Colloquia Germanica
cg
0010-1338
Francke Verlag Tübingen
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2017
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Kein Brautkleid für Recha
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2017
Rüdiger Scholz
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Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 127 Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise Rüdiger Scholz Universität Freiburg Abstract: Most scholars have ignored the family plot when dealing with Lessing’s last drama, Nathan der Weise , even though the essence of the drama revolves around the dialectic inherent in humans and human relations. Nathan tries to prevent Recha from leaving his house in order to marry the Tempelherr. Nathan is successful in discovering that Recha and the Templer are sister and brother as well as renewing the love Recha feels for him. The consequences are bitter for both Recha and the Tempelherr in that they must renounce their previous identities and remain within Nathan’s realm. Their sexual life, intimated by Lessing in a variety of symbolic scenes, is destroyed; the young generation cannot continue the history of tolerance by living in a new family with their own children. The fact that their identities are broken leads to tragedy for both Recha and the Templer. Nathan is revealed to be an egoist, in the same mold as William Sampson and Odoardo Galotti. Thus, this man, celebrated as the epitome of humanity is revealed as a complicated person of dialectic impulses. Keywords: Dialektik der Humanität, Besitzegoismus, psychischer Inzest, Sexualsymbolik, Geschwisterliebe, Kreuzzüge Das Drama Nathan der Weise , 1779 veröffentlicht und am 14 April 1783, zwei Jahre nach Lessings Tod, in Berlin uraufgeführt, das große Humanitätsdrama der Aufklärung, Plädoyer für die wechselseitige Toleranz der drei großen monotheistischen Religionen: Christentum, Judentum und Islam, ja ihre Versöhnung - gilt als der Höhepunkt der europäischen Aufklärung. Die religiöse Toleranz verkörpert Lessing in der Titelfigur, die mit überaus positiven Charaktereigenschaften ausgestattet ist. Nathan ist nicht nur die Anti-Figur des religiösen Fanatismus, dem der Kampf der Aufklärung galt, sein Wirken in Gesellschaft und 128 Rüdiger Scholz Familie scheint ohne jeden Tadel. Sein Ansehen in Jerusalem ist infolge seiner Wohltätigkeit überragend, “sein Volk” - nach Dajas Worten zum Tempelherrn - “verehret ihn als einen Fürsten” (1.6.738), und, nach Al-Hafi, “nannt [ihn] einmal das Volk den Weisen! ” (2.2.1048), was der mächtige Sultan Saladin bei seiner Begegnung mit Nathan wiederholt (3.5.1799f.). Nathan ist der ideale Großkaufmann und ein “Politicus” (Fulda 56). Nathans Verhalten ist auch als Privatmann vorbildlich: Er ist der mächtige, milde und liebende Patriarch, der das Beste für alle in seinem Haus lebenden Personen, vor allem für seine Pflegetochter Recha. tut und der mit der Wandlung von Rechas Liebhaber zum Bruder eine neue Familie liebender Menschen begründet, mit ihm selbst als Vater. Dieses Bild mustergültiger Toleranz und Friedfertigkeit, der vernunftgeleiteten Geschicklichkeit im privaten wie politischen Handeln, hat zu einem nicht versiegenden Strom lobender bis begeisterter Auslegungen geführt. Die Wirkungsgeschichte ist eine einzige Orgie sich überschlagender Lobeshymnen. Die überragende Positivität der Titelfigur ist unbezweifelter Standard aller Nathan -Interpretationen. “Nathan stellt also den Höhepunkt menschlicher Vollkommenheit dar” (Schweitzer 277). Ruth Klüger betonte 1972 Nathans “Einmaligkeit”, “seinen außerordentlichen Stellenwert unter den Vätern der Weltliteratur” (Kreuzug 213). Barbara Becker-Cantarino bezeichnete noch 1993, in Abgrenzung zu Goethes Wilhelm Meister , und trotz aller Kritik an der patriarchalischen Herrschaftsstruktur der Familie in der Literatur des 18. Jahrhunderts, den Protagonisten Nathan den Weisen als positives Beispiel der Humanität der Aufklärung. 1 George Mosse hat das Drama 1985 als Magna Charta des deutschen Judentums bezeichnet. 2 Peter J. Brenner meinte 2000, mit der “Idee des ‘ganzen Menschen’” habe Lessing “das Leitbild des deutschen Bürgertums” im 19. Jahrhundert und das “Irrlicht des Sozialismus” in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorweggenommen (zit. nach Düffel 209). Das ist angesichts des Ausmaßes an Judenvernichtung im nationalsozialistischen Deutschland nicht verwunderlich. Im Dritten Reich durfte das Stück nicht aufgeführt werden (Bauer 69). Auch die intensiv geführte Diskussion über Widersprüche im Toleranzbegriff der Aufklärung, über die Grenzen der Toleranz einer Ehe zwischen Christ und Jüdin, über Adoptiv- und Blutsfamilie, über die Dominanz des Vaters, vor allem über die Grenze der Toleranz im Hinblick auf den - abgewendeten - Geschwisterinzest hat nicht nicht zu einer Relativierung der Titelfigur geführt. 3 Ebenso wenig die Diskussion über Nathans Kaufmannstätigkeit und die Herkunft seines Reichtums. 4 Dabei wurde meist übersehen, dass Lessing den weisen Nathan in die Reihe der Väter von Sir William Sampson und Odoardo Galotti gestellt hat, die ihre Töchter nicht hergeben wollen und alles unternehmen, um sie für sich zu behalten. 5 Zwar kommt Recha - anders als Sara Sampson und Emilia Galotti, nicht zu Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 129 Tode, aber sie wird durch Nathans Überliebe um Ihre Selbständigkeit und durch Recherchen zu ihrer Herkunft um ihre Identität und damit um ihr Liebes- und Eheglück gebracht. Das “dramatische Gedicht”, wie Lessing sein Stück genannt hat, das als fünfaktige Tragödie in Versform angelegt ist und doch keine Tragödie ist, weil es in der Harmonie des Familienschlussbildes endet, bedeutet für die Liebenden, für Recha und für den Tempelherrn, eine Tragödie. Denn der altruistische Nathan wird von Lessing zugleich als krasser Egoist gezeichnet, der unter der Maske des zärtlichen Vaters Besitzansprüche an seine Pflegetochter durchsetzt. Nathan unterwirft sich die Liebenden, indem er sie zu Geschwistern macht, die deswegen nicht heiraten dürfen. Das Drama endet damit, dass der Macher Nathan, der nicht zur Blutsfamilie Saladin gehört, über Freundschaft und Adoptivvaterschaft das Familienoberhaupt bleibt. Dem großartigen Altruismus steht der Egoismus gegenüber, verbunden in einer Person. 6 Diese Wertung der Titelfigur findet sich in der riesigen Interpretationsliteratur nicht. Die Familiengeschichte des Dramas überhaupt, die ja die Handlung ausmacht, wurde nur spärlich und sehr spät, und auch da nur ganz selten unter dem Aspekt der Vater-Tochter-Beziehung und der Liebesgeschichte zum Gegenstand der Interpretation. 7 Die Vernachlässigung der Vater-Tochter-Beziehung und der - verhinderten - Liebesgeschichte liegt natürlich daran, dass die Ringparabel und die geschichtliche Bedeutung des Themas der Versöhnung der drei großen monotheistischen Religionen im Vordergrund stand und bis heute steht. Die Ringparabel bleibt infolge der Themenstellung dieses Beitrags weitgehend ausgespart, siehe Böhler. Sie liegt aber auch daran, dass Lessing die Vorgänge mehrdeutig angelegt und die psychischen Bindungen in symbolischer Dramensprache versteckt und nur so offenbart hat. So lässt sich etwa das Motiv für Nathans Recherchen zur Herkunft des Templers und Rechas auch aus der vermuteten und geahnten Geschwisternschaft herleiten und damit aus dem Willen, den Inzest zu verhindern. Rechas sinnliche Leidenschaft zum Tempelherrn wird in der Symbolik von Feuer und Rettung erzählt. Nathans Handeln scheint auch motiviert mit der Angst, Recha an den bösen Patriarchen zu verlieren. 8 Signifikant ist, dass die Vater-Tochter-Geschichte samt verhinderter Liebesgeschichte den Hauptteil der Dramenhandlung ausmacht. Die wenigen Interpretationen, die auf dieses Verhältnis eingehen, sind schnell genannt. Das ausbleibende happy end kritisierte der Literaturkritiker und Schriftsteller Friedrich Theodor Vischer 1857: “Die Handlung” schließe “schlecht im Sinne des bürgerlichen Familienstücks (…) mit einer Erkennung, worin Liebende zu Geschwistern werden müssen.” Aber auch Vischer sieht den Egoismus Nathans nicht, denn er fährt fort: “Es ist hier vor Allem der freie, klare, harmonische Charakter des Nathan, der ein positives Ende fordert.” 9 Der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt nannte das Nathan -Drama “eine Art umgekehrter Ödipus”, denn Inzest und 130 Rüdiger Scholz Vatermord würden verhindert (zit. nach Bahr 70). Ernst genommen hat die Familiengeschichte Peter Horst Neumann 1977, der die Vaterautorität psychoanalytisch analysiert und den Konflikt zwischen Recha und Nathan sieht (60—75). Denis Jonnes weist darauf hin, dass sich im Dreieck Nathan, Recha und der Tempelherr “a triangular father/ daughter/ suitor configuration constitutes” wie in den beiden Trauerspielen Miß Sara Sampson und Emilia Galotti (168 f.) Thomas Koebner sieht 1987 die “Verlustangst” Nathans (165). John A. McCarthy erkennt “eine Art Symbiose” zwischen Nathan und Recha “wie ehedem zwischen Emilia und Odoardo” (357). Helmut J. Schneider spricht von “Insemination des weiblichen Körpers durch die väterliche Vernunft” und markiert damit das zu enge Verhältnis zwischen Recha und Nathan ( Geburt 31). Breiter erörtert Ortrud Gutjahr 1993 das Verhältnis von Religionskritik und Liebesdrama. Das Liebesglück werde der Idee der Toleranz geopfert. Peter Pütz schließlich sieht die Ursache für das ausbleibende Liebes-Happyend in Lessings Misstrauen gegen Liebesleidenschaft (276). 10 Aber weder Neumann noch Gutjahr noch McCarthy noch Pütz sehen die Dialektik der Humanität in der Nathan-Figur. Ganz im Gegenteil zu meiner These wertet Neumann Nathan als “vollkommenen Vater”, Gottfried Willems noch 2012 in seiner Literaturgeschichte Nathans Umgang mit Recha “einfühlsam” (202). Dabei wird der Egoismus Nathans von Lessing geradezu aufdringlich dargestellt. Die gesamte Dramenhandlung kreist darum, dass Nathan seine Pflegetochter Recha, die glaubt, die leibliche Tochter des Juden zu sein (V. 5., V. 3436—38), ihrem Retter, dem Tempelherrn, den Recha anfänglich auch mit einem Hauch von Leidenschaft liebt, nicht zur Frau geben will. 11 Lessing macht gleich im ersten Dialog klar, dass Recha, die Pflegetochter, Nathans höchstes Liebesobjekt ist. Während ihn der Brand seines Hauses kalt lässt, will er nicht mehr weiterleben, wenn Recha zu Tode gekommen wäre: “Verbrannt? Wer? Meine Recha? Sie? - / Das hab ich nicht gehört. - Nun dann! So hätte / Ich keines Hauses mehr bedurft” (1.1.21—23). Er reagiert panisch und nimmt, gegen den gegenteiligen Bericht Dajas, plötzlich an, Recha sei verbrannt: “Ha! Sie ist es wohl! / Ist wirklich wohl verbrannt! - Sag nur heraus! / Heraus nur! - Töte mich: und martre mich / Nicht länger. - Ja, sie ist verbrannt (1.1.24—27). In dieser ersten Szene macht Nathan aus dieser Höchstwertigkeit Rechas für ihn Besitzansprüche geltend. In dem folgenden kurzen Dialog zwischen Daja und Nathan, der sich unmittelbar an seine Angst anschließt, Recha könnte verbrannt sein, geht es um Nathans Eigentumsrechte gegenüber Recha: DAJA: Wenn sie Es wäre, würdet Ihr von mir es hören? NATHAN: Warum erschreckest Du mich dann? - O Recha! Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 131 O meine Recha! DAJA: Eure? Eure Recha? NATHAN: Wenn ich mich wieder je entwöhnen müsste, / Dies Kind mein Kind zu nennen! DAJA: Nennt Ihr alles, / Was Ihr besitzt, mit ebenso viel Rechte / Das Eure? NATHAN: Nicht mit größerm! Alles was / Ich sonst besitze, hat Natur und Glück / Mir zugeteilt. Dies Eigentum allein / Dank ich der Tugend. (1.1. 27—36) Das bezieht sich zwar darauf, dass Nathan ja nur der Pflegevater ist und nicht die vollen Rechte des biologischen und durch eheliche Geburt sanktionierten Vaters hat, aber die Emphase Nathans macht klar, dass Recha sein liebster Mensch ist, dessen Untergang sein eigenes Lebensende wäre und dass er sie wegen seiner Liebe zu ihr sie behalten will. Daher sagt er im 4. Akt nochmals: “Ich bliebe Rechas Vater / Doch gar zu gern! ” (4.7.2912f.). Angesichts der Gefahr, dass ihm Recha vom Patriarchen entrissen wird, weil sie christlich getauft wurde, zieht er in Erwägung, Recha seinem neuen Freund, dem Templer, zur Frau zu geben: “Mir wär der Tempelherr schon recht. Ihm gönnt / Ich Recha mehr als einem in der Welt” (4.6.2898f.). Und eine Szene später: “Gott! Wenn ich doch das Mädchen noch behalten, / Und einen solchen Eidam mir damit / Erkaufen könnte! ” (4.7.3118—20). Dieses Zugeständnis erweist sich aber als nicht notwendig, als sich die Möglichkeit abzeichnet, dass Recha und ihr Liebhaber Geschwister sind und da Saladin die Auslieferung Rechas an den Patriarchen verhindert. Da bricht Nathan in einen großen Stoßseufzer aus: “Gott! / Daß ich nicht gleich hier unter freiem Himmel / Auf meine Knie sinken kann! Wie sich / Der Knoten, der so oft mir bange machte, / Nun von sich selber löset! ” (3324—27). Dass damit nicht Nathans Angst vor dem Inzest von Recha und dem Templer gemeint ist, wie manche Interpreten annehmen, zeigen Nathans Ängste vor dem Verlust von Recha durch Verlieben und Ehe. Die private Geschichte der drohenden Verheiratung Rechas wird gleich zu Beginn dramatisch in Szene gesetzt. Der reiche Jude Nathan kommt von einer längeren Geschäftsreise nach Hause zurück und muss erfahren, dass es in seinem Haus gebrannt hat und Recha von einen jungen Mann gerettet worden ist, einem jungen Tempelherrn, “den, wenig Tage / Zuvor, man hier gefangen eingebracht, / Und Saladin begnadigt hatte.” (1.1.84—87) Damit droht ein möglicher Liebhaber für Recha, was Nathan höchst beunruhigt. Im 2. Akt (4. Aufzug) will er durch scheinbar geschicktes Fragen herausfinden, ob Recha ihren Retter liebt: “Ich möchte dich nicht anders, als du bist: / Auch wenn ich wüßte, daß in deiner Seele / Ganz etwas anders noch sich 132 Rüdiger Scholz rege.” Als die unschuldige naive Recha fragt: “Was. / Mein Vater? ”, antwortet Nathan beruhigend: “Fragst du mich? So schüchtern mich? / Was auch in deinem Innern vorgeht, ist / Natur und Unschuld. Laß es keine Sorge / Dir machen. Mir, mir macht es keine” (2.4.1160—66). Das doppelte “Mir” verrät Nathan: es macht ihm eben sehr große Sorgen. Daher muß er Recha das Versprechen abnehmen, dass diese alle ihre Wünsche Nathan mitteilt. Im folgenden versucht er, die Begegnung Rechas mit dem Templer zu vereiteln, obwohl oder weil Recha sehr neugierig auf den Tempelherrn ist. In der folgenden Szene (2. Akt, 5. Aufzug) versucht Nathan, den Tempelherrn als Freund zu gewinnen, um auf ihn Einfluß zu nehmen. Es gelingt: Beide werden Freunde: NATHAN: Kommt, / Wir müssen Freunde sein! (…) TEMPELHERR: Nathan, ja; / Wir müssen Freunde werden” (2.5.1306 —19). Nathan versucht hier, den Templer durch die Freundschaft zu entsexualisieren und damit von Recha abzuziehen, was auch gelingt. 12 Es ist fast dieselbe Situation wie zwischen Odoardo und Appiani in Emilia Galotti, wo es Ododardo gelingt, Appianis Liebesinteresse von Emila auf ihn selbst umzulenken. Vor der nächsten Begegnung Nathans mit dem Tempelherrn liegt die Szene zwischen Recha und dem Tempelherrn, der sich bei dieser Begegnung heftig in Recha verliebt. Nathan fragt daher sofort den Templer aus: “Sagt: Wie / Gefällt Euch Recha? ” (3.9.2172f.) Als der Templer mit den Worten “Mein Vater” Nathan um den Hals fällt, weist dieser ihn ab (2178). So richtig es ist, dass Nathans Verhalten durch die sich entwickelnde Aufdeckung der Geschwisternschaft von Recha und dem Templer motiviert erscheint, so richtig ist auch, dass dies nicht die einzige, und nicht die wichtigste Ebene ist. Lessing bringt die Rivalität von Nathan und dem Tempelherrn auf den Punkt, indem er den Tempelherrn sagen läßt, dass dieser, genau wie Nathan, ohne Recha nicht leben kann: “(…) Von ihr getrennt / Zu leben, ist mir ganz undenkbar; wär / Mein Tod, - und wo wir immer nach dem Tode / Noch sind, auch da mein Tod. - Ist das nun Liebe” (3.8. 2126—29). Und noch einmal weist Nathan die Bitte des Templers ab, ihm Recha zur Frau zu geben, jetzt im Wissen, dass Recha und der Templer Geschwister sind: TEMPELHERR: (…) Gebt / Sie mir! Ich bitt Euch, Nathan, gebt sie mir! / Ich bin’s allein, der sie zum zweiten Male / Euch retten kann - und will. NATHAN: Ja - Konnte! Konnte! / Nun auch nicht mehr. Es ist damit zu spät. (5.5.3444—48) Nach der Anzahl der Auftritte gerechnet, fungiert, worauf Koebner hingewiesen hat, der Tempelherr “offensichtlich als Antagonist der Titelfigur” (181). Selbst Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 133 wenn man die Bezüge auf die Vorgeschichte einrechnet: Es geht Nathan um den Besitz von Recha, den er gegen alle verteidigen will, gegen die christlichen Eiferer, welche die christlich getaufte Frau dem Juden entreißen wollen und gegen den Liebhaber, der nach Nathans Empfinden ihm Recha mit dem schlimmsten aller Mittel, der sinnlichen Liebe, wegzulocken droht. Nathan ist derjenige, der die Handlung vorantreibt, ausgelöst durch den Rivalen, den Templer. 13 Motiviert wird diese Besitzliebe durch das Schicksal Nathans, dessen Frau und alle sieben Söhne von Christen ermordet wurden, im Haus von Nathans Bruder verbrannten. Daher die Panik, Recha könnte verbrannt sein. Als Nathan nach dem Verlust seiner Familie auf dem Tiefpunkt angelangt war, wurde ihm das Kind übergeben, um das er sich kümmern musste und das ihm der Ersatz für die Ermordeten geworden ist (4.7.3038—64). Das macht Nathans Kampf um Recha verständlich, rechtfertigt aber nicht, dass Nathan Recha, die mit 18 Jahren kein Kind mehr ist, vor allem psychisch nicht freigeben will. Lessing reiht mit dieser Eröffnungsszene die Titelfigur ein in die Reihe der Väter in seinen Dramen, die ihre Tochter für sich behalten wollen. Schon in dem Jugenddrama Die Juden von 1749, das Lessing als Zwanzigjähriger verfasst hat, kann der Baron, der auf jeden möglichen Heiratskandidaten seiner Tochter eifersüchtig ist, selbst dem Retter seiner Tochter diese nicht zur Frau geben will, obwohl die Tochter ihren Retter liebt, weil dieser Jude ist - ein gegen seine Tochter böses, inhumanes und zugleich gesellschaftlich brisantes Argument. 14 In den Hauptdramen Miss Sara Sampson und Emilia Galotti kommt es infolge der Besitzansprüche der Väter zur Katastrophe. In diesen beiden Dramen überlebt die jüngere Generation den Konflikt nicht, während die Väter am Leben bleiben, wenn sie auch ihr Ziel nicht erreichen, da sie ihre Töchter durch gewaltsamen Tod verlieren. Recha überlebt zwar, aber sie kann sich nicht frei entfalten, sondern wird geradezu entmündigt. Nathan nennt sie “Armes Kind! ” (1.1.69) und “Mein Kind! Mein liebes Kind! ” (1.2.178). Das mag noch im üblichen Sinn als Bezeichnung eines Vaters für seine Tochter gemeint sein, selbst wenn diese schon erwachsen ist. Im Kontext weiterer Merkmale aber zeigt sich, dass Nathan sie im Kindstatus festhält und daher so bezeichnet. Recha kann nach eigenem Bekenntnis kaum lesen, Bücher zu lesen fällt ihr sehr schwer. Alles, was sie weiß, hat sie mündlich von Nathan (5.6.3529ff.). Und das im Bücher lesenden 18. Jahrhundert! in dem Sophie Gutermann, spätere La Roche, schon mit 3 Jahren zu lesen begann und in dem ein Lessing sich schon als Kind nur mit einem großen Haufen Bücher malen lassen wollte! Krasser kann das frevelhafte Verkümmerung des Geistes nicht ausgedrückt werden. 15 Dass auch ihr Retter und Liebhaber sie “gutes, holdes Kind! ” (3.2.1634) nennt, unterstreicht den Eindruck der Kindhaftigkeit, den sie auch durch ihre Geschichte, sie sei von einem Engel gerettet worden, nicht 134 Rüdiger Scholz von einem Menschen, und mit ihren “Wahn”, der Versöhnung aller Religionen, ausstrahlt (1.1.151—53 und 1.2.). Sie hat, fixiert an den Vater, ihre Rolle als kleine kindliche Tochter weitgehend verinnerlicht. Aus dieser Situation bricht sie auch durch die im Ansatz aufkeimende, ihr zunächst unbewusste Liebesleidenschaft zum Tempelherrn nicht aus. Auf die Frage, wen Recha eigentlich liebt, muss die Antwort zwar lauten: am Anfang und am Ende des Dramas allein ihren Vater Nathan. Aber sie macht eine Entwicklung durch. Nach ihrer Rettung liebt sie ihren Retter als Engel, als wirklichen Engel: “Nicht so ein Engel; nein! ein wirklicher; / Es war gewiß ein wirklicher! (…) Ich lieb ihn ja” (1.1.204—210). Dann entwickelt sie eine große Neugier auf den Templer. Das geht nicht nur aus Dajas Bericht hervor, deren Glaubwürdigkeit zweifelhaft ist, da sie Recha unbedingt mit dem Tempelherrn verkuppeln will, sondern auch durch Rechas Neugier auf den Tempelherrn: Nach Daja hat sie “Ihr gierig Aug” auf den Tempelherrn geworfen (1.4.514). Im zweiten Akt möchte sie den Templer von ferne unbedingt sehen: “Nur einen Blick noch! - ah! die Hecke, / Die mir ihn stiehlt” (2.5.1183f.). Ihr Herz schlägt höher, wenn sie den Templer sieht (3.3.1722f.). Kurz vor der Begegnung mit dem Tempelherrn spricht sie aus, dass sie auf dem Weg einer leidenschaftlichen Liebe zu ihm ist: “Und wenn er nun / Gekommen diesen Augenblick, wenn denn / Nun meiner Wünsche wärmster, innigster / Erfüllet ist: was dann? - was dann? (…) Was wird dann / In meiner Brust an dessen Stelle treten, / Die schon verlernt, ohn einen herrschenden / Wunsch aller Wünsche sich zu dehnen? (3.1.1527—35). 16 Nach der - späten - Begegnung mit dem Tempelherrn, in der zweiten Szene des dritten Aktes, erlischt die leidenschaftliche Liebe. Nachdem er gegangen ist, wird sie nach der Aufregung ruhig und formuliert dann selbst das Ende ihres leidenschaftlichen Interesses an dem Tempelherrn: “Er wird / Mit ewig wert; mir ewig werter, als / Mein Leben bleiben: wenn auch schon mein Puls / Nicht mehr bei seinem bloßen Namen wechselt; / Nicht mehr mein Herz, sooft ich an ihn denke, / Geschwinder, stärker schlägt” (3.3.1718—23). Über die Ursache des vorzeitigen Endes der aufkeimenden Liebe kann nur spekuliert werden, weil die Szene keine Begründung liefert. Auf dem Hintergrund des Dramas ist die Bindung an den Vater die Ursache. Klügers Annahme, “das instinktive Wissen um die Blutsverwandtschaft” sei die Ursache, findet im Drama keinen Beleg, weil Recha keine noch so entfernte Ahnung von der Geschwisternschaft hat, sondern bei der Entdeckung aus allen Wolken fällt (Kreuzzug 210). Der Tempelherr muss spät erkennen, dass Recha ihn nicht liebt. Im letzten Auftritt wird endgültig klar, dass Recha keine Liebesleidenschaft für den Tempelherrn empfindet, nicht einmal großes Interesse an ihm hat. 17 Recha bestätigt Nathan, dass sie niemanden in ihrem Herzen hat: Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 135 NATHAN: (…) (Geht auf Recha zu) Du hast geweint? / Was fehlt Dir? - bist doch meine Tochter noch? RECHA: Mein Vater! … NATHAN: Wir verstehen uns. Genug! - / Sei heiter! Sei gefaßt! Wenn sonst dein Herz / Nur dein noch ist! (…) / Wenn deinem Herzen sonst / Nur kein Verlust nicht droht! - Dein Vater ist Dir unverloren! RECHA: Keiner, keiner sonst! TEMPELHERR: . Sonst keiner? - Nun, so hab ich mich betrogen. (…) Das ändert, Nathan, / Das ändert alles! (5.7.3701—13) Die Szene demonstriert Rechas psychische Fixierung allein auf den Vater. Recha liebt nur ihn. In der Szene zuvor ist sie, als sie Sittah von ihrer wahren Herkunft erzählt, in höchster Erregung, weil ihr Nathan als Vater genommen wird: “(…) er nicht mein Vater! / - Gott! Gott! Er nicht mein Vater! - Sittah! Sittah! ” (5.7.36f.). Nathan hat gewonnen. Der Templer sieht seine Niederlage ein; er gibt das Werben um Recha auf. Die Szene macht aber endgültig klar, dass Recha und Nathan sich in einem psychisch inzestuösen Verhältnis befinden. Die Abwehr des genitalen Geschwisterinzests stabilisiert dieses psychisch inzestuöse Vater-Tochter-Verhältnis. 18 Diese Ebene der psychologischen Charakterisierung Rechas ist aber nur die Oberfläche. Auf einer weiteren, verdeckteren Ebene wird deutlich, dass Recha sehr früh und sehr stark auf dem Weg ist, den Templer als Liebhaber und Ehemann zu sehen, um erwachsen zu werden. Das macht Lessing in seinem typischen Symbolstil im dramatischen Akt der Rettung Rechas aus dem brennenden Haus Nathans deutlich: Der Brand symbolisiert Rechas Bedrohung. Sie droht in der Obhut des Vaters unterzugehen, von Nathan, für den sein Haus symbolisch steht, im übertragenen Sinn verbrannt zu werden. Ihre Rettung durch einen möglichen Liebhaber ist psychisch zu verstehen als Rettung aus der Fixierung an Nathan. Zugleich ist das Feuer Symbol für die erwachende Sexualität Rechas. 19 Dazu trägt die äußere Erscheinung des Tempelherrn bei. Sein weißer Mantel mit rotem Kreuz ist “vorgespreizt”: “Mit vorgespreiztem Mantel” (Daja, 1.1.100) rannte der Tempelherr in Nathans Haus, um Recha zu retten. Zur Verstärkung dieses Bildes wiederholt Nathan: “(…) Ja, ja! Der weiße vorgespreizte Mantel / Des Tempelherrn” (1.2.193f.; das rote Kreuz: 1.5.570). “Vorgespreizt” ist ein ungewöhnliches Wort, hier mit sexueller Anspielung. Das Weiß des Mantels kontrastiert dazu. Recha erlebt den Templer anfangs, bei ihrer Rettung, als weißen Engel, d. h. entsexualisierten Menschen, dann erst als sinnliches Liebesobjekt (1.2.193ff.). Nathan empfindet den Templer als Mann des “prallen Gang” mit bitterer Schale, aber süßem Kern (2.5.1196ff.). 136 Rüdiger Scholz Der Brand und der weiße Mantel sind auch für den Templer psychisch bedeutsam: Auch für den Tempelherrn symbolisiert der Brand Gefahr und sexuelle Leidenschaft. 20 Er begibt sich in Todesgefahr, um Recha zu retten, sein Mantel wird angesengt; mit der Rettung gewinnt er zugleich ein höchstes Liebesobjekt. Für Recha eröffnet sich die Möglichkeit, durch den Brand Nathans Haus zu verlassen, dann mit Hilfe ihres Retters, von Nathan loszukommen, sich zu verlieben, ein eigenes Leben zu beginnen, außerhalb der Oberaufsicht Nathans. Auch der Ausgang ist in den Folgen des Brandes symbolisiert. Nathans Haus brennt nicht ab, bleibt bewohnbar und fest bestehen. Da keine schwere Beschädigung eingetreten ist, kann und muss Recha weiter darin leben. Das heißt: Nathans Macht über Recha ist ungebrochen, wankt nur durch den Brand in seiner Abwesenheit, durch den Schritt des Tempelherrn in das Haus, den zu wiederholen dieser sich weigert: “TEMPELHERR: Wohin? / Nein! - Mit in Euer Haus? - Das nicht! Das nicht! - / Da brennt’s! ” (3.9.2222—24). Mit dem folgenden Monolog (III., 10.) wird klar, dass der Tempelherr mit “da brennt’s” seine Liebe zu Recha meint. Die erwachende sinnliche Lust und die Liebeswahl eines nur wenig älteren Mannes sind für Nathan höchst bedrohlich in seinem Besitz Rechas. Dass Recha infolge des Besitzegoismus Nathans um ihr Liebesglück übel betrogen wird, zeigt Lessing wortreich in der sechsten Szene des vierten Aktes im Dialog zwischen Daja und Nathan über das Brautkleid Rechas. Nathan hat aus Babylon kostbare Stoffe mitgebracht, und Daja findet, einer passe als Brautkleid - für Recha. Nathan begreift gar nicht, dass Daja von Rechas Brautkleid redet und fragt sie, ob sie, Daja, selbst heiraten wolle. Resultat: es wird kein Brautkleid für Recha geben. Parallel zum zaghaften Erwachen der sinnlichen Liebe in Recha wird - etwas zeitversetzt - derselbe Prozess beim Tempelherrn dargestellt. Curd von Staufen, obwohl in der Liebe nicht ganz unerfahren (3.10.2235f.) ist anfangs ein frommer, kämpferischer Christ, ein Franke, ein Einzelgänger, der sich lange gegen die Liebe Rechas zu ihm und gegen seine eigene erwachende Leidenschaft für sie wehrt. Auch hier ist das Darstellungsmittel die Symbolik. In geradezu aufdringlicher Wiederholung ist von den Palmen die Rede, unter denen er sich aufhält. Elfmal kommt der Begriff in den Dialogen vor, mehrere Szenen spielen in dem und nahe dem Palmenhain (1.5; 2.4; 3.8.; 4.6). Die gesamte Topographie ist von Lessing symbolträchtig angeordnet. Das Palmenwäldchen befindet sich nahe bei dem Haus von Nathan. Recha kann von ihrem Fenster aus die Palmen sehen (3.31724f.). Die Palmen wiederum liegen auch nahe am Grab Jesu Christi. An das Palmenwäldchen schließt sich ein Kloster an (1.1.124ff.; 3.8. Regieanweisung). Das besagt: Unmittelbar neben dem Haus des reichen Juden Nathan beginnt die christliche Sphäre, nicht irgendeine, sondern mit Jesu Grab eine Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 137 hoch repräsentative. Die Palmen sind durch die Bibel christlich assoziiert, von den Palmenzweigen für das Laubhüttenfest - ein natürlich jüdisches Fest - bis zu den Palmenzweigen, die auf den Weg des in Jerusalem letztmalig einziehenden Jesus von Nazareth gelegt werden. In der ersten Szene des 1. Aktes spricht Daja den Zusammenhang von Palme und Jesus an: “die ersten Tage [nach der Rettung Rechas] sahen wir / Ihn unter Palmen auf und nieder wandeln, / Die dort des Auferstandnen Grab umschatten” (1.1.109—11, wiederholt 124 f.). Das ist die Sphäre des Tempelritters, die er erstmals verlässt, um Recha aus dem brennenden Haus des Juden zu retten. Das Drama setzt ein mit dem Versuch der jüdischen Hausbewohner Daja und Recha und dann auch Nathan, den Templer aus seiner christlichen Sphäre der Palmen wegzulocken und Kontakt mit ihm aufzunehmen, wogegen er sich anfangs heftig wehrt. Sinn und Ziel dieser Handlung ist die Bekehrung des Tempelherrn von Judenhasser zum Judenfreund, der schon in der fünften Szene des zweiten Aktes per Handschlag Freundschaft mit Nathan schließt (1306 ff.). Zugleich stellt Lessing in dieser Topographie und Handlung die erwachende sinnliche Liebesleidenschaft des Liebhabers dar. Die Sphäre der Palmen mit Jesusgrab und Kloster ist zunächst christlich fromm, d. h. asexuell; unter den Palmen wandelt keine Frau, überhaupt niemand außer dem Templer, der sich nur mühsam aus seiner asketischen Umgebung in die Sinnlichkeit des jüdischen Hauses locken lässt. Dass er seiner erwachende Liebe zu Recha ausweicht, beweist seine Flucht aus der Nähe von Nathans Haus auf den Berg Sinai, wo nach dem Alten Testament einst Moses in Einsamkeit die 10 Gebote vom Herrn erhielt, worauf angespielt wird (3.2.1648ff.). Der Templer sucht, so die Handlung, die Zwiesprache mit Gott in einer Situation, wo er im Begriff ist, seine mönchische Lebensführung für Gott infolge seiner Liebesleidenschaft zu Recha aufzugeben. In seinem Monolog im dritten Akt spricht er den Konflikt aus: “Nun gut! Ich mag nicht, mag nicht näher wissen, / Was in mir vorgeht.; mag voraus nicht wittern, / Was vorgehn wird. - Genug, ich bin umsonst / Geflohn! Umsonst” (3.8.2112—15). Nämlich vor seiner Liebe zu Recha. Zu Daja hat der Templer schon vorher gesagt, als sie ihn auf Recha hin anspricht: “Weib, macht mir die Palmen nicht / Verhaßt, worunter ich so gern sonst wandle” (1.6.783f.). Die Palmen sind aber auch Bäume der Lust. Es handelt sich um Dattelpalmen, deren Früchte gerade reif sind. Nach der Rückkehr vom Sinai wandelt der Templer wieder unter den Palmen und isst von ihren Früchten: “Ich habe Fleisch wohl lange nicht gegessen: / Allein, was tut's? Die Datteln sind ja reif” (1.5.547f.). In einer weiteren Stelle findet es Nathan unpassend, dass der Templer Datteln isst: 138 Rüdiger Scholz DAJA [zu Nathan]. Er wandelt unter Palmen wieder auf / Und ab; und bricht von Zeit zu Zeit sich Datteln. / NATHAN: Sie essend? - Und als Tempelherr? DAJA: Was quält / Ihr mich? Ihr [Rechas] gierig Aug' erriet ihn hinter / Den dicht verschränkten Palmen schon; und folgt / Ihm unverrückt. (1.4.511—16) Alles ist hier symbolisch: Mit den Datteln isst der Tempelherr die süße Frucht - Zeichen für sinnlichen Genuss. Das bestätigt Nathans Kritik. Zugleich scheint das Essen von Datteln für einen Christen unüblich. Da aber der Tempelherr gebürtiger Orientale ist, was Nathan an der Stelle noch nicht weiß, passt es in Horizont der Gesamtgeschichte wieder. 21 Der unmittelbare Anschluss mit Rechas “gierig Aug'“ auf den zurückgekehrten Tempelherrn zieht den Vorgang in den Bereich des sinnlichen Liebe. Der sinnliche Genuss der Datteln hat dann auch sexuelle Bedeutung. Hinzu kommt, dass in einem deutschen Drama des 18. Jahrhunderts mit dem weit verbreiteten Tick südlicher sinnlicher Freiheit Palmen schon an sich südliches sinnliches Flair indizieren. 22 Dass Curd von Staufen die reifen Datteln unmittelbar nach seiner Rückkehr vom Berg Sinai ißt, zeigt den Umschwung in ihm: er wendet sich von der Askese zum Genuss, d. h., zur sinnlichen Liebe. Dass der Tempelherr schon von Anfang an zwischen christlicher Sexualaskese und und sinnlicher Leidenschaft hin und hergerissen ist, symbolisiert auch seine Kleidung, wie schon dargestellt. Warum erzählt Lessing diese Liebesgeschichte in seinem “Dramatischen Gedicht” mit dem Hauptthema politischer Religionstoleranz in solcher Symbolik? Ein wichtiges Motiv mag sein, dass Recha selbst lange ihre Sinnlichkeit nicht bewusst ist und sie ihre Bedrohung durch die Fixierung an Nathan nicht begreift. Um die sexuelle Sinnlichkeit dieser Liebe nicht allzu offen darzustellen? Bedeutet die symbolische Darstellung Lessings Verdammung der Leidenschaft als zerstörerisch, wie einige Interpreten, z. B. Pütz, meinen? Das Plakative dieser Symbolik, deren Metaphorik der Allegorie benachbart ist und die wir heute als etwas lächerlich empfinden, weil wir an der Symbolik Goethes geschult sind, wertet das Thema Liebe jedenfalls auf. Die Liebesgeschichte erhält mit der Symbolik ein starkes Gewicht, sie begründet schließlich die Tragik des Dramas. Wie Recha wird dem Liebhaber übel mitgespielt. Mit dem Tempelherrn setzt Lessing die Reihe der “betrogenen” Liebhaber in seinem Werk fort. Parallel zu der Reihe der siegenden Väter gestaltet Lessing in seinen Dramen die Reihe der untergehenden Jünglinge: vom Freigeist über Lelio ( Der Schatz ) Ende der 1740er Jahre, über Mellefont, Lucas und Philotas in den fünfziger Jahren, die sich selbst töten, über Tellheim in den 60er Jahren, den seine Frau psychisch verschlingt, bis zu Appiani in der Emilia Galotti , der umgebracht wird. Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 139 Den Templer im Nathan ereilt - ähnlich wie Recha - ein besonders fieses Schicksal: Er weiß am Ende nicht mehr, wer er ist: Anfangs der stolze christliche deutsche Ritter des Templerordens Curd von Stauffen, soll er nun Leu von Filnek sein, und seine Geliebte Recha wird ihm entrissen, da sie seine Schwester sein soll. 23 Dem jungen Mann gelingt keine eigene Familiengründung; er wird auf die Elternfamilie zurückgeworfen von Rechas Pflegevater, der sich als der Macher der ganzen Tragödie behauptet: Nathan kann Recha behalten. 24 Wie Odoardo integriert er den Schwiegersohn als eigenen Sohn durch Entsexualisierung, hier mittels des Inzesttabus. 25 Hinzu kommt, dass der Tempelherr in seinem Monolog im 5. Akt (3. Szene) vor sich selbst bekennt, dass er Recha eigentlich nur deswegen liebte, weil sie die Tochter des Juden Nathan war. Dieses Harmoniedrama hat also in der jungen, 18jährigen Recha und ihrem Liebhaber zwei tragische Figuren, über deren Tragik das Drama aber gar nicht mehr verhandelt, sondern in der allgemeinen Umarmung zukleistert. Nathan ist die überlegenste aller Vaterfiguren im Werk von Lessing. Nathan braucht sein Liebesobjekt nicht zu töten wie Odoardo, um es dem Liebhaber zu entreißen. Dass Recha bei all ihrer Liebe zu ihrem sozialen Vater Nathan eine tragische Figur ist, darüber kann auch ihre Freude über den neu gewonnen Bruder nicht hinwegtäuschen. Mit ihrer Liebe zu dem Tempelherrn, ihrem Retter, ist sie auf dem Weg aus dem Haus Nathans hinaus in eine Zukunft mit einem sexuell sinnlichen Liebesglück, auf dem Weg zu einer eigenen Familie mit neuen Wohnsitz und eigener Umgebung. Sie ist aber psychisch so stark an ihren sozialen Vater Nathan gebunden, dass schon nach der ersten Begegnung die sinnliche Liebe zu einem Mann ihrer Generation verkümmert. Nach der Eröffnung, dass ihr Retter ihr Bruder ist, erlischt ihre schon zuvor sistierte sexuelle Sinnlichkeit endgültig. Für Recha gibt es kein Brautkleid, sie verbleibt physisch und emotional in der Primärfamilie. Daher sagt der Tempelherr: “Arme Recha! Was / Dir alles zustößt, arme Recha! Was / Ein Glück für andre Waisen wäre, wird / Dein Unglück! Nathan! ” (5.5.3457—59). Tragisch ist die Situation der jungen Generation, da diese nicht zum Ziel einer eigenen Familiengründung mit Nachkommen gelangt. Die Tragik der Hauptfiguren wird noch dadurch gesteigert, dass das Drama nicht als Tragödie endet, sondern als Komödie. 26 Die Widersprüche in der literarischen Gattung und in der Form sind oft und intensiv diskutiert worden. 27 Für einen akzeptablen Komödienschluss müsste die geheime Sehnsucht der Liebenden in Richtung Geschwisterliebe gehen. Hier aber ist das Gegenteil der Fall, woraus die Tragödie für die Liebenden resultiert und sich verschärft, weil ihnen kein Pathos zugestanden wird, sondern sie in der Umarmung zum Verstummen gezwungen werden. Gegen diese Interpretation können zwei Einwände erhoben werden: 140 Rüdiger Scholz 1.Dass Lessing tief in die Klamottenkiste barocker Identitätsvertauschungen greift, die im 18. Jahrhundert nur noch die Trivialliteratur bevölkern, hat seinen Grund in Lessings Ziel, die Relativität der Religion als Identitätsfaktor zu zeigen. Die verwickelten Herkunftsgeschichten erweisen, dass die Menschlichkeit als oberste ethische Kategorie unabhängig von der Religion ist. Recha ist christlich geboren und getauft, aber jüdisch erzogen. Die Christin Daja ist ihre Erzieherin in einem jüdischen Haus. Der christliche Kreuzritter hat einen muselmanischen Vater, der ein Faible für Christinnen hatte; er wird christlich erzogen mit der christlichen Einstellung, Juden seien minderwertigen Menschen. Mit seiner Liebe zu Recha gibt er dieses Vorurteil auf. Nathan ist Jude, verhält sich in extremer Notsituation wie ein wahrer Christ, was ihm der Klosterbruder bestätigt: “Ein bessrer Christ war nie! ” (4.7.3058). Pütz hat 1986 die von Lessing bewusst angelegte Dialektik dargestellt: Der Jude Nathan, dem die Christen alle seine Söhne ermordet hatten, nahm sich eines Christenkindes an. Der judenfeindliche Templer rettet ein jüdisches Mädchen, der mohammedanische Saladin begnadigt einen christlichen Kreuzzugsritter, nur so konnte dieser Recha retten. Die Botschaft der verwickelten Verwandtschaftsverhältnisse lautet: Gerade die Kreuzzüge, in denen es um Herrschaft im Vorderen Orient aus ökonomischen Gründen geht, deren Gewand religiöser Fanatismus ist, zeigen, dass sich die Vermischung der Religionen hinter dem Rücken der von egoistischen Motiven geleiteten handelnden Menschen vollzieht. Die Menschlichkeit entwickelt sich auf Grund sozialen Verhaltens, unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Dass Menschlichkeit der oberste positive Leitbegriff des Dramas ist, wurde in den Interpretationen wiederholt betont. Daher hier nur eine Skizze in Thesen: Menschlichkeit steht gegen Religionsfanatismus. Sittah zu ihrem Bruder Saladin: “Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen. / Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen. Denn / Selbst das, was, noch von ihrem Stifter her, / Mit Menschlichkeit den Aberglauben wirzt, / Das lieben sie, nicht weil es menschlich ist” (2.1.867—872). Diese These formuliert auch Nathan gegenüber dem Tempelherrn: “Was heißt denn Volk? / Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, / Als Mensch? ” (2.5.1309—11). Die Tat der Rettung Rechas aus den Flammen ist die Tat eines Menschen, wie durch Sperrung des Wortes hervorgehoben wird: “NATHAN [zu Daja]: Laß mich! - Meiner Recha wär / Es Wunders nicht genug, daß sie ein M e n s c h / Gerettet” (1.2.227—29). Der Templer mit seiner christlich aggressiven Ideologie gegen Juden rettet ein Judenmädchen, weil sich in der Notsituation die Menschlichkeit durchsetzt. Die Folge seiner menschlichen Tat ist, dass er sich in das Judenmädchen verliebt und sein Weltbild ändert. Am Ende erfüllt sich in den Lebensgeschichten der Hauptfiguren Rechas Traum, ihre “Grille”, ihr “Wahn”, wie Daja sagt, zu Beginn des Dramas: “Laßt lächelnd wenigstens ihr einen Wahn, / In dem sich Jud’ und Christ und Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 141 Muselmann / Vereinigen; so einen süßen Wahn! ” (1.1.151—153). Das aber für sie nur auf der Ebene der Primärfamilie. Und das hat etwas von Rückwärtsgewandtheit. Denn eigentlich müsste die nächste, junge Generation Trägerin der Hoffnungen auf eine Welt sein, in der die Versöhnung der Religionen dauerhaft gelingt und sich festigt. Dieser jungen Generation wird, um es nochmals zu betonen, mit Nathans Entdeckung der Geschwisternschaft, die Normalität einer Liebesbeziehung, und Ehe mit Kindern, vorenthalten. Denn sowohl für Recha wie für den Templer hat das Scheitern psychische Folgen bei einer möglichen neuen Liebeswahl. Recha wird erst ihre Fixierung an Nathan auflösen müssen; dafür sich die Aussichten gering; sie wird unverheiratet bleiben. Die verwickelten Herkunftsgeschichten mit dem Wechsel der Religionen schon in der Primärsozialisation wertet das Glaubensbekenntnis als politisches Phänomen, das keine Gewähr für menschliches Handeln gibt. Der strikt und ausschließlich christlich sozialisierte Patriarch entpuppt sich als der größte Schurke. 28 Der Muselmann und mächtigste Herrscher in dem Stück, Sultan Saladin, Vertreter einer Sklavenhaltergesellschaft - seine Schwester Sitta kauft mal eben eine Sängerin (2.3.1142f.) - und brutal im Umgang mit christlichen Gefangenen, erweist sich in Bezug auf die Religionen als aufgeklärt und human. Er lässt Nathan gelten, ja bewundert ihn, bietet ihm seine Freundschaft an. Dass der christliche Patriarch keinen Schaden anrichten, Recha dem Juden Nathan nicht wegnehmen und diesen nicht verbrennen kann, ist allein ihm zu verdanken. Das alles ist zugestanden, bedeutet aber keinen Einwand dagegen, dass es Nathan, nach der Anlage der Handlung des Dramas, vorrangig um den egoistischen Besitz Rechas geht. Die Verknüpfung des Motivs der Relativierung der Religionen vor der Humanität handelnder Menschen mit dem Motiv des krassen Egoismus Nathans um den Besitz Rechas, die, psychisch gesehen, wie eine Sklavin im Hause Nathans lebt, ist die Aussage des Stückes: Humanität geht immer einher mit Inhumanität in denselben Personen. Dafür steht auch die Figur des Sultan Saladin. 2. Der zweite Einwand betrifft Nathans Rolle bei der Aufdeckung der wirklichen Verwandtschaftsverhältnisse. Er ist derjenige, der mit großer Energie die Aufdeckung der wahren Herkunft vor allem des Tempelherrn betreibt und damit die Heirat von Recha und dem Tempelherrn verhindert. Aber er manipuliert die Realität nicht, sondern deckt diese nur auf. Der Beweis ist das vom Klosterbruder übergebene Brevier des toten Assad, in das dieser handschriftlich die Herkunft seiner Angehörigen eingetragen hat. Da Saladin in den eingetragenen Bemerkungen die Schriftzüge seines toten Bruders erkennt, ist an der Echtheit der Eintragungen und damit der wirklichen Verwandtschaftsbeziehungen nicht zu zweifeln. Hinzu kommt noch die Ähnlichkeit des Tempelherrn mit Saladins Bruder Assad, die bekanntlich zur Begnadigung des gefangenen Tempelherrn führt. 142 Rüdiger Scholz Nathan ist aber der treibende Entdecker der Geschicke von Curd von Staufen alias Leu von Filnek und seiner Pflegetochter Recha alias Wanda von Filnek. Es ist allein sein Interesse, die verwickelten Verwandtschaftsverhältnisse zu entwirren. Normalerweise wird die Suche nach den leiblichen Eltern von den betroffenen Kindern ausgelöst, die sich meist in der Pubertät für ihre wahre Herkunft interessieren. Das ist hier nicht der Fall. Im Gegenteil: Recha bemüht sich keinen Deut darum, ihre wahre Herkunft zu erfahren, sie wird ihr von Daja aufgedrängt (4.8. und 6, 3572 ff.), und sie will nichts von ihrem leiblichen Vater wissen: “Noch weiß ich nicht, wer sonst mein Vater / Zu sein verlangt; - verlangen kann. Will’s auch / Nicht wissen” (5.7.3651—53). Und der aus seiner Identität als Tempelritter geworfene Curd von Stauffen fragt abwehrend: “Wer bin ich denn? ” (5.8.3764). Wenn er die Aufdeckung der leiblichen Herkunft für Recha als Unglück bezeichnet, so gilt das auch für ihn. 29 Dass Nathans Recherchen die Schädigung der jüngeren Generation zur Folge hat und dass Nathan der Verursacher ist, macht das Drama in der bereits zitierten Rede des Tempelherrn gegenüber Nathan klar, die mit dem Ausruf “Nathan! ” endet. 3. Ein dritter Punkt betrifft Lessings Absichten bei der Darstellung der Geschwisternschaft, des drohenden Geschwisterinztestes. Worauf kam es Lessing auf dieses Thema an? Inzestgeschichten gibt es in der gesamten internationalen Literatur, die Ödipusgeschichte ist der bekannteste griechische Mythos, Sophokles’ Drama ist Weltliteratur. Gregorius, der spätere Papst in Hartmann von Aues mittelalterlicher gleichnamiger Verserzählung stammt aus einem Geschwisterinzest. Im 18. Jahrhundert hat Johann Fürchtegott Gellert in seinem 1848 erschienenen Roman Das Leben der schwedischen Gräfin von G*** einen Geschwisterinzest dargestellt, der, obwohl die Liebenden daran schuldlos sind, für beide tödlich endet. Mit der in der Neuzeit zunehmenden Intimisierung der Beziehungen der Familienmitglieder gewinnt der Inzest eine neue Bedeutung. Wenn es das aus dem Puritanismus/ Pietismus stammende Gebot ist, dass alle Mitglieder der bürgerlichen Familie sich nicht nur respektieren, sondern lieben müssen, dann entsteht die Gefahr, dass die zärtliche Liebe in sinnliche Liebe entgleitet und damit die Inzestschranke nicht eingehalten wird, etwa wie in Thomas Manns Wälsungenblut . Hinzu kommt, dass die psychisch enge Bindung der Kinder an die Eltern diesen es schwer macht, sich psychisch aus der Primärfamilie zu lösen. Geschwisterliebe ist dann eine mögliche Form der psychischen Befreiung aus der Liebe zu den Eltern. In Verbindung mit der besonders im Protestantismus praktizierten Verdammung der sinnlichen Leidenschaft erscheint die zärtliche Geschwisterliebe als Ideal. Und in er Tat bannt Lessing in seinem Nathan -Drama die Sexualität durch die Umwandlung in die zärtliche Liebes zum Vater wie zum Bruder. 30 Zugleich zeigt Lessing in der positiven Beziehung Saladins zu seiner Schwester Sittah, dass der Geschwisterliebe ein hoher Stellenwert Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 143 zukommt. Die Geschwisterliebe in der Familie Saladin ist überstark ausgeprägt. Saladin liebte seinen Bruder Assad, dieser liebte ihre Schwester Lilla fast offen inzestuös, denn Saladin sagt von seinem und Sittahs Bruder Assad: “Lilla, / Die eines Morgens ihn so ganz und gar / Nicht aus den Armen lassen wollt. (…) Lilla starb / Vor Gram, und hat mir’s nie vergeben, daß / Ich so allein ihn reiten lassen” (4.3.2626—33). 31 Dieses Ideal der Geschwisterliebe und Eltern-Kind-Liebe hat seine Entsprechung in dem Freundschaftsbegriff, einem weiteren großen Begriff des 18. Jahrhunderts. Auch Lessings Drama verherrlicht diesen Begriff. Ganz zentral gilt er für Nathans Beziehung zu Saladin. Nach der Erzählung der Ringparabel bietet ihm Saladin die Freundschaft an: “Nathan, lieber Nathan! - (…) sei mein Freund! ” (3.7.2057—60). Nathan sucht nach seiner Rückkehr sofort die Freundschaft des Retters seiner Tochter Recha. Wie schon zitiert, sagt der Tempelherr im 5. Auftritt des 2. Aktes zu Nathan; “Wir müssen Freunde werden.” Worauf Nathan erwidert: “Sind / Es schon.-” (1319 f.). 32 Bei der Auflösung im letzten Auftritt kommt heraus, dass Wolf von Filnek, der leibliche Vater des Tempelherrn, Nathans Freund war: “Nathan. Euer Vater (…) / Er war mein Freund” (5.8.3784 f.). Adoptivvaterschaft und Freundschaft sind die seelischen Bindemittel, mit denen Nathan seine überragende Vaterrolle in der neuen Mischfamilie Saladin behält und alles in Harmonie enden kann. Zur Beurteilung der zu engen Bindung zwischen Nathan und Recha gehört das Machtgefälle in der Familie. Nathans Familie ist überaus patriarchalisch. 33 Das zeigt sich krass daran, dass der Tempelherr Nathan um die Hand der Tochter bittet, ohne sich Rechas Liebe zuvor versichert zu haben. Die Mutter fehlt als Figur, nicht nur für Recha und den Templer, sondern überhaupt. In diesem Drama sind die Mütter alle schon tot. Es gibt nur Rechas Ersatzmutter, Daja, die aber als Angestellte keine Macht im Hause Nathans hat. 34 Im Hinblick auf die dramatischen Konflikte in Miß Sara Sampson und Emilia Galotti ist charakteristisch, dass es im Nathan keine Auseinandersetzung mit dem Vater gibt, schon gar nicht einen offenen Kampf zwischen Nathan und Recha. Sobald Nathan weiß, dass Rechas Interesse an ihrem Retter - noch - nicht sexuell leidenschaftlich ist, bricht die Kommunikation zwischen beiden ab. Nathan agiert nur hinter ihrem Rücken. Es geht ihm allein um Rechas Festhalten in seinem Haus. Die Wünsche der Tochter werden auch gedanklich nicht berücksichtigt. Zwar sagt Nathan, er werde gehorchen, wenn die Vorsehung ihm Recha nehmen werde: “Ob der Gedanke mich tötet, daß / Ich meine sieben Söhn’ in ihr aufs Neue / Verlieren soll: - wenn sie von meinen Händen / Die Vorsicht wieder fodert” und zu Daja sagt er: “Mir wär der Tempelherr schon recht. Ihm gönnt / Ich Recha als einem in der Welt. / Allein … Nun habe nur Geduld” (4.6.2897—99). Aber dieses Zugeständnis geschieht auf dem Hintergrund, dass er bereits weiß, dass Recha sich als die Schwester des Tempelherrn erweisen wird. Im folgenden Auftritt 144 Rüdiger Scholz wird im Dialog mit dem Klosterbruder deutlich, wie schwer es Nathan fällt, auf Recha zu verzichten: NATHAN: Und ob mich siebenfache Liebe schon / Bald an dieses einz’ge fremde Mädchen band; / Ob der Gedanke mich schon tötet, dass / Ich meine sieben Söhn’ in ihr aufs Neue / Verlieren soll: wenn sie von meinen Händen/ Die Vorsicht wieder fodert, - ich gehorche! (…) Nur muß der erste Beste sie mir nicht / Entreißen wollen! ” (4.7.3072—82). Dann kommt die berühmte Stelle, wo Nathan den Vorrang der Blutsfamilie formuliert und Recha demjenigen übergeben will, der durch “Natur und Blut” ältere Rechte hat, d. h. “Bruder”, “Ohm” oder “Vetter” (bis 3088). Aber am Schluss übergibt er Recha ihrem Bruder nicht, sondern integriert den neuen Bruder in seine eigene Familie: “O meine Kinder! meine Kinder! - / Denn meiner Tochter Bruder wär mein Kind / Nicht auch, - sobald er will? ” (5.8.3812—14). 35 Es gibt auch kaum unausgesprochene Divergenzen zwischen Nathan und Recha. Allein beim Thema Adoptivfamilie gegen Blutsfamilie hat Recha eine andere Meinung als Nathan, denn sie tritt für die soziale Rolle der Familienzugehörigkeit ein mit dem Ausruf: “Aber macht denn nur das Blut / Den Vater? nur das Blut? ” (5.7.3653f.). Saladin pflichtet ihr bei: “Jawohl: das Blut, das Blut allein / Macht lange noch den Vater nicht! ” (3662 f.). 36 Aber dieser Divergenz der Ansichten, die im Grunde auch gar nicht besteht, da auch Nathan natürlich am liebsten die soziale Vater- und Tochterschaft befürwortet, wird nicht im Dialog mit Nathan ausgetragen. Die Vaterdominanz ist Signum nicht nur von Lessings Dramen, sondern Hauptthema der Literatur im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Bei Lessing gibt es nur im Henzi -Fragment einen sichtbaren Aufstand gegen die Väter, der eventuell erfolgreich gewesen wäre. Das Muster ist aber eher die Überdominanz der vier Väter im Drama Philotas, die den Helden in den Tod treibt. Diese Dominanz des Vaters ist besonders prekär bei den Töchtern, die auch psychisch nicht selbständig werden können. Aus der für die Väter selbstverständlichen patriarchalen Dominanz resultiert die Selbstverständlichkeit der Väter, ihre Töchter gegen alle Vernunft für sich behalten zu wollen, woraus sich der Widerspruch zwischen großer zärtlicher Fürsorge und egoistischer Beschränkung ihres Lebensraumes ergibt. Die Dialektik der Humanität ist das Charakteristikum des Dramas. Das ist von großer Bedeutung, weil Nathan der Weise als Höhepunkt der Aufklärung gilt, in dem sich die zentralen Themen und Begriffe konzentrieren: Der Kampf gegen den religiösen Fanatismus, für religiöse Toleranz, die Menschlichkeit als oberste Kategorie individuellen wie gesellschaftlichen Verhaltens, die Vernunft als Regulatorin der Triebe und Aggressionen, das Ideal des aufgeklärten Herr- Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 145 schers, die Freigebigkeit des reichen Kaufmanns, das liebevolle Klima in der Primärfamilie, die freie Liebeswahl über soziale Schranken hinweg, die Vorrangigkeit der sozialen Eltern vor den biologischen - Lessings Gesamtwerk widmet sich den Konflikten, die sich aus diesen Zielsetzungen ergeben und die im 18. Jahrhundert infolge der fortschreitenden Liebesintimität in der bürgerlichen Familie brisant sind. Die Bedeutung des Dramas erhöht sich noch dadurch, dass mit Lessings Nathan die deutsche Klassik beginnt. 37 Das geht schon aus der Form hervor. Nach der Reihe der Prosadramen kehrt Lessing zum Vers und zur fünfaktigen klassischen Tragödienform zurück. Noch einmal ist daran zu erinnern, dass Lessings fünfhebiger Jambenvers ohne Endreim, also im Blankvers, aus der englischen Literatur stammend, maßgeblich für Schillers und Goethes Dramen der Klassikphase wurden. Auch andere Merkmale zeugen von der Rückkehr zur klassischen Tragödienform. Lessing, der Begründer des deutschen bürgerlichen Trauerspiels, hat schon in seinen Hauptdramen wenig zur Aufhebung der Ständeklausel getan. Er lässt auch sein Nathan -Drama in den obersten Ständen spielen. Auch inhaltlich setzt Lessing mit seinem Thema Menschlichkeit den zentralen Begriff der Klassik: die Humanität. Das Nathan -Drama ist das Bindeglied zwischen der Aufklärung und der deutschen Klassik, erzeugt eine Kontinuität von Lessing zu Goethe und Schiller, rückwärts zum elisabethanischen Theater. Lessing hat schon vor der Veröffentlichung auf die kategoriale Besonderheit seines Dramas hingewiesen. Er wollte sein “Dramatisches Gedicht” als Satire und zugleich als Rührstück verstanden wissen. So schreibt er am 22. Oktober 1778 an den Bruder Karl: “Es wird nichts weniger, als ein satirisches Stück, um den Kampfplatz mit Hohngelächter zu verlassen. Es wird ein so rührendes Stück, als ich immer gemacht habe (…) (zit. nach Düffel 118). Nichts da von einer Tragödie oder Komödie im klassischen Sinn, trotz der fünf Aufzüge. “Hohngelächter” und “Kampfplatz” beziehen sich auf den Streit mit Götze, “Rührstück” auf die Familienharmonie. Auch hier die Dialektik: In der ehrwürdigen Tragödienform wird ein Zwitter von Satire und Rührstück präsentiert, ein edel triefendes Märchen, aber in den Konflikten mit der Anlage zu einer Tragödie, die aber zu einer Trivialkomödie verniedlicht wird. Das Hohngelächter zu der edlen Nathanfigur zeigt die Spannweite von Lessings Weltinterpretation. Lessings letztes Drama ist den Werken Goethes und Schillers in deren Klassikphase überlegen in der Widersprüchlichkeit humanen Handelns (zu Schiller siehe Scholz). Keiner hat so scharf die Dialektik der Humanität akzentuiert wie Lessing in der Titelfigur, der humansten aller Figuren in seinem Gesamtwerk, und in Saladin, dem zugleich brutalen und humanen Herrscher. Damit teilt Lessing die Illusion der Klassiker auf die allmähliche Durchsetzung der Humanität im staatlichen wie im privaten Bereich nicht. Goethes Iphigenie , Schillers 146 Rüdiger Scholz Ballade Die Bürgschaft , Beethovens Oper Fidelio oder ein Entwicklungsroman wie Goethes Wilhelm Meister sind weit naiver, undialektischer. Die Widersprüchlichkeit zwischen ideeller Humanität und praktischen Handeln findet sich auch bei Goethe und Schiller, weniger in ihrem Werken der Klassikphase als im realen Leben im Verhältnis zu ihren veröffentlichten Werken. Im selben Jahr 1783, in dem Lessings Drama Nathan der Weise erstaufgeführt wurde, setzte Goethe durch, dass die ledige Dienstmagd Johanna Höhn, die ihr ohne allen Beistand geborenes Kind unmittelbar nach der Geburt in einem Anfall von Panik getötet hatte, hingerichtet wurde, trotz des Votums des Herzogs Carl August für Begnadigung (Scholz, Das kurze Leben und Goethes Schuld). Und Goethe rechtfertigte sein Handeln in seinem berühmten Gedicht Edel sei er Mensch, / Hilfreich und gut (Scholz, “Edel sei der Mensch”), das manchen Interpreten als das “sittlichste Gedicht” Goethes gilt. 38 Schiller beendete in Weimar seine revolutionäre Phase und wurde ein braver Untertan. Es bleibt zu fragen, ob das Nathan -Drama einen biographischen Bezug hat, und wenn ja, welchen. Anne Kowalik hat Lessings letztes Werk als Trauerarbeit begriffen und die Parallelen zwischen Nathans Lage nach dem Tod seiner Söhne und Lessings Verlust seines Sohnes aufgezeigt. Wie Nathan Recha aufnahm, so adoptierte Lessing die vier Kinder Eva Königs aus erster Ehe. Die älteste Tochter Malchen kümmerte sich um den kranken Lessing (Koebner 167). Der biographisch aktuelle Bezug ist aber untergeordnet, denn Lessing hat nach eigener Aussage im Jahr 1778 das “Schauspiel” “vor vielen Jahren (…) entworfen” 39 und das “Stück (…) vor drei Jahren (…) vollends aufs Reine bringen und drucken lassen wollen.” 40 Auch Karl S. Guthkes These: “Die Geburt des Nathan aus dem Geist der Reimarus-Fragmente” ist nur thematisch richtig, nicht historisch. Denn Lessing sagt 1778 zu seinem Bruder Karl: “Ich habe vor vielen Jahren einmal ein Schauspiel entworfen, dessen Inhalt eine Art von Analogie zu meinen gegenwärtigen Streitigkeiten hat, die ich mir damals wohl nicht träumen ließ.” 41 Dass bedeutet, das offenbar ältere Probleme mit im Spiel und vorrangig sind. Neben dem Aspekt, dass Lessing richtig einschätzte, dass eine Schriftstellerkarriere mit einer bürgerlichen Familie wohl kaum möglich gewesen wäre, zeigen die Konfliktlagen der Dramen und frühen Gedichte, dass es für Lessing offenbar ein inneres Verbot gab zu heiraten oder auch nur eine Liebesbeziehung einzugehen. Es ist ja auffällig, dass es schon in der Jugendzeit während der Kontakte zum Theater keine Liebeleien gibt. Das Fehlen hat dazu geführt, dass Biographen wie Erich Schmidt dem jungen Lessing Liebschaften angedichtet haben, weil dieser nicht glauben wollte, dass es bei Lessing keine Liebelei gegeben habe. Lessing hat dieses Problem von Anfang an in seiner Literatur thematisiert. Warum veröffentlichte Lessing, nach dem Desaster seiner späten Verheiratung, Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 147 diese Vater-Tochter-Geschichte? Damit stellt sich zugleich die Frage nach dem biographischen Bezug seiner Vater-Tochter-Geschichten in den anderen Dramen. Man müsste in eine Erörterung des Gesamtwerks eintreten und deren biographischen Bezug erörtern, was bisher vernachlässigt wurde. Dann würde sich erweisen, dass Ehe und Ehelosigkeit zu den dringlichsten Themen gehört, Lessings privates Problem über viele Jahre blieb. 42 An dieser Stelle nur ein paar Stichworte dazu: Lessings privates Leben wird erheblich geprägt durch sein ständiges Bestreben, einer Verheiratung zu entgehen. Der Druck auf den Pfarrersohn, zu heiraten und Kinder zu haben, war von Seiten der Eltern und deren Umgebung sicher groß. Das Problem findet sich schon in den sogenannten Jugenddramen, die alle zum Thema haben, dass eine Verheiratung die Hauptfiguren ins Unglück stürzt oder eine Liebesheirat von außen verhindert wird. Die Dramen der Hauptzeit thematisieren Katastrophen, weil die Eltern ihre Kinder emotional nicht freigeben. Auffällig ist, dass Lessing erst nach dem Tod des Vaters heiratete. Das heißt: die Vater-Tochter-Geschichten seiner Dramen gehören zum Komplex inneres Heiratsverbot, das Lessing erst spät durchbrach. Auch gegenüber den Versuchen, Lessing als Homosexuellen zu bezeichnen, ist festzuhalten: Mit 47 Jahren ist Lessing die späte Ehe mit Eva König nicht nur formal eingegangen, sondern hat sie auch vollzogen. Er war in diesem Alter, aber eben außerhalb der Lebenszeit seines Vaters, heterosexuell, potent und zeugungsfähig. Der furchtbare Schlag, der ihn beim raschen Tode seines Sohnes und bei dem nachfolgenden Tod seiner Frau traf, muß Lessing wie die Bestätigung seiner Katastrophenphantasien vorgekommen sein, die er in seinen Werken auszumalen nicht müde geworden war. Die Rache des Vaters hatte ihn postum noch eingeholt. Von daher gewinnt die Nathan-story mit dem scheinbar übergütigen Vater und der Abwiegelung der Liebesheirat durch die Entdeckung der Geschwisternschaft große biographische Bedeutung. Aus dem furchtbaren Scheitern seiner Ehe, der Niederlage im lebenslangen Kampf um Liebe und Ehe wird Lessings von vielen beschriebene Depression erklärlich und wohl auch Lessings Weigerung, sich behandeln zu lassen, was Interpreten zu Recht zu der Wertung führte, Lessing habe Selbstmord auf Raten begangen. Es ist fraglich, ob Lessing wusste, dass es sein letztes Drama sein würde. Jedenfalls hat er seinen möglichen baldigen Tod im Zusammenhang mit der Finanzierung seines Nathan -Dramas reflektiert. In auffälliger Doppelung schreibt er an seinen Bruder Karl am 7. November 1778: “Denn wenn ich nun plötzlich stürbe? So bliebe ich vielleicht tausend Leuten einem jeden einen Gulden schuldig.” Und wenige Zeilen danach: ..“und wenn ich plötzlich stürbe, würde doch wohl auch noch so viel übrig sein, daß dieser Wechsel bezahlt werden könnte” (Düffel 120). Nach Erscheinen des Dramas schreibt Lessing am 19. Mai 1779 an 148 Rüdiger Scholz Friedrich Heinrich Jacobi: “‘Nathan’ ist ein Sohn seines [des Verfassers Lessing] eintretenden Alters” (Düffel 128). Der Zusammenhang des Themas Liebeswahl und ihre Katastrophen mit den früheren Werken ist vorrangig. Auch das Nathan -Drama thematisiert Untergangsphantasien bei Liebeswahl und Heirat: Dass noch in diesem ganz auf Harmonie und Toleranz abgestellten Drama das Problem Liebe und Ehe nur so gelöst werden kann, dass die Liebenden sich als Geschwister erweisen und die leidenschaftlich sexuelle Liebe infolgedessen sich in die allein zärtlich geschwisterliche verwandeln muss, zeigt, dass Lessing sich auch als 52jähriger keine Harmonie und kein Glück in einer genital sexuell ausgelebten Liebesheirat vorstellen, und dass er abermals einen übermächtigen Vater nicht sterben lassen kann. Biographisch heißt das: Der Nathan beweist, dass Lessing im Kampf gegen das Verbot genitaler Liebe letztlich unterlag: Aus der narzisstischen, d. h. den Persönlichkeitskern betreffenden Konfliktsituation betrachtet ist es das für Lessing brutalste Drama: Recha und dem Templer wird bis auf das Geschlecht alles an eigener Identität genommen, und sie dürfen nicht einmal im Tod ihre eigenen Identität retten, sondern müssen als psychisch Aufgesogene weiterleben. Was an Ödipalkampf abgebaut erscheint, kehrt mit brutaler Wucht auf der narzisstischen Ebene zurück. Wie weit Nathan als Vaterautorität für Lessing noch mit dem eigenen Vater verbunden war, dessen liebevolle und brutale Figuration ist, dürfte schwer zu sagen sein. Jedenfalls hat sich Lessing mit Nathans Religionsansicht identifiziert. Im ersten Entwurf zur Vorrede heißt es: “Nathans Gesinnung gegen alle positive Religion ist von jeher die meinige gewesen” (Düffel 130). Das besagt: Nathan ist nicht mein Vater, denn der war orthodoxer Protestant. Lessings Werk ist wie kein anderes ein Werk über die Stärke der Väter und die Schwäche der Söhne und der Töchter. Nimmt man Lessings spätes Drama als signifikant für die deutsche Klassik, dann zeigt sich, wie bedroht die Position der Klassik mit ihrem Humanitätsideal in der Praxis war. Dass die Humanität mehr Phantasie als gelebte Wirklichkeit war, hat sich dann gegenüber dem Nationalsozialismus gezeigt. Lion Feuchtwanger hat in seinem Roman Die Geschwister Oppermann von 1933 das deutsche Bildungsbürgertum gezeigt, dessen Identität die Ideale der deutschen Klassik waren. Sie reichten zu keinem Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Im Gegenteil: sie waren mit der vielfachen Unterstützung Hitlers vereinbar. Lessings letztes Drama gibt einen Hinweis auf eine Antwort: Die Humanität geht immer einher mit brutalem Verhalten, das der Menschlichkeit unlösbar dialektisch zugeordnet ist. Die Dialektik der Nathanfigur ist aber Jahrhunderte lang übersehen worden. Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 149 Nach der Analyse wird auch sichtbar, worin Lessings Bezeichnung als Satire und Rührstück besteht. Das Schlusstableau mit seiner Sentimentalität entspricht dem Rührstück, das seit Diderot zu einem meist verfassten und gespielten Dramentypus wurde. Lessing lässt das Stück nur scheinbar in der Liebesharmonie enden, Die Tragödie von Recha und dem Templer macht diese Rührstückkomödie zur Satire. 43 Notes 1 “I use ‘humane’ and ‘enlightened’ here in the sense of the enlightened ruler or patriarch, who, like the protagonist of Lessing's Nathan der Weise , strives for the moral best for his subjects or family members and friends” (Cantarino 61). 2 George L. Mosse, German Jews beyond Judaism, zitiert nach Hess 184. Die Interpretationsliteratur zum Nathan ist uferlos und nicht mehr ganz zu übersehen. Es werden hier nur diejenigen Forschungen berücksichtigt, die das psychische Beziehungsdreieck Nathan-Recha-Tempelherr thematisiert haben. Darüber hinaus werden Thesen und Resultate von Forschungen zur Familienstruktur im Nathan genannt. 3 Die gesellschaftshistorische Bedeutung des Juden als Titelfigur und der Begriff der religiösen Toleranz bleiben hier weitgehend unberücksichtigt. Zwei neuere Aufsätze haben die beiden Themen diskutiert und referieren auch die Literatur dazu: Hess und Sutcliffe. Zur “Mischehe” Garloff; zum Thema Adoptiv- gegen Blutsfamilie, Schneider, Der Zufall der Geburt . Zum Geschwisterinzest im 18. Jahrhundert und besonders im Nathan Taylor, der die vorliegende Literatur referiert. Ferner: Engelstein; Jarzebowski; Nonnemacher; Daemmrich. Zur Vaterordnung in der Klassik bei Goethe und Schiller: Hohendahl. Die Diskussion über Adoptions- versus Blutsfamilie und über den Geschwisterinzest hat sich verselbständigt. Es geht fast verloren, dass Lessing mit den verwickelten Lebensläufen den Mangel an prägendem Einfluß auf die Moral eines Menschen durch eine Religion zeigen wollte und dass die Abwendung des Geschwisterinzests Nathan ermöglicht, Recha für sich zu behalten. Unberücksichtigt bleibt auch die Absolutismuskritik in dem Herrschaftssystem Saladins, die Gerhard Bauer in einer ausgezeichneten Studie dargestellt hat. 4 Willi Goetschel, “Spinoza” (16. Kapitel) und “Negotiating Truth” (230—50); Hernadi und Schönert. Resultate: Anders als in William Sampson und Odoardo Galotti wird in Nathan ein in seinem sozialen Stand genuiner Bürger dargestellt. Der Großkaufmann ist im 18. Jahrhundert eine auch in der Ökonomieliteratur sehr positive Figur, das Ideal des wirtschaftlich erfolgreichen Bürgers. 150 Rüdiger Scholz 5 Das hat Thomas Koebner erkannt: “Man vergleiche nur die Konstellation im Nathan mit der in Miß Sara Sampson oder in Emilia Galotti ” (166). 6 Dadurch relativiert sich die oft behauptete These, Lessing habe in Nathan dem Freund Moses Mendelssohn ein Denkmal gesetzt. Ein Beleg: Hess 190. 7 Günter Saße beklagt zu Recht, daß in der Forschung “die Familienthematik selbst nicht intensiv genug analysiert wird”. Er stellt Fragen zu Nathans Verhalten und der Umständlichkeit der Handlung, nennt aber nicht Nathans Bindung an Recha als Grund, sondern die Bedrohung mit der Todesstrafe, weil er als Jude eine Christin großgezogen hat (217, 242). Davor hat zuerst Friedrich A. Kittler die Familienstruktur thematisiert. Susan E. Gustafson sieht richtig, dass auch im Nathan “the father-daughter dyad” wie in Miß Sara Sampson und Emilia Galotti vorliege (14). Die Analyse dieser Beziehung beschränkt sich auf die These des Ausschlusses der Mutter aus dem Drama. 8 Lessings Szene mit der - verworfenen - Doppelhochzeit und seine brieflichen Äußerungen verhindern eher den Blick auf das psychische Beziehungsmuster. 9 Friedrich Theodor Vischer, Ästhetik oder Wissenschaft vom Schönen , Stuttgart 1857, S. 1429 (zit. nach: Düffel 157 f.). 10 Zusammenfassung der Diskussion in Monika Fick, 457. 11 Frank Schlossbauer formuliert 1998 richtig, dass Nathans Recherchen “dem Schema einer typisch komödischen Liebeshandlung” entspricht: “Der Vater sucht die Verbindung seiner Tochter mit einem ihm nicht genehmen Partner zu hintertreiben.” Das Motiv dafür bei Nathan erörtert Schlossbauer aber nicht ( Literatur 194 f.). 12 Gustfason sieht richtig, dass “the potential son-in-law and the father admire one another in a mutually narcissistic manner” (217). 13 Ruth Klüger meint dagegen, der Tempelherr treibe die Handlung voran ( Kreuzzug 213). 14 Dass Rettungen im Nathan eine große Rolle spielen, ist vor allem für den Kampf Nathans gegen den Templer wichtig: Nathan hat Recha als Baby gerettet, der Templer sie als 18jährige junge Frau. Rettungen sind in einer Welt voll Gewalt und Tod für den positiven Ausgang wichtig. Saladin rettet seinen Neffen vor dem Tod, er rettet Recha vor dem Zugriff des Patriarchen. Rettungen begründen Ansprüche auf die gerettete Person. Dazu Saße 216 ff.. 15 Friedrich A.Kittler hat die Bildung Rechas durch Nathans mündliches Unterrichten als ein Erziehungsideal des 18. Jahrhunderts gewertet (123). Mir scheint die Kritik des Dramas an dieser Art von Erziehung vorherrschend zu sein. Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 151 16 Klüger hat nicht ganz Recht, wenn sie von allen drei Frauenfiguren im Drama sagt, “keine der drei Rollen” sei “erotisch besetzt”, Recha sei “sowieso nicht in der Tempelherrn verliebt” gewesen ( Sittah, Recha, Daja 243 f.). 17 Die Entsexualisierung von Recha und des Tempelherrn als Überwindung des geschwisterlich inzestuösen Verlangens zu deuten, wie Schneider es getan hat, scheint mir verfehlt, schon deswegen, weil sie gar nicht wissen, dass sie Geschwister sind. Etwas hochtrabend formuliert Schneider: “Als inneres, geistiges Bild wird schließlich auch die Frau angeeignet und damit die Gefahr des erotischen Körpers gebannt” ( Zufall 119). Ich bezweifle, dass es Lessing darum ging, die Sinnlichkeit aus der Liebe zu verbannen. Die Entsexualisierung Rechas ist durch die psychische Bindung an den Vater bedingt, der Tempelherr muss sich mit dem Verlust Rechas als Liebesobjekt abfinden, was er zuletzt vermag, weil Recha ihn doch nicht liebt. Dass er sein erotisches Begehren “überwindet”, ist zu pathetisch und falsch ( Geburt 30 f., 38). 18 Die in Anm. 4 aufgelistete Literatur zum Inzest beschränkt sich allein auf den abgewendeten Geschwisterinzest. Auch Kittler und Saße sehen die inzestuöse Bindung Rechas an Nathan nicht. 19 So richtig Schneider ( Geburt 30; Der Zufall der Geburt 114 ff.). 20 So Taylor: “the fires within Nathan's house form a metaphoric knot at the centre of the play” (337). 21 Schlossbauer sieht im Datteln-essen des Tempelherrn den symbolischen Vollzug der “Versöhnung der Religionsgemeinschaften und Kulturkreise” (193). 22 Ob Goethe sich mit Ottilies Aphorismus: “Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen” aus Goethes Roman Wahlverwandtschaften von 1800, (II. Teil 7. Kapitel) auf Lessings Nathan bezieht, mag dahingestellt sein. Auf die Bedeutung bei Goethe kann hier nicht eingegangen werden. 23 Ausführlich und klar ist Angress [Klüger] auf die Geschichte des Tempelherrn eingegangen. Es sei wesentlich, dass sich der Tempelherr in derselben Gefahr wie sein Vater befindet; “that is, he is falling in love with a girl of a different faith” ( Dreams 111). 24 So richtig Koebner: “die Tochter bleibt dem Vater vorläufig erhalten” (173). 25 Kittler hat das als Adoption bezeichnet, die nicht nur für den Nathan gilt: “Die Adoption des Schwiegersohns durchzieht die Dramen Lessings” (129). Kittler verweist auf Angress [Klüger], welche die These aufgestellt hat, dass bei Lessing die Väter - einschließlich Nathan - die Schwiegersöhne in spe an sich als Söhne binden ( Generations 19 f.). Kittler arbeitet heraus, dass die männerdominierte Familie sich auch in der Ringparabel findet (136 f.). 26 Zur Komödie tragen auch die Parallelen zwischen dem Tempelherrn und Tellheim bei, wie Robert Heitner und Wolf Hartmut Friedrich gezeigt haben. Dazu Angress, Dreams 126. 152 Rüdiger Scholz 27 Siehe die ausführliche Arbeit zur literarischen Form des Nathan von Schlossbauer (161—261), einer Art Phänomenologie des Nathan -Dramas. Der Verfasser wertet das Drama abschließend mit der Formel: “Komödie als Utopie” (257). 28 Saße ist der Ansicht, dass der Patriarch weniger der Schurke sei als der “Repräsentant der bestehenden Rechtsordnung” (226). 29 Klüger ist auf die Identitätskrise des Tempelherrn eingegangen ( Kreuzzug 221 ff.); ebenso Karl Eibl, 185 ff.. 30 Viele lesen das Drama als Verdammung der sinnlichen Liebe. Ein Beispiel: “daß die von der Sexualität ausgehende Bedrohung durch deren vollständige Domestizierung erfolgreich abgewehrt wird” (Schlossbauer 207). 31 Klüger hat darauf hingewiesen, dass es drei Geschwisterbeziehungen im Nathan-Drama gibt, (Kreuzzug 215). Etwas merkwürdig ist und mutet wie ein kompositorischer Fehler an, dass Saladin seiner Schwester von Assad und Lilla erzählt, als gehörte Sittah nicht zur Familie, und die Geschichte von Assad und Lilla, die ja auch ihre Geschwister waren, wäre ihr neu. Der Geschwisterinzest ist in Lessings Drama eher funktional für die Verhinderung der Heirat Rechas, nicht aber als dramatisch archaisches Motiv wie in Schillers Die Braut von Messina . Als Modell einer besseren Lebensform gegenüber Liebespaaren wird das Motiv bei Lessing wie in der Diskussion des 18. Jahrhunderts bedeutsam. Dazu Engelstein, die das “paradox of fraternity” als Ideal herausstellt, aber auf den Nathan nicht eingeht (212). 32 In der Familiengeschichte ist die Ringparabel das Verbindungsglied zur Saladinfamilie. Die sinnreichen Bemerkungen zur Familiensituation sind Legion. Am ehesten lassen sie sich in Schneiders Satz zusammenfassen: “Macht, Geist und Geld haben zueinander gefunden” ( Aufklärung 46). 33 Zur Dominanz der Vaterfigur bei Lessing Kittler: “der Vater übernimmt alle Funktionen kultureller Reproduktion.” (119). So schon Gerhard Kaiser (144) und Wilms. 34 In der sehr ausführlichen Darstellung von Gustafson sieht die Verf. in der Einleitung in Lessings Tragödien “the dramatic struggle between fathers and mothers for control over the development of their progeny” (14). Diese These wird aber in den Einzelinterpretationen nicht eingelöst, bei Nathan ganz im Gegenteil: “Once the mother is ostensibly out of the way, Nathan can turn his sole attention to the transformation of the narcissistic paternal subject. To this extent Nathan der Weise is Lessing's thoroughly narcissistic work” (239). Die These, dass “Recha, like the daughters of the domestic tragedies, stands on the precipe of maternal desire” scheint mir nicht belegt zu sein. Kein Brautkleid für Recha. Altruismus und Egoismus in Lessings Nathan der Weise 153 35 Klüger hat Unrecht, wenn sie behauptet, Nathan beraube sich seiner Familie ( Kreuzzug 238). 36 Die Bewertung des Schlusstableaus ist strittig. Saße (248 und 26) sieht richtig, dass Nathan auch nach der Aufdeckung der Blutsverwandtschaften der überlegene Adoptivvater bleibt. So auch Schönert, S. 109. Dagegen meint Schneider, Nathan sei am Schluss aus der neuen Familie ausgeschlossen, da mit dieser nicht verwandt: “das Abseitsstehen Nathans bei der Schlußumarmung.” Das wertet Schneider als “reale Diskriminierung” des Juden ( Zufall 104). Dass Nathan am Ende der Ausgeschlossene ist, haben schon frühere Interpreten, etwa Kettner oder Rohrmoser geurteilt (Schweitzer 283). Es ist angesichts von Nathans nicht ganz richtig, wenn Hess urteilt, in den Juden und im Nathan habe Lessing “noble, but isolated individuals” dargestellt (185). Schneider hat die Bedeutung des Gegensatzes von Adoptions- und Blutsfamilie in der Aufklärung breit erörtert. Sein Fazit: “Zwar stellte Nathan der Weise weltanschaulich die Adoption über die Geburt, Kultur und Natur, doch gab seine Handlung der Blutsverwandtschaft das letzte Wort.” Hier folgt er Klüger ( Kreuzzug 215, 227, 229 f.). Im Nathan “fungierte die Rettung als moralisches Lebensgeschenk, das die Brücke schlug zwischen Geburt und Adoption.” Schneiders Urteil vermittelt: Weil empathisches Handeln zwischen den Figuren sich entwickelt hat, “kann die Blutsfamilie zum dramatischen Symbol einer moralischen Geschwisterlichkeit der Menschheit über alle Trennung von Rasse, Nation und des Glaubens hinweg werden” ( Geburt 26, 28, 30). Das scheint mir konstruiert, denn die Blutsverwandtschaft dient Lessing im Nathan dazu, die Berechtigung der Relativierung der Religion als prägendes Merkmal zu demonstrieren und ein positives Bild verwandtschaftlicher Beziehungen zu malen, also dieselbe Funktion wie den Adoptivbeziehungen zu geben. Schneider sieht im Motiv der Adoptionsfamilie auch den Zusammenhang mit der Ringparabel: “Mit dem Motiv des Adoptivvaters [des Richters] ist der Nerv der dramatischen Fabel von ‘Nathan der Weise’ berührt” ( Aufklärung 52). Schönert argumentiert, dass im Nathan die Familie von “sympathetischen Regungen und dem Zufall gestiftet” wird (108). 37 Dieses Urteil besteht schon lange. Ein Beleg: “Deshalb ist Nathan der Weise der Höhepunkt der Aufklärungsdichtung und das erste ‘klassische’ deutsche Drama, auch das Drama der Aufklärung schlechthin” (Schneider, Zufall 102). 38 Max Kommerell, Gedanken über Gedichte (447), zitiert nach Conrady 52. 39 Brief an den Bruder Karl am 11. 8. 1778 (Düffel 115). 40 Brief an den Bruder Karl vom 7. November 1778 (Düffel 118). 41 Brief an den Bruder Karl vom 11. August 1778 (Düffel 115). 154 Rüdiger Scholz 42 Ich werde in absehbarer Zeit die biographischen Bezüge von Lessings fiktionalen Werken in einem Buch vorlegen mit dem Titel: Die geheime Biographie des Gotthold Ephraim Lessing . 43 Saße hat auf die Tradition des Rührstücks verwiesen und “die fatale Nähe zum Rührstück” von Lessings letztem Drama kritisiert (242). Works Cited Angress, R.[uth] K. 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