Colloquia Germanica
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0010-1338
Francke Verlag Tübingen
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KLAUS GROTH: Memoiren. Ulf Bichel and Reinhard Goltz (Eds.). Heide: Boyens, 2005. 392 pp. € 19,90.
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U. Henry Gerlach
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Besprechungen / Reviews 91 K LAUS G ROTH : Memoiren. Ulf Bichel and Reinhard Goltz (Eds.). Heide: Boyens, 2005. 392 pp. € 19,90. Der schon von seinem Äußeren durch Leineneinband mit Groth-Bild und leicht lesbarer Schriftgröße ansprechende Band ist als Fortsetzung der zu Groths hundertstem Todestag begonnenen Neuausgabe seiner Schriften in Einzelbänden gedacht. Groth hatte die Absicht, seinen gesammelten Werken «Memoiren» beizufügen, kam aber nicht mehr dazu. Diverse autobiographische Aufzeichnungen wurden jedoch teils von ihm, teils aus dem Nachlass gedruckt. Diese werden nun von Bichel, einem früheren außerplanmäßigen Professor in Kiel, und Goltz, Geschäftsführer am Institut für niederdeutsche Sprache in Bremen und Herausgeber niederdeutscher Texte und Wörterbücher, als Buch vorgelegt. Obwohl die Texte also von Groth nicht «in einem Guss» als Autobiographie konzipiert waren, bieten sie doch tiefe Einblicke in seine Denkart und Zeit, z.B. seine Einsicht, «welcher Schatz in der plattdeutschen Sprache verloren zu gehen drohte» (123). Er schreibt also: «Die Ausbreitung oder doch uneingeschränkte Erhaltung der plattdeuschen Sprache betrachtete ich fortgesetzt als mein Lebenswerk» (158). Das war allerdings seit Jahrzehnten bekannt. Man sollte den Herausgebern für die handliche Bereitstellung der verstreuten Aufsätze danken, kann letztere selbst aber kaum rezensieren, sondern muss sich auf die editorische Arbeit von Bichl und Goltz beschränken. Diese erstreckt sich darauf, die «Schreibung an die moderne Orthographie anzupassen» und außerdem «Lesegewohnheiten und Kenntnisse der angenommenen Leser […] zu berücksichtigen» (385). Sind diese Leser nun an plattdeutscher Dichtung interessierte Laien, Lehrer oder Literaturwissenschaftler? Alle drei Gruppen würden die übersehenen Satz- oder Korrekturlesefehler irritieren. Laut Anm[erkung] 81, S[eite] 49 ist «J.-J. Rousseau, französischer Philosophie», S. 124 heißt E.T.A. Hoffmann «Amandus», eine «Knabendhand» erscheint (161), L. Dustmann ist die «angsehendeste» Sängerin (246), auch «ein» Verlobung wird erwähnt (299). Fast komisch ist auf S. 27, die Anm. 37 «William Shakespeare (*1564, †16161)», wo dem Briten fast ewiges Leben nachgesagt wird. Selbst im Hinweis auf einen Abschnitt der eigenen Edition steht auf S. 67, Anm. 45 «S. 367-368», wo es «S. 371-372» heißen müsste. Auch bei den Anmerkungen/ Fußnoten hätten die Herausgeber konsequenter vorgehen können. Mitunter sind sie redundant, z.B. auf S. 16, wo Groth schreibt «Mein Vater […]» und die Anm. 4 aussagt: «Hartwig Groth (*1791, †1860) Klaus Groths Vater.» Dasselbe gilt von S. 239, wo Groth schreibt, «Nun waren wir einen Abend bei Niels Gade - bekanntlich dem bedeutendsten dänischen Komponisten damaliger Zeit, […]» und die Anm. 15 mitteilt: «[…] Gade […] dänischer Komponist.» Fußnoten zu bestimmten Personen kehren für die verschiedenen Textabschnitte mehrmals wieder, was denen das Lesen erleichtern mag, die nur bestimmte Abschnitte des Buches lesen. Allerdings sollen, laut Notiz im Verzeichnis der Personennamen (387) kursive Seitenzahlen auf die «Haupteinträge» mit ihren erläuternden Anmerkungen verweisen. Es kommt dennoch vor, dass Anmerkungen zur gleichen Person (Koopmann) auf S. 35, Anm. 45 und S. 41, Anm. 54 oder (Poisson) auf S. 23, Anm. 20 und S. 51, Anm. 90 innnerhalb eines Aufsatzes doppelt angebracht sind. Viel störender berührt den Leser 92 Besprechungen / Reviews aber die Inkonsequenz der Herausgeber bei Fußnoten und Aufnahme in das Personenverzeichnis. So erhält bei Erwähnung der «Tieck-Schlegelschen» Shakespeare- Übersetzung (216) Wolf H. Graf v. Baudissin eine Fußnote, er und Schlegel auch einen Registervermerk aber Tieck keines von beiden. Noch seltsamer ist, dass bei einer anderen Anspielung auf den Grafen dieser zwar wieder Fußnote und Registereintragung bekommt aber nicht «dessen Frau [die] später einige meiner Lieder komponierte», also dem Werk Groths näher stand. Die Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 46, S. 234 identifiziert sie als Sophie v. B., geb. Kaskel (1817-94), Gattin zweiter Ehe. Warum wird das Auffinden dieser Tatsache dem Leser überlassen? Das sind aber leider nicht die einzigen Auslassungen. Auf Seite 228 werden Drope und Höd genannt, wobei nur der erste im Register steht. Erwähnt werden ein Stähle (249 u. 255), ein Klavierlehrer Koffel und der Dichter Horaz (264), fehlen aber im Register, genau wie Probst Schetelig (315). Speckter und Allers, von denen je eine Zeichnung abgedruckt ist (17 bzw. 251) haben auch weder Anmerkung noch Indexeintrag. Fußnoten und Registereintragungen fehlen sogar für die Mutter von Johannes Brahms (263) [d.h. Christiane, geb. Nissen] und zu Brahms Stiefbruder, von dem Groth über drei Textseiten spricht (259- 62). Der Mann hieß Fritz Schnack, wie aus dem Buch Johannes Brahms - Klaus Groth: Briefe der Freundschaft, hrsg. v. Dieter Lohmeier (Heide: Boyens, 1997) in Anm. 1, S. 290 ersichtlich ist. Eine ganze Reihe weiterer Mängel ließe sich aufführen. Hinzu kämen Wünsche auf Erläuterungen, wo keine stehen, z.B. eilen Frauen «mit Besen und Eule» vor ihre Haustüren (228). Lohmeier (s. o.), der den gleichen Aufsatz edierte, teilt auf S. 54, Anm. 284, mit, eine «Eule» sei ein «Langer Besen zum Reinigen der Decken und Wände», was Bichl und Goltz entweder nicht wissen oder fälschlicherweise als in dieser Bedeutung allgemein bekannt voraussetzen. Das Goethezitat (72) aus dem Prolog im Himmel: «Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange […]» bleibt ohne Anmerkung. Es ist zwar recht bekannt, doch vielleicht nicht jedem. Es wäre außerdem sinnvoll gewesen, darauf hinzuweisen, dass Groth Teile früher autobiographischer Texte beim Schreiben späterer fast wortwörtlich übernahm. Textwiederholungen sind also häufig, z.B. das Versprechen, eine gute Arbeit auf Plattdeutsch zu liefern (104 u. 125), Erwähnung der väterlichen Mühle (37-38 u. 126- 27) Teile davon auch etwas später (48-49 u. 127-29). Ein Bericht über F. Selle (137) taucht ein zweites Mal auf (328), der Text über Rehbenitz (141) kehrt auch wieder (327-28) sowie auch der zu Eckermann (141 u. 329). Über Otto Jahns «Beintheorie» liest man auf Seiten 145 u. 281 mit gleichen Worten, über Groths Abschied von Fehmarn (137-38) und später (328). Soll das Buch nicht nur dem Freizeitleser sondern auch dem Lehrer oder Literaturwissenschaftler dienen, die mitunter eine Tatsache schnell auffinden möchten, dann müsste es unbedingt ein Orts- und ein Werkverzeichnis enthalten. Jetzt muß man nämlich alle Texte und deren Wiederholungen lesen, um festzustellen, wo Groth über bestimmte Werke (Quickborn oder Vertelln) spricht oder was Zeitgenossen ihm dazu sagten. Groths Memoiren sind durchaus lesenswert und auch die Aufmachung des Buches spricht an. Mit etwas größerer Sorgfalt bei ihren eigenen Zusätzen (Fußnoten und Namensverzeichnis) hätten sich die Herausgeber sicher mehr Verdienst erworben. University of Illinois at Urbana-Champaign U. Henry Gerlach