Colloquia Germanica
0010-1338
Francke Verlag Tübingen
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2020
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Inhalt Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz: Erfahrung, Bildung und Glück auf dem Weg zur Wirkungsmächtigkeit im Exil Reinhard Andress � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 97 I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) Charles H. Hammond, Jr. � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 113 1968 als künstlerische Situation Gerd Koenen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 141 „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Jenny Erpenbeck, Julia Franck, und Adriana Altaras Agnes Mueller � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 163 Sites of Remembrance: Cultural Memory and Portrayals of the Past in Des Knaben Wunderhorn and Kinder- und Hausmärchen Jaime Roots � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 183 German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald Reinhard Zachau � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 201 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 227 BAND 51 • Heft 2 Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz: Erfahrung, Bildung und Glück auf dem Weg zur Wirkungsmächtigkeit im Exil Reinhard Andress Loyola University Chicago Abstract : This article chronicles the life and career of the Jewish Austrian-American Germanist Egon Schwarz through his autobiographical writings and other sources. Following Schwarz’s travels and studies in South and North American exile, the author asks what account of free will or external determination is most fitting for Schwarz’s meditations on exile and identity. Keywords : Egon Schwarz, exile, free will, autobiography, Germanistik Die Autobiographie von Egon Schwarz, Unfreiwillige Wanderjahre: Auf der Flucht vor Hitler durch drei Kontinente (2005), schildert, wie der Titel schon andeutet, die Lebensgeschichte eines Exilanten des Dritten Reiches. 1 Dabei zeigt sich, dass das Zusammenwirken von Erfahrung, Bildung und Glück die begrenzte freie Willensfreiheit des Autors und letztendlich seine Wirkungsmächtigkeit im Exil bedingen. 1922 als Jude in Wien geboren, führte der „Anschluss“ 1938 zu einer Flucht, die ihm und seinen Eltern zunächst nach Bratislawa (Pressburg) gelang. Über ein völkerrechtlich ungeklärtes Niemandsland zwischen Ungarn und der Slowakei ging es dann weiter nach Prag, Paris und schließlich Südamerika, wo Schwarz zehn erfahrungsreiche Jahre unter abenteuerlichen und widrigen Umständen in Bolivien, Chile und Ecuador verbrachte, dabei aber stets bemüht war, seinen unersättlichen Bildungshunger zu stillen. Es waren Glücksumstände, die ihm nach Kriegsende den Weg in die USA ebneten, wo er 1954 ein Doktorat in deutscher Philologie an der University of Washington abschloss und sieben Jahre als „Assistant Professor“ an der Harvard University lehrte, bevor er an der Washington University in St. Louis landete. Von Gastprofessuren in der ganzen Welt unterbrochen, lehrte er dort zweiunddreißig Jahre lang, zuletzt 98 Reinhard Andress als Rosa May Distinguished University Professor in the Humanities. Er schrieb über zwanzig Bücher und Hunderte von Artikeln und Essays, u. a. für die FAZ, die NZZ oder Die Zeit. Dabei entwickelte er sich zu einem sehr bekannten Literaturhistoriker und zum Mitbegründer der deutschen Exilstudien, so etwa mit dem Buch Verbannung (1964), das dokumentarisch eine Phänomenologie des durch Hitler verursachten Exils unternimmt und das Schwarz gemeinsam mit Matthias Wegner herausgab. Das verschluckte Schluchzen (1972) stellt wiederum eine bahnbrechende Studie zur Poesie und Politik im Werke Rainer Maria Rilkes dar. Sein letztes literaturwissenschaftliches Buch, Wien und die Juden (2014), sammelt seine besten Aufsätze zu dem Thema. 2 Vielfach wurde er geehrt: so mit Ehrendoktoraten der Universität Wien, der Örebro Universitet oder seiner eigenen Washington University, mit der Joseph von Eichendorff-Medaille oder dem Österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. 2008 wurde die Autobiographie mit dem renommierten Johann-Friedrich-von-Cotta-Literaturpreis ausgezeichnet. 3 Vor allem durch dieses Werk ist Schwarz selbst Gegenstand der Exilstudien geworden� 4 Im Februar 2017 verstarb er mit 94 Jahren; Nachrufe erschienen in vielen Zeitungen Europas und Amerikas. 5 Schon das Wort „unfreiwillig“ im Titel deutet ein Thema an, das Schwarz als motivische Konstante in den Mittelpunkt seiner Autobiographie stellt. Dazu schreibt er in der „Vorbemerkung“: Gerade weil ich von Anfang an eine Art Spielball geschichtlicher Mächte war, weil so ganz und gar nichts Spontanes, Selbsttätiges an meinem Lebenslauf zu sein scheint, stellt sich mir das Problem der Willensfreiheit mit ungewöhnlicher Intensität. Nachdenkend über meinen Werdegang - dieses Wort scheint mir das Dilemma geradezu zu verkörpern, denn sein erster Teil deutet mehr auf die äußeren Zwänge, der zweite auf die persönliche Initiative -, hoffe ich, zwischen dem mir durch die Umstände Vorgegebenen und dem Beitrag, den ich zu meinem eigenen Leben geleistet habe, genauer unterscheiden zu lernen� (11) Dabei geht es im Text zunächst um den Mangel an eigener Handlungsfähigkeit und -macht angesichts geschichtlicher Umwälzungen. Dennoch konnte Schwarz im Laufe seines Lebens eine weitreichende Wirkungsmächtigkeit entwickeln. Die Voraussetzungen dafür waren ein Erfahrungsreichtum und ein unermüdlicher Bildungsdrang, seine Strategie der akademische Bildungsweg, dessen Verwirklichung jedoch nicht ohne glückliche Umstände möglich gewesen wäre und somit nicht allein auf seinem freien Willen beruhte. Dieser langwierige Weg von der mangelhaften Handlungsfähigkeit zur Wirkungsmächtigkeit soll nun in den folgenden Ausführungen nachgezeichnet werden. Dabei ist auch zu überlegen, was uns dieser Weg heute angesichts nicht endend wollender Migrationsströme noch zu sagen hat� Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz 99 Schwarz eröffnet seine Autobiographe mit den folgenden Worten: In der Kindheit ist der frei sich selbst bestimmenden Individualität offensichtlich wenig Spielraum gegönnt. Weder Zeit noch Ort, weder biologisches Erbe noch soziale Klasse ebensowenig wie die weitere Umwelt, mächtige Faktoren in der Entwicklung des Einzelnen, unterstehen seiner eigenen Auswahl� (13) Diese Kindheit und dann Jugend waren stark von dem ehemaligen österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaat geprägt, in dem vor allem in Wien die verschiedensten mitteleuropäischen Kulturen zusammenkamen und einen besonders reichhaltigen kulturellen Bodensatz bildeten. Entsprechend hebt der Autor „[d]ie sprachlichen und kulturellen Prägungen“ (245) hervor, die ihm seine Jugend verliehen, so sehr kritisch er auch auf das Österreich des Vor-Anschlusses und seine Gymnasialzeit zurückblickt. Damit hängen auch die antisemitischen Gesellschaftsumstände zusammen, die ihn dazu zwangen, sich früh mit dem Judentum auseinanderzusetzen� Eine Zeitlang wandte er sich einer jüdischen Frömmigkeit aus Trotz und auf dem Wege zur Selbstfindung zu, stark beeinflusst durch die jüdische Lebensfülle der Pressburger Verwandtschaft, doch kam er damit gegen seine assimilierte Umwelt nicht an. Er wurde schließlich zum Atheisten, wenn er sich auch sein Leben lang „zur jüdischen Schicksalsgemeinschaft“ (232) bekannte. Die atheistische Einstellung feite ihn auf alle Fälle gegen den religiösen Zionismus, gegen dessen sozialistische Variante mit ihren nationalistischen Untertönen er sich ebenfalls wehrte. Stattdessen verschrieb er sich allgemeiner dem Sozialismus, im Wesentlichen bedingt durch die Verhältnisse, in denen er aufwuchs, die Armut, die er in Wien beobachtete, und durch den verstärkten Antisemitismus des Faschismus, wobei der Spanische Bürgerkrieg zu seinem „politischen Urerlebnis“ (43) wurde. Insgesamt waren es reichhaltige Erfahrungen für einen jungen Menschen. Was nun die Handlungsfähigkeit und die zentrale Frage nach dem freien Willen betrifft, kommt Schwarz am Ende des ersten Kapitels „Wien“ zum folgenden Schluss, der die oben zitierten Eingangsworte zur Kindheit mit Blick auf die Jugend schon etwas differenziert: Gewiß, ich hätte frommer Jude oder Zionist werden, ich hätte versuchen können, mein Judentum zu ignorieren, mein Österreichertum zu betonen oder zum Christentum überzutreten, wie es manche der Kameraden während der Schulzeit taten. Nichts von alledem geschah, obgleich jede dieser Entscheidungen irgendwann einmal emotional möglich gewesen wäre. (44) Wie hier angedeutet wird, räumt Schwarz seiner Willensfreiheit einen gewissen Spielraum in diesem Abschnitt seines Lebens ein, und er fügt hinzu: „Es wäre kleinlich von mir, die Wirkung einer Individualität, die Rolle existentieller 100 Reinhard Andress Entscheidungen für dieses Ergebnis ganz zu verneinen“ (45). Doch schränkt er auch wieder ein: In Wirklichkeit wird wohl das Schwanken stärker, die Unverbindlichkeit der psychischen Akte größer gewesen sein. Das unabweisbare Gefühl: „Es hätte auch anders kommen können“ raubt dem endgültigen Engagement etwas von seiner Selbstherrlichkeit. Ich lasse die Sache einstweilen auf sich beruhen und halte der Wahrheit entsprechend fest, daß ich mich, solange ich in Österreich war, nicht als Akteur in meinem eigenen Leben fühlte, nicht fühlen konnte, und daß die turbulenten Ereignisse, die darauf folgten, jede freie Selbstbestimmung auszuschließen schienen. (45-46) Letztendlich bleibt seine Haltung eher skeptisch. Wie er auch erwähnt, sollten sein freier Wille und die Handlungsfähigkeit noch weiter eingeschränkt werden, was die bezeichnende Überschrift „Treibgut“ des zweiten Kapitels allein schon verdeutlicht� Aus dem angeschlossenen Wien retteten sich Schwarz und seine Eltern zwar nach Pressburg zu Verwandten, doch wurden sie dort von den Ereignissen eingeholt, als es im Zuge des Münchener Abkommens im Oktober 1938 zur Autonomie der Slowakei unter der Führung des klerikalen Faschisten Jozef Tiso (1887-1947) kam. Als Folge wurde eine antisemitische Kampagne entfesselt, die zu einer Schlüsselerfahrung für den Autor führt. In ein völkerrechtlich ungeklärtes Territorium zwischen der Slowakei und Ungarn abtransportiert, wurde der Schwarz-Familie alles abgenommen. Mitten auf einem Feld mussten diese „Niemande im ‚Niemandsland‘“ (69) unter unvorstellbaren Verhältnissen zu überleben versuchen. Obwohl Schwarz und seine Eltern durch das geschickte Vorgehen eines Onkels bald aus dem Elend befreit wurden und nach Pressburg zurückfliehen konnten, bleibt die Erfahrung besonders prägend im Zusammenhang mit der Frage nach Willensfreiheit: Heißes Wasser, Seife, ein Bett! Seit dieser Nacht weiß ich, was Luxus ist. Noch etwas anderes weiß ich aber seither: daß jede Zugehörigkeit, jedes Recht, jede Gemeinschaft auf Illusionen beruht, bis auf Widerruf von den jeweils Mächtigen gewährt, nach Willkür und Gutdünken wieder entzogen� (73) Der Fluchtweg führte dann weiter nach Prag, wo durch die Vermittlung eines jüdischen Hilfsvereins Visen für Bolivien arrangiert werden konnten. Im Februar 1939 bestieg die Schwarz-Familie die „Orduña“ im französischen La Rochelle-Pallice für die einmonatige Überfahrt nach Südamerika. Nun sind es Erfahrungen auf dem Emigrantenschiff, die ihn prägen: Einen buntscheckigeren, faszinierenden Menschenhaufen habe ich nie wieder beisammen gesehen: Leute, die im KZ gewesen waren, deren Geschäfte von der SA boykot- Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz 101 tiert und deren Klaviere in der Kristallnacht aus den Fenstern auf die Straße geworfen worden waren, und solche, die mit unzulänglichen Mitteln unter unvorstellbaren Verlusten und Entbehrungen Francisco Franco Widerstand geleistet hatten. Da waren die rauchenden, unglaublich schnell schwatzenden Chilenen, die schachspielenden Kubaner, jeder ein kleiner Capablanca, und die wohlerzogenen jüdischen Matronen aus Köln und Frankfurt, da waren norddeutsche Doktoren und Universitätsdozenten, die sich des gepflegten Intellektuellenidioms bedienten, und bayrische Naturburschen mit ihrem breiten Dialekt, die, weiß Gott wie, mit den Nazis in Konflikt geraten waren, Kaufleute aus der Tauentzienstraße, Ostjuden aus dem galizischen Städtel, verarmte österreichische Aristokraten, die sich noch krampfhaft an ein Restchen Vornehmheit und Luxus klammerten, und weit herumgekommenes Volk, das mit Scheunen und Nachtasylen, mit der Pariser Unterwelt, unsauberen Gefängnissen und der erbarmungslosen Fremdenpolizei aller Länder intime Bekanntschaft gemacht hatte. Und ein jeder wußte nicht nur einen, sondern viele Romane zu erzählen. (81—82) In dem Mikrokosmos des Schiffes bekommt Schwarz viel von der Welt in gedrungener Form mit, was er in seinen sich immer stärker abzeichnenden Bildungsdrang wie folgt einordnet: „Dieses Schiff war meine erste Universität, auf viele Jahre hinaus, und nicht die schlechteste“ (82). Doch prägend ist ebenfalls die Nachricht auf dem Schiff von der Besetzung Prags durch die Deutschen im März 1939: „Unter den Hunderttausenden, für die dieses Ereignis das Todesurteil bedeutete, waren wir auserkoren, zu überleben, ohne Sinn und Grund, ohne Verdienst, ja fast ohne unser Dazutun“ (83). In diesem Zusammenhang werden seine weiteren Überlegungen zur Frage des freien Willens einerseits nicht verwundern, nämlich, dass er „angesichts solcher fundamentalen Einflüsse von außen nicht dazu neig[t], der Freiheit des Willens und der Selbstbestimmung eine übertriebene Bedeutung beizumessen“ (82). Wir lesen andrerseits aber auch: Und doch: ein Wille, eine individuelle Initiative hat bei unserer Rettung mitgeholfen. Vielleicht war es nicht eine einzige Tat, sondern das Werk setzte sich wie ein Mosaik aus vielen kleinen Teilen zusammen, vielleicht war es nicht immer unser eigenes Streben, das uns aus den Verstrickungen löste, sondern die Fürsorge anderer; aber selbst in diesen wilden, scheinbar von Zufall und Willkür regierten Zeiten lassen sich die intendierten Akte der Beihilfe und Förderung von den chaotischen Mächten blinder Unterjochung unterscheiden. (82) Zwar sieht Schwarz seine eigene Handlungsfähigkeit und -macht zu diesem Zeitpunkt als minimal, doch kollektiv kann der Versuch der freien Willensausübung einiges gegen die geschichtlichen Mächte bewirken. 102 Reinhard Andress Im dritten Kapitel „Neue Welt“ wendet sich Schwarz zunächst den Lebensumständen in Südamerika, vor allem in Bolivien, zu: Geschichte, Kolonialismus, der scheinbaren Exotik und der Situation der Emigranten. Bei letzteren kommt er auf „das Auftreten eines neuen, erregenden Menschentyps, des Schelms und Abenteurers, des unternehmenden Glücksjägers, der sich zur Befriedigung seiner Bedürfnisse auf das Ausgefallene und Verbotene, ja ans Kriminelle Grenzende verlegte, Charaktere, die auf eine außergewöhnliche Situation außergewöhnlich reagierten“ (107). Schwarz schildert auch einige dieser bunten Figuren, denen er begegnete und die sich trotzig zu behaupten wussten. Ihre Überlebenskunst führt wiederum dazu, eine bescheidene Lanze für den freien Willen zu brechen: In den Wendungen und Windungen dieser Lebensläufe spiegeln sich die Umstände, die sie hervorgebracht haben, und somit auch die Zwänge, denen die einzelnen Mitspieler ausgesetzt waren. Aber dazwischen gab es immerhin Luft zu atmen, Ellbogenraum sich zu bewegen, also genug Freiheit und Alternative, so daß man sicher wohl vom Willen der Beteiligten und ihrer Verantwortlichkeit sprechen kann. (114) Wie es nun bei ihm selbst weitergeht, wird das Thema des vierten Kapitels mit der ebenfalls bezeichnenden Überschrift „Abenteurer wider Willen.“ Was die Selbstbestimmung betrifft, sieht sich Schwarz wie in einem Schelmenroman, „in dem sich die eigene Initiative und äußere Determiniertheit durchdringen“ (114). Die äußeren Umstände führen trotz ihrer deterministischen Aspekte zu weiteren wichtigen Erfahrungen; die eigene Initiative besteht darin, sich weiter zu bilden. War das Emigrantenschiff seine erste Universität, so wurde seine „zweite“ (129) das Instituto de Arqueología y Prehistoria in La Paz unter der Leitung des skurrilen Arturo P., dessen Assistent und Privatsekretär Schwarz wurde� 6 In der beachtlichen Bibliothek des Wissenschaftlers eignete sich der inzwischen Siebzehnjährige natur- und kulturkundliche Kenntnisse über die Geschichte und Vorgeschichte Südamerikas an, las aber auch viele belletristische Werke. Immer mehr wird das Lesen zu einem Leitmotiv in seinem Leben. Doch auch in anderer Hinsicht bildete er sich unter der widersprüchlichen Obhut von Arturo P., nämlich als dessen Stenotypist für ein biologistisches, sozialdarwinistisches Werk der Physiognomik. Instinktiv und sicher bedingt durch die Erfahrungen im antisemitischen Wien wehrt sich Schwarz gegen die Grundthese seines Arbeitgebers, „daß man den Charakter eines Menschen von der Form seiner Nase und anderen körperlichen Merkmalen ablesen könne“ (124). Abgesehen vom Anspruch auf Selbstbestimmung, den Schwarz hier erhalten wissen will, verdankte er der Erfahrung der Mitarbeit letztendlich seine „kritische, zur Ungläubigkeit neigende Einstellung zu monokausalen Welterklärungen“ (124). So problematisch die wissenschaftliche Arbeit für Schwarz wurde, war Arturo P. aber auch „ein großer Abenteurer“ (125), der seine Forschungsarbeit mit einer leidenschaftlichen Manie betrieb und viel in der Welt herumgekommen war. In diesem Zusammenhang lernte Schwarz wie schon bei den im vorangegangenen Kapitel geschilderten Emigrantenschicksalen „von der Selbstbestimmung des außergewöhnlichen Einzelnen“ (129). Solche Erfahrungen und viele andere waren für Schwarz prägend, doch sollte die Arbeit in den Zinngruben Potosís, wo schon die Spanier Silber geschürft hatten, zum „Zentrum meiner Exilerfahrung“ werden: „Die Jahre . . . sind die lehrreichsten meines Lebens, sie haben sich tief in mein Bewußtsein eingegraben und sind ein unverlierbarer Teil meines Weltbewußtseins überhaupt geworden“ (144). Zunächst durchzieht auch in diesem abgeschiedenen Ort hoch oben im Andengebirge weiterhin ein Lese- und Bildungshunger sein Leben, den Schwarz stillen konnte, indem er Zugang zur Bibliothek seines Wiener Chefs gewann, der seine Bücher nach Bolivien gerettet hatte. So las der Autor „kreuz und quer den Kanon des europäischen Bildungsbürgertums“ (154). Als Aufpasser und Gehilfe in einem chemischen Labor kam er aber vor allem mit der „Soziologie der Mine“ (150) in Kontakt, die er als „rassistisch und kolonialistisch“ (152) bezeichnet und in der er „das Wertesystem der Welt“ (150) widergespiegelt sieht, wobei es vor allem die Indianer sind, die willenlos unter dem System zu leiden haben: „Die Indianer sind gedrückte, ausgebeutete Menschen, denen man ihre Kultur und Identität genommen hat“ (153). Es ist genau diese soziale Haltung, die ihn dann später nach dem Krieg in Ecuador, als er bei der US Military Ground Mission als Übersetzer und Dolmetscher arbeitete, die amerikanische Militärpräsenz in der kleinen Andenrepublik hinterfragen lässt. Schließlich war es ein Land, das unter großer Armut litt (und noch leidet) und das Straßen, Brücken, Traktoren und Hospitäler statt Tanks, Jeeps, Maschinengewehre und Munition brauchte: „Ich lernte hier an kleinen, lokalen Beispielen Fragen stellen, die ich später mit der gleichen Berechtigung auf globale Probleme anwandte“ (167). Man könnte noch viele weitere Erfahrungen oder einflussreiche Menschen anführen, die das Bildungsinteresse des Autors anregten. In Quito lernte er z. B. zwei nicht näher genannte Persönlichkeiten kennen, die „zwei mögliche geistige Grundhaltungen“ repräsentierten: der eine „der Typ des Forschers und Historikers,“ der andere „der Typus des vom Wissenskram unabhängigen Denkers und Dialektikers“ (177). Zusammen scharten sie eine Gruppe von jungen Leuten um sich, zu denen auch Schwarz gehörte, um „nach dem altbekannten Schema als Stoffhuber und Sinnhuber“ (178) informelle Vorlesungen zu halten und Diskussionsrunden auf hohem Niveau zu leiten� Solche Gelegenheiten „hielten das Feuer des geistigen Widerstands gegen die Unerquicklichkeiten der Außenwelt in mir wach“ (178), wie es Schwarz schildert, stellten aber letztendlich seinen Wunsch nach Selbstbestimmung und seinen Bildungsdrang nicht zufrieden. Aus „der Triade Belesenheit, Lust am Wort und unmittelbarer Lebenserfahrung“ Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz 103 104 Reinhard Andress (178) hatte sich die geistige Persönlichkeit des Autors immer weiter gebildet, die aber, weil sie auf wenig Widerhall stieß, zu einer „wachsende[n] Einsamkeit des Empfindens“ (178) führte. Schließlich kam es zu „einem radikalen Umschwung“ (178): Äußerlich durch die Behandlung einer Tropenkrankheit bedingt, nützte Schwarz eine abenteuerliche Reise in die USA als Gelegenheit, sich seine Zeugnisse vom österreichischen Konsulat in New York beglaubigen zu lassen, denn Ende der 40er Jahre hatten die Österreicher noch keine diplomatische Vertretung in Ecuador. Die Beglaubigung der Zeugnisse eröffnete ihm wiederum den Weg für ein geregeltes Studium in Ecuador. Dort konnte er einen „Bachiller en Humanidades Modernas“ nachholen, womit „der Riß von 1938“ (188), nämlich mit seiner in Wien abgebrochenen Bildung, zugewachsen war. Er schrieb sich an der Universidad de Cuenca als Student der Rechts- und Sozialwissenschaften ein, da dort kein Studium der Philologie und Literaturgeschichte, sein eigentliches Interesse, angeboten wurde. Es war gewissermaßen eine Übergangslösung, denn Schwarz wollte eigentlich zum Studium in ein anderes Land, wo es bessere Ausbildungsmöglichkeiten für ihn geben würde, die er vor allem in den USA sah. Zu diesem Zweck bemühte er sich unermüdlich mit großer Eigeninitiative um einen Studienplatz. Obwohl einige Universitäten willig waren, ihn probeweise aufzunehmen, reichte das nicht, denn Schwarz brauchte auch eine finanzielle Unterstützung. Die Lage schien aussichtslos zu sein, doch dann kam das Angebot einer Lehrstelle am Otterbein College im Zusammenhang mit einem Studienplatz an der Ohio State University. Das schildert Schwarz so: Diesen plötzlichen Umschwung in meinen Glückumständen verdanke ich Bernhard Blume. Unter welch ungewöhnlichen Bedingungen er mir die Wege geebnet hat, konnte ich erst viel später gebührend erfassen. Etwas an meinem unkundigen Bewerbungsschreiben muß ihn berührt haben, denn er hat für mich eine Assistentenstelle beantragt und mich, selbst nachdem die Ernennung an meiner unzureichenden Vorbildung gescheitert war, weiter im Auge behalten. Als man sich nun vom Otterbein College mit der Bitte an ihn, den Leiter des weithin größten germanistischen Instituts wandte, einen Halbtags-Deutschlehrer zu empfehlen, schlug er mich vor, einen völlig Unbekannten, der Tausende Kilometer weit in einer Indianerrepublik saß, statt einen seiner eigenen Doktoranden, die in den damaligen schlechten Zeiten nervös auf Arbeitsmöglichkeiten warteten� (195) 7 Damit waren die Weichen für seine erfolgreiche Karriere gewissermaßen gestellt� Als er Südamerika in Richtung USA verließ, war er von sehr widersprüchlichen Gefühlen bewegt, denn immerhin hatte er zehn Jahre seines noch relativ jungen Lebens in Bolivien, Chile und Ecuador verbracht. Den Moment des Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz 105 Abschieds, als das Flugzeug abhob, beschreibt er folgendermaßen: „Um den inneren Konflikt zu beruhigen, schloß ich die Augen und sagte mir: ‚Du hast dein Leben geändert‘“ (196). Das deutet ein hohes Maß an eigener Handlungsfähigkeit und freiem Willen an, wie Schwarz auch bestätigt: Auch aus der heutigen Sicht ist es nicht abzustreiten, daß ich ein Recht auf diesen Gedanken hatte, daß ich viel eigene Initiative entwickeln mußte, daß ich Jahre hindurch, unter überwältigend ungünstigen Bedingungen und gegen jede Wahrscheinlichkeit des Gelingens zäh an einem Plan festgehalten, keine Mühe und keine Arbeit zu seiner Förderung gescheut habe. Damit scheint sich auch die Frage nach dem menschlichen Willen, nach der Mitwirkung der Person am eigenen Schicksal zu erledigen. (196) Dabei belässt es Schwarz aber nicht und kommt noch einmal auf die oben erwähnten „Glücksumstände“ (195) im Zusammenhang mit der Unterstützung Blumes zurück: „Aber ich glaube auch dargestellt zu haben, wie alles an einem Haar hing, wie wenig versprechend die Dinge dastanden bis zum plötzlich eintretenden, nicht mehr erwarteten glücklichen Ausgang“ (196). Der freie Wille, der sich bei Schwarz auf seine Bildung konzentrierte, wird grundsätzlich bejaht, doch nicht ohne auf die Einwirkung von Glück hinzuweisen� Die zunehmend gesicherte Existenz in den USA führte dazu, dass Schwarz den beruflichen Weg für sich entscheiden konnte, der ihm auch am Herzen lag, nämlich „die Laufbahn eines europäischen Intellektuellen“ (45). Dabei entwickelte er eine vielfältige Wirkungsmächtigkeit und wurde, wie eingangs ausgeführt, zu einem der bedeutendsten Vermittler deutschsprachiger Literatur und Kultur nicht nur in den USA, sondern auch mit transatlantischer Wirkung. Für sich gewann er zwar einen größeren Raum der Handlungsfähigkeit und -macht, doch in einem allgemeineren Sinne schätzte er sie immer noch als sehr gering ein, vor allem angesichts der enttäuschenden politischen Entwicklungen in den USA, sprich: Nixon und Vietnamkrieg. Am Ende seiner Autobiographie kommt er zum folgenden abschließenden Urteil bezüglich Willensfreiheit, das auch hier nicht ohne einen Hinweis auf Glück auskommt: Niemand kann Kenntnis von meinen wechselnden Lebensumständen nehmen und zur Meinung gelangen, daß ich in unserer Welt der Freiheit des Einzelnen, Lauf und Richtung seiner Entwicklung ungehindert zu gestalten, übertriebene Chancen einräume. Manchmal will mir scheinen, als ob unlenkbare Mächte die Einzelperson geradezu vor sich herwirbelten, denen gegenüber sie oft nicht mehr Widerstand zu leisten imstande ist, als eine Schneeflocke dem Wirbelsturm. Nur unter glücklichen Umständen, so möchte ich mit aller Vorsicht meinen, bleibt dem Individuum je nach seiner besonderen Situation eine gewisse Bewegungsfreiheit. Es kommt dann zu einer 106 Reinhard Andress Begegnung zwischen den immer noch übermächtigen Gegebenheiten und dem, was der Mensch selbst ist, mit seiner Schlauheit, seiner Vitalität, seinem ethischen Willen. Daraus kann, wenn die Zeiten günstig sind, einiges werden� (234) Vorrangig bleiben letztendlich die geschichtlichen Mächte, denn die scheinbar selbstbestimmten Entscheidungen ergeben sich „nachweisbar aus den jeweiligen Umständen und geschichtlich bedingten Chancen“ (233). Grundsätzlich pessimistisch schreibt Schwarz: Bei der gegenwärtigen Beschaffenheit der Welt kann man sagen, daß die Menschheit in einer furchtbaren Finsternis dahintappt. Viel Trost weiß ich auf Grund meiner Erfahrungen nicht zu spenden. Nur schwach flackernd sehe ich Vernunft und Freiheit das geschichtliche Dunkel durchzucken. Das Mögliche zu tun, um diese Flämmchen vor dem Verlöschen zu bewahren, sie nach Kräften zu schützen und zu nähren, das halte ich für Menschenpflicht und Lebenssinn. Die Gewißheit, daß sie dereinst zum hochlodernden Feuer erstarken werden, kann ich meinen Lebenserinnerungen nicht abgewinnen. (234—35) In einer „Nachschrift 1991“ bei der zweiten Ausgabe der Autobiographie war seine Einstellung noch trüber geworden angesichts der weiteren Erfahrungen in den USA nach den Carter-Jahren, d. h. seit dem Erstarken der Reaktion unter Reagan und Bush mit der Frage des ersten Irak-Krieges. Der Geist des Liberalismus, den Schwarz an den USA geschätzt hatte, gehe immer mehr verloren: Aus mir spricht Enttäuschung, der Schmerz eines Menschen, der im Lauf von vierzig Jahren eine hoffnungsfrohe Gesellschaft sich in ihr Gegenteil hat verkehren sehen, aus Ignoranz, aus Arroganz, aus Egoismus, aus Geiz und Gier, eine Gesellschaft, die in den Ruin schlittert, wenn sie sich nicht auf ihre wirklichen Interessen besinnt (254). Die Wahl Trumps zum Präsidenten bestätigte seine Meinung noch einmal und entsetzte ihn sehr; die weitere politische Entwicklung bleibt ihm wenigstens erspart. 8 Insgesamt scheint Schwarz im Zusammenhang mit der Frage nach Selbstbestimmung und Willensfreiheit ideenphilosophisch eine Position des Kompatibilismus einzunehmen (auch „weicher Determinismus“ genannt), d. h. die ursprünglich von David Hume vertretene These, dass freier Wille und Determinismus einander nicht ausschließen müssen, etwa im Gegensatz zum Imkompatibilismus (vgl. Hume). Da Schwarz aber das Potenzial des freien Willens als sehr eingeschränkt sieht und mit großem Skeptizismus versieht, mag seine Position genauer in die Nähe eines vom Philosophen Alfred Mele vertretenen „agnostic autonomism“ (4) zu rücken sein, der darauf hinausläuft, dass es den freien Willen zwar gebe, dessen Wechselbeziehung mit deterministischen Fak- Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz 107 toren aber nicht eindeutig zu ergründen sei. In dieser Wechselbeziehung beeinflusst für Schwarz, abgesehen von geschichtlichen Ereignissen, die Willkür weiterer externer Faktoren die Ausübung des freien Willens auf wesentliche Weise. Bei ihm heißt es: Und selbst in dem engen Spielraum, den die schier erdrückenden äußeren Umstände freizulassen schienen, komme ich mit der Berufung auf meinen bewußten Willen, meine freie Initiative nicht aus, sondern muß dem Undurchsichtigen einen Platz einräumen, all dem Ungreifbaren, das man in Ermangelung präziserer Bezeichnungen Glück, Schicksal, Zufall nennt� (45) Das Problem erklärt Mele folgendermaßen, zwar auf Glück bezogen, doch lässt es sich auch auf Schicksal und Zufall übertragen: „When luck (good or bad) is problematic, that is because it seems significantly to impede agents’ control over themselves or to highlight important gaps or shortcomings in such control“ (7). Die Skala der Kontrolle reicht dann von einer kompatibilistischen „‚proximal‘ control“ bis zu einem, den Determinismus verneinenden „‚ultimate‘ control“ (7). Die philosophische Diskussion um das Ausmaß des freien Willens kann hier nicht erschöpft werden, doch impliziert Mele, dass der Selbstbestimmung ein größeres Potenzial der Umsetzung eingeräumt werden kann, wenn der Einfluss von Glück, Schicksal und Zufall stärker unter Kontrolle gebracht wird, wenn auch deren scheinbare Willkür sicher nie völlig aus der Welt zu schaffen ist. Konkret auf Schwarz bezogen, waren seine vielfältigen Erfahrungen und sein bewundernswerter Bildungsdrang unter den schwierigen südamerikanischen Umständen der Weg in eine gesicherte, integrierte Existenz und eine erfolgreiche Wirkungsmächtigkeit. In seinem Nachwort zur Autobiographie hob der Schriftsteller Uwe Timm hervor, wie das Buch „über die Kraft der Wünsche Auskunft gibt“ (258). Schwarz‘ Wünschen nach freier Willensausübung und Bildung in diesem Zusammenhang hätte man aber eine leichtere Verwirklichung gegönnt, die nicht wesentlich vom Wohlwollen eines Bernhard Blume abhängig gewesen wäre. Bei Schwarz heißt es noch einmal: „Aber ich weiß ja, daß mir alles Wollen und Tun nichts genützt hätte, wenn ihm die Umstände nicht entgegengekommen wären, vor allem, wenn unter Hunderten, an die meine Flaschenpost gerichtet war, nicht der eine gewesen wäre, der die Botschaft gehört und dazu noch den nötigen Glauben aufgebracht hat“ (196-97). Wie vielen anderen Exilanten kam und kommt dieses Glück nicht zuteil? Im „Vorwort zur Paperback-Ausgabe“ seiner Autobiographie spricht Schwarz vom Wunsch zu vermitteln, „wie solchen Exilanten zumute ist und wie man mit ihnen umgehen bzw. nicht umgehen sollte“ (8). Man kann sich also fragen, wie einem Bildungsdrang, wenn er vorhanden ist und wie Schwarz ihn besaß, der Weg geebnet werden kann, der dann so frei wie möglich vom Einfluss der 108 Reinhard Andress Willkür ist, so dass sich die Bildung verwirklichen lässt� Dialektisch gesagt und in den Worten des Schriftstellers Saša Stanišić, selbst ein Exilant aus Bosnien-Herzegowina: „Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann“ (93). Wie das in einer Gesellschaft mit hoher Einwanderung strukturell zu leisten ist, kann endlos diskutiert werden und ist schließlich eine Frage des politischen und gesellschaftlichen Willens. Zwar kann nicht jede/ r ein Egon Schwarz werden, doch dass der Bildungsweg ein hohes Maß an integrativem Erfolg verspricht, führen uns seine Unfreiwilligen Wanderjahre auf einprägsame Weise vor. Um abschließend einen größeren historischen Bogen zu schlagen: Die Wikinger sollen einmal gesagt haben: „Über den Wind können wir nicht bestimmen, aber wir können die Segel richten“ (Auswanderermuseum, 36)� Das Bild bringt die Problematik auf den Punkt: Es wird immer den homo migrans geben, doch kommt es darauf an, Emigration und Exil, wenn sie sich notwendigerweise ergeben, auch produktiv zu gestalten. Notes 1 D ie erwähnte Ausgabe (München: C.H. Beck) ist die dritte deutsche Neuausgabe. Die Autobiographie erschien zunächst 1979 als Keine Zeit für Eichendorff. Chronik unfreiwilliger Wanderjahre (Königstein: Athenäum Verlag). Es folgte 1992 die zweite deutsche Neuausgabe unter demselben Titel bei der Büchergilde Gutenberg (Frankfurt a. M.). Über die deutschen Ausgaben hinaus kam 2002 eine englische Übersetzung als Refuge: Chronicle of a Flight from Hitler heraus, übersetzt von Philip Boehm, Hildegarde und Hunter Hannum und Caroline Wellberry (Riverside: Ariadne Press). Auf Spanisch erschien die Autobiographie 2012 als Vagabundeo forzado: Huyendo de Hitler a través de tres continentes, übersetzt von Elisabeth Siefer unter Mitarbeit von Regula Rohland de Langbehn und Martín Koval (Ciudad de México: Ediciones Eon). Die selbstbiographischen Schriften von Schwarz haben sich nicht allein auf die Autobiographie beschränkt. Vgl. sein Reisebuch Die Japanische Mauer: Ungewöhnliche Reisegeschichten (Siegen: Carl Böschen Verlag, 2002). Vgl. auch den Abschnitt „Egon Schwarz: Autobiographische Splitter und manche Gedanken,“ in Ursula Seeber und Jacqueline Vansant (Hg.), Schwarz auf Weiß: Ein transatlantisches Würdigungsbuch für Egon Schwarz (Wien: Czernin Verlag, 2007), 229-253. Vgl. ebenfalls Schwarz’ Im Leben und in der Wissenschaft: Mit Geduld kann man vieles erreichen: Erinnerungen, Porträts, Reflexionen (Klosterneuburg: Edition Doppelpunkt - Erika Mitterer Gesellschaft, 2015). 2 Ein Publikationsverzeichnis des vielfältigen literarhistorischen Schaffens von Schwarz findet sich in Paul Michael Lützeler (Hrsg. in Verbindung Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz 109 mit Herbert Lehnert und Gerhild S. Williams), Zeitgenossenschaft: Zur deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts: Festschrift für Egon Schwarz zum 65. Geburtstag (Frankfurt am Main: Athenäum, 1987), 339-52. 3 Zur Verleihungdes Cotta-Preises vgl. www.stuttgart.de/ item/ show/ 280923/ 1? 592; ; f797a37d76_extended=1. 4 In diesemZusammenhang vgl. Reinhard Andress, „’… heiße ich daher die Emigration gut‘: der Fall des Egon Schwarz,“ Olivia C. Díaz Pérez, Florian Gräfe und Rolf G. Renner (Hrsg.): Intermedialität und Alterität, Migration und Emigration: Tendenzen der deutschsprachigen Literatur (Tübingen: Stauffenburg Verlag, 2014), 417—27; Walther Hinck, „Der Emigrant als Pikaro,“ in Walther Hinck, Selbstannäherungen im 20. Jahrhundert von Elias Canetti bis Marcel Reich-Ranicki (Düsseldorf und Zürich: Artemis & Winkler, 2004), 154—61; Linda Maeding, „Zur Autobiographik von Germanisten im Exil: Selbstbestimmung und Selbstreflexivität bei Bernhard Blume und Egon Schwarz,“ The German Quarterly, 83. 4 (2010), 485—502; Helga Schreckenberger, „Erwachsenwerden im Exil: die ungewöhnliche Bildung von Egon Schwarz,“ in Reinhard Andress, Evelyn Meyer und Gregory Divers (Hrsg.), Weltanschauliche Orientierungsversuche im Exil / New Orientations of World View in Exile (Amsterdam: Rodopi, 2010), 196—208; Jacqueline Vansant, „Involuntary and Voluntary Travel in Egon Schwarz’s Unfreiwillige Wanderjahre und Die japanische Mauer,“ in Johannes F. Evelein (Hrsg.), Exiles Traveling: Exploring Displacement, Crossing Boundaries in German Exile Arts and Writings 1933-1945 (Amsterdam: Rodopi, 2009), 369—84. Vgl. auch Ursula Seeber und Jacqueline Vansant (Hrsg.), Schwarz auf Weiß. Ein transatlantisches Würdigungsbuch für Egon Schwarz (Wien: Czernin, 2007), das zu seinem 85. Geburtstag erschien. 5 Vgl. z. B. “Literaturwissenschafter Egon Schwarz 94-jährig gestorben,“ Der Standard 13 Februar 2017, http: / / derstandard.at/ 2000052557331/ Literaturwissenschafter-Egon-Schwarz-94-jaehrig-gestorben; „Vermittler deutschsprachiger Literatur Egon Schwarz gestorben,“ Neue Zürcher Zeitung 13 Februar 2017, www.nzz.ch/ feuilleton/ vermittler-deutschsprachiger-literatur-egon-schwarz-gestorben-ld.145350; Thomas Steinfeld, „Intellektueller Wanderarbeiter,“ Süddeutsche Zeitung (14. Februar 2017), www.sueddeutsche.de/ kultur/ nachruf-intellektureller-wanderarbeiter-1.3378183; Jan Wiele („wiel“): „Durch die Lücke ins Freie: Der Literaturwissenschaftler Egon Schwarz ist gestorben,“ FAZ 14. Februar 2017, 12; Hermann Schlösser, „Lebendigkeit und Eleganz,“ Wiener Zeitung 14. Februar 2017, www.wienerzeitung.at/ themen_channel/ literatur/ autoren/ 873945_Lebendigkeit-und-Eleganz.html; Agatha Rodríguez, „Egon Schwarz nos ha dejado,“ El Tiempo 17. Februar 2017, www.eltiempo.com.ec/ noticias/ cultura/ 7/ 407873/ egon- 110 Reinhard Andress schwarz-nos-ha-dejado; Volker Weidermann, „Egon Schwarz, 94,“ Der Spiegel 18. Februar 2017, 125. 6 Es handelt sich hier um den Österreicher Arturo Posnansky (1873-1945), der ein abenteuerliches Leben führte und u. a. als Ingenieur, Entdecker, Unternehmer, Amateurarchäologe und als Ratsmitglied der Stadt La Paz in die Geschichte Boliviens einging (vgl. https: / / en.wikipedia.org/ wiki/ Arthur_Posnansky). 7 Bernhard Blume (1901-1978) war ein nicht unbedeutender Dramatiker in der Weimarer Republik gewesen, dessen Stücke erfolgreich aufgeführt wurden, z. B. Fahrt nach Südsee (1925), Bonaparte (1926), Treibjagd (1927), Feurio! (1928), Im Namen des Volkes (1929), Schatzgräber und Matrosen (1933) oder Die Schwertbrüder (1935)� Zu erwähnen wäre auch sein Roman Das Wirtshaus zum Roten Husaren (1936 und 1976). Seine literarische Produktion stieß jedoch auf das Missfallen der Nationalsozialisten, so dass er zusammen mit seiner Frau Carola Rosenberg, einer Pionierin in der Frauenbildung und für Frauenrechte, und den zwei Kindern in die USA auswanderte. Blum lehrte zuerst an Mills College, später dann an der Ohio State University, Harvard University und nach der Emeritierung an der University of California in La Jolla. Schwarz blieb ihm für die damalige Förderung sehr dankbar. Zusammen mit Hunter Hannum und Edgar Lohner gab er eine Festschrift heraus: Festschrift für Bernhard Blume: Aufsätze zur deutschen und europäischen Literatur (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1967). In Blumes Existenz und Dichtung (Frankfurt am Main: Insel, 1980) sammelte er die bedeutendsten Essays und Aufsätze des Germanisten. Schließlich gab er postum zusammen mit Fritz Martini Blumes Narziß mit Brille: Kapitel einer Autobiographie (Heidelberg: Lambert Schneider, 1985) heraus. 8 Der Verfasser dieser Arbeit stand seit 2000 regelmäßig in Kontakt mit Schwarz� Works Cited Das Auswanderermuseum Ballinstadt. Betriebsgesellschaft BallinStadt mbH, ohne Jahresangabe. Hume, David. A Treatise of Human Nature� Ed� David Fate Norton and Mary J� Norton� Oxford: Oxford UP, 2007. Mele, Alfred R� Free Will and Luck. Oxford: Oxford UP, 2006. Schwarz, Egon� Unfreiwillige Wanderjahre: Auf der Flucht vor Hitler durch drei Kontinente. Munich: C.H. Beck, 2005. Unfreiwillige Wanderjahre von Egon Schwarz 111 Stanišić, Saša. „Ich hab mein Herz im Naturpark Neckartal-Odenwald verloren.“ Wie wir leben wollen: Texte für Solidarität und Freiheit. Ed. Matthias Jügler. Berlin: Suhrkamp, 2016. 93—101. Timm, Uwe. Nachwort. Unfreiwillige Wanderjahre. Von Egon Schwarz. Munich: C.H. Beck, 2005. 255—59. I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 113 I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) Charles H. Hammond, Jr. University of Tennessee, Martin Abstract : While the father figure in-Das Urteil-unequivocally occupies the role of judge, he has been relegated in criticism to the status of a defendant on trial for murder, accused of sentencing his own son to death. On few other matters, in fact, does one find such widespread consensus in Kafka studies. In this paper, the author challenges this conventional reading by asserting it is the father - rather than the protagonist George Bendemann - who is the victim of injustice. After establishing that the text is narrated almost entirely from Georg’s perspective, the author provides a reading of the tale as Georg’s testimony, identifying a number of inconsistencies and outright obfuscations by which the protagonist seeks to conceal his guilt. Keywords : -Das Urteil, Kafka,-The Judgment, narratology, father, guilt Die verbreiteste Individualität der Schriftsteller besteht ja darin, daß jeder auf ganz besondere Weise sein Schlechtes verdeckt. 1 (Kafka, Briefe 1900—1912, 167) Das Urteil tells the story of Georg Bendemann, a young businessman who lives with his father. When Georg appears for the first time, he has just completed a letter to a bachelor friend who had emigrated some years ago to St. Petersburg, Russia, in order to start a business of his own. While the friend’s entrepreneurial efforts initially met with some success, his business has since become unprofitable. Nonetheless, the friend has decided to remain in Russia, his visits to his land of birth becoming ever more seldom. Georg’s business, meanwhile, has blossomed. What is more, he has become engaged to a young woman from a well-to-do family. By all appearances, Georg is the picture of middle-class success. Yet, somehow, he cannot bring himself to inform his hapless expatriate friend about these life-changing events, preferring instead to discuss only “be- 114 Charles H. Hammond, Jr. deutungslose Vorfälle” [meaningless occurrences] (Kafka, Drucke zu Lebzeiten, 47) 2 in their correspondence. The fiancée, meanwhile, has become increasingly irritated by Georg’s reluctance to tell the friend about his imminent marriage. Ultimately, she persuades Georg that he ought to tell his friend about the engagement. Once Georg has written the letter, he approaches his father with the news that he is about to send it off. Initially, the father’s reaction is almost indifferent. Then, after taking great pains to assure his son that the answer is of no consequence whatsoever, the father asks Georg whether the friend in St. Petersburg actually exists. After some initial hesitancy, Georg insists that this friend does, in fact, exist. At this point the father, who only moments earlier appeared to Georg as “noch immer ein Riese” [still a giant] (DL 50), suddenly and inexplicably becomes very frail, requiring Georg to lift him, undress him and put him to bed. At this point the father - still appearing very weak - asks Georg whether he, the father, has been “gut zugedeckt” [well covered-up] (DL 55). After Georg reassures his father twice that he has, indeed, covered up his father well, the old man violently casts the blanket to the side, jumps to his feet and, while standing upon the bed, accuses his son of having neglected the friend, the family and the business. At the conclusion of this tirade, the father sentences Georg “zum Tode des Ertrinkens” [to death by drowning] (DL 60), a judgment the son appears to carry out by immediately heading to a bridge, swinging himself over the railing, and - after clinging to the railing with his hands for an indeterminate amount of time - dropping into the water below, all without a word of protest. While the father figure in Das Urteil unequivocally occupies the role of judge, he has been relegated in criticism to the status of a defendant on trial for murder, accused of sentencing his own son to death. On few other matters, in fact, does one find such widespread consensus in Kafka studies. According to these readings, the father is indisputably guilty: it is merely up to us, the readers, to determine the motive. The most common interpretation sees some type of unresolved Oedipal dynamic in the confrontation between Georg and his father. Walter Sokel typifies this school of thought. In his view, the father perceives his “displacement by an energetic son” as a “Luciferian revolt and parricide” (211), reducing the son to an innocent “victim” or “scapegoat” of his father’s wrathful envy (234). A more recent interpretation by Marcus Bullock rejects an explicitly Oedipal motive, but still recoils at the supposed “horror of demented hatred in the father who chooses to embrace an illusory tie to the friend as a substitute son, and reject as a devil and deceiver the real son, the son given to him by nature” (496). Bullock attributes the father’s actions not only to the elder Bendemann’s malevolence, but to psychological derangement, as indicated by the father’s “bizarre and contradictory ranting” in his confrontation with Georg I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 115 (502). Peter von Matt has provided a very different explanation, ascribing the apparent suicide to an elaborate prank father and son knowingly play on each other: “[W]enn der Vater, der ‘Komödiant,’ mit Georg, dem ‘Spaßmacher,’ immerzu spielt, warum sollten schließlich nicht auch der Akt des Urteils und seine Vollstreckung gespielt sein? ” 3 (107). These explanations for the father’s behavior have generally remained the same over time. In fact, in a book written nearly a half century ago, Evelyn Beck identifies the same trends in Kafka criticism. She points out that the father “has been variously judged insane, senile or just playing games,” before confessing her own inability to arrive at a sufficient explanation of the father’s motivations (81). “[I]t is very difficult,” she elaborates, “to tell to what extent the father is playing some vast, diabolical joke, to what extent he is earnest, and to what extent his image is distorted by Georg’s perception of him” (81). Despite her inconclusiveness on this count, however, Beck still assigns guilt to the father, who, in her view, abuses his authority by “[judging Georg] wrong for actions that are essentially natural and normal” (80). Here again, one finds that while critics will dispute the father’s motivations, they are more or less in agreement that he is guilty of ordering his son’s execution, an execution they are likewise agreed finds no justification in the text. Yet who speaks on behalf of the father? If we Kafka critics collectively indict and convict this figure in absentia, are we not ourselves committing a grave injustice? And with all due respect to Beck, identifying the father’s motive is not beyond our capacity at all. On the contrary, readers need only recognize that the text does not present any kind of objective - much less omniscient - narrative but instead amounts to the testimony of a single figure, namely Georg. The entire tale, after all, is recounted from Georg’s point of view. As James Phelan has noted, “[T]he final sentence of the story (…) [introduces] for the first time a narrative perspective other than Georg’s” (29). 4 The story, then, is very much Georg’s account of what transpires before, during and after the confrontation with his father� It is the statement of a witness: a series of claims, in other words, to which we must apply the requisite skepticism. In this paper, I treat Das Urteil as an exhibit that has been entered into discovery and, as counsel for the defense, review the testimony in detail, paying special attention to any inconsistencies. The premise underlying my approach is simple enough: if Georg’s story checks out, then we have been on the right path all along. We can continue, in good faith, to read Das Urteil as “das Porträt eines jungen Mannes, dessen scheinbar arrivierte Existenz innerhalb von Minuten in sich zusammenstürzt und der auf väterlichen Befehl Selbstmord begeht” 5 (Stach 135)� If, however, his story does not add up, then Georg has been engaged in some manner of deception: of himself, of those around him and even of us, his readers and erstwhile sympathizers. This is precisely the case I intend to make: I will 116 Charles H. Hammond, Jr. show that Georg’s account is not reliable. To this end, I will shed light on those passages that indicate that the twin pillars of his outward identity, namely his success in business and impending marriage, are complete fabrications. Further, I will show that Georg’s friend in Russia does not exist and that Georg’s “letters” to him serve to conceal Georg’s singular, secret passion for writing stories. In the end, it will soon become apparent that Georg is not a man of commerce at all, nor a husband-to-be, but a writer and a dilettante. The text consists of three parts, which depict the period prior to, during and immediately following the clash between father and son. The first section goes out of its way to paint a picture of Georg as the epitome of middle-class industry, a young man who has successfully dedicated himself to expanding the enterprise he has inherited from his father. With Georg at the helm, so we read, the business has made remarkable strides: profits have quintupled (! ) in the space of three years, requiring him to double the staff in his employ, all of which would make Georg nothing less than a financial genius. What changes could the young man have possibly implemented in order to arrive at such swift success? The text does not provide an answer. However, we know that Georg and his father do not inhabit a luxury apartment, much less a mansion, as one might expect, but rather “eines der niedrigen, leichtgebauten Häuser, die (…) in einer langen Reihe, fast nur in der Höhe und Färbung unterschieden, sich hinzogen” 6 (Kafka, Drucke zu Lebzeiten 43). The low, poorly constructed house, almost indistinguishable from those surrounding it, hardly recalls the accommodations of the upwardly mobile and well-to-do. The story does not account for this rather glaring discrepancy. For his part, the father, who at his advanced age ought to be enjoying the benefits of a life spent working to support his family, has not been able to retire: “[Er arbeitete] noch immer im Geschäft,” 7 (DL 46), another inconsistency which ought to arouse the reader’s suspicions. For if Georg is, in fact, as competent as he claims - indeed, if profits have multiplied fivefold and he can afford to make payroll for double the personnel - what need is there for the father to work? And as regards any changes Georg may have introduced in the business that would account for its exponentially increased profitability, the text is very elusive. In fact, one finds that the story cleverly refrains from explicitly ascribing any rise in earnings to Georg’s efforts. Instead, the text openly muses about three vague possibilities: Vielleicht hatte ihn der Vater bei Lebzeiten der Mutter dadurch, daß er im Geschäft nur seine Ansicht gelten lassen wollte, an einer wirklichen eigenen Tätigkeit gehindert. Vielleicht war der Vater seit dem Tode der Mutter, trotzdem er noch immer im Geschäft arbeitete, zurückhaltender geworden, vielleicht spielten - was sogar sehr wahrscheinlich war - glückliche Zufälle eine weit wichtigere Rolle […]. 8 (DL 46) I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 117 Tellingly, the adverb “vielleicht” [perhaps] precedes each of these three explanations, indicating that Georg himself would not be able to provide a satisfactory explanation for the growth of the family business (assuming, of course, any such growth took place at all). Is it not highly unusual, to say the least, that someone with Georg’s impeccable business acumen would not be able to cite, with any degree of certainty, even one reason behind the sudden upswing in profits? And with each repetition, the “vielleicht” that qualifies each of these statements comes across as a kind of shrug that, in true Kafkaesque form, frustrates the reader’s attempt at understanding, even as it appears to supply the reader with more information� Moreover, to say that maybe the father had earlier been unwilling to entertain opposing views, or that maybe he had become more reserved since the death of his wife is not the same thing as saying Georg did a single thing to enhance the profitability of the business. Indeed, the text concedes that any material gain would most likely have been a product of sheer luck, “glückliche Zufälle” [fortunate circumstances], a possibility deemed “sehr wahrscheinlich” [highly probable] and one which would have played “eine weit wichtigere Rolle” [a much more important role] in the family’s commercial fortunes. In addition, the paragraph containing this excerpt - a paragraph which at first appears to tout Georg’s financial successes only to cast immediate doubt on his role in these developments - concludes by assuring the reader that “ein weiterer Fortschritt stand zweifellos bevor” [further progress lay no doubt ahead]. There are at least two problems with this assertion. First, predictions of future success are just that: predictions, which by definition are unprovable. Second, in light of what we know about A) Georg’s and his father’s very modest living arrangements B) the need that still exists for his father to remain active within the business, and C) Georg’s marginal to non-existent role in the growth of the enterprise he now heads, claims of imminent success appear not only dubious but highly irresponsible, even delusionary. If I am correct that the text leaves open to question the veracity of Georg’s claims to financial success, it nonetheless appears he has been working hard, which is, of course, commendable-… or would be commendable, if only it were true� Again, a closer look at the text will show that Georg has not devoted his efforts to ensuring the success of the family business at all, as one would reasonably expect. Instead, he spends most of the working day sitting idly in his office while, one can only assume, his elderly father toils away downstairs� During the verbal confrontation with his son, Old Bendemann, his words dripping with sarcasm, accuses Georg of abusing his role as business owner in order to avoid work: “Darum doch sperrst du dich in dein Bureau, niemand soll stören, der Chef ist beschäftigt - nur damit du deine falschen Briefchen nach Rußland schreiben kannst” 9 (DL 56). The father’s charge comes as a surprise to the reader, 118 Charles H. Hammond, Jr. who to this point has assumed that Georg is the hard-working son the text portrays him to be. For this reason, the father’s allegation appears absurd, and Old Bendemann seems to have taken leave of his senses. However, readers must bear in mind that the picture of Georg as the tirelessly dedicated entrepreneur comes from Georg himself. The story is a self-accounting, albeit one narrated in free indirect discourse. On this basis, it becomes clear that the protagonist / narrator possesses an obvious motive for concealing the habitual negligence and casual mendacity of which he is accused� When the father calls him out for his disgraceful conduct, Georg does not deny the allegation in any way, because he knows very well the accusations are true, even if we readers initially do not� This new information, introduced by the father, prompts us to read the beginning of the tale in a completely different light. Here we find Georg alone in his room immediately after he has penned one of the “falsche Briefchen” [false little letters] to which the father refers during his tirade: Georg Bendemann, ein junger Kaufmann, saß in seinem Privatzimmer im ersten Stock […]. Er hatte gerade einen Brief an einen sich im Ausland befindenden Jugendfreund beendet, verschloß ihn in spielerischer Langsamkeit und sah dann, den Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, aus dem Fenster auf den Fluß, die Brücke und die Anhöhen am anderen Ufer mit ihrem schwachen Grün. (DL 43) 10 The opening paragraph explicitly identifies Georg as a merchant, yet the overall impression conveyed of Georg is that of a young man whose conduct inside his office is decidedly un-businesslike. If anything, his lackadaisical attitude is emphasized, with nothing of the sense of urgency one otherwise associates with the world of business. In particular, the manner in which he seals the letter - “in spielerischer Langsamkeit” [in a playfully slow fashion] - suggests that the act of writing to the “friend” retains an element of unreality for him. Georg’s playful (spielerisch) demeanor, after all, is completely out of place for someone writing to a close friend who is struggling under the weight of seemingly irresolvable crises: personal, financial and (as is later revealed) physical. In the same way, the slowness (Langsamkeit) with which Georg seals the envelope makes plain the inordinate pleasure he derives from the act of writing. In fact, after he is finished tending to the letter itself, Georg prolongs the ritual by gazing out of the office window, his head propped up on his hand, his elbow resting on his desk (auf den Schreibtisch gestützt) like an errant schoolboy, mentally absent, fully immersed in his own imagination� The opening paragraph of the story now appears to support the father’s allegation that Georg disappears into his office in order to avoid work. Georg’s habit of avoiding work by retreating to his room was very likely inspired by a recurrent event in the life of the author� In his Brief an den Vater [Letter to the I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 119 Father], Kafka confesses that he, too, had often withdrawn to his room or office in order to avoid work and that the tuberculosis he had contracted two years earlier had not resulted from overwork, as the father believed. On the contrary, as Kafka confesses in the Brief, work was typically the last thing on his mind: Also das alles stammte nicht von übergroßer Arbeit, wie Du Dir es immer vorstellst. Es gab Jahre, in denen ich bei voller Gesundheit mehr Zeit auf dem Kanapee verfaulenzt habe, als Du in Deinem ganzen Leben, alle Krankheiten eingerechnet. Wenn ich höchstbeschäftigt von Dir fortlief, war es meist, um mich in meinem Zimmer hinzulegen. Meine Gesamtarbeitsleistung sowohl im Büro (wo allerdings Faulheit nicht sehr auffällt und überdies durch meine Ängstlichkeit in Grenzen gehalten war) als auch zu Hause ist winzig, hättest Du darüber einen Überblick, würde es Dich entsetzen. (Nachgelassene Schriften und Fragmente II 195) 11 The self-recrimination and guilt on the part of the son vis-à-vis the father could not be more evident. With these words, Kafka makes abundantly clear that although he may have been successful in deceiving his father for years, he nonetheless imagined and felt the eyes of his absent father upon him: “hättest Du darüber einen Überblick-…” [if you had any real idea of it] In Das Urteil, however, the father is all-seeing, possessing the “Überblick” that Kafka’s real-life father lacked. Hence, where Kafka succeeded in deceiving his father, his protagonist fails. Georg gets away with his persistent malingering only to one day discover that his greatest fear has come true: namely, that the father has known of his son’s duplicity all along. Other elements of Kafka’s relationship with his father, which later surface in the Brief, find their way into the story as well. In his letter, Kafka uses the adjective “hochbeschäftigt” [terribly busy] in exactly the same sarcastic manner as the father in Das Urteil uses “beschäftigt” [busy]: namely, to suggest that the son was not busy at all, but was merely claiming to be so in order to justify his escape from the father who would put him to work. “Wenn ich hochbeschäftigt von dir fortlief-…” 12 is echoed in Old Bendemann’s sarcastic statement “[N]iemand soll stören, der Chef ist beschäftigt.” 13 In the Brief, Kafka suggests Hermann Kafka knew nothing of his son’s penchant for whittling away his time in his room� In the story, however, the father confronts the son with the shocking revelation that he has always known about the son’s habit of skulking to his room when there was work to be done. From the perspective of Kafka, who wrote the story “[in einem] selbstvergessene[n], halluzinatorische[n] und doch konzentrierte[n] und kontrollierte[n] mentale[n] Zustand” 14 (Stach 116), the scene in Das Urteil appears as a nightmare in which the father has been aware of the son’s laziness and dishonesty from the start. Hence, while it is Kafka’s nightmare, it is poor Georg who is made to suffer through it. As Georg looks up at the man standing on the bed, he does not see his father, per se, but rather 120 Charles H. Hammond, Jr. “[das] Schreckbild seines Vaters” 15 (DL 56, my emphasis). That is, he does not see the father so much as he sees the picture of the father that has always inhabited the author’s uneasy conscience. That father, whom Georg had always feared lurked behind the equanimous, almost stoic exterior, has suddenly come to life. And instead of the clueless old man Georg had taken him to be, the father is now fully cognizant, possessed of an almost divine omniscience, and Georg can no more escape his father’s all-knowing gaze than he can deny his own guilt. Taken together, these related passages from Das Urteil and Der Brief exemplify what Kafka called “die Darstellung meines traumhaften innern [sic] Lebens” [the portrayal of my dreamlike inner life] (Tagebücher 546)� 16 Nowhere is this particular aspect of his writing so evident as in this excerpt from the story, for in it we can recognize the interplay of life and literature, where what initially appears as an unjustified allegation of deviant behavior by the fictional father is, at once, the real-life self-indictment, confession and nightmare of the real-life author. Another level of complexity is introduced by Georg, who attempts to deceive the reader just as the author had earlier deceived his biological father. If we look closely enough at Georg’s narration of events, however, the truth eventually emerges out of a veritable sea of conspicuous omissions, deliberate half-truths and troubling inconsistencies. In the context of the protagonist’s efforts to avoid work, it is worth noting that another section of Kafka’s Brief an den Vater details not only Kafka’s efforts to do the same, but to avoid any association with the family business whatsoever, for in his mind the business was inextricably bound with thoughts of the father. As he confesses: “Das nächste äußere Ergebnis dieser ganzen Erziehung war, daß ich alles floh, was nur von der Ferne an Dich erinnerte. Zuerst das Geschäft” 17 (NSF II 171, my emphasis). Moreover, Kafka was well aware of the manner in which his purposeful avoidance of the business disappointed his father, yet he maintained his distance all the same: “Du suchtest dann (für mich ist das heute rührend und beschämend) aus meiner Dich doch sehr schmerzenden Abenigung gegen das Geschäft, gegen dein Werk doch noch ein wenig Süßigkeit für Dich zu ziehn [sic], indem Du behauptetest, mir fehle der Geschäftssinn, ich habe höhere Ideen im Kopf u. dgl.” 18 (NSF II 175). The elder Kafka’s assertion that his son had “höhere Ideen im Kopf” was no doubt meant sarcastically, and it finds a parallel in Old Bendemann’s sarcastic observation that his son disappeared into his office, “hochbeschäftigt.” In each case, the implication is the same: the son is accused of acting as if assisting the father in the family business were somehow beneath him. As regards Georg’s negligible contributions to the business, there is a point at which Georg reveals the truth only to be dismissed by the reader. This rare instance of truth-telling occurs immediately after the father has asked Georg I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 121 whether the friend in St. Petersburg actually exists, leading the reader to assume that the old man has either forgotten about the friend due to the onset of senility or is perhaps merely resentful of Georg’s lasting affection for his childhood companion. Georg responds in part by assuring Old Bendemann that he is still needed: “Du bist mir im Geschäft unentbehrlich,” he insists, “das weißt du ja sehr genau, aber wenn das Geschäft deine Gesundheit bedrohen sollte, sperre ich es noch morgen für immer” 19 (DL 52). Georg’s assurance initially comes across as a white lie, a touching expression of filial devotion to a father who has become mentally decrepit. However, unbeknownst to the reader, Georg is telling the literal truth. The father really is indispensable to Georg because the young man who locks himself in his office during working hours would have no choice but to close the business if his father were forced to retire. Moreover, the very idea of closing the business from one day to the next on the pretense of having to care for the father makes no sense whatsoever. How exactly would Georg expect to support himself, his new bride and his father (to say nothing of any future offspring) if not through the business? Seen from this perspective, the idea Georg expresses here is breathtakingly irresponsible and shows the extent to which he remains, even in adulthood, firmly dependent on the father’s labor. For his part, Old Bendemann is all too aware of his vital role in the business, an enterprise that would soon plunge into insolvency if he were not there keeping it afloat, a fact that Georg underscores by adding “das weißt du ja sehr genau” [you know that very well]. The father does not deny his son’s suggestion that his part in the business is critically essential because he knows it to be more than mere flattery. Father and son are in full agreement on this point. Ironically, it is only the reader who assumes that Georg is telling an innocent lie when, in fact, he is confessing the unvarnished truth� One could object to my reading, of course, on the grounds that the father is physically ailing. And indeed, this impression of the father’s condition is widespread in the critical discussion of Das Urteil. J.P. Stern, for example, suggests that “[w]hen the father first appears, [he] is weak” (124). Similarly, von Matt asserts that the father is “körperlich schwach” [physically weak] (102). Anders Petterson, as well, describes the father as “weak” (56). In the same vein, Martin Greenberg alludes to the father’s “failing strength” (12). Yet this depiction of the father in so much of the secondary literature is demonstrably false. For one, the father still works in the business, which would be impossible if he were so frail that he could not, say, undress himself or needed someone to carry him to bed. Also, when Georg encounters his father for the first time in the story, the older man rises immediately to his feet and approaches his son, moving with such alacrity that his heavy nightgown flutters around him as he walks: “‘Ah, Georg! ’ sagte der Vater und ging ihm gleich entgegen. Sein schwerer Schlafrock 122 Charles H. Hammond, Jr. öffnete sich im Gehen, die Enden umflatterten ihn” 20 (DL 50). Georg is so struck by his father’s strength and agility, in fact, that he is reminded of a giant, and not for the first time: “‘[M]ein Vater ist noch immer ein Riese,’ dachte sich Georg” 21 (DL 50). Note that Old Bendemann is also strong enough to clear away his own dishes: “Der Vater räumte das Frühstücksgeschirr ab und stellte es auf einen Kasten” 22 (DL 50). To be sure, the father later - and for a very limited time-- pretends he is unable to care for himself, the reasons for which I have laid out elsewhere in meticulous detail� 23 However, both prior to and following this brief play act, the father is anything but weak. It is critically important that we recognize this fact, because the all-too-common perception of the father as frail has led many critics to assume it is the father who is dependent upon the son when it is actually the son who is dependent on the father. At the outset of the story, Old Bendemann is healthy and strong, despite his advanced age. (Artist: Robert Crumb) 24 In the context of the radically unequal division of labor in the story, it is essential that we consider the exact nature of the father’s complaint. Specifically, Old Bendemann alleges that his son absconds to his room during working hours in order to write “falsche Briefchen” [false little letters], a very peculiar charge whose meaning is not readily apparent. In what way can letters be considered “false” in the first place? It is a key question that has received surprisingly little attention in the critical discussion of the story. As readers, we can either collectively throw up our hands and simply cite the statement as further evidence of I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 123 Old Bendemann’s advancing dementia, or we can ask ourselves whether there is a certain logic underlying the cryptic use of the adjective “falsch” to describe the letters. The latter approach, while inarguably the more difficult, invariably proves the more productive because, as Theodor Adorno notes, it is precisely in passages such as these, where fantasy and reality intersect, that Kafka’s unique genius reveals itself: “So-… wie Kafka zu dem Traum sich verhält, soll der Leser zu Kafka sich verhalten. Nämlich auf den inkommensurablen, undurchsichtigen Details, den blinden Stellen beharren” 25 (258). The father’s allusion to Georg’s “falsche Briefchen” is precisely one such detail. By asking in what way these letters - if indeed, they are letters to begin with - might be considered false, we gain access to Georg’s inner world, the secret life he has been leading for years. This knowledge, in turn, will enable us to comprehend and even empathize with Old Bendemann’s angry denunciation of his son’s disgraceful conduct. In German, falsch can, of course, mean “false” in the sense of untrue, but can also mean insincere� In this case, falsch carries both meanings: the content of Georg’s writing is as untrue as the intent of his writing is insincere. Georg’s writing is untrue for the simple reason that he is not writing letters at all, but fiction. As the student of Latin Franz Kafka would have known, the term Literatur is derived from the same root as the noun “letter” (litteratura and littera, respectively). Literature is conventionally understood as the writing of fiction - that is, the recounting of untrue events - and to that extent amounts to a collection of falsehoods. For these reasons, the production of “falsche Briefchen” serves as a reference to the writing of literature� In fact, as a careful re-reading of the text will reveal, “falsche Briefchen” emerges as merely one of several oblique allusions to Georg’s literary production. The writing of fiction also constitutes the sole link between Georg and the friend. The connection between Georg and his nameless friend, after all, is never described as personal, nor sentimental nor even profound, but only as epistolary: the two figures share an exclusively “briefliche Verbindung” [epistolary connection] (DL 45). By itself, this observation might seem unremarkable, until we recall that the only way Georg is able to maintain the relationship is through the continuous portrayal of untrue events (i.e. fiction): “[Man konnte ihm], wenn man überhaupt noch die briefliche Verbindung aufrecht erhalten wollte, keine eigentlichen Mitteilungen machen, wie man sie ohne Scheu auch den entferntesten Bekannten geben würde” [If one still wanted to maintain the epistolary relationship, one could not relate any real information to him, the way one would, without hesitation, to even the most distant acquaintance] (DL 45, my emphasis). In other words, the supposed friendship is of a very unusual variety. For if nothing else, friendship implies the type of intimacy that allows two individuals to reveal something of their personal lives to one another. But Georg does just the opposite: he cannot 124 Charles H. Hammond, Jr. allow himself to relay to the supposed friend even the most casual observation one could otherwise share with even “den entferntesten Bekannten.” [the most distant acquaintance]. 26 Of course, there is nothing unusual at all about communication between two friends assuming the form of letters. However, the notion of such a relationship being dependent upon one not sharing anything real about his daily existence with the other is completely absurd. Just as he had reported “no real information,” Georg relates only “bedeutungslose Vorfälle” [meaningless occurrences] (DL 47), which might at first appear to contradict the idea that Georg does not report anything about his material existence to the unnamed friend. Yet these meaningless occurrences do not consist of observations about empirical reality at all. Instead, these anecdotes are of the type “[die] sich, wenn man an einem ruhigen Sonntag nachdenkt, in der Erinnerung ungeordnet aufhaufen” [that, as one is thinking over things on a peaceful Sunday, accumulate randomly in one’s memory] (DL 47), which is to say that these occurrences are products of Georg’s imagination. The incidents he describes in the supposed letters are “meaningless” for the simple reason that they do not consist of any real events. They are only musings, the contemplation of which transports Georg into the pleasant, waking dream state in which he is depicted at the beginning of the story. The text also contains a subtle allusion to the author’s own biography that strongly suggests Georg is engaged in the writing of fiction. This reference appears in a passage in which, for reasons that go unexplained, the protagonist writes to the friend about “die Verlobung eines gleichgültigen Menschen mit einem ebenso gleichgültigen Mädchen dreimal in ziemlich weit auseinanderliegenden Briefen” [the engagement of an unimportant person to an equally unimportant young woman three times in letters spaced quite widely apart] (DL 47). The fact that the unnamed man and woman are unimportant naturally leads one to ask why Georg would take the time - on three separate occasions, no less - to report on the lives of people so uninteresting and inconsequential. However, it soon becomes apparent that the man and woman of the three letters in question are each described as “unimportant” because they are not real. Which is to say: they do not exist outside the fertile imagination of the would-be writer Georg Bendemann. In addition, the fact that Georg describes an impending marriage in three widely separate letters serves as a playful allusion to a project the author had taken up on three separate occasions between the years 1906 and 1908, entitled Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande [Wedding Preparations in the Country]. In this story fragment, Kafka had based the last name of his protagonist, Raban, on the name Kafka, just as he had based the first half of Georg’s family name, “Bende,” on the name Kafka. 27 Other examples where Kafka includes phonetic and etymological allusions to his own name in his works are well-known, I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 125 such as in the cases of Gregor Samsa of Die Verwandlung [The Metamorphosis] and K� of Das Schloss [The Castle]. Other examples are less well-known, such as Franz Butterbaum and Onkel Jakob of Der Heizer / Der Verschollene [The Stoker / The Man Who Went Missing]� 28 What all of these examples go to show is that Kafka was by no means averse to incorporating references to himself and the contemporaneous events of his own life in his fictional writing. This autobiographical element of Das Urteil is perhaps nowhere more apparent than in the depiction of the peculiar relationship Georg shares with his father. As with Georg’s role in the family business, Georg’s relationship to his father is radically more limited than it initially appears to be. Prior to their confrontation, the reader assumes (and is led to believe) that father and son enjoy a more-or-less normative, functional relationship, which is exactly why the father’s sudden condemnation of his son’s conduct and ensuing judgment come as such a shock. After all, have the two men not been living and working together for years under one roof? What is more, one assumes the untimely death of the mother would only bring the widower and his son closer together. A closer inspection of the narrative, however, indicates that father and son are completely alienated from one another. For example, the text states that Georg had not stepped inside his father’s room in months, but then hastens to add: “Es bestand auch sonst keine Nötigung dazu, denn er verkehrte mit seinem Vater ständig im Geschäft” [There was also no need, since he constantly interacted with his father in the business] (DL 49). Again, if we treat the text as Georg’s testimonial, we find Georg trapped in another outright lie, for it is impossible for him to have associated “constantly…in the business” with his father if he is spending most of the time locked in his room� Recall that Georg had even instructed the father to tell anyone requesting to see his son during business hours that Georg was unavailable. Hence, when the father mocks Georg with the words “[N]iemand soll stören, der Chef ist beschäftigt,” he is merely repeating an excuse he has had to make time and again in his son’s absence. The possibility of the two figures conferring with one another on a regular basis in the business is, therefore, precluded. Alongside this falsehood, other details contained in Georg’s account are intentionally and demonstrably misleading. Such is the case, for instance, with the description of the two men’s mealtime habits. According to the text, Georg and his father eat lunch at the same time in the same locale, a fact which would lead the undiscerning reader to assume that the two men use the opportunity to discuss the events of the day. However, the text contains no mention of any conversation ever taking place between the two: “Das Mittagessen nahmen sie gleichzeitig in einem Speisehaus ein” 29 (DL 49). In other words, their mealtimes and choice of dining locale coincide, but that is all: gleichzeitig [simultaneously] is not the same as zusammen [together]� In the same way, father and son each 126 Charles H. Hammond, Jr. makes his own dinner arrangements, “jeder nach Belieben” [each as he wished] (DL 49), a clear sign that neither feels under any obligation to provide a meal for - much less spend time with - the other. Following the evening meal, the two sometimes sit in their shared living room for a short while, but even for this limited period of time the attention of each man is directed at his newspaper (DL 49)� 30 And even this fleeting interaction - if one can call it that - represents the exception rather than the rule, as Georg spends most of his evenings either “mit Freunden beisammen” [together with friends] or calling on “seine Braut” [his bride] (DL 49). This peculiar living and working arrangement is not unlike that which existed between Kafka and the father in whose home he lived “fremder als ein Fremder” [stranger than a stranger], as Kafka himself put it in his diary (T 580). What is more, Kafka exchanged, by his own admission, “kaum jemals mehr als Grußworte” [seldom more than words of greeting] with his father (T 580), a real-life status quo that accounted, in least in part, for Kafka’s conspicuous avoidance of the family business despite the fact that the two men lived under one roof� As he recounts in the Brief: “Ich leugne auch nicht, daß es möglich gewesen wäre, daß ich die Früchte Deiner großen und erfolgreichen Arbeit wirklich richtig hätte genießen, verwerten und mit ihnen zu Deiner Freude hätte weiterarbeiten können, dem aber stand eben unsere Entfremdung entgegen” 31 (NSF II 171). This tragic state of mutual estrangement is recreated in the fictional daily routine of father and son in the Bendemann household� To this point, I have established that the contact between Georg and his father is minimal� Whether at work or at leisure, George goes out of his way to avoid contact with the old man. The two do not even interact during meals. Separated by their respective stations in the life cycle, the two figures are also separated by their priorities. The father has devoted his life to maintaining a business in support of a family that, in the wake of the mother’s passing, amounts to one fully grown, financially dependent son. This son, who is derelict in his duties at work, hides behind the professional identity of entrepreneur. To put it bluntly, Georg is living a lie. Little surprise, then, that the lack of integrity that characterizes his professional identity as businessman should extend to his private identity as husband-to-be, as well. And just as the father mocks Georg’s failure to take his work seriously, he exposes, in the same breath, Georg’s lack of seriousness toward the prospect of marriage. In this context, Old Bendemann indicts his son on two counts. First, he accuses Georg of having been lured into marriage through sex: “Weil sie die Röcke gehoben hat,-… [w]eil sie die Röcke so und so und so gehoben hat, hast du dich an sie herangemacht” (DL 57). 32 As with the rest of the father’s accusations, this one initially seems nonsensical. After all, the credentials of the young lady in question, Frieda Brandenfeld, seem impeccable: she is “[ein] Mädchen aus wohlhabender Familie” [a girl from I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 127 a well-to-do family] (DL 47), a fact the text underscores by reporting it twice. 33 Yet here again subtle clues buried within the story show that Old Bendemann is hardly imagining things� Georg writing the fateful letter to the “friend.” (Artist: Robert Crumb) Recall that Georg at first attempts to keep secret from his friend the news of his upcoming nuptials. However, when Frieda learns of Georg’s unwillingness to notify the friend, she suddenly balks at the prospect of marriage, declaring: “Wenn du solche Freunde hast, Georg, hättest du dich überhaupt nicht verloben sollen” 34 (DL 48). And even then, despite the implicit threat in Frieda’s statement - if you do not tell the friend, I will not marry you - Georg remains stubbornly intent on withholding the news� It is only later, during sexual intercourse, that Georg reluctantly accedes to his bride’s demand: “Und wenn sie dann rasch atmend unter seinen Küssen noch vorbrachte: ‘Eigentlich kränkt es mich doch,’ hielt er es wirklich für unverfänglich, dem Freund alles zu schreiben” (DL 48, my emphasis). 35 The clues that suggest the two are engaged in the sex act are easily overlooked. However, it is difficult to explain why else Frieda would be breathing heavily, the reason for which is never made explicit. Coupled with the fact that she finds herself under the kisses of her lover while out of breath, however, makes clear enough what is taking place. And again, when confronted by the father with the charge that he has only decided to marry in order to maintain the actively sexual relationship he enjoys with Frieda, Georg is unable to say anything on his own behalf. Then again, how could he? The father 128 Charles H. Hammond, Jr. is right, as the description of the old man immediately following this episode makes unequivocally clear: “[Der Vater] strahlte vor Einsicht” 36 (DL 57). If the story is narrated from Georg’s perspective - and it is - then it is also Georg who is relating, subjectively, the reason for the father’s jubilant display: namely, Einsicht, in-sight. To Georg’s mind, Old Bendemann revels triumphantly in his ability, undiminished with age, to peer through the son’s elaborate façade and apprehend the truth. A passage from the first version of Kafka’s “Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande” (1907) anticipates the father’s flash of insight. In the fragment, which likewise describes a young man’s reluctant path to marriage and is likewise narrated in free indirect discourse, the protagonist Raban reflects on the psychological and emotional necessity of regarding one’s life at a remove, observing: “[S]olange Du ‘man’ sagst an Stelle von ‘ich,’ ist es nichts und man kann diese Geschichte aufsagen, sobald Du aber Dir eingestehst daß Du selbst es bist, dann wirst Du förmlich durchbohrt und bist entsetzt” (Nachgelassene Schriften und Fragmente I, 14)� 37 I submit here that Raban’s feeling of being “durchbohrt” (literally: “bored-through”) is precisely what Georg feels standing before his father, who demonstrates his powers of Einsicht in response to his son’s stated intention to marry. This reading finds more explicit support in the father’s declaration, made shortly after he leaps onto the bed, that he can literally see through the son: “Aber den Vater muß glücklicherweise niemand lehren, den Sohn zu durchschauen” 38 (DL 56; my emphasis). The father alone knows that Georg possesses neither the motivation to work nor the will to marry; that the son’s public identity bears little resemblance to the private reality; and that Georg remains as dependent as ever upon the father’s generosity and goodwill. In subsequent remarks on the story, Kafka even calls attention to the protagonist’s helpless condition, observing: “[Georg hat] selbst nichts mehr […], als den Blick auf den Vater, [deshalb] wirkt das Urteil, das ihm den Vater gänzlich verschließt so stark auf ihn” 39 (T 492). The fact that the father’s judgment would mean so much to Georg may initially seem counterintuitive, since the son is a grown man and the interaction between the two figures is, as I have shown, so minimal. However, Kafka’s comments on the story make clear that Georg still holds the father in high esteem, which in turn suggests the son harbors a highly conflicted and ambivalent view towards the older man that can be summarized as follows: on the one hand, the son’s conspicuous avoidance of all but the most perfunctory contact with the father imply feelings of contempt and even hatred; on the other hand, the notion that the gaze at the father is all Georg has left betray long-suppressed feelings of admiration and even love for Old Bendemann, who - as a hardworking entrepreneur, husband and father - embodies a bourgeois, masculine ideal to which the son can never hope to aspire. Rather, I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 129 Georg can only pretend to be like his father, in a vain attempt to deceive others, and in particular himself. As Kafka observed, Georg “glaubt den Vater in sich zu haben,” 40 but, as Old Bendemann makes explicit on several occasions during the confrontation, Georg lacks the essential traits that would make him an heir worthy of the name (T 491, my emphasis). The father, after all, is and always has been the hardworking breadwinner, the one whom Georg admires, the entrepreneur, husband and paterfamilias. Georg, by contrast, is none of these things. At work he is shiftless, while in his private life he evinces no real desire to start a family but instead remains a slave to his own libido, coaxed into marriage. The desire to emulate his father nonetheless endures, as evinced by Georg’s ill-fated attempt to take his father’s place despite lacking the will, the ability and, hence, the right to do so� 41 Before approaching Old Bendemann with the news that he is sending off the letter - an act which would symbolically mark his replacement of the father as head of household - Georg cannot rid himself of a sense of foreboding. Georg’s trepidation is manifest, for example, in his stubborn reluctance to agree to his fiancée’s demand that he write to the friend with the news of the wedding. His uneasiness is likewise evident in the inordinate amount of time he spends in his room staring out the window after having penned the fateful letter. The most revealing sign of Georg’s fear of approaching his father, however, is contained in a subtle gesture he makes just as he states his purpose for entering the father’s domain: “Ich wollte dir eigentlich nur sagen,” fuhr Georg fort, der den Bewegungen des alten Mannes ganz verloren folgte, “daß ich nun doch nach Petersburg meine Verlobung angezeigt habe.” Er zog den Brief ein wenig aus der Tasche und ließ ihn wieder zurückfallen. (DL 50, my emphasis) 42 Note how the gesture is at complete odds with the intended meaning of Georg’s speech. The dichotomy results from the fact that in Kafka the mind often lies, but the body never does. 43 Nowhere is this observation more in evidence than in the excerpt quoted above, a passage which, as a closer reading will reveal, is heavily laden with meaning. Standing before the father, Georg lifts the letter with his fingers but instead of withdrawing the object completely from his pocket lets it instead fall back, in a gesture which stands as a concrete metaphor for the protagonist’s own hesitancy and lack of will. Georg’s inability to arrive at and follow through with a decision on his own forms the basis of his guilt, as the father makes explicit just before issuing his decree: “Wie lange hast du gezögert, ehe du reif geworden bist” 44 (DL 60). Once again, the reader has no choice but to acknowledge the truth of the father’s statement. As we have seen, Georg has shirked his responsibilities at work, has avoided contact with 130 Charles H. Hammond, Jr. the father whenever possible (and, by extension, the self-assessment any kind of meaningful contact with the father would entail) and has repeatedly put off sending the letter to the friend until Frieda finally issues an ultimatum. Even now, Georg approaches his father not because he wishes to announce the letter has been sent, but because he is seeking the father’s approval, as he is unable to act on his own. Old Bendemann is no fool and immediately identifies the son’s true motive, observing (not asking): “Du bist wegen dieser Sache zu mir gekommen, um dich mit mir zu beraten” 45 (DL 51). The father knows, in other words, that the son’s stated reason is a false one, just as he knows everything about his son’s life amounts to little more than a carefully crafted falsehood. While there is not yet any anger in his voice, the father shows from the outset that while Georg has been able to deceive others, the father is never and has never been under any illusions about his son’s intentions. Here again, Georg’s gesture serves as a fitting metaphor for this cat-and-mouse game he plays with the father. Georg has the temerity to enter his father’s room and announce the notification of the friend as a fait accompli, which it quite obviously is not. The letter never leaves Georg’s pocket and never will. The son’s supposed reason for seeking out the father, therefore, is only a clumsily transparent attempt at deception, since he has notified exactly no one. So while Georg’s utterances are intentionally misleading, his gestures are un-intentionally sincere. The letter remains in the son’s pocket and - just in case the father missed it - Georg absentmindedly lifts it out of its pouch where it becomes temporarily visible. Georg lets go of the letter, allowing it to slide back into the pocket where, one presumes, it is more or less physically concealed, but the father (and the reader) knows the letter has gone nowhere. Thus, what Georg had conceived as a resolute declaration before the father of the arrival of a new era, one in which the father would occupy a dependent and the son an independent role, is reduced from the very beginning to a tragicomic farce. As I have asserted previously, Georg’s “crime” lies in his chronic indecision. In his vain attempt to win the father’s approval, Georg does not look at the father resolutely, as one might expect from a young man about to assume the duties of marriage and fatherhood. Instead, he gazes “ganz verloren” 46 at his father’s movements, in what instead emerges as a rather pathetic display of helplessness. As Georg lifts the letter out of the pocket he knows, psychologically speaking, that he lacks the strength to bear the weight of the words contained therein. He cannot endure the gravity of the obligation that the words on the page represent. What is more, by briefly clasping the letter and lifting it slightly, only to let it drop down again, Georg unwittingly anticipates his imminent fall into the river, which is similarly depicted as a grasp followed by an unconscious release: “Noch hielt er sich mit schwächer werdenden Händen fest, (…) und ließ I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 131 sich hinabfallen” 47 (DL 61). I am compelled here to point out that Georg does not - as is so often and erroneously claimed - jump into the river. 48 Instead, he swings himself over the railing and clings desperately to it “wie ein Hungriger die Nahrung” 49 (DL 61) and only lets go when all physical strength leaves him, the “zurückfallen” [falling back] of the letter into the pocket foreshadowing the “hinabfallen” [falling off] of the protagonist into the river. “Schon hielt er das Geländer fest, wie ein Hungriger die Nahrung.” (Artist: Robert Crumb) While marking the decisive breakthrough in Kafka’s creative development, Das Urteil also represents the culmination of literary experiments that preceded it. Such is the case, as I explained previously, in the figure of Raban, who is able to displace himself by viewing his predicament in the third person. However, the moment this train of thought shifts to the first person, he feels “seen through” or “bored through.” When we consider the brief gesture Georg makes with the letter in his pocket, we find a similar dynamic at work: here again, what Kafka had previously made explicit in his earlier, fragmentary attempts at writing is made implicit in his first complete short story. Prior to Das Urteil, Kafka had, on at least seven occasions over the course of a year, jotted down the following sentence (or some facsimile thereof) in his journal: “Bei dem plötzlichen Reden flog mir etwas Speichel als schlechtes Vorzeichen aus dem Mund” (T 30). 50 Kafka’s repetition of this sentence in the space of so many months strongly suggests that, on the one hand, Kafka was intrigued by the idea of the body as 132 Charles H. Hammond, Jr. a repository of knowledge. On the other, something about the sentence clearly fell short of his expectations, hence its replication in different forms. In all the iterations of the sentence, however, the phrase “als schlechtes Vorzeichen” [as a bad omen] remains constant. By - at the very latest - the writing of Betrachtung [Contemplation] (1912), 51 one finds Kafka’s texts no longer interpret gestures for the reader. Instead, as Walter Benjamin has pointed out, each gesture has become “ein Vorgang, ja man könnte sagen ein Drama, für sich” 52 (536)� In the case of Das Urteil, Georg’s momentary lifting and dropping of the envelope into his pocket appears - but is not explicitly identified - as just such a “schlechtes Vorzeichen.” Only when Georg drops himself (“ließ sich hinabfallen”) into the river in the same manner he drops the letter (“ließ ihn wieder zurückfallen”) into his pocket does the powerful symbolic significance of the gesture become manifest. “Er zog den Brief ein wenig aus der Tasche und ließ ihn wieder zurückfallen.” (Artist: Robert Crumb) Critics have long noted that gestures in Kafka frequently conflict with the subject’s intentions. Adorno, for example, has observed how gestures serve as counterpoints to words (“setzen- … Kontrapunkte zu den Worten”) in Kafka’s fiction (22). Similarly, Jörg Häntzschel has pointed out that Kafka’s gestures often take center stage, to the point that the momentum created by the gesture can eclipse the momentum of the plot: “[die] Gebärden-… treten an die Stelle von Handlungen und werden dabei durch ihre Darstellung so transformiert, daß ihr Handlungsmoment hinter dem Ausdrucksmoment verschwindet” 53 (164)� However, in the case of Georg’s brief lifting and letting go of the letter, we find I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 133 almost the opposite phenomenon at work: the protagonist’s words, upon scrutiny, actually conform with the gesture. Both Georg’s speech and body language betray self-doubt and, with it, consciousness of guilt. If Georg’s guilt lies in his chronic indecision, then both his verbal and physical tics indicate awareness of his own culpability. To illustrate my meaning, it is necessary to again recall the passage in question: “Ich wollte dir eigentlich nur sagen,” fuhr Georg fort, der den Bewegungen des alten Mannes ganz verloren folgte, “daß ich nun doch nach Petersburg meine Verlobung angezeigt habe” (DL 50). As is so often the case with this story, what appears on the surface to suggest one meaning turns out, upon closer inspection, to point to its opposite. Superficially, Georg’s announcement appears to show resolve. But does it really? After all, Georg cannot bring himself to mention his friend. Instead, he can only refer to him euphemistically as “Petersburg.” In the same way, the inclusion of the particle “doch” points to Georg’s prolonged struggle to arrive at a decision. Even Georg’s claim that he wanted (wollte) to make this announcement is quite obviously false, as evinced by the completely forlorn (ganz verloren) gaze he casts in his father’s direction� Even worse, the notice of engagement that Georg declares he has already sent has not been sent at all. The father bears stoic witness to Georg’s play-act and surmises, quite correctly, that his son has come seeking advice because he knows that Georg, though a grown man, is incapable of arriving at a decision on his own. The vacillation in Georg’s speech finds its perfect complement in his gesticulation. By partially withdrawing the letter from his pocket only to drop it back in, Georg’s hand movements act out the protagonist’s agonizing hesitancy. At the same time, Georg’s gesture encapsulates, with uncompromising clarity, both the protagonist’s offense as well as the punishment that will soon result from it� In this paper I have sought, first and foremost, to rehabilitate the figure of the father in Kafka’s Das Urteil in order to show that he is neither senile nor insane, and that his criticisms of the son’s lack of commitment to his profession and to the institution of marriage are well-founded� In this sense, a statement Kafka makes in his diary nearly a year after composing Das Urteil could just as easily have come from Georg’s lips, were he only being honest with himself: “Eine Ehe könnte mich nicht verändern, ebenso wie mich mein Posten nicht verändern kann” (T 581). 54 This observation aligns well with the father’s accusations regarding his son’s unwillingness to devote himself to the foundational middle-class institutions of work and family� Georg does not deny these charges in the least and indeed, closer inspection of the story confirms the substance of the father’s allegations. For his part, Georg exhibits consciousness of his own guilt in a variety of ways I have attempted to elucidate here. I arrive at my conclusions by treating the story as the protagonist’s testimony, an aspect of 134 Charles H. Hammond, Jr. the story very often obscured by the fact that it is narrated in the third person. This third-person narrative lulls the unsuspecting reader into lending too much credence to Georg’s self-accounting. At the same time, some of these overly credulous readers are at a loss to explain why the conclusion of Das Urteil seems, somehow, so fitting. Pettersson, for example, admits to finding the story “strangely liberating” (57). David Pan goes so far as to attribute “the popularity of ‘The Judgment’ [to] the unexplainable intuition that the suicide is a logical consequence of what has gone before” (156). Similarly, Flores suggests that “the issue of the story seems to lie in Georg’s recognition that his father’s words are just and sensible and, in their self-evidentness, unbearable” (38). But can our “intuition” really not be explained? Do the father’s words merely seem “just and sensible”? As I have attempted to explain, the justice of the father’s claim is borne out by a thorough examination of Georg’s version of events, an account which is predictably self-serving. By paying special attention to the many contradictions (think Georg’s shoddily-constructed house), exaggerations (his supposed financial success), omissions (his extremely limited interaction with his father, or the sexual relationship he shares with his fiancée) and even verbal and physical idiosyncrasies (his announcement before the father, the hesitant gesture) - in short, by interrogating Georg as a kind of hostile witness - we are able to arrive at a facsimile of the truth that bears little relation to commonly received notions about this cryptic, yet fascinating tale. Of course, Max Brod effectively warned us this would be the case when he introduced us “zu dieser auf den ersten Blick psychoanalytisch klar scheinenden, aber schon auf den zweiten und dritten Blick sich wieder verschleienden Geschichte” 55 (114) in his biography of Kafka. Very little about this canonical work, in other words, is what it initially appears to be, but, by weighing its claims against all available evidence, we are able to avoid the pitfalls of naiveté against which Brod implicitly cautions us� Notes 1 “Indeed, the most widespread individuality of writers is evident in the way each conceals his negative side.” To Ernst Rowohlt, 14 August, 1912, approximately a month prior to writing Das Urteil. This and all subsequent translations are my own� 2 Subsequent references to this volume are abbreviated as DL� 3 “If the father, the ‘comedian,’ never stops play-acting with Georg, the ‘joker,’ why should the sentence and its execution not also be a play-act? ” 4 See also Thiher 37: “The third person narration in ‘The Judgment’ seems to coincide with the restricted field of consciousness of the protagonist, I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 135 Georg (…). The story appears to present an objective narration in which the representation given to the reader by a neutral or absent narrator seems to coincide with Georg’s own representation of his situation.” Martin Greenberg goes a bit further when he asserts that “to experience the story you have to read it from inside, standing in Georg’s shoes” (Greenberg 8). See also Ruf on the coincidence of Georg’s knowledge with the reader’s, with consequences for the interpretation of the story (24). 5 the portrait of a young man whose successful life crumbles in a matter of minutes and who commits suicide at his father’s command 6 one of the low, poorly constructed houses extending in a long row … almost indistinguishable from each other except for their height and color 7 He still worked in the business. 8 Perhaps while his mother was still alive, his father’s unwillingness to accept any point of view in the business other than his own had prevented Georg from developing a real project of his own; perhaps his father, since his mother’s death, had grown slacker, although he still worked in the business; perhaps fortunate circumstances had played a much more important role - something which was, in fact, highly probable … . 9 That’s the reason you lock yourself in your office—no one is allowed to disturb you, the boss is busy — just so that you can write your false little letters to Russia 10 Georg Bendemann, a young merchant, was sitting in his own room on the first floor […]. He had just finished a letter to a childhood friend of his who was now living abroad, had put it into its envelope in a slow and playful fashion, and with his elbows propped on the desk was gazing out of the window at the river, the bridge and the hills on the farther bank with their faint green� 11 So all this did not come from excessive work, as you always imagine to be the case. There were years in which, in perfectly good health, I lazed away more time on the sofa than you in all your life, even taking illnesses into account. When I would rush away from you, terribly busy, it was generally in order to lie down in my room. The total amount of work I’ve completed, both at the office (where laziness is, of course, not as easy to spot, and besides, my own was kept within bounds by my anxiety) and at home is miniscule; if you had any real idea of it, you’d be appalled. 12 when I would rush away from you, terribly busy 13 No one is allowed to disturb you; the boss is busy. 14 in a self-negating, hallucinatory, yet focused and deliberate state of mind 15 the frightful image of his father 136 Charles H. Hammond, Jr. 16 the portrayal of my dreamlike inner life. (Subsequent references to this volume are abbreviated as T.) 17 The next concrete result of this whole method of upbringing was that I fled everything that even remotely reminded me of you� First, the business� 18 You then tried (today this seems to me both touching and shameful) to extract, nevertheless, some little sweetness for yourself from my dislike of the business, of your achievement - a dislike that was after all very painful to you - by asserting that I had no business sense, that I had loftier ideas in my head, and the like� 19 You’re indispensable to me in the business, you know that very well, but if the business were to threaten your health, I would close it down permanently from one day to the next 20 “Ah, Georg! ” said the father and approached him right away. His heavy night shirt opened up and flapped around him as he moved 21 “My father is still a giant,” Georg thought to himself. 22 His father cleared off the breakfast dishes and put them on a chest. 23 See Charles H. Hammond Jr., “Not a Room but a Womb: The Birth Metaphors of Kafka’s Das Urteil.” Germanisch-Romanische Monatsschrift 66. 1 (2016): 61—79. 24 This and all subsequent illustrations reproduced with permission of the artist� 25 Just … as Kafka acts in relation to the dream the reader ought to act in relation to Kafka. Namely, by adhering to the incommensurable, opaque details, the blind passages. 26 Sokel is understating the case when he observes that “Georg omits from [the letters] the essential truth of his present life” (205). As the text makes clear, Georg omits all truths - significant and insignificant alike - from his writing� 27 See Goodbody 260: “Kafka’s final complex of animal imagery includes the jackdaw, raven, blackbird and crow. He saw himself associated with the jackdaw through the meaning of his family name (spelled kávka) in Czech: his father’s haberdashery shop used the jackdaw as a symbol. Kafka’s Hebrew first name, Anschel, was also understood by many Eastern European Jews as a Hebraicised version of Amsel, the German for blackbird. In the early story ‘Wedding Preparations in the Country,’ the autobiographically coloured protagonist bears the name ‘Raban,’ echoing the German word for ‘raven.’” See also T 492: “Georg hat soviel [sic] Buchstaben wie Franz. In Bendemann ist ‘mann’ nur eine für alle noch unbekannten Möglichkeiten der Geschichte vorgenommene Verstärkung von ‘Bende.’ Bende aber hat ebensoviele Buchstaben wie Kafka und der Vokal e wiederholt sich an den I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 137 gleichen Stellen wie der Vokal a in Kafka.” [“Georg” has the same number of letters as “Franz.” In “Bendemann,” the “mann” is only one augmentation of “Bende” for all yet unknown possibilities in the story. But “Bende” has just as many letters as “Kafka,” and the vowel e is repeated in the same places as the vowel a in “Kafka.”] 28 See Hammond, Soldier 60—61. 29 They took their midday meal simultaneously in an eatery. 30 See also Sokel 212� 31 Nor do I deny that it might have been possible for me to really enjoy the fruits of your great and successful work; that I could have turned them to good account and, to your joy, continued to work with them; but here again, our estrangement stood in the way� 32 Because she lifted her skirts … because she lifted her skirts like this, like this and like this you came onto her. Charles Bernheimer’s assertion that the father “reviles the sons’ [sic] sexuality as mere animal lust” is misleading (Bernheimer 158). Rather, the father is exposing the son’s inability to distinguish between animal lust and the desire to marry and settle down. He is also condemning “Georg’s susceptibility to his fiancée’s attractions” (Flores 51)� 33 The fact that Frieda is from a well-to-do family is repeated on the page following the initial mention in a letter to the friend (DL 48). 34 If you have friends like that, Georg, you should never have gotten engaged in the first place. 35 And then when she, breathing rapidly under his kisses, insisted, “Still, it really does upset me,” he decided it would not hurt to write the friend about everything. Kurz is one of the few commentators who notes Frieda’s blackmail of Georg, observing: “Den Brief mit der Ankündigung schreibt er gezwungenermaßen” [He writes the letter with the announcement under duress] (169). However, Georg is not forced, per se. Rather he lacks, much as the father states, the ability to impose his will on his own libido. 36 The father beamed with insight. 37 And so long as you say “one” instead of “I,” there’s nothing in it and one can easily tell the story; but as soon as you admit to yourself that it is you yourself, you feel as though you are pierced and are horrified. (The quote appears only in “Fassung A,” the first version of the fragment.) 38 But fortunately no one has to teach the father how to see through the son� 39 Georg has nothing more … than the gaze at the father, for this reason the stark judgment that the father passes upon him has such a strong effect on him� 40 believes he has the father inside him 138 Charles H. Hammond, Jr. 41 Note that Kafka harbored just such contradictory feelings toward his own father, a man whom he, at turns, both admired and hated. In a 1913 letter to Felice Bauer, for example, he elaborates: “Sagte ich Dir schon einmal, dass ich meinen Vater bewundere? Daß er mein Feind ist und ich seiner, so wie es durch unsere Natur bestimmt ist, das weißt Du, aber außerdem ist meine Bewunderung seiner Person vielleicht so groß wie meine Angst vor ihm” [Did I already tell you that I admire my father? You know that he is my enemy, and I his, as our nature determines it, but my admiration for his person is perhaps as great as my fear of him” (Briefe 1918—1920 239)� 42 “I actually just wanted to say,” continued Georg, who, completely forlorn, followed the old man’s movements, “that I’ve just notified Petersburg about my engagement after all.” He pulled the letter a little way out of his pocket and let it fall back again� 43 I am stating my own view here� For a thorough examination of the meaning of gestures in Kafka’s works, see Isolde Schiffermüller, Franz Kafkas Gesten (Tübingen: Francke, 2011). 44 How long you’ve hesitated before reaching maturity. 45 You’ve come to me to seek advice on this matter. 46 “completely forlorn” and / or “completely lost” 47 He still held on with hands that were becoming increasingly weak … and let himself drop. 48 To cite just three examples, see Corngold 46: “When the son leaps to his death by drowning (…). Also Flores 41: “And when in the end he leaps into the river (…).” Also Berg 168: “Georg stürzt hinaus und ertränkt sich durch einen Sprung von der Brücke über dem Fluß.” [Georg rushes out and drowns himself by (taking) a leap from the bridge over the river.] 49 like a hungry man to sustenance� 50 “Talking suddenly caused some spit, as a bad omen, to fly out of my mouth” (T 112). The other five instances of this passage appear on pp. T 128, T 129, T 141 (in two separate entries) and T 143 as part of the short story fragment “Der kleine Ruinenbewohner.” 51 See Alt 324: “Nachdem die Prosa der Betrachtung, wie Benjamin vermerkt, ein allgemeines, noch sehr weitläufiges ‘Inventar der Gesten’ erschloß, gewinnen die Gebärden im Urteil als komplementäre Zeichen für Macht und Ohnmacht einen genau festgelegten Sinn.” 52 a process, one could even say a drama in itself 53 Gestures … replace the plots and are transformed by their depiction in such a way that the momentum of the plot disappears behind the momentum of expression. I Witness Testimony: Assigning Guilt in Franz Kafka’s Das Urteil (The Judgment) 139 54 A marriage could not change me, just as my position at work cannot change me. (Entry dated 21 August 1913) 55 to this story which at first glance seems quite clear from the psychoanalytic perspective, but which, when you take a second and third look becomes more and more veiled in its meaning Works Cited Adorno, Theodor W. “Aufzeichnungen zu Kafka.”-Kulturkritik und Gesellschaft I. Ed� Rolf Tiedemann. Frankfurt: -Suhrkamp, 1977. 254—87. Alt, Peter André. Franz Kafka: Der ewige Sohn: Eine Biographie� Munich: Beck, 2005� Beck, Evelyn� Kafka and the Yiddish Theater: Its Impact on His Work. Madison: U of Wisconsin P, 1971. Benjamin, Walter. “Franz Kafka zur zehnten Wiederkehr seines Todestages.” Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit und andere Schriften� Frankfurt am Main: Zweitausendeins, 2011. 528—551. Berg, Walter Bruno� Der literarische Sonntag: Ein Beitrag zur Kritik der bürgerlichen Ideologie. Heidelberg: Winter, 1976. Berman, Russell A. “Tradition and Betrayal in ‘Das Urteil.’” A Companion to the Works of Franz Kafka. Ed. 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Das sektiererische Klima, das sich im „roten Jahrzehnt“ der 1970er Jahre in einer verblüffenden (heute großteils vergessenen oder verdrängten) Dominanz neo-marxistischer oder orthodox-kommunistischer Gruppen in Universitäten, Schriftstellerverbänden, Theatern usw. zeigte, wurde begleitet und übertrumpft durch das Realdrama eines Linksterrorismus, der (auch in seinem künstlerischen Nachhall bis heute) das Zeug zu einem deutschen Mythos eigener Art trug und trägt. Nüchterner betrachtet, war es eine kathartische Krise der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft im Ganzen. Keywords : 1968, Generationskonflikt, Kulturrevolution. „Ende der Literatur“, Rotes Jahrzehnt, Terrorismus, deutscher Mythos In Hans-Magnus Enzensbergers späterer Rückschau auf den „Tumult“ von 1968 lag das „Utopische dieses Moments“ darin, „dass die unbewaffnete Produktivität des Künstlers […] ihre Entsprechung im tausendfältigen Rumor einer ganzen Nation“ gefunden habe (Enzensberger/ Sievers 23). So unbestimmt wie das Wort „Rumor“, worin Geräusch und Bewegung sich paaren, war die Sache selbst. Tatsächlich bleibt „1968“ unter den wichtigen historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts das am wenigsten greifbare. Natürlich war es ein bewegtes und bewegendes Jahr. Und doch wäre es ziem- 142 Gerd Koenen lich schwierig zu sagen, inwieweit es dramatischer gewesen ist als irgendein anderes Jahr des letzten Jahrhunderts. Warum hat es sich dann aber im kulturellen Gedächtnis so vieler - vor allem westlicher - Gesellschaften derart tief eingekerbt? Und welchen Sinn macht es, dieses magische Datum, diese Chiffre „1968“ mal als die Quelle aller möglichen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen zu denunzieren und mal als den Durchbruch aller möglichen Emanzipationen mit Zähnen und Klauen zu verteidigen? Die Rede ist von einem Ereignis, das sich eben nur als ein Kulminations- oder Schnittpunkt vieler längerer und sehr widersprüchlicher Entwicklungslinien beschreiben lässt: Auf der einen Seite die jähe Springflut einer „Revolution steigender Erwartungen“, ein Ausbruch erotischer Lebensenergien und halluzinatorischer Weltgefühle, die sich aus den gesteigerten Lebensmöglichkeiten und Wahrnehmungshorizonten dieses „Golden Age“ der Rekonstruktionsjahre speisten. Aber diese Euphorien waren untrennbar vermischt mit einer Flut apokalyptischer Stimmungen und hypochondrischer Zwangsgedanken, die einer scheinbar unmittelbar drohenden Wiederkehr von Krise, Krieg und Faschismus galten und eine Realität eigener Ordnung waren - nicht nur in Deutschland. Dabei war, was die Bundesrepublik betrifft, bei halbwegs nüchternem Urteil auch damals schon zu erkennen, dass die 1966 gebildete „Große Koalition“ aus Christ- und Sozialdemokraten einen ersten Bruch in der erdrückenden Kontinuität der „Adenauer-Ära“ bedeutete. Sie nahm eine Reihe überfälliger Reformen in Angriff, baute die sozialen Sicherungssysteme weiter aus und leitete erste Schritte einer „neuen Ostpolitik“ ein. Aber Nüchternheit war am wenigsten gefragt. Im Gegenteil, die westdeutsche (Teil-)Nation war in eine Phase kollektiver Selbst(er)findung eingetreten. Und das war in gewisser Weise eben eine künstlerische Situation, in der die Literaten und Künstler als Seismographen und Verstärker fungierten, noch bevor und erst recht nachdem der Rumor ganz an die Oberfläche getreten war. Die „Gruppe 47“, die sich seit ihrer Gründung 1947 stets als ein Forum einer kritisch-engagierten Intelligenz betrachtet hatte und 1963 vom CDU-Geschäftsführer als die „geheime Reichsschrifttumskammer“ einer linken Tendenzliteratur denunziert worden war, löste sich bereits im Oktober 1967 unter dem Druck der neu entstandenen linksradikalen Studentenbewegung auf. Demonstranten hatten vor der idyllischen Tagungsstätte „Pulvermühle“ in Sprechchören gerufen: „Dichter! Dichter! “ Das war jetzt ein Schimpfwort geworden - das die Angesprochenen sich allerdings in sehr unterschiedlicher Weise zu Herzen nahmen� Aber bevor wir über die Künstler und die Schriftsteller reden, noch etwas über dieses ominöse „1968“ selbst. Zu seinen Merkmalen gehörte das jähe, völlig 1968 als künstlerische Situation 143 unvermutete Aufschießen dieser Bewegungen. Eben noch hatten Linke wie Konservative in die Klage über eine unpolitische, auf Konsum und Karriere orientierte Jugend eingestimmt, wie sie auch durch eine Vielzahl jugendsoziologischer Erhebungen untermauert wurde, da führte irgendein, gar nicht notwendig dramatischer Anlass zum Ausbruch. Noch am 15. März 1968 hatte sich „Le Monde“ verwundert gezeigt, wieso ausgerechnet in Frankreich als dem Land der Revolution par excellence verschlafene Ruhe herrsche, während in den USA, in Deutschland, Italien und anderswo die Jugend auf den Barrikaden sei, und hatte gespöttelt: „Man hat es schon erlebt, dass Länder sich zu Tode gelangweilt haben.“ Zwei Monate später war Frankreich wie kaum ein anderes modernes Land in Friedenszeiten durch Studentendemonstrationen, Barrikaden in Paris und einen Generalstreik fast völlig zum Stillstand gekommen. Soviel ist, wenn man den Gleichklang der radikalen Jugendbewegungen in so vielen, ganz verschiedenen Ländern um das Jahr 1968 herum in den Blick nimmt, mit bloßem Auge zu erkennen: Im Kern muss es um einen außerordentlichen Konflikt von Weltkriegs- und Nachkriegsgeneration gegangen sein. Eine andere plausible Erklärung ist schwerlich zu finden. „Der Bruch zwischen den Erfahrungswelten der vor und nach dem Kriege Herangewachsenen war im Falle des großen Krieges der Jahre 1939-1945 besonders tief. Das gilt für weite Teile der Welt. Das gilt insbesondere für die Imperialländer Europas. Und das gilt in höchstem Maße für Deutschland.“ So der Kulturhistoriker und Soziologe Norbert Elias in seinen „Studien über die Deutschen“ (528). Der kleinste gemeinsame Nenner aller jugendlichen Renitenzen war vielleicht das Gefühl einer Entwertung der eigenen Existenz. Die Elterngeneration leitete aus den schweren Zeiten, die sie (gleich auf welcher Seite der Kriegsfronten) durchgemacht hatten, einen energischen Anspruch auf eine nachholende Gestaltung ihres Lebens nach ihren Vorstellungen her. Ihrem termitenhaften Aufbaufleiß, der sich im fanatischen Drang zum Eigenheim oder zum Automobil niederschlug und einen Karriereplan für ihre fleißig gezeugten Kinder (die „Babyboomer“) mitenthielt, entsprach geradezu spiegelbildlich der Drang der Nachkriegs-Generationen zur Schaffung eigener, scharf abgegrenzter Jugend-Subkulturen. Dabei wären die unpolitisch-hedonistischen Subkulturen der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre mit dem Prädikat „anti-autoritär“ womöglich sehr viel genauer bezeichnet als ihre politisierten Nachfolger. Sie, die „zornigen jungen Männer“ und „Halbstarken“, die „Teenager“ und „Twens“, die fast alle noch eine mehr oder weniger verschwommene Erinnerung an Kämpfe, Bombardements, Verwüstungen und Besetzungen hatten, waren vielleicht die ersten und eigentlichen Pioniere des Ausbruchs aus den Bigotterien der Nachkriegsjahre. 144 Gerd Koenen Umgekehrt wäre der sich steigernde Radikalismus der Jugend- und Studentenbewegungen von 1967/ 68 kaum zu verstehen ohne die heftigen Gegenreaktionen der jeweiligen Aufbaugeneration, die nicht nur ihre eigenen, noch längst nicht saturierten Lebensansprüche verteidigte, sondern die sich im Kern ihrer Lebensleistung gekränkt und getroffen fühlen musste. Ihre nach dem Krieg mühsam aufgebauten bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Existenzen wurden jetzt als wahre Spießerhöllen denunziert und die „autoritäre Kleinfamilie“ als der Hort eines alltäglichen Faschismus und einer permanenten Unterdrückung jugendlicher Lebenstriebe entlarvt. Es war eine Schaukel gegenseitiger Aggressionen und Entwertungen, die das übliche Maß generationeller Auseinandersetzungen immer zunehmend überstieg - zumindest in der Phantasie. Das beantwortet freilich noch nicht die Frage, warum eine sich als „anti-autoritär“ deklarierende Bewegung mit einem derart frenetischen Eifer auf die ideologischen Erbschaften und Ismen, Kostüme und Ikonen eines vergangenen Zeitalters zurückgriff. Kritische Gesellschaftstheorien, ästhetische und literarische Neuerungen, zeitgemäße Formen eines Jugendprotestes hatte es schließlich mehr als genug gegeben, und in ihnen hatte man sich oft gerade noch bewegt. Als „Beatnik“, „Gammler“ oder „Hippie“, als zorniger junger Mann à la James Dean oder als schwarz gekleidete Existenzialistin à la Juliette Gréco, als Ostermarschierer mit der Friedensrune am Parka und Bob Dylans oder Joan Baez‘ „We shall overcome“ auf den Lippen war man in die Bewegung hineingegangen. Mit Marx’ „blauen Bänden“ unterm Arm, Lenins Was tun? in der Tasche oder schon das „Rote Buch“ Maos schwenkend, kam man aus der Drehtür des Jahres 1968 wieder heraus� Wie aus dem Nichts, waren auf den Büchertischen plötzlich alle Revolutionstheorien des 20. Jahrhunderts im Angebot, als Reprints, Raubdrucke oder reguläre Neuausgaben. Darin einen bloßen, unbegreiflichen Rückfall in Dogmatismus und ideologischen Traditionalismus zu sehen, wäre zu wenig� Vielmehr war die Lektüre dieser längst esoterisch gewordenen, aber gerade deshalb wieder brandneuen Schriften aus einer vergangenen Epoche für die „Neuen Linken“ des Westens ein Akt der fortlaufenden forcierten Selbsterfindung. Man wollte „zurück zu den Quellen“, um in den theoretischen Texten der „Klassiker“ oder ihrer revolutionären Nachfolger Antworten auf eine beunruhigende „jüngste Vergangenheit“ zu finden, auf die Weltkriegsepoche mit ihren Verwüstungen und Massenmorden, in deren Schatten man aufgewachsen war; gleichzeitig aber auch auf eine von neuen kalten und heißen Kriegen, vor allem dem in Vietnam, gezeichnete Gegenwart. Letztlich suchte man sogar etwas wie das Bewegungsgesetz der menschlichen Geschichte überhaupt, das „was die Welt im Innersten zusammenhält“. 1968 als künstlerische Situation 145 In diesem faustischen Impuls lag der Zauber einer Lesebewegung, die mehr als ein Jahrzehnt anhielt und in deren Verlauf heute unvorstellbar gewordene Mengen an Lektüren, vielfach in Form von Raubdrucken, verschlungen oder „geschult“ wurden - auch dies ein Wort (Schulung), das eben noch völlig unbekannt gewesen war, nun aber zur selbstverständlichsten Sache der Welt wurde. Die aus Margarinekisten oder Brettern und Backsteinen errichteten Bücherwände in den Studentenbuden, WGs und Kommunen füllten sich bis zur Decke mit Büchern, Broschüren und Ordnern, bis sie Altären glichen, in denen das erst noch zu studierende Geheimwissen der Menschheit verborgen war. Diese ganze Art, wo man saß, ging oder stand, fast „besinnungslos“ zu lesen, schwerstkalibrige Wälzer in Tag- und Nachtschichten zu verschlingen (oder verbissen daran zu kauen), philosophische oder sozialhistorische Großsysteme zu rekonstruieren und ihre Sprachen autodidaktisch zu erlernen, so wie Computerkids es ein, zwei Jahrzehnte später mit esoterischen Programmiersprachen getan haben, überstieg schon jedes bestimmte Interesse an empirischen Verhältnissen, der eigenen Zeit oder der aktuellen Politik. Es trug einen weithin monologischen, fast autistischen Charakter und zielte weder auf Wissen noch Verstehen im engeren Sinne� Vielmehr steckte darin der Drang, ein noch unbestimmtes, fluktuierendes Welt- und Lebensgefühl in feste Metaphern oder Formeln zu gießen und sich so eine Gegensphäre der Theorie, der Geschichte, im Grunde aber: der Literatur zu schaffen. Es lag in der Logik dieser existenziellen Such- und Selbstfindungsbewegung, dass jede/ r nach und nach begann, ideologische Präferenzen zu entwickeln, da am Ende ja axiomatisch irgendeine „revolutionäre Praxis“ und Organisation stehen sollte. So wurde man je nach Temperament und persönlichem, oft ganz zufälligem Umfeld vom Sozial- oder Liberaldemokraten, engagierten Christen oder Freidenker, kritischen Kritiker oder hedonistischen „Anti-Autoritären“ zum selbstgebackenen Marxisten, und bald schon Leninisten, dann Trotzkisten oder Maoisten oder alternativ zum (oft ähnlich doktrinären) Anarchisten, Syndikalisten oder Spontaneisten. Wie in einer existenziellen „Urwahl“ à la Sartre schien (fast) jede/ r früher oder später für einen der verfügbaren großen Ismen einschließlich der so bezeichneten politischen Richtung optieren zu müssen. Entsprechend füllte man in informelle politisch-ideologische Blöcke gegliedert, die wie die Contraden beim Palio in Siena unter ihren jeweiligen Fahnen, Insignien oder Ikonen antraten, mit wachsender Militanz die Straßen der großen und kleinen Städte, die von den Sprechchören widerhallten. Dabei schwelgte man in der eigenen physischen Präsenz als einer jugendlichen, rebellischen Masse, der immer zunehmend auch die große Medienbühne gehörte. Mehr noch: Man war selbst eins der Treibmittel der visuellen Massenmedien, die sich 146 Gerd Koenen eben in dieser Zeit explosiv entfalteten und deren Kameras sich mit lüsternem Interesse an den Gesichtern, Körpern, Gesten der jungen Demonstrant/ inn/ en weideten� Auf Seiten der Protestierenden musste diese von ihnen produzierte Bilderflut wiederum das Gefühl potenzieren, Teil einer globalen, weltverändernden Aufbruchs- und Ausbruchsbewegung zu sein. Überall gärte es schließlich, von den USA über halb Europa bis nach Asien und Lateinamerika, und ebenso bis nach Warschau, Prag oder Moskau - und bis nach Shanghai. Diese jugendlichen Protestbewegungen hatten, so schien es, die Kraft, sogar die großen Machtblöcke zu transzendieren und die erstarrten Verhältnisse aller Länder zum Tanzen zu bringen. Völlig falsch war das nicht - aber dennoch eine Halluzination. Denn in Wirklichkeit lebten die Radikalen der verschiedenen Länder in vollkommen getrennten Welten. Und die emphatischste „Solidarität“ war oft nur eine Form des offensiven Desinteresses und der praktischen Entsolidarisierung. So sympathisierten viele neue Linke in der Bundesrepublik wie in anderen westlichen Ländern mit den „Roten Garden“ der chinesischen Kulturrevolution, die - so meinten sie zu wissen - das verknöcherte, „revisionistische“ Regime der alten Parteigarde durch einen wiederaufgefrischten Geist der direkten, revolutionären Massendemokratie gestürzt und ersetzt hatten. Mao-Buttons tauchten an tausenden Mützen und Revers auf. Dabei hätten schon die wenigen verfügbaren Bilder misstrauisch stimmen müssen: die aufgeputschten adoleszenten Massen, die alle dieselben roten Büchlein schwenkten, um wie in einem Hexensabbat nach den Worten ihres verhimmelten Großen Vorsitzenden die „Schlangengeister und Rinderteufel“ auszutreiben und allerhand „schwarze Elemente“ zu enttarnen, in den Reihen der „alten Kader“ wie auch in ihren eigenen Reihen. Dass es sich um eine von oben orchestrierte „Spontaneität“ handelte, die in einem mörderischen Kampf aller gegen alle Hunderttausende das Leben kostete, konnte man auch damals aus den bruchstückhaften Informationen schon erschließen. Aber das alles wollten wir ja gar nicht wissen, im Gegenteil. Wir wollten uns eine Welt voller Freunde und Feinde zurechtschnitzen, eine weltweite Befreiungsbewegung, deren Teil wir sein würden - wir, die nach dem Wort des Che den „Kampf in der Brust der Bestie“ selbst aufgenommen hatten, in den Metropolenländern des Kapitalismus und Imperialismus also. So war das Doppeljahr 1967/ 68 bei allem apokalyptischen Wetterleuchten auch eine traumhafte Situation der Entgrenzung, ein magischer Moment des Aus-sich-Herausgehens und Heraustretens. Und so trügerisch und vielfach fragwürdig das war, lag darin der Vorschein von etwas Künftigem, Möglichem, dessen Erinnerung - wie ich auch heute, bei aller selbstkritischen Reflexion, sagen 1968 als künstlerische Situation 147 möchte - unverlierbar bleibt. Man fühlte sich unmittelbar zu allen Ereignissen in der Welt, und diese schienen unmittelbar zu uns. Alles ging uns an. Und nicht anders verhielt es sich mit der vergangenen Geschichte des eigenen Landes und der ganzen Welt, die man sich als ein Kontinuum von großartigen, wenn auch tragisch gescheiterten, immer wieder verratenen oder in die Irre gelaufenen revolutionären Ausbrüchen und Aufbrüchen neu erfand. Dabei lebte und schwelgte diese ganze Bewegung inmitten ihrer ausschweifenden Textversessenheit auch in Bildern und Musiken� Die Welt war Zeichen und Klang - ein riesiger, symphonischer Raum unterschiedlicher Sounds und Signale, Rhythmen und Gesänge, von alten Arbeiterliedern über metallische Eisler-Gesänge und russische Revolutionssongs bis zur Folklore aller Kontinente, und von dort weiter zu den Heartbeats des Rock’n’ Roll. Auch die neuen Götter des Pop, die Jimi Hendrix, Janis Joplin oder Mike Jagger, traten ja jetzt im obligatorischen Gestus der Rebellen auf. „The time is ripe for fighting in the street, boys“, wie es in dem Lied der Stones hieß. Zugleich wirkte die Protestbewegung wie eine einzige Abfolge von Happenings, weshalb Happening-Künstler wie Josef Beuys, Wolf Vostell und Bazon Brock hier erst ihr eigentliches, breites Wirkungsfeld fanden. Noch stärker war das im Pariser Mai der Fall, der unter Parolen wie „Die Phantasie an die Macht“ oder „Seid Realisten, verlangt das Unmögliche“ sich als eine einzige, große Synästhesie des Protestes darstellte, in der die Farben und Töne, die Parolen und Banderolen, die Rhythmen und Bewegungen der Mengen zu einer theatralischen Gesamtinszenierung verschmolzen� Fast verstand es sich von selbst, dass diese Jugendbewegung auch eine Sphäre entgrenzter Erotik war, die aus ihrem ureigenen, sinnlichen Appeal lebte und sich nährte, - einem Appeal, von dem sich eine lüstern-geifernde Boulevardpresse und eine empörte Spießerwelt ständig ihre Scheiben abschnitt. In Wirklichkeit kämpfte die „sexuelle Revolution“, die allenthalben proklamiert wurde, längst an zwei vollkommen gegensätzlichen Fronten: Auf der einen Seite gegen eine nur noch mühsam und „autoritär“ behauptete Prüderie und bürgerliche Wohlanständigkeit - auf der anderen Seite aber gegen eine durch Medien und Werbung schwappende, kommerzialisierte „Sexwelle“, die bereits ungleich hemmungsloser war als alles, was man aus dem eigenen Leben als revolutionäre Bohème kannte. Das instinktiv gefühlte Resultat dieser Kommerzialisierung der Körper und jeglicher Sinnlichkeit und Intimität war ziemlich bald schon Entzauberung, Abstumpfung und völlige Austauschbarkeit. Eben das bezeichnete Herbert Marcuses Formel einer „repressiven Entsublimierung“ - mit der ich damals wenig anfangen konnte, heute sehr viel mehr (76-94). 148 Gerd Koenen Gleichzeitig trug die „befreite Sexualität“, die nach den Rezepten des kommunistischen Sexualtherapeuten Wilhelm Reich in „Kommunen“ oder im Milieu der Bewegung praktiziert wurde, nicht selten Züge eines gewaltsamen Selbstexperiments. Von jedem fröhlichen Hedonismus weit entfernt, sollte sie der Destruktion des eigenen bourgeoisen, autoritären, latent faschistischen „Charakterpanzers“ und der Produktion befreiter, kämpferischer, mit vitaler Lebensenergie aufgeladener revolutionärer Kader, Männer und Frauen dienen. So produzierten die Experimente mit Sex & Drugs, die in den aus dem Boden schießenden Kommunen unter den Postern von Mao und Che oder auch Lenin und Stalin betrieben wurden, inmitten der radikalsten Entbindung auch schon den Drang nach neuer Bindung: sei es in den rigoros sich selbst disziplinierenden marxistisch-leninistischen Parteiklonen und Kampfbünden der anbrechenden siebziger Jahre, oder eben in den entstehenden terroristischen Gruppen, die sich (wie willig oder unwillig auch immer) der Disziplin des Untergrunds unterwerfen mussten� Das alles führt uns zurück zu jenen Künstlern und Intellektuellen, die nicht mehr nur „Dichter und Denker“ sein wollten, sondern in einem Akt vermeintlicher kulturrevolutionärer Selbstabdankung das „Ende der Kunst“ oder den „Tod der Literatur“ proklamierten. Einige bekannte Maler verbrannten 1968 in Westberlin öffentlich ihre dekadenten Bilder oder gelobten, fortan nur noch politische Kunst für die Massen zu machen. Etliche, nicht nur jüngere Schriftsteller erklärten, alle schöne Literatur sei elitär und nutzlos, oder geradezu Opium für das Volk; nur noch ungeschminkte „Agitprop“ und den Massen verständliche „Kampftexte“ seien legitime Formen schriftstellerischer Betätigung. Und aus Frankreich wehten berauschende Parolen herüber wie „La poésie est dans la rue! “ - Die Poesie ist auf der Straße, das hieß: in den Demonstrationen und Barrikadenschlachten� Wer wollte, wer durfte in dieser Lage noch an seinem Schreibtisch sitzen! Peter Schneider gehörte vornweg zu denen, die eine umfassende „Kulturrevolution“ forderten und im Namen der revolutionären Phantasien, Bedürfnisse und Leidenschaften gleich auch das „Ende der Literatur“ überhaupt verkündeten - so in seiner „Rede an die deutschen Leser und ihre Schriftsteller“ im Kursbuch 16 (1969), in der er eine tote, versteinerte Welt ringsum schilderte: „Nein, auf diesen Straßen, auf diesen Balkons, an diesen Häusern, in diesen Fenstern sehe ich nichts, das irgendwie nach menschlichem Gebrauch aussähe […] Was wir da um uns herum sehen und erleben, ist überhaupt nicht mehr zu beschreiben, nur noch zu ändern“ (177). Um in einem begleitenden Programmartikel gebieterisch zu dekretieren: „Die Kulturrevolution ist die Eroberung der Wirklichkeit durch die Phantasie. Die Kunst ist im Spätkapitalismus die Eroberung der Phantasie 1968 als künstlerische Situation 149 durch das Kapital.“ Der Künstler selbst habe nun die Rolle des „Agitators, Propagandisten und Organisators der Revolution“ zu spielen (27). Freilich, Schneider war zu dieser Zeit noch kaum als Schriftsteller hervorgetreten, sondern sprach als studentischer Aktivist. Für die etablierteren Autoren selbst war es ein komplizierter Balanceakt, der die Form einer mehrfachen Pirouette um die eigene Achse annahm. Enzensberger, der nie zu fassende Herausgeber des Kursbuch, das in diesen Jahren zu einem intellektuellen Leitmedium wurde, hatte diese Debatte schon Jahre zuvor eröffnet. Gleich in der ersten Nummer 1965 hatte er Jean-Paul Sartre (der im Vorjahr den Nobelpreis mit prinzipiellen Argumenten abgelehnt hatte) zu Wort kommen lassen, der angesichts der moralischen Korruption des Literaturbetriebs für Schriftsteller nur noch die Möglichkeit sah, „vorübergehend auf die Literatur (zu) verzichten“ oder aber „die Probleme auf die radikalste und unerbittlichste Weise zu stellen“, sodass „jeder, der in Europa Romane zu schreiben“ fortfahre, „Verrat“ begehe (1965, 122-23). Enzensberger seinerseits hatte in einer Polemik gegen „Peter Weiss und die anderen“ im Jahr darauf unter Berufung auf Sartre auch die „engagierte Literatur“ kritisiert, weil auch sie nur das sei: Literatur (1966, 175). Als sich 1968 die Debatte über die Rolle und Funktion von Kunst und Literatur immer zunehmend verdichtete, setzte Enzensberger sich mit einer ganz diesem Thema gewidmeten Ausgabe des Kursbuch an die Spitze. Der beigelegte „Kursbogen“ auf Packpapier mit einem Manifest des langjährigen Suhrkamp-Lektors Walter Boehlich unter dem Titel „Autodafé“ schien alle Erwartungen zu bestätigen, wenn er etwa verkündete: „Die Kritik ist tot […] gestorben mit der bürgerlichen Welt, zu der sie gehört, gestorben mit der bürgerlichen Literatur, die sie schulterklopfend beseitigt hat“. Stattdessen bedürfe es einer Kritik, „die endlich die gesellschaftliche Funktion jeglicher Literatur als das Entscheidende versteht und damit die künstlerische Funktion als eine beiläufige erkennt“ (ohne Paginierung). Freilich, das Heft als Ganzes, das eine Vielzahl literarischer Texte von Beckett über Bachmann bis Cortazár und Lu Hsün enthielt, aber auch ein Mao zugeschriebenes Gedicht, entzog sich allen vorschnellen Erwartungen. Und namentlich Enzensberger selbst sprach in seinem Essay „Gemeinplätze, die neuere Literatur betreffen“, in schneidend ironischem Ton über alle die eifrig geläuteten „Sterbeglöcklein für die Literatur“ und die (eher ausgelassenen) „Leichenschmäuse“, die gerade erst der „Messeschlager“ in Frankfurt gewesen seien. Statt den „Verfassern schmaler Bändchen ‚Hände hoch‘ zuzurufen, müssten die militanten Gruppen gegen die mächtigen kulturellen Apparate vorgehen“ . Und die Schriftsteller selbst, „die sich mit ihrer Harmlosigkeit nicht abfinden können (aber wieviele werden das sein? )“ sollten sich einstweilen begrenzte, aber nützliche Arbeiten vornehmen, wie zum Beispiel Günter Wallraffs „Industriere- 150 Gerd Koenen portagen“ oder Ulrike Meinhofs politische Kommentare. Um nach feierlich zu dekretieren: „Die politische Alphabetisierung Deutschlands ist ein gigantisches Projekt. Sie hätte […] mit der Alphabetisierung der Alphabetisierer zu beginnen“ (1968, 196/ 1972, 52-53). Für Enzensberger war die Debatte über den „Tod der Literatur“ also selbst schon antiquiert - angesichts einer „Bewußtseins-Industrie“, die er an früherer Stelle bereits als „die eigentliche Schlüsselindustrie des zwanzigsten Jahrhunderts“ bezeichnet hatte. Es könne sich für Autoren und Intellektuelle daher nicht darum handeln, sie „ohnmächtig zu verwerfen“, sondern „sich auf ihr gefährliches Spiel einzulassen“ (1962, 17). Er selbst tat das, indem er das Kursbuch gründete und in einem der großen Verlage, in denen er ohnehin ein und ausging, herausgeben ließ. In einer skizzenhaften „Theorie der Medien“ - die viele Elemente eines visionären Vorgriffs auf das 20 Jahre später anbrechende Zeitalter des Internet enthielt - ging er 1970 angesichts der rasanten Entwicklungen auf diesem Gebiet wieder einen wesentlichen Schritt weiter, fast wie in einem intellektuellen salto mortale. Jetzt stellte er die Möglichkeit in den Raum, dass angesichts der neuen, elektronischen Medien und ihrer potentiellen Fähigkeit, „einen jeden zum Sprechen [zu] bringen“, der antiquierte Akt des Schreibens und mit ihm der „berufsmäßige Schreiber“ sowie der „Buchdruck als monologisches Medium“ als solche bald hinfällig werden könnten. Tragisch wäre das nicht: Denn dann könnte der Autor daran gehen, „sich selber als Spezialisten überflüssig zu machen“ und „als Agent der Massen“ zu arbeiten. „Gänzlich verschwinden kann er erst dann in ihnen, wenn sie selbst zu Autoren, den Autoren der Geschichte geworden sind“ (1970, 186/ 1974, 129). An diesem Punkt angelangt, aus Kuba zurück, nahm er selbst Abschied von den Massen, genauer gesagt: den eifrigen Adepten einer proletarischen Erziehung und „Alphabetisierung“. Liest man diese Utopien einer Verschmelzung von Literatur und Politik gegen den Strich, ist freilich schnell klar, dass hinter den Gesten vorgeblicher Selbstbescheidung ein neuer, hybrider Anspruch steckte: die „politische Alphabetisierung“ der Massen vermittels eines Autors, der als ihr Alphabetiseur und „Agent“ sie befähigte, selbst zu sprechen und ihre Geschichte zu machen. Dieter Wellershoff hat damals diese Vorstellungen als eine romantisch-elitäre Sehnsucht dechiffriert, die arbeitsteilige Gesellschaft wieder durch Formen unmittelbarer Gemeinschaft zu ersetzen. Im Hohn auf die angeblich folgenlose Literatur komme das altbekannte intellektuelle Unbehagen an der Anonymität des Marktes wieder zum Ausbruch - „und zwar umso bitterer, je offener der Markt für oppositionelle, vermeintlich tabuverletzende oder formal ungewohnte Produkte geworden ist“. Der Versuch, sich zum Sprecher, Agenten und Übersetzer einer politischen Bewegung aufzuschwingen, falle daher mit dem Bemühen 1968 als künstlerische Situation 151 zusammen, sich als Schriftsteller in einer neuen Medienwelt zu behaupten, die ihre „Mikrophone und Kameras an ihn herangeschoben“ hat und „die ihm, wie allen interessanten Personen […] das Angebot macht, dauernd in ihr anwesend zu sein“ (330-31). Hans Egon Holthusen hatte schon früher lakonisch festgestellt: „Interessant an der Sache ist, dass die weitgehende Politisierung der Literatur in den letzten Jahren zu einer Literarisierung der Politik geführt hat“ (22). Karl-Heinz Bohrer hat freilich gerade diesen Aspekt - mit der Empathie eines eher konservativen Beobachters - positiv aufgenommen, als er schrieb: Die 1968 allseits herbeizitierte Kulturrevolution sei in Wirklichkeit nur eine Metapher für „das ‚Kühne‘ schlechthin, […] das ‚Schöne‘“. Wenn aber Metaphern die wirkliche Revolution ersetzten, „dann ersetzen Wörter Handlungen, dann ist endgültig die große therapeutische Situation eingetreten: Wo nichts mehr möglich ist, lässt sich alles denken“ (104). Bohrers Formel von der „großen therapeutischen Situation“ könnte an Alexander Mitscherlich oder an Theodor W. Adorno denken lassen - allerdings aus anderer, fast entgegengesetzter Warte� Nicht um eine „Erziehung nach Auschwitz“ (Adorno) und um eine kollektive Selbstanalyse der deutschen „Unfähigkeit zu trauern“ (Mitscherlich) ging es demnach - sondern im Gegenteil: um ein freies Flottieren der Assoziationen und Metaphern, in dem sich „alles denken lässt“, ein Spiel mit Begriffen und Bedeutungen, die auf einen weitgehend unbewussten Prozess einer revolutionären, sprich: literarischen Selbsterschaffung hinausliefen. Ernst Jandl brachte das anlässlich einer „Autorenumfrage“ 1975 in ein ätzendes Aperçu, das mehr als nur skeptische Distanz ausdrückte: „Der nicht-literarischen Methode, Literatur zu produzieren, entspricht die nicht-medizinische Methode, Kranke zu heilen, die nicht-politische Methode, Politik zu machen […] Authentizität besitzt solches gewiss: der Wolfsrachen des Volksredners, die Querschnittslähmung des Langstreckenläufers“ (82-83). Gemeint war die Tatsache, dass aus dem historischen Anstoß von 1968 eine linksradikale Massenbewegung noch ganz anderen quantitativen und qualitativen Formats entstand, die sich schließlich zu einem langen „Roten Jahrzehnt“ addierte - jedenfalls in (West-)Deutschland, aber ähnlich auch in Italien oder in Japan, nicht zufällig den drei großen Anstiftern und Verlierern des verflossenen Weltkriegs� Früher als die meisten aus dieser Generations-Kohorte hatte Peter Schneider den „Wolfsrachen des Volksredners“ und die Symptome einer intellektuellen „Querschnittslähmung“, der diese Kohorte hyperpolitisierter Langstreckenläufer (zu denen der Autor dieser Zeilen sich ebenfalls zählen muss) damals verfiel, bei sich selbst bemerkt. In seiner Novelle Lenz von 1973 verarbeitete 152 Gerd Koenen Schneider seine Erfahrungen als revolutionärer Aktivist in Westberlin und Italien, indem er sein literarisches Alter Ego in die Gestalt des gleichnamigen, von den Behörden verfolgten und verstörten Helden Büchners schlüpfen ließ. Während der Sitzung der Betriebsgruppe einer maoistischen Kleinpartei in Westberlin, der Schneider damals selbst angehörte, lässt er seinen „Lenz“ sagen, oder vielmehr: empfinden (wie bei Büchner in der dritten Person, die das Gefühl einer fortschreitenden Selbstentfremdung spiegelte): „Er hörte immer dieselben Worte, sinnliche Erkenntnis, Bewußtsein, Proletariat, Strategie. In seinem Ohr setzte sich die getragene bruchlose Melodie dieser Sätze fest, es störte ihn, dass es keine Pausen, keine Neuanfänge, keine Anspielungen gab. Es kam ihm alles so artig, so nett vor-… Er stellte sich vor, dass sich andere Gruppen gleichzeitig an andern Orten trafen und im gleichen Tonfall die gleichen Sätze sagten“ (17). Eine politische Distanzierung sollte das allerdings keinesfalls sein, sondern, wie es im zeittypischen Ton des Klappentextes des „Rotbuch“-Verlages hieß: Es ging um die „Geschichte eines jungen Intellektuellen, der Ende der 60er Jahre in hohem Tempo durch die Landschaft läuft, die Landschaft der Einkaufsstraßen, Fabrikhallen, Kneipen, der großen Städte und der kleinen Gruppen“, der dabei „an emotionale Barrieren (stößt), die - bis in die linken Gruppen hinein - seinem Anspruch auf eine Dialektik von Hass und Glück, emotionalen und politischen Bedürfnissen im Weg stehen“. Also galt es, die „emotionalen und politischen Bedürfnisse“ dialektisch miteinander zu verbinden - was tatsächlich eine noch weitere Überfrachtung der selbstgesetzten Ansprüche bedeutete. Die 1968 im Umfeld der ersten Frauengruppen formulierte Parole „Das Private ist politisch“, die ursprünglich einen Schutz gegen die Abqualifizierung ihrer persönlichen Emanzipationswünsche durch die (durchweg männlichen) Matadore dieser Protestbewegung dienen sollte, lief „dialektischer Weise“ sehr bald darauf hinaus, dass die Politik auch den Raum alles ehedem Privaten und Persönlichen besetzte und ausfüllte, ob es sich um Familie, Beruf oder Lebensweise handelte. Diese Ausdehnung der „Politisierung“ auf immer neue Felder und Aktivitäten war tatsächlich eine der Triebfedern der Verwandlung der „Außerparlamentarischen Opposition“ von 1967/ 68 in eine wirkliche, generationell geprägte Massenbewegung mit revolutionärem Anspruch oder Gestus. Jedes Studium wurde obligatorisch jetzt zur Vorbereitung auf eine „revolutionäre Berufspraxis“. Die zu Hunderten aus dem Boden schießenden „Kinderläden“ dienten einer „antiautoritären“, das hieß: irgendwie revolutionären Erziehung von kleinen Kämpfern. Und auch die ersten Frauengruppen und -zentren wollten sich nicht einfach um spießige „eigene Belange“ kümmern, sondern sahen den Kampf gegen das Patriarchat als Teil einer revolutionären, antikapitalistischen Gesamtbewegung, landesweit und weltweit� 1968 als künstlerische Situation 153 Mitarbeit in einer Basisgruppe, Betriebsgruppe oder Roten Zelle, einem Lehrlingszentrum oder einem antiimperialistischen Komitee, einer Roten oder Schwarzen Hilfe; Mitgliedschaft in einer der Kaderorganisationen und Kaderparteien oder in einer ihrer „Massenorganisationen“; Aktivität in einer der „undogmatischen“ und „militanten“ Gruppen sozialistischer, anarchistischer, spontaneistischer oder radikalfeministischer Observanz, die in praktisch allen großen und kleinen Orten aufschossen; Teilnahme an den zahllosen Schulungen und Diskussionen, in denen es um die „Systemüberwindung“ oder den „antiimperialistischen Kampf“ ging; mehr oder weniger regelmäßige Beteiligung an Demonstrationen, Kundgebungen, Versammlungen oder illegalen Besetzungsaktionen, die fast rituell in Zusammenstößen mit der Polizei endeten; Überprüfungen durch den Verfassungsschutz, die Schulbehörden, die Gewerkschaftsleitungen oder den Werkschutz und politisch begründete Maßregelungen, Entlassungen und Berufsverbote - das alles dürfte als ein prägendes, wenn auch meist ephemeres Element in Hunderttausende Biographien dieser Alterskohorte eingelagert sein� Insofern handelt es sich um eine Generationserfahrung im vollen Sinne des Wortes, die noch textlastiger war als die eigentliche 68er-Bewegung� Unter der Parole „Zerschlagt das bürgerliche Copyright“ war nach 1968 ein schwarzer, grauer oder regulärer Markt für die neue, linke Bewegungsliteratur entstanden, anfangs hauptsächlich in Form von (vielfach illegalen) Reprints, vor allem von Texten aus den Links- und Exilverlagen der zwanziger und dreißiger Jahre, oder von vergriffenen Schriften wichtiger Theoretiker, die - wie die Texte des freudo-marxistischen Sexologen Wilhelm Reich - in hohen Auflagen verbreitet wurden. Dazu kamen aber zunehmend auch eigene, neue Titel, oder (wiederum oft illegale) Übersetzungen aus fremden Sprachen. „Theorie, wie Romane verschlungen“ (Felsch 64) und in kleine, schmucklose, handliche Formate gebracht, wie die „edition suhrkamp“ das seit 1962 bahnbrechend und erfolgreich begonnen hatte, wurde zum Treibsatz für ein neues linkes Verlagswesen, das bis 1973 etwa 25 „Kollektive“ umfasste, darunter auch eine Reihe dauerhaft erfolgreicher Neugründungen wie trikont, merve oder Wagenbach (Felsch 75). Sie konnten sich in fast allen großen und kleinen Städten auf ein Netz „linker Buchläden“ mit Namen wie „Roter Stern“ oder „Polibula“ (Politbuchladen) stützen, aber auch auf eigene, improvisierte Vertriebsorganisationen, die die überall aufgestellten Büchertische der politischen Gruppen und Kleinparteien belieferten - inmitten einer Flut von Zeitschriften, Zeitungen, Flugschriften, Büchern, die die politischen Fraktionen als „Agitprop“ in eigenen Verlagen und Druckereien produzierten und vertrieben. 154 Gerd Koenen Auch die Programme fast aller großen Verlage passten sich diesem Zeittrend an und produzierten in Massenauflagen Taschenbücher, vom Roten Buch Maos (als Fischer Taschenbuch) bis zum Handbuch der Stadtguerilla des Brasilianers Carlos Marighela (als Rowohlt-aktuell), von klassischen oder frisch kompilierten Faschismus- und Imperialismus-Theorien bis zur „Kritik der politischen Ökonomie“ - mit der viele Universitätsseminare aller Fächer jetzt obligatorisch begannen. Verlage wie die Europäische Verlagsanstalt (EVA) lebten für ein bis anderthalb Jahrzehnte ganz überwiegend von Texten, die den Zwecken einer neomarxistischen „Theoriebildung“ dienten. Aber auch vollkommen sektiererische Bewegungstexte wie Kommune II-Versuch der Revolutionierung des bürgerlichen Individuums oder Schülerladen Rote Freiheit (die Titel waren hier Programm) oder vom Zeitjargon aufgeblähte Elaborate über „Bildungsökonomie“ und ähnlich verwickelte Spezialthemen tauchten in den Katalogen der etablierten großen Verlage auf und verkauften sich wie warme Semmeln. Der Theorie- und Begriffshunger, die Nachfrage nach Sinn und Orientierung überstieg bei weitem alles, was die noch so eifrigen Skribenten und Verleger heranschaffen konnten. Als ein weiteres, eigenes Segment des Buchmarkts im „Roten Jahrzehnt“ wären die ab 1966/ 67 en masse importierten, auf hauchdünnem Reispapier schön gedruckten Mao-Bibeln, Propaganda-Broschüren und Zeitschriften aus China zu nennen, von deren Verkauf Teile der Szene (darunter die Kommune 1) schon 1968 eine Zeitlang lebten, bevor ihr Vertrieb zum Privileg der maoistischen Parteien und Bünde der 1970er Jahre wurde. Dagegen war die Herausgabe der Gesammelten Werke Kim Il-Sungs eine der editorischen und kommerziellen Gründungstaten des Frankfurter Verlags Roter Stern, der seither und bis heute durch die Herausgabe sorgsam edierter Originalhandschriften von Kafka oder Hölderlin bekannt geworden ist. Im Gefolge der Legalisierung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) als gezähmter Verwandlungsform der 1956 verbotenen KPD wurden ab 1968/ 69 bedeutende Kontingente an DDR-Büchern zu hochsubventionierten Kampfpreisen in die Bundesrepublik exportiert, angefangen mit den berauschend nach Druckerschwärze duftenden, per se klassisch wirkenden „Blauen Bänden“ der MEW (Marx/ Engels-Werke) über die in orthodoxes Braun gebundenen Lenin-Werke (LW) bis hin zu dickleibigen Lehrbüchern der Geschichte und materialistischen Philosophie oder SED-Standardwerken der Faschismustheorie und Gegenwartsanalyse. Sie alle wurden weit über den engeren politischen Sympathisantenkreis hinaus studiert und geschult. Es wäre allerdings ganz lächerlich, wollte man den erstaunlichen Einfluss, den gerade auch die orthodoxen Kommunisten nach 1968 und bis in die 1980er Jahre 1968 als künstlerische Situation 155 hinein im Kulturleben der Bundesrepublik noch einmal gewonnen und ausgeübt haben, vor allem als ein Ergebnis der (durchaus beachtlichen und wirksamen) Finanzierungs- und Infiltrierungsbemühungen der DDR und ihrer diversen „Organe“ verstehen. Die Resonanz, die das „andere Deutschland“ gerade im Bildungs- und Kulturbereich fand, hatte in erster Linie mit der akuten Entfremdung vieler der in Bewegung geratenen jüngeren Westdeutschen von Staat und Gesellschaft der Bundesrepublik selbst zu tun, weniger mit der positiven Attraktion der DDR. Allerdings machte die Öffnung, die die „neue Ostpolitik“ der Regierung Brandt-Scheel ab 1970 mit sich brachte, eindrücklicher als früher klar, dass dort „drüben“ ein ganz eigenes, eindrucksvolles Ensemble von Autoren, Malern, Theaterleuten, Filmemachern usw. am Werk war, deren Arbeiten jetzt in einem sehr viel breiteren Strom als bisher auch in Westdeutschland zugänglich wurden� So kam es, dass in den Künstlerverbänden der Bundesrepublik, und gerade im 1970 gegründeten „Verband deutscher Schriftsteller“ (VS), die der DKP nahestehenden oder lose verbündeten Autoren über eine weite Strecke das Sagen hatten. Zum „1. Kulturpolitischen Forum“ der Partei in Nürnberg kamen 500 Teilnehmer. Der Schriftsteller Martin Walser und der Sänger Franz-Josef Degenhardt gehörten zu den prominentesten. Kurz zuvor hatte Degenhardt noch im Jahr der Schweine gesungen: „Die, die uns jetzt verfolgen, / verstehen ihr Geschäft. / Weh dem, der jetzt noch sorglos / und ohne Waffe schläft“ (27). Statt sich dem neuen terroristischen Untergrund anzuschließen, der an der Jahreswende 1969/ 70 entstand, suchte der aus der tiefen westfälischen Provinz stammende Autor aber den Anschluss an die Partei, und über sie an das „sozialistische Weltlager“, das (hochgerüstet) gleich hinter der Elbe begann. Walser hat sein frisches Engagement für die neue „Partei der Arbeiterklasse“ schon 1972 in einem autobiographischen Roman Die Gallistlsche Krankheit affirmativ begründet und verarbeitet. Gallistl ist (nicht gerade originell) der Prototypus eines einsamen, an Selbstzweifeln über Sinn und Zweck seines Schreibens laborierenden Literaten, der in einem kommunistischen Freundeskreis Anschluss findet - wie Walser selbst ihn in der Gruppe um die Zeitschrift Kürbiskern mit Yaak Karsunke, Uwe Timm, Erika Runge und anderen gefunden hatte. In der Ankündigung des Suhrkamp-Verlages heißt es: „Seine neuen Freunde erklären ihm die Praktiken des Kapitalismus, sie geben ihm eine neue Sprache, sie verhelfen ihm zu einem anderen Bewusstsein […] Er ist süchtig nach Positivem. Immer wieder drohen Rückfälle in die alte Konkurrenz-Mentalität. Es bleibt ein Kampf, d. h. Gallistls Lage bleibt kritisch, aber er ist nicht mehr allein; er arbeitet mit anderen zusammen“ (127). Was Walser damit beschrieb, war tatsächlich der Prozess, der der DKP ihre beachtlichen „bündnispolitischen“ Erfolge brachte, die sie in der politischen 156 Gerd Koenen Realität der Bundesrepublik allerdings nicht umsetzen konnte, im Gegenteil: die sie zunehmend selbst in Verlegenheit setzten. Indem nämlich so viele „unbehauste Intellektuelle“, Künstler und Literaten bei ihr Anschluss suchten, musste sie sich selbst und ihren aus Ostberlin gesponserten und geführten Parteiapparat einer gärenden, rapide sich verändernden Wirklichkeit aussetzen, gegen die sie sich gleichzeitig (vergeblich) abzuschirmen suchte. Frauenbewegte Frauen, Schwule, die ihr Coming-out politisch verstanden wissen wollten, rebellische Jugendliche, die aus ihren Milieus ausbrechen wollten, protestantische Friedensfreunde, die gegen das Wettrüsten antraten, und katholische Drittweltgruppen, die eine „Theologie der Befreiung“ zu entwickeln suchten - sie alle drängten sich an die imaginäre Mutterbrust einer Partei, die längst intellektuell unfruchtbar und ausgetrocknet war und die ihren Rückhalt und Referenzpunkt in einem „Drüben“ jenseits der Elbe hatte, wo all dieses kleinbürgerliche, dekadente Unwesen nicht erwünscht oder erlaubt war. Erika Runge, die in ihren recht schlichten, aber erfolgreichen Interviewbänden (Bottroper Protokolle, 1968) und „Frauen. Versuche zur Emanzipation“ (1969) die disparaten Lebenssignale des in Auflösung begriffenen Ruhr-Proletariats und die widersprüchlichen Äußerungen weiblich-proletarischer Lebensentwürfe aufgezeichnet hatte, verkündete nach ihrem Beitritt zur DKP zwar tapfer und auf Parteilinie, das „Emanzipationsproblem“ sei kein „Geschlechterproblem“, sondern ein „Klassenproblem“. Nur boten ihre eigenen Bücher für diese patentierte Lösung überhaupt keinen Ansatzpunkt; und daher blieben diese Erklärungen eine bloße Liturgie, ein ideologisches Amulett. Noch schwieriger war es im Fall von Karin Struck, auch sie DKP-Mitglied, Arbeiterkind und Mitglied im 1970 gegründeten „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“. Ihr in Tagebuchform verfasster, autobiographischer Roman Klassenliebe von 1973 wurde von Kritikern als ein subtiles Abbild sozialer Sprachbarrieren (Arbeiterkind liebt bürgerlichen Intellektuellen) gepriesen. Aber ihre Kollegen im „Werkkreis“ fanden das alles viel zu „privat“ und monierten das Fehlen eines klaren Klassenstandpunkts. Dieser „Werkkreis“ war aus einer im Ruhrgebiet entstandenen „Gruppe 61“ hervorgegangen, die sich als Gegenstück zur bürgerlichen „Gruppe 47“ deklarierte und - nicht ohne Seitenblicke auf entsprechende Versuche in der frühen DDR (den „Bitterfelder Weg“) - bereits seit längerem bemüht hatte, Erfahrungen aus der Arbeitswelt in die Literatur hineinzutragen, möglichst aus der Feder „schreibender Arbeiter“ selbst. 1968 hinzugestoßene neue Mitglieder wie vor allem Günter Wallraff, dessen Undercover-Enthüllungen und Reportagen aus der „Unterwelt der Arbeit“ wie der Oberwelt der Zeitungsredaktionen, Justizbehörden oder feineren Gesellschaft seit damals und bis heute eine enorme Res- 1968 als künstlerische Situation 157 onanz gefunden haben, waren die Initiatoren der Gründung des „Werkkreises“, der vom Geist der Zeit getragen seinen Radius weiterspannen wollte. Von 1973 bis 1985 wurden in der vom Werkkreis herausgegebenen Buchreihe Literatur der Arbeitswelt einige Dutzend Bändchen als Fischer-Taschenbücher veröffentlicht, einige davon in hohen Auflagen (bis 150 Tausend) und mit Namen wie Angelika Mechtel oder Christian Geißler, die auch in der weiteren Literaturgeschichte der Bundesrepublik noch eine Rolle gespielt haben - nur eben nicht als Vertreter einer „Literatur der Arbeitswelt“. Es war gerade die im Statut verankerte Festlegung, wonach die in diesem Rahmen produzierte Literatur dem Zweck der Bewusstwerdung und Befreiung der arbeitenden Klassen zu dienen habe, die sich als Sackgasse erwies. So kam es, dass alle diese auf das orthodoxe kommunistische Milieu einstürmenden Eindrücke und Einflüsse unweigerlich den „klaren Standpunkt“ der Partei erschütterten. Schlimmer noch: Sie verstärkten in der DDR selbst die geistigen und politischen Gärungen, die ihrem staatssozialistischen System letztlich weitaus gefährlicher wurden als dem „Klassengegner“ in der Bundesrepublik. Viele jüngere DDR-Autoren sahen sich selbst als Generationsgenossen der westdeutschen 68er und fanden in der Bundesrepublik nicht nur unabhängige Verleger, sondern ein eigenes, breiteres und im Zweifelsfall sogar resonanteres Publikum als im eigenen Land - wie sich bei der umjubelten Konzertreise Wolf Biermanns 1976 durch die Bundesrepublik zeigte, die von den Ostberliner Behörden mit seiner Ausbürgerung beantwortet wurde. Die Proteste dagegen wurden in der DDR selbst wiederum zum Anstoß einer zunehmenden politischen Dissidenz und eines künstlerischen Nonkonformismus, die am Ende in den Umbruch von 1989 mündete. Aber mehr als alle Formen eines politischen oder künstlerischen Radikalismus im Gefolge von 1968 war es der Linksterrorismus der 1970er Jahre, der die geistig und politisch schon tief polarisierte Bundesrepublik in Atem hielten. Das erste künstlerische Echo wich dem Phänomen des (längst international gewordenen) Terrorismus selbst völlig aus und konzentrierte sich ganz auf die maßlosen Reaktionen einer konservativen Presse und Öffentlichkeit, die ihrerseits im Agieren der RAF und anderer, linksterroristischer Organisationen das logische Resultat der linksliberalen Reformen der Regierung Willy Brandts sah. Das gilt etwa für Joseph Beuys‘ Kunstaktion auf der „documenta 1972“ mit ihren in Filz- und Fettpantoffeln gestellten Schildern Dürer, ich persönlich führe Baader + Meinhof durch die Dokumenta (zu ergänzen war: „dann sind sie resozialisiert“) - die angesichts der Zuspitzungen dieser Zeit wie dem parallelen Münchner Olympia-Attentat geradezu erschreckend harmlos wirkte. Das gilt in ähnlicher Weise für Heinrich Bölls Novelle Die verlorene Ehre der Katharina 158 Gerd Koenen Blum, die ihren Erfolg 1974 ebenfalls weniger ihrer literarischen Qualität verdankte als ihrem Thema: der allgemeinen „Terror-Hysterie“ und insbesondere der Hetze der BILD-Zeitung - eine Hysterie und Hetze, die sich in absehbarer Weise gegen den Autor wendete und in selbstreferentieller Weise für den Erfolg seines Buches sorgte. Nur dass der deutsche Terrorismus selbst, den Bölls Erzählung in ein sehr altbackenes Schema eines „von der Gesellschaft“ an den Rand getriebenen Nonkonformismus fasste, mit der Gründung einer neuen, zweiten, noch ungleich extremer operierenden Generation der RAF und durch die symbiotische Verbindung konkurrierender deutscher Terrorgruppen mit nahöstlichen Organisationen und Geheimdiensten ganz neue Stufen erreichte. Am Ende war es der atemlose Zyklus spektakulärer Anschläge, mörderischer Geiselnahmen und professionell ausgeführter Terroranschläge sowie die einem Lehrstück von Peter Weiss gleichenden Stammheimer Prozesse gegen die führenden Köpfe der RAF, die sich zu einem Realdrama größten Formats auswuchsen. Das alles ist längst Teil einer bundesdeutschen Nationalmythologie geworden, die im nebligen Gemeinplatz vom „deutschen Herbst“ 1977 beziehungsreichen Ausdruck gefunden hat� Nichts fehlt hier in der Tat zu einem modernen Mythos - mit Zügen antiker Tragödie oder germanischer Götterdämmerung. Den primären Stoff lieferten die von einem großen medialen Echo begleiteten Hungerstreiks der schon 1972 verhafteten Kerngruppe der RAF gegen eine angebliche „Vernichtungshaft“, der sie als politische Häftlinge in Deutschland unterzogen würden, sowie die dazugehörige, von historischen und literarischen Anspielungen dicht durchzogene Kassiber-Literatur der Häftlinge, die wie auf die eigene Haut geschrieben wirkte und von Angehörigen oder Anwälten laufend nach draußen geschmuggelt wurde. Der nächste Akt war die ultimative Beglaubigung dieser Insinuationen durch das Selbstopfer des tapferen RAF-Soldaten Holger Meins 1975, dessen Leichnam wie der eines ausgemergelten KZ-Häftlings ausgestellt wurde; noch einmal gesteigert durch den als Mord vorangekündigten Selbstmord der prominenten Publizistin und RAF-Mitgründerin Ulrike Meinhof 1976, die in einem ersten, rasch „klassisch“ gewordenen Text ihre eigene „Isolationshaft“ mit einer Gaskammer in Auschwitz verglichen hatte. Einen nächsten dramatischen Höhepunkt lieferte, inmitten eines Crescendos sich immer noch steigernder Attentate auf Repräsentanten von Staat und Kapital, im Herbst 1977 die Geiselnahme, gefilmten und im Fernsehen ausgestrahlten Verhöre und Bitten des als „Boss der Bosse“ bezeichneten Vorsitzenden des Industriellenverbands Hans-Martin Schleyer sowie die parallele Entführung einer Lufthansa-Maschine durch ein palästinensisches Kommando in roten Che-Guevara-Shirts, das die Freilassung der deutschen Gefangenen verlangte. Der große, düstere Schlussakkord dieses ganzen Realdramas war schließlich der als nächtliche Exeku- 1968 als künstlerische Situation 159 tion inszenierte Kollektivselbstmord der im siebten Stock des Gefängnisses von Stammheim zusammengelegten Kerngruppe der RAF mittels hineingeschmuggelter Pistolen; und die Auffindung der Leiche des real aus nächster Nähe exekutierten Schleyer - die signalisierte: Der Kampf ging weiter. Diese ganze, sich über drei Jahrzehnte sich erstreckende, alle Formen eines politischen Handelns vollkommen sprengende, gigantische Inszenierung musste einen trüben Bodensatz deutscher (und immer zugleich auch europäischer) Erinnerungen aufwühlen. Selbst die Namen wirkten wie Erfindungen eines Dramaturgen: „Stammheim“ etwa könnte einem der Weihespiele Richard Wagners oder einer nordischen Saga entlehnt sein; eine Geisterburg jedenfalls, in deren siebtem Stock, nach Klaus Theweleits hysterischer Formel, das „Töterfleisch der Eltern nach analytischer Rettung“ durch das Opfer der Kinder schrie (427-28). Aber auch Ödipus Rex und das Thema des kollektiven Vatermords, als welcher die Erschießung Hanns-Martin Schleyers auch tatsächlich verstanden werden konnte, sind nicht weit� Tatsächlich trat das „rote Jahrzehnt“, das 1967 mit den Schüssen in Westberlin auf den Studenten Benno Ohnesorg (wieder: was für ein sprechender Name) begonnen hatte, mit den Schüssen in Stammheim im „Deutschen Herbst“ 1977 in eine Phase kathartischer Ernüchterung und Selbstreflektion ein. Diese Entwicklung fand, was die Kohorte der 68er betrifft, ihren plakativen Ausdruck im Farbwechsel von Rot zu Grün: mit der Gründung einer Partei „Die Grünen“ 1978, die deutliche Züge eines Generationsprojekts trug und sich der Ökologie als einem neuen, umfassenden Paradigma einer Gesellschafts- und Kapitalismuskritik verschrieb. Aber letztlich handelte es sich um eine kathartische Krise der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft im Ganzen, mit all ihren Unsicherheiten und ihrem tief verwurzelten Misstrauen in die eigene demokratische Stabilität und Zivilität. So hat 1968 mit allen Ausbrüchen eines „wilden Denkens“ und mit allen Irrungen und Wirrungen, die sich daran angeschlossen haben, für die Gesellschaft der Bundesrepublik letztlich eine produktive Herausforderung bedeutet. Entsprechend schwankt das Bild dieser Jahre im Magnetfeld der Widersprüche, die diese - scheinbar weltweit verbundenen - radikalen Jugendbewegungen durchweg geprägt haben. Wer sich hineinstürzte, befand sich in einer Drift voller Strömungen und Gegenströmungen, die man selbst nicht kontrollierte, obwohl man sich doch einer theoretisch vertieften „Bewusstheit“ und einer unbedingten Autonomie der eigenen Entscheidungen verschrieben hatte. Aus vergnügtem Hedonismus konnte in diesem Prozess - fast über Nacht - puritanischer Ernst werden, aus Egalitarismus Elitismus, aus einer antiautoritären Opposition ein neuer Autoritarismus, aus der Suche nach Individualität ein Bedürfnis nach 160 Gerd Koenen Gemeinschaft und Einordnung, aus pazifistischem Antimilitarismus ein Kult revolutionärer Gewalt, aus Zärtlichkeit und Partnerschaft emotionaler Autismus und erotische Segregation. Die Anfänge der Frauenbewegung, die vielleicht die dauerhaftesten Wirkungen erzielt hat, waren jedenfalls zunächst einmal Sezessionen und Rückzüge aus den Zentren dieser politischen Bewegung, in denen - gerade in der anomischen Offenheit aller Gremien und Meetings - sich faktisch eine machistische Hackordnung durchsetzte. Diese Widersprüche verhalten sich aber nicht einfach wie ideologischer Schein und nüchterne Realität, sondern gehören auf schwierige Weise zusammen� Es geht um die zwei (oder vielmehr, die vielen) Gesichter und um die tiefen Ambivalenzen ein- und derselben Bewegung, die sich auf keinen einfachen Nenner bringen lässt. Vielmehr setzte gerade diese radikale Widersprüchlichkeit der Motive und Antriebe sie erst mit dem größeren „Rumor einer Nation“ in Verbindung, dem sie expressiven Ausdruck gaben oder jedenfalls als Katalysator dienten. Eben das meinte Karl-Heinz Bohrers Wort von der „großen therapeutischen Situation“, die man auch als eine „künstlerische Situation“ im Sinne einer Neuerfindung verstehen kann. Enzensberger, der langjährige Wort- und Taktgeber, nannte dieses ganze rote Jahrzehnt unter der Überschrift „1970 ff.“ rückblickend „Eine Art Purgatorium“: „Eines Tages war alles vorbei. ‚Es überkommt mich, ich weiß nicht warum, eine große Ruhe.‘ Als ich diese zwei Zeilen hinschrieb, war die Zeit der Normalisierung angebrochen. War die Vernunft zurückgekehrt? Nein. Doch umsonst war der Tumult nicht gewesen […] Denn zu meiner Überraschung zeigte sich, daß unser wüstes Land ganz allmählich, fast hinter unserem Rücken, immer bewohnbarer wurde“ (2014, 243). Ätzender hatte sein Gedicht „Andenken“ von 1979 geklungen: „Also, was die siebziger Jahre betrifft / kann ich mich kurz fassen […] / Widerstandslos, im großen und ganzen, / haben sie sich selbst verschluckt […] / Daß irgendwer ihrer mit Nachsicht gedächte, / wäre zuviel verlangt“ (2006, 136). Notes 1 Vortrag gehalten am 21. 4. 2018 an der University of Kentucky im Rahmen der 71. Tagung der KFLC: The Languages, Literatures, and Cultures Conference� Works Cited Adorno, Theodor W. „Erziehung nach Auschwitz.“ Stichworte. Kritische Modelle 2� Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1969. 85-101. 1968 als künstlerische Situation 161 Bohrer, Karl Heinz. Die gefährdete Phantasie oder Surrealismus und Terror� München: Hanser Verlag, 1970. Böll, Heinrich. Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1974. Degenhardt, Franz Josef� Im Jahr der Schweine. 27 Lieder mit Noten. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1970. Elias, Norbert. Studien über die Deutschen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1992. Enzensberger, Hans Magnus. „Bewußtseins-Industrie.“ Einzelheiten.I: Bewußtseins-Industrie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1962. 7-17. —.-Peter Weiss und die anderen. Kursbuch 6 (1966): 171-86. —.-„Gemeinplätze, die neuere Literatur betreffend“. Kursbuch 15 (November 1968): 187-97. 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Keywords: Adriana Altaras, Jenny Erpenbeck, Julia Franck, motherhood, empathy, Jewish-German identity Was soll ich machen? Genau das, was er da vorne betreibt, ist das Thema meiner Rede. Das Abspulen und Benutzen bekannter Mahnformeln, das Instrumentalisieren des Holocaust. (Altaras 40) So denkt Adriana Altaras’ Protagonistin, eine jüdische Mutter zweier Söhne, als sie am 9. November eine Rede in der Frankfurter Paulskirche halten soll. In ihrem narrativ-autobiografischen, tagebuchartigen Erinnerungsstück Doitscha reflektiert Altaras’ Protagonistin über die Funktion, die das Judentum in ihrem Leben einnimmt, sowie über ihr schwieriges Verhältnis zur deutschen Erinnerungskultur. Anlass dieser Überlegungen ist die Rede des vor ihr sprechenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland� Was Altaras genauer moniert, ist jedoch nicht die Person des derzeitigen Vorsitzenden selbst, sondern vielmehr dessen Rolle sowie die Funktion, die er in seiner Position innerhalb dieser Erinnerungskultur einnimmt. Wer Altaras’ Prosastil kennt, weiss, dass 164 Agnes Mueller sie mit Humor schreibt, einem Humor, der mit Übertreibungen, aber auch mit präzisen Beobachtungen und der Zusammenstellung unerwarteter Kontraste, häufig unterlegt durch kulturelle Tabus, arbeitet. Die Rede von Altaras’ Protagonistin, die sich selbst lediglich als „Adriana“ ausgibt, stellt dann auch dementsprechend die rigide offizielle Holocaust-Erinnerungskultur der Deutschen in Frage, die ihr zufolge eine persönliche Beschäftigung mit dem komplizierten Diskurs der deutschen Schuld an der Shoah nicht zulässt. Ihre Beobachtungen führen ihren Sohn David zu der Feststellung, dass wenn sie mit ihren Anklagen erfolgreich wäre, die Deutschen schliesslich den 9. November als Erinnerungstag aufgeben müssten, und dass dies ebenfalls nicht in ihrem Interesse sein könne. Bemerkenswert ist in Altaras’ Text, der literaturgeschichtlich zwischen Autobiographie, Memoiren, und Stationenroman angesiedelt ist, dass durchgehend die Rolle der jüdischen Mutter explizit und implizit reflektiert wird. Die Überlegungen zur jüdischen Mutter werden dabei durchgängig vor dem Hintergrund des deutschen Holocaustdiskurses angeführt. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass Altaras’ Mann deutsch und nicht jüdisch ist, und seine Perspektive sowie die der - teilweise religiös jüdisch erzogenen - Söhne ebenfalls in der ersten Person tagebuchartig dargestellt wird. Die Identität der jüdischen Mutter und der spezifisch weiblich reflektierte Holocaustdiskurs in der deutschen Erinnerungskultur sind dadurch in Altaras‘ Text eng miteinander verknüpft. Diese Verknüpfung ist neu, da in früheren Repräsentationen jüdischer Mutterfiguren (wie beispielsweise in den stärker fiktionalisierten Darstellungen von Barbara Honigmann) diese weitaus weniger explizit mit der deutschen Schuld am Holocaust verbunden waren. Die kürzlich veröffentlichte Studie The Inability to Love: Jews, Gender, and America in Recent German Literature (2015) untersucht literarische Repräsentationen von Juden und jüdischer Identität aus der Perspektive nicht-jüdischer Deutscher. Die Schuld und Scham, die viele Deutsche gegenüber Juden noch immer im Kontext der Erinnerung an den Holocaust empfinden, zusammen mit langstehenden antisemitischen Vorurteilen, so die zentrale These, verhindern eine gründliche und emphatische, unvoreingenommene Auseinandersetzung mit jüdischer Identität bis zum heutigen Tag. Selbst fiktionale Texte von Autoren der zweiten und dritten Generation nach dem Holocaust reproduzieren daher weiterhin antisemitische Klischees, in Texten sichtbar durch die ausgestellte Unfähigkeit, Juden, oder Angehörige anderer ethnischer Minderheiten, zu lieben. Liebe wird hier im weiteren Sinne der Akzeptanz anderer und des emotional positiv Aufgenommenen verstanden. In vielen zeitgenössischen Texten wird dies durch Darstellungen von wiederholt scheiternden erotischen, partnerschaftlichen, oder familiären (Liebes-) Beziehungen zwischen Juden und „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 165 Deutschen inszeniert. Dabei sind die Figurationen des Jüdischen oft mit tradierten antisemitischen Klischees belegt. Daraus ergibt sich eine neue Fragestellung, die dahingerichtet ist, wie zeitgenössische SchriftstellerInnen, die deutsch sind, und die sich selbst als (kulturell, ethnisch, oder religiös) im weiteren Sinne jüdisch schreibend identifizieren oder die als jüdisch schreibend identifiziert werden können, über Deutsche und Juden heute nachdenken. Meine vorläufige These geht davon aus, dass die jüngeren deutsch-jüdischen Texte neuartige Modi des Schreibens einführen, die den vorangegangenen Nexus der Festschreibung von Stereotypen auf bedeutsame Weise aufgreifen. Die Frage für diesen Beitrag lautet daher, inwieweit in diesen neueren deutsch-jüdischen Texten dementsprechend eine - ebenfalls neue - Fähigkeit zu lieben ausgestellt wird, im hier besprochenen Fall bezogen auf die Liebe von Müttern zu ihren Kindern. Es gilt innerhalb dieser komplexen Thematik zu erörtern, ob und wie jüdische Identität und die Selbstdarstellung von Autorinnen heutige Leserinnen dazu anhält, Bilder und Vorstellungen jüdischer Mütter in verschiedenen fiktionalen Repräsentationen auf das Bild oder das Stereotyp der jüdischen Mutter hin wahrzunehmen - oder zu hinterfragen. Die Texte, die dazu exemplarisch besprochen werden sind Julia Francks Die Mittagsfrau (2007), Jenny Erpenbecks Aller Tage Abend (2012), und der eingangs erwähnte „Roman“ von Adriana Altaras, Doitscha (2014). Während es sich bei dem Text von Altaras um ein stark autobiographisch gefärbtes Erinnerungsstück, bei Franck und Erpenbeck jedoch um eindeutigere Fiktionalisierungen in der Form von traditionellen Romanen handelt, wird die Frage nach der Funktion der Fiktion in der Darstellungsweise von Stereotypen von zentraler Bedeutung sein. Im weiteren Kontext dieser Frage stehen neuere Studien zur Emotions- und Empathieforschung, wie beispielsweise die Arbeiten von Suzanne Keen („A Theory of Narrative Empathy“) und N. Ann Rider („The Perils of Empathy“) innerhalb der Holocaustforschung. Die neuere Kritik an Texten die sich empathetisch mit der Holocaust-Vergangenheit befassen, also die eher die Form von Memoiren als die der Fiktion annehmen, ist dahingerichtet dass Empathie (im Gegensatz zu Sentiment) eine auf das eigene Empfinden gerichtete Anteilsnahme evoziert, die sich dann stärker auf die eigene Person bezieht als auf das eigentlich im Text dargestellte Geschehen. Derartige Überlegungen sind hier wichtig, weil auch die Stereotypenbildung beziehungsweise die absichtliche Hinterfragung und Dekonstruktion negativer Stereotypen auf eine empathische Auseinandersetzung mit dem als erlebt dargestellten abzielt. Das Stereotyp der jüdischen Mutter ist im kulturellen Umkreis der US-amerikanischen Imagination seit Beginn des 20. Jahrhunderts tradiert und findet seine Ausprägungen in der populären amerikanischen (Gegenwarts-)Literatur 166 Agnes Mueller (z. B. in den Romanen von Lily Brett, Philip Roth, etc.). Es handelt sich um eine überfürsorgliche, stark kontrollierende, ihrem Kind häufig Nahrung aufzwingende, übergewichtige, grossbusige Erscheinung, die durchaus stark negativ konnotiert ist. Das ist die Ausprägung/ Typisierung der jüdischen Mutter als jiddischer Mamme, bzw. es handelt sich um Familien ursprünglich aus Osteuropa, die mit den Pogromen der 1880er Jahre in die USA kamen. Dabei bezieht sich die neurotische Kontrollwut dieser Figur nicht auf religiöse oder spezifisch jüdische Aspekte der Erziehung, sondern auf allgemein weltliche Dinge, die allen Müttern - jüdisch oder nicht-jüdisch - als relevante Orientierungspunkte gemeinsam sind. Wie in Ruth Gay’s Memoiren Unfinished People von 1996 so überzeugend dargestellt, wurde dieses Klischee besonders durch den Exilstatus und die damit verbundenen Ängste dieser Mütter verstärkt: Später angekommen als die Generation der älteren, bereits etablierten Immigranten, die durch die 1880er Pogrome als Familien nach Amerika gekommen waren, und die damit in ihrer neuen Umgebung Trost und Zuflucht gefunden hatten, kamen Frauen wie Ruth als junge Teenager nach Amerika und fühlten sich dadurch stärker entwurzelt in ihrer kulturellen Identität als die Generationen vor ihnen. Die dadurch entstehenden Ängste, nicht nur bezüglich Mutterschaft sondern auch vis-à-vis Weiblichkeit und jüdischer Identität im allgemeinen, trugen stark zur Imagination der typisch jüdischen Mutter in Amerika bei. Die stereotype Repräsentation dieser dominanten, stets nörgelnden und mit moralisch erhobenem Zeigefinger ihre Kinder unter Druck setzenden, häufig als lächerlich ausgestellten jüdischen Mutter wurde allerdings seit den 60er Jahren nachhaltig unterminiert bzw. revidiert. „More recent images and imaginations defused the comic exaggerations of the overprotective mother,“ stellt Martha A� Ravits fest (5)� Das heisst, nach der soziologischen Studie aus dem Jahr 2000 wurden die misogynen oder karikaturesken Darstellungen der jüdischen Mutter weitestgehend durch aktuellere und weniger frauenfeindliche Bilder abgelöst. Dieser Wandel in der amerikanischen Popluärkultur ist jedoch nicht einem explizit formulierten Ziel, das Stereotyp zu unterminieren, geschuldet, sondern den veränderten Lebensumständen zeitgenössischer jüdischer Mütter, deren weibliche Identitäten nach ausserhalb der Familien expandierten, und so das Stigma der jüdischen Mutterfigur veränderten. Während bei Ruth Gay noch die empathische Identifikation mit einem solchen Mutterbild im Vordergrund stand, wich dies später den eher humorvoll-karikativen Darstellungen. In der neueren deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ist die Figur insgesamt weniger etabliert, aber durch das Werk beispielsweise Irene Disches (hier besonders der Roman Grossmama packt aus, 2005) fand auch hier die Wiederaufnahme des Bildes von der jüdischen Mutter in den Kanon populärer Alltagsbilder von Frauen statt. Bei Dische findet sich eine absichtsvolle Infragestellung „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 167 des gängigen Bildes, indem ihre Texte das Klischee mit Ironie und Humor als Klischee sichtbar machen, um damit seine Stereotypen bildende Wirkung zu entkräften. Mona Körte und Matthias Lorenz haben unter anderem in dem Band Literarischer Antisemitismus nach Auschwitz überzeugend dargelegt, dass genau dann von Antisemitismus (unter Umständen nur als latente Erscheinung sichtbar) gesprochen werden kann, wenn die dargestellten Stereotype nicht durch textuelle Strategien entkräftet werden. Der sogenannte „Artikulationseffekt“ („articulation effect“) der erstmals von Wolfgang Iser im Zuge der Rezeptionsästhetik formuliert wurde, mag damit im Kontext der Fiktionalisierung von Stereotypen eine entscheidende Rolle spielen. Demnach etabliert Fiktion - durch ständige Grenzüberschreitungen zwischen der Welt des Textes und der Welt des Lesers - die Ausformulierung dessen, was noch nicht durch soziale oder anderweitige Korrelative vorstrukturiert ist. Gleichzeitig ermöglicht Fiktion auch eine Imagination dessen was abseits vorformulierter Konstrukte denkbar - und damit im Leben umsetzbar - ist. An Stelle einer empathisch ausgerichteten Lesart evozieren diese Texte kritische Distanz und damit die Hinterfragung des dargestellten Subjektes (Rider). Bei dem genannten Roman Disches, dem für den deutschen Kulturkreis ausschlaggebenden Text, ist die jüdische Mutter in Gestalt der Grossmutter, die einfach nicht abtreten will, in ihrer Darstellungsform stark überzeichnet und wird somit unmissverständlich als Stereotyp entlarvt. Damit scheint es, als sei das Stereotyp der jüdischen Mutter heute kein Konstrukt mehr, das sich in der zeitgenössischen kulturellen Imagination weiterhin linear festschreiben lässt, und stereotype Abbildungen jüdischer Mütterfigurationen scheinen eher den Müttern der Vergangenheit zugeschrieben zu werden als denen der Gegenwart, sowohl im deutschsprachigen wie auch im U.S.-amerikanischen Kontext. Julia Francks Bestseller Die Mittagsfrau, im Erscheinungsjahr 2007 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet, stellt die Figur der Selma Würsich aus, Mutter von Protagonistin Helene und deren Schwester Martha. Der Roman wurde nach der aufsehenerregenden Verleihung des Buchpreises auch in Bezug auf Francks Biographie rezipiert. Die Frage, wie jüdisch Julia Franck, die eine jüdische Grossmutter mütterlicherseits hat und mit 8 Jahren mit ihrere Familie aus der DDR geflohen ist, selbst sei, wurde von Franck so formuliert dass sie nicht als „jüdische Autorin“ rezipiert werden möchte (Spoerri, „Bitte keine jüdische Folklore“). In jüngerer Zeit hat Franck sich zudem für mehr Religionskritik in Deutschland ausgesprochen, eine Religionskritik die auch das Judentum nicht ausschliessen dürfe. (Main, „Wir brauchen den säkulären Staat“). Die Rezeption von Francks Erfolgsroman hat somit entscheidend zu einer erneuten Aufmerksamkeit gegenüber jüdischer Identitäten beigetragen. Selma wird im Roman als 168 Agnes Mueller geisteskranke, schöne, verführerische, animalistische belle juive dargestellt, mit schwarzem Haar und grünen Augen, die an einer Stelle einen heiseren, kehligen Ruf ausstösst. 1 Sander Gilman hat die Typisierung der belle juive, wie sie im 19. Jahrhundert antisemitisch kodiert wurde, bereits für die Forschung beschrieben. Es handelt sich hierbei um die sexuell verlockende, gefährliche, exotische „Andere,“ die den deutschen, nicht-jüdischen Mann verführt. Selma Würsich lebt im Bautzen der 1920er Jahre, und ihre sexuell kodierte Repräsentation als eine „Andere“ wird durch den Blick eines deutschen, nicht-jüdischen Mannes, der nicht ihr Ehemann ist, noch intensiviert: Frau Selma Würsich stand dort im Nachthemd, dessen Ausschnitt mehr von ihren Brüsten sehen liess, als ihr recht sein konnte� Gestickte Margeriten rankten sich entlang der Spitze. Das offene Haar aber wirbelte durch die Luft und ringelte sich auf ihren nackten Schultern, als lebe es. Die silbernen Fäden glänzten. Blindschleichen wanden sich auf ihren Brüsten� (Mittagsfrau, 107) Diese Darstellung evoziert das Bild einer Verführerin, die dieses Charakteristikum jedoch ihrer Aussenseiter-Rolle als Jüdin in Bautzen verdankt. Dabei ist Selma allerdings nicht einfach eine stereotyp abgebildete jüdische Mutter - jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Selma Würsichs überfürsorgliche Obsession ist nicht auf ihre Kinder gerichtet, - sie vernachlässigt ihre beiden Töchter stark - sondern auf materielle Objekte. Sie ist was wir im heutigen Sprachgebrauch eine „Messi-Frau“ nennen würden. Der Grund für ihre Störung scheint das Trauma, das aus der Totgeburt ihrer vier Söhne entstanden ist, zu sein. Während ihre Identität als deutsche Jüdin sowohl ihren Aussenseiter-Status als auch ihre Geisteskrankheit zu bestimmen scheint, ist sie eindeutig als eine negative Figur ausgestellt. Die Vernachlässigung ihrer Töchter führt schliesslich zu Helenes schockierendem Verlassen ihres Sohnes Peter nach dem Krieg, narrativer Rahmen und Haupthandlungsstrang des Romanes. Obwohl Selma (die mit einem nicht-jüdischen Deutschen verheiratet ist) ihre Religion nicht praktiziert, tritt die stereotype Abbildung als jüdische Verführerin und schliesslich als bösartige jüdische Mutter in den Vordergrund. Und obwohl ihre übermässige Fürsorge fehlgeleitet ist, sind die unterschwellig hervortretenden Charakteristika (Sorge, aggressive Kontrollwut, Übermass an mütterlichen Schutzinstinkten) von einer Art, die an die formulaische jüdische Mutter erinnern. Das Fehlen mütterlicher Liebe das die Protagonistin Helene durch die kompromittierende jüdische Identität ihrer Mutter erfährt, führt damit direkt zur verhängnisvollen Katastrophe des Verlassens ihres (jüdischen und deutschen) Sohnes. Julia Franck’s Abbildung solch einer Mutterfigur ruft Assoziationen mit einer anderen grausamen jüdischen Mutter aus der Zwischenkriegszeit ins Gedächtnis, nämlich der von Gertrud Kolmar� Kolmars Roman, 1931 verfasst „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 169 und 1965 erstmals unter dem Titel Eine Mutter publiziert, viel später (1999) dann interessanterweise unter dem Titel Die jüdische Mutter, veranschaulicht eine geisteskranke und traumatisierte jüdische Mutter. 2 Hier, bei Kolmar, entdeckt die jüdische Mutter Martha Wolg, dass ihre fünfjährige Tochter brutal vergewaltigt worden ist und sich von ihren schweren körperlichen und seelischen Verletzungen nie erholen wird. Die Mutter wird in ihrer bereits bestehenden Einsamkeit und Isolation an den Rand des Wahnsinns getrieben. Sie prostituiert sich einem nicht-jüdischen Mann, um den Gewalttäter ihrer Tochter zu finden, und sie vergiftet daraufhin ihre Tochter, während diese noch im Krankenhaus liegt. Der Tod scheint der Mutter der einzige Ausweg für das Mädchen zu sein, eine Rettung aus dem ansonsten gleichsam unlösbaren Trauma der seelischen und körperlichen Verletzungen. Als die Mutter schliesslich erkennt, dass der Tod der Tochter durch sie selbst verursacht wurde, begeht sie Selbstmord. Kolmars jüdische Mutter hatte einen deutschen, nicht-jüdischen Mann, genau wie Selma, und in ihrer Abbildung ähnelt sie ebenso der belle juive, wenn sie sich prostitutiert, um den Vergewaltiger ihrer Tochter zu finden. Allerdings, und dieser Unterschied ist gravierend, zeigt Kolmars jüdische Mutter eine unmissverständliche Liebe zu ihrer Tochter, während Julia Francks Revision des Mutterdiskurses der Zwischenkriegszeit jüdische Mütter als verstörte und verstörende, negative und verrückte Figuren ausstellt, die in einem unlösbaren Konflikt zwischen dominanter deutscher Männlichkeit und jüdischer Weiblichkeit gefangen sind, und, daher, unfähig sind, zu lieben. Zudem geht die Schuldzuschreibung in Francks Roman so weit, dass die Mutter, die jüdische Mutter, die gleichzeitig als belle juive kodiert ist, für das gesamte Textgeschehen, inklusive des Verlassens des Sohnes, schuldig gesprochen wird. Im Kontext des Holocaust-Erinnerungsdiskurses erscheint eine solche Darstellung problematisch. Zum einen handelt es sich um eine Fiktion, die auf empathetisches Lesen ausgerichtet ist. Das heisst, die jüdische Mutter wird als jüdische Mutter dargestellt, aber nicht als Stereotyp entlarvt, und in dieser Rolle implizit durch die Leser- Innen bestätigt. Zum anderen ist es gerade die so ausgestellte Negativität der Figur der jüdischen Mutter, die diese als schuldig erscheint. Die Umkehrung von Opfer- und Täterdiskursen in der deutschen Nachkriegstliteratur ist ein längst bekannter Modus. Neu ist, dass durch die nicht hinterfragte Verwendung des Stereotyps der jüdischen Mutter in der Fiktion diese Umkehrung aufs Neue aktiviert wird, ohne dass dies durch die Autorin intendiert wird� Wäre Julia Francks Darstellung zweier Generationen jüdischer Mütter ein isolierter Einzelfall längst vergangener Modi, so könnten wir diesen Text aufgrund einer deutlich antisemitischen Kodierung ignorieren� Dass dies nicht der Fall ist, sondern eine grosse Ambiguität besteht, hat die vorangegangene Analyse ge- 170 Agnes Mueller zeigt (cf� Mueller, Die Unfähigkeit zu lieben). So zeigt Jenny Erpenbecks neuerer Roman Aller Tage Abend (2012) eine auf den ersten Blick thematisch verwandte Struktur, wenn auch die jüdischen Mütter insgesamt weniger sichtbar sind als die bei Kolmar und Franck. Wie Franck hat auch Erpenbeck einen DDR-Hintergrund, allerdings einen, der einen wichtigeren Stellenwert einnimmt als der Francks. Erpenbeck wurde 1967 in der DDR geboren und lebte bis zur Wiedervereinigung dort. Insofern ähnelt ihre Biographie der anderer DDR-Autorinnen, wohingegen ihre persönliche Verbindung zum Judentum keine öffentliche Erwähnung findet, denn Erpenbeck hält sich diesbezüglich bedeckt. Das Romangeschehen ist in Aller Tage Abend auf das individuelle Schicksal einer Frau im Rahmen des Zeitgeschehens der deutschen Geschichte des 20� Jahrhunderts gerichtet. Die Protagonistin kommt in fünf Büchern jeweils auf unterschiedliche Weise vor und stirbt auch fünfmal. In den Intermezzzi zwischen den Kapiteln wird sie jedoch wiederbelebt, und lebt im folgenden Buch ein weiteres mögliches Leben. Jenny Erpenbecks Text, um dies gleich vorwegzunehmen, dreht sich nicht hauptsächlich, und wohl auch nicht einmal eindeutig nebensächlich, um das Thema der jüdischen Mutter. Das Judentum insgesamt kommt, auf den ersten Blick, nur am Rande des Romangeschehens vor� Genau genommen ist es lediglich die Großmutter der Protagonistin, soweit wir die nach dem ersten, frühen Tod in Buch Eins viermal wieder auflebende Figur überhaupt als solche bezeichnen können, die greifbar und eindeutig jüdisch konnotiert auftritt. Die Tochter dieser jüdischen Großmutter, also die Mutter der eigentlichen Hauptfigur, wendet sich dezidiert vom Judentum ab, indem sie auf Anraten der Großmutter einen christlichen Mann heiratet, um sich zu assimilieren und sich und die darauffolgenden Generationen vor dem rapide ansteigenden Antisemitismus während der Weimarer Republik zu schützen. Nach der Halacha sind jedoch sowohl die Tochter wie auch die Enkeltochter der jüdisch-galizischen Großmutter, selbst wenn die Frauen mit einem nicht-jüdischen Mann verheiratet sind, und nicht jüdisch erzogen werden - eindeutig jüdisch. Nach den Nürnberger Gesetzen gilt die Protagonistin, mit zwei unmissverständlich jüdischen Großeltern, als ein „Mischling ersten Grades.“ Dies wird dann in Erpenbecks Text auch folgerichtig anhand der Deportation und der Ermordung der Protagonistin im Lager im Jahr 1941 - das ist das Thema des dritten Buches - veranschaulicht. Allerdings - und dies ist für die Analyse zu Trauma und Gedächtnis nach dem Holocaust von besonderer Bedeutung - wird sie im Zuge der stalinistischen Säuberungen nach Sibirien deportiert, und nicht aufgrund ihrer jüdischen Abstammung. Ebenso findet ihre Ermordung in Sibirien aufgrund ihrer kommunistischen Vergangenheit statt. In Anlehnung daran finden sich kaum Angaben zur jüdischen Herkunft der Protagonistin in Buch Drei. Dies bedeutet, dass im Text die kommunistische Vergangenheit der „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 171 Hauptfigur nach dem Zweiten Weltkrieg eine weitaus wichtigere Rolle für ihr zukünftiges Schicksal zu spielen scheint, als ihre jüdische Abstammung. In Buch Vier ist die 1902 geborene Heldin zu einer gefeierten Schriftstellerin in der DDR geworden, die bei einem Sturz auf der Kellertreppe umkommt, und deren 17jähriger Sohn in Teilen vergeblich versucht, ihre Vergangenheit zu rekonstruieren. Auch hier finden sich wenig direkte Anbindungen an das Judentum oder an ihre jüdische Abstammung. Allerdings ist das Bild der überfürsorglichen jüdischen Mutter hier sehr präsent: Erst nach ihrem eigenen Tod gibt sie die Identität der jüdischen Mutter auf, kann sie ihren Sohn nicht mehr schützen (217). Als sie selbst ein Kind war, hatte ihre eigene Mutter sie gewarnt, „Sei so gut und fall mir die Treppe nicht hinunter“ (214), und in Buch IV stirbt die Protagonistin durch den Sturz auf der Treppe. Die hier eingeflochtenen Sprechakte der Mutter stechen aus dem Narrativ hervor, weil sonst keine wörtliche Rede im Text vorkommt. Das heisst, die Äusserungen der jüdischen Mutter haben hier eine strukturell wichtige Funktion� Die jüdische Mutter aus Buch Vier, die hier gerade nicht in der typisierenden, negativ konnotierten Form dargestellt wird, ist ansatzweise in der Figur der Großmutter noch als liebevolle, leicht übermäßig bemutternde und sich sorgende Hausfrau erkennbar. Dabei ist ausschlaggebend, dass sie jüdisch ist, und sich um ihr Kind sorgt� Ihre Entscheidung, die Tochter mit einem nicht-jüdischen Mann zu verheiraten, entsteht aus der Besorgnis um ihr Kind� Ansonsten scheint sie auf den ersten Blick eher wenig Gemeinsamkeiten mit der stereotypen Repräsentation der jüdischen Mutter zu zeigen. Für die Protagonistin selbst hingegen, im 5. Buch dann als „Frau Hoffman“ benannt, gibt es einen Satz, der innerhalb des Textes eine Signalfunktion trägt, indem er in mehreren Büchern erscheint, und der der Charaktereigenschaft der „jüdischen Mutter“ paradigmatisch entspricht. „Junge, setz’ die Mütze auf,“ ist die Aufforderung an den Sohn, die die Protagonistin als „jüdische Mutter“ erscheinen lässt (217 und 282). Bemerkenswert ist hierbei, dass die Protagonistin diese Ermahnung an ihren Sohn auch dann noch ausspricht, als sie selbst 94 Jahre alt ist, und auch der Sohn selbstredend längst in einem Alter ist, in dem er wohl kaum mehr als „Junge“ durchgeht. Da es sich hier um eine Aussage handelt, die dem Geschehen in gleich mehreren Büchern sozusagen untergeschoben wird, ist sie sinn- und bedeutungsstiftend für die Charakterisierung der Protagonistin, die ansonsten eher schablonenhaft beschrieben wird. Diese Zuschreibungen durchbrechen somit die Fiktion des jeweiligen Handlungsstranges. Ebenso erscheint in dieser Zusammenschau die Tirade der Handarbeitslehrerin, dass die Protagonistin ihre Arbeit „schlunzig und schleissig“ gemacht habe (143, 190, 203), eine tragende Funktion im Text zu haben, da sie sich in mehreren Büchern als antisemitische Anklage wiederfindet. 172 Agnes Mueller Die Funktion der Wiederholungen in Erpenbecks Text ist insgesamt eine wichtige poetologische Strategie, die in der meist wörtlichen Wiederholung von Sätzen oder Satzbruchstücken, oftmals in Form von Zitaten, den Charakteren Identität verleiht und den LeserInnen außerdem signalisiert von welcher Figur gerade die Rede ist� Der sehr interessante Kontrast zwischen jüdischer Großmutter - die aber dem Stereotyp der jüdischen Mutter eher nicht entspricht - und angeblich nicht-jüdischer Protagonistin (deren Enkelin) die allerdings verdeckt immer noch jüdisch ist, und zudem mit dem Stereotyp der jüdischen Mutter belegt wird, steht dabei paradigmatisch für einen dialektisch-kritischen Ansatz, der sich in der Gesamtheit des Textes wiederfindet. Das heißt, dass die Ambivalenz jüdisch versus nicht-jüdisch über den ganzen Text hinweg auf verschiedenartige Weise variiert und durchgespielt wird, indem die angeblich nicht-jüdische Hauptfigur sich einerseits ihrer Vergangenheit niemals, und zwar bis in ihr hohes Alter am Tag vor ihrem Tod, ganz entledigen kann, dies aber andererseits nur subtil unter der Oberfläche des Textes hervorscheint. Sichtbar wird dies an mehreren bezeichnenden Stellen des Textes, wenn beispielweise in Buch Zwei unvermittelt folgende Aussage eher lapidar hingeworfen erscheint: „Feuer, Heuschrecken, Blutegel, Pest, oder Bären, Füchse, Schlangen, Wanzen, und Läuse wurden die Juden hier in Wien immer wieder genannt, aber sie hatte das nicht gewusst“ (Hervorhebung im Original, 81, vgl. auch 90). Die Spannung zwischen der Erzählerin und dem eingeschränkten Wissen der Protagonistin betont die Ambivalenz jüdisch-nichtjüdisch weiterhin. Diese Ambivalenz gegenüber jüdischer Identität wird in Buch Drei beispielsweise noch unterstrichen, indem die Protagonistin eben gerade nicht wegen ihrer jüdischen Herkunft deportiert und ermordet wird. An einer bisher noch nicht hinreichend besprochenen Figur wird diese Ambivalenz dann so deutlich, dass aus dem Text weitere wichtige Fragen entstehen. Die Mutter der Protagonistin, also diejenige „jüdische Mutter,“ die in der ersten Generation durch die Heirat mit einem Christen als nicht-jüdisch getarnt werden soll, ist in Buch Eins mit Rollen belegt, die stark an traditionelle Festschreibungen von jüdischen Frauen (nicht nur Müttern) erinnern, wie sie für die Kodierung der belle juive bereits beschrieben wurden. Die Verwandlung der Mutter in Buch Eins nach dem Tod der Protagonistin in eine berechnende Prostituierte evoziert dieses Bild, zumal sie sich zuerst einem deutschen, nicht-jüdischen Soldaten anbietet, und der Text dies auch genau in dieser Form - sogar mit der expliziten Zuschreibung dieser Mutter als jüdisch - präsentiert: „Beim dritten [Freier] war es ein Halstuch, (…) beim vierten na, kannst du dich nicht wehren, und fünften, gib mir deinen Mund, und sechsten, du jüdische Sau, vier fünf und sechs zusammengenommen ein neues Paar Schuhe“ (56). Dass diese Rolle der Mutter, die ja auch aus der Trauer um ihre verlorene Tochter sowie „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 173 aus der wirtschaftlichen Not (ihr Mann ist nach Amerika ausgewandert) in die Prostitution rutscht, ansatzweise als belle juive kodiert ist, lässt auch für die Figur dieser Mutter auf eine verdeckte aber gleichzeitig sehr präsente jüdische Identität schließen, und wiederum auf eine, die sich an bereits etablierten und tradierten Rollendiskursen von jüdischen Frauen, die gegenüber Deutschen als „Andere“ beschrieben werden, orientiert. Die Mutter der Protagonistin wird auch am Ende von Buch Zwei als unmissverständlich jüdisch beschrieben, wenn sie auf Jiddisch zitiert wird, und zwar indem sie - hier wieder ganz typisch jüdische Mutter - ihr Kind ermahnt, nicht die Treppe hinunterzufallen (131). So erinnert diese Mutterfigur auch dezidiert an die eingangs zitierte und bei Kolmar abgebildete jüdische Mutter, die aus der Verzweiflung um ihre Tochter zur Prostituierten wird, und die auch dort als belle juive erscheint� Was jedoch zusätzlich bei Erpenbeck - durchaus in Anlehnung an die Darstellungsformen der jüdischen Mutter in dem Roman von Kolmar zu lesen - zum Ausdruck gebracht wird, ist in Buch Eins die implizite Schuld der Mutter am plötzlichen Tod ihres acht Monate alten Säuglings. In einer drastischen Umkehrung des Diskurses der Schuld der Deutschen am Holocaust nach dem 2. Weltkrieg erscheint hier die Mutter, die - teilweise verdeckt - jüdische Mutter als schuldig oder zumindest mitschuldig am Tod ihres Kindes� Während Schuld als dominante Emotion in den literarischen Diskursen nach dem Zweiten Weltkrieg zumeist den deutschen, nicht-jüdischen Protagonisten zugeschrieben wird, um damit an die grosse, nie zu bewältigende Holocaust-Schuld zu erinnern, erscheint Schuld hier nun als Topos, der explizit der jüdischen Mutter angehört. Die Schuld am Tod des Säuglings wird von den Eltern / Großeltern mit dem Nicht-jüdisch-sein des Mannes in Verbindung gebracht: Erst als das Kind schon da war, und sie es ihm unbedingt zeigen wollte, erfuhr sie dass der Grossvater an dem Tag, als sie, seine Enkelin, den Goj geheiratet hatte, für diese lebendige Braut die Totenwache abgehalten und trotz seiner Schwäche sieben Tage lang auf dem Bett gesessen hatte. (17) Das heißt, dass die jüdische Mutter der Protagonistin hier einerseits negativ als typisierte „jüdische Mutter“ abgebildet ist, mit Anklängen an die Figur der belle juive, gleichzeitig aber mit einem Schuldkomplex belegt wird, der ebenfalls in einen engen Zusammenhang mit ihrer jüdischen Herkunft rückt, auch wenn dies mit der tradierten Form der jüdischen Mutter oder der belle juive nicht in direkter Verbindung steht, und auch auf den ersten Blick so nicht sichtbar ist. Sehr ähnliche Kodierungen finden sich wie schon beschreiben bei Julia Franck, wo Selma wie auch insbesondere Helene, die Protagonistin, als „jüdische Mutter“ dargestellt wird, die ihr Kind vernachlässigt und schliesslich aufgibt, und wo ähnliche Festschreibungen dieser Mutter als Prostituierte / verführerische 174 Agnes Mueller Andere stattfinden, die ebenfalls einen deutschen, nicht-jüdischen Mann heiratet. Sowohl in Francks als auch in Erpenbecks Roman ist es damit die explizit jüdische Mutter die mit einem nicht-jüdischen Mann verheiratet ist, die neben Zügen der belle juive auch das Stereotyp der jüdischen Mutter repräsentiert, die am Schicksal des Verlassens ihres Kindes schuldig gesprochen wird. Zudem erscheint in beiden Texten jüdische Identität als verdeckt bzw. als gleichzeitig verschleiert und entlarvt� Die Fragen, die sich nun aus dieser Art der Darstellung von jüdischen Müttern bei Franck und bei Erpenbeck stellen, beziehen sich auf unsere Beurteilung solcher Kodierungen. Müssen wir in beiden Fällen mit traditionellen Rollenmodellen rechnen, die belles juives und jüdische Mütter als in den Protagonistinnen konvergierende antisemitische Tropen festschreiben? Tropen und Stereotype, die ausserdem zutiefst misogyn sind und uns implizit dazu anhalten sollen, diese Repräsentationen für uns zu akzeptieren? Oder laden uns die Texte vielmehr dazu ein, diese Festschreibungen zu dekonstruieren und als Stereotypen zu entlarven? Diese Frage ist zentral, wenn wir daran denken, wie Trauma, und insbesondere das Trauma der Shoah, über Generationen hinweg fortwirken kann. Für die Geschichtsschreibung und den Unterschied zur literarischen Fiktion hat dies unter anderem Dominick LaCapra überzeugend dargelegt. Die in LaCapra’s Writing History, Writing Trauma propagierte Verwendung der „middle voice“ als geeignetes Instrument der Fiktion, um die Unmittelbarkeit von Zeugenschaft an der Holocaust-Vergangenheit zu evozieren, gleichzeitig aber die Distanz zum Beschriebenen zu wahren, mag etwas konstruiert erscheinen. Dabei drückt LaCapras Ansatz, einen dem Altgrieschischen entliehenen Modus zu verwenden, das gerade für die literarische Fiktion so wichtige Bedürfnis aus, Holocaust-Trauma angemessen zu artikulieren. Wie bereits angeführt zeigt uns die neuere Antisemitismus-Forschung zudem, dass, wenn es sich um Stereotypen handelt, die vom Leser zu dekonstruieren sind, um als solche entlarvt zu werden, es notwendig ist, dass der Text selbst dafür eindeutige Markierungen aufweist. Matthias N. Lorenz und Michael Bogdal liefern hier in Literarischer Antisemitismus nach Auschwitz die wichtigsten Ansätze� So stellt Bogdal drei verschiedene Kriterien auf, anhand derer wir die jeweils untersuchten Texte befragen können. Er bezeichnet Texte als antisemitisch, wenn sie (1) einen offensichtlichen, subjektiv intendierten Antisemitismus zum Ausdruck bringen; (2) einen unabsichtlichen, fahrlässigen (bewussten oder unbewussten) Gebrauch von Stereotypen enthalten, und (3) ein riskantes, dekonstruktives Spiel mit antisemitischen Klischees betreiben. Während nach Bogdal das erste Kriterium zwar leicht erkennbar, sein Auftreten in zeitgenössischen deutschen Texten aber unwahrscheinlich ist, sind das zweite und dritte Kriterium schwerer zu bewerten. Daher ist es umso dringlicher, Literatur, die antisemitische Sprache aufruft, „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 175 gründlich und eng am Text zu analysieren� Gleichzeitig muss die Frage gestellt werden, welche Rolle die Empathie des Lesers bei der jeweiligen Fiktionalisierung einnimmt� In Erpenbecks Roman findet sich demenstprechend eine komplexe und wichtige Inszenierung der Fiktion: Jedes der fünf Bücher ist implizit im Konjunktiv gehalten. Obwohl der Konjunktiv nicht als grammatikalische Struktur durchgängig erscheint, beschreibt jedes der Bücher ein neues, anderes Leben der einzigen und immer gleichen Protagonistin. Fiktion wird hier nicht einfach als im Text auftretendes narratives Element etabliert, sondern durch die konjunktive Wirkung der verschiedenen Bücher, das „als wäre wenn,“ weiterhin fiktionalisiert. Dabei trägt Erpenbecks Roman insgesamt durch die narrativen Strategien der konjunktiven Fiktionalisierung (Fiktion innerhalb der Fiktion) eine aufklärerische Wirkung. Zudem wird der transformative Charakter der Fiktion in ihrer besonderen Entfaltungsmöglichkeit unterstrichen. Wir werden damit nicht nur an die Unhaltbarkeit, die Unverlässlichkeit literarischer Fiktion erinnert, sondern wir werden gleichzeitig explizit dazu angehalten, das Repräsentierte kritisch zu hinterfragen. Diese Offenheit gegenüber der Möglichkeit von Transformationen in uns, den LeserInnen, und damit die Möglichkeit, Dinge anders zu imaginieren als sie wirklich sind, ist, was in diesem Roman besonders hervorsticht. Diese Struktur beschreibt auch, was Erpenbecks literarische Fiktion grundlegend von der Julia Francks unterscheidet: Die jüdische Mutter in Aller Tage Abend muss in ihrer Darstellungsform kritisch hinterfragt werden. Besonders wenn wir sie mit den jüdischen Müttern in Francks Roman vergleichen, so unterstreicht Erpenbecks Roman die Konstruiertheit von Stereotypen - und entlarvt sie damit als Stereotypen. Im Gegensatz dazu sind in Die Mittagsfrau keinerlei Signale zu finden, die der Leserin signalisieren, dass sie die Darstellungsform von Selma Würsich oder Helene zu hinterfragen hat. Es ist an keiner Stelle im Romangeschehen die Fiktion als Fiktion ausgestellt, und die Konstruiertheit antisemitischer oder misogynistischer Stereotype wird nicht angesprochen. Die Empathie der Leser wird damit auf die Figuren selbst gerichtet, ohne diese jedoch in ihrer Identität zu befragen. In beiden Fällen geht es jedoch eindeutig um Texte, die spezifisch weibliche Traumata der Shoah zu verarbeiten suchen, und beide Texte bedienen sich der literarischen Fiktion. Ebenso werden in beiden Texten teilweise stereotyp dargestellte jüdische Mütter in Bezug auf die deutsche Schuld an der Vergangenheit negativ kodiert� Im Falle von Erpenbecks Roman geschieht dies allerdings, im Unterschied zu dem Julia Francks, mit dem expliziten Ziel, das Klischee durch die LeserInnen dekonstruieren zu lassen� 176 Agnes Mueller Was aber passiert demnach mit anderen zeitgenössischen Abbildungen dieser Figurationen, und dem eingangs genannten literarischen, aber weniger stark fiktionalisierten Text einer Autorin, die im heutigen Deutschland zuallererst als Schauspielerin bekannt ist? Adriana Altaras’ Porträt einer jüdischen Mutter ist liebenswert und positiv, und es gibt bei ihrer Darstellung keine sichtbaren Überbleibsel der stereotypen belle juive, obwohl die Protagonistin durchaus attraktiv ist. Ebenso finden sich keinerlei Anklänge von Überfürsorge, oder von einer Mutter die ihr Kind umbringt oder verlässt. Genaugenommen ist die jüdische Mutter bei Altaras keine „jüdische Mutter“ - wenn wir uns auf das Stereotyp beziehen wie es sich im Laufe des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt hat� Altaras’ Beschreibungen von Mutterschaft sind chaotisch, schwierig, manchmal schmerzhaft für ihre Kinder (und für sie selbst), aber dies scheint hauptsächlich der Tatsache geschuldet dass sie eine prominente Karriere mit der Aufzucht zweier Söhne vor dem Hintergrund einer schwierigen deutsch-jüdischen Identität zu verbinden sucht. Anstatt das Judentum oder die jüdische Mutter durch ein althergebrachtes Klischee in deutlicher Form in den Text einzuschreiben, lebt Altaras’ Protagonistin das Judentum im täglichen Leben, und sie reflektiert dabei immer mit, was es bedeutet, in Deutschland jüdisch zu sein, als Jüdin mit einem nicht-jüdischen Deutschen verheiratet zu sein, wie der Holocaust erinnert wird, - und ebenso allgemeine und nicht-jüdische Aspekte der Kindererziehung. Altaras’ Memoiren, sofern diese Genrebezeichnung hier trägt, sind zu einem grossen Teil aus der Perspektive ihres Alter Ego geschrieben, und einige der Menschen, die in ihrem Leben wichtig sind (ihr Mann, ihre Söhne, ihre Therapeutin, ihre ältere Freundin, andere Freunde), bieten Perspektiven ihrer eigenen Wahrnehmung jüdischen Lebens in Deutschland an, was wiederum dem Familienleben der Protagonistin zu helfen verspricht. Ihr Standpunkt ist der einer emanzipierten Frau, die nüchtern eine grosse Breite verschiedener Themen anspricht und verarbeitet. Eines dieser Themen bezieht sich auf die höchst umstrittene Beschneidung ihrer Söhne, ein politisch wie auch privat hochbrisantes Thema, besonders seit der „Beschneidungsdebatte“ von 2012. Es ist in dem Text insgesamt deutlich angelegt, dass „Adriana“ explizit versucht, mit vielen eindeutig jüdischen Themen zurechtzukommen, andere wiederum sind eher allgemein weibliche-feministische, pädagogische, oder menschliche Themen. In allen Fällen werden diese mit grosser Direktheit und Ehrlichkeit angesprochen. Als sie beispielsweise ein Gespräch mit ihrem - ebenfalls jüdischen - Freund Raffi imaginiert, sagt dieser Folgendes: Die kommen zu deinen Lesungen, weil sie von dir Absolution erhalten möchten. Aber für die Erlösung sind wir (gemeint sind die Juden) nicht zuständig. Du fährst hin. Lässt „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 177 dich feiern, gibst ihnen Einblicke in unsere Seelen. Das werden sie missbrauchen und gegen uns richten. (…). Sie werden uns immer übelnehmen, dass ihre Eltern es waren, die unsere Eltern vergast haben. Sie werden uns Auschwitz nie verzeihen. (Doitscha, 163) Der Gedanke, dass die Deutschen den Juden Auschwitz niemals verzeihen werden, wurde usprünglich durch den israelischen Psychoanalytiker Zvi Rex etabliert. Er ist mittlerweile zum geflügelten Wort geworden, um die schwierigen zeitgenössischen Diskurse um Schuld und Scham über die Shoah zu beschreiben, in denen viele Deutsche bis heute gefangen sind. Altaras’ Text bezieht sich häufig auf diese Konflikte, und durch ihren humorvollen Stil gelingt es ihr, sie direkt anzusprechen ohne über sie hinwegzugehen, oder sie als Tabu festzuschreiben. In weitaus direkterer und weniger fiktionalisierter Form als die beschriebenen Romane von Franck und Erpenbeck präsentiert sie die angesprochenen Probleme des deutschen Holocaustgedächtnisses auf einer privaten und alltäglichen Ebene. Während die besprochenen fiktionalen Darstellungen jüdischer Mütter bei Erpenbeck und Franck ebenfalls Referenzen zum deutschen Holocaustdiskurs evozieren, zwingt Altaras’ eher journalistischer Text uns, diese Referenzen im direkten und konkreten, durch private Erlebnisse bestimmten Kontext des deutschen Gegenwarts- und Tagesgeschehens zu sehen. Ist es daher ein Makel, dass Altaras’ Text nicht stark fiktionalisiert ist, besonders wenn wir an die Komplexität der in Erpenbecks Roman dargestellten Strukturen denken? Möglicherweise ja, unter literarhistorischen Gesichtspunkten. Den LeserInnen bleibt in Altaras’ Text weniger Raum zur Imagination, der komplizierte Diskurs der Holocaust-Schuld wird möglicherweise an einigen Stellen zu lapidar verhandelt. Die Leser-Empathie ist eindeutig auf das Erleben einer (attraktiven, gutsituierten und erfolgreichen! ) Frau gerichtet. Dennoch zieht sich eine emanzipierte und aufklärerische Mutterliebe als gestaltendes Paradigma durch das Textgeschehen und durch den jüdisch-deutschen Alltag einer erfolgreichen Frau� So spielen die Identitäten der verschiedenen Autorinnen in der Abbildung jüdischer Mutterschaft noch immer eine wichtige Rolle, ebenso wie die Wechselwirkungen von Fiktionalisierung und Erinnerungsprosa diese Bilder mitformt. Dabei gibt es innerhalb der Darstellungen in den hier besprochenen Texten eine durchaus progressive Bewegung, obwohl es sich um eine relativ kurze Zeitspanne der Veröffentlichungen der Texte (von 2007 bis 2014) handelt. Die Repräsentationen der jüdischen Mütter reichen von Abbildungen bösartiger, kontrollwütiger, und zerstörerischer Typen, die klischeeartige Imaginationen jüdischer Mütter aus dem frühen 20. Jahrhundert evozieren, hin zu zeitgenössischen, liebenden, und humorvollen Muttertypen die in ihrer Individualität als 178 Agnes Mueller emanzipiert und liebenswert beschrieben werden. Die komplexe Aufarbeitung des Stereotyps in Erpenbecks kunstvoller Fiktionalisierung lässt zudem darauf schliessen, dass in neuerer Zeit zumindest ein Aspekt der Wahrnehmung überlieferter und tradierter Klischees von Weiblichkeit im Kontext der Erinnerung an die Shoah eine deutliche Revision erfahren hat� Eine weiterführende Frage betrifft die nach der Leserschaft und nach deren Wahrnehmungen gegenüber den Mütterdarstellungen in den genannten Werken. Besonders in einer Zeit, in der die Rolle der Mutter durch die Medien ständig neu auf den Prüfstand gestellt wird, ist diese Frage von zentraler Bedeutung. Mütterbilder, wie sie heute in verschiedenen Medien (beispielsweise in fiktionalen Texten, Filmen, aber auch in Sachbüchern und Ratgebern, sowohl online wie in Printmedien) präsentiert und verhandelt werden, von Tiger Mom über Helicopter-Mom bis hin zu weitläufigeren Fragen nach der Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft, haben ganz jenseits der Vergegenwärtigungen des Shoah-Diskurses in neuerer Zeit an Frequenz und Bedeutung zugenommen. Es scheint, als sei die Rolle der Mutter seit neuestem in den westlichen Kulturen insgesamt von einer tiefen Unsicherheit befallen, die sich in den Ausformulierungen unterschiedlichster - und häufig negativ konnotierter oder durch Ängste charakterisierter - Mütterbilder wiederspiegelt. Wie Joyce Antlers umfassende und aktuelle Studie You Never Call! You Never Write! zur Geschichte der jüdischen Mutter im amerikanischen Kontext so treffend auf den Punkt bringt: „You don’t have to be Jewish to be a Helicopter Mother“ (234). In dieser Hinsicht ist die Darstellung in Altaras’ Text wohl weniger überraschend und auch weniger bemerkenswert als es im Kontext der Repräsentationen spezifisch jüdischer Mütter oder des Stereotyps der jüdischen Mutter erscheinen mag, denn Mutterdarstellungen haben in jüngster Zeit ohnehin Hochkonjunktur. Die Autorin ist zudem prominent, d. h. Erwartungen der LeserInnen richten sich zu einem nicht unwesentlichen Teil auf den Aspekt der Neugier und des Voyerurismus an einer Art von Celebrity-Kultur. Dass damit die Thematik der Shoah-Repräsentation automatisch in den Hintergrund tritt, ist jedoch nicht eindeutig zu belegen, denn die wohlwollenden Rezensionen zu Doitscha in Die Welt und in der FAZ scheinen dem zu widersprechen - beide loben explizit Altaras‘ gelungene Darstellung des Jüdischseins in Deutschland (Batzinger und Hirsch). Dieser Umstand scheint darauf hinzudeuten, dass die Frage nach der deutschen Holocaust-Erinnerungskultur durch diese Art der Repräsentation jüdischer Mütter wiederbelebt wird. Eine gelungene Inszenierung der jüdischen Mutter vor dem Hintergrund der Fragen nach deutsch-jüdischer Identität scheint demnach auf Seiten der LeserInnen durchaus Resonanz zu finden - eine Resonanz, die möglicherweise dabei helfen kann, das Jüdischsein in Deutschland insgesamt jenseits „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 179 eines Aussenseiterdiskurses zu etablieren. Besonders im Kontext der eingangs erwähnten jüngeren Forschungen zu Affekt und Emotion innerhalb des Holocaust-Erinnerungsdiskurses (N. Ann Rider) wird die Empathie der LeserInnen auf ein Frauenbild gelenkt, das an ein vergangenes Stereotyp produktiv erinnert, damit einen bewussten Bruch erzeugt und durch die Neuformulierung zu einer kognitiven Empathie anregt. Abschliessend bleibt festzuhalten, dass die dezidierte und explizite Revision und Subversion eines überlieferten und hochproblematischen Stereotyps in dem Roman Jenny Erpenbecks eher dazu geeignet ist, jüdische Mütter als solche erkennbar zu machen und als Stereotypen zu entlarven. Im Gegensatz zu Altaras’ Text wird dies in Aller Tage Abend möglich, indem literarische Fiktion und Literarizität die zentrale Rolle im Text, sowie daraus entstehend, im Gespräch über den Text einnehmen. Mit anderen Worten ermöglicht literarische Fiktion eine Mobilisierung von Vorstellungswelten, die nicht an die Pragmatik sozialhistorischer Gegebenheiten gebunden sind. Durch Erpenbecks besondere Struktur der Fiktion innerhalb der Fiktion, der Konjunktivierung in Aller Tage Abend kann dieser Effekt neue Ausprägungen jüdischer Mutterfiguren - jenseits der bekannten Typisierungen - für ihre LeserInnen evozieren. Nicht nur werden damit bekannte Stereotypen entkräftet und der zeitgenössische Diskurs über Repräsentationen der Shoah neu belebt, es werden auch neue Identifikationsmodelle denkbar, für deutsche Mütter, für jüdische Mütter, und für Frauenbilder, die zwischen diesen Vorstellungswelten oszillieren� Wie Wladimir Kaminer über seine jüdische Mutter sagt: „Eine gute Mutter ist diejenige, die ihre Vorstellungen von der Welt und von den Werten nicht auf ihre Kinder projiziert, die im Grunde die Kinder begreift, die sich zurücknehmen kann aus dem Bild. Dafür braucht man viel Willenskraft. Das Ergebnis ist immer anders als die Absicht der Eltern“ (Kaminer in Roggenkamp). Diese wohl sehr treffende Aussage ist absichtsvoll so formuliert, dass sie für alle Mütter, nicht nur die jüdischen, Gültigkeit hat� Von der Autorin Erpenbeck selbst ist eine derartige Inszenierung oder gar Subversion des Bildes der jüdischen Mutter übrigens nicht notwendigerweise explizit intendiert, ebenso wie auch Erpenbecks jüdische Wurzeln kaum Eingang in das Gespräch über ihr Werk gefunden haben. Dieser Umstand belegt erneut, dass Stellungnahmen von AutorInnen gegenüber der Intention ihrer Werke oder auch (Selbst-) Darstellungen zur auktorialen Identität häufig nicht relevant sind in der tatsächlichen Wirkung der Texte auf einen bestimmten Diskurs. Es ist wichtig, besonders bei Identitätsfragen wie dieser, nicht in Muster zu verfallen, in denen AutorInnen einfach mit deren - versteckten, verdeckten, und der Auslegung bedürftigen - Aussagen gleichgesetzt werden. Auktoriale Intention ist somit eine Kategorie, die für die Analyse von Stereotypen in der 180 Agnes Mueller Fiktion aussen vor gelassen werden muss. Was stattdessen als zentral festzuhalten gilt, ist die erneuernde Wirkung der Fiktion auf eine zeitgenössische Leserschaft, für die Darstellungen jüdischer Mütter als überfürsorgliche Beschützerin, verführerische belle juive, und egozentrische und gefährliche Feministin ausgestellt und als langstehende antisemitische Festschreibungen entlarvt werden. Es wir so ein Bruch sichtbar, der zu einer cognitiven Verarbeitung dessen anregt, was früher (wie noch im Textbeispiel von Julia Franck sichtbar) eher diffus auf emotionaler Ebene wahrgenommen wurde. Damit wird es erneut möglich, zeitgenössische Mütter - jüdische, und auch deutsche - als liebend darzustellen, und gleichzeitig heutige LeserInnen auf neue Rollenmodelle hinzuweisen. Für den gesamtgesellschaftichen Diskurs der Erinnerung an die Shoah bedeutet dies, dass narrative Werke, und hier ganz besonders das Element der Fiktion, die Dekonstruktion antisemitischer Vorurteile entscheidend befördern. Notes 1 Wichtig ist hier dass von der gängigen Forschung Julia Francks Texte lediglich aufgrund ihrer Performanzen von Weiblichkeit, Mutterschaft, etc., untersucht werden, die jüdischen Elemente jedoch gänzlich aussen vor bleiben. So beispielsweise bei Alexandra Merley Hill und bei Valerie Heffernan. 2 Interessanterweise erscheinen die Neuauflagen des Textes bei Wallstein und bei Suhrkamp erst nachdem der Roman 1997 ins Englische übertragen wurde: cf. Barbara C. Frantz. Works Cited Altaras, Adriana� Doitscha: Eine jüdische Mutter packt aus. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2014� Antler, Joyce� You Never Call! You Never Write! A History of the Jewish Mother. New York: Oxford UP, 2007. Batzinger, Irene� Rezenzion zu Doitscha: Eine jüdische Mutter packt aus, von Adriana Altaras� Die Welt 15. November 2014. Bogdal, Klaus-Michael. „Literararischer Antisemitismus nach Auschwitz: Perspektiven der Forschung.“ Literarischer Antisemitismus nach Auschwitz. Hg. von Klaus-Michael Bogdal, Klaus Holz, und Matthias N. Lorenz. Stuttgart / Weimar: Metzler, 2007. 1-12. Dische, Irene� Grossmama packt aus. Hamburg: Hoffmann und Campe, 2005. Erpenbeck, Jenny. Aller Tage Abend� München: Knaus, 2012� Franck, Julia� Die Mittagsfrau� Frankfurt am Main: Fischer, 2007� Frantz, Barbara C. Gertrud Kolmar’s Prose. New York: Lang, 1997. Gay, Ruth� Unfinished People. Eastern European Jews Encounter America. New York/ London: Norton, 1996. „Jüdische Mütter“ in narrativen Werken von Erpenbeck, Franck, und Altaras 181 Gilman, Sander. „Salome, Syphilis, Sarah Bernhardt, and the ‚Modern Jewess.’“ German Quarterly 66 (1993): 195-211. 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Through Pierre Nora’s concept of sites of memory, the Grimms’ Kinder- und Hausmärchen and Arnim and Brentano’s Des Knaben Wunderhorn create a virtual space in which a German cultural identity can be articulated in spite of territorial division and Napoleonic conquest. The design of these collections reflected the desire for a coherent national culture, and, as material artifacts, the collections constituted a site of memory production serving cultural and national identity that would outlive historical events and generational transitions� Keywords: fairy tales, Märchen, Grimm, Herder, Brentano, von Arnim, sites of memory Cultural texts change with the changing context of a changing present, and it is precisely the cultural texts that are subject to the most radical editorial modifications. ( Jan Assmann, Religion and Cultural Memory 124) Nineteenth-century Germany was a time of renewed attention to beliefs and traditions of bygone eras. This extended to a movement of historical preservation often focusing on Gothic structures which ostensibly linked contemporary Germans to their past (Hagen 29). It likewise saw the rise of philology where scholars set to discover the origins of language, as well as history being formed as an academic discipline (Peterson 289). It is unsurprising then that, during a time so focused on the rediscovery and preservation of an ancient past, of tangible and documented representations, the collection of folksongs and folklore flowered. Indeed, some intellectuals saw little to no difference between folk stories and history� In Deutsche Mythologie (1835) Jacob Grimm writes, “Sage und geschichte sind jedwedes eine eigne macht, deren gebiete auf der grenze in einander verlaufen…” (iii). History, then, was presented as retained within the folk stories� At the turn of the nineteenth century, folktale and folksong collection had already become popularized through multiple publications such as Friedrich Nicolai’s Eyn feyner kleyner Almanach (1777), Johann Karl August Musäus’s Volksmährchen der Deutschen (1782—1786), Christiane Benedicte Naubert’s (at publication anonymous) Neue Volksmährchen aus mündlichen Erzählungen gesammelt (1787), the anonymous Ammenmärchen (1791—92), and Mährleinbuch für meine lieben Nachbarsleute (1799) among others. Though collection around this time was influenced more specifically through the work of Johann Gottfried Herder and his collection Volkslieder nebst untermischten anderen Stücken (1779)� Herder in fact coined the term Volkslied and demonstrated here his idea that comparing literatures of different nations could be instructive (Niekirk 56—58). In his collection he includes not only Nordic and Native American folksongs, but also poetry from celebrated writers such as Shakespeare and Goethe. This diversity was justified by an emphasis on their common origins of creation within collective tradition. That tradition, he maintains, is open to stimulation from different cultures (Lampart 171). Herder, the godfather of collecting songs as part of a cultural tradition and a cultural memory, influenced and inspired German Romantics to collect and preserve folksongs. And though Romantics used Herder’s term of the Volkslied, they importantly adapted and modified it so that it no longer referred to an international collective of the Volk as its foundation but functioned primarily as a term with strong national connotations (Niekirk 58)� Folksong and folktale collection surged during the Napoleonic occupation. There was an immense effort and desire by many scholars and writers to define the distinct outlines of a specifically Germanic culture by offsetting it, in particular, against Classical civilizations (Norton 1) in direct response to the Napoleonic invasion and domination. The growing need to identify and defend this distinctly “German” culture became tied to political efforts as many strove to prove that Germany was much more than a geographical location—but a place of sophistication and culture all its own, often by creating tension between German culture and French influence (Norton 7). Germans struggled with a sense of identity through these turbulent years of conquest and control (Peterson 287) in which Deutschtum was not just ideologically, but also literally under threat. Collections such as Achim von Arnim (1781—1831) and Clemens Brentano’s (1778—1842) Des Knaben Wunderhorn (1805—1808), and Jacob (1785—1863) and Wilhelm Grimm’s (1786—1859) Kinder- und Hausmärchen (1812—1857) are a 184 Jaime Roots Sites of Remembrance 185 direct response to the imposed French influence and take part in the search for evidence of historic roots as writers and intellectuals sought for answers of how to define German culture. Within their collections, Brentano, Arnim, and the Grimms claim to work towards reviving an ancient, but seemingly ever-present cultural memory of the people preserved within the songs and stories of the folk—one which described the German people as emancipated and unified under a single culture. If this cultural memory could be revived, the past as represented in their collections could be instrumentalized to serve as a foundation for the present and future of German culture. There was little popular-academic history at the time, and many German intellectuals sought to popularize it in other ways—often through historical fiction or other stories that had ties to the past. It was through more literary adaptations such as historical fiction as well as collections of folktales and legends that most Germans learned of historical events (Peterson 289). Indeed, around 1800 the term history had a change in meaning. Previously just an abstract concept, it was now viewed increasingly as closely connected with politics and economics causing a major turning point in European thinking. Reality itself came to be seen as more insecure and thus unpredictable: signs indicative of an intellectual crisis. And accordingly, the problem of coping with this emerging perception of the historical world came to dominate philosophical thinking in Germany around 1800 (Lampart 173—75). In the face of such cultural and historical uncertainty, Brentano, Arnim, and the Brothers Grimm present their collections as unifying symbols—texts which quite literally proclaim to have recovered a lost history of the German people. Since their publication, Des Knaben Wunderhorn (Wunderhorn) and Kinder- und Hausmärchen (KHM) have emerged as massively influential representations of the German folksong and fairy tale respectively 1 and thus major sites of transforming a German cultural memory and its representation of the past. Such histories which focused on the unity of language and culture as important for a nation rather than physical borders were especially welcomed during a time of continued political change and shifting borders. As Cristina Bacchilega notes, “the fairy tale… magically grants writers/ tellers and readers/ listeners access to the collective, if fictionalized past of social communing…. Though it calls up old-time wisdom, the fairy tale grants individuals the freedom to play with this gift…” (5), and in their transformations, Arnim, Brentano, and the Grimms play with the songs and tales within their collections to create printed editions—tangible reference to the Germanic past. Achim von Arnim and Clemens Brentano in Wunderhorn as well as Jacob and Wilhelm Grimm in KHM attempted to convey a logical, linear connection of the “Golden Age” of the Germanic past to their nineteenth-century present, actively seeking to cultivate 186 Jaime Roots a cultural memory of a Germanic past free of foreign influence by situating their written collections as literary sites of memory—a symbolic representation of a community’s memorial heritage. In this article, I focus on the specific role of literature as a site of cultural memory. In the face of such cultural uncertainty and with the absence of established representative institutions of a unified nation, I propose that the collections Wunderhorn and KHM serve as alternative forms of representation. Thus they serve as representatives of a virtual nation by focusing on the primacy of language, culture, and heritage as binding forces over that of physical territory. Published with opportune timing during the defeat of Prussia (1806 and the publication of the first volume of Wunderhorn) as well as boundaries being redrawn and redefined (1815 and the publication of the second volume of the first edition of KHM), these two collections worked to create and establish a unifying cultural memory and therefore the illusion of a unified history. During a time when the concept and role of history was developing, the collections seek to establish history itself. As Pierre Nora states, only in a regime of discontinuity is such a feat possible (17). After briefly introducing the collections as sites of memory, I first investigate how the past was instrumentalized in the collections to promote and strengthen nineteenth-century intellectual views of a proud and independent Germanic cultural past. The collections reinterpret history, and even language use, for their own purposes through the restoration of songs and tales to establish the existence of a lost history� Secondly, I examine how the folktales and songs within the collections seek acculturation through forming clear boundaries around what it means to be German. In this process, “forgetting” or erasing markers of inconsistencies in a linear narrative are of utmost importance in creating the perception of a seamless transition from past to present. The collections work to create and establish a memory, indeed a supposedly missing history, and to “materialize the immaterial” (Nora 19) within their pages, encouraged by the belief that the German people had forgotten who they were and where they came from. Thus they sought to provide physical artifacts to promote their interpretation of history. These four collectors certainly worked to consolidate a national identity throughout their collections by linking behavior and folk beliefs to contemporary bourgeois norms. Part of this aim, as others have noted, was an attempt to emancipate German culture from the monopolies of classical and French influence. 2 Jack Zipes writes that the Grimms sought to link folktales with the cultivation of bourgeois norms, and to foster the development of a strong, national bourgeoisie which was rising in power (Fairy Tales 59—60). Likewise, Sites of Remembrance 187 Arnim in particular has been described as doing “little to hide [his] nationalistic undertones” in Wunderhorn (Fortmann 248). Yet in addition to these important reasons for the frequently heavy-handed editing and rewriting which took place in the two collections, we should recognize the characteristics of sites of memory as motivations for the often radical transformations the two collections underwent: fear of cultural oblivion in the light of change, perception of lack of continuity between past and present, and the belief that a physical object can resuscitate a fading past. In presenting their published editions as rescuing or preserving a national, cultural identity, the collectors demonstrate a fascination with what Pierre Nora has termed lieux de mémoire, or sites of memory, as they worked to establish their collections as preserving a unifying and cohesive link to between past and present. These sites where “memory crystallizes and secretes itself” are used as a means to help a society connect with a national, cultural memory as well as a means of establishing historical continuity (Nora 7). In the preface of the 1812 edition of KHM, Jacob and Wilhelm Grimm remark, “[e]s war vielleicht gerade Zeit, diese Märchen festzuhalten, da diejenigen, die sie bewahren sollen, immer seltener werden…” (vii). The Grimms observe that new generations were far less concerned with myth and tradition than they were with moving forward into the modern world. “Freilich,” they write further, “die sie [die Märchen] noch wissen, wissen auch recht viel, weil die Menschen ihnen absterben, sie nicht den Menschen” (vii). Thus the folktales are presented not just as a link to the past, but as a sort of crystallization of a fading memory. The Grimms describe a scenario in which the past is not fading into oblivion due to forgetfulness, but rather the deaths of tradition bearers. The tales, and thereby the old traditions must then be preserved before they are lost forever. Whether memory sites are objects such as statues or texts or other means of memorializing the past such as rituals, the catalyst for their production comes either from a real or perceived break in continuity. They represent a period in which people perceive that “memory [has] been ‘torn’” (FitzGerald 85). The Grimms use fading folk stories as representatives of this torn memory, and indeed stories themselves have been described as the “primary devices” by and with which communities define themselves ( Jackson 55). In their preface, the Grimms describe the urgency they feel to preserve folktales and folk beliefs in written form as they see themselves living in a time when these stories, and thus traditions, were no longer commonplace, making it more difficult to define their communities� Likening the past to ancient trees, Arnim writes, “O mein Gott, wo sind die alten Bäume, unter denen wir noch gestern ruhten, die uralten Zeichen fester Grenzen, was ist damit geschehen, was geschieht? Fast vergessen sind sie schon unter dem Volke, schmerzlich stoßen wir uns an ihren Wurzeln” (Wunderhorn 188 Jaime Roots 438). Here this “painful,” torn memory is in need of revival. The trees, representatives of the traditions of the past, have disappeared and people merely stumble on their roots, the last connection with this memory of the past. Nora writes further that sites of memory come into existence due to the belief that the past could be resuscitated if only an effort of rememoration were made (16) and yet this very act of resuscitation concedes that the memories they attempt to defend are threatened and no longer a part of everyday life (12). In a time so invested in creating national histories and narratives, it is important to look how poetic and narrative strategies worked to establish and create a memory of the past. In one respect, Brentano states that he and Arnim specifically avoid any “modern” songs in their collection which they consider to be “alles waß im 17. 18. und 19. Jahrhundert liegt…” (Werke 574) to give their collection the appearance of a representation of the past. Yet in another, Arnim and Brentano specifically note that in the collection of their Volkslieder, they have rewritten and changed the songs in their collection. It was seen as not only completely natural, but also entirely necessary to revise and change the songs in their collection. Their attempt to create a unifying artifact preserving a German history was one they viewed as both a historical as well as a creative enterprise (Lampart 177). They write that they can no longer distinguish between the content of the “old songs” and what has been updated either by them or by others in more modern times. Arnim writes, “[e]s würde uns jezt fast unmöglich seyn durch Zeichen, wie einige gewünscht haben, anzudeuten, wo die Restaurazion anfängt und das Alte aufhört” (Wunderhorn 483)� As Arnim notes, the restored versions, with all changes that have been made, have now become the representatives of the Germanic past they were seeking to establish. There is no longer any way for them to determine what has been restored and what was a part of songs as they were collected—nor did they perceive of this indistinguishable nature of their collection to put into question the validity of their project. The restored songs in their collection then serve as a symbolic transformation of Brentano and Arnim’s claim to return the songs of the past. The way in which the past is preserved, and in turn reinterprets elements of a collective history, seeks to locate an emotional core of the past and connect it with ideals of the present (Slyomovics 1). In his postscript to the first volume of Wunderhorn, Arnim does not hide his intent to connect this literary representation of the past through emotion: “Sey ruhig gutes Publikum,” Arnim writes, “dabei kannst du noch das Heil deiner schlafenden Seele… suchen” (442). The collectors note, however, that for the anthology to achieve their goal of serving as a representative of the past, the songs must be presented as one cohesive object seeking to mend the torn connection to a cultural memory rather Sites of Remembrance 189 than as collection of individual, but perhaps unrelated songs. The collection is one which inspires an “immediate visuality,” one which encourages the reader to read the poems at random, focusing on some poems while bypassing others (Fortmann 248)� Wunderhorn then, was not meant to rely on individual songs, rather the songs should support the overall vision of their publication. In doing so, they specifically compare the terms “restoration,” the process of bringing something back to its original state and “instauration,” renewal and repair after decay or dilapidation. Brentano writes that [a]lle Restauration darf nicht individuell sein, sonst wird es Instauration und zwei Genien, die sich die Hände reichen, und deren einer die Hand verlohren, sind nicht restaurirt, wenn ich hinten meine Hand durchsteckte, ebenso wenig, wie in eine gemahlte Leda ohne Schwan, jemahls ein lebendiger Schwan sie verlieben wird. (Freundschaftsbriefe 486) Here Brentano posits the difference between instauration and restoration, though he does so idiosyncratically. He writes that restoration is the ultimate goal of their collection and claims that instauration is an artificial and contrived attempt. Brentano likens instauration to an attempt to make an imposter, or a newly written song, pose as an ancient song of the people. He also notes their perceived downfall of instauration—that they see it as occurring only on an individual level. Here he utilizes the term of restoration to make claims about their collection as a whole; that only a completed project of Volkslieder can truly restore a cultural memory. It is clear from his remarks above that the individual songs are not of importance rather their participation in presenting a unified cultural memory of the past. Brentano and Arnim, as well as the Grimms, believed that their songs and tales would not be influential if they remained within a vacuum - they also required a collective, social framework. Without a social framework, they would have no resonance in their readers’ lives and thus would not be able to be established as a cultural memory. Brentano wrote to his friend Wyttenbach of the role of the folksong in society: Ich zweifle nicht, daß mein an Sie erlassenes Zirkular das, was ich wünsche, waß ich allein brauchen kann, genugsam erklärt hat, das einsame Lied des gemeinen Volks, wodurch es ewig gerührt und erquickt wird, das Lied, welches heilig ist, weil keine Literatur und keine Liederatur, kein Student, kein Spaßmacher, kein moderner Bänkelsänger es gebracht hat, sondern weil es wie eine ewige Sage, die Amme mehrere Generationen war…. (Werke 573) 3 For Brentano and Arnim, the cultural memory preserved in their collection of Volkslieder is the “ewige Sage” and the “Amme mehrere Generationen.” The past 190 Jaime Roots is not truly torn from the present, he seems to say here, it only appears so. Yet memory sites come to be in an attempt to resuscitate a memory which no longer spreads itself naturally; they linger between a memory which is not quite alive, but not yet dead (Nora 12). With their collection, Arnim and Brentano aim to help spread such a memory of the folksong again throughout German-speaking lands. Arnim writes, seeming confident that the songs were somehow waiting to be brought back to the people: “Es ist, als hätten wir lange nach der Musik etwas gesucht und fänden endlich die Musik, die uns suchte! ” (Wunderhorn 462)� Fact and fiction are no longer important distinctions in the creation and spread of a cultural memory� Indeed, Jan Assmann writes that such a distinction no longer makes sense when discussing cultural memory. What does become of great importance is an emotional connection to define a people (Religion 179)� And as seen in the comments from Arnim and Brentano above, an emotional connection was of utmost importance in the “restoration” efforts. With their restoration efforts, Arnim and Brentano effectively molded and shaped how this past would be perceived by their readers through at times subtle, through often significant, changes, deletions, and additions to songs in their collection� And as the founding anthology of German songs (Warner, No Go 24), the publication of Wunderhorn made an enduring impression not just on Romantic, but even contemporary conceptions of the German folksong. For the purpose of their collection, it was necessary to update the songs to Arnim and Brentano’s conception of the Volkslied and thus, supposedly, making them more enjoyable for their audience to consume. As an example of some of the changes Arnim and Brentano made, I take one song found in Wunderhorn in which they update orthography. They remove dialect from the song and render it in a clean Hochdeutsch in order to give their collection the appearance of unity. The following song is taken from Johann Gottfried Herder’s Stimmen der Völker in Liedern (1775). Herder’s “Dusle und Babele” begins: Es hätt’ e Buur e Töchterli, Mit Name hieß es Babeli, Es hätt’ e parr Zöpfle, sie sind wie Gold, Drum ist ihm auch der Dusle hold� “O Hauptmann, lieber Hauptmann mi’, I will mi dingen in Flandern ni! ” Der Hauptmann zog die Seckelschnur, Gab dem Dusle drei Thaler drus. (263) Brentano and Arnim’s version, “Dusle und Babeli,” reads: Sites of Remembrance 191 Es hätte ein Bauer ein Töchterli, Mit Name hieß es Babeli, Es hätt ein Paar Zöpfle, die sind wie Gold, Drum ist ihm auch der Dusle hold� “O Hauptmann lieber Hauptmann mein, Ich will mich dingen in Flandern ein.” Der Hauptmann zog die Seckelschnur, Gab dem Dusle drey Thaler draus. (Wunderhorn 291) Even changes as slight and technical as those listed above can significantly alter the reception of a song. Arnim attests to presentation being of utmost importance in how a song is remembered. He writes, “ein schönes Lied in schlechter Melodie behält sich nicht…” (Wunderhorn 437), suggesting as well that his alterations are merely changing melody, and thus the reception of an already beautiful song, rather than its content—and many of their changes were encouraged by their sense of aesthetically pleasing songs (Loges 317). Initially, Brentano suggested separating songs collected from northern and southern regions into two separate volumes. Though a systematically justifiable division, Arnim opposed this idea as he envisioned the collection as encompassing the entire German tradition (Lampart 180). Befitting his cultural politics, the collection should represent a united culture and that required uniformity even in orthography. In another song in their collection “Fastnacht” (74), two stanzas are omitted from the end of the source text entitled “Ein Reyen, von eyner Jungkfraw” from Friedrich Nicolai’s Eyn feyner kleyner Almanach (see Nicolai 152)� Brentano and Arnim often omitted lines or stanzas to songs in their collection. In a letter to Brentano, Arnim writes, “[ich] erschrecke über die ewige Wiederholung” and writes further that he has “manches excerpirt” (Freundschaftsbriefe 419)� He likewise notes of other songs: “Ich sammle fleissig an Lieder,-…wir müssen es machen wie mit Miniaturpinseln, aus tausend nur eines und aus den neuen tausend der Art wiederum nur eines” (Freundschaftsbriefe 268)� Arnim and Brentano certainly did not strive to fill their collection with exact renditions of songs, seeking rather to make their presentation more cohesive. Yet memory sites, as attempted preservations of a cultural memory, are ultimately unconcerned with presenting the past as it really was, rather what becomes of essential and constituent importance is how the past, present, and future can come to be linked together (Buikema 188). Thus in an effort to create cultural coherency, the tales and songs contained in Wunderhorn were adapted as an object blind of any breaks in cultural values or expectations throughout 192 Jaime Roots time—one that attempts to portray an altered and modified German history to serve as an artifact of cultural memory� Folktales and songs play an important role in acculturation as they work to form and reflect the tastes, manners, as well as ideologies of societies (Zipes, Fairy Tales ix). Edited and compiled during Napoleonic invasion and domination, Arnim, Brentano, and the Grimms sought to draw clear boundaries around a German identity. They sought to establish a cultural artifact which laid claim to presenting clear, continuous documentation of German cultural unity throughout history. The editorial activities of the collectors can often be described as omitting foreign, and most often specifically French influences. As sites of memory, the past as portrayed in the collections is instrumentalized to fit with a particular worldview, accommodating only those facts and stories which suit this narrative (Nora 8). Therefore, any details that did not fit within the image they were attempting to create, must be removed. The tale “der Wolf und die sieben jungen Geislein” in KHM shows the boundaries the Grimms sought to build as the past was depicted based on their interpretation of a Germanic cultural memory� “Der Wolf und die sieben jungen Geislein” tells the story of a mother goat who must leave for the day to gather food for her children� She warns them of a wolf who lives in the area who will surely try to trick them to gain access to the house and eat them. After three attempts, and after the wolf has softened his voice and powdered his paws to make them white (so as to resemble the color of goat hair), the seven little goats open the door and all but one are eaten. The mother returns, hears of what has taken place from her remaining child, and cuts open the belly of the wolf who was sleeping nearby. Her children, unharmed, jump out. She then places rocks in his stomach and due to the weight, he drowns in a well once he awakens� There are many changes between the 1810 unpublished Ölenberg manuscript and later published editions of the tale. Yet it is the deletion of dialogue spoken in French that appears most prominent. As many of their storytellers and collectors were well-educated, they were fluent in French and would have had access to French chapbooks which were both popular and widespread at the time (Vaz da Silva 403). A tale told in both languages would have been easily understood by their storytellers, as well as the Grimms’ bourgeois readership—and yet any mention of French is taken out of the published version. Likewise, the Grimms acknowledged the source of the tale to be the Hassenpflug family; a family of French Huguenot descent. The Hassenpflug girls gathered their tales from French servants and governesses in addition to those passed down through family narration� Sites of Remembrance 193 In the 1810 version, as the wolf seeks a miller to put flour on his feet so that he can trick the children, the tale reads: Der Wolf begab sich also zu einem Müller u. sagte: Müller streu mir Mehl auf meine Pfote. Und als sich der Müller weigerte, so drohte er ihm mit Freßen u. der Müller mußte es thun. (meunier meunier trempe ma patte dans ta farine blanche! - non non non non—alors je te mange). (19) The use of French is completely omitted from the published 1812 edition. The careful editing out of any reference to the French language or heritage shows an effort to free the folktales in the collection from French and Napoleonic dominance—and likewise, theoretically, the German people as well. Thus their tales, as a claim to a literary link to a cultural memory of the ancient, Germanic past, present a depiction of a Germany emancipated from the “monopoly of… French superiority” (Warner, Once Upon 55)� Sites of memory are perpetuated by what Nora terms the “cult of continuity” and the assumption of being able to determine exactly to what and whom a society owes its existence (16). These sites are ultimately deeply concerned with the present but look to the past to justify cultural ideas and customs. In order to emancipate their contemporary culture from French influence, the past is likewise emancipated. Indeed, this seamless transition from past to present is a myth of sites of memory, and with them cultural memory, as the emphasis of continuity and coherency does not concern itself “with the past as such, with ‘what actually happened,’ but only with what it means for the present and how [the past] continues to exist in [the present]” (Assmann, Religion 180)� It is important for the aims of their collection that the past be portrayed as free from foreign influences as their aims for the present were to portray a strong, unifying depiction of a distinct German culture and heritage. With aims similar to Arnim and Brentano’s update to “Dusle und Babeli,” tales in KHM were updated to encourage a more widespread reception and circulation. Though as the collectors attempted to create a link to a Germanic past, their changes can be seen as insights into the role sites of memory as representatives of a cultural memory play in how a society’s past comes to be represented and “remembered.” In Wunderhorn, Arnim describes a break in progression from past to present as having catastrophic repercussions. The past in Brentano and Arnim’s collection, similarly to the Grimms’ KHM, is portrayed as moving in a line which runs from past to present and any break in that line is presented as wrong or unnatural (Murphy 32). Arnim writes that the danger of no longer knowing past traditions is that one no longer remembers who he or she is: “…manches Volk kannte seinen eigenen Namen nicht mehr, und… da sah man, daß die anderen 194 Jaime Roots eigentlich nur noch Namen waren” (Wunderhorn 446). In Arnim’s interpretation, the inability to remember has taken on two distinct forms. First: the total loss of memory, so severe that people no longer even know their own names. With respect to the German people, they can no longer recall the old traditions which were carried from one generation to the next through song and story� The second result of forgetting past traditions is that while some people may still remember themselves as “German,” the name is now hollow and contains no real substance or meaning. Their collection is presented as a necessity, a way to stop or slow what they perceived to be a culture in decline, what Brentano terms “das gewaltsame Vordringen neuer Zeit” (Werke 530), and a way to serve as a physical, cultural marker of this supposedly continuous cultural history. What Arnim expresses in his discussion of the importance of names is a poetic aim at inspiring a renewal or rejuvenation of a tradition he perceives as lost or nearly lost to time (Fortmann 252)� When a cultural memory is no longer a living, commonplace memory throughout a society, sites of memory serve as places where this memory can be created, shaped, take root, and survive and the comments from Arnim and Brentano show their acute awareness of this� Yet though it may at first seem paradoxical, cultural memory depends absolutely on the ability to forget. Cultural memory needs to be able to be easily communicated as well as remembered and thus events and recollections are compelled to be translated to the current cultural norms. If a story is to live on in a group, it must have the meaningfulness of a significant truth for the community at present (Assmann, Cultural 24). Relevance is important for the longevity of a tale or song as, if they succeed in maintaining relevance, they will stick in the minds of their readers and listeners (Zipes, Irresistible 5)� In this way, a process of “forgetting” inconsistences and discontinuities is crucial to providing and creating the perception of a linear narrative. Maurice Halbwachs writes that a person who remembers an event contrary to its popular, contemporary conception, “is in certain respects like a person suffering from hallucinations who leaves the disagreeable impression among those around him” (74). When one takes an older song or story, as the collectors claim to do in their collections, and reconstructs or repurposes it to serve as a site of memory, the older context is inevitably forgotten because it likely presents inconsistencies and “disagreeable impressions” with respect to the beliefs and attitudes of the present. Those aspects of the past which fit with the worldview being presented—here a presentation of an emancipated past—are continually reinforced and “reminded” (Anderson 201), accommodating only those facts which suit it, and those which do not are obliged to be forgotten. The changes Arnim, Brentano, and the Grimms made to their tales show an aim to direct the tales towards the expectations of their perceived readers and Sites of Remembrance 195 thus, for the Grimms, representing the past as one which was free from overt or even crude sexual reference—purging from their collection any references to sexuality or depictions of incestuous desire (Tatar 10). Jacob Grimm, for example, maintained that tales like “Die Hochzeit der Frau Füchsin” (KHM 38) were originally free from any sexual innuendo and were only later tainted by sexual reference. “Ich wollte in die Seele dieses Märchens hinein schwören,” he writes, “dass es rein und unschuldig sei. Wer anderes hineinlegt, legt eine sündliche Ansicht hinein… Obiges Märchen ist mir eins der allerliebsten und mir aus meiner Kindheit am lebendigsten” (qtd. in Rölleke and Schindehütte 227). Jacob’s comment can be seen as serving two purposes. First, he is maintaining the claim that the tales in their collection come from the simple Volk, that the people of the Germanic past are innocent and pure. These tales are worth including in their rememoration project not only because they contain crucial links to the Germanic past, but also because they bear so much similarity to the nineteenth century bourgeois sensibilities—important due to their project of the “cultivation of bourgeois norms” (Zipes, Fairy Tales 60). The second purpose of Jacob’s comment is to demonstrate the appropriateness of the tales for children, as the Grimms received sharp criticism detailing the inappropriate nature of their collection for young audiences (Rölleke 1170). Jacob contends that the tale he experienced as a child is appropriate for other children since the Urfassung of the tale as he imagines it, was as pure and innocent as the Germanic Volk themselves� 4 The content of cultural memories are often entirely arbitrary (Assmann, Religion 3), what is of importance and what Grimm evokes here, like Brentano and Arnim above, is the emotional significance of such a memory and what it means to the identity of the German people. Yet, as Assmann points out, “writing… does not in itself provide continuity. On the contrary, it brings with it the risk of oblivion, or disappearance under the dust of time…” (Cultural 85). The collectors seemed to be aware of this paradox of writing down tales and songs, of documenting a memory of the ancient past, as each collection challenges the reader to reclaim what are described as fading memories� To function as sites of memory, the collections work to make these memories a part of daily life for their bourgeois readers so that they do not become lost forever in the editions that tried to revive them. Though the cultural memories that may evolve from them would not be sites of memory, the texts themselves, as sites of memory, aim to produce these lasting memories. Preserved in text, the collectors use the songs and tales to invigorate a unifying identity for the German people by evoking an ostensibly ever-present, but little acknowledged cultural memory� Throughout their anthologies, each collector claims that the past they are seeking to portray cannot become a part of contemporary society without the 196 Jaime Roots aid of their deserving readers. In a plea to their readers, the Grimms write, “wir übergeben dies Buch wohlwollenden Händen, dabei denken wir überhaupt an die segnende Kraft, die in diesen liegt, und wünschen, daß denen, welche diese Brosamen der Poesie Armen und Genügsamen nicht gönnen, es gänzlich verborgen bleiben möge” (1812, xxi). A site of memory can exist only if there is a will to remember, and if the imagination invests this will with a “symbolic aura” (Nora 19). In producing their collections, Arnim, Brentano, and the Grimms work to demonstrate this symbolic aura as a link to the past and thus an expression of Germanic identity� In KHM’s prologue and Wunderhorn’s conclusion, they strive to impart their own will to remember the past onto their readers. In Wunderhorn, Arnim writes that was der Reichthum unsres ganzes Volkes, was seine eigene innere lebende Kunst gebildet, das Geweben langer Zeit und mächtiger Kräfte, den Glauben und das Wissen des Volkes, was sie begleitet in Lust in Tod, Lieder, Sagen, Kunden, Sprüche, Geschichten, Prophezeihungen und Melodien, wir wollen allen alles wiedergeben… (473) According to the collectors, this past belongs to the people and without being retold with the help of tales and songs, their collections will never be able to bring about a revival of a cultural memory as they portray it as existing: the tales and the history contained within them will merely sit in books and slowly be forgotten, and thus the sites of memory will not have properly functioned. The will to remember must be passed from the collections to their readers, yet the texts serve as the foundation on which the past may be remembered. The goal then, for the collectors, is that the memory will come from their collections, their created sites of memory, to become a living cultural memory. Astrid Erll writes that “in the course of a ‘memorial history’ (that is, the history of how events or persons are recalled by social communities) it is to a great degree the mode of remembering which effects changes in the shape and meaning of the past” (163). With their collections serving as literary sites of memory, these men sought to portray a cultural memory which depicted the cultural past as supportive of their contemporary aims to unite the German people—as Brentano notes: their goal was a “Bekanntmachung des vaterländischen Schatzes” (Werke 532). By bringing this awareness to their reading public, the collections are presented as a means to mobilize the people not only to return to their roots, but to utilize the collections as sites of memory as a means to reclaim what they perceived to be a nearly lost collective memory. Nora writes “when a memory is no longer everywhere, it will not be anywhere unless one takes the responsibility to recapture it” (16). Inevitably the songs and tales in these collections were manipulated and edited to support the Sites of Remembrance 197 specific worldview of their collectors. Sites of memory are ultimately “hallucinations” (Nora 17) of the past rather than accurate, historical depictions though the collectors presented them as such. A crisis of memory is a crisis of identity (Kansteiner 184). By seeking to have German people imbibe a sense of a proud, unified cultural past in place of the fragmentary and disconnected nature of their present through the aid of their collections, the four collectors sought to solve the crisis of identity by solving the crisis of memory. Their projects were not just ones of consolidating a national identity, though this undoubtedly played a large part, but of creating and supplanting cultural memory. Nothing binds people more tightly than the need to defend against an external foe (Assmann, Cultural 133), and the collections came to be during an opportune environment for such a recreation of memory to take place. The collectors produce cultural artifacts of unity in the face of uncertainty and generate a literary event to take the place of absent historical documentation. It is through the investigations of the collectors’ presentation of an artifact of an ancient cultural memory, their published collections, that we can see one of the roles of literature and its power to recreate the past through cultural memory. Notes 1 See for example Ernst Schade, “Volkslied-Editionen zwischen Transkription, Manipulation, Rekonstruktion und Dokumentation. ” Jahrbuch für Volksliedforschung 35 (1990): 44—63; Heinz Rölleke and Albert Schindehütte. Es war einmal…� 2 Which has been detailed by scholars such as Maria Tatar, Marina Warner, Heinz Rölleke, and Jack Zipes among others. 3 Brentano is referencing the Zirkularbrief he sent out to attract people to aid in the collection of Wunderhorn� 4 In Deutsche Mythologie, Jacob Grimm asserts this view as he claims that ancient Germanic peoples were not wild, unruly people with barbaric beliefs and customs, but people who lived freely together with flowering customs and refined language and Poesie (iv)� Works Cited Anderson, Benedict. Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London: Verso, 1991. Arnim, Achim von, and Clemens Brentano. Des Knaben Wunderhorn: Alte deutsche Lieder. Vol. 1. Heidelberg: Mohr und Winter, 1819. 198 Jaime Roots —.- Freundschaftsbriefe. 2 vols. Ed. Hartwig Schultz. Frankfurt am Main: Eichborn, 1998. Assmann, Jan. Religion and Cultural Memory: Ten Studies. 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German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald1 201 German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 1 Reinhard Zachau University of the South Abstract: This essay shows literary modifications of Holocaust survivor memoirs in German postmemory literature. In a comparative analysis of three texts, Wolfgang Koeppen’s 1992 Holocaust book Aufzeichnungen aus einem Erdloch, Binjamin Wilkomirski’s 1995 Bruchstücke, and W. G. Sebald’s 2001 Austerlitz, the gradual establishment of a postmemory Holocaust literature in Germany is shown to serve as a generational bridge between the WWII and the post-Holocaust generation. By shifting the emphasis from accusations of plagiarism (Koeppen), of counterfeiting the text (Wilkomirski) and of appropriating a Jewish biography (Sebald), the essay proposes a reader-centered perspective to establish the base for a creative post-Holocaust literature in Germany� Keywords: postmemory, Holocaust, Koeppen, Sebald, Wilkomirski You’d think that by 1992 it would have been axiomatic not to alter a Holocaust memoir. This is sacred ground. Every detail, nuance, memory—no matter how terrible, or banal—is precious. (McCombs 2000) The number of post-WWII Holocaust narratives written by German authors has remained small, among them Heinrich Böll’s 1951 popular novel Wo warst du, Adam? and Alfred Andersch’s 1957 equally popular Sansibar oder der letzte Grund. As Ernestine Schlant described in her 1999 book The Language of Silence, writing about the Holocaust was difficult for German authors in the repressive atmosphere of the 1950s. The experience of the Holocaust survivor Aharon Appelfeld illustrates that even in Israel remembrance was not part of the national identity: “When I came to Israel, the slogan was ‘Forget.’ Until the late sixties—‘Forget.’ And if you talk about the Holocaust, then, only the heroic part—partisans, not the camps” (Gourevitch). In the decades following WWII memorializing Holocaust events was confined to various groups of survivors for whom they had been privatized within families—this is the explanation of Aleida Assmann who became a major voice in the evolution of German Holocaust education in the 1990s. It was not until the event was identified by name in 1979 with the German broadcast of the NBC miniseries Holocaust that “a discourse evolved on the unprecedented magnitude of the trauma and crime” (Assmann 97). Subsequently, Assmann’s work on cultural memory became the driving force behind her concept that history is composed of memory, and that memory is embodied in physical objects and images. Assmann extended Maurice Halbwachs’ definition of “collective memory as continuous social interaction” to include newspapers, television and monuments to aid with memory recollection (Halbwachs 52—54). In Germany, Berlin’s Holocaust Memorial and the Jewish Museum became major representations of physical memory. Assmann describes how social memory studies and the emerging collective identities discourse resulted in Holocaust remembrance as a key element to define Western identity. Through the internationalization of Germany’s “shared memory,” the country was changing into a different and more open society (103). The literary historian Marianne Hirsch has described how postmemory as a “generational structure of transmission (…) in the collective imaginary” was mediated through literature (35)� Similarly, Ruth Franklin regards acts of memory as an act of narrative transmission that “distills and pounds the chaos of life into something resembling a coherent shape,” a position she developed to counter those purists who tolerate only authentic material as appropriate for capturing the Holocaust. Authentic memoirs and diaries are often too attached to the moment and miss essential parts needed to comprehend the complexity of the events. Franklin states that “from the very moment we begin the activity of remembering, we place some kind of editorial framework, some principle of selection (…) around the events of the past,” and therefore, she maintains that any kind of writing involves a degree of recreation from memory (“Writer” 38). While the intergenerational link that Hirsch explored began to develop between victims and their children in the United States, a similar connection was also developing in Germany between perpetrators and their children, but with a major difference. While sons and daughters of Holocaust survivors were proud of their parents, Germans were not proud of theirs. The so-called Greatest Generation in America did not have an equivalent in Germany’s war generation that had survived Hitler. Many Germans had been collaborators and were helpless in the face of their own children whose accusations were often more vicious 202 Reinhard Zachau German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 203 than those of former enemies. For a long time, survivor stories of bombing raids on German cities, tales of the cruelty German soldiers endured on the Eastern front, stories of the forced expulsion of Germans from former territories of Eastern Europe, and stories of surviving the hunger epidemic after WWII received a simple shoulder shrug from their children. They were not proud of their parents’ self-inflicted political tragedy; they did not want to be seen as children of suspicious Nazi collaborators who had brought shame to their own country and almost caused its annihilation� Bernhard Schlink’s 1995 novel Der Vorleser is a case in point for the guilt that perpetrators tried to pass on to the second generation. The story takes place after WWII and centers on a former female concentration camp guard who seduces a male teenager. The novel is written from the perspective of the teenager as a young adult who examines his memory and seems unable to distinguish between his own sexual guilt and the political guilt of his seducer. Schlink “mismatched legal terminology like ‘condemn,’ ‘sentence’ and ‘charge’ with the non-legal term ‘shame’,” Emily Miller Budick writes. With the confusion that the book exerts on the reader by wrapping the Holocaust into a Freudian scheme it could mean anything or nothing (198)� Ernestine Schlant’s 1999 study The Language of Silence was one of the first books to address Germany’s “Holocaust angst,” the guilt and shame Germans felt as perpetrator nation and the need to address their “coming to terms” with this guilt in their own literature, written in German from a German perspective. The novels presented in this essay—Wolfgang Koeppen’s Aufzeichnungen aus einem Erdloch, Binjamin Wilkomirski’s Bruchstücke, and W. G. Sebald’s Austerlitz—follow Schlant’s examination. However, by shifting the emphasis from accusations against Koeppen for plagiarism, against Wilkomirski for forging his memoir, and against Sebald for appropriating a Jewish biography, this essay proposes a reader-centered perspective to provide a foundation for a German post-Holocaust literature that addresses the needs of the current generation in Germany� My interest in Holocaust studies began in 1995 when I discovered Wolfgang Koeppen’s 1992 novel Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch at a conference in Greifswald, Germany; I was immediately fascinated by the book. Here was a slim 140-page Holocaust memoir, ostensibly written by a survivor, in the stark style of Dostoyevsky’s enigmatic Notes from Underground. These 140 pages seemed to contain the essence of the Holocaust experience that had been received with universal acclaim by a German audience eager to explore the Holocaust in more detail. The author was a German Gentile, Wolfgang Koeppen, who in the 1950 s had been a household name with novels like Tauben im Grass 204 Reinhard Zachau (1951) and Tod in Rom (1954) in which he, like Heinrich Böll, had addressed the country’s painful past. But by 1992, Böll was dead and Koeppen had been silent for more than thirty years; the critic Marcel Reich-Ranicki called Koeppen’s silence “Der Fall Koeppen,” while West Germans were beginning to acknowledge their responsibility for the Holocaust (Reich-Ranicki, “Der Fall Koeppen”). Aufzeichnungen narrated the Holocaust in the relatable story of a Hungarian-born Jew, Jakob Littner, who co-owned a flourishing philately business in Munich when he was arrested in 1938 and expelled to his father’s native Poland. However, after his entry to Poland was denied, Littner returned to Munich where on November 9 his business was devastated. He then escaped to Prague and Zbaracz, a small Galician town near Tarnopol in Western Ukraine. After the 1941 German invasion of the Soviet Union, Littner, his companion Janina Korngold, and their son Richard were gathered with five thousand other Jews in the Zbaracz ghetto from where they managed to escape to the house of a Polish landowner who hid them in his basement until the arrival of the Red Army in March, 1944. After their liberation, Littner and Janina returned to Munich after the end of WWII to live initially with Christine Hintermeier, the co-owner of Littner’s business, who had supported them by sending food and money to the ghetto and then to the Polish landowner. Koeppen’s book was the first volume in Suhrkamp’s Jüdischer Verlag that began operations in 1992. Koeppen, who labelled his book a novel, claimed to have based his story on notes his original publisher received from Littner. Published in 1948 with Littner identified as its author, Aufzeichnungen aus einem Erdloch was largely ignored, until it was republished as a novel in 1992 without textual changes, with a new foreword added by Koeppen who now appeared as the book’s author. Koeppen indicated his connection with the events in an ambiguous manner: “Der Verleger berichtete mir das Unglaubliche. Ich hatte es geträumt. Der Verleger fragte mich: ‘Willst du es schreiben? ’-… Ich aß amerikanische Konserven und schrieb die Leidensgeschichte eines deutschen Juden. Da wurde es meine Geschichte” (Koeppen 6). 2 The reaction was overwhelming; however, critics began to question how Koeppen, who was not Jewish, could write a Holocaust novel about a Jewish survivor that revealed such intricate knowledge of life in Western Ukraine. Dagmar Lorenz called the publisher’s replacement of the victim’s name exploitation that resembled the exploitation Polish Jews had suffered through SS atrocities and regarded the controversy as a ploy by Suhrkamp. “Holocaust Literature by Jewish authors” Lorenz wrote, “was unpopular with the German public who preferred texts by Christian authors (…) over the documentaries by Jews” (237). Lorenz asks the crucial question: “how could Koeppen, a German non-Jew whose ‘sufferings’ during the war were obviously on a different German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 205 scale than those of his protagonist, feel that Littner’s story was his own? ” (237). Where did his obsession of identifying with the Jewish victim originate? After it was uncovered that there had been a real Jakob Littner who lived in Munich after WWII, I decided to investigate this matter further and searched for records about Littner, who supposedly had emigrated to the United States (Görtz 1992). By consulting immigration files at the National Archives, I learned that Jakob and Janina Littner had indeed arrived in the United States in 1947, and that Jakob Littner had died in 1950. A further search led me to Littner’s relatives in the United States, who had tried to sue Suhrkamp over the publication of the book. I discovered that Koeppen had indeed based his book on a manuscript by Littner that he then altered, and published under Littner’s name in 1948. I found the original typed manuscript in the possession of Littner’s nephew Kurt Grübler in Silver Springs, Maryland, where he had kept it under his bed for the last forty years, along with an English translation he had completed. As Grübler told me, from August to November 1945 his uncle had written down his experience in Munich under the title “Mein Weg durch die Nacht. Ein Dokument des Rassenhasses. Erlebnisbericht.” A few chapters of Littner’s original text were published in Colloquia Germanica in 1999, and in 2002 Berlin’s Metropol Verlag released the complete text as part of Wolfgang Benz’s “Bibliothek der Erinnerung,” a work I edited with Roland Ulrich. 3 Now that both texts were available for comparison, the debate took on a more academic tone and focused on two issues: was Koeppen legitimized to take Littner’s text and publish it under his own name and was it legitimate to change a Holocaust text. In a two-page article The Washington Post’s editor Phil McCombs stated the first position: “You’d think by 1992 it would have been axiomatic not to alter a Holocaust memoir. This is sacred ground. Every detail, nuance, memory—no matter how terrible or banal—is precious” (McCombs). This judgment was echoed by Ruth Klüger who wrote that Koeppen’s expropriation exhibited the ultimate “Aryan chutzpah” (Klüger, “Dichter” 141). She concurs that only the authentic document should survive, whereas any poetic interpretation would render the account of Jewish suffering untruthful: “Littner schrieb in der Sprache unserer von den Nazis ermordeten Väter mit ihrer feinen Mischung aus Pietät und Ironie, die ich in seinem Bildungsidiom wiedererkenne, auch und gerade dort, wo es den Enormitäten des Erlebten nicht gewachsen scheint” (141)� 4 Klüger claims that a story of survival in a concentration camp will be read in a completely different way once we discover that the author is not reporting personal experiences but has written a fictional novel in the first person: “Hier hat einer aus der Tätergesellschaft, mochte er auch noch so einfühlsam sein und noch so gut schreiben können, dem Opfer das letzte genommen, was ihm geblieben war, nämlich das gelebte Leben und das Recht, seine Erinnerungen in 206 Reinhard Zachau seinen eigenen Worten zu gestalten, so dass eine letzte Enteignung und Erniedrigung über das Grab hinaus stattfand” (141—42). 5 Writing six years earlier as the editor of the New Republic, Ruth Franklin did not share Klüger’s stern division between authentic material and literature. Franklin considers a hands-off approach to Holocaust literature as dangerous because it suppresses critical questions and adds that Koeppen “said only—and honestly—that he had fictionalized events that had happened to Littner” (Franklin, “Writer” 35). The German news magazine Der Spiegel in effect offered a compromise in a review that appeared before the original manuscript had been discovered: “Ein Hauch von Unredlichkeit liegt über der Entstehungsgeschichte dieses Romans. Und dennoch verfügt er über eine andere, vielleicht höhere Authentizität: Denn Koeppen ist es gelungen, das Grauenvolle, das tausendfach dokumentiert—und doch so schwer zu beschreiben ist, mit der dürren Vita Littners zu verschmelzen. Somit besitzt sein Buch zwar keine individuelle, wohl aber eine historische Wahrhaftigkeit” (Anonymous, Der Spiegel 1992, 232)� 6 And therefore, the article concludes, Koeppen can tell us as much--and as little-about the Holocaust as Jakob Littner or anybody else. Why did Koeppen change the text? The debate zeroed in on Koeppen’s claim it had become “seine Geschichte” [his story] with supporters now seeing his approach in line with the author’s existential writing and world view (Denneler 579). His statement “Ich hatte es geträumt” [I had dreamed it] (6) indicated his tendency to assume the identity of fictional characters, with the result of assuming the character’s identity; Koeppen is indeed appropriating a Jewish existence. In the atmosphere of the 1990s when Germans were beginning to develop feelings of empathy for the ordeal Jews had gone through, Koeppen’s remarks resonated with his audience� For a comparative discussion of changes between authentic and fictional Holocaust texts Aufzeichnungen constitutes a unique entry point as its publication history covers 44 years from 1948 to 1992. Koeppen wanted to turn Littner’s text into the kind of avantgarde text he had admired in Weimar Germany’s literary scene and rejected Littner’s intention to publish his experience as a traditional life story that he needed to reestablish his status as a businessman in Munich, as he himself wrote (Costazza 2006, 285—89). Beyond that, he wanted to become a role model to help survivors who came to Germany, as a quarter million Jews lived there after WW II, many of them in Munich, most of them as survivors from Eastern Europe (Grossman 131). The artist in Koeppen rejected Littner’s “bourgeois” leadership aspirations and instead emphasized existential elements in the text that Koeppen himself had experienced when he left Nazi Germany for a number of years. German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 207 A key passage, Littner’s arrest in his Munich apartment in 1938, provides crucial information about the changes Koeppen made to Litttner’s text: “Es wurde mir lediglich gestattet, meine Geschäftsteilhaberin, Christine H., anzurufen. Diese erschien bald darauf mit ihrer Schwester, und ich konnte ihr die Schlüssel und die Kasse übergeben. Dann wurde ich zum Polizeirevier geführt” (Littner 4)� 7 The text is very matter of fact and describes the events in diary form: there is no attempt to use artistic language and no attempt to delve into the feelings of the characters. It reads like a police report. In his version, Koeppen expands the passage greatly: Es war noch dunkel, als es an meiner Tür läutete� Ich wachte auf und sah, dass es erst fünf Uhr war. Ich wusste sofort, dass etwas Furchtbares auf mich zukam. Es gibt ein altes Gerücht, nach dem man um diese Zeit ‘abgeholt’ wird. Ich habe dem Gerücht nicht geglaubt. Ich habe es nicht beachtet. Aber als jetzt im schlafenden Haus meine alte Türglocke so merkwürdig schrill und fremd zu hören war, da wusste ich, es ist wahr, es ist so, sie sind da! (…) Meine nackten Füße liefen über den Teppich wie über brechendes Eis. Ich klammerte mich an den Türgriff, und sah mich zufällig im Spiegel der Flurgarderobe: einen keuchenden Mann in einem zu kurzen Hemd. (…) Meine Wohnung, ein Symbol meiner bürgerlichen Existenz, zerplatzte gleichsam vor meinem Auge, und ein Sturm wehte mich hinaus in das ungeschützte, vielleicht in das wahre Leben (…) Ich erwartete Schläge, Fußtritte, Schreie. (…) Vor der Wohnungstür im menschenleeren Treppenhaus stand aber nur der gemütliche Wachtmeister vom Revier. Wir waren alte Bekannte sozusagen, bis gestern hatten wir uns gegrüßt, wenn wir einander auf der Straße begegneten. Seine Stimme klang leise und mitleidig, als er sagte: ‘Ich muss Sie verhaften, Herr Littner! ’ Dann maß er mich mit einem allmählich strenger werdenden Blick, als ob es ihn ärgerte, mich im Hemd zu sehen, und schrie barsch: “Ziehen Sie sich an! ” (11—13). 8 While Littner focuses only on the encounter between himself and the policeman, Koeppen expanded the scene to explore the emotions of both, Littner’s feelings and his sense of loneliness and the policeman’s confusion. To achieve this effect, Koeppen leaves out the contact with Littner’s business partner, Christine, that Littner mentions, to focus on the exchange with the policeman who pities Littner and is obviously irritated by his task. In omitting Christine’s character Littner appears more isolated in the existentialist context Koeppen intended to create. Setting and style seem familiar—this passage looks like a text from Kafka, such as the beginning of Joseph K’s arrest in Der Prozess: “Jemand musste, Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet” (9). 9 While Koeppen expands this scene in Littner’s text to add more depth to the characters, there are other passages in Littner’s text, such as his last summer 208 Reinhard Zachau in his underground hideaway, that Koeppen treats very briefly: “Es ist Hochsommer oben in der Welt. Wir merken nichts davon. In unser Loch fällt kein Sonnenstrahl” (132). 10 Littner’s original description includes a lot more detail: Der Sommer zog ins Land. Wir merkten nichts davon, wir lebten ja unter der Erde. Es wurde Juli, draußen musste nun die höchste Pracht der Natur entfaltet sein, gewiss brannte die Sonne mit verschwendeter Glut auf die Erdoberfläche. Wir aber kauerten fröstelnd, ewig feucht in der unterirdischen Verbannung. Droben herrschte Licht und Schönheit, hier unten Nacht. Nie war ich früher achtlos am Schönen vorbeigegangen, das uns der Schöpfer schenkte. Dankbar war ich stets, selbst für das Kleinste. (…) Auf einer glühenden Geige, singt nun der Sommer sein Lied. Erdwärts sich biegen die Zweige, sinken die Gräser ins Ried. Durst haben Wurzeln und Sprossen, Durst hat mein Herz, Durst, wie sie. Oft hat es Schönheit genossen, satt aber trank es sich nie. Wenn einst hinunter ich steige, Lethe zu trinken, dann zieht über die glühende Geige oben der Sommer sein Lied. (147—48). 11 This is Littner’s most poetic passage. His sources are obvious: German Romantic poets he had read in school, poems that Littner’s entire generation had been exposed to. Romantic poetry was what literature meant for them, as it reflected their bourgeois background. Had Littner published his book in its intended form as a biographical narrative in 1948, he would have found his audience among his contemporaries more easily than Koeppen’s modernist adaptation that was largely ignored. The failure of Littner’s book was not only due to the cultural and social clash between Koeppen and Littner, between the middle-class citizen attempting to reclaim his social status in post-Holocaust Germany and the artist who chose to separate himself. Above all, the scene illustrates the dilemma German Holocaust Studies has faced from its very beginning: As Steiner has discussed, the continuation of traditional literary modes was not possible as it implied a continuation of Germany’s literary traditions that neither of them wanted to see. In the Romantic passage in which Littner tried to show the “abyss” the Holocaust meant to him, Koeppen remained silent as he disliked Littner’s cliché. Koeppen’s text however is not without clichés either, such as the image of the apartment in the first example, the symbol of Littner’s bourgeois existence that “zerplatzte gleichsam vor meinem Auge, und ein Sturm wehte mich hinaus in das Ungeschützte” (12). 12 But for today’s reader Koeppen seems to have found the appropriate form as readers identify more with Koeppen than with Littner’s attempt to relativize the reality of the Holocaust by thinking of the natural world in the terms of German Romanticism� The biggest change however is Koeppen’s editing of Littner’s relationship with religion. For his novel, Koeppen constructed a man who had not been concerned with religious issues, an assimilated Jew who finds his way back to German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 209 God only in the Holocaust hell, in the dirty hole in the ground, that turns into a true conversion story. The real Littner however had been a pious man whose faith had been strengthened by his Holocaust experience, a fact that Heiko Döring established by comparing the arrest scenes where Munich’s Jews wait for their expulsion to Poland: “Draußen ging ein kalter Herbstregen nieder und langsam, langsam nur reihte sich eine Stunde an die andere. Etwas abseits hatte sich eine Gruppe Juden—der ich mich anschloss, zum Gebet versammelt” (8). 13 Koeppen alters this scene: Wir waren uns keiner Schuld bewusst; wir wurden wie vom Regen getroffen und beschuldigt, weil uns der Zufall der Geburt zu Juden und der Lauf der Welt zu Polen gemacht hatte. Ich bin kein frommer Mann gewesen, aber in dieser Nacht der Not beschäftigte mich der Gedanke an Gott. Er beunruhigte und beruhigte mich in einem, und da ich an ihn dachte, wusste ich, dass ein Gott ist und dass er mich behüten wird. Ich gehörte nicht zu dem Kreis der Juden, die im Hintergrund des Ganges sich gegen die Wand lehnten und beteten. Ich hatte seit den Tagen meiner Kindheit keinen Juden öffentlich beten sehen. Ich hätte vor kurzer Zeit noch dazu geneigt, die Betenden mit einem Lächeln überlegener Skepsis zu betrachten. (16) 14 What stands out in Koeppen’s text is the introduction of guilt, a guilt that his Littner does not feel because he does not understand the reason for being persecuted. In Koeppen’s passage Littner examines his life like an anthropologist who contemplates the question whether Jewish assimilation had been a total failure that is the cause of the disaster. Koeppen rejects Littner’s belief in predestination that will steer him through the experience, and changes his experience to one of question and eventual rediscovery of his belief. That explains why Koeppen leaves out some of the later dramatic events in Littner’s account, such as the SS raid where almost everyone was either recaptured or killed except for Littner and his family who felt God had protected them. For Littner, these events were signs from God that confirmed his belief. Littner’s description is more prosaic and matter of fact: God has sent him underground with Janina to test his faith. Koeppen rejected this attitude and changed it to a personal encounter with Judaism by reconfiguring Littner as a character in danger of losing his faith that he miraculously regained in the moment of his greatest danger, the underground hideout (Costazza, “Verarbeitung” 291—94). This alteration is Koeppen’s most radical transformation of Littner’s authentic text and explains the latter’s comment to his nephew Kurt Grübler that Koeppen mispresented his life: “Das ist nicht mein Buch” (qtd. by Estermann 154)� Towards the end of the book, Koeppen begins to invent an entire passage that is only concerned with the misery Germans had to endure—he seems no longer 210 Reinhard Zachau concerned with the Jewish experience. Döring calls this Koeppen’s “simplistic analysis of fascism,” and his own “conquering of the past” (Vergangenheitsbewältigung), in which he highlights his ethical intentions for rewriting the text (329). The authentic Littner is now ready to forgive all Germans: “Möchten sich die Herzen doch alle, gleich welcher Rasse und Religion, versöhnen! ” (13), 15 a goal that as a devout religious man he hopes he can help to accomplish, while Koeppen’s Littner cannot and will not forgive, as Koeppen’s experience of the Nuremberg trials made this conclusion impossible (134). Koeppen’s motivation for these modifications becomes more evident in a twopage summary at the end of the text. Koeppen’s Littner is beginning to wonder what to do with the functionaries of murder. There can be no punishment which would restore the murder victims to life and thereby nullify the injustice. Since justice has ceased to exist in this world one must at last stop the killing, since sentencing SS members to death would only be an act of vengeance, but not justice. For Koeppen, the question of guilt and justice played a central role in his writing and could have been the prime motive for editing Littner’s text. The analysis reveals how Littner’s conservative middle-class Judaism was anchored in a solid belief in religion that did not change through the experience of the Holocaust. In fact, it was confirmed. Where Littner saw continuation, Koeppen saw a fundamental break that manifested itself in his reworking of Littner’s experience from an assimilated secular Jewish identity to a newly found belief in religion. Koeppen also saw Littner as a citizen who was so shaken by the experience that he had to change and begin a new life. As a result, Koeppen’s story appears more realistic, since Littner was not able to restart his former life in Munich, as planned, but emigrated to the United States where he set up a new life� In 1995, the Swiss musician Binjamin Wilkomirski wrote a memoir that he called Bruchstücke. Aus einer Kindheit 1939-1948. Like Koeppen’s, Wilkomirski’s book was published by Suhrkamp’s Jüdischer Verlag and became another popular German-language Holocaust text. In the United States, it was published as Fragments: Memories of a Wartime Childhood� When the Swiss journalist and novelist Daniel Ganzfried watched Wilkomirski at a public presentation of his book he felt uneasy and, after fact-checking some details of the book, found inconsistencies. On the basis of further research he published his findings in an article entitled “Die geliehene Holocaust-Biographie” in the Swiss weekly Die Weltwoche on 28 August 1998. 16 In 1999, at the request of Wilkomirski’s Swiss literary agent, the Swiss historian Stefan Maechler researched Ganzfried’s claim that Wilkomirski had produced a fake survivor story and falsely claimed a Jewish life for himself. His study corroborated the facts that Ganzfried had German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 211 presented in his initial article in Die Weltwoche� Wilkomirski was in fact a Swiss Protestant who was born to an unwed mother named Yvonne Grosjean in Biel, Switzerland, on 12 February 1941. After being placed in a children’s home in the Alpine village of Adelboden, he was put up for adoption in 1945 and initially assigned to a childless upper middle-class couple resident in Zurich, the Dössekkers, as foster parents. By the time he entered school in Zurich in 1947, he had become their adopted son and was now called Dössekker rather than Grosjean. Just why he invented a Jewish survivor story remains unclear� Ganzfried has subsequently argued that Wilkomirski’s book, along with the effort of reliving the Holocaust, was a scheme to fill the moral vacuum that the disappearance of communism had left. He further argued that Wilkomirski’s “pornography of brutality” was a ploy to satisfy an audience and a market greedy for more Holocaust books. In his charge, Ganzfried echoes Norman Finkelstein’s complicity scheme in his 2000 book The Holocaust Industry. What Finkelstein calls manipulated industry, Ganzfried calls “Holocaust-Travestie” (“Die Auschwitz-Travestie” 231)� 17 Wilkomirski’s book presents a survivor experience as a first-person narrative by using simple language from the point of view of a young child who seems overwhelmed. The first memory that is presented is that of a man being crushed by uniformed guards against the wall of a house; the narrator is clearly too young for a more precise recollection, but the reader is led to infer that it is his father who is crushed. Later on, the narrator and his brother hide in a farmhouse in Poland before being arrested and interned in a Nazi concentration camp, where they watch their mother die. After his liberation, the narrator is brought to an orphanage in Cracow and then to Switzerland. As Wilkomirski’s psychologist revealed, Bruchstücke was the product of unsuccessful therapy, and Wilkomirski believed that his memory had become extended through his therapeutic “journaling” (Maechler 76). In her defense of Wilkomirski’s approach, Renata Salecl reasons that trauma survivors tend to have trouble reporting their experience that often results in a split identity, with parts of them related to their present lives, and others to the past; similarly, Holocaust survivors tend to see their current lives as separate from their past traumatic experience. Although Wilkomirski had ostensibly learned from his treatment that his own early childhood memory consisted of disconnected time and place fragments, the narrator in his book appears unusually confident about the accuracy of his memory. When trauma specialists analyzed his text, they did not detect a split identity in the protagonist, nor did the text reveal any alienation from the “self” (Salecl). On the contrary, the author seemed to have complete control over his writing and describes how trauma elicits a strong 212 Reinhard Zachau empathetic reaction in the reader; Wilkomirski acts as a knowledgeable manipulator of his readers’ response (Maechler 78). Calling Wilkomirski’s book manipulation is justified since at the core of the narrative lies his appeal for empathy and a connection with the Holocaust victim, as the enthusiastic reception revealed. I am not criticizing the outrage over Wilkomirski’s text but, although I agree with Ganzfried’s claim that the publishing industry may have been overly interested in a potential Holocaust bestseller and accepted Wilkomirski’s fantasy without checking, I would not go as far as Ganzfried and describe the entire affair as a complicity to promote Holocaust empathy. The empathy was not fabricated but created by political developments in Germany during the 1990 s that German-language speakers in Switzerland wanted to connect with for their own reasons: a financial settlement in 1998 which covered claimants to dormant Swiss accounts, refugees denied Swiss asylum, and victims of slave labor. Anne Whitehead argues that “Wilkomirski’s Holocaust text provides a powerful voice against the claims of conservatives and traditionalists, in insisting that Switzerland is not a beautiful country, and that it was implicated in ways which it would prefer not to acknowledge in the Nazi persecution of the Jews” (136). Wilkomirski’s text found its defenders, who believe that it helps in connecting with the Holocaust to unveil truths about its effects on the contemporary imagination. As in Koeppen’s version of Littner’s story, Bruchstücke departs from testimony and enters the realm of fiction, most notably in Wilkomirski’s deliberate use of a child’s perspective. Bruchstücke also reveals the power of the Holocaust as a story, not only as it connects the individual imagination with the political and cultural discourse (Whitehead 135). James Young argues that “to remove the Holocaust from the realm of the imagination (…) is to risk excluding it altogether from public consciousness. Better abused memory in this case, which might then be critically qualified, than no memory at all” (133). And Blake Eskin reminds us that Wilkomirski’s impulse to accept a fake identity is shared by many who need a story to identify with, and “in doing so we gave him substance, we made him real” (241). Among earlier fake Holocaust memoirs that Wilkomirski may have incorporated into his book was Jerzy Kosinski’s 1965 The Painted Bird, translated into German in the same year as Der bemalte Vogel, and Jona Oberski’s 1978 Kinderjaren, translated into English in 1983 as Childhood but not into German as Kinderjahre until 2016. It is the memoir of a Dutch boy who was deported to Westerbork and Bergen-Belsen and lacked an adult narrator’s commentary as well: German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 213 “Don’t be afraid. Everything’s all right. I’m right here.” The hand on my cheek was my mother’s. Her face was close to mine. I could hardly see her. She whispered and stroked my hair. It was dark. The walls were wood. There was a funny smell. It sounded like there were other people there. My mother lifted my head up and pushed her arm under it� She hugged me and kissed me on the cheek� I asked her where my father was� (1) Bruchstücke opens with an implicit pact, in which, albeit fake, the author vouches that his book is based on accurate and truthful childhood memories. He states that he is not a poet, but that he can only remember “shards” (Bruchstücke) of memory that resemble a “Trümmerfeld” (rubble field), and are “Brocken des Erinnerns, die sich immer wieder beharrlich dem Ordnungswillen des erwachsen Gewordenen widersetzen und den Gesetzen der Logik entgleiten” (8—9). 18 He decides to give up this logical order and write down whatever he can remember. The difference between Oberski’s child perspective that he never abandons to tell his story from a child’s view and Wilkomirski’s self-consciously juvenile text, narrated from an adult perspective, is the result of self-reflective reconstruction of memory. Alessandro Costazza called this text a conscious manipulation of the reader and, although he refrains from criminalizing the author, he labels the text “shoah kitsch” (219), a verdict that sums up Germans’ sense of abuse and betrayal by Wilkomirski for his deliberate manipulation of their empathy. Benjamin Stein, who grew up in East Berlin, rewrote Wilkomirski’s story into the thriller novel Die Leinwand, published in 2010, in which the characters were renamed; Wilkomirski became Minsky, Ganzfried became Wechsler, and Minsky’s psychiatrist became Zichroni. Stein’s novel does not focus on the Holocaust story but on the effect it has had on the perception of the Holocaust, and he questions the reliability of memory. In his story, Wechsler exposes Minsky’s fraud and, by doing so, discredits both Minsky and Zichroni, the psychiatrist, while Wechsler (Ganzfried) realizes how unreliable his own memory is. With this question, we have moved beyond the authenticity debate and, at the same time, the intention of the author and closer to answering what the purpose of Holocaust literature for the current generation is. The focus moves toward readers and how to educate the current readership to communicate information and emotions and ask what constitutes a reliable voice to express the feelings these texts will invariably evoke. Stein’s motivation for rewriting the story originates in his belief that the human brain is incapable of producing reliable memories. In a review of Bruchstücke, Stein described a meeting with Wilkomirski and how he was impressed with his story and his sensitive personality (Bruchstücke). The premise of Stein’s 214 Reinhard Zachau story is Minsky’s unreliable memory, but above all, Wechsler’s (Ganzfried’s) attitude towards the ostensible Holocaust victim. The Wechsler part of the book is a tale of amnesia as he, Wechsler, first presents himself as a contented German citizen, born in East Berlin to Jewish parents, but soon finds out that there is another Wechsler, a Swiss citizen, celebrated for having exposed the Minsky hoax. In the confusion that he shares with his reader, Wechsler eventually admits that he is as much a fraud as the accused Minsky� By turning Wechsler (Ganzfried), the German/ Swiss witness and judge of the Holocaust story, into an unreliable witness, Stein reassesses the Wilkomirski affair, in which the author had been the sole culprit, and shifts the blame to the accuser. The overwhelmingly positive response to this book indicates that Stein hit a nerve with the current generation. The idea of turning the story into a thriller played a significant role, as did the open end and Stein’s admission that he had no answers to what happened to any of the characters. Silke Horstkotte interprets the book as strong evidence that German-language authors were moving away from authenticity to the more important question of identity. Who is a Jew, who is a German, who is a Swiss Jew and, most importantly, who has the right to ask questions about the past? As Stein’s book argues, the lack of a commonly accepted reality dissolves the ambiguity between fictional and authentic Holocaust stories and opens the field to literary experimentation (Horstkotte 131). In 2001 German-British writer and academic W. G. Sebald published his last novel, Austerlitz, which will be discussed as a powerful response to Koeppen’s and Wilkomirski’s attempts to adjust the Holocaust narrative for a German audience. Sebald’s fiction is a response to Germany’s failed postwar literary attempts to come to terms with the Nazi past. Sebald often cited the Austrian writer Thomas Bernhard as his model, with his long-winded sentences, his hyperbolic style, “his repetition mechanism and his self-exploitation machine” (Falcke), all of which can be found in Sebald’s books. Bernhard’s most political novel is his 1986 Auslöschung, the last book before his death. The self-destructive energy of the novel’s protagonist, Murau, originates in Austria’s collaboration with the Nazi occupiers whose memory needs to be extinguished, and with it his own identity, that of his family and lastly the family estate of Wolfsegg that he bequeaths to the Jewish community of Vienna. Sebald imitates Bernhard’s writing style and his obsession with the Nazi past but overcomes Bernhard’s self-destructive attitude with his more inclusive and forgiving style. Jacques Austerlitz, the main character in Sebald’s book, is an architectural historian who encounters and befriends the narrator during the 1960 s to whom he then tells his story� Austerlitz had come to Britain in 1939 as a Jewish refugee German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 215 on a Kindertransport and was adopted by a Welsh preacher. Only after his foster parents had died, does he find out about his Jewish background. Travelling to Prague, he meets Vera, a friend of his lost parents, and hears about his mother, an opera singer who was deported to the Theresienstadt (or Terezín) camp. At the center of the book is a video copy of the Nazi propaganda film Theresienstadt: Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet about the ghetto in which he believes he recognizes his mother. Vera confirms the identity of Austerlitz’s mother in a photograph of an actress that Austerlitz finds in a Prague archive. Sebald’s novel is an experiment in fusing the fictional Austerlitz figure, a Jewish Holocaust survivor, with that of the narrator, who is not Jewish. The frequent meetings of the two middle-aged men focus on their mutual interest in Austerlitz’ life. Austerlitz needs a person to hear his story, and the narrator develops an increasing curiosity about his life as a Holocaust survivor. Sebald’s technique of using complex sentences is important for combining various sources in the text: the narrator who introduces Austerlitz’s story in indirect discourse, Austerlitz who relates his own experiences, and conversations with Vera that are also recounted in indirect discourse. Sebald’s most important source is the description of Theresienstadt by H. G. Adler, a Holocaust survivor, writer, and intellectual, who was imprisoned in Terezín for two and one-half years before being deported to Auschwitz. Adler’s study of the ghetto, Theresienstadt 1941—1945: Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, was published in 1955 as the first scholarly monograph devoted to a single camp and became a foundational work for Holocaust Studies. Adler wrote to a friend in 1947 about his plans for the volume, “The subject is approached in a strictly scientific manner, thanks to the vast amount of documentary material that I have collected� At the same time, it is readable and vivid, a Kafka novel in reverse, in that it evokes a real world. Anyone who makes the effort to read its-… pages will really have been in the camp” (Atze 136). Sebald included in Austerlitz Adler’s copy of the plan of the camp, the reproduction of a page from the section entitled “Soziologie” consisting of a list of fifty-two different places in the camp where the prisoners had to work with the original page number 434 from Adler’s book (340). Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm plays a major role in his book. It is a black-and-white film shot in the concentration camp that Adler relates in his book through still images. In Sebald’s book, Austerlitz explains what he learned from Adler’s work in an almost ten-page-long sentence, as the narrator reports to the fictitious Austerlitz what he found in Adler’s book. The effect this passage has on the reader with its many embedded layers of reporting is that nobody seems to have first-hand knowledge, certainly not Sebald or his fictional narrator, nor the fictional Austerlitz, nor the real author Adler who had only listened to the sound track of the 216 Reinhard Zachau Nazi movie, but had not seen it himself. It seems obvious that Sebald wants his reader to be involved in the exploration of this complex web. Austerlitz’ quest provides the central structure for the book that serves as an artistic example for exploring memory through fiction, or rather, a combination of real and fictional elements. Therefore the fictional exploration of the material provides the book’s tension, as the narrator’s and Austerlitz’s explorations begin with their personal experiences that are gradually expanded to include the Holocaust and its meaning for Austerlitz. Sebald’s unique method of incorporating images that may or may not be authentic helps to anchor the narrative in the real world, as objects become a memory anchor. However, the ambiguity of whether these objects or images are real or not is part of the strategy, as Sebald’s narrative creates its own space between fiction and reality. A comparison between two passages about the Nazi propaganda film, one from Adler’s Theresienstadt and the other from Sebald’s Austerlitz, clarifies the relationship between these two books: Der neue Film (…) sollte das exaltierte Theresienstadt so übertrieben darstellen, dass ja deutlich werde, wie gut es den Juden ginge, dass sie keine Sorgen hätten, nach wie vor die bekannten Parasiten wären, die für nichts anderes Zeit hätten als für Unfug, Kaffeehaus und ein Leben in Vergnügen und Luxus, während die braven “Arier” verbluteten oder sich wenigstens zu Tode arbeiteten. (…) Dafür sah man Wohlleben und Lustbarkeiten, wie sie ein maskiertes “Paradiesghetto” nur zu bieten hatte. Ausgesprochen ‘jüdische Typen’ wurden ausgewählt, und jeder sollte vor Gesundheit strotzen. (Adler 179—80) 19 Adler comments on Nazi propaganda in his restrained scientific style as he saw himself as a sociologist and captured the Nazis’ intentions and the effect the propaganda movie was supposed to have. Sebald does not follow Adler’s description, but interprets the scene with different metaphors: ein potemkinsches, möglicherweise sogar manche seiner Insassen betörendes oder doch mit gewissen Hoffnungen erfüllendes Eldorado, (…) ein alles in allem beruhigendes Schauspiel, das die Deutschen nach Beendigung der “Visite,” sei es zu Propagandazwecken, sei es zur Legitimierung ihres ganzen Vorgehens vor sich selber, in einem Film festhalten ließen. (Sebald 344—45). 20 Sebald does not comment but instead uses Adler’s descriptions without many changes. His comments on the event’s fictionality stand out, such as Potemkin, Eldorado, spectacle, and are used to recreate the propaganda goal of the event that overshadows the description. Adler on the other hand, emphasized the German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 217 difference in the lives of the two groups, Aryans and Jews, and the fakeness of their coexistence that the sociologist recognized as propagandistic intention. In his constructed character Austerlitz, Sebald uses a fictitious survivor “to come to terms with the narrator’s own internal landscape” (Budick 212). Or, as Kirstin Gwyer writes, “Sebald’s attempt to draw Adler into an intertextual dialogue suggests a view of their relationship as one of equals” (122). Sebald seems to attribute to Adler a methodology in which “individual memory” is subordinated to “collective memory” to accurately and objectively recall as many “real details” through the latter as possible (Wolff 29). Or, more simply put, Sebald’s narrator needs Austerlitz’ story to become part of the collective memory in an irrational way that contradicts traditional ways of reasoning. The academic Sebald had stated that academic writing always felt false to him as it assumed a certain kind of “nineteenth-century” rationality that was hard to justify for writing about the Holocaust. Austerlitz’ search for his mother reinforces his experience of operating in a surreal space. In order to find a picture of his lost mother, he looks at the Nazi propaganda film and initially finds nothing. Only in a slow-motion copy of the movie does a face appear in a corner of the picture for a short time, in which he believes he recognizes his mother. However, the person is unknown and Austerlitz finds the real face of his mother only on an old theater photo. He still cannot be certain if what he sees is true. This uncertainty of finding proof in the old images establishes the constituting element of the text in which objects are not anchors, but approximations that help in restructuring our memories. Austerlitz’s or Adler’s method helps the narrator (or Sebald) to get closer to the memory experience that can be shared with the reader. Although we cannot be certain of either the space or location of memory, the search itself is the crucial element to fill the void for those who are searching. After Adler had completed the first volume of his Theresienstadt monograph in 1948 he continued to explore his Holocaust experience with his own novel, in the experimental Eine Reise written in 1951. In his afterword to the 1999 German edition of the novel, Adler’s son Jeremy claims that when Peter Suhrkamp, head of the rising Suhrkamp Verlag, was offered the manuscript, he reacted with a “Wutanfall: ‘Solange ich lebe,’ sagte er, ‘wird dieses Buch in Deutschland nicht gedruckt’” (310). Ruth Franklin includes this quote in her essay on Adler’s novel and speculates that Suhrkamp’s reaction originates in the hybrid nature of the book between fiction and reportage, which was asking a lot of his German readers (Franklin, “Master” 2011). Whether or not this fierce rejection actually took place, it would take over ten years for the book to appear in 1962. 218 Reinhard Zachau When compared to the immediate and eager acceptance of Adler’s study Theresienstadt, the reasons for the German aversion to fictionalized Holocaust books becomes clearer. After WWII, when Germans were just beginning to comprehend the magnitude of the events that had happened, writing fictionalized accounts of the atrocities seemed irresponsible as they could easily misrepresent facts that could be used by ex-Nazis for their own agenda. From this discussion, it is evident that the willingness to engage with the Holocaust in a fictional form needed to wait. This also explains why the 1992 Littner-Koeppen debate was necessary to expose the fundamental rift between the two sides, represented by two Jewish intellectuals, Ruth Klüger and Ruth Franklin. While Klüger is a Holocaust survivor and Austrian academic who has lived and worked in the United States most of her adult life, Franklin, younger than Klüger and writing in English, has a very different approach. As a member of the survivor generation Klüger reflects on the fact that her entire life was based on misrepresenting her age during the selection process at Auschwitz. Of course, every detail about Littner’s experience in his book mattered to her since “Littner schrieb in der Sprache unserer von den Nazis ermordeten Väter” (2006, 141), 21 a language that she was afraid would, when changed, also be expropriated like Jewish property had been by the Nazis. Franklin, as a member of the postmemory generation, expresses contemporary needs when she states that “there can be no […] authentic document, because all written texts are in some way mediated. To consider any text ‘pure testimony,’ completely free from aestheticizing influences and narrative conventions, is naïve” (2013, 11). Both positions were and are justified, in their time and for their audience. Klüger’s need to preserve Holocaust testimonies does not exclude that both can coexist, the authentic text and the literary adaption, modified for a current audience. Literarization is often the only way to reach younger readers� The intense debate about Koeppen’s Littner book was necessary to reveal not only the need for literature, but also to sanction the freedom German authors like Koeppen took to serve as a bridge for our generation. While the original edition of Koeppen’s book, attributed at the time to an unknown Jakob Littner, did not have a large reception in Germany in 1948 since readers had to deal with more immediate issues in the post-WWII chaos, the situation was very different in 1992 when the book, now with the renowned Koeppen as author, was read as an authentic glimpse into post-WWII mentality. As German audiences were ready to engage in a thorough Holocaust discussion, they needed Koeppen’s book as a tool to clarify their opinions. It contained the entire forty-year-long post-Holocaust debate like a time capsule: Koeppen’s outdated perception of Jews as idealistic people, not as the middle-class citizens they had been, and his idea of an idealized self-reflective Jew whose experience as a Holocaust survi- German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 219 vor changed his life and who, in Koeppen’s view, should also change Germany. While Germany was not ready for such a transformative experience in 1948, it would take more than forty years for this debate to take place. Similarly, Wilkomirski’s book was without doubt conceived as a transformative experience for an audience that wanted to learn about the Holocaust. Wilkomirski was able to connect with readers who sympathized with his psychological problems that were similar to those of Holocaust survivors. Bruchstücke was troubling, but also comforting, with its child-like perspective that could have provided a German foundational text in its postmemory literature similar to Art Spiegelman’s Maus in the United States. Both, Koeppen’s transformed story and Wilkomirski’s child fantasies, were second-hand memory adaptations, or postmemory literature. Benjamin Stein’s experiment with the text is a powerful argument for fictionalizing the Holocaust with his claim that no memory is truly authentic. Therefore, the answer to Silke Horstkotte’s question “Who owns the Holocaust? ” should be: The survivors and the perpetrators or, as I would argue, all of us, historians, literary scholars and the readers of the texts. We all need to find a responsible way to treat survivor memories that are the basis for literary transformations. How far can such literary adaptation go? Can it include fictional or satirical elements? Is a complete fabrication like Bruchstücke acceptable, as more of these stories will certainly come forward? A redirection of Holocaust literature away from its producer and the author towards the reader and the reception will become increasingly important. Sebald’s Austerlitz has been praised as an outstanding example of blending fact and fiction. By linking Austerlitz’s personal trauma to Sebald’s quest the book explores personal memory as a link to social memory. As in Koeppen’s and Wilkomirski’s story, we discover a German imposter in Sebald’s story. A photograph ostensibly taken by Austerlitz of himself and given to the narrator shows someone looking a lot like Sebald reflected in a shopping window in Terezín that the photograph records. Here we witness a first indication that the author and the narrator might be the same person. Once we acknowledge this fact, it would be easy to assume that even the novel character Austerlitz might have the characteristics of a real person, perhaps Adler, or perhaps someone else, a composite of Austerlitz and Adler. But Sebald’s suspended belief in the real makes this kind of storytelling possible, especially if we remember the author’s intention of writing for his own generation, a post-Holocaust German. We, the readers or the viewers of the photograph, have now also become part of the story� Sebald’s exploratory “postmodern” style (Zilcosky 681) addresses our current need to understand the Holocaust beyond basic factual information. Katrin Kohl has explored how Sebald constructed his narrative as a fairy tale that gives the 220 Reinhard Zachau imagination “free rein” to transcend time (105). Similarly, Martin Modlinger showed that Sebald, like Adler, had returned to Kafka’s style to explore “the darkness of history” (221). With its open and flexible style Sebald’s book can address multiple audiences of Jews and Gentiles, Germans and Americans, of any generation, who are united in their attempt to understand and become part of the Holocaust memory. With his style Sebald seems to have found a path towards a narrative that opens the Holocaust for a universal application. As fewer and fewer Holocaust memoirs will appear, we will focus more on fictionalizing the trauma and on the limitations writers need in experimenting with this sensitive topic. Notes 1 I want to thank Ted Fiedler for editing this essay that appears twenty years after Ted first presented the Koeppen/ Littner case in Colloquia Germanica 32. 2 (1999). 2 The publisher reported the unbelievable facts. I had dreamed it. The publisher asked me: “Do you want to write it? ” […] I ate American canned food and wrote the story of the suffering of a German Jew. And so it became my own story� 3 Ruth Franklin also discovered that Kurt Grübler, the author of the American translation of Littner’s book under the title Journey Through the Night, took some liberties with the text although he “goes out of his way to convince the reader that the book is an authentic representation of Littner’s manuscript” (Franklin, Darknesses 168—78). Iris Denneler claims that Grübler’s changes affected the text more than Koeppen’s editing (593). However, unlike Koeppen, Grübler never hid his authorship and was proud of his translation, which he did not want to see altered� 4 Littner wrote in the language of our fathers murdered by the Nazis, with their fine mixture of piety and irony, which I recognize in his writing, especially where it does not seem to match the enormity of the experience 5 Here, one of the perpetrators, no matter how sensitive and able he writes, took away from the victim the last thing he had left, his own life and the right to shape his memories in his own words with the result that the expropriation and humiliation will continue beyond his grave. 6 An air of dishonesty hangs over the story of the genesis of this novel� Nevertheless, the novel commands a different, perhaps higher authenticity. For Koeppen has succeeded in combining the terrible things that happened, that have been documented a thousand times and yet are so difficult to describe, German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 221 with the dry vita of Littner. Thus, his book has no singular, but a historical truthfulness� 7 I was only allowed to call my business partner, Christine H. She appeared soon with her sister, and I could give her the keys and the cash register� Then I was taken to the police station. 8 It was still dark when my doorbell rang. I woke up and saw that it was 5: 00. I knew immediately that something terrible was looming. A rumor says they pick you up at that time. I did not believe the rumor. But now, when my old doorbell sounded so strange and shrill in the silent house, I knew it is true, it’s so, they are there (…) My naked feet ran over the carpet as if it were breaking ice. I hung on to the door knob and happened to see myself in the hall mirror: a fat wheezing man in a nightshirt that was too short. (…) My apartment, the symbol of my bourgeois existence, virtually exploded in front of my eyes, and a storm blew me away into the unprotected, perhaps true, life. (..) I expected being hit, by boots, to be screamed at. (…) In front of the door in the empty stairwell was our nice district policeman. We were old acquaintances; until yesterday we had greeted each other in the street. His voice sounded quiet and pitying when he said: “I have to arrest you, Herr Littner! ” Then his demeanor became more judgmental as if my nightshirt irritated him and he screamed: “Put some clothes on! ” This is my own translation since, due to complications with the German publication, Koeppen’s book was never translated into English. 9 Someone must have been telling lies about Josef K., he knew he had done nothing wrong but, one morning, he was arrested. 10 In the world above it is midsummer. We see nothing of that. No ray of sun reaches our hole� 11 The summer moved into the country. We did not notice, we lived underground. It was July, outside the highest splendor of nature had by now appeared; the sun was surely burning the earth’s surface with intense glow. But we crouched, eternally damp in the subterranean banishment. Above there was light and beauty, down here night. Never before had I passed carelessly by the beauty the creator gave us. I was always thankful, even for the smallest things. (…) On a glowing violin summer sings its song. Branches are bending downwards; leaves are dropping unto the field. Roots and sprouts are thirsty, my heart is thirsty too as they are. It often indulged in beauty, but never got enough. When I will descend to drink from Lethe, then summer sings its song on the glowing violin above. 12 … exploded in front of my eyes, and a storm blew me away into the unprotected … 222 Reinhard Zachau 13 Outside, a cold autumn rain set in slowly, very slowly, hour after hour passes. Off to the side a group of Jews whom I joined had gathered for prayer. 14 We were not aware of any guilt; we were hit as if we were pelted by rain and accused because we happened to be Jews by birth and Poles through our life experience. I have not been a pious man, but in this night of need the thought of God occupied me. It unsettled and calmed me at the same time, and when I thought of him I knew that there is a God and that he will protect me. I did not belong to the circle of Jews who leaned against the wall in the back and prayed. Since the days of my childhood I had not seen a Jew praying publicly. Until recently I would have been inclined to look at the praying with a skeptical smile of superiority. 15 … all hearts be reconciled, no matter what race and religion! 16 Ganzfried includes his initial article in Die Weltwoche in his narrative “Die Holocaust-Travestie” that appeared in the volume … alias Wilkomirski. Die Holocaust-Travestie (110—18). 17 Ganzfried’s article is based on a presentation at a symposium at the Literarisches Colloquium in Berlin (26—29 November 2000) and precedes his longer narrative of 2002 in … alias Wilkomirski� 18 “Shards of memory … that keep surfacing against the orderly grain of grown-up life and escaping the laws of logic.” 19 The new film was supposed to exaggerate the exalted Theresienstadt in such an exaggerated way that it would become clear how well the Jews were doing, that they had no worries, were still the known parasites who had time for nothing but mischief, coffeehouses, and a life of pleasure and luxury, while the good ‘Aryans’ bled to death or at least worked themselves to death. (….) On the other hand, one saw the well-being and enjoyment that a masked “paradise ghetto” had to offer … pronounced ‘Jewish types’ were selected, and everyone should be bursting with health. 20 A Potemkin village or sham Eldorado, which may have dazzled even some of the inhabitants themselves, its inmates beguiling or perhaps fulfilling with some hopes of Eldorado, (…) a most reassuring spectacle, all things considered, which the Germans, whether for propaganda purposes, or in order to justify their actions and conduct to themselves, thought fit after the end of the Red Cross visit to record in a film. 21 … wrote in the language of our parents murdered by the Nazis. Works Cited Adler, H. G. Theresienstadt 1941-1945: Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft: Geschichte, Soziologie, Psychologie. Tübingen: Mohr, 1955. German Postmemory Literature of the Holocaust: Koeppen, Wilkomirski, Sebald 223 Adler, H. G. The Journey. Trans. Peter Filkins. 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