Colloquia Germanica
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0010-1338
Francke Verlag Tübingen
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2024
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ISSN 0010-1338 Christoph Weber: „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ Der Fallout der nationalsozialistischen Vergangenheit in Gudrun Pausewangs Atomkatastrophenbuch Die Wolke (1987) Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks: The Battle of Hermann Braun: Transvaluing German Nationalism in Heinrich von Kleist’s Die Hermannsschlacht and Rainer Werner Fassbinder’s Die Ehe der Maria Braun Vaidas Šeferis: Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns. Zur Chronologie und Gattung der deutschen Gedichte von Christian Donelaitis Robert Kelz: Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 Dorota Tomczuk: Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens von Claudia Ahlering und Julian Voloj narr.digital Band 57 Band 57 Heft 1 Harald Höbus ch, Rebeccah Dawson (Hr sg.) C O L L O Q U I A G E R M A N I C A I n t e r n a t i o n a l e Z e i t s c h r i f t f ü r G e r m a n i s t i k C O L L O Q U I A G E R M A N I C A I n t e r n a ti o n a l e Z e it s c h r ift f ü r G e r m a n i s ti k Die Zeitschrift erscheint jährlich in 4 Heften von je etwa 96 Seiten. Abonnementpreis pro Jahrgang: € 138,00 (print)/ € 172,00 (print & online)/ € 142,00 (e-only) Vorzugspreis für private Leser € 101,00 (print); Einzelheft € 45,00 (jeweils zuzüglich Versandkosten). Bestellungen nimmt Ihre Buchhandlung oder der Verlag entgegen: Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Postfach 25 60, D-72015 Tübingen, Fax +49 (0)7071 97 97 11 · eMail: info@narr.de Aufsätze - in deutscher oder englischer Sprache - bitte einsenden als Anlage zu einer Mail an hhoebu@uky.edu oder bessdawson@uky.edu (Prof. Harald Höbusch oder Prof. Rebeccah Dawson, Division of German Studies, 1055 Patterson Office Tower, University of Kentucky, Lexington, KY 40506-0027, USA). Typoskripte sollten nach den Vorschriften des MLA Style Manual (2008) eingerichtet sein. Sonstige Mitteilungen bitte an hhoebu@uky.edu © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Alle Rechte vorbehalten/ All Rights Strictly Reserved Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ISSN 0010-1338 Die Herausgeber Dr. Hermann Gätje (Universität des Saarlandes) Prof. Dr. Sikander Singh (Universität des Saarlandes) Die am Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass der Universität des Saarlandes herausgegebene Reihe eröffnet Perspektiven auf die deutsche Literatur im europäischen Kontext. Weil das literarische Kunstwerk im Dialog mit literarischen Texten anderer kultureller Überlieferungen entsteht, tragen intertextuelle, komparatistische sowie kulturvergleichende Studien wesentlich zu einem vertieften wissenschaftlichen Verständnis des Wechselspiels der Literaturen und literarischen Traditionen bei. In diesem Sinne befragen die Sammelbände und Monographien der Reihe die Literaturen Deutschlands auf ihren Bezug auf andere europäische Literaturen. Neueste Bände: Hermann Gätje / Sikander Singh (Hrsg.) Europadiskurse in der Gegenwartsliteratur des vergangenen Jahrzehnts 1. Auflage 2024, ca. 230 Seiten ISBN 978-3-7720-8794-3 erscheint: 04/ 2024 Hermann Gätje (Hrsg.) Denkstile und Paradigmen im literarischen Wandel 1. Auflage 2023, 308 Seiten ISBN 978-3-381-10361-4 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Passagen - Literaturen im europäischen Kontext BAND 57 • Heft 1 Inhalt „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ Der Fallout der nationalsozialistischen Vergangenheit in Gudrun Pausewangs Atomkatastrophenbuch Die Wolke (1987) Christoph Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 The Battle of Hermann Braun: Transvaluing German Nationalism in Heinrich von Kleist’s Die Hermannsschlacht and Rainer Werner Fassbinder’s Die Ehe der Maria Braun Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns. Zur Chronologie und Gattung der deutschen Gedichte von Christian Donelaitis Vaidas Šeferis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 Robert Kelz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens von Claudia Ahlering und Julian Voloj Dorota Tomczuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Verzeichnis der Autor: innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ Der Fallout der nationalsozialistischen Vergangenheit in Gudrun Pausewangs Atomkatastrophenbuch Die Wolke (1987) Christoph Weber University of North Texas Abstract: Mit der Veröffentlichung ihres Bestsellers Die Wolke (1987) wurde Gudrun Pausewang eine international anerkannte deutschsprachige Autorin. Den Jugendroman, der die Schreckensvision einer Reaktorexplosion auf bundesdeutschem Boden schildert, verfasste Pausewang kurz nach dem Tschernobyl-Reaktorunfall vom April 1986. Während sich die Forschungsliteratur umfassend mit dem Einfluss des Jugendromans auf die Antiatomkraftbewegung in Deutschland befasst hat, sind die vielfältigen intertextuellen Bezüge zwischen dem nuklearen Fallout und den Verheerungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs noch keiner kritischen Analyse unterzogen worden. Pausewang zieht eine Analogie zwischen der Not der Strahlenopfer und den während der NS-Zeit begangenen Verbrechen, um ihre Forderung nach einem Atomausstieg zu untermauern. Darüber hinaus weist eine Vielzahl von Handlungselementen große Ähnlichkeit mit Pausewangs autobiografischen Erinnerungen an ihre Flucht aus Ostböhmen nach Westdeutschland im Jahr 1945 auf. Insoweit wiederspiegelt Die Wolke weniger die von der Tschernobyl-Katastrophe hervorgerufenen Ängste, sondern vielmehr die persönliche Auseinandersetzung der Autorin mit ihrer traumatischen Vergangenheit: ihre durch die Eltern sanktionierte Indoktrination in die NS-Ideologie und anschließende Vertreibung aus dem geliebten Elternhaus kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Keywords: Tschernobyl, Nationalsozialismus, Trauma, Antiatomkraftbewegung 2 Christoph Weber Mit dem Tod von Gudrun Pausewang am 23. Januar 2020 ist die Stimme einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kinder- und JugendbuchautorInnen verstummt. In den Nachrufen auf die mehrfach ausgezeichnete Autorin - im Jahr 2017 erhielt sie für ihr millionenfach verkauftes Lebenswerk den Deutschen Jugendliteraturpreis - wurde insbesondere ihr langjähriges Engagement für soziale Gerechtigkeit, Weltfrieden und Umweltschutz gewürdigt. Den größten Bekanntheitsgrad erreichte Pausewang für ihre in den achtziger Jahren erschienenen Atomkatastrophenbücher. In Die letzten Kinder von Schewenborn (1983) schildert der dreizehnjährige Erzähler Roland die grausame „Realität unserer Welt nach einem Atomschlag - strahlenverseucht, von Typhus, Hunger, Rattenplagen heimgesucht, ohne Gesetz, ohne Hoffnung, ohne Sinn“ (Hentig 63). Das Schreckensszenario eines nuklearen Super-GAUs auf deutschem Boden veranschaulichte Pausewang im Jugendbuch Die Wolke (1987), worin sie „die Eindrücke und die Bewegungen“ (Tebbutt, „Introduction“ 1), die der Tschernobyl-Reaktorunfall vom April 1986 in ihr verursacht hatte, verarbeitete. Die Leidensgeschichte der vierzehnjährigen Protagonistin Janna-Berta, die infolge einer Reaktorexplosion im bayrischen Atomraftwerk Grafenrheinfeld ihre Familie verliert und an Strahlenkrankheit erkrankt, entwickelte sich zu einem in dreizehn Sprachen übersetzen Beststeller. Beide Atomkatastrophenbücher sind seit ihrem Erscheinen beliebte Schullektüren geblieben und haben maßgeblich dazu beigetragen, die „Anti-Atomstimmung“ in Deutschland „zu verstärken“ ( Zeit Online ). Wie Bernd-A. Rusinek in seinem kulturgeschichtlichen Beitrag über die Angst der Deutschen vor der Atomkraft argumentiert hat, ist Die Wolke der „paradigmatische Atomangst-Roman“ (339). Insoweit ist es nicht verwunderlich, dass dem Jugendbuch nach dem Unfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi am 11. März 2011 erneut Aufmerksamkeit geschenkt wurde: „A children’s book by author Gudrun Pausewang called ‚The Cloud‘ about a girl surviving in Germany after a massive nuclear accident, is back on the bestseller list“ (Crossland). Aufgrund der Frustration, „dass der Mensch offensichtlich aus seinen Fehlern nichts lernt“, sah sich Pausewang dazu veranlasst, ein zweites Warnbuch über „die industrielle Energiegewinnung aus Atomkraftwerken“ zu schreiben. ( Noch lange danach 125). Während der Schwerpunkt in Die Wolke auf der Katastrophe selbst liegt, behandelt das 2011 erschienene Buch Noch lange danach (2011) die über Jahrzehnte andauernden Folgeschäden eines Super-GAUs. Im Nachwort bringt Pausewang ihren unermüdlichen Aktivismus gegen die zivile Atomkraftnutzung konkret mit ihren Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus in Verbindung. Als Jugendliche, die 1929 geboren worden war, hatte sie nach dem Zweiten Weltkrieg allen Grund dazu, ihre Elterngeneration mit Vorwürfen zu bestürmen: „Warum habt ihr es dazu kommen lassen? Warum habt ihr denn nicht rechtzeitig etwas dagegen getan? “ „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 3 (123). Was darauf folgte, war keine Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld, sondern „verlogene Ausreden“ und „Schuldzuweisungen in alle Richtungen“ (123). Diese schmerzvolle Lebenserfahrung hat ihre Laufbahn als politisch engagierte Schriftstellerin dauerhaft bestimmt: „Ich möchte auf die drängenden Fragen meiner Nachkommen, auch jener, die mich persönlich gar nicht mehr werden kennenlernen können, einmal nicht mit einem stummen Achselzucken reagieren müssen“ (123). Susan Tebbutt hat sich mit Gudrun Pausewangs Werk im Kontext der problemorientierten Jugendliteratur seit den siebziger Jahren eingehend befasst (vgl. Pausewang ). In der Einführung der von ihr herausgegebenen Ausgabe von Die Wolke informiert sie über die Rezeption des Romans in Deutschland und dessen sozialkritischen Aspekte im Zusammenhang mit der Außerparlamentarischen Opposition (APO) in der Bundesrepublik: „Pausewang, writing at the end of the 1980s, reflects the general disquiet of all those opposed to nuclear power“ („Introduction“ 17). Die Teilnahme von Janna-Bertas Eltern an Protestmärschen gegen die zivile Nutzung von Atomkraft widerspiegelt den gewichtigen Einfluss, den die Bürgerinitiativen (wie z. B. der 1972 gegründete Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz [BBU]) in der politischen Sensibilisierung der Bundesbürger in Umweltfragen und demokratischen Bürgerrechten ausgeübt haben. Als Die Wolke 1988 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde, führte dies zu einer Kontroverse, da der damalige Innenminister Friedrich Zimmermann und die Atomkraftlobby sich gegen die Prämierung des Preises wehrten (12). Im Brennpunkt der Debatte stand die Sorge, dass der Roman junge Leser dazu anstacheln könnte, die bestehende Gesellschaftsstruktur zu hinterfragen und anzugreifen: „Fears were voiced by the government that these young readers might not be able to differentiate between what the government felt to be left-wing, anti-establishment clichés and what in their view was a defensible pro-nuclear policy“ (13). Neben den Ausführungen über die soziopolitischen Zusammenhänge in Die Wolke betont Tebbutt auch den hohen Stellenwert von Pausewangs Erinnerungen an ihre Kindheitsjahre in Ostböhmen und die im Mai 1945 nach Westdeutschland begonnene Flucht in ihrem schriftstellerischen Schaffen. Zurecht weist sie darauf hin, dass die Autorin „many of the turmoils she has written about“ selbst erlebt habe (5) und es eine Überlappung zwischen „Pausewang’s own sudden flight and that of Janna-Berta in Die Wolke from her home in Schlitz“ gebe (8). Allerdings werden die in das Jugendbuch eingearbeiteten autobiografischen Textpassagen keiner weiteren kritischen Betrachtung unterzogen. Wie Hermann Vinke in seinem Porträt renommierter Zeitzeugen des Dritten Reiches konstatiert hat, habe neben Pausewang kaum eine andere SchriftstellerIn „sich so radikal und unsentimental mit den großen Themen der Nachkriegszeit“ auseinandergesetzt: „Flucht und Vertreibung gehören dazu, 4 Christoph Weber überhaupt die NS-Vergangenheit, die Risiken der Kernenergie […]“ (158). In der Forschungsliteratur ist die enge Verstrickung dieser Nachkriegsthemen mit Pausewangs autobiografischen Querverweisen in Die Wolke bislang nur ansatzweise untersucht worden (vgl. Murdoch 141-144). Wie ich in diesem Beitrag besprechen werde, fungiert die unmittelbar nach Kriegsende erfolgte Peripetie in Pausewangs Leben als der ausschlaggebende historische Bezugspunkt, wonach sich der gesamte Handlungsverlauf des Atomkatastrophenbuchs orientiert. Mithilfe der Buchserie, die Pausewang in rascher Abfolge über die Rosinkawiese, ihren ehemaligen Wohnsitz in Ostböhmen veröffentlicht hat, - Rosinkawiese (1980), Fern von der Rosinkawiese (1989), Geliebte Rosinkawiese (1990), Wie es den Leuten von der Rosinkawiese nach dem Krieg erging (1996) - lässt sich der autobiografisch-historische Subtext in Die Wolke umfassend rekonstruieren. Grundlegend ist, dass Pausewang die Erinnerungen an die Verheerungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs reaktiviert, um der Schreckensvision eines Reaktorunfalls in der Bundesrepublik Deutschland zusätzliche affektive Durchschlagskraft zu verleihen. Mithin bringt sie das Elend der Strahlenopfer in Analogie zu den während der Nazizeit begangenen Verbrechen: soziale Ausgrenzung, Ghettoisierung, Sterilisierung, Vertreibung und Massenerschießungen. Entsprechend signifiziert das Atomkatastrophenbuch mehr als eine bloße Auseinandersetzung der Autorin mit dem Tschernobyl Super-GAU. Vielmehr figuriert das Reaktorunglück als Auslöser, der bei ihr den traumatischen Verlust ihrer böhmischen Heimat erneut wachgerufen hat. Wiederholt hat Pausewang darauf hingewiesen, sie habe vor der ersten Tschernobyl-Katastrophenmeldung nicht daran gedacht, ein Buch über die Gefahren der Atomkraft zu schreiben. Als aber die Medien über „die atomare Verstrahlung weiter Gebiete Europas“ berichteten, habe sie sich Gedanken darüber gemacht, was passieren würde, wenn dieselbe Reaktorkatastrophe in „unserer dicht besiedelten Bundesrepublik geschähe“ („Vorwort“ 4). Auf privater Ebene hätte dies zur Folge gehabt, dass sie wiederum von ihrem Wohnort entwurzelt und vertrieben worden wäre. Die Autorin hatte zu diesem Zeitpunkt genau wie Janna-Berta, die vor der radioaktiven Wolke fliehen muss, ihr Zuhause im hessischen Städtchen Schlitz. Gudrun Pausewang situiert den Beginn ihrer Karriere als politisch engagierte Schriftstellerin in ihre Lehrtätigkeit in den Jahren 1956-1963 an deutschen Schulen in Chile und Venezuela (vgl. Jahnke 26-33). Die grandiosen Landschaften Südamerikas, die andersartige Mentalität der Lateinamerikaner und der Kontakt mit den ärmeren Bevölkerungsschichten hätten bei ihr „eine Art Schock“ ausgelöst („Vogel“ 11). Bis zu diesem Zeitpunkt, so gibt sie zu bekennen, habe sie „gelähmt von der Erkenntnis,“ in ihrer Jugendzeit „vom Naziregime skrupellos benutzt worden zu sein, politische Abstinenz geübt“ (12). Pausewangs Südame- „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 5 rikaaufenthalt geht jedoch einem Lebensabschnitt voraus, der ihr Denken und Schreiben gleichermaßen, wenn nicht gar stärker geprägt hat. Die Erinnerungen an ihre Kinder- und Jugendjahre auf der Rosinkawiese in Ostböhmen konstituieren einen übergreifenden Dreh- und Angelpunkt in ihrer Schriftstellerkarriere. Dieser sprichwörtliche locus amoenus, der ihr ermöglicht hatte, „in einem heute fast paradiesisch anmutenden Einklang mit der Natur“ aufzuwachsen, ging durch das 1945 erfolgte Kriegsende abrupt verloren (10). Für die damals siebzehnjährige Gudrun stellte der Zusammenbruch der NS-Diktatur und die darauffolgende Flucht aus Ostböhmen eine traumatisierende Lebenszäsur dar. Die „von Menschen gemachten Katastrophen“ - Pausewang meint diesbezüglich vornehmlich den „Nationalsozialismus, die Vertreibungen, de[n] Verlust der Heimat, de[n] Krieg“ - hätten bei ihr „schmerzhafte Wunden“ gerissen, die sie erst Jahrzehnte später versprachlichen konnte: „Eine Vernarbung kostet Zeit, dauert Jahre. Das spürte ich in meinem Leben auch: Ich hätte nicht schon 1950 über den Nationalsozialismus oder die Vertreibung schreiben können! “ (Vinke 163). Erst nach der 1972 erfolgten Rückkehr aus Südamerika in die Bundesrepublik begann Pausewang mit der Aufarbeitung ihrer verlorenen Kindheit. 1978 erschien das Jugendbuch Auf einem langen Weg , in dem sie ihre auf der Flucht widerfahrenen Erlebnisse fiktionalisiert als Abenteuergeschichte zweier Brüder wiedergab. Parallel dazu arbeitete sie im Winter 1978/ 79 an ihrem Bericht Rosinkawiese . In einer fiktiven Briefreihe an einen jungen Adressaten schildert Pausewangs Mutter Elfriede Müller-Pausewang, wie sie und ihr Ehemann Siegfried Pausewang in den zwanziger Jahren auf der Rosinkawiese, einem zwei Hektar großen Grundstück außerhalb des ostböhmischen Dorfes Wichstadtl, einen autarken bzw. alternativen Lebensstil verwirklichen wollten, der sich in seinen Grundzügen an die Weltanschauung der Wandervogelbewegung orientiert hatte. Das frisch vermählte Ehepaar beabsichtigte in Auflehnung gegen die „Verlogenheit“ und „falsche Fassade des Bürgertums“ ( Rosinkawiese 11) auf der Rosinkawiese eine naturnahe Existenz aufzubauen, „unfruchtbares Land in fruchtbares umzuwandeln - zu siedeln “ (18). Die Urbarmachung des versumpften Grundstückes erwies sich jedoch als kostspielig und verlangte der Familie harte Arbeit ab. Trotz der finanziellen Engpässe ihrer Eltern erlebte Gudrun Pausewang auf der Rosinkawiese eine glückliche Kindheit. Das spartanische Landleben sei für sie und ihre fünf Geschwister eine geradezu ideale Lebensschule gewesen: Meine Geschwister und ich haben auf der Rosinkawiese gelernt, ohne Komfort auskommen zu können, wir haben gelernt, in Notsituationen nicht den Kopf zu verlieren, sondern nach einem Ausweg zu suchen und durchzuhalten, zu improvisieren, unsere Ansprüche auf ein Mindestmaß herunterzuschrauben. Wir haben gelernt, denen, die mehr als wir besaßen ohne Neid zu begegnen. Wir sind ausgerichtet worden auf 6 Christoph Weber gegenseitige Hilfe, auf Selbstbeherrschung, auf Zielstrebigkeit und Zähigkeit. Uns wurden vor allem zwei Fähigkeiten vermittelt, die in der heutigen Pädagogik ziemlich außer Mode sind: sich zu etwas, das einem schwer fällt oder unangenehm ist, zu überwinden - und seine Pflicht zu tun. (133—34) Angesichts der Aussteigerwelle in den siebziger Jahren — „‚Zurück zur Natur‘ war das Motto: Junge Leute aus den Großstädten siedelten sich auf dem Land an“ — schien die auf der Rosinkawiese geführte Lebensweise wieder im Trend zu liegen ( Geliebte Rosinkawiese 28). Gudrun Pausewang erklärt die erneute Aktualität des elterlichen Alternativlebens mit der Schlussfolgerung, dass „wir“ manche Fähigkeiten, die zum Rosinkawiesen-Stil gehört haben, „wieder pflegen ! — im Hinblick auf eine Zukunft, die voraussichtlich uns und unseren Nachkommen Genügsamkeit, Durchhaltevermögen und Improvisationstalent abverlangen wird“ ( Rosinkawiese 142). Die postulierte Notwendigkeit, sich auf Tugenden zurückzubesinnen, die dem Menschen Selbstüberwindung, Enthaltsamkeit und Widerstandsfähigkeit abverlangen, zeugt von der negativen Haltung der Autorin gegenüber der bundesdeutschen Wohlstandsgesellschaft. Im Gleichschritt mit der antibürgerlichen Gesinnung ihrer Eltern war Pausewang der Überzeugung verhaftet, dass sich ihre Generation durch die Vermehrung von Konsumgütern statt des Bewahrens immaterieller Werte eine große Schuld aufgebürdet hat. In dem ihrem Sohn gewidmeten Buch Was ich dir noch sagen wollte (1993) verdeutlicht Pausewang ihren Pessimismus über die Zukunftsaussichten der Jugend in Deutschland und in der Welt allgemein. Am Ende des 20. Jahrhunderts sei der Zenit des mitteleuropäischen Lebensstandards überschritten worden und von nun an könne es nur noch bergab gehen: Eure Generation wird materiell ärmer sein als unsrige es - noch - ist. […] Es ist bekannt, was alles auf euch und eure Kinder und Enkel zukommt. Davon ist vieles schon verdammt gewiß —wie etwa das Waldsterben, die Klimaaufheizung, die Ozonlöcher, das Absinken des Grundwassers, die Völkerwanderungen in Richtung der reichen Nationen, zu der auch die unsrige — noch — gehört. (10—11) Die Mitschuld an den drohenden Kollaps trägt vorwiegend die Zeitzeugengeneration des Nationalsozialismus, die sich nach Kriegsende 1945 emporgearbeitet und die gegenwärtige Überflussgesellschaft mitbegründet hat: Wie sah denn das Leben von uns Alten aus? In den Dreißigern ging’s uns Kindern gut. Der Staat hätschelte uns. In den Vierzigern kam der Absturz. Von da ab ging’s langsam, aber stetig wieder bergauf. […] Die Fünfziger gaben uns wieder festen Boden unter die Füße. In den Sechzigern fanden wir das Leben berauschend […]. Das Wirtschaftswunder blühte. Wir räkelten uns in einer Schönwetterdemokratie. Stolz entledigten wir uns unserer Minderwertigkeitskomplexe: Wir Deutschen waren wieder „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 7 wer! Aber in den Siebzigern ernüchterte uns der Zustand unserer Umwelt. […] Das Heben unseres Lebensstandards, das Mehren unseres materiellen Besitzes kann nur auf Kosten anderer Bewohner unseres Planeten stattfinden, die eines Tages — vermutlich bald —Gerechtigkeit fordern werden. In den Achtzigern gedieh der sogenannte Kalte Krieg. Man pflegte die Strategie der Abschreckung. […] Unsere Gesellschaft — von Ausnahmen abgesehen — wurde zunehmend rücksichtloser und egoistischer. Auch die Euphorie der deutschen Vereinigung erstickte in unserer Ichsucht. Was unsere zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft, kann’s kaum mehr schlimmer werden. Man braucht nur an Mölln, Rostock oder Hoyerswerda zu denken. (11—13) Die am Zitatende erwähnte Serie rechtsextremer Gewaltausschreitungen gegen Flüchtlinge und Migranten zwischen 1990 und 1992 deutet Pausewang als ein Warnzeichen, dass Deutschland erneut in eine faschistische Diktatur hineinschlittern wird. 1 Pausewangs Rundumschlag, der sich vorwiegend gegen den egoistischen Materialismus der Eltern- und Großelterngeneration richtet, verfehlt jedoch den eigentlichen Kern des Schuldbekenntnisses. Hinter dem kollektiven „wir“ der Deutschen verbergen sich vielmehr Schuldkomplexe, die von ihrer eigenen Familiengeschichte herrühren. Ein gewichtiger Anhaltspunkt ist der Vermerk, dass es „uns Kindern“ dank der erhaltenen Staatshilfe in den Dreißigern gut gegangen und in den Vierzigern es dann zum Absturz gekommen sei. Pausewangs einseitige Darstellung der Auswirkungen der nationalsozialistischen Familienpolitik — die Diskriminierung und Verfolgung der als rassisch minderwertig klassifizierten Menschen, die nicht zum „uns“ der NS-Volksgemeinschaft gehörten, blendet sie gänzlich aus — rührt von ihren Kindheitserfahrungen in Ostböhmen her. Aufgrund seines politischen Engagements für die Sudetendeutsche Partei (SDP) musste ihr Vater 1937 die Rosinkawiese fluchtartig verlassen, um einer Verhaftung von Seiten der tschechischen Behörden zu entgehen (Wilke 20). Die Familie folgte ihm nach Breslau und daraufhin nach Festenberg in Niederschlesien, bis sie im Dezember 1938 wieder in das inzwischen dem Reichsdeutschland angegliederte Sudetenland zurückkehren konnte. Für die Eltern, die überzeugte Parteimitglieder der NSDAP gewesen waren, brach eine glorreiche Zeit an: „Von nun an konnten wir gelöst und unbesorgt unsere immer schöner werdende Rosinkawiese genießen“ ( Rosinkawiese 114). Nicht nur fand ihr Vater als „Wirtschaftsberater bei der Kreisbauernschaft“ eine feste und gut bezahlte Anstellung (114), sondern die kinderreiche Familie erhielt auch „hohe Kindergelder und Stipendien,“ die „höhere Schule für die Älteste [Gudrun Pausewang]“ ließ sich finanzieren und für die Mutter war es „dank dem Führer“ möglich, sich eine Haushaltshilfe zu leisten ( Rotwengel-Saga 313). Durch den Zusammenbruch des Dritten Reiches — „in den Vierzigern kam der Absturz“ — wurde die breit- 8 Christoph Weber willig akzeptierte NS-Doktrin, einer Volksgemeinschaft anzugehören, die dazu auserwählt war, über andere Menschen und Nationen zu herrschen, als verbrecherisches Wahngebilde entlarvt. Für die Pausewangs brachte das Kriegsende statt der Befreiung vom tyrannischen Joch der NS-Diktatur die Vertreibung aus dem Paradies, der heilen Welt der Rosinkawiese, mit sich. Der Verlust des privilegierten Herrenmenschenstatus und der angestammten Heimat hinterließ in Gudrun Pausewangs Lebens- und Denkart unauslöschliche Spuren. In dem ebenfalls an den Sohn gerichteten Nachwort von ihrer Autobiografie Fern von der Rosinkawiese entschuldigt sie sich dafür, dass ihre Verhaltensnormen nicht der gegenwärtigen Gesellschaft entsprechen und „auf viele Zeitgenossen vielleicht sogar lächerlich, altmodisch“ wirken müssen: „‚Vertriebenenmentalität‘ nennt man das spöttisch“ (197). Bezeichnend ist, dass diese allseits mokierte Vertriebenenmentalität sich markant mit dem alternativen Lebensstil der Rosinkawiese überlappt. Auch damals fühlte sich Pausewang von der Außenwelt missverstanden, was sie zur unreflektierten Bemerkung verleitet hat, dass ihre Familie in Ostböhmen ein „Getto-Dasein“ geführt habe: „Den Dörflern war unsere Art zu leben unbegreiflich, und zu den Idealen meiner Eltern hatten sie nicht den geringsten Zugang“ („Vogel“ 10). Der freiwillige Verzicht auf bürgerlichen Besitz und Komfort habe sie und ihre Geschwister darauf vorbereitet, die auf dem „Quer-durch-Deutschland-Gewaltmarsch“ widerfahrenen Strapazen zu meistern ( Fern von der Rosinkawiese 196): „Das, was wir in unserer Kindheit gelernt hatten, kam uns während des langen Fußmarsches nach dem Westen und der weiteren Nachkriegsjahre sehr zustatten: […] Wir litten nicht so sehr wie die meisten Kriegsopfer unter den Entbehrungen jeglicher Art, nahmen die Armut gelassen hin und nutzten jede Gelegenheit, wieder Boden unter die Füße zu bekommen“ ( Rosinkawiese 142). Daraus begründet sich Pausewangs Verklärung des auf der Rosinkawiese praktizierten Lebensstils, wobei sich die Frage stellt, ob sie die überlebensnotwendigen Fähigkeiten — „Genügsamkeit, Durchhaltevermögen und Improvisationstalent“ — wirklich in der idealen Lebensschule der Rosinkawiese erlernt hat oder diese sich nicht erst während der Fluchterfahrung in ihr verfestigt haben. Trotz der „Abhärtung, die wir daheim genossen haben“ (142), hätte die monatelange Bewährungsprobe ebenso in einer Katastrophe enden können. Die in mancher Hinsicht drakonischen Erziehungsmethoden haben erst nachträglich durch den überstandenen Exodus ihren affirmativen Sinn erhalten. Aus diesem Grund beharrt Pausewang auf die Kontinuität der idiosynkratischen Gesinnung ihrer Eltern und bleibt ihr lebenslang verhaftet. Flucht und Vertreibung konnten den von der Lebensreform- und Wandervogelbewegung ausgegangen Ruf nach einem einfachen, naturverbundenen Leben nicht zum Verstummen bringen. Etwaige Verbindungen zum Gedankengut des Nationalsozialismus kontert Pausewang „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 9 mit dem Einwand ihrer Mutter, der Wandervogel sei in seinen Zielsetzungen apolitisch gewesen (vgl. Rosinkawiese 11). 2 Die implizierte Grundposition, einer ethisch verantwortungsbewussteren Minderheit anzugehören, die sich vom unzeitgemäßen „Rosinkawiesen-Stil“ bzw. von der „Vertriebenenmentalität“ leiten lässt, verdeutlicht sich in Pausewangs Aussage, dass in den Nachkriegsjahren weder sie noch ihre Geschwister, „die hemmungs- und skrupellose Konsumgier unserer Überfluß- und Wegwerfgesellschaft“ übernommen haben ( Fern von der Rosinkawiese 197). Das „wir“ beschränkt sich diesmal ausschließlich auf ihre Familienmitglieder, die durch die harte Schule der Rosinkawiese gegangen sind. Demgegenüber scheint der Großteil der Deutschen, die in ihrer Kinder- und Jugendzeit ebenfalls den Schrecknissen des Zweiten Weltkriegs ausgesetzt waren, nichts gelernt zu haben. Obwohl Pausewang sich nicht zum „wir“ der Überflussgesellschaft zählt, gibt sie sich und ihrer Generation die Schuld daran, dass sich heutzutage Katastrophen ereignen können, die „die Existenz der gesamten Menschheit bedrohen“ (198). Die Ursache dazu sei in der irregeleiteten Gleichsetzung von Besitz und Sicherheit zu verorten: „Besitz — als Voraussetzung für Ansehen und Bequemlichkeit — bedeutet uns alles“ (198). Ähnlich wie mit dem Tief der Kriegs- und Nachkriegszeit beurteilt sie das Hoch des gegenwärtigen mitteleuropäischen Lebensstandards als einen abnormalen Zustand. Die Wohlstandskurve bewege sich „bei uns“ nur deshalb in schwindelnder Höhe, „weil sie anderswo auf unserem Planeten — in der Dritten Welt und in Kriegsgebieten — in erschreckenden Tiefen verläuft. Denn uns es geht gut auf Kosten anderer. Das ‚Normale‘ liegt wohl dazwischen“ (197—98). Hinsichtlich Pausewangs Postulat einer bevorstehenden, quasi-apokalyptischen Abrechnung der begangenen Sünden — wie sie für ihre Familie anno 1945 eingetroffen ist — muss der nach Kriegsende erfolgte materielle (ergo schuldbehaftete) Aufschwung unweigerlich in einem erneuten Untergang münden, den die Autorin in Die Wolke markant veranschaulicht hat. Bernd-A. Rusinek hat darauf hingewiesen, dass „das Angst-Arrangement“ von Die Wolke durch „zwei historisch-intertextuelle Überblendungsverfahren“ intensiviert werde (340). Einerseits folge Janna-Bertas Intention am Romanende, in die Sperrzone 3 zurückzukehren, um ihren auf der Flucht tödlich verunfallten Bruder Uli zu begraben, „der Blaupause der antiken Tragödie der Antigone “ (340). Andererseits bringe die Autorin den Super-GAU des Reaktorunfalls mit Bezügen zur Geschichte Deutschlands während des Zweiten Weltkriegs in Verbindung, insofern das Lager und die Deportationspraxis des NS-Staates […] als Bildreservoir zur atmosphärischen Beschreibung der atomaren Verwüstung und ihren sozialen Folgen herangezogen werden. Pausewang evoziert die traumatische Erfahrung, die für viele Deutsche mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verbunden 10 Christoph Weber war, um im Medium emotionaler Mobilisierung gegen die apokalyptische Gefahr der friedlichen Kernnutzung anzuschreiben. (339—340) Da die von Rusinek herausgestrichenen historischen Bezüge einen gewichtigen Subtext im Handlungsverlauf des Atomkatastrophenbuchs ausmachen, bedürfen sie einer eingehenderen Analyse. Vorab ist festzuhalten, dass die Behauptung, Pausewang habe ein auf den Holocaust verweisendes Bildreservoir — „das Lager und die Deportationspraxis des NS-Staates“ — verwendet, bei genauerem Hinsehen nur bedingt zutreffend ist. Rusinek mag die Textpassage gemeint haben, in der Janna-Berta bei ihrem Aufenthalt in Hamburg mit der Unterbringung von Flüchtlingen in abgeschotteten Unterkünften konfrontiert wird: Sie kam an einer ehemaligen Lagerhalle und an einem Kino vorbei. Beide Gebäude waren mit Flüchtlingen und Evakuierten belegt. Auch die Turnhalle der Schule diente als Flüchtlingsunterkunft. Zwischen dem Schulhof und der Turnhalle war ein Bretterzaun errichtet worden. Janna-Berta spähte manchmal durch seine Ritzen. Sie sah Kinder spielen. Erwachsene lehnten an der Turnhallenwand oder saßen auf improvisierten Bänken in der Sonne. Ihre Kleidung wirkte ungepflegt. […] Viele von ihnen sahen krank oder erschöpft aus. Nur wenige Kahlköpfe waren zu sehen, fast alles Männer. Aber manche Frauen trugen Kopftücher, und viele Kinder hatten Mützen auf - mitten im Sommer. Flüchtlingskinder, die am Zaun hochkletterten und neugierig das Treiben auf dem Schulhof beobachteten, scheuchte der Hausmeister hinunter. ( Wolke 133) Die Isolation der kahlköpfigen Strahlengeschädigten in improvisierten Lagern weckt Assoziationen mit der Ghettoisierung und Deportation der Juden in die Konzentrationslager. Allerdings soll sich das wiederholt verwendete Nomen „Flüchtling“ nicht auf die systematische Verfolgung jüdischer Mitbürger im Dritten Reich beziehen. Vielmehr verknüpft Pausewang das Schicksal der „Hibakusha“, der Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, mit demjenigen der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein aus Bamberg geflohener Mitschüler erzählt Janna-Berta davon, dass die Flüchtlinge aus den Ostgebieten „genauso ungern gesehen waren“, obschon sie nicht gestrahlt hatten: „Meine schlesische Großmutter hat immer davon erzählt. Wer noch mal davongekommen ist, mag sich nicht dauernd daran erinnern lassen, dass andere weniger Glück hatten. Dass sie auf Hilfe angewiesen sind. Und ein Recht auf Hilfe haben! “ (132). Janna-Berta vernimmt weiterhin, dass im Bundestag über eine „‚Geschädigtenrente‘“ für diejenigen beraten werde, „‚die jetzt ganz auf dem Trockenen sitzen‘“ (134). Die in Die Wolke erwähnte Debatte der Bundesregierung über mögliche Hilfeleistungen für die Flüchtlinge erinnert an das im Jahr 1952 verabschiedete Las- „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 11 tenausgleichsgesetz: „Diejenigen Deutschen, die das Glück gehabt hatten, ihren Hausrat, ihren Schmuck und vor allem ihren Haus- und Grundbesitz durch Kriegseinflüsse nicht zu verlieren, sollten zugunsten der Bombengeschädigten, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen zur Kasse gebeten werden“ (Wie es den Leuten 114). Trotz parteiübergreifender Solidaritätsbekenntnisse und der von der Bundesregierung freigestellten Gelder hat sich Gudrun Pausewang mehrmals kritisch über den gesellschaftlichen Status der Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik geäußert. 3 Auch wenn der Verlust der Heimat für sie und andere Flüchtlinge durchaus positive Folgen gehabt hatte, gehörte man „nun in Deutschland zu der unteren Gesellschaftsschicht, der Schicht der ‚ Habenichtse ‘, der ‚ Hergelaufenen ‘, der ‚ Bittschöner ‘ “ (Vinke 160). Überdies hat die Autorin die Meinung vertreten, dass die Heimatvertriebenen nach Kriegsende einen schwereren Stand als die Bombengeschädigten gehabt hätten. Dementsprechend sei das in Die Wolke dargestellte Szenario einer sich nach dem Super-GAU herausbildenden Zwei-Klassen-Gesellschaft als realistisch zu betrachten: Ich schreibe ja nicht aus purer Fantasie, sondern habe ähnliche Zeiten noch ganz bewusst miterlebt. Unmittelbar nach dem Krieg, als die Flüchtlinge und die Vertriebenen in die Regionen kamen, wo sie nun untergebracht werden sollten, gab es auch ein Zwei-Klassen-System. Da waren die Alteingesessenen, die zwar auch Verwandte verloren hatten durch den Krieg. Vielleicht waren sie auch ausgebombt, aber insgesamt haben sie doch das bessere Los gezogen gegenüber den Ausgewiesenen zum Beispiel aus dem Sudetenland oder aus Schlesien, die gar nichts mehr hatten. („Ich möchte warnen“) Obgleich die Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa den Großteil der historischen Bezüge in Die Wolke ausmacht, werden die vom NS-Regime begangenen Verbrechen an einer Stelle ausdrücklich erwähnt. Während Janna-Berta bei ihrer gutbürgerlichen Tante Helga in Hamburg ein unglückliches Dasein fristet, erhält sie Besuch von ihrer strahlengeschädigten Tante Almut Sommerfeld, die in Wiesbaden-Bierstadt einen zeitweiligen Zufluchtsort gefunden hat. Beim Abendessen kommt es zwischen Almut und Onkel Friemel, einem ebenfalls in Hamburg gestrandeten Verwandten, der sich im Gegensatz zu ihr um „sein Hab und Gut“ besorgt ist und nichts von den Gefahren der Atomkraft gewusst haben will, zu einem heftigen Streit, in dem sie sich und die „Hibakusha“ ex post facto auf gleiche Höhe mit den Opfern des Nationalsozialismus setzt ( Die Wolke 149). Hätte sich ein vergleichbarer Super-GAU im Dritten Reich ereignet, wären sie alle in die Gaskammern getrieben worden: „‚Hitler hätte uns vergast. Mit unseren verpfuschten Genen‘“ (150). Insofern gemahnt das Schicksal der Verstrahlten nicht nur an die durchlebten Ängste und Nöte der Heimatvertriebenen. Mit dem unverkennbaren Rückgriff auf das Euthanasieprogramm 12 Christoph Weber der Nationalsozialisten wird die Leidenserfahrung der Hibakusha zusätzlich mit der systematischen Verfolgung (und Ermordung) der im Dritten Reich als „erbkrank“ und „rassisch minderwertig“ klassifizierten Menschen gegenübergestellt, denen im Unterschied zu den deutschen Heimatvertriebenen jedoch nicht der Makel anhaftet, von einer verbrecherischen Rassen- und Lebensraumideologie profitiert zu haben. Der nukleare Fallout hat Janna-Berta und Almut nicht nur aus deren Wohnsitz vertrieben, sondern hindert sich auch daran (was für sie weit verheerendere Auswirkungen haben wird), gesunde Kinder zu gebären. Weil letztere auf ihrer Flucht zu viel Strahlung abbekommen hatte, trieb sie auf Drängen der Behörden ihr ungeborenes Kind ab. Janna-Berta hingegen muss sich als verstrahltes, sprich „erbgeschädigtes“ Mädchen von ihrem Wunsch, Mutter zu werden, — „‚Und ich wollte Kinder haben‘“ (159) — verabschieden. Mithin gehören die beiden wie auch die beim Reaktorunglück umgekommenen Eltern von Janna-Berta, die aktiven Widerstand gegen die zivile Nutzung der Kernenergie geleistet haben, zu den schuldlosen Katastrophenopfern. Auf die traumatischen Erfahrungen der Bundesbürger reagiert die postkatastrophische Gesellschaft in Die Wolke mit Vergessen und Verdrängen; ein Tatbestand, der in einem analogen Verhältnis zu der fortwährenden Debatte um die deutsche Schuld und die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs steht. 4 Almuts Anklage gegen die zunehmende Ausgrenzung der Verstrahlten bringt dies auf den Punkt: „‚Wir Überlebenden aus dem Katastrophengebiet […] werden über kurz oder lang eine eigene Klasse in der Gesellschaft werden: die Klasse der kränklichen Habenichtse. Uneffektiv für die Wirtschaft und vor allem nichts zum Vorzeigen. Außerdem unbequem: Wir erzeugen Schuldgefühle und hindern am Vergessen und Verdrängen‘“ (150). So wie bei den Holocaustüberlebenden, deren Zeugenschaft die im geteilten Nachkriegsdeutschland geäußerte Schutzbehauptung, man habe über die Verfolgung und Ermordung der Juden nichts gewusst, konterkariert hat, werden die Hibakusha — „die Aussätzigen des zwanzigsten Jahrhunderts“ (150) — über Generationen unbequeme Fragen über die Mitschuld an die Reaktorkatastrophe provozieren. Darüber hinaus impliziert Almuts Vereinnahmung der in den Gaskammern ermordeten Menschen, dass die Strahlengeschädigten genau wie die Holocaustopfer eine universelle Anerkennung und Wiedergutmachung der an ihnen begangenen Verbrechen verdient hätten. Bezeichnenderweise ließ sich Gudrun Pausewang auf ihrer Flucht durch die von der Sowjetarmee besetze Ostzone zur Bemerkung hinreißen, die befreiten KZ-Häftlinge und Juden seien besser behandelt worden als die deutschen Heimatvertriebenen: „Wer in KZ-Kleidung oder mit dem Judenstern über die Landstraßen wanderte, wurde von den Russen und Polen mit großer Hochachtung behandelt und konnte überall mit Unterstützung rechnen“ ( Fern von der Rosinkawiese 107). 5 Derselbe Gesichtspunkt wird in ihrem Jugendbuch Auf „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 13 einem langen Weg geäußert, nachdem die Rotarmisten im Mai 1945 in eine nicht namentlich genannte Ortschaft in Schlesien oder Nordböhmen einmarschiert waren: „‚Die [KZler] sind immer noch am besten dran […]. Niemand wagt ihnen was abzuschlagen, nach all dem, was sie durchgemacht haben. […] Jetzt sind sie frei: Juden und solche, die nicht alles mitmachen wollten, was Hitler befohlen hat‘“ (104). Hinsichtlich des hohen Stellenwerts der historischen Bezüge in Die Wolke stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß Gudrun Pausewang die Schreckensvision eines Super-GAUs in der Bundesrepublik mit den Erinnerungen an ihre Vertreibung aus Ostböhmen angereichert hat. Soll durch die wiederholten Fingerzeige auf das Schicksal der Heimatvertriebenen den Lesern ein gesellschaftsübergreifender Referenzpunkt verschafft werden, anhand dessen der drohende Verlust des eigenen Zuhauses sich realiter nachvollziehen lässt? Die Zeitzeugengeneration der Großeltern musste am eigenen Leib erfahren, was für ein Elend die millionenfache Flucht der deutschen Heimatvertriebenen vor und nach dem Kriegsende mit sich geführt hatte. Demnach besteht die Dringlichkeit für einen sofortigen Atomausstieg, um einen vergleichbaren Massenexodus in der Zukunft zu verhindern. Oder liegt Pausewangs eigentlicher Grund für die „historisch-textuellen Überblendungsverfahren“ (Rusinek 340) in der schrittweisen Abarbeitung traumatischer Lebenserfahrungen? In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, dass sowohl in der Filmfassung aus dem Jahr 2006 wie auch in der 2010 erschienene Manga-Adaption von Die Wolke der historische Subtext des Zweiten Weltkriegs ausgeklammert wird. So lässt sich die Schreckensvision eines Reaktorunfalls ausschließlich mit Janna-Bertas Leidensgeschichte publikumswirksam kommunizieren. Mit dem Wegfallen der historischen Bezüge geht jedoch die wesentliche Pointe verloren, dass es sich hier um einen Roman handelt, in der die Autorin explizit ihre persönlichen Ängste und Hoffnungen zur Schau stellt. Wie ich unten besprechen werde, erweisen sich die autobiografischen Einschlüsse im Text als weitläufiger als die bereits erwähnte Überschneidung von Janna-Bertas und Gudrun Pausewangs Wohnsitz. Die aus dem heiteren Himmel hereinbrechende Reaktorkatastrophe in Die Wolke weist augenfällige Parallelen mit Pausewangs Berichterstattung über die folgenschwere Lebenszäsur auf, die sich 1945 bei den Pfingstfeierlichkeiten nach Kriegsende ereignet hatte. In der Autobiografie Fern von der Rosinkawiese beschreibt sie die Pfingsttage vom 19. bis zum 21. Mai auf euphorische Weise. Kaum habe sie je so einen wunderschönen Frühling erlebt wie damals: „Wie immer zu Pfingsten, stellten wir Sträuße mit jungem Birkenlaub in die Wohnung. Wir hatten überlebt. Wir waren noch alle beisammen und hatten ein Zuhause: Grund genug zum Feiern“ (59). Das idyllische Pfingstwochenende auf der Rosinkawiese — „drei Tage zum Atemholen, drei friedliche Tage“ — 14 Christoph Weber wurde jedoch durch drei Frauen, die zusammen mit ihren Kindern von ihrem schlesischen Gut vertrieben worden waren, empfindlich gestört (59). Nur zwei Kilometer entfernt hatten russische Soldaten sie und das älteste der Kinder, ein sechzehnjähriges Mädchen, vergewaltigt. Trotz des Verbots der tschechischen Behörden bot Elfriede Pausewang den Flüchtlingen sofortige Hilfe an. Für Gudrun wurde die Konfrontation mit den Vergewaltigungsopfern zu einem verstörenden Erlebnis: „Vor der Ankunft dieser Frauen war ich noch ein Kind gewesen […]. Nicht die Begegnung mit den Russen hatte mich aus meiner Kindheit geweckt. Der Anblick dieser Frauen war es, der mich in das Erwachsensein hinausschleuderte“ (60). Tags darauf am 22. Mai erfolgte mit der Hinrichtung zehn deutscher Männer in Wichstadtl durch ehemalige tschechische Partisanen der nächste Schicksalsschlag. Auf der von den Tschechen erstellten Todesliste stand auch irrtümlicherweise der Name von Pausewangs Vater, der sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte und am 22. Februar 1943 in der Ukraine gefallen war. Für die Mutter war nach dem Massaker klar, dass sie und ihre Kinder unter tschechischer Herrschaft keine Zukunftsaussichten hatten: „So sehr sie die Rosinkawiese liebte, die ja ihr Lebenswerk war, […] so klar war ihr geworden, daß in einer neu entstehenden Tschechoslowakei die Kinder eines den Tschechen verhaßten Deutschen keine Chance haben würden“ ( Wie es den Leuten 17). Am 28. Mai machte sich die siebenköpfige Familie mit einem Handwagen auf den Weg nach Winsen, eine achthundert Kilometer entfernte, nahe bei Hamburg-Harburg gelegene Ortschaft, wo sich Elfriede bei ihrer Schwester eine Notunterkunft im Westen zu finden erhoffte. Als die Pausewangs Anfang November 1945 den Zielort der Flucht erreichten, stellte sich jedoch heraus, dass Tante Hildes Wohnung viel zu klein war und aufgrund der akuten Wohnungsnot in Winsen mussten sie in einer winzigen Dachkammer einen qualvollen Winter durchleben. Neben Nahrungsmangel und Krankheiten litten die Kinder an den „noch unbewältigten Eindrücken“ der Flucht: „Gefühle der Angst, der Ohnmacht, des Ungeborgenseins quälten sie“ (24). Ein erster Lichtblick erfolgte, als Gudrun Pausewang im Mai 1946 zu ihrer in Wiesbaden lebenden Großmutter ziehen durfte, um dort ihren Abiturabschluss zu machen. Die übrigen Familienmitglieder folgten ihr im April 1947. Für die Pausewangs bedeutete der Umzug nach Wiesbaden eine „deutliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse“ (34). Ein Pachtgrundstück auf dem Bierstädter Berg erlaubte es der Mutter, wieder Gemüse anzubauen, und die Kinder konnten sich wie früher auf der Rosinkawiese im Freien bewegen: „Die Großen halfen ihr, die Kleinen tollten auf dem herrlichen Spielgelände herum. Denn gleich neben dem Garten ragte der alte, dicke Wartturm mitten aus einem Wäldchen riesiger Kastanien“ (46). In Die Wolke findet der Super-GAU in demselben Monat - „in zwei Wochen war Pfingsten“ - an einem sonnigen Frühlingstag statt: „Wenn Janna-Berta aus „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 15 dem Fenster schaute, sah sie die jungen Birkenblätter in der Sonne glitzern. […] Der Himmel war tiefblau. Nur vereinzelte Wolken, weiß und leicht wie Watte trieben über ihn hin. Für einen Maimorgen war es außergewöhnlich warm. Die Sicht war klar. Plötzlich heulte die Sirene“ (13). Wie die für die Pfingstfeier zusammengesteckten „Sträuße mit jungem Birkenlaub“ versinnbildlichen die „jungen Birkenblätter in der Sonne“ das Aufkeimen neuen Lebens. Die in beiden Texten vorangestellte pastorale Idylle, die durch eine unerhörte Begebenheit zunichte gemacht wird, konstituiert ein verankertes Stereotyp in Katastrophennarrativen (vgl. Weber 22). Beim letzten Telefonat mit ihrer Mutter erhält Janna-Berta die Anweisung, sich mit ihrem Bruder Uli sofort zu ihrer in Hamburg lebenden Tante Helga zu begeben. Sowohl der Name wie auch der Wohnort der Tante ist beinahe deckungsgleich mit der Zieldestination von Pausewangs Flucht aus Ostböhmen. Auf dem Weg von Schlitz nach Bad Hersfeld, wo Janna-Berta den Zug nach Hamburg zu nehmen beabsichtigt, kommt es zum tragischen Unfalltod ihres Bruders. Die immer näherkommende, radioaktiv verseuchte Gewitterfront zwingt sie, den Toten zurückzulassen. Auf dem Bad Hersfelder Bahnhofsgelände wird Janna-Berta Zeugin davon, wie die staatlichen Sicherheits- und Ordnungsorgane endgültig die Kontrolle über die Ausnahmesituation verlieren. Pausewang kreiert anhand der parataktischen Abfolge blitzlichtartiger Sinneseindrücke und alliterierender Partizipien ein für Katastrophennarrative typisches Tableau einer in Panik geratenen Menschenmasse (vgl. Weber 22-23): Am Haupteingang wurde geschrien, geschimpft, geknufft. Rotkreuzleute schoben sich durch das Gedränge. Kinder brüllten. Ein paar Polizisten und Bahnbeamte versuchten, Ordnung zu schaffen. Aber niemand befolgte ihre Befehle, niemand kümmerte sich um sie. […] Auf den Waggondächern saßen Leute, dicht an dicht. (63 - 64) Wenn sich ein Zug dem Bahnhof nähert, handelt es sich dabei nicht um einen üblichen Personenzug: Plötzlich reckten sich alle Köpfe, alle Gesichter wandten sich nach Norden. Ein Güterzug rollte rückwärts in den Bahnhof ein: teils offene Pritschenwagen, teils Viehwaggons. Die Wartenden schrien und drängten vorwärts. Janna-Berta wurde mit den Kindern von der Wand weggeschoben […]. Die Kinder schrien vor Angst. Sie wurden gestoßen und geschubst. (67) Die Evakuierung der verängstigten Menschen in Viehwaggons ruft beim Leser einerseits Assoziationen mit der „Deportationspraxis des NS-Staates“ (Rusinek 340) hervor. Infolge der Reaktorkatastrophe erfahren die Flüchtenden am eigenen Leib, was es heißt, Jahrzehnte nach Kriegsende an einen für sie unbekannten Ort evakuiert zu werden. Andererseits weisen die Textstellen wiederum inter- 16 Christoph Weber textuelle Überschneidungen mit Pausewangs Aufzeichnungen über ihre Flucht auf. Die Bahnfahrten mit dem schwerbepackten Handwagen waren für die siebenköpfige Familie stets mit großem Stress verbunden. Im Mai 1945 brachte ein „Güterzug“ sie zur schlesischen Kreisstadt Landeshut (heute Kamienna Góra): „[W]ir mußten auf eine Art Pritschenwagen klettern, der seitlich keine Wände hatte“ ( Fern von der Rosinkawiese 77). Monate später gerieten die Pausewangs auf dem überfüllten Hamburger Hauptbahnhof in den Sog einer losstürmenden Menschenmenge, als sie den Zug nach Winsen, das Endziel ihrer Flucht, besteigen wollten. Wie in der Beschreibung der chaotischen Zustände auf dem Bad Hersfelder Bahnhof betont die Autorin das Totalversagen der zuständigen Behörden, den gefährlichen Massenansturm unter Kontrolle zu bringen: Wir schleppten unser Gepäck auf den Bahnsteig. Er war dicht besetzt von Wartenden mit Bergen von Koffern, Säcken, Kartons und Taschen. Damals herrschte auf den Bahnsteigen wenig Höflichkeit, wenn es darum ging, in einen Zug hineinzukommen. Wer stärker war, erzwang sich einen Weg. Rücksichtslos wurden die Ellbogen gebraucht. Das Zugspersonal war machtlos. […] Obwohl wir uns aneinanderklammerten, riß uns die hastende Menschenmenge auseinander, rannte die Kleinen, die in panischer Angst zu schreien begannen, fast über den Haufen und eroberten den Zug, während wir einander suchten und die Kleinen beruhigten. (190) Den nach Kriegsende erfolgte Kollaps der autoritär-hierarchischen Gesellschaftsordnung unter den Nationalsozialisten war für die damals siebzehnjährige Gudrun Pausewang ein erschütterndes Erlebnis. Wie ihr fiktionales Alter Ego Janna-Berta hatte sie auf einem Schlag den privilegierten Sonderstatus, vom Staat bevorteilt und beschützt zu werden, verloren. Als Heimatvertriebene war es besonders demütigend für sie gewesen, bei wildfremden Menschen, um Verpflegung und Unterkunft betteln zu müssen: „Diese Rechtlosigkeit! Dieses Ausgeliefertsein! Noch vor einem Vierteljahr waren wir stolze Staatsbürger, waren wir ‚Herrenmenschen‘ gewesen“ (140). Die schmerzvolle Erfahrung, trotz akuter Not abgewiesen zu werden, wird in Die Wolke an einer Schlüsselstelle explizit veranschaulicht. Verstrahlt vom radioaktiven Fallout fragt Janna-Berta vor einer verschlossenen Haustür nach Wasser. Ihre Bitte wird aus Angst vor einer möglichen Kontaminierung jedoch brüsk abgeschlagen. Das bei dieser Textstelle nachhallende Geschichtstrauma bringt Pausewang auf den Punkt, wenn Janna-Berta die Frau hinter der Tür sagen hört: „‚Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig“‘ (78). Entscheidend für den weiteren Handlungsverlauf in Die Wolke ist der Tatbestand, dass nach all den auf der Flucht erlittenen Schicksalsschlägen der anvisierte Zufluchtsort sich als bittere Enttäuschung herausstellt. Von Helga erhält Janna-Berta Sicherheit und Komfort, aber aufgrund der biederen Denk- und „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 17 Lebensart ihrer Tante fühlt sie sich in Hamburg zunehmend ungeborgen und missverstanden. Statt Helgas Anweisung Folge zu leisten, das Rad der Zeit zurückzudrehen und sich wie vor der Reaktorkatastrophe Gedanken über Beruf und Karriere zu machen, entschließt sie sich erneut zur Flucht. In Wiesbaden trifft Janna-Berta bei Tante Almut auf eine Gruppe von Menschen, die ihren Außenseiterstatus als Hibakusha ernst nehmen und akzeptieren. Augenfällig ist wiederum, dass die Kellerwohnung, in der Almut zusammen mit ihrem Mann Reinhard und dessen Vater eine provisorische Bleibe gefunden haben, sich genau wie das von den Pausewangs bewirtschaftete Pachtgrundstück neben dem Kastanienwäldchen und Wartturm auf dem Bierstadter Berg befindet. Janna- Berta findet dort endlich die lang ersehnte Geborgenheit, die ihr in Tante Helgas geregeltem Haushalt gefehlt hat. Wenn sich Almut später entschließt, zwei kleine Mädchen und deren Großmutter aufzunehmen, wird Janna-Berta Teil einer siebenköpfigen Familie, die in ihrer Struktur den verloren gegangenen Mehrgenerationenhaushalt in Schlitz — sie hatte dort mit ihren Großeltern, Eltern und den beiden Brüdern unter einem Dach gelebt — widerspiegelt. Pausewangs Gesellschaftsutopie, in der die Ehrfurcht vor dem Leben über individuelle Besitzansprüche triumphiert, beruft sich auf die Konsolidierung tradierter Familienstrukturen. Es ist weder der Staat noch der materielle Besitz, sondern der Rückhalt in der Großfamilie, der das Überleben nach dem Super-GAU gewährleistet. Am Beispiel von Almut Sommerfeld veranschaulicht Pausewang die Möglichkeit einer alternativen Lebensweise, die sich in ihren Grundzügen mit derjenigen ihrer Eltern auf der Rosinkawiese überlappt. Das von Almut angeführte Kollektiv fällt unter den kulturellen Typus „sektiererische[r]“ Nischenbewegungen, die für ihr Weiterbestehen „äußere Feinde“ benötigen und sich auf „globale Risiken“ konzentrieren, „die das Überleben des Menschengeschlechts gefährden“ (Walter 240—41). Im öffentlichen Bereich wird der identitätsstiftende Gemeinschaftssinn durch die ehrenamtliche Solidaritätsarbeit für die Hibakusha im Rhein-Main-Gebiet und den fortwährenden Widerstand gegen die noch in Betrieb stehenden Atomkraftwerke gefestigt. Wie ich im nächsten Abschnitt erörtern werde, spielt die Pädagogik der Katastrophe für den Zusammenhalt der Antiatomkraftbewegung eine bedeutende Rolle. Angesichts des verbreiteten Erfolgs von Gudrun Pausewangs Jugendbüchern Die Wolke und Die letzten Kinder von Schewenborn stellt sich die Frage, inwiefern es zumutbar ist, wie es die Autorin wiederholt tut, Kindern die grausame Realität einer strahlenverseuchten Lebenswelt hautnah vor Augen zu führen. Wieviel davon ist auf Pausewangs Intention zurückzuführen, mit diesen Gräueldarstellungen die heranwachsende Generation vor dem bevorstehenden Weltuntergang zu warnen und bewahren; wieviel auf die Rückwärtsgewandtheit einer 18 Christoph Weber wiederholten Darstellung der eigenen erlittenen Traumata? Bereits an anderer Stelle wurde der Verdacht geäußert, dass es bei Pausewangs Katastrophenbüchern weniger darum gegangen sei, „Kinder und Jugendliche zu engagierten Bürgern zu erziehen“ (Liere). Stattdessen haben sie der Elterngeneration dazu verholfen, „ihre eigenen Alpträume und den Schrecken über ihre bisher gemachten Fehler zu verarbeiten.“ Hinsichtlich des verbreiteten Glaubens an „eine Pädagogik der Katastrophe“ in der „deutschen Gesellschaft der Jahre 1970—80“ (Walter 261) hat Pausewang mit ihren Atomkatastrophenbüchern den Nerv der Zeit getroffen. Ihre Begründung für die „Schilderungen des Grauens“ ist hierzu erhellend: „Wenn wir verhindern wollen, daß es zu dieser Katastrophe kommt, müssen wir sie uns vorstellen. Was wir uns vorstellen, muß fürchterlich sein, was fürchterlich ist, müssen wir aussprechen; die nicht ausgesprochene Angst der Erwachsenen macht die Kinder kaputt“ (Hentig 63). Entgegen der Tendenz in der gegenwärtigen Gesellschaft, die „Ursprünge der Ängste“ zu tabuisieren, plädiert die Autorin für deren Offendarlegung, da die Angst als „eine Art Warnsystem“ agiert: „Ängste sind […] ein Mittel, den Menschen wie auch das Tier vor Gefahren zu warnen. Wären wir nicht fähig, Angst zu erleben, gäbe es die Gattung Mensch schon gar nicht mehr“ („Zivilcourage“ 11). Daraus erübrigt sich die Notwendigkeit, die Ängste der Kinder und Jugendlichen ernst zu nehmen, indem ihnen die verheimlichten Gefahren verdeutlicht werden. Die Zeiten, so vermeint Pausewang, in denen man beabsichtigt habe, „alles Unheile“ von den „noch nicht Erwachsenen“ fernzuhalten, seien „endgültig vorbei“ (12). Ihre Strategie der Angstbekämpfung gründet sich insoweit auf das zweckgerichtete Evozieren von Zukunftsängsten. Durch die Schreckensszenario einer atomaren Verseuchung im vertrauten Lebensumfeld der Bundesrepublik werden die unausgesprochenen Ängste auf eine höchst affektgeladene Ursache gelenkt. Ausschlaggebend bei dieser Affektsteuerung ist einerseits, dass der jugendliche Leser einem Schock ausgesetzt wird, denn „nur so lernt der junge Mensch, mit den Ängsten umzugehen“ (11). Andererseits agiert das Schockerlebnis auch als Auslöser, der ein gesellschaftsübergreifendes Umdenken provozieren soll, was die Existenz von Atomwaffen und Kernkraftwerken betrifft. Aus dem pragmatischen Handeln gegen die atomare Bedrohung erschließt sich der Abwehrmechanismus gegen die Angst. Wiederholt hat Pausewang die Hoffnung ausgesprochen, dass der Leser sich durch den Schock des Inhalts zur Frage hinfinde: „Was kann ich tun, um mitzuhelfen, daß das, was da als Fiktion geschildert wurde, nie Wirklichkeit wird“ (11; vgl. auch Noch lange danach 126; Runge 20). In diesem Sinne kommt die Schockerfahrung einem Erweckungserlebnis gleich, das den jungen Menschen zu einem Getreuen für die gerechte Sache macht. Die Autorin sieht in ihren jugendlichen Lesern nicht „halbfertige Erwachsene“, sondern „gleichwertige Mitglieder eines Teams, das Zukunftsängste ummünzt „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 19 in Handeln und das um eine glimpfliche Zukunft, um Hoffnung, ums Überleben kämpft“ („Zivilcourage“ 12). Es ist durchaus berechtigt anzunehmen, dass Pausewangs publikumswirksame Atomkatastrophenbücher zum Atomausstieg Deutschlands im Jahr 2023 beigetragen haben. Allerdings hatten ihre apokalyptischen Schreckensvisionen auch zur Folge, dass in der Bundesrepublik und anderen deutschsprachigen Ländern der achtziger Jahre „eine ganze Generation“ von Schülern „traumatisiert“ wurde: „Pausewangs Werke sind Horrorklopper ohne Trost und Happy End, dafür mit reichlich expliziten Schreckensszenen. Dennoch — oder gerade deshalb — wurden sie in vielen Schulen zur Pflichtlektüre” (Liere). In dieser Hinsicht ist Malte Dahrendorfs bejahendem Kritikpunkt, Gudrun Pausewang sei einer Literatur verpflichtet, „die in der Tradition der Aufklärung steht, die aufklären, gesellschaftlich Verdrängtes aufdecken will“ (57), nur beschränkt beizupflichten, denn eines der Hauptanliegen der Aufklärung bestand darin, Furcht und Angst zu unterbinden, da sie das selbständige Denken im Menschen zu blockieren vermögen (Begemann 15-20). Pausewangs Prämisse der Angstreduzierung beruht auf den Zirkelschluss, dass anhand der Applizierung traumatischer Angsterfahrungen der junge (und demnach emotional labile) Mensch dazu motiviert wird, seinen Beitrag für das Eindämmen der vorgestellten Angstursache zu leisten. Die von Pausewang geforderte Umwandlung der Zukunftsängste in tätiges Handeln bedeutet jedoch keine Befreiung der Angst; der Impetus für die Angstbekämpfung entspringt nicht einer selbst erarbeiteten Einsicht, sondern wird durch den Angstdruck forciert, zu wenig für das Überleben der gesamten Menschheit geleistet zu haben. Pausewangs wirkungsästhetische Instrumentalisierung des Schocks als Triebfeder für soziales Engagement verschränkt sich mit dem verfänglichen Postulat, dass der Übergang vom Kindheitsin das Erwachsenenalter zwangsläufig an ein Schockerlebnis gekoppelt sei. Tomi Ungerer ließ in seinem Rückblick auf seine langjährige Schaffenszeit als Kinderbuchautor gleichermaßen verlauten, man müsse Kinder traumatisieren, „um ihnen eine Identität zu geben“ (Draeger). In diesem Zusammenhang ist, wie oben dargestellt, in Betracht zu ziehen, dass Pausewangs Schilderung einer strahlenverseuchten Bundesrepublik nicht bloß eine vorgestellte, sondern auch Bruchstücke einer selbst erlebten Realität beinhaltet. Die pädagogische Absicht, Kinder mit den Ängsten der Erwachsenen zu traktieren, um sie vor den Gefahren auf dieser Welt zu wappnen, beinhaltet, so könnte man argumentieren, eine Affinität mit den „völkisch-national[en]“ Erziehungsmethoden, denen Pausewang ausgeliefert gewesen war. Ihre Eltern hatten die erzieherischen Zielsetzungen der „körperliche[n] Abhärtung, Selbstbeherrschung, Selbstüberwindung“, rigoros umgesetzt: „Kindertrotz wurde gebrochen, gestraft wurde mit […] Liebesentzug“ ( Vetter Quijote 7). Des Weiteren hat Pausewang 20 Christoph Weber in ihren autobiografischen Aufzeichnungen den verstörenden Anblick der von den Rotarmisten vergewaltigten Frauen zu einem förderlichen Schockerlebnis umgemünzt, das sie in das „Erwachsensein“ hinausgeschleudert hat: „Und es zeigte sich, dass wir von nun an im Angesicht menschlichen Elends vieles konnten, im verzweifelten Bemühen, nicht in Tränen auszubrechen oder vor Entsetzen zu schreien“ ( Fern von der Rosinkawiese 60). Als Jugendbuchautorin setzt Pausewang auf eine analoge Schocktherapie, um der jungen Generation aufzuzeigen, dass das Entsetzliche sich nicht außerhalb, sondern jederzeit im vertrauten, vermeintlich geschützten Lebensumfeld ereignen kann. Während sie mit siebzehn Jahren unmittelbar mit den nach Kriegsende erfolgten Gräueltaten konfrontiert wurde - das von der NS-Propaganda verbreitete Angstbild der Russen als barbarischer „Frauenschänder“ hatte sich bei der Begegnung mit den Vergewaltigungsopfern punktuell bewahrheitet („Maimorgen“ 61) - wird das Schreckensszenario der atomaren Verseuchung innerhalb des gesicherten Rahmens einer fiktiven Erzählung vermittelt. Pausewang hat ausdrücklich den Wunsch geäußert, dass dem jugendlichen Leser bei der Lektüre ein erwachsener Begleiter beistehen sollte, „wenn er das Bedürfnis dazu hätte“ („Zivilcourage“ 11). Trotz der Sorge um das psychologische Wohlbefinden ihrer Leserschaft rückt sie nicht von dem Grundgedanken ab, dass die Traumaerfahrung eine ausschlaggebende Komponente des Erwachsenwerdens ausmacht. Die Verwundungen, die die Autorin selbst durchleben musste, wiederholen sich wie ein roter Faden in ihren Jugendbüchern und werden auf die jugendlichen Leser übertragen. 6 Ihnen wird die Bürde auferlegt, sich im Zeitfenster, das durch die nationalsozialistische Vergangenheit und die Angst vor dem anthropogenen Weltuntergang bestimmt wird, zu bewähren und die für die Menschheit überlebensnotwenige Kurskorrektur einzuläuten. Pausewangs Denkanstoß, die Rettung des Planeten sei sowohl mit der konsequenten Absage an der hemmungslosen Konsumgier der Erwachsenen als auch mit der implizit angedeuteten politisch-ideologischen Indoktrinierung der Kinder zu bewerkstelligen, besitzt seine Prämisse in der vorbelasteten Vergangenheit der Autorin. Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass in Pausewangs formativen Kindheits- und Jugendjahren der Entscheid, mit begrenzten Ressourcen auszukommen, fremdbestimmt gewesen war: ihre Eltern hatten aus ideologischem Eifer den Kindern das ärmliche Landleben aufoktroyiert und nach Kriegsende herrschte in Deutschland ein akuter Nahrungs- und Wohnungsmangel. Im krassen Gegensatz dazu steht die Lebenserfahrung der Generation, in die Pausewang die Hoffnung auf das gesellschaftliche Umdenken setzt. Ihr jugendliches Zielpublikum, das in eine Zeit des Friedens und Wohlstands geboren worden ist, bekommt die traumatischen Erlebnisse der Zeitzeugengeneration des Zweiten Weltkriegs genau wie das fiktive Warnszenario „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 21 eines Super-GAUs auf bundesdeutschem Boden aus zweiter Hand erzählt. An diesem Punkt eröffnet sich die Problematik, ob die vermittelten Schreckenserfahrungen durchschlagend genug sind, damit sich eine breite „Basis willensstarker und konsequenter Menschen“ herausbildet, die einsieht, „daß sie ihre konsum- und komfortorientierte Art zu leben aufgeben müssen“ („Appell“ 38). Um die Mitbürger über die existenzielle Gefahr der Kernreaktoren aufzuklären, berufen sich sowohl Pausewang wie auch die Antiatomkraftaktivisten in Die Wolke auf die Pädagogik der Katastrophe. Es ist jedoch bezeichnend, dass die Autorin in ihrem Jugendbuch einen Einblick in den begrenzten Effekt der Katastrophenwarnung bzw. des heilsamen Schreckens verschafft. Die Sorge, dass der aus der Katastrophenerfahrung erhoffte Lerneffekt sich allzu schnell verflüchtigt, wird von Janna-Bertas Vater, der zusammen mit seiner Frau eine Bürgerinitiative gegen die Nutzung von Atomkraft mitbegründet hat, explizit ausgesprochen: „‚Tschernobyl war noch nicht genug‘ […]. Es muss erst hier bei uns passieren, damit es dem Bundesbürger den Hintern aus dem Sessel reißt‘“ (18). Als sich mit dem Reaktorunglück von Grafenrheinfeld die ärgsten Befürchtungen der Atomkraftgegner bewahrheitet haben und trotz der allgegenwärtigen Strahlenverseuchung die Meinungen über die Risiken der Atommeiler in der Bundesrepublik gespalten bleiben, verbreitet sich die Unsicherheit darüber, ob die postkatastrophische Aufklärungsarbeit ebenfalls scheitern wird: „‚Tschernobyl war noch zu wenig‘ […]. ‚Und wer weiß? Vielleicht ist sogar Grafenrheinfeld zu wenig. Man kann sich immer noch größere Unfälle vorstellen‘“ (152-53). Die diesmal von Almut geäußerte Skepsis erhellt den paradoxen Kern des heilsamen Schreckens, den Peter Sloterdijk lapidar umrissen hat: „Die Warnkatastrophe soll selber die Katastrophenwarnung sein. […] Wer in dieser Logik zu Ende denkt, kommt zu einem fatalen Schluß: nur der real geschehende Weltuntergang wäre eine überzeugende Warnung vor dem Weltuntergang. […] Somit wäre die einzige Katastrophe, die allen einleuchtet, die Katastrophe, die keiner überlebt“ (122). Gudrun Pausewangs lebensaffirmierender Standpunkt, der Mensch sei „in einer Situation äußerster Existenzgefährdung“ imstande, „ungeahnte Kräfte zu entwickeln“ („Lernziel“ 29), konfligiert mit der negativen Kehrseite, dass Schreckenserfahrungen gerade auf Kinder und Jugendliche traumatisierend wirken können. Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung ihrer vom Nationalsozialismus geprägten Kindheit hat Pausewang konzediert, dass die Nazidiktatur „uns,“ den Kindern, permanente Verwundungen hinterlassen habe: „Die Erinnerung an sie überschatten unser späteres Leben“ („Nachwort“ Ich war dabei 154). Bei ihr erfolgte die Katastrophe allerdings nicht mit dem Aufstieg, sondern mit dem Niedergang des Dritten Reiches: „Nach dem Kriegsende erkennen zu müssen, 22 Christoph Weber wie schmählich das NS-Regime unseren jugendlichen Idealismus benutzt und missbraucht hatte, tat weh“ (154). Dieselbe bittere Enttäuschung, aufgrund des sträflichen Fehlverhaltens der Erwachsenen ins Unglück gestoßen worden zu sein, schlägt sich in Pausewangs Atomkatastrophenbüchern nieder. Nach dem desaströsen Wendepunkt verblasst die Hoffnung, jemals wieder ein erfülltes Leben in einem geschützten Umfeld führen zu können. Das erlittene Trauma hält Janna-Berta in Die Wolke gefangen. Wenn sie sich am Romanende entschließt, zu ihrer Heimatstadt Schlitz zurückzukehren, wird ihr schmerzhaft bewusst, dass infolge der atomaren Verseuchung nichts mehr so sein wird, wie es einst vor dem Super-GAU gewesen war. Obschon die Zukunftsaussichten für sie im „Schlitzerland“ schlecht stehen — das „Ländchen“ würde genau wie sie „arm […] und krank“ sein (211) — besitzt das Heimweh eine größere Sogwirkung als das vernunftgesteuerte Pflichtbewusstsein, sich weiter an Tante Almuts politischem Aktionismus zu beteiligen. Im übertragenen Sinn widerspiegelt Janna-Bertas zwanghaftes Verlangen, ihr Elternhaus in Schlitz, dem „schönste[n] Ort der Welt“ wiederzusehen (189), Pausewangs lebenslange Sehnsucht nach der geliebten Rosinkawiese, die der Fallout des Nationalsozialismus dauerhaft kontaminiert hat. Die durch die Katastrophe bewirkte Bruchstelle in ihrem Lebenslauf lässt die Erinnerungen an die verloren gegangene Kindheit in einem verklärten Licht erscheinen. 7 Sie erschwert aber auch den Umgang mit der Vergangenheit, da die Vertreibung aus der scheinbar heilen Kinderwelt unweigerlich die Frage nach den Schuldigen aufwirft, die den traumatischen Übertritt ins Erwachsenenalter forciert haben. In Die Wolke tragen dieselben Personen, die ihre Mitschuld an den NS-Verbrechen verleugnen, die Mitverantwortung für den Reaktorunfall. Wenn Janna- Berta zu Hause ankommt, wird sie mit dem langen Schatten der nationalsozialistischen Vergangenheit konfrontiert. Überraschenderweise findet sie dort die aus dem Mallorca-Urlaub heimgekehrten Großeltern vor. Während Oma Berta unbeirrt Kuchen und Kaffee auftischt, „[e]in Stück gute alte Zeit, garantiert verseucht“ (220), beginnt Opa Hans-Georg sich über die „deutsche Hysterie“ zu beklagen (221), die von den Pressemenschen angestachelt worden sei: Heutzutage wird viel zu viel aufgeklärt. […] Wozu muss alle Welt die Anzahl unserer Toten erfahren? Durch dieses Großkatastrophenmärchen wird unser Ansehen im Ausland unnötig geschädigt. Ich sage nur so viel: Es hat in diesem Land Politiker gegeben, die hätten die ganze Sache so diskret gehandhabt, dass schon hier in Schlitz der Zwischenfall gar nicht bemerkt worden wäre. Und kein Pressemensch hätte es gewagt, in der Sache herumzuschnüffeln. (223) Die unterschwelligen Anspielungen auf das vorsätzliche Vertuschen des nationalsozialistischen Völkermords und die gleichgeschaltete Presse im NS-Staat „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 23 wird durch die belastete Biografie beider Großeltern untermauert. Während Opa Hans-Georg als Hauptmann der schweren Artillerie an der Ostfront kämpfte, war Oma Berta ein hochrangiges Mitglied bei der NS-Frauenschaft (138). Zudem gehörten sie vor der Reaktorexplosion zum Kreis der komfortorientierten Kernkraftbefürworter: „Oma Berta und Opa Hans-Georg meinten, ohne Atomkraft gehe es einfach nicht mehr, sie gehören zum modernen Leben wie das Auto oder der Fernseher […]“ (17). Sowohl das Reaktorunglück von Grafenrheinfeld, das schnellstmöglich vergessen werden soll, als auch die Epoche des Nationalsozialismus haben sich zu einem Tabuthema entwickelt. Beim Umgang mit der NS-Vergangenheit und der „deutsche[n] Atomkatastrophe“ rekurrieren Opa Hans-Georg und Oma Berta auf die Verdrängungsstrategie, von „all diesen hässlichen Dingen“ nichts mehr hören zu wollen (139). Pausewang schafft mit dem Verweis auf die unbewältigte NS-Vergangenheit der Großeltern ein holzschnittartiges Täterprofil der Atomkraftbefürworter. 8 Wenn Janna-Berta am Schluss mit dem Abziehen ihrer Wollmütze sich vor ihnen als kahlköpfiges Strahlenopfer outet und zu sprechen beginnt, klagt sie das sträfliche Unvermögen der Großelterngeneration an, sich der Schuld am Reaktorunfall (und analog dazu an den NS-Verbrechen) zu stellen. Demgegenüber wird den Kernkraftgegnern, Janna-Bertas Eltern und ( Jo)hanna, die geschiedene Großmutter mütterlicherseits, die mit „ihrem Vegetarierspleen und Tick vom einfachen Leben“ regelmäßig an Wochenenden demonstrieren ging ( Die Wolke 19), eine Märtyrerrolle zugesprochen. Bei der Reaktorkatastrophe kommen sie alle ums Leben, wobei die genauen Todesumstände von Jo und dem Vater unerklärt bleiben. Parallel zu den Holocaustopfern sind ihre Lebenspuren ausgelöscht worden, was auf Janna-Berta höchst verstörend wirkt. Wenn sie die Gerüchte über die Massenerschießungen der radioaktiv Verseuchten in dem um den havarierten Reaktor errichteten Absperrungsgürtel vernimmt, sieht sie ihren Vater „vor dem Mündungsfeuer der Maschinengewehre“ schreien und fallen (76). Die Konfliktfelder zwischen Täter- und Opferschaft, an denen sich die Autorin angesichts ihrer traumatischen Kindheitserinnerungen wundgeschrieben hat — die für einen alternativ-einfachen Lebensstil einstehenden Eltern waren bekennende Nationalsozialisten, was den katastrophalen Verstoß aus dem Paradies bewirkt hatte — werden in Die Wolke klar aufgetrennt. Die mehrfachen Analogien zu den Negativfolgen eines Reaktorunfalls und des Zweiten Weltkriegs (Massenevakuierungen, Diskriminierung, das Verdrängen von Schuld und Verantwortung), die Pausewang in das Jugendbuch eingestreut hat, um das von den Kernkraftwerken ausgehende Unheil affektgeladen zu konkretisieren, sind von vornherein problematisch. Fakt ist, dass beide Katastrophen gänzlich antithetische Ursachen besitzen: Der Super-GAU von Grafenrheinfeld (und Tschernobyl) zeugt vom fahrlässigen Umgang mit 24 Christoph Weber technologischen Risiken und hat nichts mit dem Rassenwahn und den geplanten Massenmorden des Nationalsozialismus zu tun. Statt in der Hauptabsicht Menschenleben gezielt auszulöschen, wurden die Atommeiler zum Zwecke konstruiert, den exorbitanten Energiebedarf der Industrieländer abzudecken. Hingegen war der millionenfache Mord an Zivilisten in den NS-Konzentrations- und Vernichtungslagern weder ein Unfall noch Unglück, sondern erfolgte nach Beschlüssen und Befehlen. Eine derartige Differenzierung der historischen Umstände kommt jedoch für Pausewang nicht in Betracht, da bei ihr der Aktivismus gegen die Atomkraft eng mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit verzahnt ist. Die traumatische Flucht aus der Heimat konstituiert für sie (wie auch für Janna-Berta) einen wesentlichen Bestandteil ihrer Identität. Als ehemalige Heimatvertriebene sieht sie sich dazu auserkoren, gegen solche Bedrohungen Widerstand zu leisten, die einen erneuten Massenexodus herbeiführen könnten. Pausewangs Kindheitstrauma verschafft ihr den Antrieb, in ihren Jugendbüchern eindringlich vor künftigen Großkatastrophen zu warnen. Das miteinhergehende Schüren apokalyptischer Zukunftsängste vermag jedoch auch dazu zu führen, dass sich die Gräben zwischen den entgegengesetzten Positionen bezüglich der Atomkraft weiter vertiefen. Statt zu einer Kompromissbereitschaft trägt dies im Gegenteil zur bestehenden politisch-ideologischen Polarisierung bei, mit der Folge, dass es die Wahrscheinlichkeit einer effektiven und rechtzeitigen Abwendung menschenverursachter Katastrophen - wie der sich verschärfende Klimawandel - nicht steigert, sondern schmälert. Notes 1 Die Gefahr einer aufkommenden faschistischen Diktatur in der Bundesrepublik Deutschland behandelte Pausewang in ihrem Jugendbuch Der Schlund (1995). 2 Erst nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1992 hat sich Pausewang kritischer über die ideologischen Querverbindungen des „Wandervogels“ mit dem Nationalsozialismus geäußert. Ihr Vater Siegfried sei „wie so viele Angehörige deutscher Minderheiten“ von Hitler begeistert gewesen: „Schließlich hatten ‚Wandervogel‘ und Nationalsozialismus manches Gemeinsame, zum Beispiel die Idealisierung des Landlebens gegenüber der ,Verdorbenheit‘ der Großstadt, die Forderung ‚sexueller Reinheit‘, den Kult der ‚Scholle‘, die Pflege des Volkstums, des alten Liedguts und dergleichen mehr“ ( Wie es den Leuten 14). 3 Zum “Mythos des Integrationswunders” der deutschen Ostvertriebenen in der BRD siehe Beer 124-134. 4 Vgl. dazu Assmann 183-204; Naumann 33-90; Moeller 1-20. „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 25 5 Pausewang hat die unreflektierte Bemerkung über den bevorzugten Status der Holocaustüberlebenden, die ihr Denken während der Flucht widerspiegelt, in ihrer Autobiografie Fern von der Rosinkawiese nicht problematisiert. Winfred Kaminski hat dies scharf kritisiert: “Hätte es selbst in einem autobiografischen Buch nicht doch die Möglichkeiten gegeben, damalige Anschauung, heutiges Wissen und zusätzliche Erfahrungen auf eine Weise zu vermitteln, die der persönlichen Wahrheit verpflichtet blieben (das heißt, sie also nicht klüger macht, als die Erzählerin 1945 war), jedoch ohne die Gefahr, mißverstanden zu werden und zudem womöglich Beifall von der falschen Seite zu erhalten” (82-83). 6 Vgl. Dori Laubs Ausführung über die zwanghafte Wiederholung des Traumas bei Überlebenden: „Trauma survivors live not with memories of the past, but with an event that could not and did not proceed through to its completion, has no ending, attained no closure, and therefore […] continues into the present and is current in every respect. The survivor, indeed, is not truly in touch with either with the core of his traumatic reality or with the fatedness of its reenactments, and thereby remains entrapped in both“ (69). Jenny Willner hat in ihrer kritischen Analyse zu den überdeterminierten Schreckensdarstellungen in Die letzten Kinder von Schewenborn ebenfalls auf Pausewangs „transgenerationale […] Übertragung von Schuld, Scham und Trauma“ (177) hingewiesen: „In Die letzten Kinder von Schewenborn wird das Leid der Atomkriegsopfer mit dem Leid der Vertriebenen parallelisiert, als ginge mit dem Schrecken auf der Flucht vor der Roten Armee eine moralischen und politische Läuterung einher, als sei dieses Leiden katharisch. Somit wird die Aussicht auf atomare Vernichtung zum Anlass einer unterschwellig geführten Auseinandersetzung mit Kriegstraumata auf deutscher Seite“ (193). 7 Bezeichnend ist, dass Pausewang in ihrer letzten Buchveröffentlichung beim Ravensburger Verlag über ihre „schöne Kindheit“ auf der Rosinkawiese erzählt, die sie mit ihren fünf Geschwistern trotz der Armut der Eltern „bis zu unserer Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg“ erlebt hat ( So war es 7). Die NS-Vergangenheit findet in den versammelten Kindheitserinnerungen keine Erwähnung. 8 Die „Verbindung von Kernkraftwerk und Nationalsozialismus“ liegt auch bei Christa Wolfs Tschernobyl-Roman Störfall (1987) vor (Rusinek 339), wenn auch nicht so ausgeprägt, wie es in Die Wolke der Fall ist. 26 Christoph Weber Works Cited „‚Ich möchte warnen! ‘ Ein Gespräch mit der Autorin Gudrun Pausewang.“ epilog.de, 12 April 2006. Web. https: / / epilog.de/ ich-moechte-warnen.ein-gespraech-mit-der-autorin-gudrun-pausewang.20060412/ 13 Oktober 2021. „Schriftstellerin Gudrun Pausewang ist tot.“ Zeit Online, 24 Jan. 2020. Web. https: / / www.zeit.de/ kultur/ literatur/ 2020-01/ die-wolke-autorin-gudrun-pausewang-ist-tot/ 13 Oktober 2021. Assmann, Aleida. Der lange Schatten der Vergangenheit . München: C.H. Beck, 2018. Begemann, Christian. Furcht und Angst im Prozess der Aufklärung . Zur Literatur und Bewußtseinsgeschichte des 18. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Athenäum, 1987. Beer, Mathias. 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The parallels run much deeper than the name of the film’s antagonist, Hermann Braun, would suggest, although that name likewise locates both works at the intersections of gender and national identity. A closer examination of those parallels clarifies many of the well-established ambiguities in the film, particularly those surrounding the tension between liberation and nationalism, and challenges traditional assessments of Kleist’s nationalist drama. Keywords: Fassbinder, Die Ehe der Maria Braun , Kleist, Die Hermannsschlacht , nationalism It is no secret that Rainer Werner Fassbinder (1945—1982) was influenced by Heinrich von Kleist (1777—1811). In 1980, when asked by pupils at a German school who his role model was and why, Fassbinder responded, “Heinrich von Kleist, weil er es geschafft hat, jemanden zu finden, der mit ihm sterben wollte” (221). According to his wife, actress Ingrid Caven (1938—), Fassbinder adored the plays of Kleist (42). That makes sense when one considers that Fassbinder’s films frequently feature strained relationships, failed love stories, catastrophic events, epistemological crises, mental illness, and marginalized characters-all of which are idiosyncratic mainstays in the works of Kleist as well. As Thomas 30 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks Elsaesser suggests, Kleist is the “patron saint of New German Cinema” ( New German Cinema 87). If Werner Herzog’s films are the Romanticism of the New German Cinema ( Johnson 3) and Wim Wenders’ films are Goethean tales of self-discovery (Frisch 208-214), then Fassbinder’s films may be called the most Kleistian of the period. In fact, Fassbinder’s film, Die Ehe der Maria Braun (1979), may be read as a revision (or, more precisely, what Gérard Genette calls a proximation ) of Kleist’s historical drama, Die Hermannsschlacht (1808), during another pivotal time in German history. 1 While the intertextual correspondences between drama and film are alone worthy of note, reading Die Ehe der Maria Braun through the lens of Kleist’s play also sheds light on the film’s many tragic ambivalences, chief among them being the nature of Maria’s relationship with her husband, German soldier and Soviet prisoner of war, Hermann Braun, and the nature of the film’s commentary on German national identity and German nationalism after 1945. Likewise, reading Die Hermannsschlacht through the lens of Fassbinder’s film places Kleist’s Napoleonic-era liberation drama at the dawn of the modern German nation-state into dialogue with German history on the other side of National Socialism and the establishment of the new Federal Republic. Early in Fassbinder’s film, Die Ehe der Maria Braun , the viewer is confronted with an explicit allusion to Kleist. In the immediate wake of the Second World War, the title character meets with a black-market dealer because she is interested in acquiring, among other things, a dress she can wear as a hostess at a bar favored by U.S. occupation troops in Berlin. The dealer also offers her a 1907 edition of Kleist’s complete works, which, as a pragmatic survivor in a postwar blight, she declines, saying that books burn too easily and will not keep her warm. Fassbinder himself plays the role of the dealer in the scene, personally aligning himself with the figure of Kleist. Although the scene is brief, it is of immense symbolic importance for advancing any interpretation of the relationship between Fassbinder’s film and the German historical and literary past. Scholars such as Anton Kaes, Thomas Elsaesser, Matthias Uecker, and Carrie Collenberg-Gonzalez have acknowledged the importance of this relatively minor and otherwise unremarkable scene. Kaes offers the scene as an example of “directorial intervention,” which is to say that Fassbinder is actively taking part in the discourse of which the film is a part (Kaes 279). Elsaesser mentions in passing that the appearance of Kleist here points toward Kleist’s novella, Das Erdbeben in Chili (1807/ 1810), which, like Fassbinder’s film, features two lovers hoping to rebuild their lives together after catastrophe, but who instead suffer only more misfortune. Both of these works thereby problematize fantasies of a historical tabula rasa and, in the case of Fassbinder’s film, the so-called Stunde Null of 1945 ( Fassbinder’s Germany 107). Collenberg-Gonzalez links the scene to The Battle of Hermann Braun 31 the reception of Kleist in works that deal with the resistance of the Red Army Faction. She positions Kleist as a theorist of terrorism, using Michael Kohlhaas (1810) and Penthesilea (1808) as examples. By pointing out that an accordion player in the same scene is playing the melody associated with the recently banned national anthem, “Das Lied der Deutschen” (1841), while Maria is haggling with the black market dealer-an important simultaneity registered by the other scholars as well-Collenberg-Gonzalez illustrates that terrorisms past and present are deeply intertwined and that the “national anthem was and still is a particularly loaded, if complicated, reference” (159). Finally, Uecker not only recognizes the “patriotic, possibly nationalistic” (51) symbolism of the dealer’s offer, but also the significance of its taking place amidst the Allied occupation of a now fractured and defeated post-WWII Germany. Despite how close Uecker’s analysis brings him to acknowledging a more substantial debt to Kleist, he nevertheless appears to view Kleist as a peripheral rather than an essential intertextual presence in the film. Although scholarship has productively unpacked the scene in which Maria Braun is offered the works of Kleist and what such a continuity may mean for the film’s representations of post-war German identity, the full scope of Kleist’s influence on the film, including the possibility that Die Ehe der Maria Braun bears an intertextual relationship to Kleist’s Die Hermannsschlacht , has never been explored. The most obvious, but least convincing, evidence to support this claim is that the husband in both pieces is named Hermann, and Hermann is not just any German name. Among other things, this name, along with the specific tropes attached to it, quickly invokes the intersectionality of gender and German national identity (see Potter). Much more convincing, though, is the sheer number of thematic and narrative preoccupations which suggest that Fassbinder not only imagined his cinematic drama as a creative retelling, like Kleist’s, of the Arminius legend but, further, that Kleist’s adaptation likely influenced Fassbinder’s film. Perhaps most importantly, and although the historical differences cannot be overlooked, Kleist’s Die Hermannsschlacht and Fassbinder’s Die Ehe der Maria Braun revolve around similar thematic and historically significant settings. Both, for instance, engage with the question of German national identity in the context of war and the struggle for national autonomy and survival, and both works take place in a “Germany” occupied by a wealthy foreign superpower and begin with the Germans under siege. Hermann’s statement early on in Kleist’s play that “Ganz Deutschland ist verloren schon” ( SW 1, 544: 281) 2 eerily parallels the opening scenes of Maria Braun , in which Maria and Hermann exchange wedding vows during an air raid in the last days of WWII in Berlin. In addition, the presence and symbolism of the occupying forces in the postwar Berlin 32 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks setting of Fassbinder’s film recall both the era of Napoleonic rule in Germany during which Kleist composed his play and the invasion of Germania by Roman forces in the year 9 C.E. around which Kleist’s dramatic plot is organized. As such, Kleist’s drama and Fassbinder’s film place the complicated negotiation between occupier and occupied at the center of their narratives about German nationalism. Moreover, both works take up the theme of German rearmament and the preparation for war during a state of public crisis that extends across the timeline of German history to Fassbinder’s present. The Romans of the Arminius legend, like the French of Napoleon Bonaparte’s (1769—1821) era and the Allied powers in an occupied post-WWII Germany, sought to crush German ‘barbarism’ once and for all and to oversee its integration into the prevailing world order, whether the one established by Rome, Bonaparte, or the Allied Powers. While Hermann in Kleist’s play rallies Germanic troops against the Roman occupiers, in Fassbinder’s film the viewer hears West German Chancellor Konrad Adenauer (1876—1967) on the radio making the case for German rearmament amidst the backdrop of international sanctions on German militarism. In Kleist’s play, Hermann tells his comrades to sacrifice their valuables for the war effort: “Und auf der Weser rechtes Ufer bringen, Geschirre, goldn’ und silberne, die ihr besitzet, schmelzen, Perlen und Juwelen, verkaufen oder sie verpfänden” ( SW 1, 546: 376—379). In a parallel scene in Fassbinder’s film, Maria Braun sacrifices her family’s valuables during the early period of the Allied occupation. In preparation for her reunion with Hermann, and on his behalf, she trades whatever valuables she and her mother have for food, cigarettes, alcohol, clothing, and firewood. Certainly, one should not disregard key differences, namely that in Kleist’s play Hermann urges his fellow ‘Germans’ to subordinate their individual needs and desires to the common war effort, while Maria and others in Fassbinder’s film sell their valuables, not to support German liberation, but rather to ensure their own post-war survival and prosperity. On the other hand, it is well known that Maria’s sacrifice signifies across both time and space and the private and public sphere since, as most film scholars agree, Maria “ is Germany” (Uecker 58), a symbolism that directly aligns the collective sacrifices with which both works begin. Indeed, Maria’s bartering for survival early on in the film is what leads her to the black-market scene in which a street merchant, played by Fassbinder, attempts to sell her a volume of Kleist’s works. In the end, both works reward the German(-ic) investment and sacrifice with patriotic victories, however ironic or tentative they may be. Kleist’s Hermann opines near the end of the first act that it would be the most foolish thing “to be distracted by vain dreams of victory” (MagShamhráin 17): “Welch ein wahnsinnger Tor müßt ich doch sein, wollt ich mir und der Heeresschar, die The Battle of Hermann Braun 33 ich ins Feld des Todes führ, erlauben, das Aug, von dieser finstern Wahrheit ab, buntfarbgen Siegesbildern zuzuwenden” ( SW 1, 545: 342—346). Hermann, however, is caught at the beginning of the decisive battle literally dreaming of the liberation prophesied in the bards’ song, and is left by Winfried to “collect himself ” (MagShamhráin 103) while Winfried leads the initial phase of the attack: “Laβt ihn.-Er wird sich fassen. Kommt her, daß ich den Schlachtplan euch entdecke! / Er versammelt die Anführer um sich ” ( SW 1, 614: 2250—2251). Perhaps even more significantly, the joyful celebration of Germania’s eventual liberation-“Triumph! Triumph! Germaniens Todfeind stürzt! ” ( SW 1, 624: 2524)-is dramatically darkened by Hermann’s order in the final scene to execute the Germanic prince, Aristan, for treason ( SW 1, 627: 2611—2618; MagShamhráin 121). Similarly, Fassbinder’s film ends with Herbert Zimmermann (1917—1966), the commentator for the 1954 World Cup, exclaiming, “Aus! Aus! Aus! Aus! Deutschland ist Weltmeister! ,” despite the fact that Germany remained thoroughly occupied by Allied forces in 1954 and was not yet permitted its full political or economic independence in the still nascent postwar international order, as Judt, for example, explains. Fassbinder further undermines the celebration of Germany’s World Cup victory with a series of photographic negatives criticizing German national leadership since 1945 and a gas explosion that kills the protagonists at the end of the film. In order to animate this treacherous setting, both Die Hermannsschlacht and Die Ehe der Maria Braun rely upon remarkably similar plots involving a complex web of alliances, lies, double agents, politicking, backstabbing, and calculated deceits to map the love triangle at the center of their dramatic action. Hermann and Thusnelda and Hermann and Maria Braun operate, respectively, as co-conspirators in a protoand post-nationalist anti-occupation resistance. In large part because of their relatively disadvantageous position over and against the political, economic, and military strength of their adversaries (Rome, Napoleonic France, Allied Powers), both couples employ independent and coordinated acts of deception and other so-called asymmetrical or guerilla tactics (see Kittler, Hanenberg 142—3) to achieve their strategic objectives in the respective conflicts driving the central action in both works. In addition to reinforcing the parallel between Hermann (Arminius) and Hermann Braun, such a confluence also invites spectators to view Kleist’s Thusnelda alongside Fassbinder’s Maria. On the one hand, both women are dramatically and strategically exploited by the men around them. Thusnelda is exploited by both Hermann and the Roman occupational governor, Ventidius, while Maria is manipulated throughout the film as she is first torn between her husband, Hermann Braun, and Bill, an African American soldier, and then between Hermann and Oswald, a French entrepreneur. On the other hand, both women also 34 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks freely desire and use the men with whom they are involved to their own ends, other men routinely fall for both women, and the sexual and cerebral agency assigned to Thusnelda and Maria, though different in kind and degree, nevertheless squares with scholars’ well-established emphasis on the way in which Kleist’s and Fassbinder’s female characters consistently challenge traditional representations of gender. Not coincidentally, however, both works also and simultaneously reinforce the status quo when it comes to such representations. Thusnelda and Maria ultimately remain faithful and, in the end, return to and reunite with Hermann. Near the end of the play, Thusnelda longs to regain Hermann’s favor as he assumes the leadership of a united Germania: “Arminius’ will ich wieder würdig werden” ( SW 1, 616: 2322). Likewise, Maria works hard throughout the film to take advantage of the new economy in order, she makes clear, to establish a social status and quality of life worthy of Hermann Braun, though she does, according to much of the scholarship on the question (see Kaes, Uecker, et al.), deliberately destroy it all in the final scene upon learning of Hermann’s deceitful arrangement with Oswald. Kleist’s and Fassbinder’s complicated engagements with gender also resonate in each work’s critique of nationalism. Uecker, for instance, sees Fassbinder’s allusion to Kleist both in terms of a decisively “male […] strategy” and, as described above, as a “patriotic” and “possibly nationalistic” signifier (Uecker 51), but Fassbinder’s adaptation offers a more nuanced approach to understanding Kleist’s drama that can just as easily be interpreted as a critique of normative views of gender and sexual orientation, rather than an example of them. Although Kleist served seven years in the Prussian military, although war is a theme in several of his works, although gruesome violence is ubiquitous in his writings, and although he was a fervent and outspoken critic of Bonaparte and of the invasion and occupation of German lands, Kleist’s works in no way promote a straightforward jingoism or hypermasculine embrace of nationalism. Recent scholarship illustrates how Kleist resists and overturns many of the norms of his era, including those organized around a conventionally masculine, heterosexual German militarism. Barbara Nagel, in reviewing Katrin Pahl’s Sex Changes with Kleist (2019), observes that “Kleist’s work can teach us […] how to resist heteronormativity, how to imagine gender fluidity and a less restrictive masculinity” (Nagel). Indeed, Pahl explains that Kleist “dared to generate a logic of confusion and to experiment with alternative symbolic structures, all the while developing a distinct humor” (3). Pahl sets Kleist in contradistinction to the establishment and enforcement of norms surrounding gender and sexual orientation around 1800, norms that were instrumentalized alongside rising German anti-occupation and nationalist pride after the defeat of Kleist’s home state of Prussia in 1806 (4). She concludes that “Kleist puts an end to modern The Battle of Hermann Braun 35 gender norms before they take hold and refuses the oppositional organization of sexual desire into homosexual and heterosexual that sprouts from these norms” (4). The disruption of gender norms and expectations that Pahl notes in Kleist’s work, including Die Hermannsschlacht , find expression in Fassbinder’s films as well. 3 As actor, Armin Müller-Stahl (1930—), who played in the other two films from Fassbinder’s BRD Trilogie , 4 explains: “Fassbinder was someone for whom no boundaries existed, not between the real and the absurd, nor between safety and risk; neither between man and woman nor between life and death” (219). Accordingly, Kleist and Fassbinder are similar thinkers, and though a careful and thorough study of these similarities is well beyond the scope of this essay, Die Ehe der Maria Braun ’s treatment of gender and nationalism is curious enough to explain the juxtaposition with Kleist’s treatment of the same in Die Hermannsschlacht . In any event, both Hermann characters are rendered vulnerable because they are always potentially in danger of losing their wives to male representatives of an occupying force (Uecker 57), 5 yet, in keeping with the nationalist allegory, neither the vulnerability nor the danger ever materializes since both wives take the matter into their own hands by murdering these foreign representatives, thus reinforcing the couples’ mutual belonging and making the nation whole again, or, in Kleist’s case, for the first time. Finally, just as gender informs the study of German nationalism in Die Hermannsschlacht and Die Ehe der Maria Braun , so, too, does language. Both works, for example, adopt linguistic play that serves not merely to confuse the adversary, but also to mark the line that separates the German from the non-German and unites the former against the latter. In Kleist’s play, Roman confusion over the linguistic and geographical difference between Pffifikon and Iffikon leads the Roman army to get lost in the woods and end up right where the Germanic resistance can ambush them ( SW 1, 600—602: 1907—1943; MagShamhráin 87—89; Hanenberg 144). In Fassbinder’s film, Maria confuses the U.S. interrogator when she tells him, “Den Bill habe ich lieb gehabt, und ich liebe meinen Mann,” which the interpreter translates as “She loved Bill, and she loves her husband.” A more appropriate translation would be “I was fond of Bill, and I love my husband.” This mistranslation is striking for multiple reasons. It not only illustrates the failure of the occupiers to understand the occupied, but also reinforces the symbolic role that linguistic perspective plays in the plot by emphasizing the extent to which Maria is faithful to Hermann and, by extension, to Germany, despite her affairs with other, foreign men. Indeed, linguistic slippage-as Plug, MagShamhráin (Introduction, xxv—xxx), Hanenberg 144, and Pahl (19—41) demonstrate-is a mainstay in Kleist’s works, and Fassbinder certainly taps into this Kleistian feature to advance his own post-war version of the Arminius legend. 36 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks While this unexpected but unequivocal alignment of setting, plot, character, and style likely would be enough to justify a comparison of Die Hermannsschlacht and Die Ehe der Maria Braun , the most significant point of contact lies in each works’ critical messaging around German nationalism and national identity. The various formal and rhetorical parallels just revealed would appear to serve the same interpretive end in both drama and film-the transvaluation of the nationalist co-option of Germany’s foundation upon which both Kleist’s and Fassbinder’s adaptations depend and to which narratives of German national independence and unification have been linked ever since Roman historian Publius Cornelius Tacitus’s (56—120) historical volume Germania was discovered by German scholars in the sixteenth century (see Krebs and MagShamhráin, Introduction, xxi). While Kleist’s play may be understood as “patriotic,” and it certainly supports the nobler democratic spirit that underwrites wars of liberation, it has been all too easy for readers of Kleist, due in no small part to scholastic consensus around Kleist’s intent in 1808 when the drama was first produced, to treat the document as a manifesto of fervent nationalism (see, e.g., Collenberg-Gonzalez, Hanenberg, MagShamhráin, Saltzwedel, and Uecker); however, one may also interpret Die Hermannsschlacht as a complex critique of nationalist tendencies that had already enlisted the Arminius legend by Kleist’s time and that continue to do so today. Indeed, the transvaluation of hypotexts is a pillar of the Kleistian aesthetic. In his chapter introducing the concept of transvaluation into his system of transtextuality, Gérard Genette (1930—2018) uses Kleist’s Amphitryon (1807) as an example, and in a later chapter, writes, “I do not wish to leave the subject of transvaluation without mentioning its most drastic and yet most enigmatic manifestation: Kleist’s Penthesilea ” (375—376). Although the radical reversal of roles in Kleist’s Penthesilea is a consummate example of Genette’s notion of transvaluation, Genette could have just as easily used Kleist’s Die Hermannsschlacht to illustrate the point. Earlier poetic representations of the historical battle in the Teutoburg Forest-such as Ulrich von Hutten’s (1488—1523) version from 1529, Daniel Caspar Lohenstein’s (1635—1683) reworking from 1689, and Johann Elias Schlegel’s (1719—1749) adaptation from 1740-1741-offered “generally favourable characterizations” of Hermann as the noble founder of the German nation. Kleist’s version, however, like Fassbinder’s, is noteworthy for its ambivalent treatment of Hermann’s character and virtue (MagShamhráin, Introduction, xxii). Although Kleist’s Hermann, a chieftain of an occupied tribe, has any number of positive attributes, he is above all “a Machiavellian anti-hero” (MagShamhráin, Introduction, xxii) whose strategic gains are made possible through ostensibly nefarious and disreputable means, rendering his character and motivations fundamentally unreliable, despite trends to characterize Kleist’s attempts to The Battle of Hermann Braun 37 stoke patriotic, anti-occupational fervor in the German public as unambiguous. Even though Varus and Augustus may be the historical corollaries of Bonaparte, Kleist’s contemporary description of Bonaparte in “Katechismus der Deutschen” (“The Catechism of the Germans,” 1809) is reminiscent of the savior of Germany in Kleist’s Die Hermannsschlacht (MagShamhráin, Introduction, xxii—xxiii), suggesting a parallel not between Hermann and the Arminius of legend, but rather between Kleist’s hero and the chief architect of Germany’s defeat in the Napoleonic Wars and the literal embodiment of Germany’s historical insecurity at the time the play was written. Perhaps Fassbinder’s film also notes this subversive slippage and condensation of indices when Oswald tells Senkenberg: “Versuchen Sie einmal im Leben nicht Senkenberg zu sein, sondern Napoleon oder Blücher, wenn das Ihnen lieber ist.” Although Die Hermannsschlacht is certainly about the legendary first war for German liberation and is intended to dramatically inspire and unify the German-speaking kingdoms against French occupation, Kleist’s much more dynamic, multivalent portrayal of Hermann repeatedly complicates this premise by scrutinizing the nationalist, imperialist, or otherwise anti-democratic impulses that accompany the fight for collective freedom and liberty. Peter Hanenberg calls Hermann’s “blind national exaltation” a “radical and absolute” (145) aim toward the achievement of which “all means are permitted” (142). Die Hermannsschlacht ends with Hermann’s entourage cheering Germania’s liberation from Rome even as the very existence and possibility of a unified Germania is thrown into question with Aristan’s persuasive defense in the play’s final lines: “Jedoch was galt Germanien mir? Der Fürst bin ich der Ubier” ( SW 1, 627: 2606—2608). Thus, Kleist’s play ends with both a celebration of German independence and a warning about the pitfalls of nation building captured in Hermann’s violent response to Aristan in the final lines of the play. Along with Hermann’s call to bring the fight all the way to Rome, a dramatic expansion of Hermann’s original and limited aims, this act suggests the possibility of tyranny following liberation under Hermann’s potential future reign (Allan 57). Further, Hanenberg ends his essay with the declaration that Kleist’s play is “an an early example of a moment when modernity could be frighted by itself. The lesson came as early as the beginning of the nationalistic nineteenth and a long time before Nazism. But history has shown us, finally, that no such radicalism could ever be strong enough to avoid its own repetition” (146). That statement reinforces Pahl’s point about Kleist and modernity, and it also connects Kleist’s play to the post-war period of Fassbinder’s film. Indeed, just as Kleist challenged societal norms surrounding gender and sexual orientation as those norms were being ever more firmly established (Pahl 4), he also resisted the popular discourse around nationalism in the early stages of 38 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks its historical development. Taken together, these subversive elements of Kleist’s drama suggest it is not so much that Fassbinder transvalues Hermann and the founding myth with which he is associated, but rather that Kleist did so already with Die Hermannsschlacht , a fact that reinforces the value of re-reading the film alongside the drama in order to grasp the film’s commentary on German nationalism during the time of the Wirtschaftswunder . Uecker makes room for this perspective when he ponders the extent of Kleist’s influence in the film: “Maria Braun may reject the offer of Kleist’s works […], but in her own private life these very issues soon emerge at the core of her relation with the three men who fall in love with her” (52). Although Uecker acknowledges a direct connection between Kleist and the “very issues” raised by the film, his analysis goes on to analyze them quite independently of that connection. Nevertheless, Uecker’s brief acknowledgement, like the brief and simultaneous encounter in the film with both Kleist and Fassbinder, convincingly resituates Hermann Braun, in particular, from the margins toward the center of the film’s discourse on postwar German nationalism. Uecker’s recognition that “[w]hile it has been widely accepted that Maria Braun should be seen as a representative of the German experience, the same interpretation is rarely applied to her husband, let alone his actions” (57), links Fassbinder’s Hermann more specifically to the symbolic desire for national “sovereignty and self-determination […] in the postwar period” (57) and, consequently, to the heroic protagonist of Kleist’s drama. The impact of these correspondences between Kleist’s drama and Fassbinder’s film is even more striking, and the implications clearer, upon examination of Uecker’s view of the film’s alleged avoidance of Germany’s Nazi past: Despite the film’s final allusion to unbroken historical continuities, Fassbinder avoids any reference to the one continuity which is usually at the centre of his generation’s discourse about post-war German history […]. The question of guilt or responsibility for what happened during the war is not once raised. […] What, if not the continuity of guilt for the Nazis’ crimes, constitutes West German society’s main characteristic? (49) In place of guilt, Uecker identifies a new and separate discourse on the restoration of German “control, independence, and sovereignty” (52) in the postwar moment and suggests that the film either “took [the guilt] for granted or assumed it was implied in the final sequence” or that the avoidance itself represents the repression of Germany’s collective guilt over the Nazi past (49). Whatever the case, it may be argued that the omission of any reference to this past not only “casts an ominous reflection on the film’s discourse” (49), as Uecker points out, but the omission also plays a definitive role in Fassbinder’s film through the character of Hermann Braun. Although Uecker’s association be- The Battle of Hermann Braun 39 tween Kleist and Fassbinder is fleeting, he not only breaks with scholarly tradition by centering both Hermann Braun and his character’s symbolic association with German occupation and nationalism (47), but in so doing he also effectively justifies the comparison with both the plot and protagonist of Kleist’s drama. If Hermann Braun is, as Uecker and others, such as Kaes, claim, the symbol of Germany’s desire to regain its national power and lost status, then Hermann Braun is also the potential return of what otherwise remains largely repressed throughout the course of the film, the reenactment, after National Socialism, of the occupied Germania featured in Kleist’s play and so, too, the embodiment of the private and public fear, anxiety, and insecurity surrounding its realization in history or fiction, past or present. Hermann Braun is thus not so much a character in the film as he is an allegorical reference to the past. It follows, then, that it is via Hermann’s character, as much as it is through Maria’s, that postwar Germany emerges as a zone of deep personal and generational conflict stemming from postwar Germany’s resentment of occupation and its deep suspicion of a pervasive nationalism registered in a distinctively postwar echo of Kleist’s occupation-liberation drama and in Hermann and Maria Braun’s characters. Although Fassbinder’s Hermann is certainly a reduced version of Kleist’s-he is fully demoted, domesticated, and, ultimately, excluded by Fassbinder’s title-this reduction carries immense weight in the film and confirms his decisive relevance to, and role in, the postwar nationalist allegory. Kaes goes as far as to associate Hermann Braun’s surname with the Nazi brownshirts (285). The aptronym Braun-like so much in the works of Kleist and Fassbinder-lies at the cusp of being both spurious and hermeneutically productive. That is, there is no evidence that Hermann Braun was a member of the historical militia that was eclipsed by the Schutzstaffel (SS). Nonetheless, the word “braun” is often used in Germany to index right-wing nationalist tendencies, and Hermann’s family name features prominently throughout the film despite the fact that Hermann is missing for much of it. Hermann Braun, read as Germany’s Nazi past, haunts the entirety of Fassbinder’s film in contradictory ways. On the one hand, Hermann Braun is much more than a defeated soldier and can just as reasonably be said to hold all the power for much of the film: he, like the Nazi past he represents, has a dangerous hypnotic control over Maria (Germany) from the beginning, and acquires her (and through her Oswald’s wealth) in the end. As such, Hermann Braun points to the continuity of the German nationalist spirit that underwrote the National-Socialist cause and that continued to wield its influence over the postwar space. On the other hand, this haunting, not unlike Kleist’s Hermann’s brief, yet curious, absence when the Germans finally meet and defeat Rome on the battlefield ( SW 1, 621: 2453—2454), points as much to the repression of Hermann 40 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks Braun’s character and cause as it does to any viable threat to Germany’s democratic future. In Fassbinder’s film, the Nazi past finds itself supplanted before it has even conceded defeat, forced to wander unnoticed in the present until it is safe to return to visibility, which, Fassbinder’s film insists, it must not ever be safe to do. Just as Fassbinder’s Hermann Braun is more than a symbol of Germany’s defeat, Kleist’s Hermann is more than a symbol of its victory; both are instead complicated meditations on the status of the defeated, the depth and consequences of the defeat, and on the possibility of achieving and, in the case of Fassbinder’s film, responsibly restoring German sovereignty and independence. Hermann Braun is the substance of the film’s commentary on German nationalism and the residual threat left over in the wake of Germany’s defeat in WWII. From this perspective, Hermann Braun may be read as a significant magnification of Kleist’s reflection on the ideological dangers born out of the struggle for independence and unification. Kleist’s drama anticipates Fassbinder’s film, and, through the character of Hermann Braun, Fassbinder’s engagement with the questions of German nationalism, national identity, and self-determination emerges as a direct expression of the postwar continuity-not the avoidance-of past guilt. As such, Fassbinder’s film situates the German citizen and the German masses at the intersection of a private and public conflict over that to which the nation has a right to aspire between the transgressions of the Third Reich and the false promises of a Wirtschaftswunder . 6 If in Kleist’s play the realization of an imagined victory may be called a symptom of the patriotic fervor that springs up in collective defeat, then by the time of Fassbinder’s film, this same fervor, embodied in the characters of Hermann and Maria Braun, has been converted into something quite different. In fact, the explosion at the end of the film suggests that the ongoing historical maintenance of this national identity is less a symptom than a cause of the anxiety represented in the film. Fassbinder’s use of Hermann Braun to represent Nazi Germany in the film responds to the well-known propagandistic elevation of Kleist’s Die Hermannsschlacht by National Socialism, and can be read as a deconstruction of the fantasy such elevation imagines (Reeve 267). 7 Despite the ‘victory’ of Hermann Braun and Maria’s final reunification, in the end, this more dangerous trend toward unity that is German nationalism cannot be tolerated, and Germany will have to move on without it, perhaps can only move on without it. The relative paucity of direct references to the Nazi past in Die Ehe der Maria Braun , which is to say, the lengthy absences of Hermann Braun throughout the film, is itself an important part of Fassbinder’s adaptation of Kleist’s play insofar as the symbolic absence or omission of both Hermanns lies at the center, not The Battle of Hermann Braun 41 the periphery, of the play’s and film’s treatment of German nationalism. In this reading of Die Hermannsschlacht , Hermann’s absence at the beginning of the eponymous battle is unexpected-what does it mean in a play with such a title, and in which Hermann is, on the one hand, Germany’s legendary liberator, to come across the line, “Und ehe Hermann noch den Punkt der Schlacht erreicht, Die Schlacht der Freiheit völlig schon entschied” ( SW 1, 621: 2453—2454)? According to conventional readings of the scene, Hermann’s presence is all but unnecessary because it is his strategy of deception, not Hermann himself, who wins the battle of the Teutoburg forest. Viewed another way, however, this circumstance effectively decenters Hermann, removing him from the cause to be celebrated and for which he is typically judged most responsible, namely, victory in the German war of liberation against the Romans. Interestingly, Fassbinder inverts the ratio-whereas the absence of Kleist’s Hermann surprises the reader because he otherwise plays the most active role throughout the play, Hermann Braun’s presence is equally as striking for Fassbinder’s viewers because Hermann is generally absent for much of the film. While Uecker recognizes that Kleist’s “radical political ideas” likely inform “the core of [Maria’s] relation with the three men who fall in love with her” (52), the extent to which Hermann Braun is the core of this relation remains understated and undeveloped. Simply put, Hermann Braun is not like the other men. While Maria is the titular and most visible character throughout the film, Hermann Braun is the man with whom she is inextricably and fatally bound, and he, too, like his Kleistian counterpart, is the driving force for the film’s plot and the chief motivation for most of Maria’s actions. Further, although the titles of Kleist’s drama and Fassbinder’s film are quite different-one paints a heroic scene, while the other describes a domestic arrangement-they nevertheless mirror each other in another sense. The marriage of Maria Braun is functionally tantamount to Hermann’s battle in Fassbinder’s adaptation. Like so much else in the film, the marriage referenced in the title refers to Hermann in his absence, as evidenced by the priority status “die Ehe” assumes in the film’s title, along with its grammatical subordination of the name, Maria Braun. Consequently, the marriage between Hermann and Maria, and thus, too, the real and imagined battle between the Nazi past and postwar German present, is the actual protagonist, the principle subject and object of the film. Thus, whereas Kleist’s Hermann-despite his brief absence at a critical moment-is all but ubiquitous in the play, Hermann Braun, who is physically all but absent in the film, is nonetheless very much present throughout the film, and the nature of the battle he wages is shown most clearly in those rare instances when he does, in fact, physically appear in the film. 42 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks After a fleeting glimpse at the film’s beginning, the viewer first meets Hermann Braun when Maria and Bill, an African American soldier, are in bed together. As Hermann lingers in the doorway, the expression on Maria’s face when she notices Hermann’s presence betrays her longing above all for her returned husband and the German past he represents. Although Hermann Braun immediately strikes Maria when she runs to meet him at the door, Maria instinctively kills Bill while Bill simultaneously restrains and consoles Hermann. In fact, Bill’s character, like Oswald’s, points unequivocally to the implications of the Allied military occupation: while the Allied military occupation sought to restrain German militarism after the war, Western investment in postwar West Germany, which Bill also clearly signifies, sought to console Germany by overseeing the kinds of political reforms and economic initiatives that would pave the way for its eventual reintegration into the family of Western democratic nations. Consequently, Hermann Braun’s return from the dead is what causes Maria to kill her American lover, who stands, literally and figuratively, in the way of such a return, and perhaps it is her intimacy with Bill-a member of the foreign occupying force who infiltrates Hermann’s private and public sphere- that prompts the German soldier’s return in the first place. The evidence for such repression lies in the apparent inexplicability of Maria’s violent assault on Bill-after all, she “was fond of him”-but Maria’s reaction is more easily grasped when one views Hermann and Maria Braun as committed to keeping together that which has been lost, a national identity seemingly snuffed out with the Nazis and struggling to reconstitute itself in the postwar era. Even when Hermann Braun, as the German past, returns to impose himself on the course of postwar history, he is still very much absent. He is, for instance, speechless throughout the entire scene with Maria and Bill. His impact is all-pervasive, but he himself is inert. On the one hand, Hermann Braun arrives as a refugee prisoner-of-war at his wife’s doorstep, starving, weakened, and-upon finding his wife in bed with Bill-demoralized. In this interpretation, Hermann is emasculated by the encounter and said to embody the “private fear […] of many German men” (Uecker 57). On the other hand, Hermann Braun’s expressionless face gives no indication of such demoralization. There is no recognition on his part of the infidelity. In fact, the only emotion conveyed in the scene is Maria’s breathless reaction to Hermann’s appearance at the door. For Maria, Hermann’s arrival signals the return of the impossible object of Germany’s nationalist desire and reinforces the depth of Maria’s commitment to that desire, prompting her to defend Hermann and the Germany he represents against the foreign aggressor. For a brief moment, at least, the Germany of the past and the Germany of the present are reconciled over the dead body of the occupier. This reunification, of course, cannot last, as it is built upon the trans- The Battle of Hermann Braun 43 gressions of the past, a circumstance clearly supported when Maria is put on trial for Bill’s murder by a U.S. military court; significantly, Hermann’s acceptance of responsibility for the crime reinforces that his return really did cause Bill’s death, and thus Maria is permitted to continue unimpeded on her path to prosperity amidst the Wirtschaftswunder . Hermann Braun’s second appearance occurs at the end of the film, and essentially finishes what his first appearance left incomplete by reinforcing his centrality to a plot in which he is routinely absent. While Hermann is in prison for Bill’s murder, Maria does indeed prosper and again takes an occupying lover. Oswald is a wealthy French entrepreneur, who recruits Maria to work for him because she speaks English, which she learned from Bill (“im Bett”), and because she proves to be an effective negotiator. He also sleeps with her, and eventually proposes marriage, but his advances are consistently rebuffed by Maria, whose loyalty remains with Hermann. When Hermann is finally released from prison, Maria attempts to pick him up, only to learn that he has already left and is traveling abroad. She thus continues her relationship with Oswald until he dies. Upon the reading of Oswald’s will, however, Maria discovers that Hermann and Oswald had entered a formal agreement behind her back that, in exchange for his leaving Maria to the terminally ill Oswald, Hermann would not return until after Oswald’s death, and Hermann would receive Oswald’s inheritance as compensation. Notably, the deal between Hermann and Oswald echoes the unspoken agreement between Hermann and Ventidius, in which Hermann cultivates Thusnelda’s relationship with Ventidius by encouraging their mutual desire and pretending to look the other way as the romance develops; in both scenarios, the Hermanns use Thusnelda and Maria, respectively, as bargaining chips to exploit the emotional vulnerabilities of their adversaries and, by way of this exploitation, to advance their political aims, and these arrangements demonstrate the striking lengths to which both Hermanns will go in order to achieve their desired “sovereignty” (Uecker 57). To be clear, Fassbinder’s film is not a direct cinematic translation of Kleist’s play, but an adaptation that treats select aspects of Kleist’s Die Hermannsschlacht as recognizable motives and draws on the tension between liberation and nationalism inherent in the play. While Kleist’s play demonstrates an awareness of the dangers of an ascending tyrant, Fassbinder’s film demonstrates a proportionally more prominent awareness of the dangers inherent to the aspiration of the modern nation-state. Nevertheless, given the inherent friction at the end of Kleist’s stirring tale of German triumph, one may imagine Hermann Braun as Fassbinder’s reflection in the twentieth-century postwar moment upon what Seán Allan calls Kleist’s invitation to adopt “a critical view of [his] central protagonist” (Allan 47). 44 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks In Kleist’s play, Hermann’s multiple acts of deception, as well as his order to execute Aristan at the end of the play, are the most frequently cited examples of this ambivalence. On the one hand, with his condemnation of Aristan, Hermann clearly intends to forbid any notion of an internecine war on the decisive day of battle against the Romans, and his verdict squarely aligns with one of the two stated political goals of the insurrection, namely, German unification. For Hermann, Aristan’s death is justified because Aristan is a traitor who has partnered with the Roman adversary and rejected Hermann’s invitation to join the postwar German alliance against Rome-according to that reading, Hermann keeps rather than breaks his conspicuous promise that “[…] Es soll kein deutsches Blut, [a]n diesem Tag, von deutschen Händen fließen” ( SW 1, 614: 2273—2274) since Aristan has not consented to this newborn national identification and thus is no longer German. On the other hand, however, Hermann does break his promise because Aristan is and remains a Germanic prince, and his forced exclusion by Hermann, especially as it takes place amidst Aristan’s desperate and, finally, democratic petition to be heard-“Hört mich, ihr Brüder-! ” ( SW 1, 628: 2623)-undermines the very independence and opportunity for self-determination for which Hermann has allegedly been fighting, that is, the other, equally primary, political aim of German liberation. Hanenberg reinforces this troubling aspect of Hermann’s nature: “[W]e should not try to see Herrmann as better than he is. He is not sacrificing his humanity for the benefit of truth […], but he simply longs for victory. There is no other, no deeper reason for him than the reason of his own self-proclaimed ambition. He is not in service of any transcendent truth but only of his own definition of what seems worthy and achievable to himself” (145). As Allan points out, “[b]y including the execution of Aristan-the only character besides Hermann to embrace a genuinely radical concept of freedom-[…] the discourse of German nationalism with which the play ends already hints at a new form of cultural imperialism that seems no less intolerant than the one just overthrown” (Allan 47 and 57). In this way, scholars, such as Allan and Krebs, suggest that the goals of Kleist’s Hermann extend well beyond liberation and unification and anticipate the problematic aspects of twentieth-century German nationalism as it takes root alongside Germany’s historical evolution into a sovereign nation-state and the parallel emergence of a collective German national identity (see Krebs 19—23). While it is important to distinguish Kleist’s demand for the removal of an occupation government from the concept of twentieth-century postwar nationalism, Fassbinder has adapted the ambivalences and questions of Kleist’s play to a postwar context. Hermann’s judgment and Aristan’s challenge pose critical and justifiable questions about the paradox of national liberation movements that Kleist was well ahead of his time in rais- The Battle of Hermann Braun 45 ing: What is Germania? Who belongs to it? And who or what determines such belonging? While both Marbod and Wolf acknowledge the persuasiveness of Aristan’s challenge, Hermann’s violent judgment quickly and shrewdly shuts down the debate by announcing, paradoxically, that the final determination of such national belonging rests solely with him and is enforceable through violence: “Diese Denkart kenn ich. Du bist imstand und treibst mich in die Enge, [f]ragst, wo und wann Germanien gewesen? […] Doch jetzo, ich versuchte dich, jetzt wirst du [m]ich schnell begreifen, wie ich es gemeint: Führt ihn hinweg und werft das Haupt ihm nieder! ” ( SW 1, 627: 2611-2613, 2616—2618). If the ambitions of Kleist’s Hermann belong either to the liberator or the tyrant, the intentions of Fassbinder’s Hermann are opaquer precisely because of his strategic absence throughout the film and, not coincidentally, because of the traumatic and public dislocation that Germany was suffering at the time, and of which Fassbinder intended Hermann and Maria Braun to be the private reflection (see Uecker, Kaes). Nevertheless, Hermann Braun’s motivation may be inferred not just from his well-established “symbolic function” as an allegory of the defeated German soldier (Uecker 45, 47, 52, and 56), but also from the transtextual echo with Kleist, to be the restoration of a German past with which he, and the Germany he signifies, is not yet finished. As Hanna Schygulla, the actress who played Maria Braun, explains in Annekatrin Hendel’s documentary film Fassbinder , the positive dream of a democratic Germany during the interwar period did not forestall the rise of fascism in Germany: “Trotz des Idealismus ist Hitler passiert.” Of course, one may argue it was because of, not despite, this idealism that Hitler succeeded in carrying out his cruel political vision since that patriotic zeal that can be and was, in fact, made to serve a wide variety of ideological ends, including those motivating Kleist’s protagonists and the characters of Hermann and Maria Braun. In the end, it would appear that Hermann Braun’s ambitions, however nameless and ill-defined, also demand unavoidable cruelty, as is painfully suggested in the tragic fates of Bill and Oswald, and in the correspondence linking Hermann’s return to Adenauer’s call for German rearmament amidst the new economic recovery. Maria Braun’s often lauded independence also demands cruelty, and what Uecker says of Maria applies equally to Kleist’s Thusnelda, that “If Maria Braun is indeed a victim, it needs more than a male conspiracy to destroy her. Her own determination never to look back at the victims of her career contributes as much to her final desperation as her husband’s betrayal” (58). Indeed, if Hermann Braun, like Adenauer, is willing to enter into a temporary contract with Oswald, himself a simultaneous reference to both the Allied victory over Hitler’s Germany and the liberal-democratic economic model that made the Wirtschaftswunder and the proposed German rearmament possible, then Her- 46 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks mann’s marriage to Maria represents a much more dangerous--and permanent--contract between the authoritarian force of Germany’s Nazi past and the economic potential associated with Germany’s accelerated recovery in the present, effectively reanimating what it took a world war to suppress. Like Hermann, Maria is Germany, too, but not the Germany of the past. She is instead the Germany of the economic miracle that works on behalf of its repressed former self. She is, as she says, the “Mata Hari des Wirtschaftswunders.” As Schygulla describes it, contrary to the popular reception of Maria’s character, Fassbinder thought of her generally as a negative, not a positive, force (Hendel). In fact, in addition to being a “Meister der Verstellung,” Maria’s economic mobility is built upon her thorough exploitation of others for material and social gain, all of which she does on behalf of her marriage to Hermann Braun. Maria’s economic success can be entirely attributed to her adeptness at deception and diplomacy, her unyielding pragmatism and bureaucratic focus, her lack of emotional attachment and reciprocity, and, finally, her total commitment to Hermann Braun and the nationalist wounds and ambitions he represents. It is neither a coincidence nor a surprise that Maria retains final agency in the film, however ambivalent it may be, or that the explosion for which she is knowingly or unknowingly responsible is caused by a gas leak, which recalls the means by which millions were murdered under the Nazi regime. Of course, Maria is a small capitalist, not a Nazi stormtrooper, but the threat her marriage to Hermann poses to the liberal-social democratic order is nevertheless an existential one. Thus the Wirtschaftswunder fails to render the transgressions of the past any less possible in the present, but rather creates equally fertile conditions anew for the return of the repressed-until it explodes, of course, which it must do, according to Fassbinder’s film, in order for Germany to overcome its past. Structurally and symbolically, the endings of Die Hermannsschlacht and Die Ehe der Maria Braun mirror each other in their challenge and resistance to nationalist pride and power. Hermann Braun’s final return coincides with the revelation that Maria’s relationship with Oswald was not a free act but a heteronomous arrangement between Hermann and Oswald. Directly thereafter, the radio announces the final moments of Germany’s dramatic win over Hungary in the 1954 World Cup championship, the house in which Maria and Hermann planned to live out their future explodes, and, finally, a dialectical montage of photographic negatives of postwar German chancellors is shown in a gradual, ominous succession to end the film. Both works end with joyful public celebrations of German victory unexpectedly interrupted by explicit, or, in the case of the parade of negatives , implicit violence. Interestingly, these codas render their violent judgments apart from the public, perhaps to discriminate between the positive aspects of the shared experience and sense of belonging that lies at The Battle of Hermann Braun 47 the foundation of national identity and the harmful ideological effects capable of being built around it, such as those effects hinted at in Hermann’s cruelty toward Aristan and the latent force of fascism that Fassbinder recognized in the heated political landscape of the late 1970s. The hope signaled in the German World Cup victory at the end of the film is both challenged and cautiously reinforced in the collision of circumstances at the end of Fassbinder’s film. On the one hand, the violent explosion that cancels out the public celebration of the German soccer victory and the photographic montage of failed national leadership constitute Fassbinder’s warning to temper any celebration of German national dominance. Even more importantly, the photographic progression of German chancellors since 1945 and the sonic equivalence that links the paroxysms of the German soccer crowd to the thunderous adulation of the masses at Hitler’s public rallies, like those made infamous in Leni Riefenstahl’s (1902—2003) Triumph des Willens ( Triumph of the Will , 1935), reveal a parallel unholy alliance at work on either side of the war (Kaes 278—279) and reinforce the suspicion that the marriage of Hermann and Maria Braun leaves the primary mechanism(s) that made the crimes of National Socialism possible, namely, the German nationalist fantasy, very much intact. The film begins and ends in ruins and is bookended by an image of Hitler and an incriminating lineup of those chancellors, from Adenauer to Schmidt (Willi Brandt is notably absent), who presided over Germany’s recovery after WWII, another circumstance that scholars, such as Kaes, view as unequivocal in its condemnation of preand postwar German nationalism (Kaes 278—279). On the other hand, just as the spectator is permitted in Kleist’s drama to celebrate Germany’s newfound independence and national unification, Fassbinder’s viewers are nevertheless invited to enjoy the German national victory over Hungary. If Hermann’s violent judgment of Aristan is Kleist’s warning about the dangers of nationalism at the dawn of the German nation, then the sudden and unexpected explosion that kills Hermann and Maria Braun is Fassbinder’s emphatic condemnation of the phenomenon in the postwar moment. The explosion that kills them, then, is as much a part of the national victory as the World Cup win. Consequently, the sound of the explosion that kills Fassbinder’s protagonists echoes just as convincingly in the sounds of celebration following the German war of independence in Kleist’s play and in the public outburst after the German national soccer victory. In capturing the joyful eruption of a new democratic Germany, Fassbinder’s film bids an unequivocal farewell to the nationalist foundation and signals its preference for the rubble left in the wake of the explosion to the rebirth of German nationalism in another guise. The palpable correspondences with Kleist’s drama more fully illuminate the scope and depth of the conflict over nationalism and national identity depict- 48 Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks ed in Fassbinder’s film. Die Ehe der Maria Braun follows the spirit of Wolfgang Staudte’s (1906—1984) film, Die Mörder sind unter uns (The Murderers Are Among Us, 1946); however, whereas Staudte’s film, which was produced in the Soviet occupation zone, ends with the implication that the fictional Nazi war criminal Brückner will be appropriately locked up, in Die Ehe der Maria Braun Hermann Braun is let free to repeatedly haunt the scene of the Wirtschaftswunder until it explodes in what could be interpreted as Fassbinder’s take on the Kleistian murder-suicide. As such, the film is also about the use and abuse of cultural heritage, including the reception of Kleist in the post-war period. Although an accordion player is playing the “Deutschlandlied” while Maria meets the black-market dealer, the dealer grabs the attention of the merchant who is carrying the Kleist edition and the dress that Maria wants to buy by whistling the first four notes of Ludwig van Beethoven’s (1770—1827) Fifth Symphony, which was composed and first performed in 1808, the same year that Kleist composed Die Hermannsschlacht . In this scene, Fassbinder appears to interrupt the “Deutschlandlied” in order to hint that his film owes more to Kleist than meets the eye, and perhaps, too, to recommend to his viewers the subversive potential of Kleist’s work. Notes 1 As Seán Allan notes, there seems to have been a collective reevaluation of Die Hermannsschlacht in the late 1970s and early 1980s, with Ruth K. Angress’ 1977 article and Klaus Peymann’s 1982 production of the play at the Bochumer Schauspielhaus. Fassbinder’s own reevaluation of Die Hermannsschlacht in the form of Die Ehe der Maria Braun fits perfectly in that timeline. 2 The Sembdner edition consistently spells the titular hero’s name as “Hermann,” whereas Kleist spelled it as “Herrmann.” 3 These insights apply just as much to Die Hermannsschlacht as to Kleist’s other works. Pahl notes, for example, that Thusnelda stands in for Hermann in battle and thus reads the failure of Hermann’s masculinity as ironic: Hermann’s “excessive masculinity-marked by the double masculine signifier of his name (Herr Mann)-falters” (Pahl 134). In Pahl’s reading of Kleist’s play, Hermann’s real battle may be with his own feelings-the stage directions indicate, for example, that he is “deeply moved” by the song of the bards, and he is melodramatically unprepared even to speak-feelings that Pahl argues started to become gendered around 1800 (Pahl 134; MagShamhráin 103; SW 1, 613—615: Stage directions). The Battle of Hermann Braun 49 4 The other two films in Fassbinder’s trilogy directly addressing the state of the Federal Republic of Germany ( Bundesrepublik or BRD) are Lola (1981) and Die Sehnsucht der Veronika Voss ( Veronika Voss , 1982). 5 In Fassbinder’s film, Hermann sees Mr. Bill in the bedroom with Maria, and in Kleist’s drama, Hermann sees Ventidius go into Thusnelda’s room. Kleist’s Hermann observes: “It was to the right! The curtain rustled. He has gone into Thusnelda’s room” (MagShamhráin 23); “Rechts! Der Vorhang rausche. / Er bog sich in Thusneldens Zimmer hin” ( SW 1, 550: 505—506). 6 Uecker and Kaes emphasize the public/ private nexus around which Fassbinder’s symbolism in Die Ehe der Maria Braun is organized, demonstrating Fassbinder’s desire to filter the public (i.e, national, global) tension of the postwar period through the private, personal lives of his characters. 7 Die Hermannsschlacht was the most performed play in Germany in 1933 and 1934 (see Reeve 261—269). Works Cited Allan, Seán. “‘Die rache der barbaren sei dir fern! ’: Myth, Identity, and the Encounter with the Colonial Other in Heinrich von Kleist’s Die Hermannsschlacht .” Publications of the English Goethe Society (2009): 47—59. Angress, Ruth K. “Kleist’s Treatment of Imperialism: Die Hermannsschlacht and Die Verlobung in St. Domingo .” Monatshefte 69.1 (Spring 1977): 17—33. Caven, Ingrid. “Curious in the Present.” Chaos as Usual: Conversations about Rainer Werner Fassbinder . Ed. 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Die Annäherung an die Gedichte von Donelaitis mit Hilfe ihrer sekundären Dateien (Format der Handschrift, Biografie des Rezipienten, kontextuelle Chronologie) führt zu unerwarteten Ergebnissen mit Blick auf Entstehungszeit, Gattung und allgemeine Deutung dieser Texte: ein Trostbrief wird zum Hochzeitsgedicht, ein ehrlicher Amtmann erhebt sich plötzlich aus dem Grabe und die vergessene Pietas wird wieder zum Leben erweckt. Die vorliegende Studie wird dem Leser das Vergnügen bereiten, diese Umwandlungen gleichsam mit einem lachenden Auge mitzuverfolgen. Keywords: Donelaitis, Ostpreußen, Litauen, Literaturgeschichte, Textrekonstruktion Im breiten Forschungshorizont der Germanistik bildet der literarische Nachlass des ehemaligen Preußens einen spezifischen Fachbereich, der sich eines beständigen Interesses der Forscher erfreuen kann. Die kulturgeschichtlichen Risse des preußischen literarischen Phänomens wurden wesentlich durch den intensiven Kontakt der deutschsprachigen Kultur zu zahlreichen Minderheitenspra- 52 Vaidas Šeferis chen des ehemaligen preußischen Staates - etwa dem Litauischen, Polnischen, Kaschubischen u. a. - gekennzeichnet. Die Texte, welche im Laufe dieses langjährigen politischen und kulturellen Kontakts produziert und rezipiert wurden, bilden ein attraktives Forschungsobjekt, welches zwar nicht dem Kerngebiet der Germanistik zugeordnet werden kann, andererseits aber gerade durch seine kulturellen und sprachlichen „Grenzerfahrungen“ Inspirationen für das konzeptionelle Forschungsparadigma der Germanistik zu bieten vermag. Sei es nun die religiöse oder schöngeistige Literatur, zahlreiche königliche und behördliche Verordnungen oder die handschriftliche literarische Produktion - überall zeigen sich mannigfaltige Spuren der gegenseitigen Beeinflussung der Mehrheits- und Minderheitensprache(n). Ziel des folgenden Aufsatzes ist es, ein spezifisches Beispiel aus diesem kulturellen Grenzgebiet einem breiteren Publikum vorzustellen und das darin vorhandene Forschungspotenzial zu veranschaulichen. Das eigentliche Objekt unserer Erwägungen ist der literarische Nachlass des Pfarrers Christian Donelaitis 1 (1714-1780) aus Tollmingkehmen in Preußisch Litauen (heute Tschistyje Prudy im Kaliningrader Gebiet, Russland). Seine Texte bilden einen wichtigen Teil der deutsch litauischen Kulturbeziehungen und besitzen speziell für die Entwicklung der litauischen Literatur außerordentliche Bedeutung. 2 Donelaitis schrieb in beiden Sprachen: litauisch veröffentlichte er Mitte des 18. Jahrhunderts das umfangsreiche Jahreszeitengedicht Das Jahr (litauisch Metai ) sowie sechs originelle Fabeln. Die ersten Druckauflagen dieser Werke erfolgten allerdings erst einige Jahrzehnte nach dem Tode des Autors durch die Editionen des Professors der Königsberger Universität Ludwig Jedemin Rhesa: Das Jahr erschien im Jahr 1818, die Fabeln kamen 1824 heraus. Deutsch verfasste Donelaitis kirchliche und weltliche Poesie, von der leider nur drei kürzere Gedichte erhalten sind (im Weiteren werden wir uns eben diesen Texten zuwenden), in dieser Sprache zeichnete er ebenfalls seine autobiographischen Notizen Allerley zuverlässige Nachrichten für meinen Successor auf und führte ein umfangsreiches Pfarr-Archiv in Tollmingkehmen, welches zahlreiche unikale Urkunden aus Preußisch Litauen des 17.-18. Jahrhunderts beinhaltete. 3 Als ein zweisprachiger litauisch-deutscher Autor steht Donelaitis im Interessenfeld sowohl der litauischen als auch der deutschen Philologie und gehört zu den meisterforschten Schriftstellern der alten preußisch-litauischen Literatur. Dabei gilt, dass sein litauisch-sprachiges Schaffen (also Das Jahr und die Fabeln) bislang im Zentrum philologischer Untersuchungen stand, während sein deutscher literarischer Nachlass wesentlich weniger Aufmerksamkeit auf sich zog. Nicht zuletzt kam diese Disproportion durch spezifische, kulturgeschichtlich bedingte Rezeptionsumstände seines Schaffens zustande, die dazu führten, dass Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 53 seine litauische Dichtung in einem vorteilhaften Lichte wahrgenommen und beurteilt wurde: das Litauische war im 19. Jahrhundert vom akuten Aussterben bedroht, aus diesem Grunde sah man in der litauischen Poesie von Donelaitis, die sich durch außerordentliche Sprachqualitäten und einen beträchtlichen Textumfang auszeichnete, einen äußert wertvollen sprachlichen Schatz des bedrohten Litauischen. In diesem Zusammenhang konnte August Schleicher Das Jahr (in seiner eigentümlichen Rechtschreibung) mit folgenden Worten rühmen: „Beim lesen dieses meisterwerkes bedauert man innig, daß eine solche sprache zu grunde geht, one eine literatur zu besitzen, die an formvolkommenheit mit den werken der Griechen, Römer und Inder hätte wetteifern mögen“ (Schleicher VIII). Im Gegensatz dazu besaßen die deutschen Gedichte von Donelaitis keinen derart romantischen sprachlichen Edelrost und wurden mit einer gewissen Gleichgültigkeit vernommen. Sein erster Herausgeber Rhesa kommentierte die Situation folgendermaßen: Diese wenigen Zeilen geben uns zu erkennen, daß Donaleit auch auf dem deutschen Pindus kein Fremdling gewesen ist, indessen verstatteten die Mängel jener Zeit, als noch kein Klopfstock und Schiller aufgetreten waren, seiner deutschen Muse, noch nicht einen höheren Schwung zu nehmen. (Rhesa XX) Es ist wichtig, diesen spezifischen Rezeptionsaspekt hier genau zu vermerken: für das damalige Ostpreußen gilt in der Regel gerade das umgekehrte sprachliche Verhältnis als normal, d. h. man spricht von der übergeordneten Position des Deutschen gegenüber den lokalen Sprachen, wobei für den literarischen Genre- und Formtransfer das Litauische eindeutig als die passive, d. h. die rezipierende Seite des Kulturdialogs angesehen wird. Im Fall von Donelaitis scheint die Situation umgekehrt zu sein, da sein deutschsprachiges Schaffen weit im Schatten seiner litauischen Werke steht und in der Rezeption offensichtlich als minderwertig wahrgenommen wird. Wir werden uns dieser Situation noch einmal am Ende unserer Analyse zuwenden, an dieser Stelle genügt es lediglich hinzufügen, dass das von Rhesa eingeführte Rezeptionsmuster der donelaitischen Dichtung anachronistisch ist, da es stark von der romantischen Literaturphilosophie geprägt war, die sich zwar zur Zeit der ersten Druckauflage von Dem Jahr (1818) bereits als ein dominierendes Kulturelement etabliert hatte, in der Entstehungszeit der Werke von Donelaitis (Mitte 18. Jh.) jedoch noch keinerlei Gültigkeit besaß ( Joachimsthaler 8-10). Trotzdem drängte diese Frührezeption die deutschen Gedichte von Donelaitis für eine lange Zeit in den Hintergrund der Forschung: erst in letzten Jahren wurde dieser Teil seines Schaffens wiederum als Gegenstand für eine komplexe Interpretation entdeckt, die sich zum Ziel setzt, diese Texte in den adäquaten chronologischen und kulturellen Kontexten zu lesen. Dieser Aufsatz stellt den Versuch dar, eine neue 54 Vaidas Šeferis Betrachtungsperspektive auf diese Gedichte zu finden, um so deren bisherige Interpretationen zu erweitern und zu präzisieren. Donelaitis Schaffen erweist sich auf dem Feld der alten Philologie als ein Forschungsobjekt par excellence : die Quellenlage seiner Werke sowie ihre Überlieferungs-, Publikations- und Rezeptionsgeschichte ist derart kompliziert, dass eine adäquate Interpretation nur durch die komplexe, detektivartige Rekonstruktion der ursprünglichen Textfassung sowie der Kontexte, in welche seine Texte hineinproduziert wurden, möglich ist. Die Hauptschwierigkeiten, die man dabei zu überwinden versucht, entspringen einerseits der ungewissen Chronologie des literarischen Schaffens von Donelaitis und wurzeln andererseits in den äußerst spärlichen Angaben über die Entstehungsimpulse seiner Dichtung, bei der wir nur indirekt das von dem Schriftsteller angesprochene Zielauditorium zu ermitteln im Stande sind ( Joachimsthaler 13-19, Kessler 239-42). Der Forscher der deutschen Donelaitis-Dichtung begegnet also seinem Objekt in einer schwierigen, zugleich aber intellektuell herausfordernden Ausgangsituation. Es sind drei deutsche Gedichte von Donelaitis bekannt, die in der Fachliteratur den Konventionen gemäß durch ihre ersten Zeilen betitelt sind: Ihr Schatten schneller Zeit , Unschuld sey mein ganzes Leben und Der Gott der Finsternis. Alle drei Texte sind bereits seit dem 19. Jh. für die Donelaitis-Forschung bekannt und - die ungünstige Frührezeption einmal außer Acht gelassen - unzählige Male sowohl Deutsch als auch in litauischer Übersetzung zusammen mit dem weiteren deutschsprachigen Donelaitis-Nachlass publiziert worden. 4 Den spezifischen Rezeptionsumständen ist es allerdings zuzuschreiben, dass ungeachtet dieser umfangreichen Fachtextproduktion noch immer einige Aspekte in der Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der deutschen Gedichte von Donelaitis bleiben, die mitunter unbemerkt geblieben sind und die einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf ihre Interpretation auszuüben vermögen. Der Schlüssel dafür liegt in der Analyse der Überlieferungsgeschichte der Texte, dank der wir heute im Stande sind, die verschollenen handschriftlichen Urquellen von Donelaitis bis zu einem gewissen Grad zu rekonstruieren, um dadurch neue interpretative Impulse für ein adäquates Lesen seiner Texte zu gewinnen. Bei dem Text Ihr Schatten schneller Zeit handelt es sich um zwei Auszüge aus einem längeren Gelegenheitsgedicht von Donelaitis, das in seiner Vollfassung leider nicht erhalten ist und dessen exakte Textgestaltung unbekannt bleibt. Das Gedicht ist lediglich durch die Publikation von Rhesa belegt, der es in seinem Vorbericht zur Erstausgabe des Hauptwerks von Donelaitis Das Jahr folgendermaßen beschreibt und zitiert: Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 55 Um den Geschmack, welcher in seinen deutschen Versen herrschte zu zeigen, stehe hier der Anfang einer poetischen Epistel an seinen Verwandten und Freund, den Amtsrath Donaleitis in Sommerau, um ihn, nach dem Verlust seiner Gattin, zu trösten: Ihr Schatten schneller Zeit, ihr leicht beschwingten Stunden! Du zwanzig Jahr hindurch empfundner Augenblick, Dein Nichts ist schon dahin, dein Alles ist verschwunden: Die Liebe ruft umsonst was sie geliebt zurück. - Doch seyd einmal verschmerzt, ihr unbarmherz’gen Schmerzen! Ihr Seufzer geht zur Ruh, ihr Thraenen haltet ein; Komm Freude, komm zurück zum gramverzehrten Herzen Und laße meinen Freund nun wieder froehlich seyn! Der buntbebluemte Mai erschien mit seinen Lenzen, Und ließ sein Galakleid an allen Orten sehn; Die Flora ging ihm nach mit ihren Blumenkränzen Und hieß den Balsamduft durch unsre Luefte wehn. Gleich toente Wald und Feld von muntern Fruelingsliedern, Und Groß und Klein erschien mit seinem Saitenspiel. Das Echo hoerte man in Wiederhall erwiedern, Bis es mit seinem Nichts in seinem Nichts zerfiel. etc. Und wie? soll nur ein Mensch allein sein Unglück zaehlen, Und ohne Muth und Trost auf seinem Posten stehn? O nein, ihm ist die Welt zum Paradies gegeben Und nicht wie Heraklit nur Thraenen drin zu seh’n. (Rhesa XIX-XX) Aufgrund dieses Fragments dürfen wir annehmen, dass es hier um zwei Bruchstücke des ursprünglichen Textes handelt (durch das Kürzel „etc.“ am Ende der 16. Zeile gekennzeichnet) und dass Rhesa die Zitate aus der Anfangssequenz des Textes entnommen hat, wobei die genaue textuelle Entfernung zwischen beiden zitierten Auszügen im Dunklen bleibt. Dieser Text erhielt erst in den zurückliegenden Jahren endlich seine Gültigkeit - nämlich als selbstständiges Forschungsobjekt durch ausführliche Studien von Dilytė und Kuzborska, in denen der Text getreu der oben angeführten Aussage Rhesas als Trostgedicht interpretiert wird: „[…] Ihr Schatten schneller Zeit wurde dem Verwandten und Freund - G. A. Donalitius, Amtsrat in Sommerau, zum Trost nach dem Verlust seiner Frau gewidmet“ (Kuzborska, Deutsche Gedichte von Donelaitis 160). 5 In der langen Rezeptionsgeschichte des Gedichts ist uns jedoch kein Versuch einer genaueren Datierung des Textes bekannt. Rhesa selbst hat keinerlei Zeitangaben hinsichtlich der Entstehung des Briefs in der Erstausgabe gemacht, und in den späteren Editionen wurde dieses Gedicht zu- 56 Vaidas Šeferis meist ohne Datierung abgedruckt und interpretiert. In der letzten Ausgabe der Donelaitis-Werke wird Ihr Schatten schneller Zeit nur vorsichtig als ein Text des Schriftstellers im hohen Alter bezeichnet und - chronologisch nah an den beiden anderen deutschen Gedichten von Donelaitis - in das Jahr 1774 datiert (Vaicekauskas, Krištopaitienė und Zubaitienė xxxix). Die fehlende exakte Datierung des Gedichts lässt sich freilich anhand der sekundären Quellen rekonstruieren. Hierfür steht die Biografie des Amtsrats Donalitius aus Sommerau zur Verfügung: sie ist bereits im Jahr 1793 im Druck erschienen (Krüger) und war für die Donelaitis-Forscher sehr wohl bekannt (Passarge 370; Gineitis, Donelaičių genealogija 119). Georg Albrecht Donalitius (1. 7. 1719 in Tilsit-20. 10. 1792 in Kurschen) war Amtsrat im königlichen Amt Sommerau in Preußisch-Litauen und jener Adressat, dem Donelaitis das Gedicht Ihr Schatten schneller Zeit widmete. Zwar werden in seiner Biografie weder der Dichter Donelaitis noch das Trostgedicht erwähnt, doch finden sich genaue Zeitangaben zum Eheleben des Amtsrats: Am 19ten September 1749 verehlichte er sich mit einer Tochter des Landrentmeisters Jester in Gumbinnen, lebte mit ihr bis zum 20sten Januar 1769 im Ehestande, da sie im Kinderbette starb, und erzeugte mit derselben funfzehn Kinder, wovon jetzt nur noch sieben leben, die aber alle versorgt sind. Am 20sten Julius 1769 verheiratete er sich wiederum mit Maria Barbara, einer Tochter des Cammer Registrator Schmidt in Gumbinnen, und erzeugte mit derselben drei Kinder, die jetzt noch unversorgt bei ihrer Mutter leben. (Krüger 8-9) Aufgrund dieser Angaben können wir das Gedicht Ihr Schatten schneller Zeit vorerst in das Jahr 1769 datieren, wobei das Todesdatum (20.01.1769) der ersten Ehefrau des Amtsrats George Donalitius als terminus post quem dient: sollte das Gedicht zum Trost nach dem Tode der Ehefrau des Amtmanns geschrieben sein, konnte dies lediglich nach diesem Datum geschehen sein. Die im Gedichttext erwähnten 20 vergangenen Jahre („Du zwanzig Jahr hindurch empfundner Augenblick“) stimmen mit den in der Biografie erwähnten Zeitangaben überein und verweisen eindeutig auf die Dauer der ersten Ehe des Amtsrats Donalitius 1749-1769. Alternative Deutungen dieser Textstelle sind kaum möglich, aus diesem Grunde erweist sich leider die Annahme Kuzborskas, das Gedicht sei 20 Jahre nach dem Tod der Ehefrau des Amtsrats als eine tröstende Erinnerung an diese entstanden ( Deutsche Gedichte von Donelaitis 166), als unbegründet. Wir möchten an dieser Stelle eine weitere Präzisierung der Entstehungszeit dieses Textes zur Diskussion stellen: Der Amtsrat Donalitius schloss auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Tode seiner ersten Frau eine neue Ehe. Der Tod der ersten Gattin und die neue Hochzeit nur wenige Monaten später spiegeln Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 57 eine merkwürdige existentielle Situation, einen scharfen Gegensatz, der offenbar dem Kompositionsmuster des Gedichtes entspricht: diese zwei innerhalb eines kurzen Zeitabstands aufeinanderfolgenden Ereignisse bilden eine starke außertextuelle Referenz für jene semantischen Gegensätze, auf denen das Kompositionsschema dieses Textes beruht, vgl. „Doch seyd einmal verschmerzt, ihr unbarmherz’gen Schmerzen! / / Ihr Seufzer geht zur Ruh, ihr Thraenen haltet ein“. Der Inhalt und die Komposition des Gedichts zeugen davon, dass dieser Text von Donelaitis nicht allein das Unglück und den Tod reflektiert, um dem Adressaten den gebührenden Trost vor Augen zu führen, sondern hebt zugleich die glückliche, ja freudige Seite des Lebens hervor. Sowohl qualitativ wie auch quantitativ genommen transmittiert die Symbolik des Gedichtes weitaus mehr Freude als Trauer und sie beinhaltet zahlreiche Anspielungen auf das neugefundene Glück des verwitweten Amtsrats, welches in der Affirmation des Nicht-Allein-Seins zum Ausdruck kommt, z. B.: Komm Freude, komm zurück zum gramverzehrten Herzen Und laße meinen Freund nun wieder froehlich seyn! […] Und wie? soll nur ein Mensch allein sein Unglück zaehlen, Und ohne Muth und Trost auf seinem Posten stehn? O nein, ihm ist die Welt zum Paradies gegeben Und nicht wie Heraklit nur Thraenen drin zu seh’n. Angesichts aller oben beschriebenen Umstände scheint es uns angemessen, die Entstehung des Gedichts Ihr Schatten schneller Zeit in einen engen Zusammenhang mit der zweiten Hochzeit (20.07.1769) des Amtsrats Donalitius zu stellen und somit in den Juli 1769 zu datieren: der Text könnte entweder kurz vor der Hochzeit oder gleich nach dieser entstanden sein. Die neue Datierung findet Unterstützung auch in den oben erwähnten jüngeren Studien zu diesem Gedicht. Dilytė und Kuzborska weisen auf die Tendenz des Gedichtes hin, den Moment des Todes und der Trauer im Text gewissermaßen zu tilgen und das Fröhliche und Glückliche zu betonen. So merkt Dilytė (23) an: „Da der Autor den Adressaten ermahnt, den Gram zu vergessen und sich des Lebens zu erfreuen, kann man vermuten, dass der Brief nicht sofort nach dem Unglück, sondern mit einigem Zeitabstand geschrieben wurde.“ 6 Kuzborska ihrerseits spricht sehr überzeugend von der Zugehörigkeit des Gedichts zur anakreontischen Dichtung, welche wiederum vor allem Freude und Liebe thematisiert: Der Aussage nach gehört dieses Gedicht in die Konvention der Anakreontik, die die Freude an der Welt und am Leben zum Thema hatte, vor allem in der Darstellung der 58 Vaidas Šeferis Liebe, der Freundschaft und Geselligkeit, des Weingenusses und der Freude an der Natur. […] In diesem Sinne ist es das einzige Werk im Schaffen von Donelaitis, wo das Liebesthema leicht berührt wird.“ ( Deutsche Gedichte von Donelaitis 166-7) 7 Derartige Aspekte des Gedichts lassen sich viel natürlicher unter Berücksichtigung der zweiten Ehe des Amtmanns Donalitius deuten. Die zitierte Angabe Rhesas, nach welcher der Text als ein Trostbrief geschrieben wurde (Rhesa XIX), kann nicht als Gattungsdefinition gelten: Rhesa interpretierte Donelaitis mehrmals ziemlich willkürlich entsprechend seinen aktuellen kulturideologischen Bedürfnissen (vgl. Joachimsthaler 8-11), somit ist auch seine Aussage zum Gedicht Ihr Schatten schneller Zeit mit gewissen Vorbehalten zu genießen. In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig, auf einen weiteren bislang nicht diskutierten Aspekt der Textüberlieferung von Ihr Schatten schneller Zeit aufmerksam zu machen. Zwar wissen wir nicht, aus welcher Quelle Rhesa den Donelaitis-Brief in seiner Ausgabe von 1818 zitierte, doch ist es mehr als wahrscheinlich, dass er ihn im Nachlass des Dichters unter anderen Schriftstücken gefunden hat. In jedem Fall kann es sich nicht um jenes Exemplar gehandelt haben, welches der Schriftsteller dem Adressaten übergeben hatte: Rhesa arbeitete ausschließlich mit dem Nachlass des Tollmingkehmischen Donelaitis und nicht mit jenem des Amtsrats aus dem Sommerau. Folglich ging es um ein Schriftstück, welches der Dichter bei sich aufbewahrt hatte. Insofern lässt sich bei aller Vorsicht die Hypothese formulieren, dass Donelaitis das Gedicht dem Adressaten in der schriftlichen Form gar nicht übergab, sondern es mündlich auf der Hochzeit vortrug. Dies stünde im Einklang mit dem kulturellen Kontext jener Zeit, in der die mündliche Textüberlieferung noch in voller Blüte stand ( Joachimsthaler 13-14) und würde auch der bekannten Praxis von Donelaitis entsprechen, seine Dichtung dem Publikum mündlich vorzutragen, vgl. den Brief von Donelaitis an seinen Confrater Johann Gottfried Jordan vom 16.08.1776, in dem Donelaitis explizit hierüber spricht (Vaicekauskas 61-64). Ein solcher Perspektivwechsel in der Rezeptionsgeschichte dieses Textes scheint angemessen zu sein, wobei Ihr Schatten schneller Zeit unter diesem Betrachtungswinkel weit eher als ein Hochzeitsgedicht und nicht als ein Trostbrief zu bezeichnen ist. Somit können wir nicht nur die exakte Entstehungszeit des Gedichts feststellen, sondern auch die Gattungsmerkmale dieses Textes innerhalb des Funktionsspektrums der Gelegenheitsliteratur präzisieren. Das Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben entstammt dem Taufbuch der Tollmingkehmischen Kirche für die Jahre 1755-1773, wo es von Donelaitis am Ende der Taufangaben für das Jahr 1760 eingetragen wurde. Das Taufbuch selbst gilt als verschollen (mehr dazu Schiller 12-14), deshalb ist der Gedichttext nur durch die Erstausgabe von Franz Tetzner aus dem Jahre 1896 gesichert (Tetzner, Die Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 59 Tolminkemischen Taufregister 29). 8 Für unsere weiteren Erwägungen zu diesem Text ist es wichtig, sich streng an die von Tetzner (wieder)gegebene Form der dem Taufbuche entnommenen Einträge für das Jahr 1760 zu halten, aus diesem Grunde bedienen wir uns hier des Faksimiles aus der Altpreußischen Monatsschrift (Abb. 1). Abb. 1: Tetzner, die Donelaitischen Einträge im Taufbuch 1755-1773 für das Jahr 1760 Die abgebildete Textfassung zeigt deutlich, dass Tetzner die Taufbucheinträge nicht komplett wiedergab, sondern mit ausgewählten Inschriften arbeitete, welchen er aus mehreren Gründen (die er allerdings nirgendwo definierte) einen größeren kulturgeschichtlichen Wert zusprach. Für die Donelaitis-Einträge aus dem Jahr 1760 erachtete Tetzner es als notwendig, neben dem Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben noch den Kommentar über den Amtmann Boltz (die ersten zwei Zeilen im Faksimile) und den Nachtrag von Donelaitis für seinen Nachfolger im Pfarramt (die drei letzten Zeilen des Faksimiles) in die Publikation einzubeziehen. (Bei den in eckigen und runden Klammern angeführten Textfragmenten im Faksimile selbst handelt es sich um Tetzners Kommentare, mit welchen er üblicherweise die publizierten Quellen häufig ausstattete.) Das Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben hat sich erst vor kurzem als ein selbständiges Forschungsobjekt etabliert, indem es von Kuzborska ausführlich beschrieben und interpretiert wurde ( Deutsche Gedichte von Donelaitis 160-164; Donelaitis als deutscher Dichter 103-107). Ihre Analyse stellt dieses Gedicht in den Kontext der europäischen Glaubens- und Konfessionsproblematik des 18. Jh. und offenbart darin den Ausdruck der pietistischen Denkprägung des Dichters: 60 Vaidas Šeferis Das Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben ist also ein Fazit des unschuldigen Lebens, dessen Schuld-Rhetorik laute Tugend und Redlichkeit bedeutete. Dieses Gedicht ist ein pietistisches Bekenntnis von Donelaitis, das in seinen Metai an keiner Stelle so offen artikuliert wurde. (Kuzborska, Deutsche Gedichte von Donelaitis 164) Als bedeutsam erweist sich darüber hinaus die spezifische emotionale Prägung des Gedichts, in der Kuzborska eine konventionelle - Donelaitis als Albertina- Student vermittelte - Ausdrucksform des pietistischen Gefühlchristentums erkennt (vgl. Kuzborska, Deutsche Gedichte von Donelaitis 161): Eine wahre Frömmigkeit - „Pietät“ - sei eine Herzensangelegenheit. „Ein redliches Leben“, wie es Donelaitis versteht, ist ebenso die Priorität des Herzens: „sey mein ganzes Herz bereit“; […] Das Gedicht gibt außerdem ein pietistisches ‚Liebesgeständnis‘ wieder, das sonst in seinen Texten niemals zum Ausdruck gebracht wurde: „Gott und Menschen ohne Schein zu lieben“. (Kuzborska, Deutsche Gedichte von Donelaitis 162) Das problematische Moment in der Rezeptionsgeschichte von Unschuld sey mein ganzes Leben sollte man in der älteren Fachliteratur suchen, nämlich in einer kurzen, in seiner interpretativen Wirkung jedoch ausschlaggebenden - 1977 von Leonas Gineitis geäußerten - Aussage über die Entstehungsgründe des Textes. Gineitis bemühte sich, die Entstehung des Gedichts in einem inhaltsrelevanten Zusammenhang mit weiteren Einträgen von Donelaitis im Taufbuch für das Jahr 1760 zu beschreiben. Dabei gelangte er zu folgendem Schluss: Das Gedicht wurde von Donelaitis 1774 bei der Erinnerung des Todes seines Freundes, Amtmanns von Waldaukadel F. Boltz, geschrieben, und wurde neben dem Todeseintrag des letzteren (31.10.1760, Eintrag Nr. 129) in dem Taufbuch der Tollmingkehmischen Kirche für die Jahre 1755-1773 eingeschrieben. (Gineitis, Komentarai 391) Dieser These nach soll es sich bei dem Text Unschuld sey mein ganzes Leben um ein Trauergedicht gehandelt haben, in welchem die herausragenden Charaktereigenschaften des verstorbenen Amtmanns und guten Freunds von Donelaitis zur Geltung kommen. Dieses von Gineitis vorgeschlagene Schema der (kon)textuellen Zusammenhänge der Taufbucheinträge fand auch in die spätere Forschung Eingang (Kuzborska, Deutsche Gedichte von Donelaitis 160, Donelaitis als deutscher Dichter 103; Vaicekauskas, Krištopaitienė und Zubaitienė xxxi, xxxix). Betrachten wir nun diese Aussage von Gineitis unter dem Blickwinkel der Textüberlieferung des verschollenen Taufbuchs etwas genauer. Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 61 Bei dem Kommentar über Boltz („ 129. 31. Okt. Herr Amtmann Frantz Boltz - war ein feiner Kopf und ein Freund der Religion“) kann es sich keinesfalls um einen Todeseintrag gehandelt haben. Dagegen spricht nämlich, dass Boltz im Jahr 1760 ohne Zweifel noch am Leben war, zumal zwei Jahre später, nach seinem „wiederholten Begehren“, Donelaitis eine offizielle Mitteilung während des Gottesdienstes in Tollmingkehmen vorlesen und den Gemeindemitgliedern Boltzens Recht auf einen speziellen Stand in der Kirche in Erinnerung gebracht werden sollte (Tetzner, Neue Donalitiana 306). 9 Darüber hinaus wurden die Angaben über die verstorbenen und getauften Gemeindemitglieder damals in Tollmingkehmen, ebenso wie in allen anderen preußischen Pfarreien, strikt separat und keineswegs miteinander vermischt behandelt (im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig wird unter der Signatur BA106 die Abschrift des Alphabetischen-Sterbe-Registers der Kirche zu Tollmingkehmen de Anno 1753 aufbewahrt). Es ist daher ausgeschlossen, dass es bei dem in ein Taufbuch eingetragenen Boltzschen Kommentar um einen Todeseintrag gehandelt haben könnte. Gineitis gelangte zu dieser falschen Interpretation wahrscheinlich durch die nächste, von Tetzner wiedergegebene Zeile des Taufbuchs (s. das Faksimile): „ 136 . (Schlussnummer) Es starben 24 + 27 = 51“. Da diese Zeile in der Textfassung Tetzners gleich nach dem Boltzschen Kommentar folgt und von den Verstorbenen spricht, leitet Gineitis daraus einfach einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen beiden Inschriften ab und interpretiert den Kommentar als Todeseintrag. Die verfügbaren kontextuellen Angaben zeigen jedoch, dass es in dem verschollenen handschriftlichen Original des Taufbuchs einen gewissen Textabstand zwischen beiden Inschriften gegeben haben muss: Boltz ist beim Eintrag 129 erwähnt und die Zahlen der Verstorbenen folgen erst unter der Nummer 136. Zwischen beiden Textsegmenten befanden sich also noch 5 Taufeinträge, die Tetzner leider nicht wiedergegeben hat. Die räumliche Distanz zwischen beiden Segmenten im Manuskript selbst muss folglich beträchtlich gewesen sein. Um uns ein genaueres Verständnis davon vor Augen zu führen, kann man das einzig erhaltene Taufbuch aus Tollmingkehmen für die Jahre 1725-1754 hinzuziehen, welches uns ein exaktes Bild von Umfang und Anordnung der Taufeinträge von Donelaitis liefert. 10 Mit seinem spezifischen Format 12 x 35 cm erweist sich das Taufbuch als ziemlich schmal, wobei auf jeder Seite durchschnittlich 3 oder 4 Taufeinträge verzeichnet sind (Abb. 2). 62 Vaidas Šeferis Abb. 2: Donelaitis, Taufeinträge aus dem Jahr 1747 Es besteht keinerlei Zweifel, dass auch das verschollene Taufbuch für die Jahre 1755-1773 in gleicher Weise geführt wurde. Man kann somit annehmen, dass es zwischen dem Kommentar über Boltz und dem Schlusseintrag Nr. 136 (dem noch das Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben folgt) minimal eine Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 63 vollbeschriebene Seite mit weiteren Einträgen gab, oder eher, dass sich beide Textsegmente auf zwei verschiedenen Seiten befanden. Vom graphischen Sichtpunkt aus gesehen besteht also kein Grund, diese Textsegmente als miteinander verbundene Inschriften wahrzunehmen: ihre texträumliche Nähe ist lediglich in der Tetznerischen Textfassung vorhanden und darf nicht auf das handschriftliche Original bezogen werden. Was die in dem Eintrag Nr. 136 angegebenen Zahlen der Verstorbenen anbetrifft, handelt es sich dabei um die Statistik der verstorbenen Kinder für das Jahr 1760: konkret geht es um 24 Jungen und 27 Mädchen, vgl. ähnliche Einträge für die Jahre 1753, 1754, 1756, 1757 (Tetzner, Die Tolminkemischen Taufregister 25-26). Diese Zahlen stellen einen systematisch von Donelaitis behandelten statistischen Parameter dar und erscheinen häufig neben der Zahl der getauften Kinder, zumal sich erst aus ihrer Summe ein realer Zuwachs der Kirchgemeinde ergibt. Tetzner seinerseits zeigte ein reges Interesse für diese Angaben und hat diese deshalb in seine Publikation einbezogen. 11 In jedem Fall besteht kein Zusammenhang zwischen dieser Statistik und den Lebensdaten des Amtmanns Boltz. Die oben dargestellten Textüberlieferungsaspekte zeigen eindeutig, dass man zwischen den Einträgen Nr. 129 (Boltz) und 136 (Kinderstatistik) weder einen texträumlichen noch einen inhaltlichen Zusammenhang postulieren kann. Mit größter Wahrscheinlichkeit handelte es sich bei dem Eintrag Nr. 129, neben dem Donelaitis den Kommentar über den Amtmann Boltz schrieb, um den Taufvermerk eines unbekannten Kindes (der eigentliche Taufeintrag ist von Tetzner nicht überliefert), in dem Boltz entweder als Vater oder als Pate erschien. Mit dem in dieser Weise „auferstandenen“ Boltz bricht nun endgültig die Annahme von Gineitis zusammen, das Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben sei als eine Erinnerung an den verstorbenen Amtmann verfasst worden. Eine solche Interpretation lässt sich weder durch den Text noch durch den Kontext der Taufeinträge für das Jahr 1760 begründen. Bemerkenswert erscheint, dass auch Tetzner nirgendwo von einem biographischen, inhaltlichen oder einem anderen Zusammenhang dieser zwei Einträge spricht. Alle vorhandenen Angaben deuten darauf hin, dass der Kommentar über Boltz überhaupt in keinem inhaltsrelevanten Verhältnis zum Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben steht. Beide Inschriften sind unabhängig voneinander zu lesen und zu interpretieren, und die von Gineitis ins Spiel gebrachte Interpretation schlicht als ein Missverständnis zu bezeichnen. Im Gegensatz dazu besitzt der gleich sich dem Gedicht anschließende, an den zukünftigen Nachfolger gerichtete Nachtrag von Donelaitis für die Erklärung der Entstehungsimpulse und Datierung von Unschuld sey mein ganzes Leben entscheidende Bedeutung: „NB. Mein Bruder, mein Nachfolger, denke an mich, 64 Vaidas Šeferis wenn Du dieses liesest. Uebe Dich allenthalben, redlich und treu zu seyn. Wir werden uns an jenem großen Tage sehn. 1774“. Der Verweis „wenn Du dieses liesest“ deutet auf ein klares metatextuelles Verhältnis zwischen Kommentar und Gedicht und ermöglicht somit, die nach dem Kommentar angeführte Jahreszahl 1774 als die Entstehungszeit des Gedichts zu bezeichnen, vorausgesetzt, beide Segmente wurden in einem Atemzug niedergeschrieben. Nachdem sich die von Gineitis vorgeschlagene Erklärung der Entstehungsimpulse des Gedichts als unzutreffend erwiesen hat, bleibt die Frage offen, was der wahre Anlass für die Entstehung dieses Verses gewesen sein könnte? Für die Beantwortung dieser Frage besitzt die Platzierung des Textes im verschollenen Taufbuch große Bedeutung. Tetzner bezeichnet den Eintrag Nr. 136 als Schlussnummer, hier endeten also die Taufvermerke für das Jahr 1760. An dieser Stelle verbinden sich zwei besondere Textaspekte miteinander: zum einen zeugt die Textgliederung des erhaltenen Taufbuchs von 1725-1754, dass mitunter (jedoch keineswegs regelmäßig) ein leerer Platz nach dem letzten Jahreseintrag auf der Seite verblieb, zumal die Einträge für das darauffolgende Jahr auf einer neuen Spalte oder Seite begannen; zum anderen erweist sich die Schwelle zum neuen liturgischen Jahr als eine stark symbolisch markierte Stelle des Taufbuches, die klar für einen Kommentar geeignet scheint. Im überlieferten Buch aus Tollmingkehmen sieht man, dass wo immer nur die erste Bedingung - also ein leerer Platz auf der Seite des Jahresendes - erfüllt war, Donelaitis seine Kommentare und Nachträge hinzufügte: diese wurden von ihm ex post bei einer Revision des Pfarrarchivs im Zeitraum zwischen 1772 und 1775 eingetragen und wenden sich oft an seinen damals noch unbekannten zukünftigen Nachfolger im Pfarramt. Diese zeitlich dem Unschuld sey mein ganzes Leben nahestehende Schicht der Jahresendkommentare bildet den relevanten Interpretationskontext für das Gedicht: Mi Successor! Gedenke oft bey Führung deines Amtes an die Worte Petri 1. P. 54, 2. 3. 4. Gedenke an meinen Staub und daß du alles verantworten mußt. 1772. (Tetzner, Die Tolminkemischen Taufregister 23) Mi successor! Laß doch deine Söhne, wenn du welche hast und der Theologie widmen willst, fein zeitig littausch lernen, damit sie der Gemeine Gottes in Litt. ordentlich vorstehen können. […] 1773. (Tetzner, Die Tolminkemischen Taufregister 23) Höre mein geehrter Nachfolger! was mein Staub dir zuruft. Führe dein Amt redlich als ein rechtschaffener Knecht Jesu und denke oft an flg. Sprüche: Matth. 5, 9-12; 19, 27 ff. 1 Cor. 4, 1. 1. Petr. 5, 2. 3. 4. Apoc. 20, 11 f. 1773 den 21. Dec. notam. (Tetzner, Die Tolminkemischen Taufregister 27) Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 65 Das Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben und der sich daran anschließende Nachtrag für den Nachfolger fügen sich reibungslos in die oben angeführten Belehrungen ein. In derselben Zeit (1773) beginnt Donelaitis auch seine autobiographischen Notizen, die Allerley zuverlässigen Nachrichten für meinen Successor niederzuschreiben, welche ebenfalls eine Fülle von den Ermahnungen, Warnungen und Ratschläge sowohl geistlichen als auch praktischen Charakters von Donelaitis für denselben imaginären Adressaten, nämlich seinen Nachfolger, beinhalten. Deshalb ist das im Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben geformte Menschenbild vor allem unter dem Blickwinkel der didaktischen Textfunktion zu lesen. Die Aussage des Gedichts ist somit nicht an das quasi autobiographische Subjekt (das donelaitische ich ) als ein idealisiertes Selbstporträt gebunden, sondern sie stellt ein Beispiel, ein ideales Bild dar, welches dem Nachfolger vorgezeichnet wird: so soll sich ein rechter Pfarrer benehmen, schaffst du es? Erst die nach dem Gedicht im Kommentar folgenden Worte „denke an mich, wenn Du dieses liesest“ knüpfen an die sekundäre interpretative Isotopie an, wo der Sprecher es wagt, sich selbst neben dieses Exemplum zu stellen und sich dadurch das ethische Ideal zumindest indirekt zu eigen zu machen. 12 Der Entstehungskontext und der Aussagecharakter des dritten deutschen Gedichts von Donelaitis, Des Gottes der Finsternis , steht dem Gedicht Unschuld sey mein ganzes Leben sehr nahe. Der Gott der Finsternis befindet sich unter den hier schon mehrfach erwähnten autobiographischen Notizen des Dichters Allerley zuverlässige Nachrichten für meinen Successor : dieser handschriftliche „Convolut Pack Nachrichten“, wie es Donelaitis selbst bezeichnete (Donelaitis, Amtsbericht 17), bestand aus 20 kleineren Kapiteln, wobei Der Gott der Finsternis im 14. Kapitel enthalten ist. Auch in diesem Fall gilt die handschriftliche Quelle als verschollen und der Text ist nur durch Tetzners Publikation überliefert, wo er folgendermaßen lautet: Der Gott der Finsternis, der abgefeimte Teufel, Erbauet gern den Thor durch eingehaute Zweifel, Und dieser ranzt sogleich den Unflath in ein Buch; Zum Leyd der Redlichen, und seinem eignem Fluch. Die Hölle freuet sich bey diesen Kindesnöthen, Und jauchzet, wenn sie sieht den Trost des Glaubens tödten, Drauf fährt die Pestilenz, mit der verdammten Schrift, Aus des Verlegers Hand in alle Welt wie Gift (Donelaitis, Amtsbericht 25) 13 Es zeigt sich, dass die vor kurzem festgestellte interpretative Isotopie zwischen den Kommentaren in den Taufbüchern und dem Unschuld sey mein ganzes Leben 66 Vaidas Šeferis auch auf Den Gott der Finsternis ausgedehnt werden kann. Für diesen Zweck es ist wichtig, die Frage nach der Entstehungszeit dieses Gedichts und dem narrativen Kontext, in welchen es hineinproduziert wurde, zu stellen. Die Entstehungszeit Des Gotts der Finsternis kann nur indirekt anhand der chronologischen Angaben an anderen Stellen der Nachrichten ermittelt werden. Der Gott der Finsternis findet sich am Ende des 14. Kapitels ohne jegliche Zeitangaben, somit bilden die Termini post quem und ante quem, die sich im 12. bzw. im 16. Kapitel befinden und deren Chronologie man anhand der Donelaitis-Aussagen relativ exakt berechnen kann, den Datierungsreferenzrahmen. Im 12. Kapitel heißt es: „Da ich dieses schreibe, bin ich 60 ½ Jahr alt und noch recht munter“ (Donelaitis, Amtsbericht 23). Mit Blick auf diese Information und das Geburtsdatum von Donelaitis (01.01.1714) gibt Tetzner die Entstehungszeit des 12. Kapitels als den 1. 7. 1774 an (Tetzner, Zum zweihundertjährigen Geburtstag 186). Es scheint jedoch unbegründet, die Donelaitis-Aussage derart haargenau auf den Tag festzulegen, so dass die Datierung etwas relativiert werden sollte: dieses Kapitel könnte irgendwann Anfang Juli 1774 entstanden sein. Am Beginn des 16. Kapitels finden wir dann folgende Angabe: „16) NB. Soweit war ich Anno 1775, in meinem 62sten Lebensjahre, mit meinen Nachrichten gekommen; als mit einemmal ein Lärm wegen des Kirchenlandes […] erreget wurde, […]“ (Donelaitis, Amtsbericht 27). Die zitierten Zeitangaben beziehen sich in diesem konkreten Fall auf die Entstehungszeit des vorhergehenden Kapitels Nr. 15 und dürfen nicht mit der eigentlichen Schreibzeit des 16. Kapitels verwechselt werden: diese hat Donelaitis mit der ihm üblichen Pünktlichkeit einige Absätze weiter notiert („Scripsi 1778 d. 2. Aprilis am Donnerstag nach Mittag“; Amtsbericht 28). Der erwähnte Streit um den kirchlichen Grund und Boden verweist auf den Prozess der Gütertrennung zwischen der Tollmingkehmischen Pfarrei und dem dortigen königlichen Vorwerk, der mit dem offiziellen Schreiben des Insterburgischen Justiz-Collegii an Donelaitis vom 24. Juli 1775 begann (Tetzner, Christian Donalitius 295), woraus folgt, dass das 15. Kapitel der Allerley zuverlässigen Nachrichten vor diesem Schreiben, also spätestens Mitte Juli 1775, entstanden sein muss. Was die Entstehungszeit des 12. und 15. Kapitels betrifft, sind wir nun in der Lage, die Datierung des Gedichts Der Gott der Finsternis (im 14. Kapitel) festzulegen: es könnte zwischen Anfang Juli 1774 und Mitte Juli 1775 geschrieben worden sein. Manche Forscher arbeiten in diesem Fall mit etwas exakteren Zeitangeben: so identifiziert Tetzner die Entstehung des Gedichts mit dem Jahr 1775 ( Zum zweihundertjährigen Geburtstag 267), während Kostas Doveika die Entstehung des Gedichtes in die Zeit „kurz vor dem Beginn des Jahres 1775“, also in das Jahresende 1774, rückt (Doveika 343); in beiden Fällen lässt sich jedoch keine Argumentation für solche Entscheidung finden. Anhand der überliefer- Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 67 ten Quellen verfügen wir über keinerlei Möglichkeit, das Entstehungsdatum des Gedichts genauer als auf ein Jahr ( Juli 1774-Juli 1775) zu datieren; dies erweist sich jedoch als ausreichend, um Den Gott der Finsternis in den gleichen Zeitabschnitt wie die Entstehung von Unschuld sey mein ganzes Leben und der Kommentare in den Taufbüchern einzuordnen. Was den narrativen Kontext Des Gotts der Finsternis anbelangt, ist bei ihm, ähnlich wie im Fall der Unschuld , eine Beziehung zu den Kommentaren in den Taufbüchern klar erkennbar, vgl.: NB.: Zu meiner Zeit nahm schon die Freygeisterey in Preußen sehr überhand; auch manche Geistlichen warens (? ). 1 Cor. 13, 1. (Tetzner, Die Tolminkemischen Taufregister 28) NB.: Bey der überhand nehmenden Freygeisterei und Unglauben zu meiner Zeit habe ich oft an flg. Schriftstellen gedacht Luc. 18, 8. 23. Marc. 13, 21-23. Joh. 6, 66. Röm. 11, 3. 16. 2 Tess. 2, 3-12. 1. Tim. 4, 1. -4, 3, 4. - 3,1. - 2 Petri 3, 3 ff. - Jud 10 ad finem Ap. 16, 15. 20, 11 ff. NB. Hat sich Paulus und andere Bekenner Jesu umsonst martern lassen Matth. 10, 16 ff. (Tetzner, Die Tolminkemischen Taufregister 28) Zu meiner Zeit verfiel die Gottseligkeit in der Art, daß auch Prediger ohne Scheu um Geld lombrierten und das Diebesgeld in die Tasche steckten. Merke dieses Nachwelt. (Tetzner, Die Tolminkemischen Taufregister 30) Den semantischen Kern dieser Aussagen bildet die sich mit der aufklärerischen Weltanschauung einhergehende Verbreiterung der Freigeisterei, welche in ihrer Auswirkung zu einer dramatischen inneren und äußeren Bedrohung der Autorität der Kirche führt. In seinen Allerley zuverlässigen Nachrichten macht Donelaitis ebenfalls Anspielungen an die rhetorischen Angriffe, derer sich ein redlicher Pfarrer in seiner Zeit zu erwehren hatte: Wir müssen […] Niemand ärgern, damit das Christentum zu dieser ungläubigen Zeit nicht verlästert werde. […] Denn uns nimmt man alles übel, und wenn es bisweilen noch so unschuldig ist. […] NB. Ein jeder lauert darauf zu unserer Zeit und macht sich einen jeden Fehltritt des armen Predigers zu Nutze, um ihn zu lästern und zu verfolgen. (Donelaitis, Amtsbericht 23-24) Das unmittelbar diesen Klagen folgende Gedicht Der Gott der Finsternis thematisiert eben eine solche Situation der Bedrohung und Gefahr für die wahre Christlichkeit, allerdings mit dem Unterschied, dass die feindlichen rhetorischen Angriffe diesmal nicht durch (anonyme) Bekenner der Freigeisterei, sondern durch das Druckmedium drohen, vgl. „Drauf fährt die Pestilenz, mit der verdammten Schrift, / Aus des Verlegers Hand in alle Welt wie Gift“ (Donelaitis, 68 Vaidas Šeferis Amtsbericht 25). Der Gott der Finsternis erweist sich somit im Kontext der vorher angeführten Donelaitis-Kommentare in den Taufbüchern und den Allerley zuverlässigen Nachrichten als eine konsequent fortgeführte, literarisch gesteigerte Kritik der Freigeisterei und Gottlosigkeit. Kuzborska hat eine detaillierte Analyse dieser Konfliktsituation und ihrer kontextuellen Zusammenhänge in ihrer Studie vorgelegt ( Deutsche Gedichte von Donelaitis 171-176). Die Forscherin interpretiert das Gedicht nicht als eine situationsbedingte Aussage von Donelaitis über eine konkrete „verdammte Schrift“ (etwa ein Werk von Voltaire oder Rousseau, wie es Gineitis vorgeschlagen hat, s. Gineitis, Komentarai 391), sondern sie sucht den Prätext des Gedichts in der Publizistik der deutschen Frühaufklärung am Anfang des 18. Jahrhunderts (Kuzborska, Deutsche Gedichte von Donelaitis 172). Dabei entdeckt sie, dass Der Gott der Finsternis in einem offenkundigen stilistischen Einklang mit der Rhetorik des damaligen konservativen Pietismus steht: die von orthodoxen Pietisten heftig bekämpfte aufklärerische Presse (Kuzborska analysiert die Situation um die Hamburger Zeitschrift Der Patriot , 1724-1726) wurde damals mit einem ähnlichen rhetorischem Wortarsenal angegriffen, welches wir im Gott der Finsternis entdecken, vgl. die von Kuzborska angeführten Beschimpfungen Des Patriots : „ein Teufel, dessen Anschläge ein Fluch und Pestilenz sind; ein vom Höllischen Fieber unsinniger Pasquillant“ etc. (Kuzborska, Deutsche Gedichte von Donelaitis 173). Das Gedicht Der Gott der Finsternis ist also als eine kultur-theologische Aussage zu verstehen, in welcher Donelaitis seine konservative, pietistisch geprägte und eindeutig gegenaufklärerische Weltanschauung zum Ausdruck bringt. Die einzige Frage, auf die Kuzborska’s Interpretation keine eindeutige Antwort liefert, ist der markante zeitliche Abstand zwischen den aufklärerischen Debatten vom Beginn des 18. Jahrhunderts und der Entstehungszeit Des Gotts der Finsternis (1774/ 1775): Desto erstaunlicher ist es, da die Polemik zu seiner Zeit nicht mehr aktuell war. Wie Donelaitis an die alten Flugschriften gelangte, warum er […] den alten Zwist auffrischen wollte, warum er diese konservativen Gedanken so ordentlich poetisch bearbeitet hat - diese und andere Fragen bleiben offen. (Kuzborska, Deutsche Gedichte von Donelaitis 175) Die in unserer Analyse vorgenommene chronologische und gattungs-funktionelle Umgestaltung der deutschen Gedichte von Donelaitis erlaubt hier eine Erklärung anzubieten, die sich auf die intertextuellen Beziehungen seines Schaffens beruft. Unschuld sey mein ganzes Leben und Der Gott der Finsternis erscheinen bei näherer Betrachtung als zwei eng miteinander verbundene dichterische Äußerungen von Donelaitis, die nicht allein im chronologischen Sinne einan- Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 69 der nahestehen, sondern auch inhaltlich aufeinander bezogen sind, indem das erste Gedicht das christliche Ideal und das zweite die Bedrohung der Kirche rhetorisch veranschaulichen. Beide Texte stehen in der Konvention des pietistischen Gefühlchristentums, nur basieren ihre Aussagen auf entgegengesetzten emotiven Haltungen: wurde Unschuld sey mein ganzes Leben als ein Bekenntnis zu der „liebenden“ Christlichkeit verfasst, so äußert sich im Gott der Finsternis der Hass auf die Feinde des wahren Glaubens. In beiden Fällen ist es aber eben die Emotion (Liebe oder Hass), die den rhetorischen Impetus vorantreibt. Die lebensphilosophischen Aussagen von Donelaitis zeichnen sich also durch einen hohen Grad des Affekts aus, was in einem klaren Kontrast zur aufklärerischen Rationalität steht. Zudem verrät die Analyse der verfügbaren chronologischen Daten, dass beide Gedichte einem breiteren intertextuellen Netz des deutschsprachigen schriftlichen Nachlasses von Donelaitis angehören, durch das man die literarische Aktivität des Schriftstellers in den Jahren 1773-1775 zurückverfolgen kann und in welchem diese zwei Donelaitis-Gedichte - zusammen mit den Kommentaren in den Taufbüchern und mit den Allerley zuverlässigen Nachrichten - als Teile eines spezifischen, in mehreren Quellen verstreuten, jedoch inhaltlich und chronologisch kohärenten didaktischen Narrativs, welches die akute Bedrohung der wahren Christlichkeit thematisiert, erscheinen. Die Tatsache, dass die von Donelaitis in diesem Narrativ verwendete Rhetorik in den theologischmoralischen Debatten der Frühaufklärung wurzelt und in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts eigentlich als veraltet gelten sollte, kann durch die Prinzipien der kulturellen Dynamik erklärt werden: in Kulturzentren wie Berlin oder Hamburg galten die Aufklärungsideen am Ende des 18. Jahrhunderts als ein selbstverständliches Werteparadigma, in der tiefen Provinz Ostpreußens hingegen war die pietistische Denkprägung noch immer stark, und Donelaitis konnte die ständig herannahende rationale, „herzenslose“ aufklärerische Ideenwelt sicherlich als eine akute, gegenwärtige Gefahr empfinden. Der Redestruktur nach konzentriert sich das Donelaitische Narrativ auf die Figur des Pfarrernachfolgers, eines imaginären Rezipienten, auf den der Sprecher seine gesamten Äußerungen ausrichtet und gegenüber dem er seine Lebenserfahrung bilanziert, um ein konservatives, stark pietistisch geprägtes Wertparadigma, ein Tugendsystem zum Ausdruck zu bringen, welches als ein Kampfmittel gegen den „abgefeimten Teufel“ der Aufklärung dienen soll. Versuchen wir nun die Ergebnisse dieser Fallstudie im Allgemeinen zu betrachten, um das am Beginn unserer Ausführungen erwähnte Forschungspotenzial zu veranschaulichen. Vom gattungstheoretischen Sichtpunkt aus gestattet unsere Analyse eine deutlich sichtbare Umstrukturierung der deutschen Gedichte 70 Vaidas Šeferis von Donelaitis: die Präzisierung der Entstehungszeit von Der Schatten schneller Zeit macht deutlich, den Status eines Gelegenheitsgedichts bei diesem Text beizubehalten, die Gattungsmerkmale eines schriftlichen Trostbriefes werden hier jedoch zugunsten eines mündlich vorgetragenen Hochzeitsgedichts aufgegeben. Demgegenüber darf Unschuld sey mein ganzes Leben keinesfalls als ein Trauergedicht gelesen werden, vielmehr verliert dieses Gedicht vollständig seine Geltung innerhalb der Gelegenheitspoesie, um in einem neuen Interpretationskontext der didaktischen Dichtung zusammen mit Dem Gott der Finsternis zu erscheinen. Auf dieser Forschungsebene öffnet sich also die Frage nach der Gattungs-Asymmetrie der Donelaitischen Dichtung: augenscheinlich ist, dass das Gedicht Ihr Schatten schneller Zeit separat von anderen zwei steht und auch keine nachweisbaren Parallelen im weiteren Werk von Donelaitis besitzt. Die Entdeckung eines solchen Gattungssolitärs veranschaulicht, in welch hohem Maße das Textkorpus die Wahrnehmung von Donelaitis-Schaffen beeinflusst: gehen wir von dem verfügbaren Korpus seiner Texte aus, so ist Die Schatten schneller Zeit als eine Ausnahme, eine ephemere literarische Äußerung zu interpretieren, auf die Donelaitis nie wieder zurückgriff. Unter der Voraussetzung jedoch, dass uns nur ein Bruchteil seines gesamten Textkorpus zur Verfügung steht (was als eine sehr wohl begründete Annahme gilt), könnte das Gedicht ein völlig unbekanntes Gebiet seines Schaffens repräsentieren, und zwar jene der Gelegenheitspoesie. Die verfügbaren kontextuellen Daten sprechen eher zugunsten der zweiten Möglichkeit, da es aber sehr unwahrscheinlich ist, dass das heutige Donelaitis-Korpus in der Zukunft um neue dichterische Texte erweitert werden könnte, sollte die Stellung der Gelegenheitspoesie im Donelaitischen Genrespektrum durch genauere Erforschung dieses Gattungsfeldes im nahen sozialen Umkreis des Tollmingkehmischen Dichters präzisiert werden. Dahingegen erlaubt das bei Donelaitis entdeckte kultur-theologische und gegenaufklärerische Spätnarrativ (ca. 1773-1777), in welchem den beiden anderen Gedichten Unschuld sey mein ganzes Leben und Der Gott der Finsternis ein wichtiger Platz zufällt, die Frage nach dem Verhältnis der deutschsprachigen Kultur zu den Minderheitensprachen in Ostpreußen neu zu stellen. Hier gilt die erwähnte Frührezeption von Donelaitis, bei der seinen deutschen Gedichten eine nachgeordnete Stellung gegenüber seinen litauischen Texten zugesprochen wurde, als Ausgangspunkt. Als wichtige Bausteine des erwähnten gegenaufklärerischen Narrativs erhalten seine deutschen Gedichte eine völlig neue Aussagekraft und können nicht mehr im Sinne von Kleintexten interpretiert werden. Das entscheidende Moment liegt dabei in der Tatsache, dass das deutschsprachige Schaffen von Donelaitis sich keinesfalls in einem konkurrierenden Verhältnis zu seinen litauischen Texten befindet: beide Teile seines literarischen Nach- Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 71 lasses sind komplementär und basieren auf dem gleichen gegenaufklärerischen Kulturwertparadigma des Spätpietismus. Die von dem Dichter verwendeten Literatursprachen Litauisch und Deutsch sind völlig gleichgestellt und sollten nicht unter einem hierarchisierenden Blickwinkel betrachtet werden: die Wahl erfolgt schlicht aufgrund der Textgattung und des gewünschten Adressaten des konkreten Texts, wobei das Konzept der nationalen Identität und Kultur (sei es litauisch oder deutsch) für Donelaitis noch völlig fremd war. Beim Lesen seiner Dichtung erfreuen wir uns somit der Möglichkeit, manche stereotypen Kulturmodelle in einem neuen Licht zu betrachten und die nachfolgende Frage für weitere Forschungen zu stellen: inwieweit ist die ausgewogene Zweisprachigkeit von Donelaitis für Ostpreußen typisch? Die Suche nach einer Antwort lenkt den Blick auf den breiteren kultursoziologischen Kontext der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, wobei die Dichtung von Donelaitis ein merkwürdiges Beispiel darstellt, bei dem das Deutsch und die lokalen Sprachen in Ostpreußen in einigen sozialen Kontexten als gleichgestellte Kulturelemente fungierten. Man kann somit die Hypothese aufstellen, dass die Emanzipation des Litauischen im 18. Jahrhundert in Ostpreußen eng mit der pietistischen Kultur verbunden war, so dass es sinnvoll erscheint, nach ähnlichen Prozessen auch in anderen pietistisch geprägten Kulturlandschaften im Randbereich der deutschen Philologie, etwa der Herrnhuter Bewegung in Lettland und Estland, zu suchen. List of Figures Abb. 1.: Tetzner, die Donelaitischen Einträge im Taufbuch 1755-1773 für das Jahr 1760: Faksimile aus Tetzners Edition, Altpreußische Monatsschrift 33 (1896): 29. Abb. 2.: Donelaitis, Taufeinträge aus dem Jahr 1747: Taufbuch der Kirche Tollmingkehmen, 1725-1754 . Mikrofilm B96. Sächsisches Staatsarchiv Leipzig. Notes 1 In den Quellen und der Fachliteratur ist der Schriftsteller ebenfalls unter den Namensformen Donalitius und Donaleitis bekannt. 2 Für die vollständige Bibliografie von Donelaitis Leben und Werk s. Narbutienė. Von der neueren deutsch- und englischsprachigen Fachliteratur zu Donelaitis s. Schiller, Bichlmeier und Brohm; Kessler; Schoenborn; Šeferis, The Borderland . 3 Das Tollmingkehmische Pfarrarchiv ist im 2. Weltkrieg verlorengegangen, das darin befindliche Schriftgut lediglich in Bruchstücken handschriftlicher Abschriften überliefert, hinzu kommen die Druckausgaben einiger Urkun- 72 Vaidas Šeferis den aus dem 18. und 19. Jh. Diese Texte stehen dem Leser im IV. Band sämtlicher Donelaitis-Werke zur Verfügung (Donelaitis, Raštai ). 4 Für einen detaillierten Überblick dieser Editionen s. Vaicekauskas, Krištopaitienė und Zubaitienė lxxvii-lxxviii, cxxxiii-cxxxviii. 5 Vgl. Dilytė 23; Vaicekauskas, Krištopaitienė und Zubaitienė xxxvi-xxxvii. 6 Alle Übersetzungen aus dem Litauischen sind von Vaidas Šeferis. 7 Vgl. auch Kuzborska, Kristijonas Donelaitis als deutscher Dichter 108-109. 8 Aus der Druckausgabe leitet sich auch das Datum ab, ab dem Unschuld sey mein ganzes Leben im philologischen Umlauf zu funktionieren begann. Die Hypothese Kuzborskas, Rhesa habe sich in seiner dichterischen Widmung der Ausgabe von 1818 von Dem Jahr an Wilhelm von Humboldt auf die deutschen Gedichte von Donelaitis, und besonders auf Unschuld sey mein ganzes Leben bezogen (Kuzborska, Kristijonas Donelaitis als literarische Figur 32), ist daher ungenau: Rhesa konnte Unschuld sey mein ganzes Leben keinesfalls kennen. 9 Hier jedoch ungenau in das Jahr 1760 datiert. Zur Datierung für das Jahr 1762 s. Šeferis, Įvadas lxxix-lxxx. 10 Das Buch ist als Kopie in Form eines Mikrofilms erhalten und wird im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig unter der Signatur B 96 innerhalb der Bestände der Deutschen Zentralstelle für Genealogie geführt. Diese Quelle wurde von Christiane Schiller ausführlich erforscht (Schiller 12-20), die hier angeführten Angaben über Signatur und Aufbewahrungsort des Taufbuchs entstammen dieser Studie. 11 Vgl. Einträge für die Jahre 1755, 1756, 1771, 1772, 1773, 1776, wo Tetzner nur diese Statistik und keine anderen Angaben anführt ( Die Tolminkemischen Taufregister 25, 32, 34). Später hat Tetzner die statistische Information aus den Taufbüchern systematisch bearbeitet ( Zu Christian Donalitius 138-9). 12 Donelaitis war sich sehr wohl seiner Talente und Tugenden bewusst, um eine derart stolze Geste auszudrücken, vgl. seine 1778 geäußerte Aussage in einer Urkunde: „Gott Lob! daß ich mit Ehren graues Haar trage, und mich gegen Niemand in der Welt schämen, nicht schämen, nicht schämen darf.“ (Tetzner, Christian Donalitius 326) 13 Vgl. auch die zweite Publikation: Tetzner, Zum zweihundertjährigen Geburtstag 252. Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns 73 Works Cited Alphabetisches-Sterbe-Register der Kirche zu Tollmingkehmen de Anno 1753 . Handschrift. Sächsisches Landesarchiv Leipzig, Signatur BA106. Dilytė, Dalia. Kristijonas Donelaitis ir Antika . Vilnius: Vilniaus universiteto leidykla, 2005. Donelaitis, Kristijonas. „Amtsbericht des Donalitius.“ Unsere Dichter in Wort und Bild. Ed. Franz Tetzner. Leipzig: Robert Claußners Verlags-Anstalt, 1896. 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Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 75 Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 Robert Kelz The University of Memphis Abstract: This article examines the German author Paul Zech’s role as an antifascist cultural intermediary during his exile in Argentina from 1934 to his death in 1946. Drawing from archival and period sources, the essay investigates Zech’s work with the Chilean-based exilic magazine, Deutsche Blätter , and briefly notes his engagement with Latin American media, such as Sur , La Nación , Los Anales de Buenos Aires , and Davar. His involvement with these publications led to collaborative projects with renowned South American authors, including Victoria Ocampo, Jorge Luis Borges, Gabriela Mistral, Juana Ibarbourou, Jorge Icaza, and Eduardo Mallea. Through Zech, I also reassess the role of Spanish-speaking authors and local media in the Deutsche Blätter , which is considerably more extensive and meaningful than previously realized. The Deutsche Blätter evolved into a transcultural magazine, one in which multiple internationally acclaimed Latin American authors were published in German for the first time. The article concludes that Zech was on an upward trajectory in the last years before his death, having gained a cross-cultural skillset that empowered him to achieve a degree of success amid the multifold challenges of exile. Keywords: Paul Zech, Deutsche Blätter , exile, integration, translation This article examines the German author Paul Zech as an antifascist cultural intermediary in the exilic magazine, Deutsche Blätter , from 1943 until his death in 1946. Through Zech, who was exiled in Argentina from 1933 to 1946, the study also reevaluates the underexplored role of Latin American authors in the magazine. Contextualized in the theoretical framework of exile, migration, and translation studies, I posit that Zech’s trajectory in exile-while turbulent, lonely, and financially strained-also reflects the “border skills” of improvisation 76 Robert Kelz and adaptation, as well as openness, reinvention, and grit (McGee Deutsch 3). Furthermore, his accomplishments shed light on the vital role that language, the arts, and cross-cultural communication can play in empowering individuals to integrate and prosper as immigrants abroad. First, a note on sources is necessary. Beyond the magazine itself, the centerpiece for this essay is the unpublished 138-letter correspondence between Zech and the editors of the Deutsche Blätter , from 1943 to 1946. 1 Correspondence has limited utility as a means of locating facts, perhaps more than usual in the case of Paul Zech, whose unreliable, inconsistent, solipsistic accounts of events have misled his contemporaries and subsequent scholars alike. Nonetheless, his exchange with Albert Theile and Udo Rukser, the editors of the Deutsche Blätter , is indispensable for peering behind the scenes and gaining a fuller grasp of the participants’ cultural fluency and visions for the magazine and its readers. Crucially, the correspondence also permits a much more nuanced understanding of Zech’s contributions to the magazine. I have carefully vetted the letters to guard against the misunderstandings that can arise from blind spots, agendas, and intended audiences. Born on February 19, 1881, in Briesen, Germany (today Wąbrzeźno, Poland), Paul Zech was an author of considerable repute before the National Socialists’ rise to power spurred him to flee to Buenos Aires, Argentina. 2 By 1933, he had published nearly twenty dramas and collections of poems, nine novellas, five novels, as well as numerous essays and translations. In 1918 he won the prestigious Kleist Prize together with Leonhard Frank. After reaching its zenith in the mid-1920s, Zech’s career became consumed by disputes with publishers, several poorly received works, and accusations of plagiarism. By 1933 his primary source of income was as a librarian at the Berlin State Library. His persecution and subsequent exile depict the culminating coup de grâce to a writer struggling to regain an already diminished claim to literary stardom. Zech’s termination from the library in April 1933 plunged him into psychological and material crisis. It is uncertain why the Nazis went after him so quickly-he had been accused of stealing and reselling uncatalogued books, political motivations may also have been a factor-but like many aspects of his biography, this period has been riddled with misinformation (Hübner 341, 344—345). 3 Documentation to prove oft-repeated reports that Zech was interned in the Spandau prison is lacking (Kießling 330; Sandvoß 31; Rohland, Paul Zech 8; Spitta 63; Daviau 172; Hübner 342), however in July he was denied admission into the Reichsverband Deutscher Schriftsteller and criminal police searched his residences Groß Besten and Berlin. The ongoing criminal investigation into the alleged book theft and his previous employment by the SPD party gave Zech valid reasons to fear arrest, so in August 1933 he fled Germany forever. Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 77 Unlike many early refugees from Nazi Germany, Zech immediately emigrated overseas, choosing Buenos Aires because his brother, Rudolf, lived there and his invitation enabled Zech to receive residence and work permits. He arrived in the Argentine capital in December 1933 and remained until his death in 1946. This period was fraught with tribulations, including financial instability, adapting to a new culture, grappling with an unfamiliar language, and building professional and personal relationships. Many scholars have emphasized his material poverty, scant options to publish, and failure to find a place in the cultural life of a society that did not appreciate his talents and was unreceptive to his contributions (Rohland, Paul Zech 7—17). As such, it is tempting to regard Paul Zech as a representative case study for Horkheimer and Adorno’s provocative summation of endless alienation, “home is to have escaped.” (Horkheimer and Adorno 86). Yet, Zech’s early struggles gave him an edge. When arrivals of European refugees to Argentina peaked in 1939, he had a head start in networking and cultural awareness, and this valuable experience bore fruit in his later work. Zech’s work with the Deutsche Blätter and Argentine media add new insights to assessments of his exile, particularly his last years. In 1943, the gentile emigrants Udo Rukser and Albert Theile founded the Deutsche Blätter in Santiago, Chile. 4 An art historian, career journalist, and antifascist activist, Theile arrived in Chile in 1940 and lived there until he returned to Europe in 1952. Udo Rukser had been a successful attorney in Berlin and editor of the Zeitschrift für Ostrecht before the Nazis came to power. Rukser and his Jewish wife, Dora, settled in Chile in 1939 and purchased a ranch in Quillota, a town northwest of Santiago where he resided until his death in 1971 (Bosch 295). The Deutsche Blätter published thirty-four total issues, monthly from January 1943 to August 1944 and bimonthly from August 1944 onward. Angela Huss-Michel estimates a circulation ranging from 2000 to 5000 copies (142). Although Theile was an influential partner, Rukser had the final say on content and largely financed the magazine, likely with the profits from his ranch (Nitschack, “Blätter” 2). Upon Zech’s persistent encouragement, both Theile and Rukser committed to utilizing the Deutsche Blätter as an intercultural link between German emigrants and their Latin American hosts. Furthermore, both men devoted themselves to promoting cross-cultural communication between Germany and Latin America decades after the magazine folded. 5 The Deutsche Blätter stands out among exilic publications for its vast, interdisciplinary scope and uncompromisingly high level of journalism. Despite difficulties with printers, none of whom spoke German (Theile 31 Mar. 1943), Hans-Albert Walter has asserted that the Deutsche Blätter was the exile publication with the best typography, consciously “seriös” and “nobel” (Walter 315). 78 Robert Kelz Rukser was so concerned with upholding the cultural standard that he refused to print advertisements other than publishers, bookstores, and art galleries, preferring instead to pay for its deficits out of his own pocket (Rukser 4 June 1945). Contributors to the Blätter ’s pages were among the most notable luminaries in their fields worldwide including, to name only a few, author and 16-time Nobel Prize nominee, Benedetto Croce; former Chancellor of Germany, Heinrich Brüning; former Prussian Minister of Finance, Otto Klepper; philosopher and psychiatrist, Karl Jaspers; conductor and artistic director of the New York Metropolitan Opera, Fritz Busch; and Nobel Prize winning authors, Thomas Mann and Gabriela Mistral. Perhaps such rigorous standards led some scholars to assert that the magazine defended “traditional and conservative values” and represented “a cultural elitism” (Nitschack, “Zech” 118). 6 The Deutsche Blätter adhered to exacting highbrow cultural standards, however it featured many authors who challenged conservative values, including but not limited to the communists Gustav Regler, Enrique Amorim, and Arthur Koestler; socialists Carlo Mierendorff, Kurt Hiller, and Ignazio Silone; feminists Yolanda Bedregal, Juana Ibarbourou, and Mistral; as well as pacifists Anna Landmann-Steuerwald, Romain Rolland, and Carl Ossietzky. Only unrepentant fascists were excluded, but even here Rukser and Theile printed prose by SS-Obersturmführer Edwin Erich Dwinger and interviews with German soldiers. The Blätter was an inclusive forum for civil exchange among representatives of diverse nations, religions, and politics. The magazine upheld an antifascist program, however it refused to espouse a more specific position, such as Zionism, communism, socialism, or democratic socialism. Rukser and Theile claimed the Deutsche Blätter was “die einzige unabhängige, überparteiliche deutsche Zeitschrift in Amerika” (“Unsere Leser” 64). The Blätter rejected collective German guilt for Nazi crimes, warning that sentiments of revenge could bloody the hands of the victims, too (Zech, “Sühne” 20). Its vision of a reformed, democratic postwar Germany and collaborative European community, support for democratic institutions and a free-market economy, generally approving posture toward the United States, and censure of the Soviet Union enabled the Deutsche Blätter to become the first German-language media permitted for circulation in US-American P.O.W. camps during the war (Schumacher 92). Rukser and Theile defined the Deutsche Blätter as a Eurocentric political magazine, and the green band across its title page-“For a European Germany / Against a German Europe”-emphasized their political and geographical focus (“Was wir wollen” 1). The first months strongly corroborated this intent. Literature was limited to short quotes from German works that functioned as filler between articles on politics, economics, and history. Moreover, Latin Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 79 American perspectives were absent altogether. The third issue, for example, featured content from across the globe, including the USA, China, India, Europe, but none from Latin America. Although Rukser and Theile claimed that they had always planned to include more literature in the Blätter , chronologically their correspondence with Zech marks a watershed concerning both literary and Latin American content (Theile 31 Mar. 1943). In the first letter, from March 14, 1943, Zech pressed the editors for more literature and offered his assistance. Later, he asserted that readers wanted: “eine stärkere Betonung des literarischen Teils […] vor allem will man hören, wie der eingewanderte Schriftsteller sich mit den Dingen und den Menschen der hiesigen Landschaft abfindet” (5 Jan. 1944). Zech’s motivations were not free from self-interest-he describes exactly the kind of literature that he himself was writing (Hübner 696, 700). Despite Argentina’s large German-speaking public, Zech had exhausted his options to publish in Buenos Aires due his choice of themes, abrasive personality, and resolute antifascism in a city where many Germans supported Nazism (Rohland, “Qué pasó” 145—146). 7 He stood to benefit from an increased presence of literature in the Blätter . Furthermore, he had no stable employment and depended financially on others, a situation he deplored (Walter 15; Hübner 679—682; Spitta 71). Theile and Rukser did not pay regular honorariums, but they made an exception for Zech and compensated him for his efforts (Zech 6 Oct. 1943, 8 Aug. 1944, 4 Mar. 1945, 14 Jan. 1946). Perhaps more importantly, they provided a fresh opportunity to publish in German about exilic, antifascist, and local themes (Nitschack, “Zech” 126). The Deutsche Blätter connected Zech to readers, paid him, and opened a path to the artistic success and recognition that had eluded him in exile and, arguably, since the late 1920s. Responding to his initial letter, the editors rejoiced that Zech was alive and active. They welcomed his offer of cooperation, explaining that they had intended to add literary content but lacked suitable collaborators. One of Zech’s few sincere relationships formed in exile, their partnership lasted until his death and even verged on friendship, as their mutual “liebe Freunde/ lieber Freund” greetings suggest (Zech 14 Mar. 1943). 8 Immediately, Theile requested Zech’s recent work and asked him to become the editorial representative for the Deutsche Blätter in Buenos Aires, arguably Latin America’s foremost center of German speakers at the time. 9 Whereas Rukser and Theile were relatively new to South America, Zech had resided in the Argentine capital for a decade, and the editors valued this local knowledge. Although his conflicts with members of the antifascist German population often colored his advice-sometimes against the magazine’s interests-Zech nonetheless was a vital resource, especially as the magazine expanded its coverage of Latin American themes. Moreover, Rukser 80 Robert Kelz soon disclosed plans for a new section, “Die deutsche Stimme,” featuring German-speaking writers across a range of literary periods. After a scant presence in its first few months, literature would now become a staple in the Blätter (4. Apr. 1943). Preexisting plans notwithstanding, Paul Zech’s intervention marked a turning point. Zech himself was the most prolific contributor to “Die deutsche Stimme,” accompanied by fellow European exiles Thomas Mann, Gustav Regler, Else Lasker-Schüler, Kurt Hiller, Hermann Hesse, Julius Bab, Franz Werfel, and others. Zech inaugurated the section with his series entitled, “Neu-Beginnen.” Horst Nitschack has usefully categorized this sequence as “poet of the exiled self ( yo exiliado )” although in truth Zech deploys a lyrical “wir”-not a lyrical “ich” (“Zech” 126). In his poetic voice, a collective “we, the exiled,” supplants the individual “exiled self,” which is a crucial difference. Furthermore, these poems contradict claims of a “bewusst realitätsfern gehaltene kulturelle Teil” of the Blätter (Walter 371). Appearing annually from 1943 to 1946, Zech’s sequence of “we, the exiled” poems strove to forge bonds with his emigrant readership by collectively confronting the immediacy of refuge, resilience, return, and, finally, even a measure of reconciliation (“Neu-Beginnen” 21; “Andenken” 1—2; “Strofen”; “Heimkehr”). Furthermore, by avoiding a specific geographical setting, these poems spoke to German exiles everywhere. Zech’s lyrical “wir” wove the exile experience into a shared perspective of interlaced travails. He looked inward, found common ground, and then guided his readers (and editors) outward from an exilic node to explore the literature, nature, and anthropology of South America. Beyond exilic themes, Zech broadened the magazine’s thematic scope with numerous exploratory works on Argentine landscapes and peoples from its northern deserts to its tropical rainforests. Many of these pieces were pure fantasy based on trips Zech never took, but even such imagined explorations were born of his lived experience as a German emigrant in South America and depict creative engagement with this new continent. According to Jorge Luis Borges: “Wenn Zech behauptet, er sei da und dort gewesen, so war er da und dort, ganz gleich, ob er die Reise realiter unternommen hat oder im Geist” (Hübner 713). Though often his accounts were fictional, Zech’s impressions of South America familiarized readers with its natural richness, often linking this new continent to the European homes they had left behind (Spitta 121). One poem, “Foz do Yguassú,” anchored the poet’s perspective at a place he likely did visit personally-the Iguazu waterfalls straddling the border between Argentina and Brazil, and, in Zech’s poem, also reaching toward Europe (22). The visitors in his poem are shocked and terrified by the raging falls, and they convulse fearfully long after they have left the scene: “Sie stolperten zurück Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 81 […] und ihre Nächte waren Wassersturz und Donnerhall.” Wondering if only the tumultuous waterfall has so shaken the visitors, Zech compares their lifelines to the “Lebenslinien in einem Ahornblatt.” Maple trees are not native to South America and thus, subtly, he links the scene to a distant setting, possibly Europe, and invites readers to draw autobiographical parallels with this traumatic spectacle. Another poem, “Landschaften und Dinge des Chimú Lapacho,” melds alienation with approximation for a lyrical “wir” of individuals abroad who, gazing at the scarlet trees, return home as if in a dream. Zech hints at a connection between the red lapacho trees and his estranged lyrical “wir” by describing other plants, “die ihr Blühen unterbrechen, so lange dieser Feuerherd sie nicht befreit von der Erschütterung.” His readers, many of whom had suffered disruptions to the trajectories of their own lives, might discern references to pernicious European flames before Zech’s provocative conclusion-“Und uns nicht minder auch”-brings the implication to a crescendo (23). Finally, his short story, “Der Nebelregen von Ouro Muermo,” begins with a question that reveals his alienation from his new, exotic environment: “was ist das, ein Regenwald? ” Then, the author announces a self-issued directive to find creative inspiration in exile: “Neues zu sehen, zu hören und darüber zu schreiben.” Comparing the South American forest to European architecture, such as trees and waterfalls to the spires and stained-glass windows of Gothic cathedrals, he conveys a transition to a hybrid cultural identity. In the rainforest, his activity of capturing butterflies, “die man in allerjüngsten Zeit erst entdeckt hat,” allegorizes the new experiences emigrant artists can seek, accumulate, and integrate into their creative works (23—24). Blending inspiration, endurance, and purpose, Zech’s South American works initiate his role in the Deutsche Blätter as a bridge between German and Latin American cultures. The first South American author to appear in the Deutsche Blätter was Pablo Neruda, whose “Cuatro Poemas de Amor” were printed alongside freely translated versions in German by the Chilean poet and sculptor Tótila Albert in May 1943. Conceived before Zech’s involvement, the format betrays an inchoate plan. The entire magazine, including Tótila’s biography, was in German; however, Neruda’s poems and biography were in Spanish, which rendered them incomprehensible to many readers. Furthermore, while the side-by-side Spanish and German texts were convenient for multilingual readers, this formatting essentially limited any such content in the magazine to short poems, otherwise the amount of space required would be prohibitive. Perhaps for this reason, subsequent issues lacked further Latin American literature. The idea for a steady Latin American presence originated with Theile, who first mentioned the possibility of printing an issue on South America in February 1944 (28 Feb. 1944). Zech enthusiastically agreed, declaring that for the 82 Robert Kelz foreseeable future South America would be an important center for German emigration. Therefore, the magazine should connect emigrants to Latin American culture and push them to consider key questions of integration: “Was haben die emigrierten deutschen Autoren ihren Gastländern an neuen Eindrücken zu verdanken? Fühlen sie sich ‚seelisch und landschaftlich‘ eingebürgert? “ (Zech 20 Jun. 1944). Furthermore, he advised, by regularly featuring translations of Spanish-speaking authors the Deutsche Blätter could build symbiotic alliances with local artist and intellectual circles (8 Jul. 1944). A few months later, he reported that the Blätter should have no further problems with the local censor-the national press secretary had been pleased to learn that this German magazine also printed Argentine literature (29 Sept. 1944). The decision to publish Latin American authors, thus, also helped convince Argentine government authorities to adopt a more cooperative posture toward the magazine. Rather than a single “Südamerikaheft,” Zech eventually came to favor including Latin American authors or publications in every issue. When Rukser and Theile did not follow up on the idea and local content in the magazine remained scant, Zech offered to solicit contributions from the Argentine Eduard Mallea, editor of the arts and culture section for La Nación ; the best-selling Ecuadorian novelist, Jorge Icaza; and the Peruvian modernist author and diplomat, Ventura García Calderón (10 Sept. 1944). Crucially, he argued, the magazine should publish prose in translation. Poetry alone was insufficient; these writers’ most representative works would only be accessible to all readers in translation (Zech 20 Jun. 1944; Hübner 712). Zech reiterated in September 1944 that emigrants would not be returning to Europe anytime soon. Maybe never. It was imperative for the magazine to strengthen the position of itself and its readers locally (Zech 29 Sept. 1944). Himself a refugee from Nazi persecution in Austria, the Germanist Egon Schwarz listed key challenges facing emigrants: 1) the search for economic stability; 2) the struggle, frequently, with a new language; 3) the process of adapting to a new, often exotic, and rarely welcoming environment; 4) and the imperative to integrate into a new population, with new customs, culture, and moral norms (Schwarz 18). Forged through these struggles, during his decade of exile Paul Zech had begun to develop what Ottmar Ette terms “ÜberLebensWissen” and “ZusammenLebensWissen”-exilic survival tactics, such as recognizing the need to open channels to the host society (42). The Talmudic scholars Daniel and Jonathan Boyarin have postulated that emigrants should understand that survival is not achieved by resisting engagement with local populations. Instead, the co-presence of culturally distinct others is an opportunity to establish the collaborative relationships vital to surmounting the challenges of dispersion (Boyarin 721). Simply put, cross-cultural partnerships are the emigrant’s path to Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 83 perseverance and, ultimately, prosperity. Paul Zech never embraced Argentina as a new homeland but, nonetheless, he understood that intercultural articulation and intellectual integration were essential to overcome the multifold crises of exile. When, in August 1944, Rukser expressed reservations-“Das Südamerikaheft macht uns weiter Sorge”-Zech acted decisively (25 Aug. 1944). Unsolicited, he submitted a translation of a short story by a rising Argentine author scarcely known beyond the country’s borders: Jorge Luis Borges. Rukser was impressed: “die Perle ist das grossartige Stück von Borges! Donnerwetter, ich war hingerissen! […] Das wird der Zeitschrift im Ganzen eine neue Note geben, die bisher von keinem gepflegt worden ist. Wir denken, dass wir so aus der Not eine Tugend gemacht haben” (19 Sept. 1944). Rukser glimpsed opportunity amid the disruption of forced emigration, which Inge Hansen-Schaberg has encapsulated with the hopeful formulation, “Exile als Chance” (183). A seminal, forerunner work of the Magical Realism movement that would catalyze the coming Latin American literary boom, Borges’s “Im Traumkreis der Ruinen” (The Circular Ruins) appeared in the Deutsche Blätter in October 1944. Translated by Hertha Landshoff (Nitschack, “Zech” 86), to the best of my knowledge, it was the earliest prose publication of Borges in any language other than Spanish, preceding “The Garden of Forking Paths” in Ellery Queen's Mystery Magazine by four years. 10 Zech and Borges would continue to collaborate in the future, and the German’s intervention with the Blätter was a breakthrough for the authors and the magazine alike. Upon receiving the manuscript, Rukser agreed to feature Latin American authors regularly in the magazine: “Notwendigkeiten und Vorteile dieses Schrittes sind offenkundig, um unsere Position hier zu verstärken. Wir sind völlig mit Ihnen einer Meinung” (14 Oct. 1944). On Zech’s suggestion, “Traumkreis” appeared with an introduction announcing their new agenda: Mit der Veröffentlichung der folgenden Erzählung des argentinischen Dichters, Jorge Luis Borges, wollen wir den Aufgabenkreis der DB erweitern. Wir wollen versuchen, unseren Lesern die südamerikanische Literatur durch sie kennzeichnende Proben nahezubringen und damit geistig auch die Umwelt in der wir leben. (Zech quoted in Borges 22) According to Hans-Albert Walter, this program was ultimately disappointing: “Ihre Pflege fiel nicht so intensive aus, wie diese Ankündigung hatte erwarten lassen […] man brachte in lockerer, allmählich verebbender Folge Arbeiten von Borges, Mallea, Mistral und Icaza” (Walter 373). Walter was an eminent, foundational scholar in the field of exile studies however, as I intend to show below, his evaluation here is quite mistaken. Horst Nitschack’s short essay in the Revista 84 Robert Kelz Chilena de Literatura , is closer to my assessment, however Nitschack focuses exclusively on literary authors and does not provide a full inventory of Latin American content in the magazine (5-6). Crucially, neither he nor Walter draw from the correspondence among Zech, Theile, and Rusker, which gives us a far clearer picture both of how prominently Latin American intellectuals figured in discussions concerning the Deutsche Blätter and the decisive role Zech played in these considerations . A complete inventory of its Latin American content reveals the Deutsche Blätter to be a hybrid publication and Zech to be a leading force behind its hybridization. First, Borges, Mallea, and Mistral all appeared on multiple occasions. 11 More importantly, numerous other native-born Latin American poets, novelists, and literary scholars appeared in the magazine, including the Uruguayan novelist, Enrique Amorim; the Venezuelan humorist, Francisco Pimentel Agostini ( Job Pim); the Bolivian poet, Yolanda Bedregal; the Uruguayan essayist, Alberto zum Felde; the Uruguayan poet, Juana de Ibarbourou; and the Mexican intellectual and diplomat, Alfonso Reyes. 12 One might add the Brazilian humorist and linguist, José Antonio Benton, who fled Germany in 1935, lived for the next fifty-one years in Brazil, changed his name from Hans Elsas, and never returned to the country of his birth. 13 This list also does not include contributors to the periodical’s homage to Thomas Mann, such as the Spanish poet, Rafael Alberti, exiled for decades in Argentina and Chile; the Argentine publisher and journalist, Enrique Espinoza; the Argentine biographer, Ezequiel Martinez Estrada; and the Spanish dramatist, Ramón Gómez de la Serna, who was exiled in the Argentine capital from 1933 until his death in 1963 (“Huldigung” 3—10). If we add translators of German authors who the magazine published in Spanish-a pivotal cross-cultural endeavor-the Latin American contributors also encompass the Chileans Yolando Pino Saavedra, Darío Castro, and Tótila Albert, as well as the Argentine Angel Battistessa. 14 An extensive endnote below documents the Latin American writers mentioned in the letters exchanged by Zech, Rukser, and Theile from 1943 to 1946. Neruda, Albert, Borges, Mistral, Icaza, Mallea, Ibarbourou, Amorim, Estrada, Gómez de la Serna, Reyes, Saavedra, Battistessa, Alberti, and the Argentine legal scholar, Juan Lessing-fourteen in total-figure in the correspondence. 15 In most cases (nine), Zech mentions the writer first. All were published after the correspondence began and, except for Alberti, all feature in multiple letters. While substantial overlap exists, forty-four distinct letters name Latin American literary authors and scholars who subsequently appeared in the magazine. Moreover, Zech suggested further Hispanic authors born or living in Latin America, such as Guillermo de Torre, Victoria Ocampo, and Ventura Calderón (29 Sept. 1944, 13 June 1945, 20 June 1944). From the first reference of Neruda in 1943 Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 85 until Zech’s death in 1946, Latin American authors figured in at least 32 percent of the correspondence. By any measure, their role was central to his communication with Rukser and Theile and shaped the content of their magazine. Crucially, the Latin American presence in the Deutsche Blätter was not confined to literary authors, scholars, and translators. Although Zech prioritized literature, Rukser and Theile subsequently published Latin American perspectives on politics, religion, economics, history, and music. Contributors on these topics included the Chilean senator, Leonardo Guzmán; the Spanish statesman exiled in Argentina, Angel Ossorio y Gallardo; the Argentine legal scholar, Juan Lessing, who Zech recommended; the Chilean lawyer and member of the Institut de France, Álejandro Alvarez; the Chilean civil engineer and member of congress, Manuel Walker Garretón; and the Chilean composer, Federico Heinlein. 16 Moreover, there were reviews of books by Argentine political scientist, Luis Adolfo Estevez; Brazilian industrialist and politician, Roberto Simonsen; Chilean senator, Velodia Teitelboim; Argentine journalist, José Calderón Salazar; Brazilian author, Lidia Besouchet, Chilean scientist, Alejandro Lipschütz; Argentine journalist, Rufino Marín; and the aforementioned Felde and Reyes. 17 Finally, reviews of Latin American magazines encompassed Victoria Ocampo’s literary journal, Sur ; the newspaper, La Nación ; the Argentine cultural magazine, Nosotros ; the Chilean political periodical, Mundo Libre ; the Mexican academic journal, Cuadernos Americanos ; the Argentine-based Zionist monthly Porvenir ; the legal journal, Jurisprudencia Argentina ; Chilean periodicals, Política y Espíritu and Babel ; and the Brazilian political weekly, Vanguardia Socialista . 18 With no published compilation of Latin American content in the Deutsche Blätter , scholars have only imperfectly grasped the host continent’s impact. The total inventory spans fourteen literary authors and translators with seventeen total contributions. If we add the homage to Thomas Mann, there were eighteen authors with twenty-one pieces, excluding magazine and book reviews. Thus, Latin American literature’s presence in the Blätter was steady and robust. Furthermore, since the Deutsche Blätter was not a literary journal, its pages exceeded poets, novelists, and literary scholars. Overall, there were twenty-three Latin American writers with twenty-seven contributions, most of whom appearing for the first time in German. In sum, forty-eight Latin American authors, publications, and book reviews appeared in the thirty-four total issues of the Deutsche Blätter , equivalent to Zech’s initial suggestion of one or two pieces per issue (actually more if we consider that Neruda, the first Latin American author to be featured, did not appear until the fifth issue). Paul Zech did not define this policy, but as one of the magazine’s most prolific contributors, he had influence. When momentum behind a Latin American issue flagged in early 1944, he brought ideas, energy, and people that transformed the concept into a 86 Robert Kelz sustained presence and converted Deutsche Blätter into a pioneering model for bringing Latin American artists and scholars into the intellectual discourse of German emigrants in the Americas. Not all Latin American authors impressed Rukser and Theile as quickly as Borges. The case of Argentine journalist Eduardo Mallea demonstrates Zech’s willingness to fight for writers he considered worthwhile. An acclaimed novelist and essayist, in 1931 Mallea became editor of the culture section in the prestigious and widely read newspaper, La Nación , a position he would hold for the next three decades. Zech realized he could be an important contact and instructed Rukser and Theile to send the magazine to Mallea, as well as the journal Sur , in July 1943 (9 July 1943). Zech wanted to publish his own work in these venues, so he had mutually beneficial motives when he reiterated in April 1944 that Mallea “den DB sehr nützlich sein könne” (20 Apr. 1944). That June, trying to convince Rukser and Theile to print Latin American authors in prose, not only verse, he again suggested Mallea (10 June 1944). They resisted, “Von Mallea möchten wir vorerst nur Lyrik bringen, ebenso von Icaza (4 Jul. 1944),” however Zech insisted on prose and lied: “Lyrik von beiden gibt es nicht.” He repeated that men like Mallea were “Repräsentanten der argentinischen Literatur und ihr Erscheinen […] wird uns Nutzen bringen” (8 Jul. 1944). Without waiting for a reply, Zech sent Mallea’s work together with Borges’s “Traumkreis.” Although the editors claimed to enjoy Mallea, Borges completely overshadowed him. Despite promises to the contrary, Mallea did not appear in the magazine. Then, abruptly, Theile informed Zech that they would not print Mallea’s essays: “Bringen können wir sie leider nicht […] Rücksendung? ” (14 Dec. 1944). Infuriated by what he saw as inconsideration to Mallea and himself, Zech retorted: Überlegen Sie: von Ihnen aufgefordert, ging ich zu Herrn Mallea und bat ihn um einen Beitrag für die DB […] Das musste ich dreimal wiederholen, um ihn endlich bereit zu finden. Er sagte mir zuletzt, dass er eine kleine Sache speziell für die DB schreiben würde […] Nun kann man einen hier mit Glacéhandschuhen anzufassenden Mann nicht offiziell auffordern und dann einfach ablehnen. Das geht nicht […] Ich glaube, dass mancher Beitrag weniger Niveau hatte. (3 Apr. 1945) Finally, Rukser relented: “die Arbeit von Mallea werden wir in einem der nächsten Hefte bringen. Gegen Ihre Argumente können wir unsere - doch wohl verständlichen - Einwände nicht aufrechterhalten” (14 Apr. 1945). In May 1945, the Deutsche Blätter printed Eduardo Mallea’s “Einsame, zeitgemässe Aufzeichnungen.” Zech’s biography placed Mallea in the pantheon of great Latin American intellectuals, positing him as the successor to Domingo Faustino Sarmiento and one of few globally recognized Latin American thinkers. The sketches did not fulfill the expectations such a grandiose introduction might have provoked and, Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 87 frankly, one can understand the editors’ reluctance to print them. Nonetheless, Mallea truly was a leading intellectual in Argentina, which Zech emphasized for readers who might have been unaware of his standing. His case demonstrates Zech’s conviction that Latin American voices were worthwhile, and he was willing to fight for their inclusion. Beyond the immediate question of printing a single article, Zech understood the larger imperative of cross-cultural alliances for exilic institutions and individuals. Mallea was a valuable collaborator for the magazine and for Zech, who later published several articles in La Nación and worked with Mallea’s translator, David Vogelmann. The Ecuadorian Jorge Icaza is another apt example. In 1936, Zech and his doctor Juán Goldstraj had already translated Icaza’s novel, Hausipungo , first published in 1934 (Hüber 410). Hausipungo helped launch the Indigenist literary movement and eventually garnered the author international fame, but at the time it had only been published in Spanish. Challenging due to Icaza’s frequent use of the Quechua language, the translation raised the profile of Latin America’s indigenous peoples, who were far removed from urban centers of emigration. Rukser preferred Icaza’s poetry, but Zech insisted on Hausipungo and even wrote a biography introducing Icaza to the Deutsche Blätter ’s readership (4 Jul. 1944, 8 Aug. 1944). Criticizing the “bewusste Abstinenz von jeglicher realistisch-gesellschaftsbezogenen und kritischen Literatur,” Hans-Albert Walter argued that Icaza was represented by “einem für sein sozialkritisches Hauptwerk untypischen Ausschnitt” (372). Yet, social criticism saturates the two-page excerpt from Huasipungo , “Gewitter in den Bergen,” which allegorizes the pernicious exploitation of indigenous laborers in Ecuador by large landowners and the Catholic Church. Stricken by malaria, delirious with fever, sneezing, and nauseated, in multiple passages the natives deny the existence of a “Kirchengott.” With no protection against from the rage of the storm, parents despair for their children, who are encrusted in mud and cry for their mothers to shield them against the cold. No large landowners appear in “Gewitter,” but the storm clearly represents human assault and oppression. The verb “peitschen” appears four times, accompanied by whip’s menacing onomatopoeia: “zischen” and “krachen.” “Erdrosseln,” “zerschunden,” “mishandeln,” and “jagen” swell the catalog of personified brutality. A weaponized barrage of man’s wrath-“Fäuste,” “Eisenstange,” “Ohrfeigen,” “Rudel,” “Bluthunden,” “Meute,” and “weisse blitzende Zähne”-attacks the defenseless villagers (34—35). The litany of personification lays bare the human malevolence of this inhuman brutality. Elaborating on Icaza’s social criticism, Zech’s introduction to the piece warned that in the author’s portrayal indigenous people are “ein Ding, welches genau so behandelt wird, wie der Baum, der im Wald steht, und genau so verdro- 88 Robert Kelz schen wird, wie der Ochse, der den Pflug zieht” (“Icaza” 66). Most people, Zech went on, could not stomach Huasipungo unless they had personally experienced hardship, poverty, and misery. The Deutsche Blätter was a suitable venue for Icaza’s depiction of structural violence and institutionalized racism, because the author echoed elements of oppression that many emigrant readers had experienced firsthand in Europe-the excerpt includes the word “Flüchtlinge.” Furthermore, Zech explained that the Ecuadorian government had crowned Huasipungo with a literary prize, but then reversed course, denounced the novel as subversive, and banned it. Thus, Icaza’s travails paralleled exiled German writers, who also had experienced persecution by a government that repressed and vilified its critics. Referencing another marginalized group, in September 1943, Rukser asked Zech for help in a project to include female voices on the current cultural crisis. Concurring that this plan was a “Notwendigkeit,” Zech suggested the US-American Dorothy Thompson and the Chilean poet Gabriela Mistral (17 Sept. 1943). Both women entered the magazine’s pages, but Mistral took on an especially prominent role. In 1945, one year before winning the Nobel Prize, Mistral first appeared in the Deutsche Blätter . The feature emphasized her work to improve women’s education for marginalized populations in Mexico. Mistral’s verses dovetailed with other articles about reforming the education system in postwar Germany; however, she went further by depicting access to schools as an inalienable human right, regardless of gender, religion, ethnicity, or wealth. The magazine printed translations alongside the Spanish originals, stating that Mistral’s poetry could only be fully appreciated in her native tongue. This, they continued, was compelling motivation to learn Spanish (“Mistral” 40). Foreshadowing future scholarship in migration studies, the Deutsche Blätter deployed the act of translation to promote language acquisition as essential for emigrants’ integration with the host society (Kliems 31). A final case study is the celebrated Uruguayan poet, Juana Ibarbourou, known as Juana de América. Like Mistral, Icaza, and Borges, Ibarbourou’s case exemplifies Zech’s eye for quality and commitment to advocating for talented writers still not famous outside Latin America. Ibarbourou, whose brazenly sexualized poetry challenges discourses of docile femininity, subverts theses that the Blätter espoused conservative values (Applegate 59). Though her work already had resonated beyond Uruguay, my research indicates that the Deutsche Blätter was Ibarbourou’s first German publication and among the first few of any printed translations. 19 Eventually, Ibarbourou achieved global fame and earned four nominations for the Nobel Prize. Albert Theile mentioned Ibarbourou to Zech in November 1944 and enlisted his help in preparing her work for the magazine (17 Nov. 1944). Notoriously dif- Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 89 ficult to translate, even today Ibarbourou appears only in translated anthologies, despite her fame (Marting 269—270). Zech’s translations of Ibarbourou drew from drafts done by others, but his detailed descriptions of the creative process shed light on his language acquisition in exile. There is compelling evidence that Zech never attained fluency in Spanish (Hübner 567, 593, 638; Daviau 160). He worked with translators when he published in Spanish and his translations of Latin American authors were collaborative efforts, however this need not mean that his Spanish remained stagnant during his thirteen years in Argentina. His work with Juana Ibarbourou undergirds this hypothesis. Zech criticized the translations that Theile sent him as “kindlich,” explaining that they required heavy editing to meet the Blätter ’s standards. Spanish poetic forms, he elaborated, are “himmelweit verschieden” from German, so it was challenging to translate Ibarbourou without altering her original “Gedankeninhalt.” Entitled “Bukolischer Abendspaziergang,” Zech’s concluding tercets to Ibarbourou’s pastoral sonnet capture her bold, sensual aesthetics: Umhaucht von dem silbernen Blau der Sommernacht Und den heiss ineinander verflochtenen Händen bedrängt, stürzt aus dem beinah verschütteten Schacht des Herzens die Liebe wieder empor und findet das paradiesische Tor der Lippen nicht mehr verhängt. In the future, Zech persisted, Rukser and Theile should send him the original poems and not only translations (29 Nov. 1944). This exchange implies that at least by 1944 Zech could engage directly with Latin American literature in its original Spanish. Indeed, it is hard to imagine that he could have acquired such extensive knowledge of Latin American authors without this capability. Beyond the case study of Ibarbourou, Zech’s expanding networks with local artists and intellectuals suggest that his Spanish improved over time. After numerous delays during which Zech repeatedly admonished Theil and Rukser to print Ibarbourou’s poems, “Bukolischer Abendspaziergang” appeared in 1946, with Zech named as the sole translator (Ibarbourou 36). Like most immigrants, Zech’s language skills appear to have progressed along a broader trajectory aligned with increasing intellectual and professional integration. From the start, Zech emphasized to Rukser and Theile that cultural interchange should comprise a reciprocal interplay between Latin American and German emigrants (2 Oct. 1945). In this spirit, the Deutsche Blätter assembled a tribute to Thomas Mann, a contributor to the magazine, for the author’s seventieth birthday in June 1945. The editors solicited testimonials from across the Americas, with Zech focusing on the Southern Cone. He complained about this 90 Robert Kelz task, noting the stress and strain of connecting and coordinating with so many dispersed people (25 Apr. 1945). Nonetheless, despite his ailing health-a heart condition would kill him the next year-Zech recruited writers from throughout Latin America. In her essay, Gabriela Mistral asserted that Thomas Mann’s anti-Nazism resonated strongly with Latin Americans, who understood very clearly the risk and sacrifice of Mann’s antifascist activism. She forcefully declared that all Latin American writers knew the imperative of resistance, because “totalitarianisms from Central America to Germany regard silence as submission” (“Huldigung” 6). Eduardo Mallea noted that he did not enjoy reading Mann, yet he respected and admired him, because his indubitable authority was an authority of conscience. Mann’s courageous, tireless political engagement, Mallea contined, was an inspiration for Latin Americans persecuted by oppressive regimes in their own countries (“Huldigung” 5). Thus, the Deutsche Blätter also revealed bonds that South American writers perceived between themselves and German literature, in this case represented by Thomas Mann. Beyond the Deutsche Blätter , Paul Zech contributed to the dissemination of German culture in the South American literary scene. Writing for La Nación , Zech boosted the profile of numerous German-speaking authors in Argentina, including Rainer Maria Rilke, Johann Gottfried Herder, Hermann Broch, and Lou Andreas-Salome. His essays on Hugo von Hofmannstahl and Heinrich Heine appeared in Los Anales de Buenos Aires , edited by Jorge Luis Borges. He wrote on Franz Werfel and Else Lasker-Schüler for the Jewish journal, Davar , and composed an introduction for a translation of Friedrich Hölderlin’s Hyperion. In Victoria Ocampo’s Sur , the first ever Argentine publications of Brecht in Spanish-a scene from Furcht und Elend des Dritten Reiches , “Der Spitzel,”-featured Zech’s commentary. Zech’s work for Spanish-language media parallels his activities with the Deutsche Blätter , this time explicating the literature of his own nation to Spanish speakers in Argentina and beyond. As a cultural intermediary, Paul Zech embodied reciprocity. Paul Zech was responsible for introducing many authors to new audiences. His record as the first ever published translator of Jorge Icaza, Jorge Luis Borges, Juana de Ibarbourou, and Gabriela Mistral (into German), as well as Else Lasker-Schüler and Bertolt Brecht (into Spanish in Argentina) evinces a keen eye for artistic talent across the divides of language and culture. Furthermore, the writers themselves also benefitted from his interventions. As Wiebke Sievers has noted, even famous authors are unlikely to receive recognition for their literary merits unless they are published in a nation’s native language (13—16). Furthermore, Zech’s final years-when his cross-cultural networks were strongest and his intellectual integration was most developed-also represent a renaissance for the writer. After years of publishing very little, his essays, translations, and Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 91 poetry finally began to appear regularly in the Deutsche Blätter and prestigious Argentine media organs, such as newspaper La Nación , Sur , and Los Anales de Buenos Aires . Finally, Zech was earning small but steady honorariums in his chosen vocation, as a writer. From 1944 to 1946, the last years before his death, he clearly was on an upward trajectory. As David Vogelmann reflected in an obituary printed by the La Nación : “Paul Zech dies when his work is going to reach, by way of Argentine editions, a greater dissemination in our language.” His case demonstrates, to borrow from French Lebanese author Amin Maalouf, the efficacy of literature to forge pathways between disparate cultures (Maalouf 98). Paul Zech’s gradual, demonstrable intellectual integration as well as his persistent intercultural advocacy empowered him to achieve a degree of success amid the multifold challenges of exile. Notes 1 Generous assistance from Drs. Regula Rohland de Langbehn and Alfred Hübner has been vital for this project. 2 I briefly sketch Paul Zech’s trajectory to Buenos Aires; however, German speakers should consult Alfred Hübner’s Die Leben des Paul Zech (2021). 3 Alfred Hübner argues that Zech’s dismissal was politically motivated, and accusations of theft only reached Nazi authorities in July. 4 They received financial support from Fritz Meyning (alias Fritz Siegel), a lawyer who wrote several articles for the magazine. A third founder and financial backer, Nikolaus von Nagel, withdrew his support after a dispute in early 1944. 5 In 1958, Theile edited and translated a volume of Mistral’s poems and that same year also co-founded the polyglot magazine, Humboldt, which still exists today to promote dialogue among Germany, Latin America, Spain, and Portugal. Rukser wrote the monographs, Goethe in der hispanischen Welt (1958) and Nietzsche in der Hispania (1962). The former became a standard reference work after a Spanish translation appeared in 1977. 6 Unless otherwise noted, all translations from Spanish are my known. 7 For a thorough account of Paul Zech's struggles to publish in Argentina, see also: Alfred Hübner’s Die Leben des Paul Zech (2021). 8 Most letters after September 1943 bear this greeting. 9 Conservative sources estimate over 100,000 German speakers lived in Argentina by 1930-others estimate twice that amount. Furthermore, approximately 45,000 refugees entered the country after 1933, and most of them settled in Buenos Aires. No other major metropolitan city in Latin America featured immediate, local, and open competition among German-language 92 Robert Kelz Nazi, antifascist, and Jewish schools, newspapers, and cultural institutions throughout World War II (Bryce, 14; Saint Sauveur-Henn, 249; Schwarcz, 204; Ismar, 12; Volberg, 6). 10 Having consulted numerous secondary sources (Bloom, Canto, Monegal, Williamson) and inquired at the Fundación Internacional Jorge Luis Borges, I have found no earlier published translation of Borges’s prose. 11 Borges, “Traumkreis,” no. 10 (1944): 22—25; “Gaucho-Literatur in Argentinien und Uruguay,” no. 27 (1945): 44. Mallea, “Einsame, zeitgemässe Aufzeichnungen,” no. 25 (1945): 52—56; “Das unsichtbare Land” no. 32 (1946): 37—45; Mistral, “Todo es ronda-Alles ist Reigen,” “Echa la simiente! -Wirf die Saat! , Silhuette der mexikanischen Indianderin,” no. 23 (1945): 40—42; “Yo no tengo soledad-Einzig ich bin nicht allein,” “Meciendo-Wiegenlied” no. 29 (1946): 67. 12 Amorim, “Der schwache Punkt,” no. 27 (1945): 44—48; Pimentel, “Hierro dulce-Sanftes Eisen,” no. 25 (1945): 51; Bedregal, “Kakteenblüten,” no. 25 (1945): 56; zum Felde, “El problema de la cultura americana,” no. 24 (1945): 50; Ibarbourou, “Bukolischer Abendspaziergang,” no. 32 (1946): 36; Reyes, “Goethe und Amerika” no. 32 (1946): 32—36; “La Crítica en la Edad Ateniense,” no. 30 (1946): 38—39. 13 Benton, “Brasilianische Legenden,” no. 29 (1946): 39—50. 14 Battistessa, Castro, Saavedra, “Rainer Maria Rilke: Gedichte in Deutsch und Spanisch,” no. 28 (1945): 11—15; Albert, “Cuatro Poemas de Amor de Pablo Neruda,“ no. 5 (1943): 23—27; Theile, “Gedichte von Stefan George,” no. 31, XXXI, 1946 (42—44). 15 Neruda and Albert: Theile 3-31-1943. Borges: Zech 7-8-1944; Zech 9-10- 1944; Rukser 9-19-1944; Zech 9-29-1944; Zech 10-24-1944; Zech 10-30-1944; Zech 11-29-1944; Theile 4-5-1945; Zech 4-25-1945; Zech 5-13-1945; Theile 7-27-1945. Mistral: Zech 9-17-1943; Theile 7-22-1945; Zech 7-7-1946; Rukser 7- 22-1946. Icaza: Zech 6-10-1944; Zech 6-20-1944; Rukser 7-4-1944; Zech 8-8-1944; Zech 9-10-1944; Rukser 10-14-1944; Zech 10-24-1944; Theile 11-17-1944; Theile 4-5-1945; Zech 4-25-1945. Mallea: Zech 7-9-1943; Zech 4-20-1944; Zech 6-10-1944; Zech 6-20-1944; Rukser 7-4-1944; Zech 7-8-1944; Zech 9-10-1944; Rukser 9-19-1944; Zech 9-29-1944; Zech 10-24-1944; Rukser 10-29-1944; Zech 11-8-1944; Theile 11-17-1944; Zech 11-29-1944; Theile 12-14-1944; Zech 4-3-1945; Theile 4-5-1945; Rukser 4-15-1945; Rukser 4-20- 1945; Rukser 5-11-1945; Zech 5-13-1945; Rukser 6-4-1945; Zech 3-10-1946; Rukser 7-22-1946; Zech 9-1-1946. Ibarbourou: Theile 11-17-1944; Zech 11- 29-1944; Theile 12-14-1944; Zech 7-15-1945; Theile 7-22-1945. Amorim: Zech 9-29-1944; Zech 11-29-1944; Zech 3-4-1945; Zech 4- 3-1945; Zech 4-25- 1945; Rukser 5-11-1945; Rukser 7-9-1945; Theile 7-27-1945; Zech 8-4-1945. Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 93 Estrada: Zech 10-24-1944; Zech 11-29-1944; Zech 3-4-1945; Zech 4-3-1945; Zech 5-13-1945; Zech 8-4-1945. Gómez de la Serna: Zech 5-13-1945; Rukser 10-26-1943. Reyes: Rukser 6-27-1944; Theile 4-5-1945. Saavedra: Rukser 4-16-1944; Theile 5-14-1944; Theile 6-4-1944; Rukser 6-27-1944; Zech 4-3- 1945; Rukser 4-15-1945; Zech 5-13-1945; Zech 5-26-1944; Zech 8-4-1945; Rukser 7-4-1944. Battistessa: Zech 8- 4-1945; Zech 3-10-1946. Alberti: Theile 4-5-1945. Lessing: Zech 9-11-1944; 11-29-1944. 16 Guzmán, “Amerika und die Einwanderung,” no. 10 (1943): 9—12; Ossorio y Gallardo, “Was ist von den Religionen zu erwarten? ” no. 10 (1943): 6—8; Lessing, “Das Individuum im künftigen Völkjerrecht” no. 19 (1944): 20— 23; Alvarez, “La futura organización internacional,” no. 23 (1945): 5—11; “La conferencia de México y la de San Francisco,” no. 24 (1945): 20—28; Garretón, “Katholizismus und Gegenwart,” no. 28 (1945): 19—25; Heinlein, “Neue Musikbücher,” no. 30 (1946): 35—36; “Klavierstücke deutschsprachiger Komponisten in Südamerika,” no. 31 (1946): 45—46. 17 Estevez, “ Liberalismo o nacionalsocialismo? ” no. 22 (1944): 39; Simonsen, “ Alguns Aspectos de Politic Economica mais Conveniente ao Brasil , ” no. 16 (1944): 27—28; Salazar, “ Proposiciones candentes sobre la guerra actual ” no. 16 (1944): 38; Teitelboim, “ El Amanecer del Capitalismo y la Conquista de las Américas ,” no. 20 (1944): 28—29; Besouchet, “ Condición de mujer ,” no. 28 (1945): 50; zum Felde, “ El problema de la cultura americana ,” no. 24 (1945): 50; Lipschütz, “ El Indoamericanismo y el problema racial en las Americas ,” no. 23 (1945): 53—54; Marín, “ Lo que piensa América sobre el problema judío ,” no. 24 (1945): 51—52; Reyes, “ La Crítica en la Edad Ateniense ,” no. 30 (1946): 38-39. 18 “ Nosotros ,” no. 10 (1943): 35; “ Sur ,” no. 7 (1943): 35; “ Mundo Libre ,” no. 5 (1943): 30; “ Cuadernos Americanos ,” no. 5 (1943): 37; “ Porvenir ,” no. 15 (1944): 32; “ Sur ,” no. 24 (1945): 54; “ Política y Espíritu ,” no. 27 (1945): 50; Babel , Ibid; “ Jurisprudencia Argentina ,” no. 28 (1945): 51; “ La Nación ,” no. 29 (1946): 65; “ Vanguardia Socialista ,” no. 32 (1946): 50—51; “ La otra Alemania ,” no. 32 (1946): 51. 19 I found just two published translations in English and none in any other language before 1944: Blackwell, Alice. “The Sweet Miracle.” Some Spanish-American Poets , Philadelphia, Pennsylvania UP, 1937: 448—449; Torres-Ríosco, Arturo. “The Bond.” The Epic of Latin American Literature , New York, Oxford UP, 1942: 122. 94 Robert Kelz Works Cited Appelgate, Lauren. “The Rebel and the Icon: Juana de Ibarbourou and the Emblem of Juana de América.” Pacific Coast Philology 49 (2014): 58—77. 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Keywords: Graphic Novel, Biographik, intermediale Beziehungen, Marlene Dietrich In der modernen Welt spielen visuelle Inhalte eine führende Rolle. Die Bedeutung der Bildsprache in der sozialen Kommunikation spiegelt sich auch in der Kultur der visuellen Medien wider, deren Stellenwert gegenüber mündlichen Übertragungen und Textnachrichten immer größer wird. Das Wort wird oft durch das Bild ersetzt, die Erzählung durch das Visuelle unterstützt. Dieser Prozess zeigt sich auch in der immer größer werdenden Popularität der Comic- Literatur, die längst nicht nur das jugendliche, sondern auch das erwachsene Publikum interessiert. Es gibt Werke, die als Klassiker des Genres eingestuft werden, künstlerisch ausgezeichnet sind und die die allgemein herrschende Vorstellung von Comics als Lektüre für anspruchslose Leser(-innen) ohne künstlerische Sensibilität verändern. Der Comic erzählt eine Geschichte mit einer Abfolge von Bildern, die durch Texte unterstützt werden (Szyłak 172). Somit stellt das Bild neben dem Wort 98 Dorota Tomczuk den wichtigsten Teil des Comics dar und macht dies der bildenden Kunst ähnlich. Zudem unterliegt der Comic vielen der Regeln, die auch für die bildende Kunst gelten. Dabei schöpft er auch aus anderen Bereichen, vor allem aus der Literatur und aus dem Film, und die aus dieser Vermischung resultierenden Beziehungen und Abhängigkeiten sind nur für Comics charakteristisch. Daher kann er als eigenständiges Kunstgebiet bezeichnet werden: Comics sind weder Literatur noch Malerei, sie unterliegen ihren eigenen Gesetzen und sollten auch als Kunst betrachtet werden. Das Hauptanliegen des vorliegenden Beitrages bildet die Analyse der Graphic Novel Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens von Claudia Ahlering und Julian Voloj. Die Untersuchung konzentriert sich vor allem auf Beziehungen zwischen verschiedenen Elementen der Form und des Inhalts, den die Darstellung ausgewählter Aspekte aus Dietrichs Leben ausmacht. Es werden sowohl theoretische Feststellungen zur Rolle des Textes und des Bildes im besprochenen Werk angeführt als auch Fragen nach komplexer Erzählung und Verwirrung von Zeitebenen besprochen, um in der Zusammenfassung eine Gattungsanalyse der Graphic Novel durchzuführen und die Frage zu beantworten, ob Schrift und Bild in Werken dieser Art gleichberechtigt sind oder ob die Dominanz der Schrift in dieser Form der Literatur durch eine andere semiotische Konstellation ersetzt wird, die als Interdependenz von Wort und Bild verstanden werden kann. Graphic Novels gehören der literarischen Gattung der Comics an und erzählen ihre Geschichten mit den Mitteln dieser Gattung. Sie sind mit Romanen vergleichbar, denn sie stellen längere, komplexere, in sich abgeschlossene Geschichten von mehrteiligem Aufbau dar, was sie von typischen Comicserien unterscheidet, die eben auf die serielle Erscheinungsweise angelegt sind. Der Begriff soll vor allem die Einordnung erleichtern, da „Comic“ ein sehr weit gefasster Gattungsbegriff ist. Die Bezeichnung „Graphic Novel“ ist in den vergangenen Jahren in der Comicszene sowie unter Comicforscher(-innen) heftig diskutiert worden, eine letztgültige Definition gibt es aber bislang nicht. Die Einführung des Begriffs wird oft Will Eisner zugeschrieben, der „[…] die Graphic Novel zugleich als graphische Erzählung definiert, die sich mit Innenstatt Außenwelten auseinandersetzt, einen literarischen Anspruch erhebt und in ihrer Verbindung von Bild und Text auch nach neuen Wegen sucht, um ihr Thema bestmöglich umzusetzen“ (Abel und Klein 29). Viele Forscher(-innen) (zum Beispiel Jan Baetens oder Kamila Tuszyńska) vertreten dabei die Meinung, dass Eisner die späteren Graphic Novels weniger beeinflusst hat als der amerikanische Underground-Comic der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts, der die Rolle und Bedeutung des verbalen Diskurses in dieser Gattung und vor allem seine Beziehung zur visuellen Ebene radikal neu definiert hat. Außerdem hat die zeitgenössische Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel 99 Graphic Novel eben dem Underground-Comic zu verdanken, dass gegenwärtig dem biographischen Material oder der historischen Rekonstruktion ihrer Unterhaltungsfunktion gegenüber der Vorzug gegeben wird (Baetens 96-97). Unter Biographie im engeren Sinne versteht man eine umfänglichere, erzählende Lebensgeschichte einer historisch beglaubigten Person, jedoch bezeichnet der Begriff laut Neva Ślibar im weiteren Sinne das breitgestreute Spektrum von Genres und Textsorten lebensgeschichtlichen Erzählens (52-53). Obwohl der Begriff „Biographie“ seit der Antike nachgewiesen werden kann, wurden verwandte Gattungen durch eine klare Gattungsbestimmung kaum voneinander abgegrenzt. Erste selbständige Biographien über griechische Philosophen und Dichter, die aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. überliefert sind, waren stark moralisierend und vorbildhaft gestaltet. In christlicher Zeit wurde diese Tendenz in den hagiographischen Schriften sowie in den Fürstenviten noch intensiviert, erst in den darauffolgenden Jahrzehnten erfolgte allmählich der Übergang zur wissenschaftlichen und künstlerischen Biographie. Im 20. Jahrhundert wurden immer öfter biographische Elemente in fiktionale Texte absorbiert, was zum Entstehen von Romanbiographien führte (Ślibar 53). Die Biographie-Forschung charakterisiert jedoch nach wie vor (mit wenigen Ausnahmen, von denen Ślibar schreibt) „[…] ein wissenschaftlich fragwürdiges, vor allem praxisorientiertes Vorgehen und […] das Dominieren veralteter theoretischer Ansätze sowie das Desinteresse der Forschung“ (53). Gleichzeitig lässt sich in der Literaturproduktion eine riesige Popularität der biographischen Genres und Textsorten verzeichnen, die unter anderem auf der Vielfalt ihrer Funktionen gründet. Sie erfüllen nicht nur die Aufgabe eines kollektiven Gedächtnisses, sondern werden oft als didaktische Zweckformen gedacht, die laut Holdenried „[…] am Beispiel des Lebens anderer Handreichungen für die Gestaltung des eigenen bieten sollten“ (43). Aktuelle Theoretisierungsbestrebungen suchen sowohl nach einer Bestimmung des biographischen Genres als auch nach Kriterien zur Abgrenzung der wissenschaftlichen und populären Biographik. In verschiedenen Qualifikationsversuchen wird zwischen wissenschaftlicher und populärer oder zwischen wissenschaftlicher und literarischer Biographik unterschieden. Im Licht neuerer Biographietheorien interessiert, laut Anita Runge, eher die Hybridität und Uneindeutigkeit der Textsorte sowie das Changieren nicht nur zwischen Kunst und Wissenschaft, sondern auch zwischen Erzählen und Selbstreflexion, Fiktionalität und Faktizitätsanspruch, die als innovatives Potential angesehen werden, das bei vorschnellen Klassifikationen nicht ausgeschöpft werden kann (Runge 115). Aus diesem Grund scheint eine Comic-Form der Biographie sowohl für Leser(-innen) als auch für Literaturwissenschaftler(-innen) besonders interessant zu sein. 100 Dorota Tomczuk In den meisten Biographieforschungsarbeiten werden biographische Werke als Variationen innerhalb eines Spektrums unterschiedlicher Darstellungsmöglichkeiten mit fließenden Übergängen angesehen und als Beispiele für literarisch-populäre oder wissenschaftlich-populäre Biographik besprochen (vgl. Tomczuk 10). Zwischen diesen zwei Gruppen von Texten kann dabei keine scharfe Trennlinie gezogen werden: In der Forschung wird betont, dass wissenschaftliches biographisches Schreiben sich durch einen größeren Wahrheitsanspruch auszeichnet, der auf der Erwartung basiert, dass die geschilderten Ereignisse überprüfbar sind. Nach Runge gilt aber dieser Anspruch nicht exklusiv für wissenschaftliche Lebensbeschreibungen, sondern wird auch populären oder literarischen Biographien zugestanden (Runge 115). Zwar wird in vielen literarisch-populären Biographien der Text durch eine persönliche Beziehung zwischen Biographen und Biographierten legitimiert sowie ist ein breites Spektrum an Subjektivismus gegeben, jedoch kommen auch wissenschaftliche Biographien nicht ohne subjektive Entscheidungen der Autoren(-innen) aus. Demnach gelten nach Stephan Porombka alle Biographien als populär, die es darauf anlegen, die Leser(-innen) gut zu unterhalten, und dazu gehören insbesondere jene, in denen von Personen erzählt wird, deren Lebensläufe mit den Medien populärer Kultur verbunden sind, zum Beispiel von Stars wie Dietrich (123). Marlene Dietrich kam 1901 als Marie Magdalene zur Welt, den Namen Marlene gab sie sich mit elf Jahren selbst. Sie begann ihre Karriere als Schauspielerin am Theater und in Stummfilmen der 20er Jahre in Berlin, und der Aufstieg zur internationalen Künstlerin gelang ihr bereits 1930 mit der Hauptrolle im Film Der blaue Engel von Josef von Sternberg, mit dem sie Anfang der 30er Jahre nach Hollywood ging. Dort wurde sie von Paramount Pictures unter Vertrag genommen und bald drehte sie an der Seite von Gary Cooper das Drama Marokko (1930), für das sie eine Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin erhielt. Mit den nächsten Filmen: Entehrt (1931), Shanghai-Express (1932) und Blonde Venus (1932) etablierte sie sich als erster deutscher Filmstar in Hollywood. 1931 verfasste und publizierte Franz Hessel (1880-1941) ihre erste Biographie Marlene. Ein Porträt. Jean Starobinski zufolge kann eine Biographie kein Porträt sein: „Die Biographie ist kein Porträt; oder, falls man sie für ein Porträt halten kann, so bringt sie Dauer und Bewegung mit hinein. Der Bericht muss eine ausreichende Zeitspanne umfassen, damit der Verlauf eines Lebens sichtbar werden kann“ (121). Diese Bedingung konnte in diesem Fall nicht erfüllt werden: Die Schauspielerin war zur Zeit der Veröffentlichung erst 30 Jahre alt und erst am Anfang ihres beruflichen Werdegangs. Hessel knüpfte also mit seinem Titel eher an das im literarischen Diskurs des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verwendete Wort „Porträt“ an, das nicht nur die visuelle Darstellung eines Individuums, sondern vielmehr eine reduzierte Form der Biographie bezeichnete, Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel 101 mit der man von der „faktengesättigten, seitenstarken Biographie“ loskommen wollte (Ni Dhuill 190). Als wichtigster Biograph Dietrichs wird oft Steven Bach - Kenner der Filmwelt, der mit Marlene in ihren letzten Jahren befreundet war - bezeichnet, der 1992 - also im Jahr des Todes der Schauspielerin - sein Buch Marlene Dietrich, Life and Legend veröffentlicht hat. Diese zuverlässige und tiefgründige Biographie enthält leider einige Ungenauigkeiten, die sich entweder aus dem Verbergen der Wahrheit oder einfach Lügen vonseiten der Heldin ergeben haben, was sich in damaliger Zeit kaum überprüfen ließ. 1 2000 hat Bach nach jahrzehntelangen Recherchen eine neue Biographie „Die Wahrheit über mich gehört mir“ Marlene Dietrich vorgelegt, die bis ins letzte Detail und so genau wie keine zuvor dokumentiert sein soll. Laut Antje Efkes, die einige Biographien Dietrichs zusammengestellt und miteinander verglichen hat, erweckt Bach bei seiner Art der Präsentation den Anschein, immer überall dabei gewesen zu sein und die Gedanken der Zeitzeugen lesen zu können. Infolge dieser Schreibtechnik gewinnt der Leser den Eindruck, einen Roman vor sich zu haben, was der Biographie einiges an Glaubwürdigkeit nimmt. Das Buch ist zweifellos hinreißend geschrieben und bis ins letzte Detail genau dokumentiert, obwohl Bach an keinem Platz weder Fußnoten mit Quellangaben macht noch eine Bibliographie zusammenstellt. Viele Bücher über Dietrich entstanden als Antwort auf die Bedürfnisse des Lesepublikums, das ständiges Interesse an ihrem schöpferischen Werk als Schauspielerin und Sängerin so wie am Menschen Marlene zeigt. Besonderes Interesse weckten dabei Biographien, die von Personen verfasst wurden, die die Heldin persönlich gekannt haben, wie zum Beispiel Dietrichs Tochter Maria Riva. Sie verfügte nicht nur über eigene Erinnerungen, sondern hatte auch uneingeschränkten Zugang zu Dokumenten, die sie ihr Leben lang sorgfältig sammelte. 1993 veröffentlichte Riva eine Biographie über ihre kurz zuvor verstorbene Mutter, in der sie zahlreiche pikante Details aus dem Leben Dietrichs enthüllte. Das Buch Marlene Dietrich by her Daughter lässt sich zugleich als Rivas Autobiographie lesen, in der sie eine bunte Schilderung vergangener Lebensverhältnisse sowie einen Spiegel gelebter Erfahrungen vor Augen der Leser bringt. Marlene Dietrich führte Tagebücher, schrieb zahllose Briefe, es wurde auch sehr viel über sie geschrieben. In vielen Sprachen erschienen sowohl biographische Nachschlagewerke und Biographien der Diva, Sammlungen von Selbstzeugnissen und Bilddokumenten als auch Romane, die ihr Leben, ihren Mythos und ihre Liebesbeziehungen zu dokumentieren versuchten oder sich davon nur frei inspirieren ließen. Der Buchmarkt bietet sogar Berlin-Stadtführer, die ihren Wohn- und Ereignisorten folgen, Photoalben, die ihr Makeup, ihre Kleider und 102 Dorota Tomczuk ihren Stil nachahmen lassen oder Kochbücher mit ihren Lieblingsrezepten. Erwähnenswert ist dabei noch die 2017 herausgegebene Biographie von Eva Gesine Baur Einsame Klasse - Das Leben der Marlene Dietrich. Die Autorin bezieht sich auf reich zitiertes Originalmaterial, und aus diesem Grund berufen sich viele andere Autoren auf dieses Buch, um Kontroversen oder Unklarheiten zu klären. Nur wenige Biographien kommen ohne Abbildungen aus, in den meisten Büchern dieser Art werden visuelle Materialien in den Text eingefügt. 2 Ihre Funktion beruht dabei auf der Illustration des beschriebenen Lebens sowie auf der Erläuterung, Betonung oder Ergänzung des Textes (Etzemüller 97). In allen diesen Biographien stehen Wort und Bild in einem komplementären Verhältnis zueinander, anders als in Bildbiographien, die das Gleichgewicht zwischen Text und Bild zugunsten der Bilder verschieben und Dietrich sowohl als Objekt der Ästhetik als auch als Figur der Zeitgeschichte darstellen. 1984 ist das Buch Marlene Dietrich. Portraits 1926-1960 erschienen, mit zwei kurzen biographischen Texten (von Klaus-Jürgen Sembach und von Josef von Sternberg) und mit zahlreichen Fotos. In demselben Jahr ist der Bildband Marlene Dietrich. Eine Chronik ihres Lebens in Bildern und Dokumenten erschienen, in dem 600 Fotos, Dokumente, Theaterprogramme etc. zusammengestellt und mit ausführlichen Kommentaren versehen wurden. In der 2022 veröffentlichten Sammlung Marlene Dietrich: Photographs and Memories sind nicht nur 289 Fotografien aus ihrer eigenen Sammlung dargestellt, sondern auch ausführliche Bildunterschriften ihrer Tochter Maria Riva enthalten. In diesen Bildbiographien, die sowohl Aufführungsfotos als auch private Aufnahmen zeigen, wurde ein Versuch unternommen, genaues Persönlichkeits- und Zeitbild zu entwerfen. Die dokumentarischen Fotos, die in den Hollywooder Filmstudios entstanden sind, oder Bilder vom Auftreten Dietrichs in Europa, die intimen privaten Bilder ihres Familienkreises und ihrer engsten Freunde, Bilddokumente ihrer Erfolge im Cafe de Paris in London, im Kopenhagener Tivoli, im Berns in Stockholm, im Lido in Paris, am New Yorker Broadway, im Nachtclub von Las Vegas zeigen ein hochinteressantes Porträt einer Frau, deren künstlerische Leistungen sowie ihre Persönlichkeit noch heute faszinieren können. Unter den Publikationen, die mit einem reichen Bildmaterial versehen sind, soll noch die 2000 herausgegebene Biographie von Helga Bemmann Marlene Dietrich. Im Frack zum Ruhm genannt werden. Die Autorin folgt dem Lebensweg der Schauspielerin, indem sie ihr Leben und ihre Legende ausführlich beschreibt, und sie illustriert fast alle Textpassagen mit insgesamt 169 Abbildungen, auf denen Orte, Personen, aber auch satirische Zeichnungen, Pressekarikaturen, Programmhefte etc. zu sehen sind. Bemmann bemerkt dabei, dass viele Fotos Dietrichs (wie das berühmte Frack-Foto aus dem Film Marokko von Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel 103 1930) als legenden- und imagebildend bezeichnet werden können, indem die Schauspielerin sie für den Film wie für die Öffentlichkeit auf einen bestimmten Rollentyp festlegte (Bemmann 75). In Deutschland hatte zuerst Alfred Eisenstaedt - einer der Pioniere der modernen Fotografie - Marlene Dietrich ins Bild gebracht. Er nahm sie 1929 in Berlin auf einem Ball in Frack und Zylinder auf, und dieses Bild sei laut Bemmann der Vorläufer der Frackrolle im Marokko- Film gewesen. In den 30er Jahren wurde die Fotografie im Film immer raffinierter: „Linienführung und Arrangement huldigten einer Eleganz, deren Ziel das schöne Spiel, die perfekte Illusion, die Selbstdarstellung von ‚Glamour and Fashion‘ war“ (Bemmann 94). Somit wurde auch Dietrich auf ihren Fotos zur Ikone stilisiert und es begann ein richtiger „Fotokult“ der Schauspielerin (sowie anderer Stars dieser Zeit). Der Ross-Verlag veröffentlichte damals viele Filmpostkarten, auf denen Marlene als „Spionin“, „Blonde Venus“, „Verführerin“, „Spanische Tänzerin“ oder „Lola“ dargestellt wurde und die von Kinofans gerne gesammelt wurden. Anhand dieser Fotos hat sich ins kollektive Gedächtnis ein Bild der Schauspielerin gebrannt, das bis heute im öffentlichen Bewusstsein existiert: mit hoher Stirn, halb geschlossenen Augenlider und hohen Wangenknochen, oft mit Zylinder und in einem Smoking gekleidet. Ni Dhuill bemerkt in ihren Arbeiten zur Rolle der Bilder und der Pluriperspektivität in der Biographie, dass sich das Bild als Lebensspur grundlegend von schriftlichen Dokumenten unterscheidet. Es unterbricht den biographischen Erzählfluss und bestimmt die Vorstellung des/ der Lesers(-in), und wo es den Status einer Ikone erhält, kann es vom biographischen Text wieder relativiert, kontextualisiert und in Frage gestellt werden. Die Bilder konkurrieren miteinander und ergänzen einander zugleich, und durch die Einbeziehung mehrerer unterschiedlicher Abbildungen entsteht ein vollständigeres Bild des Biographierten (190). Die Forscherin betont dabei, dass die Entscheidung, in Biographien dem Visuellen den Vorzug gegenüber Textuellem zu geben, häufig mit einer überdurchschnittlich hohen medialen Bildpräsenz des Objekts zu Lebzeiten korrespondiert. So sind Film- und Bühnenschauspieler(-innen) und andere Vertreter(innen) der Unterhaltungsindustrie öfter Gegenstand von Bildbiographien als von konventionellen Textbiographien (191), der Film- und Bühnenstar Marlene Dietrich bildet ein perfektes Beispiel dafür. Die oben genannten Bildbiographien werfen die Frage nach dem „Verhältnis der beiden letztendlich inkommensurablen Medien“ (Ni Dhuill 190) auf, vor allem aber erfordern sie ein vielfältiges, mehrsichtiges Textverständnis, da Bildunterschriften, Begleittexte, Bilder und Dialoge zueinander in Beziehung treten und eine glatte, lineare Lesart außer Kraft setzen. Dieselben Rezeptionsprinzipien gelten für (auto)biographische Texte in Form von Comics / Graphic Novels , die die komplexe zeitliche Struktur des erzählten Lebens hervorheben und die 104 Dorota Tomczuk dramaturgisch ausgestalteten Verschiebungen in der Darstellung von Ereignissen, Erfahrungen und Rückblicken deutlich erkennbar machen (Ni Dhuill 193). Schon seit den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts folgte die literarische Biographie postmodernen Trends, indem biographische Elemente in fiktionale Texte absorbiert wurden (Ślibar 53). Als Beispiele für biographische Schriften mit einem fiktionalisierten Charakter entstanden zahlreiche Werke, die durch Dietrichs Leben und Persönlichkeit frei inspiriert wurden. Zu dieser Gruppe lässt sich eine Graphic Novel einbeziehen, die das Comic-Genre repräsentiert. Mit der Comic-Biographie von Dietrich, die wahre biographische Details neben imaginäre Begegnungen stellt, wird das Leben des Filmstars aus einer neuen Perspektive und in einer originellen Form erzählt. In der 2021 veröffentlichten Graphic Novel Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens stammen die Zeichnungen von Claudia Ahlering und die Texte von Julian Voloj. Laut Voloj, dem in New York lebenden Autor einer Reihe international erfolgreicher biographischer Graphic Novels (darunter Ghetto Brother mit Claudia Ahlering, Joe Shuster: Vater der Superhelden mit Thomas Campi, Ein Leben für den Fußball: Die Geschichte von Oskar Rohr mit Marcin Podolec und Basquiat mit Soren Modal) stellt diese Comic-Biographie eine rätselhafte Begegnung dar: Ein junger Reporter, der die zurückgezogen lebende Diva in ihrer Pariser Wohnung für ein letztes Interview aufsucht, kontrastiert Marlenes Erzählung mit recherchierten Fakten über ihr Leben, und anschließend erfährt er, dass er tatsächlich den Geist der verstorbenen Schauspielerin interviewt hat. Diese Rahmenhandlung erlaubt es, den Mythos Marlene in der Erzählung beizubehalten und auf die vielen, teilweise entgegengesetzten biographischen Anekdoten einzugehen (123-124). Die etablierte wissenschaftliche Biographieforschung wertet den Text nach wie vor höher als das Bild und weist dem Bildmaterial lediglich eine ergänzende Rolle zu (Ni Dhuill 192). In der Graphic Novel wird dagegen eine komplementäre Kombination von Wort und Bild verwendet, die nicht nur eine einfache Darstellung von historischen Fakten aus Dietrichs Leben ermöglicht, sondern es den Leser(-innen) auch erlaubt, die Protagonistin besser kennenzulernen und ihre Motivation zu erraten. In dieser Hinsicht geht diese Form der Lebensbeschreibung über die traditionelle Biographie hinaus, denn die hier angebrachte Verbindung von Wort und Bild gibt die Möglichkeit einer umfassenderen Darstellung von Emotionen und Erfahrungen. McCloud bezeichnet Comics deswegen als „unsichtbare Kunst“: Zwischen den Rahmen mit Bildern und Textpassagen gibt es Lücken, die die Leser(-innen) mit ihrer eigenen Fantasie füllen und auf diese Weise die erzählte Geschichte zum Leben erwecken können (McCloud 12). Somit werden sie in den Prozess der Mitgestaltung der Bedeutung des Werkes hineingezogen. Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel 105 Inhaltlich besteht Dietrichs Comic-Biographie aus Einzelaufnahmen, die „Augenblicke des Lebens“ des Stars reflektieren und nicht immer chronologisch geordnet sind. Zuerst bekommt der/ die Leser(-in) ein paar Bilder der auf der Bühne singenden Marlene, die in ihrem berühmten weißen Schwanenfeder- Mantel, in dem sie in den 60er Jahren Aufsehen und Bewunderung erregte, zu sehen ist. Der dazugehörige Text zerfällt in einzelne Sätze aus den bekanntesten Liedern der Diva, die mit ihrer graphischen Form die Gestalt Dietrichs sanft einzuwickeln scheinen. Auf den nächsten Seiten erscheint ein junger Mensch, der diese Szenen im Fernsehen betrachtet und dabei auf die Idee kommt, die „echte Legende“ zu interviewen. Die nächsten Zeichnungen zeigen ihn auf den Pariser Straßen laufend bis er in Marlenes Zimmer gelangt. Die Schauspielerin lässt sich nicht sehen: Sie befiehlt ihm sofort, das Licht ausgeschaltet zu lassen. Sie stellt ihm zwei Stunden Zeit zur Verfügung und sie beginnen eine gemeinsame Reise in die Vergangenheit. Dietrich „erzählt“ zuerst vom Berlin der 20er Jahre, ihre Erzählung wird dabei vor allem mittels Zeichnungen dargestellt. Ihre Anfänge in der Theaterwelt, die Bekanntschaft und Heirat mit Rudi, die Geburt des Kindes werden nur ab und zu mit kurzen sprachlichen Kommentaren versehen. Der Journalist stellt manchmal Fragen an Marlene, wenn er zum Beispiel etwas mehr über ihre Ehe erfahren will, und als Antwort kommen wiederum die Zeichnungen, die das Sonderbare an dieser Beziehung erklären sollen. Sie sind nicht immer realistisch gestaltet, besonders wenn sie Marlene auf der Bühne zeigen; auch die chronologische Ordnung der Ereignisse wird nicht beibehalten, stattdessen kommen zahlreiche Retrospektionen vor. Dietrich erinnert sich an ihre Ehe, dann sieht man, wie sie Blumen auf Rudis Grab legt, und dann befindet sich der/ die Leser(in) wieder in ihrem Pariser Zimmer, wo sie dem Journalisten erklärt, dass Rudi immer gut zu ihr und zu ihrem Kind war, vor allem aber schätzte sie an ihm, dass er nie versucht habe, sie als sein Eigentum zu sehen (Ahlering und Voloj 30). Einzelne Bilder werden collageartig zusammengestellt, und die Aussagen der Gestalten sind wie Schlagwörter formuliert. Daher werden aber nur diejenigen Leser(-innen), die sich in Dietrichs Biographie auskennen, im Stande sein, mit den chaotisch präsentierten Ereignissen zurechtzukommen. Marlene bereitet sich auf die Rolle in Der blaue Engel vor, dann sieht man sie als Köchin, die Boeuf Stroganoff serviert, danach überlässt sie das Kind der Obhut ihrer Mutter, und die nächste Seite wird mit bekannten Szenen aus dem Film gefüllt. Weiter erzählt die Heldin, welchen Weg sie von Berlin über Hollywood nach Paris gegangen ist, die Filmarbeit Dietrichs in Amerika wird aber weitgehend ausgespart. Eine größere Rolle spielen in diesen Erinnerungen ihre Beziehungen und auch ihr Engagement während des Zweiten Weltkrieges, vor allem aber zahlreiche Personen, die ihr Leben beeinflusst haben und anschließend im Anhang 106 Dorota Tomczuk als Gastauftritte zusammengestellt und mit biographischen Angaben dargestellt werden. Auf dieser Liste stehen Rudi Sieber, Josef von Sternberg, Kurt Gerron, Emil Jannigs, Walter Wanger, Harry Richman, Jean Gabin, Friedrich Hollaender, Franz Waxman, Peter Kreuder, Erich Maria Remarque, Joachim von Ribbentrop und Burt Bacharach sowie drei Frauen: Dietrichs Mutter Josefine von Losch, ihre ältere Schwester Liesel und ihre Tochter Maria. Die fortlaufende Erzählung wird mehrmals von Rückblenden unterbrochen: Marlene erzählt vom Zweiten Weltkrieg, und plötzlich werden ihre früheren Erinnerungen wach, als sie als Kind den Ersten Weltkrieg und den Tod des Vaters erlebte. Gleich danach sieht man sie für die Soldaten singend, und über der Zeichnung werden ihre Worte gesetzt: „Die USO-Tournee war mein Kriegsbeitrag. Mein Kampf gegen Hitler“ (Ahlering und Voloj 81), die durch um ihre Gestalt schwebende Lieder-Zitate auf Englisch ergänzt werden. Zur Inspiration für die Entstehung vieler Zeichnungen wurden nicht nur Tatsachen aus dem Leben der Schauspielerin, sondern auch Fotos, die aus den ihr gewidmeten Bildbiographien oder aus ihren Filmen bekannt sind und die sich im Gedächtnis vieler Leser(-innen) und Zuschauer(-innen) fest verankert haben. Die auf dem Fass oder rittlings auf dem Stuhl sitzende Lola-Lola aus Der blaue Engel, Marlene, die in der Uniform für die Soldaten singt oder in ihrem Schwanenfeder-Mantel auf der Bühne auftritt - diese und viele andere Bilder wurden von Ahlering in Zeichnungen umgewandelt. Auch Dietrichs Gewohnheit, vor Beginn jeder Vorstellung ihre berühmte tiefe und anhaltende Verneinung vor dem Publikum zu machen, die auf vielen Fotos verewigt wurde, hat Ahlering als Zeichnung wiedergegeben. Die bildhafte Darstellung in der Comic-Biographie erleichtert es, von Dietrichs Glamour und ihrem ikonischen Aussehen zu erzählen, aber für die Illustratorin Claudia Ahlering war bei der Recherche vor allem das politische Engagement der Schauspielerin interessant, nicht nur ihr privates Leben und das Star-Dasein. Eindrucksvoll sind zum Beispiel die Zeichnungen, die Auschwitz-Gefangene und Umrisse des Konzentrationslagers zeigen, die durch Marlenes kurze Äußerung ergänzt werden: „Ich hörte damals vom Schicksal Kurt Gerrons. Ich erinnerte mich, wie ich ihn in der Dreigroschenoper bewundert hatte […] und wie er später ein guter Kollege im Blauen Engel wurde“ (Ahlering und Voloj 86). Es wird kein Wort mehr erklärt, aber im oben erwähnten Anhang Gastauftritte lassen sich Informationen finden, dass Gerron, der den Zauberkünstler Kiepert in Der blaue Engel gespielt hat, 1943 von der SS gezwungen wurde, den Propagandafilm Theresienstadt zu drehen. Danach wurde er 1944 mit anderen Mitwirkenden des Films nach Auschwitz transportiert und dort ermordet (Ahlering und Voloj 117). Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel 107 Durch das ganze Buch ziehen sich Anspielungen und Signale, die jeder/ jede Leser(-in), dem/ der Dietrichs Lebenslauf bekannt ist, ohne weiteres entschlüsseln kann, bei den anderen sollen sie Neugierde wecken, weiter nach verschwiegenen oder nur teilweise erteilten Informationen zu suchen. Das Bild Dietrichs, das als ihre Selbstdarstellung in einem Interview konzipiert wird, erscheint in dieser Biographie in hohem Maß idealisiert: Man sieht sie als allgemein verehrten Superstar auf der Bühne, gleichzeitig als eine voll Opferbereitschaft, Zärtlichkeit und Fürsorge lebende Mutter und Frau, die sich ständig um ihre Familie kümmert, aber auch jedem weiteren Liebhaber ergeben ist. Sie hasst die Nazis und versucht, auf ihre Weise mit ihnen zu kämpfen, danach ist sie aber verängstigt, dass sie durch die antifaschistische Aktivität ihre in Deutschland verbliebene Familie in Gefahr gebracht haben könnte und bittet ihre Mutter auf dem Sterbebett, ihr zu vergeben. Vor dem grauenerregenden Hintergrund von Leichenbergen im Lager Bergen-Belsen denkt sie an ihre Schwester: „Ich hätte sie nach Amerika holen sollen. Haben sie Lisbeth gefoltert? Ermordet? “ (Ahlering und Voloj 93). Den danach folgenden Zeichnungen kann man entnehmen, welchen Schock Dietrich erleben musste, als sie erfuhr, dass ihre Schwester mit ihrem Mann ein Kino im KZ Bergen-Belsen betrieb. Diese Szenen werden meisterhaft mit Interview-Aufnahmen kombiniert, in denen Marlene entschieden und beharrlich darauf besteht, keine Schwester zu haben. Alle Biographen von Marlene Dietrich erwähnen Schwierigkeiten, zur Wahrheit zu kommen, sowie zahlreiche Kontroversen, die sich mit vielen Ereignissen aus ihrem Leben verbinden. Die weitgehend unbekannte Beziehung Dietrichs zu ihrer Schwester wird zum Hauptthema einer Doppelbiographie von Heinrich Thies Fesche Lola, brave Liesel. Marlene Dietrich und ihre verleugnete Schwester, die auf den nie veröffentlichten Briefen zwischen den beiden basiert. Elisabeth war mit ihrem Mann Georg Will seit 1939 auf dem Kasernengelände von Bergen-Belsen wohnhaft, in dessen Nähe sowjetische Kriegsgefangene in einem Lager starben. Obwohl sie nicht direkt daran beteiligt waren, diente das von ihnen in der Kaserne betriebene Truppenkino doch als Stätte des Amüsements an diesem schrecklichen Ort. Marlene besuchte ihre Schwester dort im Mai 1945, als diese von den Briten bereits aus der Dienstwohnung geworfen worden war und nun auch an dem allgegenwärtigen Mangel litt. Auch andere Biographen betonen, dass Dietrich ihre Schwester nach wie vor liebte und sie tatkräftig unterstützte, jedoch wollte sie sich länger nicht zu Elisabeth bekennen und sie versuchte sie von der öffentlichen Bildfläche zu tilgen. Als Marlene 1982 von Maximilian Schell, der an einem Dokumentarfilm über sie arbeitete, direkt gefragt wurde, ob sie Geschwister habe, antwortete sie entschieden, sie sei allein aufgewachsen. Bach bemerkt in dieser Hinsicht, dass Marlene immer einen erbitterten Hass auf das Dritte Reich empfand; ihren Schwager bezeichnete sie 108 Dorota Tomczuk im Kreis der Familie freimütig als „einen Nazi“, und über Elisabeth sprach sie in der Öffentlichkeit nie: „[…] außer, um ihre Existenz zu leugnen“ (Bach 356). Eine solche dichterische Freiheit bei der Gestaltung der eigenen Biographie deutet nach Bach keinesfalls auf ein schlechtes Gedächtnis bei Marlene hin, sondern bildet eher einen Beweis für ein bewusstes, sorgfältiges Erbauen der eigenen Legende, das Dietrich seit den Anfängen ihrer Karriere verfolgte. Nach diesem Prinzip wird auch die Gestalt Dietrichs in der Comic-Biographie konzipiert, wo sie zum Beispiel beharrlich bestreitet, jemals als Landesverräterin bezeichnet worden zu sein: „Es gab keine Ressentiments gegen mich. Alle haben mich geliebt“ (Ahlering und Voloj 99). Die Frage ihrer komplizierten Rezeption in Deutschland wird auch von Bach erklärt, der ausführlich beschreibt, wie es dazu kam, dass die Deutschen ein völlig anderes Bild von der Diva als der Rest der Welt hatten. Die Hetzkampagne gegen sie hatte in der Presse zu Anfang des Dritten Reichs begonnen und war bis 1945 mit unverminderter Schärfe fortgeführt worden. Während dieser Zeit wurde kein einziges Wort über sie gedruckt, das nicht von Goebbels und seinem Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda genehmigt worden wäre; auch die meisten ihrer Filme waren in Deutschland verboten worden. 1960 wussten die Bundesdeutschen wenig mehr über sie, als was die Nazi-Zeitungen geschrieben hatten. Sie wurde also von vielen als „eine Verräterin“ gehalten. Gleichzeitig war aber Neugier vorhanden, denn Marlene Dietrich galt weltweit nicht nur als die berühmteste Deutsche des Jahrhunderts und der einzige deutsche Star von Weltrang, sondern auch als ein Kultursymbol und ein Sinnbild der Weimarer Republik: „Sie war ein Teil der deutschen Zeitgeschichte - und nicht nur der deutschen“ (470). In der Comic-Biographie gedenkt Dietrich noch ihrem Auftritt in Tel Aviv, wo sie es als Allererste wagte, öffentlich auf Deutsch zu singen. Dann erscheinen wiederum ihr Pariser Zimmer und der Journalist, der sie nach ihrem Leben in den 70er und 80er Jahren fragt, von dem wenig bekannt ist, weil sie sich vollkommen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Auf den nächsten Seiten spricht Marlene kein Wort mehr, ihre Gestalt ist als Schattenumriss unter den Gesichtern von „Rudi“, „Jean“ und „Jo“ sichtbar. Es wird auch ihr abgemagerter, zusammengerollter Körper zwischen den Versen: „Ich fühle mich so einsam“, „So allein“ und „Vergesst mich nicht“ gezeichnet, was zweifellos den psychophysischen Zustand der Schauspielerin in ihren letzten Tagen treffend widerspiegelt (Ahlering und Voloj 108). Als der Journalist Dietrichs Wohnung verlässt und versucht, sich das durchgeführte Gespräch anzuhören, entdeckt er, dass auf den Kassetten nur seine Stimme aufgenommen worden ist. Kurz danach erfährt er, dass Marlene gestern gestorben ist. Demnach weist alles darauf hin, dass er einen Geist interviewt hat. Die letzten Zeichnungen zeigen Dietrichs Beisetzung in Berlin. Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel 109 Abkürzungen in der Darstellung der Ereignisse und Sprünge zwischen unterschiedlichen Zeitebenen führen dazu, dass die Leser(-innen) es in dieser Graphic Novel eher mit losen Bildfolgen als mit einer zusammenhängenden Geschichte zu tun haben. Diese Form entspricht der im Untertitel angesprochenen Idee der Biographie, die lediglich „Augenblicke eines Lebens“ darstellen will. Die Darstellung scheinbarer Realität wird dabei als ein charakteristisches Merkmal der Graphic Novel bezeichnet, denn diese Realität wird durch die Erfahrungen und Lektüren einer Gruppe von Künstler(-innen) gefiltert, zu der Drehbuchautor(-in), Cartoonist(-in), Redakteur(-in) und Verleger(-in) gehören. Nach Art Spiegelmann, der in seiner Anthologie Breakdowns auf eigene Annahmen zu den sogenannten künstlerischen Comics eingeht, sollte ein Comic als ein individuelles, subjektives Werk des/ der Autors(-in) angesehen werden, als ein Spiel von Worten und Bildern, in dem alle Experimente zugelassen sind, die zum Überraschen der Leser(-innen) führen können (48). In der Graphic Novel von Ahlering und Voloj gibt es verschiedene Arten von Zeichnungen, die sich erheblich voneinander unterscheiden. Jede Seite des Comics enthält eine einzigartige Anordnung von Bildern, originale Zeichenverbindungen und zusätzliche kleinere Rahmen. Der Sinn und die Bedeutung der Geschichte ergibt sich erst aus der Aneinanderreihung der einzelnen Bilder, die das Lesen und das Verstehen eines Comics möglich macht. Trotz einer unregelmäßigen Anordnung der Seite stellt sie immer ein kompositorisches Ganzes dar und demnach sollte sie als Ganzes gelesen und interpretiert werden. Die Illustrationen werden durch die ihnen gegebene Symbolik zu einer tieferen emotionalen Botschaft, die man zweifellos als künstlerisch bezeichnen kann. Die Einzelbilder sind hier im Gegensatz zur gewohnten Form der Comics nicht mehr aneinandergereiht; stattdessen nehmen sie unterschiedliche Formate an, und manchmal füllt ein einzelnes Bild die ganze Seite, was als Beispiel für eine sich vom klassischen Comic abhebende Ästhetik angesehen werden kann (Abel und Klein 30). Laut Definition soll die Graphic Novel eine geschlossene Geschichte erzählen, die eine originelle, einzigartige Handlung mit Anfang, Entwicklung und Ende enthält. Dieses Arrangement ist das Gegenteil von kommerziellen Comicserien, bei denen es sich um eine offene Form handelt, die das Hinzufügen eines weiteren Teils mit wiederholten Episoden und unsterblichen Helden(-innen) ermöglicht. In Bezug auf Helden(-innen) soll jede Graphic Novel ein komplexes psychologisches Porträt der Figuren enthalten, jedoch das dramaturgische Konzept des sprunghaften Erzählens von Voloj und Ahlering, mit zahlreichen Verkürzungen und vagen Andeutungen kann nur von Lesern(-innen) mit einem großen Vorwissen richtig interpretiert werden. 110 Dorota Tomczuk Das Thema des Buches von Ahlering und Voloj entspricht auch der seit Jahren bemerkbaren Tendenz der Comic-Künstler(-innen), relevante Themen anzusprechen und biographische, historische und politische Geschichten zu erzählen. Als Beispiel können Comicgeschichten von Barbara Yelin genannt werden, die als eine der wichtigsten Comic-Künstlerinnen ihrer Generation beschrieben wird, und in ihren vielschichtigen, präzise recherchierten sowie mit politischem und sozialem Statement verknüpften Werken Holocaustüberlebende porträtiert. Auch Graphic Novels von Reinhard Kleist, Simon Schwartz und Paula Bulling nehmen wichtige Plätze in der vielfältigen Welt der deutschsprachigen Comics ein. Als Gemeinsamkeit von Werken dieser Zeichner(-innen) lässt sich der mutige Umgang mit schwierigen Themen (an denen es auch in Dietrichs Biographie nicht mangelte) nennen; sie unterscheiden sich aber voneinander vor allem im graphischen Zeichenstil, der für jeden/ e Künstler(-in) individuell ist. Die Zeichnungen von Ahlering sind in mattem Schwarz-Weiß gehalten, Kontraste stellt sie mit Grautönen oder gedämpften Farben heraus, und ihre Linienführung verleiht dem Buch einen unruhigen Charakter. Die Panelanordnung bleibt dabei klar abgegrenzt, obwohl sie zum Teil verschachtelt ist. In einem Interview gab die Zeichnerin zu, sie habe eigentlich viele Stile und setze den Stil ein, den sie im Moment gebrauche. Im Allgemeinen beurteilt sei ihr Stil „[…] wahrscheinlich sehr realistisch, kleinteilig, detailverliebt - im malerischen realistisch - in der lyrischen Zeichnung reduziert und auch morbide“ (Ahlering 2). Abel und Klein betonen in ihrer Untersuchung von Merkmalen der Graphic Novel, dass sie eine Art der graphischen Literatur bildet, die an ein erwachsenes Publikum adressiert ist. Sie erhebt einen literarischen Anspruch und enthält meist eine selbstreflexiv-autofiktionale Erzählhaltung. Die Erzählung kann entweder einen fiktionalen oder einen nichtfiktionalen Charakter haben, und die Autoren(-innen) spielen oft mit experimentellen Einsätzen von Schrift-Bild- Verknüpfungen, was das Aufbrechen der für den Heftcomic typischen Seitengestaltung und Panelanordnung zur Folge hat (Abel und Klein 157). Das Buch Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens von Ahlering und Voloj weist all diese Merkmale auf, die gleichzeitig auf seine Überlegenheit gegenüber der traditionellen Biographie hinweisen: Während den Bildern in der konventionellen Biographik eine rein illustrative Aufgabe zukommt, verbinden sich hier die Zeichnungen mit dem Text, infolgedessen entsteht eine besondere intermediale Interdependenz von Wort und Bild. Die Kombination von Schrift und Bild wird im Allgemeinen als ein Wesensmerkmal von Comics identifiziert, diese Verbindug muss aber immer neu interpretiert werden, da die Dominanz der Schrift in Comics nicht selten durch eine andere semiotische Konstellation ersetzt wird. Das Bild nimmt im Comic verschiedene Formen an und es dient dabei immer demselben Zweck: der Vermitt- Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel 111 lung bestimmter Inhalte und dem Aufbau einer visuellen Geschichte. Die Bilder im Comic stehen dabei nicht allein, sondern sind stets voneinander abhängig. Das Wort ist aber ein ebenso wichtiges Element der Kunst des Comics wie das Bild: Der verbale Text bildet die Grundlage für die Existenz eines literarischen Werkes, denn er konstituiert einen Code, der die Kommunikation zwischen dem/ der Autor(-in) und dem/ der Leser(-in) ermöglicht. In einem Comic macht ein Wort erst in Kombination mit einem Bild den Code verständlich, und das alles, was in einem literarischen Werk mit dem Text allein geschaffen wird, teilt sich Comic in Bild und Wort auf. Biographische Comics haben viele Vorteile gegenüber traditionellen Biographien. In Kombination von Illustration und Text stellen sie zwar nur einige Schlüsselmomente im Leben einer Figur dar, diese prägnante Form bedeutet jedoch nicht, dass der biographische Comic weniger detailliert ist. Die Autoren(innen) müssen das Schicksal ihrer Figuren auch genau kennenlernen, die Besonderheit des Comic-Mediums erlaubt es ihnen jedoch, bestimmte Ereignisse in mehreren Szenen darzustellen. Somit werden neue Möglichkeiten eröffnet, die Interaktion von Wort und Bild in der Lebensdarstellung zu gestalten. Das Verhältnis von Schrift und Bild im Comic kann nicht aus allgemeinen medialen Differenzen zwischen Zeichentypen hergeleitet werden, denn erst eine semiotische Analyse der problematischen Verankerung von Bildern in Schrift oder Schrift in Bild kann diese spannungsreichen Transformationen aufdecken (vgl. Packard et al. 37). Die Beziehung zwischen Wort und Bild ist in der Graphic Novel Marlene Dietrich einzigartig und faszinierend zugleich. Die Erzählung wird hier sowohl durch das geschriebene Wort als auch durch Bilder vermittelt, was ein komplexes Zusammenspiel der beiden Elemente erfordert. Die Sprache und die Bilder ergänzen sich, um die Handlung zu entwickeln und die Charaktere zum Leben zu erwecken. Während die Texte wichtige Informationen und Dialoge liefern, bieten die Illustrationen visuelle Hinweise und Hintergründe, die den Lesern(innen) helfen, sich in die Handlung hineinzuversetzen. Wie in jedem Comic, gibt es auch in dieser Graphic Novel eine Tendenz zur Verwendung kurzer Sätze und einfacher Sprache, um den Bildern mehr Raum zu geben. Die Bilder übernehmen oft einen großen Teil der Erzählung und können mehr Informationen vermitteln als der Text allein. Sie können die Emotionen der Charaktere, die Stimmung der Szene, dezent angedeutete Zeitsprünge und sogar den Klang von Geräuschen darstellen. Gleichzeitig kann der Text die Bedeutung der Bilder verstärken und tiefergehende Bedeutungen hinzufügen. Die Textpassagen können auch dazu beitragen, dass der/ die Leser(-in) zwischen den Panels navigiert und die Handlung oder Motivation oder auch die Gefühle der Protagonistin besser versteht. 112 Dorota Tomczuk Die biographische Graphic Novel von Ahlering und Voloj zeigt, wie effektiv das Zusammenspiel von Wort und Bild sein kann, um Geschichten zu erzählen, die Leser(-innen) in die Handlung einzubeziehen und ihnen das Leben und den Mythos von Dietrich näher zu bringen. Die Beziehung zwischen Sprache und Bildern ist hier unverzichtbar und verleiht der Kunstform der Comic-Literatur eine einzigartige und ansprechende Dimension. Auf der Suche nach den Prinzipien, die die Comicgeschichte organisieren und das Bild zum narrativen Bild machen, beziehen sich viele Forscher(-innen) immer wieder auf die Filmtheorie, aus der sie viele Begriffe (wie „Frame“, „Set“, „Shot“ oder „Montage“) ableiten und in ihren Analysen verwenden. Nach Szyłak lässt sich dieses Verfahren durch die Ähnlichkeit der Elemente, die diese Namen definieren, erklären, gleichzeitig sollte es aber daran erinnert werden, dass dieselben Begriffe nicht immer genau dasselbe Objekt definieren: Das Comic-Buch kombiniert auf eklektische Weise Elemente aus verschiedenen Künsten und verändert ihre Funktionen, indem es sie in anderen Kontexten und Gegenüberstellungen verwendet (44). Worte erscheinen im Comic als Aufzeichnung der Äußerungen von Personen, als narrativer Kommentar zu Bildern und als Untertitel, die in der präsentierten Welt erscheinen. Sie stehen auch im Titel und in dieser Rolle erfüllen sie eine metatextuelle Funktion, indem sie Comics in den Bereich der Literatur (Szyłak 91) stellen lassen. Im Nachwort bemerkt Voloj, dass Marlene Dietrich eine Person war, die sich selbst erfand: „Sowohl ihre Biographie wie auch das Bild, das sie von sich abgeben wollte“ (123). Er erwähnt auch den Dokumentarfilm, den Maximilian Schell ein Jahrzehnt vor ihrem Tod drehte. In dieser weltberühmten Fernsehdokumentation, die zum absoluten Hit des New Yorker Filmfestivals im September 1986 wurde und im November weltweit in den Kinos lief, hört man lediglich die Stimme Dietrichs, die Schauspielerin zu Gesicht bekommt man nicht. In ihrem letzten Auftritt ignorierte Dietrich zwar oftmals Schells Fragen, aber trotzdem gab sie darin doch viel über sich und ihr Selbstbild preis. Mit dieser Graphic Novel, die auch mit biographischen Selbsterfindungen Dietrichs spielt, wird dem Weltstar letztlich den Annahmen der Autoren(-innen) entsprechend „erneut ein Denkmal gesetzt“ (Voloj 124). Text und Bild in einem Comic ergänzen und bedingen sich gegenseitig. Kein Comic kann ohne eines dieser Elemente existieren, da Wort und Bild völlig unterschiedliche Funktionen haben und erst zusammen ein Comic-Werk ergeben. Das Wort benennt, stellt vor, gibt Auskunft, leitet den/ die Leser(-in); das Bild hingegen zeigt die Welt, stellt die Helden(-innen) und ihre Taten vor. Darüber hinaus können beide bestimmten Zusammenstellungen unterliegen, was zum Entstehen von künstlerischen, innovativen Comic-Werken führt. Ein Beispiel dafür stellt eben die Comic-Biographie Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens dar. Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel 113 Notes 1 Von der problematischen Glaubwürdigkeit der Bearbeitungen, die sich auf dem persönlichen Kontakt mit Dietrich und ihren Selbstzeugnissen stützen, schreibt u. a. Gilles Plazy im Buch La veritable Marlene Dietrich. Paris: Pygmalion, 2001. 2 Mehr über die Bilder und Pluriperspektivität in der Biographie in: Ni Dhuill, Caitriona. „Intermediale Biographik (Bilder und Biographie).“ Handbuch Biographie. Methoden, Traditionen, Theorien. Ed. Christian Klein. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag, 2009. 190-193. Works Cited Ahlering, Claudia und Julian Voloj. Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens. Leipzig: Knesebeck Verlag, 2021. Abel, Julia und Christian Klein, eds. Comics und Graphic Novels. Eine Einführung . Stuttgart: J.B. Metzler Verlag, 2016. Ahlering, Claudia. „Sieben auf einen Strich.“ Web. https: / / siebenaufeinenstrich.de/ claudia-ahlering-im-interview/ 19 Juli 2023. Bach, Steven. „Die Wahrheit über mich gehört mir.“ Marlene Dietrich. München: List Verlag, 2000. Bach, Steven. Marlene Dietrich Life and Legend. New York: William Morrow, 1992. Baetens, Jan, ed. The Graphic Novel. Leuven: University Press, 2001. Baur, Eva Gesine. Einsame Klasse. Das Leben der Marlene Dietrich. München: C.H. Beck, 2017. Bemmann, Helga. Marlene Dietrich. Im Frack zum Ruhm. Ein Porträt. Leipzig: Gustav Kiepenhauer Verlag, 2000. Dolle-Weinkauff, Bernd. Comics - Geschichte einer populären Literaturform in Deutschland seit 1945 . Weinheim und Basel: Beltz, 1990. 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Verzeichnis der Autor: innen Dr. Christoph Weber University of North Texas Department of World Languages, Literatures, and Cultures 1155 Union Circle #311127 Denton, Texas 76203 USA christoph.weber@unt.edu Dr. Robert Blankenship California State University, Long Beach Department of Romance, German, Russian Languages and Literatures 1250 Bellflower Blvd. Long Beach, CA 90840 USA robert.blankenship@csulb.edu Dr. Kevin Eubanks U.S. Naval War College Writing and Humanities 686 Cushing Road Newport, RI 02841 USA Kevin.Eubanks@usnwc.edu Dr. Vaidas Šeferis Masaryk University Faculty of Arts Institute of General Linguistics and Baltic Languages Brno, Czech Republic Institute of Lithuanian Literature and Folklore Vilnius, Lithuania seferis@phil.muni.cz Dr. Robert Kelz University of Memphis Department of World Languages and Literatures 108 Jones Hall Memphis, TN 38152 USA rkelz@memphis.edu Dr. Dorota Tomczuk Katholische Universität Lublin Abteilung für deutschsprachige Literatur und Kultur Institut für Literaturwissenschaft Al. Racławickie 14 20-950 Lublin Poland dtomczuk@kul.pl Die Zeitschrift erscheint jährlich in 4 Heften von je etwa 96 Seiten. Abonnementpreis pro Jahrgang: € 138,00 (print)/ € 172,00 (print & online)/ € 142,00 (e-only) Vorzugspreis für private Leser € 101,00 (print); Einzelheft € 45,00 (jeweils zuzüglich Versandkosten). Bestellungen nimmt Ihre Buchhandlung oder der Verlag entgegen: Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Postfach 25 60, D-72015 Tübingen, Fax +49 (0)7071 97 97 11 · eMail: info@narr.de Aufsätze - in deutscher oder englischer Sprache - bitte einsenden als Anlage zu einer Mail an hhoebu@uky.edu oder bessdawson@uky.edu (Prof. Harald Höbusch oder Prof. Rebeccah Dawson, Division of German Studies, 1055 Patterson Office Tower, University of Kentucky, Lexington, KY 40506-0027, USA). Typoskripte sollten nach den Vorschriften des MLA Style Manual (2008) eingerichtet sein. Sonstige Mitteilungen bitte an hhoebu@uky.edu © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Alle Rechte vorbehalten/ All Rights Strictly Reserved Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ISSN 0010-1338 Die Herausgeber Dr. Hermann Gätje (Universität des Saarlandes) Prof. Dr. Sikander Singh (Universität des Saarlandes) Die am Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass der Universität des Saarlandes herausgegebene Reihe eröffnet Perspektiven auf die deutsche Literatur im europäischen Kontext. Weil das literarische Kunstwerk im Dialog mit literarischen Texten anderer kultureller Überlieferungen entsteht, tragen intertextuelle, komparatistische sowie kulturvergleichende Studien wesentlich zu einem vertieften wissenschaftlichen Verständnis des Wechselspiels der Literaturen und literarischen Traditionen bei. In diesem Sinne befragen die Sammelbände und Monographien der Reihe die Literaturen Deutschlands auf ihren Bezug auf andere europäische Literaturen. Neueste Bände: Hermann Gätje / Sikander Singh (Hrsg.) Europadiskurse in der Gegenwartsliteratur des vergangenen Jahrzehnts 1. Auflage 2024, ca. 230 Seiten ISBN 978-3-7720-8794-3 erscheint: 04/ 2024 Hermann Gätje (Hrsg.) Denkstile und Paradigmen im literarischen Wandel 1. Auflage 2023, 308 Seiten ISBN 978-3-381-10361-4 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Passagen - Literaturen im europäischen Kontext ISSN 0010-1338 Christoph Weber: „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ Der Fallout der nationalsozialistischen Vergangenheit in Gudrun Pausewangs Atomkatastrophenbuch Die Wolke (1987) Robert Blankenship and Kevin P. Eubanks: The Battle of Hermann Braun: Transvaluing German Nationalism in Heinrich von Kleist’s Die Hermannsschlacht and Rainer Werner Fassbinder’s Die Ehe der Maria Braun Vaidas Šeferis: Von der Auferstehung des ehrlichen Amtmanns. Zur Chronologie und Gattung der deutschen Gedichte von Christian Donelaitis Robert Kelz: Intercultural Advocacy and Antifascist Activism: Paul Zech’s Exile in Argentina, 1933-1946 Dorota Tomczuk: Interdependenz von Wort und Bild in der Graphic Novel Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens von Claudia Ahlering und Julian Voloj narr.digital Band 57 Band 57 Heft 1 Harald Höbus ch, Rebeccah Dawson (Hr sg.) C O L L O Q U I A G E R M A N I C A I n t e r n a t i o n a l e Z e i t s c h r i f t f ü r G e r m a n i s t i k C O L L O Q U I A G E R M A N I C A I n t e r n a ti o n a l e Z e it s c h r ift f ü r G e r m a n i s ti k
