihrem Sinngehalt (…) traumatisiert” [“the discrete parts as exaggeratedly fragmented, isolated and thus traumatizing in their meaning”] (199). The “An der Kernstelle der Existenz” 243 perceptual fragmentation that dominates section one briefly threatens to return, but this time these disorienting events are not communicated as first-person experiences. Rather, the reader follows Schütte in the third-person, which suggests that the immediacy of section one is no longer sustainable. Toward the end, Rave represents the intoxication almost exclusively from the perspective of an uninvolved writer sitting in his darkened office in an anonymous apartment somewhere in the city. One could wonder if Goetz is suggesting either that literature has failed to capture the techno event or that it is precisely literature’s contribution to deconstruct the inherent presentness of the rave? To be sure, Rave ’s last section retains its sober, observational quality almost throughout. Only twice do the paradigmatic techniques characteristic of its beginning resurface. As “Schütte, Tiermann, eine Unbekannte, Bruder Maßlos, er und ich” [“Schütte, Tiermann, an unknown woman, Brother Self-Indulgent, he and I”] meet at a club, they snort cocaine: “Wir haben uns möglicherweise für diese Nacht jetzt vorläufig hier mal so ein bißchen ein- und festgekokst” [“maybe, we have ‘cocained’ ourselves into this place for the time being”] (248). In these intrusive moments, the paragraphs and the sentences become shorter - emulating the style of the book’s very first pages - until an anonymous voice in Rave utters, “Zeit vergeht” [“time passes”] and thereby comments on the unavoidable reconnect with the reality “above” (250). At some point one narrator exclaims “pff,” expressing exhaustion and deflation, before the narrative breaks down into “dingens, ä” [“thingy, um”], meaningless phrases, or as the narrator evaluates it, “brutalste Verstörung” [“completely through the wind”] (251). We find the second example at the very end of the text. The final four pages follow the group of ravers into the morning light once more. The narrator explains, “wir tapern hinaus. Völlig am Ende” [“we exit the building, complete done in for”] (270), a statement that not only refers to the morning after the party, but that also comments on the looped state of the text itself. This group of people still tells stories to each other and decides to repeat the phrase “Nein, wir hören nicht auf, so zu leben” [“No, we’re not gonna stop living this way”] (270). This is not only the moment when the party is over, it also arguably signals the limits of a narrative of the urban night; afterwards, a new experimental “text” is needed to capture these other fairy tales. Although the characters resolve to go on living their party lives, Goetz’s project shifts its look at post-Wall Berlin to yet another perspective, another building block of the vast kaleidoscope that is Heute Morgen , after having mapped out both the possibilities and limits of literature. After his punk-phase and arguably up to his more recent reflections on late capitalism in novels such as Johann Holtrop , Rainald Goetz focused on the literary representation of seemingly mundane experiences such as raves. This infat- 244 Kai-Uwe Werbeck uation with Berlin’s night-life allegedly transformed the artist Goetz, whom Hubert Winkels had earlier called “die notwendig politisch-militante Verkörperung des Dandys im nachbürgelichem Zeitalter” [“the necessary politically militant embodiment of the post-bourgeois dandy”], into an apolitical and decadent party boy (230). However, as this essay demonstrates, Goetz’s later works are much more than just empty exercises in hedonistic bragging forced into the straightjacket of DJ-style writing. Goetz has repeatedly referred to the critical moment during which forces of forgetting and reflection clash, and it is this particular dialectic image that fuels his texts: “Das Erleben, so blindwütig es auftrat, sehnte sich zugleich danach, sich zu verstehen. Und will das schon im selben Moment wieder vergessen, will das Verstehen zerstören, das Verstandene von neuem Erleben wieder zu Unsinn sich erklären lassen, durch Neues, wieder Wirres, Tolles” [“Experience, no matter how blind, wanted to understand itself. Once it realizes that it wants to forget, to destroy this understanding, declare that which is understood silly and transform it into something new, confusing, awesome”] ( Rave 255). Goetz suggests with respect to the heated debate about the post-Wall Berlin novel that a single text is not sufficient to capture the plurality of Germany’s “new” capital but that it still has the responsibility to try. While he employs a variety of texts - from Internet diaries to journalistic essay and image collections - to approach postmodern life in the city, even a single building block in Heute Morgen cannot remain inherently stable throughout; rather it demands fragmented narratives that complicate the relation between Berlin’s “reality” and “fiction” as both paradigms have long started bleeding into one another, throwing each other into relief. Literature, Goetz argues, has more to do than just describe from afar, it has to capture the event and then transform it in the process - even if it fails - and then start the whole process anew. Notes 1 Rainald Goetz, Rave 79. All translations are my own. 2 Techno’s genealogy is complex. The interested reader is referred to Ulf Poschardt’s cultural history of DJing in which he also documents the development of electronic techno music. Poschardt states that the term techno has been used “since 1985 for a variation of house music that became one of the most successful kinds of dancefloor, and which was incarnated in dozens of versions in the early 90s: from dreamy ambient via hip-hop-related breakbeats to the relentlessly hard and fast sounds of Gabba (…)” (313—14). It is worth noting that house music - of which techno is a sub-genre - shares its pedigree with gospel and its “secularized pop-variants,” R&B, soul, and disco (Poschardt 255). “An der Kernstelle der Existenz” 245 3 With regard to these changes, Thorsten Rudolph argues in his study on Goetz that “ Irre von 1983 und Rave von 1998 zwei kategorial verschiedene Modelle hinsichtlich der epistemologischen Voraussetzungen, der ästhetischen Umsetzung und der politischen Implikation vorführen” [“ Irre , published in 1983 and Rave , published in 1998 present two categorically different models with regard to their epistemological prerequisites, their aesthetic execution, and their political implications”] (16). 4 “Members of Mayday” refers to an annual German techno event, the Mayday, and is the name of a DJ collective that collaboratively produces its “hymns.” Although the Mayday took place in an official, non-derelict, and above-ground building - the Dortmunder Westfalenhallen - the secluded subterranean spaces that hosted the at times illegal techno parties were often abandoned, dilapidated, and off-limit locations that had outlived their intended functions either in West Germany’s capitalist or the GDR’s socialist system. 5 The five texts that constitute Heute Morgen are numerically labeled, from 5.1. to 5.5. The first digit, 5, situates Heute Morgen in the overall trajectory of Goetz’s literary oeuvre in which every released text is assigned a number. His first novel Irre , for example, is labeled 1 while the 1993 play Festung is ranked 4.1. Rave carries the notation 5.1, while the Internet diary turned novel Abfall für Alle , written and published earlier, marks the voluminous end point, 5.5. The experimental play Jeff Koons and the journalistic essay and image collection Celebration: Texte und Bilder zur Nacht complete the cycle. Jeff Koons and Celebration are numbered 5.2 and 5.4 respectively, while the last part of the project to be published, Dekonspiratione , is labeled 5.3. The 2009 text Loslabern carries the notation 6 and thus marks Heute Morgen as completed. 6 In his study of the city at night, the cultural historian Joachim Schlör argues that it has something of a jungle and “is inevitably expelled into the realm of prehistory and mythology. None of the many histories of lighting, which in their different ways all describe the triumph of light, is able to dispense with preliminary description of the impenetrable terrain of the nocturnal as an alien region of fear that is conquered and finally subjugated” (57). 7 For the protagonists in novels such as Tanja Dückers’s Spielzone and Elke Naters’s Königinnen , who all navigate the clubs and raves (and the city as a playground in general), it is often the spectacle that “made it possible for Germans to rethink what it means to be German in a globalized culture, to reevaluate critically the legacy of their past, and to reinsert the body and its pleasures into postnationalist negotiations of culture and community” (Koepnick 233). 246 Kai-Uwe Werbeck 8 See Stephen Brockmann’s Literature and German Unification , Stuart Taberner’s German Literature of the 1990s and Beyond , and Katharina Gerstenberger’s Writing the New Berlin for more detailed accounts of the genre. 9 WestBam (born as Maximilian Lenz), who also comes from a punk background, became a well-known German techno DJ, producer, and label executive. He organized the first Mayday rave - an event chided by critics as the sell-out of techno - and published the book Mix, Cuts & Scratches in cooperation with Goetz in1997. Interestingly, Mix, Cuts & Scratches - a collection of interviews, images, and reflections on techno culture, published with Merve Verlag Berlin rather than Suhrkamp - follows the notational system of Goetz’s works. In fact, it is 5.5.1. even though it was released two years before Rave , which is 5.1. Similar to the photograph discussed above it turns history on its head and presents that which came first as a supplement to the last part of Heute Morgen , the Internet diary, notated as 5.5. Works Cited Baßler, Moritz. Der deutsche Pop-Roman: Die neuen Archivisten . 2. ed. München: Verlag C.H. Beck, 2005. Brockmann, Stephen. Literature and German Reunification . Rochester NY: Cambridge U P, 2006. Bronfen, Elisabeth. Tiefer als der Tag gedacht: Eine Kulturgeschichte der Nacht . München: Carl Hanser Verlag, 2008. 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Der vorliegende Band versammelt die Aufsatzfassungen einer Ringvorlesung an der Ludwig-Alberts-Universität Freiburg, die sich zum Ziel gesetzt hat, Kleist aus interdisziplinärer Perspektive und unter dem Blickwinkel der Spannung zwischen der Unangepasstheit dieses Autors und seinem dennoch (oder deshalb) schließlich erreichten Status als Klassiker näher zu beleuchten. Im ersten Beitrag, der den Titel des Sammelbands sowie dessen Zielsetzung anhand einer gründlichen Diskussion der verschiedenen Fragestellungen und Probleme der Kleist-Forschung erläutert, bietet der Herausgeber Werner Frick einen fundierten Überblick über Kleists Versuche der Selbstbehauptung in einer zunehmend als kontingent empfundenen Welt. Dieser Einleitung entspricht der letzte Beitrag des Bandes, in dem Sabina Becker dieser produktionsästhetischen Zugangsweise die rezeptionsästhetisch orientierte Einordnung Kleists in die Literaturgeschichte gegenüberstellt und mit der Darstellung der Modernität dieses Autors eine überzeugende Klammer um das Projekt einer Definition des “rebellischen Klassikers” schließt. Einen in der Forschung gerade auch aufgrund dieser (vermeintlichen? ) Modernität Kleists häufig vernachlässigten Weg beschreitet Dieter Martin, indem er das Verhältnis dieses literarischen Außenseiters zu den Vertretern Weimarer Klassik (Wieland, Schiller, Goethe) untersucht und hier zu einer Differenzierung der meist ausgehend vom angeblichen Skandal um die Weimarer Inszenierung des Zerbrochnen Krugs formulierten Pauschalisierungen gelangt. Der interdisziplinären Ausrichtung der Ringvorlesung tragen die Beiträge des Philosophen Günter Figal, der in einer detaillierten Analyse der Sprechersituation in Kleists Aufsatz Über das Marionettentheater die dort erfolgende Annäherung an den Begriff der Anmut mit dem entsprechenden Konzept Paul Valérys vergleicht, und des Historikers Jörn Leonhard Rechnung, der in der Herrmannschlacht , der Verlobung , der Penthesilea , dem Prinzen Friedrich von Homburg sowie in den politischen Schriften Kleists dessen “Bellizismus” nachspürt, wobei eine historische Kontextualisierung gelingt, die Grundlagen für ein angemessenes Verständnis dieser Texte legt. Die Aufsätze der Juristen Andreas Voßkuhle und Johannes Gerberding, die den rechtshistorischen Hintergrund des Michael Kohlhaas ausloten, aber auch nach den Gründen für die immer 250 Reviews wieder behauptete Aktualität der “Sozialfigur” Kohlhaas fragen und dabei zahlreiche Missverständnisse ausräumen können, sowie des Theologen Eberhard Schockenhoff, der in Kleists Zweikampf und dem Erdbeben in Chili eine Theologie der Vergebung herausliest, die den Opfern eine entscheidende Rolle bei der Erlösung der Täter zuweist, entfernen sich dagegen ein Stück weit von der hermeneutischen Untersuchung der Texte, deuten aber eindrucksvoll an, worin die Zeitlosigkeit des “Klassikers” Kleist begründet liegt. In besonderer Weise zeigt der Beitrag des Linguisten Peter Auer die Fruchtbarkeit des interdisziplinären Ansatzes, indem seine Untersuchung der von Kleist für seinen Aufsatz Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken gewählten Beispiele konsequent an die zeitgenössischen rhetorischen und sprachphilosophischen Diskurse rückbindet und von dieser Grundlage aus sprachwissenschaftliche Fragestellungen erörtert. Natürlich bilden die im engeren Sinne literaturwissenschaftlichen Beiträge innerhalb des Sammelbandes eine Mehrheit, gleichwohl wird auch hier der Blick über den Tellerrand hinaus praktiziert: So verbindet Günter Schnitzler seine Untersuchung des dramatischen Erstlings Die Familie Schroffenstein mit der vieldiskutierten ‘Kant-Krise’ Kleists und bestimmt ausgehend von diesem Zusammenhang Kleists Auseinandersetzung mit Kant als selbständige Weiterentwicklung der Gedanken des großen Vorbilds, die sich im Drama eher wiederfänden als die Philosophie Kants selbst. In seiner gründlichen und anregenden psychoanalytischen Studie arbeitet Carl Pietzcker die bislang unterschätzte Bedeutung der Scham für die Marquise und den Kohlhaas heraus, wohingegen Fred Löbker die Konstituierung eines Subjekts im Käthchen und der Penthesilea untersucht. Während Schnitzler, Pietzcker und Löbker auf eine Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur weitgehend verzichten, verortet Achim Aurnhammer seine Analyse des unzuverlässigen Erzählens in Kleists Werk, das zunächst in einem Überblick und dann am Beispiel des Zweikampfs untersucht wird, zunächst in der Forschungsdiskussion dieses narrativen Phänomens, bevor er an zahlreichen erhellenden Detailbetrachtungen demonstriert, wie Zeitstruktur, Erzählhaltung und Fokalisierung wesentlich zur Textaussage der Novelle beitragen, und nachweist, dass die Anwendung dezidiert narratologischer Kategorien mindestens eine Alternative zur gerne praktizierten Rückführung von Kleists Erzählen auf eine dramatische Grundstruktur darstellt. Einen systematischen Zugang weist auch Gesa von Essens Beitrag auf, der Kleists Anekdoten unter den Aspekten der “Kontingenz”, der “Pointierung” und des “Volksgeistes” untersucht und in der “kleinen Form” Strukturen herausarbeitet, die sich auch auf die umfangreicheren Erzähltexte Kleists übertragen lassen. Peter Philipp Riedls sehr ausführliche Studie über die propagandistischen Strategien Kleists in der Herrmannsschlacht und den zur selben Zeit entstandenen politischen Schriften zeichnet ein differenziertes Bild, das Kleists Adaption von Klopstocks Konzept Reviews 251 des Bardengesangs, seine Auseinandersetzung mit den charismatischen Figuren in Schillers Wallenstein -Trilogie und die Abarbeitung am Feindbild Napoleon integriert. Die Verknüpfung der einzelnen Literaturwissenschaften untereinander leisten die Beiträge von Sabine Griese, die der Umgestaltung der mittelalterlichen Legende in Kleists Heiliger Cäcilie nachspürt und dabei zahlreiche Umkehrungsfiguren wie die Ersetzung der Heilung durch die Erkrankung erkennt, und von Bernhard Zimmermann, der Kleists dramatisches Schaffen (insbesondere den Krug , den Guiskard , die Penthesilea und die Familie Schroffenstein ) als Auseinandersetzung mit dem thebanischen Sagenkreis in dessen Gestaltung durch die attischen Tragiker Sophokles und Euripides liest und dabei auf die spezifische Rezeption der attischen Tragödie durch Kleist verweist, indem er die Vermittlung derselben sowohl durch die Parodien des Aristophanes als auch durch die Antikerezeption der Weimarer Klassik in Goethes Iphigenie und Schillers Braut von Messina betont. In der Gesamtbetrachtung ist damit zu konstatieren, dass der vorliegende Sammelband die im Titel angekündigten “neuen Ansichten” in der Umsetzung tatsächlich breit entfaltet; insbesondere trägt der Verzicht auf einen gemeinsamen Leitgedanken, dem sich die Zugänge der einzelnen Beiträger verpflichtet fühlen müssten, dazu bei, dass die Ringvorlesung auch in ihrer verschriftlichten Form die verschiedensten (wenn auch natürlich bei weitem nicht alle) Facetten der Kleist-Forschung repräsentiert. Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Heiko Ullrich Birgitta Krumrey, Ingo Vogler, Katharina Derlin, eds.: Realitätseffekte in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Schreibweisen nach der Postmoderne? Heidelberg: Winter, 2014. 292 Seiten. € 39,00. Ausgehend von einem “neuen Wirklichkeitsbedürfnis in der zeitgenössischen Kultur” wurde der Gegenwartsliteratur verschiedenenorts eine “Sehnsucht nach Wirklichkeit”, bisweilen sogar eine “Wirklichkeitsgier” zugeschrieben, was Maxim Biller veranlasste, im Oktober 2011 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung eine “Ichzeit” und damit ein nach-postmodernes Schreiben zu proklamieren, das immer mehr Anteile von “Wirklichkeit” in ihre Werke einarbeitet und sich durch eine größere Welthaltigkeit auszeichnet. Der vorliegende Band vereint die Beiträge einer Tagung, die zu dieser Thematik im Herbst 2012 am Deutsch-Italienischen Zentrum für Europäische Exzellenz der Villa Vigoni stattgefunden hat. Den drei Überblicksdarstellungen folgen im Buch sechs Aufsätze zur Themenstellung “Schreiben an der Wirklichkeit. Realitätsillusion und Verfrem- 252 Reviews dungseffekt” und sechs Texte zum Problemkreis “Das Schreiben am Autor. (Auto)-Biographeme und Autofiktion”. Die Beiträger untersuchen dazu verschiedene Gegenwartsromane, die für sie gleichsam einen neuen Kanon konstituieren, u. a. Arno Geigers Es geht uns gut (2005), Christian Krachts Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten (2008), Uwe Tellkamps Der Turm (2008), Charlotte Roches Feuchtgebiete (2008) sowie Joachim Lottmanns Der Geldkomplex (2009). Im Einleitungsteil befassen sich Albert Meier und Dirk Niefanger mit den Realitätsreferenzen im deutschsprachigen Gegenwartsroman und kommen zur Feststellung, dass die “Realitätseffekte” - anders als Barthes’ effets de reél , die auf Deutsch als “Wirklichkeitseffekte” wiedergegeben werden - als ästhetisches Stör-Potential post-postmoderner Literatur fungieren. Differenzierter betrachtet Alessandro Costazza das Konzept des Wirklichkeitseffekts bei Barthes’, um dessen Anwendbarkeit als Unterscheidungsmerkmal einer post-postmodernen Literatur zu hinterfragen. Die Textanalysen des zweiten Teils untersuchen den Zusammenhang zwischen den heterogenen Wirklichkeitsmaterialien und der Fiktion mit Blick auf eventuelle post-postmoderne Schreibverfahren. Während bei Arno Geiger ein ausgeprägter Realismus festgestellt wird, der historische Ereignisse für eine Familiengeschichte fiktionalisiert, wird in Bezug auf Uwe Tellkamp eine Poetik der “1000 Kleinen Dinge” postuliert. Die “Post-Ostmoderne”, wie Alessandra Goggio diese neue literarische Richtung nennt, zu der sie Tellkamps Der Turm zurechnet, zeichne sich insbesondere dadurch aus, “dass sie die Merkmale einer klassischen Moderne im Sinne Thomas Manns mit den Kennzeichen des postmodernen historischen Romans verbind[e], indem sie die epische Haltung der traditionellen Erzählkunst mit Realitätsfragmenten durchsetzt” (137). In den Zwischenraum zwischen Realität und Fiktion siedelt Ingo Vogler auch seinen Aufsatz über Christian Krachts Roman Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten an. Krachts kontrafaktischer Gegenentwurf zur Realhistorie, in der Forschung (u. a. von Moritz Baßler) als “parahistorische Erzählung” bezeichnet, begreift er als ein Zusammenspiel von Fantasie und Verwirrung: “Nicht nur ist eine Diskrepanz zwischen einer ‘fortschrittlichen militärischen Raketentechnologie einerseits und dem archaischen Gebrauch von Pferden und Kutschen als Transportmittel andererseits’ eklatant, sondern Verwirrung stiften ferner eine Reihe science-fiction-lastiger Komponenten.” (166) Dabei interessiert sich der Verf. weniger für die Ironie in Krachts Roman als vielmehr dafür, wie sich die Schreibverfahren von den etablierten, d. h. postmodernen Mustern abheben, wobei die postmoderne Ästhetik vornehmlich im Modus der Zitathaftigkeit, Fiktionalität und Tiefenlosigkeit wahrgenommen wird. Reviews 253 Der einzige Beitrag, der sich nicht mit einem Gegenwartsroman, sondern mit einem Theaterstück der Postdramatik beschäftigt, ist Alexander Webers Aufsatz über Roland Schimmelpfennigs Der goldene Drache , an dem das Paradigma einer “Neodramatik” vorgeführt wird, die wieder Geschichten erzählt, welche ihrerseits “kausal aufgebaut, chronologisch geordnet und im Falle der integrierten Analepsen chronologisch markiert sind” (195). Von einer Verweigerung zusammenhängender Darstellung, einer radikalen Fragmentierung und einer Zurschaustellung des gleitenden Signifikanten, wie sie das postdramatische Theater auszeichnete, könne keine Rede mehr sein. Der dritte Teil des Bandes beschäftigt sich mit dem Thema der Autofiktion, wobei Alban Nikolai Herbsts Meere , Monika Marons Endmoränen und Ach Glück , Charlotte Roches Feuchtgebiete und Schoßgebete , Sibylle Lewitscharoffs Apostoloff und Felicitas Hoppes Hoppe im Mittelpunkt stehen. (Auto-)Biographeme, darin stimmen die Verf. überein, weisen auf die außerliterarische Existenz des Autors hin, werden aber zum Zweck der Irritation oder Irreführung in die Narration eingefügt. Was entsteht, ist eine Autofiktion im Sinne einer “metafiktionalen Traumbiographie” statt einer traditionellen Autobiographie, bei der Autor-Ich, Erzähler-Ich und Ich-Person identisch sind und die nach Authentizität strebt. Das wird insbesondere am Roman Hoppe deutlich gemacht, in den die Autorin gleichsam sich selbst einschreibt, indem sie mit der Namensidentität sowie mit autobiographischen Übereinstimmungen zwischen sich selbst als Autorperson und den Romanfiguren spielt. Der letzte Beitrag verweist, wie schon der erste, auf Maxim Billers Artikel “Ichzeit” und thematisiert in Hinblick auf Hoppes Roman die Unmöglichkeit, “Ich” zu sagen und eine Wahrheit abzubilden. Über sich selbst zu berichten, sei für Hoppe ein notwendig fiktionaler Akt und daher könne die Autobiographie als Genre der Wahrheitsbekundung und Ich-Findung nicht mehr ernst genommen werden. Mit dem Begriff der “Realitätseffekte” verbinden die Beiträger ein allgemeines Wirklichkeitsbedürfnis, das sich in der Gegenwartsliteratur artikuliert. Anteile von “Wirklichkeit” werden in die Fiktion eingefügt; aus der Perspektive der Postmoderne könnte man sogar von einer Rückführung von Wirklichkeit in die Fiktion sprechen, doch bleibt letzten Endes fraglich, ob das Verhältnis zwischen Fiktion und Wirklichkeit tatsächlich als eine einfache Wechselwirkung beschrieben werden kann. Alles in allem erscheinen die Beiträge sehr schematisch, und man gewinnt den Eindruck, dass sie im Grunde von denselben Ausgangspunkten ausgehen und auch zu denselben Ergebnissen kommen. Waseda University, Tokyo Arne Klawitter 254 Reviews Michelle Woods: Kafka Translated. How Translators have Shaped our Reading of Kafka. New York: Bloomsbury, 2014. 283 pp. $ 29.95. Kafka Translated examines Kafka through translation. It is a good time to undertake such a study, as new translations of Kafka’s major texts have been published since the late 1980s, based on the critical editions of Kafka’s oeuvre. Translators and publishers of Kafka in English have been striving to “recover what was felt to be lost: pieces of text (since the scholarly re-editing of Kafka’s work in the late 1970s and early 1980s), the ambiguity and strangeness of the language and the subsequent humor of it” (3). The first half of the book discusses four translators (Milena Jesenská, Villa Muir, Mark Harman, and Michael Hofmann); the second focuses on fictionalization of the theme of translation in Kafka’s writings, on “translation” of his works into other media (film), and on examination of what translation can teach us about Kafka. Although Woods’s choice of translators may seem arbitrary (a translator to Czech, three to English; two early translators, two recent), they illustrate well the shifts in translation from the 1920s to recent times. The book contributes to a limited knowledge about Jesenská and Muir; Harman and Hofmann embody the contemporary trends in re-translation of modernist authors into English. Lawrence Venuti’s theory of translation guides Woods’s approach. She considers translators as “embodied agents,” and “holistic, gendered, and literary” beings (6). Rather than evaluating translation choices, she affords translators “visibility,” allows for their voices to inform us about their work. She places their translations in the context of their thinking about languages, their exilic experiences that influenced their literary language (mainly Jesenská, Muir), the editorial practices of the time, and their literary milieu. Woods gives overdue credit to Jesenská and Muir, marginalized in their times and posthumous reception by their gender position and the status of translation as inferior art. The Czech journalist Milena Jesenská, Kafka’s first translator into any language, is known better in Czech and German contexts than in English. Woods praises her writing, and helps to demystify her as “Kafka’s lover,” an image prevalent in the English-speaking realm. Woods values her translation’s “faithfulness,” which Kafka himself questioned in one of his letters. But rather than dismissing it as resulting from her inadequate abilities as a translator, as critics did in the past, Woods sees in her translation an openness to experimentation and “transgression.” Woods argues that Jesenská translated “in a place and era in which these transgressions were actively sought out for their perceived enunciation of the potential for aesthetic, and with its social, change” (27). This is an interesting take on Jesenská’s translation, however, it seems that Reviews 255 Woods sympathetically reads into Jesenská’s translation our contemporary values, and fails to take into consideration the long tradition of translations from German to Czech with their specific stylistic and syntactic problems. On the basis of archival research, Woods attributes the original translations of Kafka to Villa Muir, although they were mostly credited to her husband, Edwin. But she also restores the credit to Muir’s translations, which had been criticized for the lack of accuracy, for failing to capture Kafka’s modernist idiom. The Scottish couple, argues Woods, did understand and value the modernity of Kafka’s prose, but knew that they had to “domesticate” Kafka, using “natural English” that was not at all natural to this Scottish couple, to help this unknown author’s introduction to English readers. Villa Muir herself was, as Woods shows, an author of modernist and experimental prose. With Harman and Hofmann, we move to “a great era of retranslation” (Harman, qtd. in Woods 91) after 1987, when new translations of Kafka were commissioned. Rather than passing a critical judgment on the merit of their translations, Woods carefully reads what both translators write about their approach in their prefaces, interviews, and essays (85). This approach helps Woods to reveal both authors’ attitudes towards English (Harman’s Irish upbringing, Hofmann’s German father) and their literary language (how Harman’s studies of Beckett may have influenced his translations). Woods’s examination shows historically changing expectations of literary translation and implicitly counters the assertion that new translations necessarily supersede the older ones. She also brings to mind that, interestingly, retranslators “have it easier,” as they are bringing in an established classic, rather than unknown author (89). The new translations such as Harman’s, are appreciated due to what Damrosch called “postmodernism’s love of fragments, internal contradiction, and incompletion” (88). The second part of the book addresses translation as fictionalized in Kafka’s writings, and “translation” of Kafka to film. Woods is inspired by current studies of “fictionalized translators” in English literature. Particularly rich is her discussion of a direct reference to translation in The Trial; her consideration of Josef K. as a translator and interpreter provides a distinct reading of the novel’s crucial parable, published by Kafka as “Before the Law.” Woods’ analysis is strongest when it is concerned with the specifics of translation and interpretation: Josef K’s extralingual communication (the use of hands and lips), or when she considers the novel’s narrator as translator. In some other instances, however, she uses “translation” interchangeably with “miscommunication,” a staple in interpretations of Kafka’s work, but also with interpretation and adaptation. It might be more useful to hold these terms further apart. 256 Reviews Woods introduces the term “transreading” to show how the attention to translation (including “translation” to film) allows for interrogative readings of the source text, how it opens up “issues of reading Kafka and points of resistance in the texts themselves” (7). Woods uses several examples of such reading, inspired by different ways of translating a key word in Kafka’s writings. “Interrogative readings” references Venuti. Woods uses terms such as “domestication,” and “visibility” throughout her book, attesting to the extent to which Venuti became a dominant model in translation studies. Some of his concepts should be perhaps approached with critical distance; “domestication,” should not be fully “at home” in our critical apparatus. Similarly, the flexible use of the word “translation” is striking. Other languages are not capable of such flexibility. Woods’s study reminds us how important it is to bear in mind that “translation discourses” are not always translatable; we always have to be sensitive to a specific context. The book gives us insight into “English Kafka,” and the distinct reception of his work via English. Its strength lies in its careful presentation of sources not formerly known in English. It is written with elegance and wit, and inspiring for anyone interested in Kafka as well as in translation. Harvard University Veronika Tuckerová Autorenverzeichnis Arne Klawitter Faculty of Letters, Arts and Sciences School of Humanities Waseda University Toyama 1-24-1, Shinjuku-ku 162-8644 Tokyo, Japan klawitter@waseda.jp Sarah Painitz Department of Modern Languages, Literatures, and Cultures Butler University 4600 Sunset Avenue Indianapolis, IN 46208 spainitz@butler.edu John Pizer Department of Foreign Languages and Literatures 316 Hodges Hall Louisiana State University Baton Rouge, LA 70803 pizerj@lsu.edu Rüdiger Scholz Profesor für Neuere deutsche Literaturgeschichte Universität Freiburg Deutsches Seminar D-79085 Freiburg Rued.Scholz@t-online.de Veronika Tuckerová Department of Slavic Languages and Literatures Harvard University 12 Quincy Street Cambridge, MA 02138 vtuckerova@fas.harvard.edu Heiko Ullrich Eggerten 42 D-76646 Bruchsal heiko.f.ullrich@web.de Christoph D. Weber Department of World Languages, Literatures, and Cultures University of North Texas 155 Union Circle #311127 Denton, TX 76203-5017 christoph.weber@unt.edu Kai-Uwe Werbeck Department of Languages and Culture Studies University of North Carolina Charlotte 9201 University City Blvd Charlotte, NC 28223 COED 452 kwerbeck@uncc.edu