eJournals Colloquia Germanica 50/3-4

Colloquia Germanica
cg
0010-1338
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/0901
2017
503-4

Einleitung: Zur Wiederkehr des Autoritären

0901
2017
Manuel Clemens
Thorben Päthe
cg503-40261
Einleitung: Zur Wiederkehr des Autoritären Manuel Clemens und Thorben Päthe The Australian National University, Canberra / Universität Zürich Der autoritäre Charakter ist wieder aktuell� Vor Pegida, AfD und Trump - also vor 2014 - stand diese subalterne Persönlichkeitsstruktur aus dem Theoriefeld der Frankfurter Schule für eine Figur aus einer vergangenen Zeit� Die Sehnsucht nach starken Anführern oder die Lust an Unterordnung dominierte nicht mehr die großen Bühnen der westlichen Politik oder die privaten Lebenswelten� Las man Heinrich Manns Klassiker Der Untertan , dann war der Roman zwar immer noch gut, aber auch reine Satire, da eine von Gehorsam geprägte Kindheit genauso zeitfremd war wie ein streng untergeordnetes Erwachsenenleben, das größtenteils aus Phrasen und Gebärden besteht� Mit einem ebenso fremden Erstaunen las man vor 2014 vielleicht auch Sigmund Freuds Analyse von der Ich-Auflösung der Zuhörer in einer durch einen charismatischen Redner berauschten Masse (Freud 1989)� Interessant, aber ebenfalls aus einer anderen Zeit, war auch Erich Fromms prägnante Analyse der autoritären Persönlichkeitsstruktur aus den 1930er Jahren (1936, 77-135) und die unmittelbar in der Nachkriegszeit daran anschließenden empirischen und theoretischen Untersuchungen von Horkheimer und Adorno zum autoritären Charakter (Horkheimer/ Adorno 2003, Adorno 2003), weil dieser Typus seit der antiautoritären 68er-Bewegung von der Bildfläche verschwunden zu sein schien (Verhaeghe 2015). Folglich gab es seit den 1970er Jahren auch keine zentrale Untersuchung mehr, die sich mit ihm beschäftigt und den Ansatz der Frankfurter Schule weiterentwickelt hat� Klaus Theweleit veröffentlichte Ende der 1970er Jahre mit Männerphantasien zwar noch einmal eine sehr ausführliche Studie dazu, jedoch setzt er sich nicht mehr mit der Gegenwart auseinander, sondern mit den 1920er Jahren (Theweleit 1977/ 78)� Und plötzlich taucht der Begriff dann in den letzten Jahren wieder auf. Zuerst nur vereinzelt und stichwortartig in Leitartikeln oder Interviews, deren detaillierte Nachverfolgung und Aufzeichnung den Rahmen dieser Einleitung sprengen würde. Später findet er sich auch in fundierteren Analysen, die seine - vermeintliche - gegenwärtige Präsenz in den Blick nehmen� Seine Wiederverwendung bedeutet allerdings noch nicht, dass der autoritäre Charakter tat- 262 Manuel Clemens und Thorben Päthe sächlich zurückkommt und schon gar nicht, dass er wieder so zurückkommt wie ihn Heinrich Mann, Freud, Fromm oder Adorno beschrieben haben� Vielmehr ist es eher der Eindruck, dass dieses Konzept wieder etwas mit der Gegenwart zu tun haben könnte� Die Sorge ist, dass sich in der politischen Tektonik etwas grundlegend verändert hat, das die Zukunft prägen wird und an die Vergangenheit erinnert. Deshalb, so scheint es, der Rückgriff auf den autoritären Charakter; verbunden mit der Hoffnung, dass man in der Vergangenheit vielleicht Erklärungen finden könnte für autoritäre Entwicklungen, die man nicht vorhergesehen hat� Schließlich war die Atmosphäre seit 1968 von einem Willen zur Aufklärung bei gleichzeitiger (anti-autoritärer) Kritik an der Aufklärung sowie von Diversität und Differenz geprägt. Auf eine Regression in Autoritarismen war man daher nicht vorbereitet (Randow 2016, Trittel 2016, MacWilliams 2016)� Mit anderen Worten: Der Rückgriff auf den autoritären Charakter ist auch ein Ausdruck von Ratlosigkeit und der Suche nach Erklärungen� Es ist noch nicht sicher, wie gut dieses Theorem zur Gegenwart passt und ob sich die Geschichte an dieser Stelle vielleicht wiederholt oder sich doch ganz anders entwickeln wird� Ausgehend von der Beobachtung, dass Islamgegner und Anhänger Trumps oft auch Befürworter von autoritären Lösungen und Systemen sind (MacWilliams 2016), beschäftigen wir uns deshalb in diesem Sonderheft mit gegenwärtigen Erscheinungsformen des autoritären Charakters oder, allgemeiner gesagt, des Neoautoritären in einer Epoche, in der es ihn, den liberalistischen Freiheitsversprechen folgend, eigentlich nicht mehr geben dürfte� Wenn der Grund für die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, wie es im Untertitel von Matthew MacWilliams’ empirischer Untersuchung heißt, nicht das Geschlecht, Alter, Einkommen, Herkunft oder Religion sind (ebd�), sondern eine generelle Disposition zum Autoritarismus, dann müssen die Erscheinungsformen und Gründe, die zur Wahl eines autoritären Präsidenten geführt haben, auch vielfältig sein� Schließlich weisen die Wähler ja Unterschiede in Geschlecht, Alter, Einkommen, Herkunft und Religion auf� Diesem mannigfaltigen Spektrum möchten wir uns annähern� Dabei wird nicht nur nach dem Verschwinden und Wiederauftauchen des autoritären Charakters gefragt, sondern es stellt sich auch die Frage, ob er jemals tatsächlich verschwunden war und nur nicht wahrgenommen wurde, weil er in einer scheinbar antiautoritären Epoche Züge annimmt, die nicht mehr so leicht als autoritär und an der Unterordnung orientiert zu erkennen sind� Wenn man gegenwärtig von einem Erstarken autoritärer Orientierungen spricht, dann vielleicht nur, weil sie wieder eindeutig zu identifizieren sind. Peter E� Gordon unterscheidet deshalb zwischen zwei Formen des autoritären Charakters (Gordon 2016)� Der eine ist derjenige, der sich manifest zu Erkennen gibt und dadurch, wie in Matthew MacWilliams’ Untersuchung, statistisch Einleitung: Zur Wiederkehr des Autoritären 263 gemessen werden kann� Durch diese eindeutige Form der Erkennbarkeit ist es demnach leicht, den Anstieg oder den Rückgang dieses Typus festzustellen� Die andere Form des autoritären Charakters, so Gordon, hat nichts mit Zunahme oder Rückgang zu tun, weil die Frankfurter Schule ihn nicht nur in den Studien zum autoritären Charakter empirisch eruiert hat, sondern in der Dialektik der Aufklärung auch in der Genealogie der instrumentellen Vernunft der Moderne erkennt� Und damit ist er kein Phänomen, das Konjunkturen unterliegt, sondern ein integraler Bestandteil der Moderne als solcher, was bedeutet, dass er auch stets gegenwärtig ist� In diesem Sinne konzentrieren wir uns deshalb auch besonders nachdrücklich auf die mannigfaltigen Erscheinungsformen der autoritären Persönlichkeit - zu der eben auch gehören kann, dass man sie nicht als solche wahrnimmt� Sie unterliegt dann wesentlich komplexeren Sichtbarkeiten als die Ergebnisse der berühmten F-Skala der Studien zum autoritären Charakter � Deshalb muss man, so unser Ansatz, zwischen den Eigenschaften und den Erscheinungsweisen des autoritären Charakters unterscheiden� Zu den Eigenschaften einer autoritären Persönlichkeitsstruktur, die Adorno et al� in den Studien zum autoritären Charakter in unterschiedlichem Ausmaße eruiert haben, gehört, dass sie a) rigide konventionell denkt und sich dabei stark an den Werten der Mittelklasse orientiert� Hierzu zählt auch die Überzeugung, dass Kinder mit einem Respekt für Autoritäten erzogen werden sollen, Manieren an oberster Stelle stehen und Unternehmer einen wichtigeren Beitrag zur Gesellschaft leisten als Künstler oder Professoren� Mit dieser Überzeugung hat der autoritäre Charakter b) den kritiklosen Glauben an Autoritäten selbst verinnerlicht, die er meist auch noch idealisiert, d� h� er verhält sich ihnen gegenüber unterwürfig. Damit gehen c) autoritäre Aggressionen einher: Der autoritäre Charakter hat die Tendenz, die Menschen zu verurteilen, abzulehnen oder zu bestrafen, sobald sie konventionelle Werte verletzen� Dies führt d) zu einer Abwertung des Subjektiven, Emotionalen und Fantasievollen, e) zum Denken in Stereotypen, aber auch zu Aberglaube und f) dem Glaube an Strenge, Härte und Macht bzw� an die Einteilung der Welt in Gewinner und Verlierer sowie g) der Bereitschaft zur Zerstörung, Gewalt und einer generellen Menschenfeindlichkeit bzw� Zynismus� Widersprüche im eigenen Unbewussten werden h) nach Außen projiziert, zudem gibt es i) ein grundlegendes Misstrauen gegenüber Sexualität (Adorno 2003, 229-31)� Die in diesem Sammelband zusammengeführten Beiträge zeigen, dass auch bei den heutigen autoritären Charakteren die oben beschriebenen Eigenschaften und Verhaltensweisen bisweilen anzutreffen sind. Was sich dagegen verändert hat, sind die Erscheinungsformen der Autorität und das, was sie hervorbringt� Es gibt natürlich noch die klassische Form der väterlichen Autorität, allerdings mutet sie heute ‚unzeitgemäß‘ an� Darüber hinaus drängt sich zudem 264 Manuel Clemens und Thorben Päthe der Verdacht auf, dass hinter den neuen Autoritarismen des 21� Jahrhunderts ironischerweise genau jene (neo-)liberalen Freiheits-, Fortschritts- und Emanzipationsversprechen stehen, die die Autoritäten der Nachkriegsgeschichte (vermeintlich) zu Fall gebracht - oder vielleicht besser: schlicht transformiert - haben� Insbesondere Formen individueller Selbstgestaltung und Kreativität als Bestandteile eines postmaterialistischen, postnationalen, postkolonialen liberalen Politikverständnisses avancieren dabei spätestens seit den 70er Jahren in gleich mehrfacher Hinsicht zum Katalysator neoautoritärer Revolten� Erstens wird eine narzisstische Selbstapotheose, die das eigene Selbst ungebrochen emphatisch bejaht, zelebriert und umgekehrt bisweilen auch als existenzielle Verunsicherung empfunden (Lasch dt� 1980 [1979])� Zweitens schlägt der proklamierte Freiheitstopos in ein „Kreativitätsdispositiv“ (Reckwitz 2012, 13) um, d�h� in den subjektkonstituierenden Leistungsdruck und Zwang, individuell und beruflich kreativ sein zu müssen, um gesellschaftlich salonfähig zu bleiben. Und drittens generieren sie jenen narzisstisch-autoritären Politiker-Typus entscheidend mit, der von Trump über Orban, Putin, Erdogan, Salvini bis hin zu LePen die aktuelle politische Weltkarte prägt, und diese Formen der Kreativität und Identitätspolitik - als Leitbild gegenwärtiger Freiheitsversprechungen -, zum ausdrücklichen Feindbild erklärt� Dass der egalitäre und antiautoritäre Liberalismus dabei unmittelbar mit den gegenwärtigen anti-egalitären und autoritären Umwälzungen zusammenhängt, haben vor beinahe 20 Jahren bereits Luc Boltanski und Ève Chiapello in ihrer systematischen Analyse zum „neue[n] Geist des Kapitalismus“ nahegelegt (dt� 2003 [1999]), da er ihre Erscheinungsformen - zwischen post-demokratischen Strukturen, Nationalismen, Ethnozentrismen und nationalem Sozialismus - entscheidend mitproduziert� Somit sind die gegenwärtigen Formen autoritärer Strukturen unübersichtlich� Nicht nur, dass es einen Widerspruch zwischen empirisch feststellbaren An- und Abstiegen gibt, wenn für die Frankfurter Schule übersteigerte Formen des Zusammenhangs zwischen Autorität und Unterwerfung etwas Permanentes darstellen, das aus der Moderne nicht mehr wegzudenken ist� Für die Gegenwart kommt noch die Verdrehung des Anti-Autoritären hinzu� Damit sind die Autoritanismen und ihre Erscheinungsformen sowohl komplex als auch subtil und es verwundert nicht, dass man von Autorität auch als „Blindheit“, „Unsichtbarkeit“ oder „blinder Fleck“ spricht (Kohns/ Rahden/ Roussel 2016, 13)� Autorität konstituiert sich nicht nur durch die Übereinstimmung mit den Anforderungen, die an einen herangetragen werden, sondern sie versteht es auch, sich zu tarnen und als etwas aufzutreten, das zunächst nicht nach Fremdbestimmung aussieht� In diesem Sinne verfolgt unser Sammelband die Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten einwirkender Autoritäten� Das Ziel ist die Sichtbarmachung versteckter Einleitung: Zur Wiederkehr des Autoritären 265 Autoritäten und die Beschreibung von gegenwärtigen Formen des autoritären Charakters bzw� Neoautoritären� Eine zentrale Achse dieser Sichtbarkeit ergibt sich in der historischen Perspektivierung des autoritären Charakters� Hatte Heinrich Mann in seinem Roman Der Untertan (1918) in der Figur Diederich Heßlings das literarische Stereotyp eines pflichtbewussten, gehorsamen und sadomasochistisch veranlagten autoritären Charakters entworfen, das in seiner Rezeptionsgeschichte zum paradigmatischen Vertreter des wilhelminischen Kaiserreichs avancierte, so unterscheidet es sich doch - trotz aller gegenwärtigen Regressionstendenzen - in erheblichem Maße von Joachim Zelters Friederich Ostertag in untertan (2012) oder Rainald Goetz’ Johann Holtrop im gleichnamigen Roman (2012)� Der autoritäre Charakter hat einen signifikanten Transformationsprozess durchlaufen: Der politisch-militärische Staatsautoritarismus, den Mann noch für das ausgehende lange 19� Jahrhundert beschrieben hatte, wird dabei bereits in den Studien von Freud, Reich, Fromm aus den 1930er Jahren sowie später auch von Löwenthal und Adorno modifiziert, wenn sie zwar die repressiven Strukturen wieder aufgreifen, sie gleichzeitig aber um sozioökonomische Komponenten wie Kapitalismus und Konsum (Kulturindustrie) erweitern� Bereits im frühen 20� Jahrhundert kündigt sich damit der Transformationsprozess vom Staatsin einen wirtschaftsliberalen Autoritarismus an, der sich im Zuge der Globalisierung endgültig vollzieht - und der ironischerweise nicht (nur) in eine pluralistische Weltgesellschaft geführt, sondern (auch) die gegenwärtigen Formen neoautoritärer Einsprüche generiert hat� Fragt man nun nach der Reaktualisierung oder möglichen Relevanz des Theorems ‚autoritärer Charakter‘, gilt es diesen Formenwandel zu berücksichtigen� Ein weiterer Formwandel zeichnet sich möglicherweise bei Houellebecqs Unterwerfung (2015) ab� Dort gelangen nicht nur eine organische Staatsauffassung wieder zu alter Stärke, sondern auch patriarchale Familienstrukturen sowie ein autoritärer Humanismus auf der Grundlage des Islams� Manuel Clemens untersucht in seinem Beitrag „Gehorsame Subjekte� Theatralität in den Untertan -Romanen von Heinrich Mann (1918) und Joachim Zelter (2012)“ zwei literarische Beschreibungen der Untertan-Figur aus Vergangenheit und Gegenwart� Er kommt zu dem Schluss, dass Joachim Zelter in seinem Roman von 2012 überraschend eine klassische Untertanenfigur beschreibt, die auch aus der Zeit von Heinrich Mann stammen könnte, aber sehr blass bleibt� Sein Beitrag schließt daraus, dass der klassische Untertan heute eine unzeitgemäße, schwache und erfolglose Figur ist, die es nicht mehr vermag, Menschen so um sich zu binden und durch Intriganz zu beeinflussen wie der Protagonist Heinrich Manns� 266 Manuel Clemens und Thorben Päthe Thorben Päthes Beitrag „Ordnung und Unterordnung� Zur Figuration des ‚Neuen Autoritären‘ bei Joachim Zelter und Michel Houellebecq“ geht einer doppelten Fragestellung nach� Ausgehend von der Literatur als diskursanalytischem Reflexionsraum untersucht er die Romane untertan (Zelter) und Unterwerfung (Houellebecq) zum einen in Bezug auf ihre soziopolitischen, ökonomischen und kulturellen Grundlagen, die für die Wiederkehr des Autoritären verantwortlich sind� Zum anderen fragt er nach den antiliberalen Einsprüchen dieser Grundlagen in der Arena politischer Erzählkämpfe� Roger F� Cook untersucht „From Triumph of the Will to Twitter: Modern Media and the Evolution of Tribalism“� Cook vertritt darin die These, dass digitale Medien - allen voran Twitter - die Bevölkerung zu einer ähnlichen tribalistischen Gruppe zusammenschweißt haben wie ehemals Hitlers Parteitage und Propagandafilme. Sie haben in den letzten dreißig Jahren die Kommunikation revolutioniert, was zwangläufig zu einer neuen Art der sozialen Interaktion führt� Trumps tribale Muster erinnern an die Beschwörung alter germanischer Kultur und Mythen durch die Nazis� Sabine von Dirke, Johanna Tönsing und Marc Petersdorff widmen sich anschließend dezidiert den neuen Formen der Autoritarismen, wie sie die Gegenwartsliteratur (nach-)zeichnet� Sabine von Dirkes Aufsatz „Neoliberalism’s Reengineering of the Authoritarian Personality: Richard Sennett’s The Corrosion of Character and Mark Siemons’ Jenseits des Aktenkoffers “ beschreibt den ‚neuen Geist des Kapitalismus‘, der selbstmotiviert ist und nur noch die eigene Performanz zum Ziel hat� Die neue Autorität, die von Dirke ausmacht, ist das neoliberale Muster, das stark wettbewerbsorientiert die Menschen in Gewinner und Verlierer einteilt� Ein scheinbarer Gewinnertyp ist auch das Thema von Johanna Tönsing� Ihr Artikel „Der Körper als moderne Zielscheibe autoritärer Persönlichkeiten am Beispiel von Elfriede Jelineks Ein Sportstück “ (2015) beschreibt den Leistungsdruck, dem sich der Bodybuilder aussetzt� Zur Autorität wird bei ihm das Idealbild eines perfekten Körpers, die Tönsing im textuellen Zusammenhang von frühkindlichen Inferioritätserlebnissen mit der Mutter und seiner exzessiv-tödlichen Körperformung beschreibt, insbesondere in Bezug auf deren sprachliche und theaterästhetische Darstellung� Marc Petersdorff verfolgt abschließend autoritäre Charakterstrukturen anhand von Reinald Goetz’ Romanfigur Johann Holtrop � Sein Beitrag „Haltlose Souveränität. Johann Holtrop als Nachfolgefigur des autoritären Charakters“ spürt den Transformationen dieser Strukturen nach, die auf den ersten Blick nicht mehr durch die Unterwerfung unter eine idealisierte Führerfigur entstehen, sondern durch die falsche Annahme eigener Souveränität und Ich-Stärke� Bei genauerem Hinsehen entpuppen sie sich allerdings als eine ins Leere lau- Einleitung: Zur Wiederkehr des Autoritären 267 fende Illusion, so dass der Protagonist über den Umweg seiner fehlerhaften Selbsteinschätzung letztlich doch in den Bann einer neuen Autorität gerät, die eine Unterwerfung einfordert� Den Abschluss bildet ein Interview mit dem Schriftsteller Joachim Zelter� Es bespricht vor allem im Hinblick auf seinen Roman untertan , aber auch im Kontext seiner weiteren Werke, die Wende von 1968 zum Yuppietum der 1980er Jahre, die Rolle des Schriftstellers darin und welche Formen der Subjektkonstitution heute noch lebbar und widerständig sein können� Works Cited Adorno, Theodor W� Studies in the Authoritarian Personality � Gesammelte Schriften� Band� 9�1� Soziologische Schriften II�1� Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003� Boltanski, Luc und Ève Chiapello� Der neue Geist des Kapitalismus � Übers� Michael Tillmann� Konstanz: UVK, 2003� Freud, Sigmund� Massenpsychologie und Ich-Analyse. Studienausgabe . Band� 9� Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1989� Fromm, Erich� „Sozialpsychologischer Teil“� Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung � Paris: Alclan, 1936� Geiselberger, Heinrich und Arjun Appadurai (Hg�)� Die große Regression. Eine internationale Debatte über die geistige Situation der Zeit � Berlin: Suhrkamp, 2017� Gordon, Peter E� „The Authoritarian Personality Revisited: Reading Adorno in the Age of Trump“� boundary2.org , 16� Jun� 2016� Web� Goetz, Rainald� Johann Holtrop: Abriss der Gesellschaft � Berlin: Suhrkamp, 2012� Houellebecq, Michel� Unterwerfung. 4. Aufl. Köln: DuMont Buchverlag, 2015. Horkheimer, Max und Theodor W� Adorno� Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente � Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003� Jelinek, Elfriede� Ein Sportstück . 4. Aufl. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch, 2015. Kohns, Oliver, Till van Rahden und Martin Roussel (Hg�)� Autorität. Krise, Konstruktion und Konjunktur � München: Wilhelm Fink, 2016� Lasch, Christopher� Das Zeitalter des Narzißmus . Hamburg: Hoffman und Campe, 1999. MacWilliams, Matthew� „The One Wired Trait That Predicts Whether You are a Trump Supporter� It’s not gender, age, income, race or religion“� Politico.com , 17� Jan� 2016� Web� Mann, Heinrich� Der Untertan � Studienausgabe in Einzelbänden� Hg� Peter Paul Schneider� Frankfurt am Main: Fischer Verlag, 2001� Randow, Gero von� „Theodor W� Adorno: Der Trick mit der Gefühlsbefreiung“� Die Zeit , 1� Dez� 2016� Web� Reckwitz, Andreas� Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung � Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2012� Sennett, Richard� The Corrosion of Character. The Personal Consequences of Work in the New Capitalism � New York/ London: Norton, 1998� Siemons, Mark� Jenseits des Aktenkoffers. Vom Wesen des neuen Angestellten � München/ Wien: Carl Hanser, 1997� Theweleit, Klaus� Männerphantasien. Zur Psychoanalyse des Weißen Terrors � Frankfurt am Main/ Basel: Verlag Roter Stern, 1977/ 78� Trittel, Katharina� „Was Pegida von ihren Gegnern unterscheidet“� Die Zeit , 3� Feb� 2016� Web� Verhaeghe, Paul� Narcissus in Mourning. The Disappearance of Patriarchy. Lecture at the Sigmund Freud Museum. Wien: Turia + Kant, 2015� Zelter, Joachim� untertan � Tübingen: Klöpfer und Meyer, 2012� 268 Manuel Clemens und Thorben Päthe