eJournals Colloquia Germanica 39/3-4

Colloquia Germanica
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0010-1338
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/91
2006
393-4

«Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis»: Zur Gesinnungslosigkeit bei Joseph Roth

91
2006
Achim Küpper
cg393-40338
Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Postfach 25 60 · D-72015 Tübingen · Fax (0 7071) 97 97-11 Internet: www.francke.de · E-Mail: info@francke.de Dieser Band ist der zehnte in der Reihe von Interpretationen großer Werke der Literatur, die aus einer Ringvorlesung an der Universität Augsburg hervorgegangen ist. Er versammelt Beiträge aus den Bereichen der deutschen, französischen, englischen und amerikanischen Literatur und umspannt einen Zeitraum vom Mittelalter über das 19. bis hin zum 20. Jahrhundert. Die Heterogenität der Autoren und Werke ist gewollt, ermöglicht sie doch den vergleichenden, oft Überraschendes zu Tage fördernden Blick über die gewohnten Grenzen von Epochen, Nationalliteraturen, Gattungen und Literaturformen hinweg. Dabei finden auch Beispiele der Populärliteratur Berücksichtigung und sind immer wieder auch neueste Texte vertreten, für die ein kanonischer Status nicht ohne weiteres beansprucht werden kann, die aber gerade im Dialog mit der literarischen Tradition zur Lebendigkeit der Debatte um die kulturelle Bedeutung von Literatur beitragen können. Auch in einer Zeit verschärfter Kanondebatten und des Aufstiegs anderer Medien stellt sich die Frage nach der ästhetischen, historischen und gesellschaftlichen Relevanz von Texten, die ganz offensichtlich kulturprägende Wirkungen entfalten und der immer neuen Auslegung und Aneignung bedürfen. Hans Vilmar Geppert / Hubert Zapf (Hg.) Große Werke der Literatur X 2007, 255 Seiten €[D] 39,90/ Sfr 63,00 ISBN 978-3-7720-8240-5 «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis»: Zur Gesinnungslosigkeit bei Joseph Roth Eine Interpretation der Legende vom heiligen Trinker ACHIM KÜPPER FNRS, U NIVERSITÉ DE L IÈGE Es beginnt alles wie in einem Märchen: Der Clochard Andreas begegnet an den Ufern der Seine einem «Herrn gesetzten Alters» (515), 1 der ihm wie aus heiterem Himmel 200 Francs überreicht. Dieses Geld könne Andreas, wenn er wolle, bei Gelegenheit in der Kapelle Ste Marie des Batignolles zurückerstatten, wo sich eine Statue der heiligen Therese von Lisieux befinde: «Wenn Sie es überhaupt jemandem schulden, so ist es die kleine heilige Therese» (516). Andreas nimmt das Geld an, nicht ohne zu versichern, dass er es in die Kapelle zurückbringen werde; daraufhin verschwindet der Fremde wieder. Auf diesen erstaunlichen Zwischenfall folgen eine Reihe anderer unglaublicher Begebenheiten, wobei Andreas jedes Mal auf wunderbare Weise zu Geld gelangt, das er jedoch sogleich wieder in den Cafés vertrinkt. Als er schließlich in einem Bistro auf ein kleines Mädchen namens Therese trifft, wird er von einem Unwohlsein überkommen und «fällt […] um wie ein Sack» (543). Die Kellner schleppen ihn, «weil in der Nähe», so heißt es, «kein Arzt und keine Apotheke ist» (543), in die nahe gelegene Kapelle Ste Marie des Batignolles, wo Andreas seinen letzten Seufzer tut und stirbt. Soweit die inhaltlichen Grundzüge von Joseph Roths Erzählung Die Legende vom heiligen Trinker aus dem Jahr 1939. Sie ist in 15 kurze Kapitel gefasst und in einem schlichten Stil gehalten. Der Autor hat, wie David Bronsen anmerkt, mit Unterbrechungen vier Monate lang an dem Text gearbeitet. 2 Es ist Roths letzte Erzählung; schon kurze Zeit später stirbt er. Die Idee zu der Geschichte soll ihm, wie Bronsen weiter berichtet, im Pariser Café Tournon gekommen sein, als man ihm die Anekdote eines Clochards erzählt, der die erhaltene Geldspende später in der Kirche wieder abzugeben versprach; Roths Reaktion hierauf: «Daraus werde ich eine Geschichte machen. Sie wird meine letzte sein». 3 Unter den insgesamt doch recht wenig beachteten Erzählungen Roths gehört die Trinkerlegende zu den bekannteren, die literaturwissenschaftliche Forschung hat sie verhältnismäßig stark gewürdigt. 4 Als Vollversion ist der Text, nach zwei vorab gedruckten Auszügen von 1939 in der Pariser Tageszeitung (4./ 5. Juni) und in Das Neue Tage-Buch (10. Juni), im gleichen Jahr erstmals beim Verlag Allert de Lange in Amsterdam 340 Achim Küpper erschienen. 5 Unterschiede ergeben sich allerdings zwischen Manuskript und Druckfassung des Textes. So weist Hackert beispielsweise auf die Namensänderung hin, die sich zwischen den beiden Fassungen in Bezug auf den Helden vollzogen hat: «Andreas Woituch» ist hier zu «Andreas Kartak» umgeändert. 6 Bei der Legende vom heiligen Trinker und ihrer Hauptfigur Andreas ist die Versuchung offenbar besonders groß, Parallelen zu Roths eigener Biographie herstellen zu wollen. Joseph Roth war, so scheint es, zeitlebens auf der Flucht. Geboren wurde er 1894 in Brody, Galizien (heutige Ukraine), das bis 1918 zur Österreichischen Monarchie, danach zu Polen und später zur Sowjetunion gehörte. Roth hat an vielen verschiedenen Orten und in verschiedenen Städten gelebt. In späteren Jahren wohnte er in Hotels und Pensionen, gänzlich ohne eine feste Bleibe, seine ganze Habe in ein paar Koffern; er verbrachte seine Tage und Nächte rauchend und trinkend in den Kaffeehäusern und pendelte zwischen den Lokalen, als sei er stets auf der Suche nach etwas, das er verloren oder vielleicht nie besessen hatte. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens war er stark alkoholabhängig. Als er im Mai 1939 im Café «Tournon» vom Selbstmord seines Freundes Ernst Toller erfuhr, brach er zusammen und wurde in ein Hospital gebracht. Er starb dort nach wenigen Tagen. Joseph Roth war ein Suchender, ein Heimatloser, und dies nicht zuletzt auch (ganz gewiss aber nicht nur) aufgrund seiner jüdischen Abstammung: Als Hitler 1933 die Macht ergriff, reiste Roth unverzüglich aus Berlin ab und zog nach Paris ins Exil. Er prophezeite dem Hitler-Regime damals schon ein schreckliches Ende, wie an zwei Briefen an seinen Freund Stefan Zweig vom 6. April und 22. Mai 1933 deutlich wird: «Diese ‹nationale Erneuerung› geht bis zum äußersten Wahnsinn» 7 und «Die Preußen sind die Vertreter der chemischen Hölle, der industrialisierten Hölle in der Welt. Der Schlag wird sie treffen. Sie werden untergehen, viel früher, als man glaubt.» 8 Roths Lebensweg war der eines Heimatlosen auf Wanderschaft. In Bezug auf die Legende vom heiligen Trinker stellt sich die Frage, ob oder inwiefern die Hauptfigur Andreas, bei allen autobiographischen Zügen, die sie tragen mag, nun eine positiv gezeichnete Figur ist: Hat Roth in der Legende tatsächlich eine Idealisierung der Lebensweise des Trinkers gestaltet oder wird Andreas hier kritisch betrachtet, die Bezeichnung «Heiliger» mithin ins Leere geführt? An diesem Problem scheiden sich offenbar die Geister. Denn in den meisten Forschungsbeiträgen bildet explizit oder implizit gerade die Frage nach dem Charakter und der im Titel behaupteten ‹Heiligkeit› des Helden einen zentralen Aspekt - und wird dabei sehr unterschiedlich beantwortet. Während Hermann Kesten ein sehr negatives Bild der Titelfi- «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 341 gur zeichnet 9 und die gesamte Erzählung dementsprechend auch als pessimistisch-zynische Parodie einer Legende begreift, erhebt Günter Blöcker den Protagonisten zu einem jener Menschen, «die reinen Herzens und kindlichen Gemüts durch das Leben gehen» 10 ; Blöckers Schlussfolgerung lautet demgemäß: «Was der Dichter hier gibt, ist lauterste Romantik» 11 und: «Der Trinker Andreas versinkt nicht ins Dumpfe, er entschwebt ins Schwerelose, der Erdenkloß wird zum Luftgeist, Satyr zum Ariel - ein Rausch des Apoll, nicht des Dionysos». 12 Für Fritz Hackert ist Andreas ein zwar «menschlichen Schwächen verfallene[r] Vagabund», der aber «wenigstens noch Ehrbegriffe besitzt und sich um den rechten Weg bemüht», also doch «ein Heiliger» 13 ; entsprechend sieht Hackert in der Trinkerlegende auch keine «Satire auf katholische Bräuche», 14 vielmehr entspringe die hier vorhandene Ironie aus der ständigen Wechselwirkung zwischen Identifikation und Distanz, ohne jedoch den Autonomiecharakter des Legendarischen ganz zu zerstören. 15 Unentschieden äußert sich David Bronsen, der in dem Text eine «Ironie» sieht, die «die Möglichkeit offen [lässt], ernst genommen zu werden», 16 und der Andreas «quasi zu einem Heiligen» 17 erklärt. Barton W. Browning sieht Andreas als «embodiment of a grace beyond our normal comprehension», 18 und auch für A.F. Bance ist Andreas «always at one with the world around him and, for that reason, open to the kind of chance which constantly comes his way. He is, so to speak, in a state of grace». 19 Lothar Pikulik hingegen, der Andreas’ «Fehlleistungen» als «Ausdruck seiner Schwäche» 20 betrachtet, lässt Heil/ Heiligkeit hier allenfalls im profanen Sinne, d.h. als «Zustand des Wiederhergestelltseins», 21 gelten und hebt insgesamt eher die ironischen Aspekte der Erzählung hervor, während Esther Steinmann in zwei verschiedenen Beiträgen wiederum zu einer wesentlich positiveren Einschätzung des Helden gelangt, den sie in die Reihe der ‹heiligen Narren› der Ostkirche einbezieht 22 und dem sie ein ‹heiliges Wesen› in diesem Sinne nicht absprechen möchte: «In dem obdachlosen Trinker hat Roth einen Heiligen ohne die Aura der Heiligkeit geschaffen», 23 den gerade seine «ontische Integrität […] in seiner Einfalt, Ursprünglichkeit und Anmut unbewußt heilig sein läßt», 24 und: «Die Ehrwürdigkeit seiner Existenz entzieht sich engen Tugendbegriffen und kann doch ebensowenig als unmoralisch klassifiziert werden, weil Andreas ein Mensch mit Zielsinn ist, dem nicht aus Bosheit oder Gleichgültigkeit, sondern allein aus Leichtsinn und Gutmütigkeit das Geld ausgeht, bevor er die Gläubigerin noch erreichen kann». 25 Auch Thomas Keller spricht in einem Artikel, der Roths Legende mit den in Argonauts of the Western Pacific dargelegten Beobachtungen des Ethnologen Bronislaw Malinowski in Verbindung bringt, von Andreas’ ‹Heiligkeit›: «Der Trinker wird durch verausgabende Transgressionen heilig, die zugleich eine Zivilisationskritik transportieren». 26 342 Achim Küpper Die Frage nach Andreas’ Charakter entscheidet in der Tat darüber, ob Roths Geschichte nun als Idylle, als «zarte, kindliche Wunschpoesie» (Nürnberger) 27 bzw. als «pure wish-fulfilment» (Bance), 28 oder im Gegenteil nur noch als die zynische Version einer Legende zu begreifen ist. Dabei lässt sich allerdings ein Argument ins Feld führen, das bisher erstaunlicherweise noch keine Erwähnung gefunden hat. In der Forschung ist vorausgesetzt worden, dass Andreas «das Geld ausgeht, bevor er die Gläubigerin noch erreichen kann». 29 Das stimmt allerdings so nicht ganz. Denn als Andreas am Ende der Geschichte auf das Mädchen namens Therese trifft, das er in seinem Rausch ja tatsächlich für die Heilige und damit für seine Gläubigerin hält, hat er wundersamerweise noch «genau zweihundert Francs» (542) in der Tasche, also exakt die Summe, die er schuldig ist. Statt ihr bei dieser Gelegenheit jedoch das Geld zurückzuerstatten, nimmt er nach einem kurzen Gespräch nur einen weiteren «Hundertfrancsschein» (543) von ihr an (! ), ohne auch nur daran zu denken, seine Schulden zu begleichen; denn noch bevor er zusammenbricht, hat er die «kleine Heilige» (543) schon wieder in Richtung «Theke» verlassen - nun mit dreihundert Francs in der Tasche. So heißt es unmissverständlich im Text: «wie Andreas sich eben anschickt, an die Theke zu treten, fällt er um wie ein Sack» (543). Andreas hatte also offenbar nie die Absicht, das Geld zurückzuerstatten; an Gelegenheit mangelte es ihm jedenfalls nicht. Der Text treibt das Spiel jedoch noch weiter. Denn nachdem Andreas zusammengebrochen ist, schließt der Erzähler: Man bringt also unsern armen Andreas in die Sakristei, und er kann leider nichts mehr reden, er macht nur eine Bewegung, als wollte er in die linke innere Rocktasche greifen, wo das Geld, das er der kleinen Gläubigerin schuldig ist, liegt, und er sagt: «Fräulein Therese! » - und tut seinen letzten Seufzer und stirbt. (543) Im Moment seines Todes wollte Andreas seine Schuld also, wie es scheint, doch noch begleichen - so lautet zumindest die Interpretation des Erzählers, der Andreas’ Armbewegung als einen Griff nach der Brieftasche deutet, «als wollte er in die linke innere Rocktasche greifen». Kurz zuvor in der Geschichte findet sich allerdings noch eine andere Erklärungsmöglichkeit für diese Armbewegung: Dort heißt es, Andreas verspüre «ein unheimliches Herzweh» (542), womit dann schließlich auch ein Herzanfall als mögliche Todesursache nahe liegt. Andreas’ letzte «Bewegung» muss also keineswegs, wie der Erzähler es auslegt und wie bislang auch viele Interpreten annehmen, ein «Griff nach dem bereitgehaltenen Schuldbetrag» 30 gewesen sein. Mindestens ebenso plausibel ist nämlich, dass Andreas sich ganz einfach an das schmerzhaft stechende Herz fasst, ohne dabei an die Schulden zu denken. Darüber hinaus ist, wie sich noch zeigen wird, früher im Text auch Andreas’ prüfender Griff nach dem erlangten Geld mehrfach belegt (518, 529); demnach könnte es sich «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 343 hier ebenfalls um einen ängstlichen oder gierigen Akt der Vergewisserung handeln, ob sein Geld auch tatsächlich noch da sei. Das Ende der Erzählung hält also zumindest zwei Alternativdeutungen zu der Auslegung des Erzählers bereit. Die Schlussepisode gestaltet sich wohl nicht zufällig so ambivalent, vielmehr scheint es, dass hier ein bewusster Wille zur Uneindeutigkeit besteht. Der Text lässt einen befangenen Erzähler reden, der das Geschehen offenbar auf eine recht naive Weise deutet, und führt damit auch den Leser auf hölzernen Wegen in ein sumpfiges Gebiet: Auch er, der Leser, der ja mit Formulierungen wie «unser[…] arme[r] Andreas» (543) gefangen wird, hat Tendenz, in der Hauptfigur einen gutmütigen, armen, aber integren Menschen zu sehen, der letzten Endes «leider» (543) nicht mehr dazu gekommen ist, seine Schuld zu begleichen. Diese Interpretation aber weist Risse auf. Denn wenn man genau hinsieht, war es schon bei der ersten Begegnung mit dem Fremden zweifelhaft, ob Andreas das Geld tatsächlich zurückzahlen wollte. Schon sein Versprechen ist merkwürdig: «Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich mein Wort halten werde» (517), d.h. er verbürgt die Gültigkeit seines Versprechens, dass er das Geld in der Kirche hinterlegen wird, dadurch, dass er ein zweites Versprechen gibt, welches ja nicht mehr zählt als das erste. Völlig absurd wird Andreas’ Argumentation aber, wenn er, der ja ohne Arbeit auf der Straße lebt, zu dem Fremden sagt: «Aber ich kann nur sonntags in die Messe gehen» (517). Von Anfang an wollte Andreas die Rückgabe des Geldes, die er sich paradoxerweise selbst auferlegt, demnach zumindest hinauszögern. Der Trinker und Totschläger Andreas ist also keineswegs ein eindeutiger Charakter. Alles in allem wäre es wohl verfehlt, die Legende vom heiligen Trinker als eine ernstgemeinte Legende/ Idylle und den Trinker Andreas als einen wirklich ‹heiligen› oder besonders guten Menschen zu verstehen. Dabei geht es aber nicht darum, Andreas moralisch zu verurteilen. Darauf dürfte es im Text auch kaum ankommen. Soweit man nämlich überhaupt etwas über die Vorgeschichte erfährt, scheinen auch äußere Umstände oder andere Menschen (Karoline, auch Woitech) den innerlich schwachen Andreas zu bestimmten Reaktionen bewogen zu haben. Außerdem muss man ja bedenken, dass es eigentlich nie Andreas’ Verpflichtung war, das Geld zurückzubringen (vgl. 516); dennoch hat er sein Wort gegeben - und gebrochen. In diesem Sinne hat Kesten also völlig Recht, wenn er schreibt, dass Andreas ein Mensch ist, «der ständig auf seine Ehre pocht und stets sein Wort bricht». 31 Vorausgesetzt natürlich, dass es Andreas mit seinem Versprechen überhaupt je ernst gemeint war. Denn auf den unterverstandenen Hinweis des Fremden, dass er das Geld gar nicht unbedingt zurückzahlen müsse («Wenn Sie es überhaupt jemandem schulden, so ist es die kleine heilige Therese» [516]), antwortet Andreas eigenartigerweise: «Ich sehe […], daß sie mich und meine Ehrenhaftigkeit voll- 344 Achim Küpper kommen begriffen haben» (516-17). Man sollte diese Figur insgesamt, auch wenn allzu moralisierende Urteile fehl am Platz sind, nicht idealisieren. Damit aber wäre neben der bisherigen Opposition ‹Heiliger› vs. ‹Schurke› die Bahn nun für ein Drittes freigegeben, nach dem die Titelfigur - dies gilt es im Folgenden noch aufzuzeigen - als ein Mensch erscheint, der haltlos im weiten, leeren Raume steht und damit als ein Spiegelbild nicht so sehr des Autors als vielmehr der Menschheit zu verstehen ist. Die eingangs angesprochene ‹Märchenhaftigkeit› des Textes lässt sich in der Tat bis in mehrere inhaltliche Einzelheiten der Geschichte zurückverfolgen. So erinnert zum Beispiel Andreas’ neu erstandene «lederne Brieftasche» (529), die auf wunderbar anmutende Weise mit Geld gefüllt ist, an eine (moderne) Märchenerzählung wie Peter Schlemihls wundersame Geschichte von Adalbert von Chamisso (ersch. 1814), in der die Titelfigur in den Besitz eines ledernen Geldbeutels gelangt, der sich auf wunderbare Weise stets selbst füllt. 32 Der Geldregen, von dem Andreas in der Legende förmlich überschüttet wird, lässt auch an bekannte Volksmärchen wie etwa die Geschichte vom Goldesel oder das Sterntaler-Märchen denken. Wie in einem Märchen stößt auch der Titelheld Andreas nur scheinbar auf Schwierigkeiten, die sich aber jedes Mal, wie durch ein Wunder, in Luft auflösen. Und so ist es auch keinesfalls abwegig, dass Hermann Bausinger die Erzählung als ein modernes Märchen bespricht. 33 Er rechnet Roths Trinkerlegende neben Döblins Märchen vom Materialismus (1943) zu einer neuen Konzeption des Märchens, die sich dadurch vom traditionellen «idyllischen Blumenmärchen» unterscheidet, dass sie - auch in ihrem Happy End - ironisch gebrochen ist, dass sie ‹realer› und ‹welthaltiger› ist und keine einfache Flucht vor der Gegenwart bedeutet: Es müßte ironisch sein - aus dem Wissen heraus, daß sein Aufbruch vergeblich ist, daß nicht einmal im Märchen alles zu verwirklichen ist. Diese gebrochene Haltung aber müßte auch das happy end betreffen, Atlantis ist versunken, und das pseudoreale Ende der Heimatfilme und Groschenromane ist nicht wahrhaftig. 34 In dieser Einschätzung ist Bausinger - in Anbetracht des oben Ausgeführten - durchaus zuzustimmen. Denn die Trinkerlegende kann schließlich nicht als ein Märchen im traditionell-idealistischen Sinne begriffen werden. Auch die Figur des Fremden, also des märchenhaften Wunderbringers, weist bereits darauf hin. So wie Andreas entzieht nämlich auch er sich einer eindeutigen Charakterisierung. Einerseits erscheint er als christlicher Wohltäter und Missionar: «Ich werde versuchen, Ihnen den Weg zu zeigen» (515). Andererseits haften ihm aber auch, wie bereits Kesten bemerkt, «fast Züge des Teufels» 35 an: Indem er Andreas seltsamerweise um den «Gefallen» (515) bittet, Geld von ihm anzunehmen, erscheint er wie ein verkehrter Heilsbote, «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 345 der Andreas schließlich gerade das bringt, was ihn zum endgültigen Untergang führt. In jedem Falle scheint die Begegnung mit dem Fremden Andreas’ langsamen Untergang zu beschleunigen. Am Ende folgt sein Fall, und es klingt doch irgendwie verdächtig, dass eines der ersten Worte des Fremden diesen Fall schon rein sprachlich zu antizipieren scheint: Der Fremde fordert von Andreas ja ausdrücklich einen «Gefallen» (515). Und als er Andreas schließlich die besagten zweihundert Francs anbietet, heißt es von dem Trinker wörtlich: «es sah aus, als ob er fallen sollte» (516); es wird wohl kaum ein Zufall sein, dass dieses ‹sollen› hier so ambig erscheint. Sollte Andreas etwa mit Absicht zu Fall gebracht werden? Letzten Endes kann man sich auch des Verdachts nicht ganz entledigen, dass Andreas bei der Entgegennahme des baren Geldes unwissentlich etwas verloren oder verkauft habe. Sein Heil, sein Leben - oder gar seine Seele? Auch wenn letzteres wohl nicht zutreffen mag, die Charakterisierung des Fremden erinnert doch stellenweise an die bereits erwähnte Märchenerzählung Peter Schlemihl, die im Grunde die moderne und verzweifelte Geschichte eines Verlustes ist. Dort trägt der fremde, ebenfalls namenlose ‹Wohl›-Täter, der Schlemihl zuerst seinen Schatten abkauft und schließlich seine Seele haben möchte, gleichfalls teuflische Züge. 36 Insgesamt erscheint die Legende vom heiligen Trinker als ein Requiem auf die Wunder in der Welt. Es ist keine Wunschpoesie. Vielmehr verbergen sich hinter der Maske des Märchenhaften die Desillusionierung und Ernüchterung des Autors Roth. Denn selbst die ‹Wunder›, die ja allein in Geldgeschenken bestehen, wirken hier nicht mehr, sie ziehen Andreas allenfalls stärker in den Sog des Alkohols, an dem er schließlich dann zugrunde geht. Es gibt in dieser Geschichte keine wahren Wunder, es gibt auch keinen echten Heiligen, ja die Legende ist nicht einmal eine wirkliche Legende, sondern nur mehr deren «ironische Version» 37 bzw. mehr noch: die zynische Antwort auf eine Legende. Im Allgemeinen bezeichnet der Begriff eine religiös erbauliche Geschichte, in der aus dem vorbildlichen Leben eines Heiligen, von dem Kampf eines glaubensstarken Menschen und der göttlichen Erleuchtung berichtet wird. 38 Diese Definition trifft hier jedoch nicht zu. Und auch der schon mehrmals unternommene Versuch, den Begriff «Legende» eigens für Roths Text umzudeuten und an das hier Dargestellte anzupassen, stellt keine wahre Lösung dar. Der Text, der unter dem zynischen Titel Die Legende vom heiligen Trinker steht, verkörpert gerade das Fehlen jener Elemente (Glaubensstärke, religiöse Vorbildlichkeit, Erleuchtung durch himmlische Mächte etc.) in der Welt, er zeigt, was gerade nicht mehr vorhanden ist. Auch die Heilige Therese taucht in der Erzählung, obwohl so oft von ihr die Rede ist, doch an keiner Stelle auf; nicht einmal ihre Statue wird uns vor Augen geführt. Allein An- 346 Achim Küpper dreas glaubt die Heilige in dem ahnungslosen Mädchen namens Therese zu erkennen. Auch auf Ebene der Erzählstruktur weist die Die Legende vom heiligen Trinker einiges Bemerkenswertes auf. Peter Wilhelm Jansen, der sich in seiner Arbeit vor allem mit Fragen der Erzählhaltung befasst, hat dargelegt, dass der Text durch eine für Roth typische Erzählbewegung geprägt ist, die von außen nach innen führt, 39 d.h. der Er-Erzähler verlässt im Laufe der Geschichte den anfänglich gegenüber den Gestalten gewahrten «distanzierten Beobachtungsstand» 40 und dringt näher an die Figur(en) heran: «Immer geringer wird so, zum Ende der Erzählung hin, der Abstand, den der Erzähler gelegentlich von seiner Gestalt nimmt; die Spanne zwischen Distanz und Identifikation wird kleiner». 41 Mit dieser Feststellung steht auch die Tatsache in Einklang, dass der Leser den Vornamen des Helden erst im zweiten Kapitel erfährt: «Er hieß Andreas» (517). Und seinen Nachnamen wird man noch viel später, im sechsten Kapitel erst, gewahr, als er dem Trinker beim Durchsuchen seiner «halbzerfetzten Papiere» (527) plötzlich selbst wieder ins Gedächtnis steigt: «Jetzt aber, nachdem er soeben seine ungültigen Papiere noch einmal gesehen hatte, erinnerte er sich daran, daß er Kartak hieße: Andreas Kartak.» (528) Mit dem Namen des Helden sind zugleich auch seine Persönlichkeit und seine Geschichte verbunden. Der Name geht als Individualitätssignal - im Idealfall - mit der persönlichen Identitätsfindung einher. Was sich in der zunehmend personalen Erzählform des Textes widerspiegelt, ist also auch der Prozess einer bruchstückhaften Identitätsfindung des Helden, der sich ja erst anhand seiner Papiere/ seines Namens an seine eigene Geschichte erinnert: Und hierauf fand er, daß er eigentlich ausgewiesen sei, denn er war als Kohlenarbeiter nach Frankreich gekommen, und er stammte aus Olschowice, aus dem polnischen Schlesien. (527) Das Erinnern an die Geschichte (im doppelten Sinne, d.h. die Vergangenheit, aber auch das zu Erzählende) wird damit zu einem wichtigen, auch narrativen Leitprinzip des Textes. Dabei bleibt der Prozess der Erinnerung an die Vergangenheit jedoch bezeichnenderweise immer ein fragmentarischer: Da der Erzähler offensichtlich selbst auf die Wahrnehmung/ Erinnerung des Helden beschränkt ist, 42 gibt er schließlich nichts als Bruchstücke aus der Vorgeschichte des Andreas preis. Hierin deutet sich bereits ein Scheitern der Identitätsfindung an; die Suche führt zu keinem ganzheitlichen, heilen Bild. So wie der Leser aus Andreas’ Vergangenheit nur nach und nach Einzelnes und Episodenhaftes erfährt (z.B. dass er Karolines Mann totgeschlagen und deshalb «zwei Jahre im Kriminal» gesessen hat [527]), so weiß der Erzähler aber auch über die Geschehensgegenwart offenbar nicht immer sehr genau «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 347 Bescheid. Das zeigt sich schon am Anfang der Erzählung, wenn es heißt: Andreas «schien dem wohlgekleideten Herrn gesetzten Alters einer besonderen Aufmerksamkeit würdig; warum, wissen wir nicht» (515). Von einem allwissenden Erzähler ist man hier also weit entfernt. Nichtsdestoweniger bringt der Erzähler immer wieder seine persönlichen Kommentare und subjektiven Urteile - teils beinahe unmerklich - in die Erzählung ein. So schleichen sich einerseits wiederholt die stark subjektiv geprägten Formeln «unser Andreas» (519, 531, 538, 541, 543) oder, noch effektvoller, «unser […] arme[r] Andreas» (543) ein, die, wie bereits angedeutet, die Rezeption des Lesers größtenteils unbemerkt in eine bestimmte Richtung lenken: Durch den unbewussten Pakt zwischen dem Erzähler und Andreas entsteht unmerklich auch ein Pakt zwischen dem Leser und dem Helden, auf den durch derartige Formulierungen alle Sympathien gelenkt werden. Der Erzähler berichtet also aus einem sehr subjektiven Blickwinkel, und zwar meistenteils ohne dass er - oder der Leser - sich dessen bewusst würde. Andererseits spricht der Erzähler das Publikum aber auch mehrmals bewusst an, indem er durch persönliche Kommentare Stellung bezieht und gleichsam allgemeingültige Wahrheiten zu formulieren versucht, wie folgende Beispiele belegen: «Denn an nichts gewöhnen sich die Menschen so leicht wie an Wunder, wenn sie ihnen ein-, zwei-, dreimal widerfahren sind. Ja! Die Natur des Menschen ist derart, daß sie sogar böse werden, wenn ihnen nicht unaufhörlich all jenes zuteil wird, was ihnen ein zufälliges und vorübergehendes Geschick versprochen zu haben scheint. So sind die Menschen» (528); «Und zu jenem langsamen Untergang entschlossen, zu dem Trinker immer bereit sind - Nüchterne werden das nie erfahren! -, begab sich Andreas wieder an die Ufer der Seine unter die Brücken» (528); «Denn er hatte, unser Andreas, nicht weniger als neunhundertachtzig Francs in der Tasche. Und dies ist nicht wenig» (531); «Nun wollte es die Vorsehung - oder wie weniger gläubige Menschen sagen würden: der Zufall -, daß Andreas wieder einmal knapp nach der Zehn-Uhr-Messe ankam.» (537) 43 Durch solche Kommentare erhält der Erzähler mehr Körperlichkeit; er wird gleichsam zu einer greifbaren Instanz. Die Einschübe selbst wirken jedoch gewissermaßen altbacken, und tatsächlich nähert der Erzähler sich hierin einem älteren narrativen Modell an, nach dem er ganz wie ein Verkünder von Wahrheit erscheint. Durch das Einbringen bestimmter Elemente wird also der Eindruck einer traditionellen, gleichsam gesicherten Erzählsituation vermittelt, während im Grunde doch ein modernes Erzählschema vorherrscht, das auf eine fragmentarische Vermittlung von Wissen beschränkt bleibt und ein nur unvollständiges Bild der Geschichte zulässt. Anders formuliert bedeutet das: Unter der scheinbar geordneten, scheinbar heilen Oberfläche herrschen Sinnzerfall und tiefgehender Verlust von Einheit. Ein Ähnliches 348 Achim Küpper gilt ja auch für den Helden, der nur scheinbar ein Heiliger und heiler Mensch ist. Eine Besonderheit des Textes besteht zweifelsohne in dem auffallend intensiven Gebrauch biblischer Sprache und Metaphorik. Schon rein stilistisch lehnt die Legende vom heiligen Trinker sich teils stark an die Bibel an. So macht, wie auch bereits Fritz Hackert feststellt, in der Legende das häufig an den Satzanfang gestellte Bindewort «Und», selbst wenn die Redakteure der heutigen Druckfassung es gegenüber Roths Manuskript schon vielerorts gestrichen hatten, nur eines von vielen sprachlichen Stilelementen der Bibel aus. 44 Auch hierzu einige Beispiele aus dem Text: «In diesem Augenblick tat sich die Tür auf» (542); «und erkannte ihn nicht auf den ersten Blick» (542); «All dies sah Woitech» (543); «denn wie er sich das Hemd auszog, sah er, daß er sehr schmutzig war» (534); «Und sie ging dahin» (534); «Diese merkte er sich in seinem Herzen» (534); «sein Angesicht» (519); «Da erschrak er» (519); «Und damit zieht er die Brieftasche heraus und sieht nach, und es liegen darin mancherlei Papiere, die ihn nicht das geringste angehen, und er sieht auch Geld darin und zählt die Scheine, und es sind genau zweihundert Francs. Und da sagt Andreas: ‹Siehst du! Das ist ein Zeichen Gottes. Jetzt gehe ich hinüber und zahle endlich mein Geld! ›» (542); «Nachdem sie gegessen hatten, gingen sie hin, und der Fußballspieler Kanjak mietete ein Zimmer, und dieses kostete fünfundzwanzig Francs pro Tag und war gelegen in der Nähe der großartigen Kirche von Paris» (532) usw. Aber nicht nur sprachlich erinnert Die Legende vom heiligen Trinker an die Bibel: Auch von der biblischen Symbolik macht der Text Gebrauch. Schon einer der ersten Sätze, die der fremde Herr an Andreas richtet, nimmt Bezug auf einen entsprechenden Symbolkomplex: «Ich werde versuchen, Ihnen den Weg zu zeigen» (515), - mit diesen Worten wird gleich zu Beginn auf das biblische Thema des ‹rechten Weges› verwiesen. 45 Doch es bleibt beileibe nicht nur dabei. Die ganze Erzählung ist von Elementen der biblischen Heilsmetaphorik durchzogen. So stellt etwa der Motivkomplex der Taufe einen wichtigen Bestandteil des Textes dar. Nachdem Andreas die zweihundert Francs von dem fremden Herrn erhalten hat, beschließt er, seit langer Zeit noch einmal «sich zu waschen» (518): Er geht ans Ufer der Seine, «um sich zumindest Gesicht und Hals zu waschen» (518), begnügt sich dann aber letzten Endes damit, «nur die Hände ins Wasser zu tauchen» (518). Schon allein durch den ungewöhnlichen Begriff der «Waschung» (518), mit dem Andreas’ Vorhaben im Text bezeichnet ist, wird hier auf den religiösen Kontext angespielt. Das hat auch schon Luc Spielmann angedeutet, wenn er sagt, Roth spreche von Andreas’ Säuberung, «comme s’il s’agissait d’une purification rituelle, car le terme allemand Waschung a indéniablement une connotation religieuse». 46 «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 349 Bei genauem Hinsehen lässt sich nun im Text eine ganze Bildreihe ausfindig machen, in deren Mittelpunkt das Ritual der Taufe steht, welches ja sowohl auf die christliche als auch auf die altjüdische Tradition verweist. Die Säuberung, die der «verwahrloste» (515) Andreas vornehmen möchte, ist auch eine Säuberung im religiösen Sinne. Er, der Sünder und Totschläger, der offenbar vom rechten «Weg» abgekommen ist, würde gemäß der christlichen Glaubensdoktrin durch Taufe und Buße auch eine Reinigung von seinen Sünden erfahren. In Verbindung damit dient die Taufe zugleich als symbolischer Initiationsritus, durch den der Täufling in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen wird. Eine Entsprechung findet die christliche Taufe auch in dem altjüdischen Taufritual, das ebenfalls als Reinigungsakt und als Aufnahmeritus (Proselytentaufe) erscheint. Bei Andreas schlägt dieser Akt der Säuberung jedoch fehl: Statt ganz in den Fluss wie in den Jordan bei Jericho zu steigen oder zumindest seinen Kopf mit Wasser zu besprengen, wie er es ursprünglich vorhatte und wie es auch der Taufritus erfordern würde, taucht er ausdrücklich «nur die Hände ins Wasser» (518). Damit klingt jedoch zugleich ein anderes biblisches Motiv an, diesmal ein deutlich negativ konnotiertes, - das berüchtigte Waschen der Hände in Unschuld: «Als aber Pilatus sah, daß er nichts erreichte, sondern daß der Tumult nur noch größer wurde, nahm er Wasser, wusch vor dem Volk die Hände und sagte: ‹Ich bin unschuldig an diesem Blute. Seht ihr zu! ›» (Mt 27, 24). 47 Trotz offensichtlichem Fehlschlagen des Taufversuchs kommt Andreas sich aber nach seiner ‹Waschung›, so heißt es wörtlich im Text, «vollständig gesäubert und geradezu verwandelt vor» (518). Diese ‹Verwandlung› - eine weitere biblische Heilsvorstellung - scheint allerdings eher durch das neu erlangte Geld und den versichernden Griff «nach dem Schein in der linken inneren Tasche» (518) als durch den kläglich misslungenen Taufakt herbeigeführt worden zu sein: Andreas ist, so glaubt zumindest er, sprichwörtlich ein neuer Mensch geworden; doch geht diese Erneuerung offenbar allein auf das Geld zurück. Denn von einer wirklichen «Bekehrung» (517), wie es in der Erzählung heißt, kann bei Andreas eigentlich keine Rede sein, wobei sein Verhalten ja auch verständlich ist: Mit den zweihundert Francs geht er zuallererst ins «Restaurant», isst und trinkt «reichlich», gibt «viel Geld aus» und nimmt schließlich «noch eine ganze Flasche mit, für die Nacht» (517). Alles also «wie gewöhnlich» (517). Nur dass er jetzt mehr Geld besitzt. Ansonsten gibt es keinen Wandel. Seinen Leidensgenossen, den «armselige[n] Menschen seiner Art» (518), begegnet er, der plötzlich zu Geld gelangt ist, nun sogar insgeheim mit Verachtung: «verkommen, wie er sie auf einmal selbst im stillen nannte» (518). Das ist gewiss nicht der Weg eines Heiligen. Die Einsicht in die ‹Verkommenheit› ist letztlich auch keine Selbsterkenntnis Andreas’, da er sie allein auf die anderen projiziert. 350 Achim Küpper Andreas’ Weg führt mit Hochmut an seinen ‹Brüdern› vorbei, geradewegs ins Restaurant, an die Bar und zwischendurch auch ab und zu schon einmal ins Bordell. Nicht heilig ist dieser Weg zu nennen, wohl aber menschlich. Es bleibt allerdings nicht allein bei diesem ersten Reinigungsversuch des Helden. Es folgen - gemäß der fast mystischen Bedeutung, die der Zahl 3 im Text zukommt 48 - noch zwei weitere. In der Nacht, nachdem Andreas Karoline getroffen und beinahe sein gesamtes Geld ausgegeben hat, träumt er von der Heiligen Therese. Als er erwacht, verspürt er erneut das Bedürfnis, sich zu reinigen: «Noch einmal wollte er sich am Flusse waschen» (529). Auffälligerweise ist dieser Reinigungsversuch wiederum von einem prüfenden Griff nach dem Geld begleitet: «Aber bevor er seinen Rock zu diesem Zweck ablegte, griff er in die linke Brusttasche in der vagen Hoffnung, es könnte sich dort noch irgend etwas Geld befinden» (529). Wie durch ein Wunder findet er in seiner Brieftasche auch tatsächlich einen neuen «Tausendfrancsschein» (529). «Hierauf», so heißt es im Text, steckte er die tausend Francs in die Hosentasche und ging an das Ufer der Seine, und ohne sich um seine Unheilsgenossen zu kümmern, wusch er sich Gesicht und den Hals sogar, und dies beinahe fröhlich. (529) Diesmal schafft es Andreas also offenbar, auch seinen Kopf zumindest teilweise mit dem reinigenden Wasser in Berührung zu bringen. Die Taufe scheint sich also schon beinahe vollzogen zu haben. Dabei fällt aber auch auf, dass er seine «Unheilsgenossen» (529) diesmal völlig links liegen lässt, und während seine erste Waschung noch sehr beklommen im Verborgenen vonstatten ging (an «eine[r] besonders abgelegene[n] Stelle an der Böschung» [518]), so geht er diesmal recht unbekümmert und «beinahe fröhlich» (529) zu Werke. Bei seiner später folgenden dritten Waschung schließlich vollendet sich, wie es scheint, der Taufakt. Denn nachdem ihn sein alter Bekannter, der berühmte Fußballspieler Kanjak, in einem luxuriösen «Hotelzimmer» untergebracht und ihm zudem «zwei Anzüge» versprochen hat (533), überkommt Andreas beim Anblick des Badezimmers zum dritten Mal das Verlangen, sich zu reinigen: «In diesem Augenblick auch verspürte er das Bedürfnis, sich zu waschen, und er ließ heißes und kaltes Wasser aus den beiden Hähnen in die Wanne rinnen» (534). Diesmal taucht Andreas ganz in das reinigende Wasser ein: «Er stieg in das Bad, er wußte wohl, daß es eine lange Zeit her war, seitdem er sich gewaschen hatte» (534). Seine Taufe scheint also vollzogen. Die Steigerung, die sich von einer Waschung zur nächsten beobachten ließ, hat hier auffälligerweise in sämtlichen Bereichen den Höhepunkt erreicht. Ging Andreas beim zweiten Mal schon «beinahe fröhlich» (529) zu Werke, so badet er diesmal «geradezu mit Wollust» (534). Auch die schon vorher sich ankündigende «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 351 Verachtung für die Welt der Armut und des Schmutzes, der er entstammt, hat hier ihren Höhepunkt erreicht; sie vermischt sich zugleich mit Angst: Und wie er sich auszog, um in sie [die Wanne] hineinzusteigen, bedauerte er auch, daß er keine Hemden habe, denn wie er sich das Hemd auszog, sah er, daß es sehr schmutzig war, und von vornherein schon hatte er Angst vor dem Augenblick, in dem er wieder aus dem Bad gestiegen und dieses Hemd anziehen müßte. (534) Der Satz «denn wie er sich das Hemd auszog, sah er, daß es sehr schmutzig war» kann als eine verschobene Reminiszenz auf die Erkenntnisszene aus der Genesis verstanden werden (Gn 3, 7: «und sie erkannten, daß sie nackt waren»), wobei hier in diesem Text ja gerade keine wirkliche Erkenntnis mehr stattfindet. Die Steigerung, die sich hinsichtlich der Waschungen vollzieht, betrifft nun auch Andreas’ ‹Reichtum›: Bei seiner dritten Waschung besitzt er mehr denn je, er bewohnt ein luxuriöses Hotelzimmer, hat beinahe tausend Francs in der Tasche, und zudem sind ihm noch zwei Anzüge versprochen. In dem Maße, wie sich Andreas’ neu erlangter ‹Besitz› vergrößert, steigert sich auch sein Verlangen, sich über die Welt der Armut zu erheben, der er im Grunde aber zum großen Teil doch noch immer zugehört. Diese Selbstüberhöhung lässt sich mehrfach anhand des Textes belegen. So heißt es, nachdem Andreas in Anwesenheit Karolines viel Geld ausgegeben hat, sodass er den ihm nun plötzlich «gebührenden Lebensstandard» nicht «aufrechterhalten» kann: Auf einmal fand er, daß der Besitz eines Fünfzigfrancsschein lächerlich sei für einen Mann von solchem Wert und daß er überhaupt, um auch nur über den Wert seiner Persönlichkeit sich selbst klarzuwerden, es unbedingt nötig habe, über sich selbst in Ruhe bei einem Glas Pernod nachzudenken. (527) Bei dem Glas Pernod denkt er zwar bestimmt nicht «in Ruhe» über sich selbst nach; spürbar aber ist in dieser Passage eine durch den ‹Reichtum› verursachte Selbstüberschätzung des Helden, wobei es auch wichtig ist, dass der Erzähler nunmehr allein dessen Gedanken folgt. Noch deutlicher tritt diese Selbstüberhöhung etwas später im Text hervor: Bevor er aber das Kino verließ, fiel es ihm ein, daß er es gar nicht nötig hätte, bis morgen früh auf die Adresse seines Freundes und Schulkameraden zu warten; insbesondere in Anbetracht der ziemlich hohen Summe, die er in der Tasche liegen hatte. (531) Auch Andreas’ Reinigungsversuche lassen sich daher allein als Reflexe seines angeblichen Wohlstands verstehen: Sie sind materielle Zeichen seiner sozialen ‹Erhöhung› sowie seiner neuerlichen Überheblichkeit; sie sind Initiationsriten allein in dem Sinne, dass sie ihn in die bessere, saubere Gesellschaft 352 Achim Küpper einführen sollen; sie sind aber keine Manifestationen eines inneren Wandels zu einem wie auch immer auszuweitenden ‹Guten›. Die Taufe ist damit im religiösen Sinne gescheitert, da sie nicht etwa das Zeichen einer mentalen oder spirituellen ‹Erneuerung› ist, sondern nur darauf zurückgeht, dass Andreas sich in seinen Waschungen selbst über die Welt der Armut und des Schmutzes erheben will. Und eben dieser Wunsch Andreas’ ist in Anbetracht seines bislang so kargen Lebens in gewisser Weise ja wohl auch verständlich. Es geht also gar nicht an, den Trinker zu verurteilen oder zu bewerten. Er ist zwar mit Sicherheit kein Heiliger, aber warum sollte er das auch sein bzw. wie sollte er das auch sein in einer Welt, in der das Heilige wohl ohnehin nicht mehr zum Wirklichen gehört, sondern längst zu einem Terminus geworden ist, der mit dem Realen offensichtlich nicht mehr zur Deckung kommt. Es hat auch ganz den Anschein, als sei dies eine Welt, die an erster Stelle vom Zufall regiert ist: Bei der ersten Begegnung kommt schon Andreas nur «von ungefähr» (515) daher; selbst die Titelfigur der Erzählung rückt also rein zufällig in den Mittelpunkt. Wo aber der Zufall herrscht und der Kosmos somit chaotisch, ziel- und regellos erscheint, ist nicht viel Platz für eine transzendente Seinsordnung. Der Versuch hingegen, den Helden durch eine Heiligsprechung aufzuwerten, kann allein auf ein Weltmodell verweisen, in dem das Heilige an sich ein Positives ist; dort aber, wo gar kein Heiliges mehr zu finden ist und sein Begriff demnach nicht mehr als Richtstab hochgehalten werden kann, verliert doch auch das Nicht-Heiligsein seine Verwerflichkeit. Dementsprechend ist selbst der Motivkomplex des Schmutzes hier nicht in einem ethischen Sinne zu verstehen: Der Schmutz ist - als grundlegendes Motiv der gesamten Erzählung - eine rein äußerlich-soziale Kategorie, keine moralische. Darin nun, dass Andreas verschiedene Taufversuche durchläuft, kündigt sich aber ein ganz anderes, ein zentrales Thema des gesamten Textes an, nämlich das der Ort- und Identitätslosigkeit, des Fehlens einer Zugehörigkeit. Denn die Taufe ist hier nur mehr eine sinnentleerte Form, sie führt nicht zu einer Ichkonstitution. In der Welt des Schmutzes war Andreas sich über seine Identität so wenig im Klaren, dass er nicht einmal seinen «Vatersnamen» kannte (528). Nach dem ersten Taufakt erhält er nun zwar - wie es für eine Taufe nur allzu folgerichtig erscheint - einen Namen, indem er sich plötzlich daran erinnert, «daß er Kartak hieße: Andreas Kartak. Und es war ihm, als entdeckte er sich selbst erst seit langen Jahren wieder» (528). Doch ganz entgegen der hier ausgesprochenen Hoffnung auf eine Entdeckung des Selbst führt auch dieser Name letztlich nicht zu einer Identität. Indem der Protagonist sich vom alten Schmutz der Armut und der Niederungen befreien will, macht er sich, ohne sich selbst darüber ganz im Klaren zu sein, auf den Weg zu einem neuen Standort, geht die Initiation in eine neue Gesellschaft an: «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 353 Er gibt die einstige ‹Zugehörigkeit› zur Welt des Schmutzes auf, entfernt sich äußerlich und innerlich von ihr, und geht zugleich auf eine andere Welt zu, die von Sauberkeit und Besitz geprägt ist. Dass dieser Weg aber letztlich nirgendwohin führt, dass Andreas sich allenfalls in einem Niemandsland zwischen den Welten bewegt, zeigt sich schon daran, dass er bei alledem zu keiner neuen Gemeinschaft findet, weder zu einer religiösen noch zu einer sozialen, denn trotz der insgesamt rund zweitausend Francs, die ihm in kürzester Zeit zukommen und die er ebenso schnell wieder vertrinkt, bleibt er ja doch in der Welt des Besitzes ein gesellschaftlicher Außenseiter. Die Reinigung führt daher weder (als Taufe) zum Beitritt in eine Religionsgemeinschaft noch (als sozialer Gestus) zur Eingliederung in eine neue Gesellschaft. Die elementare Ich- und Haltlosigkeit des Helden kommt auch in dem Bild des «Schwankenden» (515, 517) zum Ausdruck. Auf die anfängliche Frage des Fremden «Wohin gehen Sie, Bruder? » (515) antwortet Andreas bezeichnenderweise: «ich weiß nicht, wo mich der Weg hinführt» (515). Von Anfang an wird er als ein Mensch eingeführt, der merklich «schwankte» (515), der sich nur «schwankend» (516) aufrecht halten kann. Lothar Pikulik bemerkt dazu: «Wenn er schwankend herannaht […], dann nicht nur, weil er getrunken hat, sondern weil er keinen Halt in der Welt besitzt» 49 . Doch auch ganz am Ende noch, kurz vor seinem Tod, heißt es von Andreas ausdrücklich, dass er «schwankte» (542). An seiner Haltlosigkeit hat sich im Laufe der Geschichte demnach nichts geändert. Und noch an einem anderen Motiv lässt sich die Identitätslosigkeit des Helden in der Erzählung ablesen. Nachdem das erste Geldwunder sich ereignet hat und die erste Waschung vollzogen ist, heißt es von Andreas: «Er ging also, selbstbewußt, trotz seiner zerlumpten Kleidung, in ein bürgerliches Bistro, setzte sich an einen Tisch» (519). Dort fällt sein Blick alsbald, wie zufällig, in einen Spiegel: «Und da sich seinem Sitz gegenüber ein Spiegel befand, konnte er auch nicht umhin, sein Angesicht zu betrachten, und es war ihm, als machte er jetzt aufs neue mit sich selbst Bekanntschaft» (519). Der Blick in den Spiegel soll also eine «Bekanntschaft» mit sich selbst ermöglichen. Doch was Andreas in dem Spiegel sieht, gefällt ihm ganz und gar nicht: «Da erschrak er allerdings. […] Denn es war nicht gut, die eigene Verkommenheit mit eigenen Augen zu sehen» (519). Daraufhin geht Andreas in einen «Friseurladen» (519), um sich rasieren zu lassen. Als er dann schließlich ins Café zurückkehrt, kann er sich erneut, diesmal allerdings nur von weitem, im «Spiegel» betrachten: Als er in die Taverne zurückkam, war der Platz, den er vorher eingenommen hatte, besetzt, und er konnte sich also nur von ferne im Spiegel sehn. Aber es reichte vollkommen, damit er erkenne, daß er verändert sei, verjüngt und verschönt. Ja, es 354 Achim Küpper war, als ginge von seinem Angesicht ein Glanz aus, der die Zerlumptheit der Kleider unbedeutend machte und die sichtlich zerschlissene Hemdbrust - und die rot-weiß gestreifte Krawatte, geschlungen um den Kragen mit rissigem Rand. (519) Der prüfende und fragende Blick in den Spiegel zeugt von einer Suche nach dem eignen Ich, bezeichnenderweise geschieht dieser Blick hier aber gleichsam zufällig, von einer entschiedenen ‹Suche› kann in Bezug auf den gleichmütigen Helden daher eigentlich gar keine Rede sein, vielmehr von einer plötzlichen Begegnung mit der eigenen «Verkommenheit» und Ichlosigkeit. Der Mensch findet hier buchstäblich seinen «Platz» nicht mehr. Dabei hat es aber letztlich auch ganz den Anschein, als gebe sich Andreas bereitwillig einer Selbsttäuschung hin. Beim zweiten Versuch der Selbstbetrachtung bleibt er auf Abstand zu dem Spiegel, sodass er «nur von ferne» in sein Blickfeld kommt und demnach wohl auch nur unscharfe Bilder liefert. Trotz «rissigem Rand» an seinem Hemd kommt es Andreas also vor, «als ginge von seinem Angesicht ein Glanz aus, der die Zerlumptheit der Kleider unbedeutend machte». Damit träumt sich Andreas, weil er seinen Platz in der Welt nicht hat, an einen Ort, der jenseits der Zugehörigkeiten liegt, an einen Überort, der nur in der Illusion eines Göttlichen vorstellbar ist. Es ist ihm, «als ginge von seinem Angesicht ein Glanz aus», und im Buch der Psalmen findet sich die Bitte an Jahwe: «Laß über uns leuchten dein Angesicht! » (Ps 4, 7). Auch später träumt Andreas noch davon, Gott zu sein, indem er sich als «Vater» der Heiligen imaginiert: Und im Traum sagte er zu der kleinen Therese: «Wie sprichst du zu mir? Hast du vergessen, daß ich dein Vater bin? » Die Kleine antwortete: «Verzeih, Vater, aber tu mir den Gefallen und komm übermorgen, Sonntag, zu mir in die Ste Marie des Batignolles.» (528-29) In diesem Zusammenhang ist auch das Thema der «Erneuerung» zu verstehen. Direkt im Anschluss an die Spiegel-Episode heißt es in der Erzählung: «Also setzte er sich, unser Andreas, und im Bewußtsein seiner Erneuerung bestellte er» (519). Die «Erneuerung» spielt einerseits auf den Versuch der Initiation in ein neues Leben an: «Jetzt aber galt es, da man [! ] beschlossen hatte, ein neues Leben zu beginnen, sich wirklich, sich endgültig [? ] rasieren zu lassen» (519). 50 Zugleich mag man den Begriff «Erneuerung» - ebenso wie den Ausdruck «ein neues Leben zu beginnen» - auch wörtlich nehmen und auf die scheinbare Wiedergeburt Andreas’ beziehen; denn im Text deutet sich ein ganzer Symbolkomplex an, der um das Thema der Reinkarnation kreist. So etwa erklärt Andreas, als er am Tag nach dem ersten «Wunder» (518), dem Geldgeschenk des fremden Herrn, in der Zeitung sieht, dass Donnerstag ist, gerade diesen Tag kurzerhand zu seinem Geburtstag: «und ohne nach dem «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 355 Datum zu sehen, beschloß er, diesen Donnerstag gerade für seinen Geburtstag zu halten» (518). Andreas macht den Tag, nachdem das «Wunder» geschehen ist, zu seinem neuen Geburts-Tag, so wie Jesus, der Gott-in-der-Welt, wiedergeboren wird durch das «Wunder» der Auferstehung. Neben der religiösen Dimension behauptet aber auch hier die gesellschaftliche Bedeutung ihr Recht, indem die Vorstellung einer Neugeburt zugleich auf den Gedanken einer sozialen Initiation und eines Neubeginns verweist. Somit erklären sich die verschiedenen Taufversuche ebenfalls vor dem Hintergrund von Andreas’ ‹Neugeburt›: Nach der neuen Geburt soll nun die Taufe vollzogen werden, und auch einen Namen bekommt er ja dann später (528). Dass all diese Identifikationsversuche aber letztlich zum Scheitern verurteilt sind, zeigt sich im Text auch an der Projektion des Kinofilms, der von einem Mann handelt, «der in einem fernen Abenteuer offenbar unterzugehen gedachte» (530) und mit dem Andreas sich zunächst «selbst verwandt» (531) fühlt; am Ende aber, «als plötzlich das Kinostück eine unerwartet glückliche Wendung [nimmt] und der Mann in der Wüste von einer vorbeiziehenden wissenschaftlichen Karawane gerettet und in den Schoß der europäischen Zivilisation zurückgeführt» wird (531), kann Andreas sich nicht mehr mit dem Protagonisten identifizieren (531). Im Unterschied zu dem Kinofilm endet Roths Geschichte mit dem Untergang und Tod des Helden. Der Film spiegelt damit einige zentrale Aspekte der Erzählung wider und zeigt einerseits, dass für den Trinker Andreas eine solche ‹Umkehr› offenbar nicht möglich ist, andererseits aber auch, dass er diese ‹Umkehr› gar nicht will. Andreas ist zweifelsohne ungemein passiv und gleichgültig, geradezu wesenlos, gesichtslos. Aus der «Arbeit» (520), die ihm förmlich zugeflogen kommt und die ihm sichtbar gut tut (er «freute sich der Arbeit», 522), macht er weiter nichts; als er sie verloren hat, «grollt […]» er nur dem Schicksal, das ihm nicht wieder, wie das letztemal, einen dicken, schnurrbärtigen, kindergesichtigen Mann in dieses Caféhaus geschickt hatte, der es ihm möglich gemacht hätte, neues Geld zu verdienen. (528) Das Aussichtslose der Situation aber besteht darin, dass der Held dieses zynischen Märchens offenbar auch gar keine großen Möglichkeiten hätte, er, der nur seine «ungültigen Papiere» (528) in der Tasche hält. In diesem Weltentwurf scheint der Rückweg in die «Zivilisation» endgültig verbaut. Ein besonderes Merkmal der Erzählung besteht darin, dass der Text sich einer durchgängigen Raumsymbolik und, damit verbunden, einer prägnanten Hell/ Dunkel-Metaphorik bedient. Dieser Aspekt hat in der bisherigen Forschung noch keine Beachtung gefunden. 51 356 Achim Küpper Die aussagekräftige Raumsemantik der Legende wird schon zu Beginn des Textes deutlich, wo die «tiefe[…] Dunkelheit» (517) unter den Brücken stark mit der Helligkeit oberhalb der Brücken und in den Straßen kontrastiert: Denn es war inzwischen unten finster geworden, indes oben, auf den Brücken und an den Kais, sich die silbernen Laternen entzündeten, um die fröhliche Nacht von Paris zu verkünden. (517) Dabei verweist das ‹Silber› der Laternen auch auf den Reichtum der oberen Welt, und die «fröhliche Nacht von Paris», die dort herrscht, deutet zugleich auf die (angeblich) unbeschwerte Lebensweise oberhalb der Brücken. Von Anfang an also steht die Welt unter den Brücken, wo die Obdachlosen leben, in starkem Gegensatz zu der reichen, leuchtenden und allem Anschein nach unbeschwerten Welt an der Oberfläche. Denn unten herrschen «Finsternis» (517) und Armut: «Und er [der Fremde] hatte beschlossen, das Leben der Ärmsten zu führen. Und er wohnte deshalb unter der Brücke» (517). Auch Andreas ist zu Beginn der Erzählung eindeutig ein Bewohner der unteren Welt. Im Laufe der Geschichte lässt sich jedoch in Bezug auf ihn eine auffallend deutliche Bewegung hin zur oberen Welt beobachten. Schon im zweiten Kapitel, nachdem er die ersten zweihundert Francs erhalten hat, setzt diese Bewegung ein. Da wird berichtet, er gehe «eine der Treppen hinauf, die von den Ufern der Seine zu den Kais hinaufführen. Dort, das wußte er, gab es ein Restaurant» (517). Hier scheint sich also Andreas’ Weg nach oben, in die höhere Welt, anzudeuten. Denn das Ersteigen der Stufen ist auffallend stark an den Erhalt des Geldes gekoppelt, und so führt sein Weg ihn auch zuerst in ein «Restaurant». Doch zunächst bleibt bei Andreas ja alles «wie gewöhnlich» (517), sodass er die nächste Nacht dann auch wieder «unter der Brücke» (517) verbringt. Im Laufe der Erzählung bewegt sich Andreas jedoch immer mehr auf die höhere Welt zu: Er beschließt plötzlich, «nicht in das Tari-Bari einzutreten, sondern, die Zeitung in der Hand, in eine bessere Taverne» (518), er geht in ein «bürgerliches Bistro» (519) und besucht schließlich auch einen «Friseurladen» (519); die nächste Nacht verbringt er in der «Taverne mit den Mädchen» (521), die darauf folgende schon «in einem kleinen Hotel» (522), und die Nacht danach kehrt er in «ein etwas teureres Hotel» (523) ein, bis er schließlich seine Nächte in dem luxuriösen «Hotelzimmer» (533) mit den «elfenbeinerne[n] Knöpfe[n]» (533) verbringt, das sein alter Freund Kanjak gemietet hat und von wo aus er sogar einen Ausflug nach «Fontainebleau» (536) macht. Es lässt sich hier also eine deutliche Steigerung ablesen. Zwischendurch hatte Andreas sich zwar - nach einer Übernachtung im «Hause» (526) Karolines - zum Schlafen sogar noch einmal ausdrücklich «unter die Brücken» (528) legen müssen, da er «plötzlich arm geworden» (527) war; «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 357 das zeigt aber nur umso deutlicher, wie stark auch Andreas’ räumlicher Auf- und Abstieg mit seinem jeweiligen Geldguthaben verbunden ist. Dass Andreas, wenn er in Geldnot ist, nach unten, unter die Brücken zurückkehrt, liegt zwar auch in der Natur der Sache, es fällt aber zugleich doch auf, dass der Text bewusst mit dem doppelt (d.h. räumlich und sozial) konnotierten Motiv des Auf- und Abstiegs spielt. Das zeigt sich noch besonders deutlich an der Stelle, wo der Fremde Herr Andreas erneut zweihundert Francs gibt. Andreas, dem wieder einmal das Geld ausgegangen ist, sodass er diesmal nur mehr «fünfunddreißig Francs» (539) in der Tasche hat, geht bezeichnenderweise gerade «zur Seine und die gewohnte Treppe hinunter» (539). Bei seinem Abstieg trifft er jedoch unvermutet auf den betont «wohlangezogene[n]» und «gepflegt aussehende[n] Herr[n]» (540), der - und dies ist ebenso vielsagend - gerade «im Begriffe» ist, «die Treppe hinaufzusteigen» (540). Nachdem dieser dem Trinker dann erneut zweihundert Francs gegeben hat, heißt es wortwörtlich von Andreas: «Er nahm das Geld, wartete eine Weile, bis der Herr die Stufen hinaufgeschritten war, und ging dann selber die gleichen Stufen hinauf» (540). Jetzt, wo Andreas erneut im Besitz von Geld ist, kann er also dem offenbar sehr wohlhabenden Herrn bei seinem Aufstieg auf den «gleichen Stufen» folgen. Das konkrete Ersteigen der Treppen ist in der Legende vom heiligen Trinker zugleich auch immer bildlich mit der Vorstellung von einem sozialen Aufstieg verbunden: Die Stufen sollen hinaufführen in die höhere Gesellschaft, in die Welt des Lichts und der Sauberkeit, während die Umkehrbewegung hinabführt in die Welt der Armut, des Schmutzes und der Dunkelheit. Die Treppe wird damit zum wichtigen Angelpunkt und Leitmotiv des Textes. Innerhalb der erzählten Welt scheint die Metapher ungebrochen: Den Räumen wird konsequent ihre je eigene Bedeutung zugesprochen, Verschiebungen innerhalb der Raumsemantik gibt es keine. Die untere Welt figuriert immer als die der Dunkelheit und Armut, die obere als die des Glanzes. Die räumliche Architektur der erzählten Welt erscheint daher zunächst als ein eindeutiges und einheitliches Universum. Hier in dieser Erzählung lässt sich also offenbar kein «Riß mitten durch das Raumgefüge» 52 feststellen. Die Bedeutungszuweisungen auf der vertikalen Raumachse (oben positiv, unten negativ) scheinen daher traditionell und geradezu stereotyp (vgl. Himmel/ Hölle). Nun geschieht hier im Grunde aber etwas ganz Ähnliches wie in Hinblick auf die Erzählstruktur. Die Raumstruktur an sich erscheint geordnet und gesichert. Diese Ordnung wird im Gesamtkontext der Erzählung jedoch als eine scheinbare vorgeführt, denn letztlich erzählt die Geschichte ja gerade davon, dass in dieser als so rigide vorgestellten Welt jemand seinen Platz nicht hat. Sie berichtet von einer Ortlosigkeit, die die Illusion einer verorteten Welt gerade 358 Achim Küpper ausschließt. Andreas’ unstete und schwankende Bewegung im Raum ist Zeichen seiner Identitätslosigkeit, eines schmerzlichen, nur in Gleichgültigkeit betäubten Fehlens von Zugehörigkeit. Sein Hin und Her zwischen unterer und oberer Welt ist Ausdruck einer fundamentalen Ziel- und Standortlosigkeit. Auch der Aufstieg funktioniert hier nicht. Der Weg über die Treppen nach oben führt letzten Endes eben nicht zu einer anderen Gesellschaft und auch nicht zur Initiation in eine neue Gemeinschaft. Stattdessen bewegt sich Andreas selbst nach noch so vielen Aufstiegen doch immer in einer grauen, ichlosen Zone. Und auch über den Brücken wohnt kein Gott, der Einheit geben könnte: Die gleißende Sauberkeit der Welt des ‹Oben› ist allein ein Reflex des Geldes, dessen sie bedarf, sie ist lediglich Zeichen einer äußerlichen Säuberung vom Schmutz der Armut. Dementsprechend ist der Glanz, der von oben herabstrahlt, nicht etwa ein göttliches Licht, sondern allein der silberne Widerschein des Geldes, das letztlich ebenfalls zu keinem festen Orte führt. Abschließend noch einmal zurück zum Autor. Wenn es darum geht, etwas über das Leben des Schriftstellers Joseph Roth, über seine Persönlichkeit, über seine politische Überzeugung oder über seine Geschichte zu sagen, stößt man sehr bald auf Schwierigkeiten. Denn eine Frage stellt sich unweigerlich: Wer war Roth wirklich? Seine Selbstdarstellungen und persönlichen Aussagen sind uneinheitlich, seine Angaben über Ursprung und Abstammung widersprüchlich. Darüber etwa, wer sein Vater war, hat er ein halbes Dutzend verschiedener Geschichten erzählt: Er sei Munitionsfabrikant gewesen, hieß es einmal, dann Offizier, dann Maler, Edelmann, polnischer Graf oder österreichischer Staatsbeamter. Keine von diesen Versionen stimmte. Joseph Roths Vater, Nachum Roth, stammte aus Westgalizien und war Getreideeinkäufer bei einer Hamburger Firma. Als er in recht jungen Jahren in eine plötzliche Geisteskrankheit verfiel, wurde er in eine Heilanstalt nach Deutschland, später nach Polen verlegt. Er starb 1910. Joseph Roth hat seinen Vater nie kennen gelernt. 53 So verwirrend wie die Angaben über seinen Vater wirken auch die ideologischen Stellungnahmen Roths: Bald war er linksorientiert, der «rote Joseph», bald war er ein nostalgischer Anhänger der alten Donaumonarchie, mal gab er sich als überzeugter Katholik, mal als bekennender Jude und mal als Atheist. In seinen «Erinnerungen an Joseph Roth» erzählt Géza von Cziffra von dem unsteten und unruhigen Dasein des ‹Hotelbürgers› Roth, von seiner Getriebenheit und Zerrissenheit sowie von seinen schwankenden Weltanschauungen und seinen zahllosen ‹Lebenslügen›, die aber eigentlich keine Lügen sind, sondern ein schmerzlicher Kampf, ein verzweifeltes Ringen mit der so genannten ‹Wirklichkeit›. 54 Wenn Roth die ‹Wahrheit› zeitlebens überformt, «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 359 so deshalb, weil ihm der Glaube an die Existenz einer solchen Wahrheit von Anfang an verloren ist. Géza von Cziffra nun berichtet in seiner Biographie an einer Stelle von einer Begegnung, bei der sein Freund Joseph Roth ihn fragte: «Glauben Sie überhaupt an Gott, Fähnrich? Ich weiß, daß er nicht existiert, aber trotzdem glaube ich an ihn. Paradox, nicht? » 55 Im Grunde war Roths gesamtes Leben ein solches Paradox: immer auf der Suche nach einer Ungeheuerlichkeit wie dem rechten Weg, und dabei wusste er nur allzu genau, dass es einen solchen Weg doch niemals geben könne. Eine andere Episode, die Cziffra übermittelt, bezieht sich auf die «legitimistische Bewegung der heimattreuen Österreicher», die Roth in späten Jahren so vehement vertrat und die eine utopische Wiederauferstehung der Habsburgermonarchie erwirken wollte. Bei der Meldung vom Anschluss Österreichs fragt Géza von Cziffra in Paris einen Joseph Roth, der sich «verstohlen» die Tränen aus den Augen wischt, ob er noch immer an die Wiederbelebung der alten Monarchie glaube. Roths Antwort hierauf: «An irgend etwas muß ich glauben, Fähnrich, sonst müßte ich in die Seine springen.» 56 Hier zeichnet sich das Bild eines Menschen ab, der im Grunde völlig desillusioniert ist, dem jeder Glauben abhanden gekommen ist, der sich aber in seiner Verzweiflung noch an die letzten Trümmer einer Hoffnung klammert, um deren Vergeblichkeit er selbst nur allzu deutlich weiß. Deshalb womöglich auch in der Erzählung die vordergründige Zuflucht zu einer scheinbar geordneten Struktur, die letztlich doch als Illusion entlarvt wird. Prägend für das gesamte Leben wie das Werk des Autors Joseph Roth sind die epochalen Erfahrungen von Fremdheit, Entwurzelung und Heimatlosigkeit. 57 Wie Wolfgang Müller-Funk es in seiner Studie so klar ausgestaltet: «Roths Werk zeugt von einer elementaren Heimatlosigkeit und Fremderfahrung, das betrifft auch die nationale und kulturelle Identität.» 58 In dem betäubten und dämmrigen Bewusstsein Andreas Kartaks dringen solche Erfahrungen nur unklar und flüchtig, gleichsam in Nebelbildern an die Oberfläche. Ein verzweifelt Suchender etwa wie sein Autor ist Andreas Kartak letztlich nicht. Vielmehr stellt Roth, der ernüchterte Trinker, anhand eines identitätslosen Helden die innere Leere, den schmerzenden Ichverlust und die verzweifelte Haltlosigkeit einer Epoche dar, die an Erfahrungen von Entfremdung und Leid reicher war als manche andere. Das Gefühl der Heimatlosigkeit 59 nimmt epochale Ausmaße an: «Die Reise, der Hotelaufenthalt, der unaufhörliche Zimmer- und Ortswechsel werden zum biographischen Äquivalent einer Epochenerfahrung.» 60 Die Legende vom heiligen Trinker erzählt von einer fundamentalen Wesenlosigkeit des Menschen auf seinem einsamen Weg durch die Moderne, vom Verlust von Halt und Sicherheit und von einer nur scheinbaren Ordnung in 360 Achim Küpper der Welt, die dieses grundlegende Fehlen einer Einheit nicht mehr zu fassen vermag. Der geordnete Raum und der gesicherte Erzählbau erweisen sich als Illusionen, die die heillose Komplexität, Orientierungslosigkeit und Sinnlosigkeit der Welt und des Menschenlebens nicht zu überdecken vermögen. Unter der scheinbaren Einfachheit und schlichten Strukturierung der Erzählung verbergen sich Sinnzerfall und der Auseinanderbruch von Einheit. Der Versuch also, durch klare Linien und feste Grenzen (die geordnete Raumstruktur) sowie durch die verbürgte Stimme einer ‹Wahrheit› (die Erzählstruktur) Sinn und Einheit zu stiften und für Ordnung in der Welt zu sorgen, wird im Text und durch den Text als ein Prozess des Scheiterns vorgeführt, so überlebensnotwendig der Traum eines Sinns auch immer sein mag. In der aus dem Berliner Nachlass erhaltenen Essaysammlung Die weißen Städte schreibt Roth an einer Stelle: «Wir sind gezwungen, ‹Farbe zu bekennen›, und nicht etwa eine beliebige, sondern eine aus der offiziellen Farbenskala: sonst sind wir ‹ohne Gesinnung›». 61 Und etwas weiter heißt es: «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis. Meine Lüge noch lange keine Charakterlosigkeit». 62 Das stete Schwanken Joseph Roths, die nicht endenden ‹Lebenslügen› und der ständige Ideologienwechsel lassen sich demnach als Ausdruck einer fundamentalen Gesinnungslosigkeit begreifbar machen, als Zeichen eines tiefsitzenden Zweifels an der Gültigkeit verbindlicher Zuordnungen und Bedeutungsangebote. Für jemand, der Zeit seines Lebens in einer Grauzone zwischen den verschiedenen Zugehörigkeiten und außerhalb der Sinngemeinschaften stand, leitet sich aus den so sicher geglaubten Einteilungen der ‹offiziellen Farbenskala› - schwarz und rot, rechts und links, oben und unten - letzten Endes kein Sinn mehr ab. So erzählt ja auch Die Legende vom heiligen Trinker, diese erkaltete Geschichte eines Aufstiegs, letztlich doch nur von einem Niedergang. Es ist ein Text, der selbst ganz und gar ‹ohne Gesinnung› bleibt und dabei verzweifelt noch nach einer Hoffnung greift, von der er längst schon weiß, dass sie verloren ist. Und so ist auch der letzte Satz der Erzählung in einer paradoxen Ambivalenz gefangen, ist zugleich gebrochen-hoffnungsvoller Wunsch und «hoffnungsloser Verzweiflungsruf». 63 Die Geschichte ist zu Ende. Und bei uns heute, die wir Roths eigenes Ende kennen, der im Armenhospital, im Delirium Tremens des Entzugs verzweifelt nach seinen Kellnern rufend, elend und qualvoll zugrunde ging, hinterlässt das Ende dieser seiner letzten Geschichte eine nachträgliche Beklommenheit: «Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod! » (543). «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 361 Anmerkungen 1 Zitiert wird der Text hier nach der neueren, auf sechs Bände erweiterten Ausgabe: Joseph Roth, Werke, Bd. 6: Romane und Erzählungen 1936-1940, hg. u. mit einem Nachwort v. Fritz Hackert (Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1991) 515-43. Hackerts Druck stützt sich seinerseits auf die von Hermann Kesten besorgte vierbändige Werkausgabe von 1975/ 76 (Bd. 3, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1976, 229-57), ergänzt diese aber um einige text- und editionskritische Anmerkungen zu der Erzählung. Zitate aus der Legende vom heiligen Trinker werden hier wie im Folgenden im Text selbst (in Klammern) durch einfache Seitenreferenz zur oben genannten Ausgabe angegeben. 2 Vgl. David Bronsen, Joseph Roth. Eine Biographie (Köln: Kiepenheuer &Witsch, 1974) 582. 3 Zitiert nach Bronsen, Joseph Roth 582, der sich in seinem Bericht auf ein Interview mit Klaus Dohrn stützt. 4 Auf Literatur zur Legende vom heiligen Trinker wird hier in den Anmerkungen hingewiesen. Ein detailliertes Verzeichnis der Texte Joseph Roths wie auch der Darstellungen und Forschungsbeiträge zu seinem Leben und literarischen Werk liefert im Übrigen Rainer-Joachim Siegel, Joseph Roth-Bibliographie (Morsum/ Sylt: Cicero, 1995). 5 Zur Skript-, Druck- und Editionsgeschichte vgl. Roth, Werke, Bd. 6, 789-91 [Anmerkungen zum Text]. 6 Vgl. ebd., 791. 7 Joseph Roth, Briefe 1911-1930, hg. u. eingeleitet v. Hermann Kesten (Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch, 1970) 261. 8 Ebd., 266. 9 Vgl. Hermann Kesten, «Joseph Roths ‹Legende vom heiligen Trinker›», Berliner Hefte für geistiges Leben 4 (1949): 533-41. Kesten fällt über Andreas einige klare Urteile: Er sei «ohne alle Güte, von einer gewissen Delikatesse, asozial bis zu dem Grad, daß er nicht einmal sozialer Ressentiments fähig ist, amoralisch, ohne Schuldempfindungen, ohne Reue, ohne Dank, der sogar Wohltaten zu willkürlichen Bedingungen annimmt. Er bringt nicht einmal das Opfer, um seines Gelübdes willen pünktlich zu sein. Er ist lieblos, achtlos, ständig auf der Flucht […]. Er hat nie eine moralische Anfechtung, ist ein Verschwender, sinnlich, unzüchtig noch im Traum, noch gegen die Heilige despektierlich, irreligiös bis zuletzt, zynisch, gegen Feinde sanft und gefällig, aber gefühllos, nachgiebig wie ein Blatt im Wind, ganz haltlos […]. Er ist ein Misogyn, der sich die Beine, nicht die Gesichter der Mädchen merkt, aber direkt aus dem Mädchenhaus ins Bett eines anderen Mädchens geht, er ist liederlich, schmutzig, verwahrlost» usw. (533). 10 Günter Blöcker, Kritisches Lesebuch. Literatur unserer Zeit in Probe und Bericht (Hamburg: Leibniz, 1962) 32-35, hier 34. 11 Ebd. 12 Ebd., 35. 13 Fritz Hackert, Kulturpessimismus und Erzählform. Studien zu Joseph Roths Leben und Werk (Bern: H. Lang, 1967) 135-46, hier 140. 14 Ebd., 144. 15 Vgl. ebd., v.a. 144-46. 16 Bronsen, Joseph Roth [zur Legende vom heiligen Trinker 582-587], hier 583. 17 Ebd., 586. 18 Barton W. Browning, «Joseph Roth’s Legende vom heiligen Trinker. Essence and Elixir», Protest - Form - Tradition. Essays on German Exile Literature, ed. Joseph P. Strelka, 362 Achim Küpper Robert F. Bell and Eugene Dobson (Tuscaloosa/ Alabama: U of Alabama P, 1979) 81-95, hier 90. Brownings Einschätzung der Erzählung: «this simple tale tells of benevolence instead of bitterness, of hope instead of despair, and finally, of security in the midst of rootlessness» (84). 19 A.F. Bance, «In My End Is My Beginning. Joseph Roth’s ‹Die Rebellion› and ‹Die Legende vom heiligen Trinker›», Studies in Modern Austrian Literature. Eight Papers, ed. B.O. Murdoch and M.G. Ward (Glasgow: Glasgow University Printing, 1981) 33-44, hier 35. 20 Lothar Pikulik, «Joseph Roths Traum von Wiedergeburt und Tod. Über die Legende vom heiligen Trinker», Euphorion 83 (1989): 214-25, hier 220. 21 Ebd., 224. 22 Vgl. Esther Steinmann, Von der Würde des Unscheinbaren. Sinnerfahrung bei Joseph Roth (Tübingen: Niemeyer, 1984) 109-23, hier v.a. 117-23. 23 Esther Steinmann, «‹… ein Mann von Ehre, wenn auch ohne Adresse›. Zum Ehrbegriff in Joseph Roths ‹Legende vom heiligen Trinker›», «Die Schwere des Glücks und die Größe der Wunder». Joseph Roth und seine Welt, Red. Michael Nüchtern u. Ralf Stieber (Karlsruhe: Evangelischer Presseverband für Baden, 1994) 54-65, hier 60-61. 24 Steinmann, Von der Würde des Unscheinbaren 117. 25 Steinmann, «‹… ein Mann von Ehre, wenn auch ohne Adresse›» 61; vgl. zu diesem Punkt auch Steinmann, Von der Würde des Unscheinbaren 117. 26 Thomas Keller, «Joseph Roth und Bronislaw Malinowsi [sic]. Heilige und Argonauten. Gabe und Verausgabung in einer interkulturellen Literaturwissenschft [sic]», Lesbarkeit der Kultur. Literaturwissenschaft zwischen Kulturtechnik und Ethnographie, Hg. Gerhard Neumann u. Sigrid Weigel (München: Fink, 2000) 167-84, hier 182. 27 Helmuth Nürnberger, Joseph Roth. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 7. Aufl. (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1994) 118. 28 Bance, «In My End Is My Beginning» 42. 29 Steinmann, «‹… ein Mann von Ehre, wenn auch ohne Adresse›» 61. 30 Hackert, Kulturpessimismus und Erzählform 139. 31 Kesten, «Joseph Roths ‹Legende vom heiligen Trinker›» 533. 32 Vgl. Adalbert von Chamisso, Sämtliche Werke. Nach dem Text der Ausgaben letzter Hand und den Handschriften, Red. Jost Perfahl, Bd. 1 (München: Winkler, 1975) 23: «Er steckte die Hand in die Tasche und zog einen mäßig großen, festgenähten Beutel, von starkem Korduanleder, an zwei tüchtigen ledernen Schnüren heraus und händigte mir selbigen ein. Ich griff hinein, und zog zehn Goldstücke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder zehn». 33 Vgl. Hermann Bausinger, «Möglichkeiten des Märchens in der Gegenwart», Märchen, Mythos, Dichtung. Festschrift zum 90. Geburtstag Friedrich von der Leyens am 19. August 1963, Hg. Hugo Kuhn u. Kurt Schier (München: Beck, 1963) 15-30, hier 29-30. 34 Ebd., 26. 35 Kesten, «Joseph Roths ‹Legende vom heiligen Trinker›» 535: Der Fremde sei ein «Bekehrter, der geradezu wie ein Agent provocateur auftritt, ja fast Züge des Teufels trägt, der gleichfalls Wohltaten ‹umsonst‹ zu erweisen pflegt (um der ‹Ehre› der Beschenkten willen fordert der Satan ‹nur‹ einen Tropfen Blut, ‹nur› die Seele, ‹nur› das ewige Heil dafür).» 36 Es ließen sich übrigens noch weitere Gemeinsamkeiten zwischen beiden Texten anführen. So erinnert etwa die Begegnung zwischen dem (selbst-) gefälligen Andreas und dem überaus höflichen, fast untertänigen Fremden stark an diejenige zwischen Peter Schle- «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 363 mihl und dem geheimnisvollen grauen Mann. Vgl. Chamisso, Sämtliche Werke 21f., wo der Fremde Schlemihl anredet mit: «Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen, wenn ich es wage, ihn so unbekannter Weise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigst -» usw. 37 Pikulik, «Joseph Roths Traum von Wiedergeburt und Tod» 215. - Fritz Hackert merkt in seiner Untersuchung zur Gattung Legende bei Roth an: «Erzählerische Modernität beweist die Rothsche Legende auch dadurch, daß sie keinerlei Anspruch auf Objektivität erhebt, sondern entweder durch Ironie ambivalent gehalten wird - wie ‹Die Legende vom heiligen Trinker› - oder von der subjektiven Perspektive eines Rahmenerzählers relativiert ist», vgl. Fritz Hackert, «Zum Gebrauch der Gattung Legende bei Joseph Roth», «Die Schwere des Glücks und die Größe der Wunder». Joseph Roth und seine Welt, Red. Michael Nüchtern u. Ralf Stieber (Karlsruhe: Evangelischer Presseverband für Baden, 1994) 109-23, hier 121. 38 Vgl. Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, 7. Aufl. (Stuttgart: Kröner, 1989) 502 [Stichwort «Legende»]: «religiös erbauliche, volkstüml. Erzählung in Vers oder Prosa um den vorbildl., gottgefälligen ird. Lebenslauf e. Heiligen […] oder einzelner Wunder und Geschehnisse daraus, bes. den Kampf glaubensstarker Menschen mit der Umwelt, Erleuchtung ird. Geschehens durch himml. Mächte zu symbol. Gehalt». - Vgl. weiterführend hierzu: Hellmut Rosenfeld, Legende (Stuttgart: Metzler, 1961). 39 Vgl. Peter Wilhelm Jansen, Weltbezug und Erzählhaltung. Eine Untersuchung zum Erzählwerk und zur dichterischen Existenz Joseph Roths, Diss. (Freiburg, 1958) [zur Legende vom heiligen Trinker 386-405], hier 389: «Es läßt sich hier wieder die im Laufe der Untersuchung schon oft festgestellte Erzählbewegung Roths beobachten, die von außen (Beschreibung) nach innen (Verben der inneren Vorgänge) dringt.» Jansen sieht in der Erzählung insgesamt «eine gestalthafte Projektion des Ich des Dichters» (390) bzw. eine «Selbstdarstellung» Roths, in der auch «Formzüge der Ich-Erzählung» zu erkennen seien (391). 40 Ebd., 388. 41 Ebd., 392. 42 Vgl. dazu auch ebd., 400: «der Erzähler assistiert gleichsam nur der Gestalt bei deren Selbst-Entdeckungen, die sich durch die Erzählung ziehen wie eine selbstständige Geschichte - die Vorgeschichte -, die freilich nicht vollständig und in sich geschlossen ist, sondern immer mit der eigentlichen Erzählung (der Handlungsgegenwart) verbunden bleibt». 43 Insgesamt lässt sich im Erzählduktus ein permanentes Schwanken zwischen den Begriffen «Schicksal» und «Zufall» beobachten. Dabei scheint es, dass der Erzähler, indem er Andreas’ Sichtweise folgt, die bewussten Taten - und Unterlassungen! - des Helden oft auf die Fremdeinwirkung eines Schicksals abschiebt, vgl. z.B.: «und er beschloß [! ], sofort aufzustehen, ohne Karoline zu wecken, und ebenso zufällig, oder besser gesagt, schicksalhaft wegzugehen» (526); oder: «Hierauf blieb Andreas ein wenig an der Theke stehen und trank drei Gläser Weißwein; gewissermaßen aus Dankbarkeit gegenüber dem Schicksal» (530). 44 Vgl. auch Hackert, Kulturpessimismus und Erzählform 135f. u. 214f., dort Anm. 108. 45 Vgl. auch ebd., 136: «Gleich die Eröffnung schlägt das im Alten und Neuen Testament unermüdlich abgewandelte Thema vom rechten Weg an». 46 Luc Spielmann, «L’héritage du Pentateuque dans La Légende du Saint Buveur», Chroniques allemandes 1 (1992): 201-28, hier 205. Spielmann zieht daraus allerdings ganz andere Schlüsse als die, die hier dargelegt werden sollen: «D’abord, Andreas envisage de 364 Achim Küpper se laver la figure, puis se contente de tremper les mains dans l’eau. Or le Coran exige de ses fidèles qu’ils se lavent la face et les mains (K. 5/ 6). Andreas ne se pliera jamais qu’à la moitié de ce rite, et, tout à l’heure, il ne se lavera que le visage. Il garde donc ses distances envers l’Islam et renonce à une lustration complète qui équivaudrait à une apostasie pure et simple» (ebd., 205). Auch Browning, «Joseph Roth’s Legende vom heiligen Trinker» 90, spricht hier von einem «ritual of cleansing» und merkt an: «This motif of cleanliness grows along with the development of Andreas’ personality». 47 Zit. nach Die Bibel. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes, Deutsche Ausgabe mit den Erläuterungen der Jerusalemer Bibel, Hg. Diego Arenhoevel, Alfons Deissler u. Anton Vögtle, 2. Aufl. (Freiburg i.Br.: Herder, 1968). Künftige Bibelzitate ebenfalls nach dieser Ausgabe, Stellenangaben im laufenden Text selbst. 48 So beziffert Andreas etwa auch die Anzahl der ‹Rückgabeversuche› noch auf 3: «Und ich bin schon das dritte Mal daran verhindert gewesen, das Geld zurückzugeben» (540). 49 Pikulik, «Joseph Roths Traum von Wiedergeburt und Tod» 217. 50 Zu dem für Roth charakteristischen, eigenartigen Gebrauch des Pronomens «man» bemerkt Hartmut Scheible bezeichnenderweise: «Daß das ‹man›, insbesondere wenn es in erlebter Rede gebraucht wird, nicht gerade die Gedanken einer besonders willensstarken oder tatkräftigen Gestalt wiedergibt, darf noch vor der Kenntnis des Textes vermutet werden. […] Roth setzt ‹man› an den Stellen, an denen seine Gestalten keinen eigenen Entschluß fassen», vgl. Hartmut Scheible, Joseph Roth. Mit einem Essay über Gustave Flaubert (Stuttgart u.a.: Kohlhammer, 1971) 106. 51 Vgl. aber eingehend zur Raumgestaltung und zum Stadtbild vor allem in Roths Romanwerk: Sidney Rosenfeld, Raumgestaltung und Raumsymbolik im Romanwerk Joseph Roths, Diss. (Illinois, 1965); und Heidy Müller, «Zur Ikonologie der Stadtlandschaft in Joseph Roths Erzählprosa», Austriaca 16 (1990): 121-38. Vgl. zum Bild der Heimat und der Landschaft bei Roth Maria Kła ń ska, «Die galizische Heimat im Werk Joseph Roths», Joseph Roth. Interpretation - Kritik - Rezeption. Akten des internationalen, interdisziplinären Symposions 1989, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Hg. Michael Kessler u. Fritz Hackert, 2. Aufl. (Tübingen: Stauffenburg, 1994) 143-156; sowie Maria Kła ń ska, «Die Funktionen der galizischen Landschaft in den Werken von Leopold von Sacher-Masoch, Karl Emil Franzos und Joseph Roth», Funktion von Natur und Landschaft in der österreichischen Literatur, Hg. Régine Battiston-Zuliani (Bern: Lang, 2004) 51-71. 52 So Rosenfeld, Raumgestaltung und Raumsymbolik im Romanwerk Joseph Roths 50, in Bezug auf Roths Roman Die Rebellion. Die Raumanordnung kann von einem Text zum anderen durchaus variieren. Rosenfeld hebt etwa in Hinblick auf Hotel Savoy die starke Prägnanz der «vertikale[n] Raumgestaltung» (29) hervor (Reichtum - seltsamerweise - in den unteren Geschossen des Hotels, nach oben hin herrscht zunehmend Armut), während die horizontale Achse ins «Verschwommene und Unbestimmte» (30) zerfließe. Und in einem Roman wie Die Rebellion sei die Bedeutung des Raumes selbst Veränderungen unterzogen, sodass Rosenfeld hier von jenem «Riß mitten durch das Raumgefüge» (50) spricht, von einem «Bruch zwischen Oben und Unten» (60). Der Blick nach oben, zu Gott, ist dabei flehend oder anklagend; er wird mit Spott zurückgeworfen. 53 Eine bündige Darstellung der Geschichte um Joseph Roths Vater findet sich bei Nürnberger, Joseph Roth 19-21. 54 Vgl. Géza von Cziffra, Der heilige Trinker. Erinnerungen an Joseph Roth. Mit einem Nachwort von Marcel Reich-Ranicki (Berlin: Berenberg, 2006). Vgl. dazu auch: Achim Küpper, «‹Er war ein Verlorener›. Géza von Cziffra erinnert sich an Joseph Roth», Literaturkritik.de 12 / 2006: 186-88. «Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis» 365 55 Cziffra, Der heilige Trinker 60. 56 Ebd., 128. 57 Dass sich ganz Ähnliches auch bei Joseph Roths Freund Stefan Zweig beobachten lässt, lege ich an anderer Stelle dar, vgl. Achim Küpper, «Der Sturz ins Leere: Die Dämonie von Verlassenheit und Fremde in den Erzählungen Stefan Zweigs», Stefan Zweig und das Dämonische, Hg. Matjaž Birk u. Thomas Eicher (Würzburg: Königshausen & Neumann, 2008) 215-35. 58 Wolfgang Müller-Funk, Joseph Roth (München: Beck, 1989), hier 14. 59 Vgl. zum Heimatbegriff und zur Grunderfahrung von Heimatlosigkeit und Fremde bei Roth besonders Klaus Bohnen, «Flucht in die ‹Heimat›. Zu den Erzählungen Joseph Roths», Joseph Roth. Werk und Wirkung, Hg. Bernd M. Kraske (Bonn: Bouvier, 1988) 53-69. 60 Lothar Köhn, «Der ‹Preis der Erkenntnis›. Überlegungen zum literarischen Ort Joseph Roths», Joseph Roth. Interpretation - Kritik - Rezeption. Akten des internationalen, interdisziplinären Symposions 1989, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 2. Aufl., Hg. Michael Kessler u. Fritz Hackert (Tübingen: Stauffenburg, 1994) 167-79, hier 169. 61 Ebenfalls zitiert nach der sechsbändigen Ausgabe: Joseph Roth, Werke, Bd. 2: Das journalistische Werk 1924-1928, hg. u. mit einem Nachwort v. Klaus Westermann (Köln: Kiepenheuer &Witsch, 1990), hier 453f. 62 Ebd., 454. 63 Werner Sieg, Zwischen Anarchismus und Fiktion. Eine Untersuchung zum Werk von Joseph Roth (Bonn: Bouvier, 1974) [zur Legende vom heiligen Trinker 37-39 u. 132], hier 132.