Colloquia Germanica
cg
0010-1338
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/011
2021
521-2
Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich
011
2021
Vera Bachmann
Der Beitrag geht der Frage nach, welche Funktion die Homöopathie für Fontanes Roman Unwiederbringlich hat. Dazu wird zunächst die Geschichte der alternativen Heilmethode rekonstruiert und Fontanes Berührungspunkte damit dargestellt, um anschließend zu untersuchen, wie dieser Kontext im Roman verhandelt wird. Ausgehend von der These, dass die Homöopathie mehr ist als ein beliebiges Konversationsthema, das der Figurencharakterisierung dient, nimmt der Beitrag die metaphorischen Übertragungen der Homöopathie in den Blick. Er fragt, welche Rolle die
Fragen der Dosis und der Wirkung, des Verhältnisses von Groß und Klein und die Konfrontation mit dem Ähnlichen im Roman spielen. Damit wird gezeigt, wie die Frage nach der Möglichkeit einer Heilung der ehelichen Krise, die der Roman stellt, auf den Spuren der Homöopathie verfolgt wird.
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Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 169 Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich Vera Bachmann Universität Regensburg Abstract: Der Beitrag geht der Frage nach, welche Funktion die Homöopathie für Fontanes Roman Unwiederbringlich hat. Dazu wird zunächst die Geschichte der alternativen Heilmethode rekonstruiert und Fontanes Berührungspunkte damit dargestellt, um anschließend zu untersuchen, wie dieser Kontext im Roman verhandelt wird. Ausgehend von der These, dass die Homöopathie mehr ist als ein beliebiges Konversationsthema, das der Figurencharakterisierung dient, nimmt der Beitrag die metaphorischen Übertragungen der Homöopathie in den Blick. Er fragt, welche Rolle die Fragen der Dosis und der Wirkung, des Verhältnisses von Groß und Klein und die Konfrontation mit dem Ähnlichen im Roman spielen. Damit wird gezeigt, wie die Frage nach der Möglichkeit einer Heilung der ehelichen Krise, die der Roman stellt, auf den Spuren der Homöopathie verfolgt wird. Keywords: Unwiederbringlich, Homöopathie, Ähnlichkeit, Wirkung Zugegeben - das Motiv der Homöopathie wird nur in kleiner Dosis in Fontanes Roman Unwiederbringlich eingespielt. Dafür geschieht dies gleich am Romananfang, an prominenter Stelle also. Um die Homöopathie kreist das erste Gespräch des Romans, das in der Erzählgegenwart stattfindet. Die Hauptfiguren des Romans beziehen reihum zu der alternativen Heilmethode Stellung und werden in ihrer Haltung dazu charakterisiert. Dann aber verschwindet die Homöopathie auf motivischer Ebene aus dem Roman, wie überhaupt medizinische Fragen in Unwiederbringlich eine vergleichsweise geringe Rolle spielen. Anders als in Effi Briest oder Cécile leidet Christine Holk vor ihrem Selbstmord an keiner diagnostizierten Krankheit, im Unterschied zum Stechlin treten keine Ärzte auf, um sie zu heilen und ärztliche Behandlungsmethoden gegeneinander abzuwägen. Für den Roman, so die These der folgenden Überlegungen, bleibt die Homöopathie 170 Vera Bachmann jedoch auch über die ersten Kapitel hinaus von Relevanz. Ihre Wirkung entfaltet sich auf metaphorischer Ebene. Mit ihr verbinden sich allgemeine Fragen von Heilung und Prophylaxe, von Ähnlichkeit oder Gegensätzlichkeit, die über das Kerngebiet der Medizin hinausweisen. Sie betreffen Verfallszustände von Ehen und Staatsgebilden und befragen nicht zuletzt auch die Literatur auf ihre Wirkungen hin. Die Homöopathie basiert auf dem Prinzip der Ähnlichkeit: sie setzt Stoffe ein, die beim Gesunden Symptome hervorrufen würden, die dem jeweiligen Krankheitsbild ähneln; demgegenüber setzt die Allopathie auf Gegenmittel. Im Roman beginnt das Spiel mit den Prinzipien von Gegensätzlichkeit und Ähnlichkeit schon mit der Vorstellung der Figuren. Graf Helmuth Holk und Gräfin Christine Holk werden von Beginn an als widerstrebende Charaktere eingeführt, die sich über die meisten Fragen des Alltags uneins sind. Die Geschichte ihrer Ehekrise wird im Roman vor dem Hintergrund einer historischen Umbruchsituation erzählt: dem sich anbahnenden Konflikt zwischen Dänemark und Preußen um Schleswig-Holstein. Auch dieser Konflikt wird im Roman entlang der Frage diskutiert, inwieweit Ähnlichkeit und Gegensätzlichkeit über die Zugehörigkeit zu einer Nation bestimmen sollten. Zunächst zu den Gegensätzlichkeiten der Holkschen Ehe: In den ersten Kapiteln werden die Meinungsverschiedenheiten des Paares an drei Themen vorgeführt: der Frage des Bauens, der Literatur und der Homöopathie. Letztere wird im zweiten Kapitel in einem Gespräch zwischen Holk und Graf Arne, dem Bruder Christines, wie nebenbei angesprochen: “Apropos Homöopathie. Hast du denn schon von dem homöopathischen Veterinärarzt gehört, den wir seit ein paar Wochen in Lille-Grimsby haben? … Und langsam auf und abschreitend, fuhren beide Schwäger in ihrem Gespräch fort” (GBA I/ 13: 13). Dem Gespräch der beiden Männer über die Homöopathie und ihren Nutzen in der Viehzucht gegenüber ist das gleichzeitig stattfindende Gespräch zwischen Christine und Seminardirektor Schwarzkoppen in jeder Hinsicht entgegengesetzt: es ist dem “Lieblingsplane” (GBA I/ 13: 13) der Gräfin gewidmet, der Errichtung einer Familiengruft. Christines Sorge um die Ahnen wird so die Passion Holks für sein “schönes Vieh” (GBA I/ 13: 16) gegenübergestellt. Am homöopathischen Veterinärarzt interessieren Holk allein dessen Erfolge - den theoretischen Grundannahmen seiner Arbeitsweise steht er skeptisch gegenüber, “die homöopathische Heilmethode desselben ließ immer wieder einige Bedenken in ihm aufsteigen” (GBA I/ 13: 16). Arne hält dagegen, gerade die Anwendung auf die Tiermedizin sei ein Argument für die Methode: Bis dahin seien die Quacksalber alten Stils nicht müde geworden, von der Macht der Einbildung zu sprechen, was natürlich heißen sollte, daß die Streukügelchen nicht als Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 171 solche heilten; eine schleswigsche Kuh aber sei, Gott sei Dank, frei von Einbildungen, und wenn sie gesund würde, so würde sie gesund durch das Mittel und nicht durch den Glauben. (GBA I/ 13: 16-17) Diese Beweisführung schränkt Arne aber gleich darauf wieder ein, wenn er hinzufügt, dass die Erfolge des Veterinärs möglicherweise auf andere Gründe als die homöopathischen Arzneien zurückzuführen seien: “Unter diesen Dingen stehe die durchgeführteste, schon den Luxus streifende Reinlichkeit obenan, also immer neue Stallbauten und unter Umständen selbst ein Operieren mit Marmorkrippen und vernickelten Raufen” (GBA I/ 13: 17). Weder Arne noch Holk kommen in diesem Gespräch zu einem endgültigen Urteil über die Homöopathie. Verschiedene mögliche Erfolgsursachen des homöopathischen Veterinärs bleiben nebeneinander stehen: Streukügelchen und Reinlichkeit ebenso wie bloße Einbildungen. Auf die Ursachen kommt es aber offensichtlich auch gar nicht an. Was für beide Landwirte zählt, ist das Ergebnis. Die neuen Stallbauten sind für Holk das Stichwort, um Christine und Schwarzkoppen in das Gespräch mit einzubeziehen. Holk versucht, Christine mit dem Verweis auf das Mystische der Homöopathie für das Thema zu gewinnen (also mit dem Aspekt, dem seine Vorbehalte gelten); doch gerade das misslingt. So stellt Schwarzkoppen nüchtern fest: “Die Homöopathie verzichtet, soviel ich weiß, auf alles Geheimnißvolle oder gar Wunderbare. Es ist einfach eine Frage von Viel oder Wenig und ob man mit einem Gran so weit kommen kann wie mit einem halben Centner” (GBA I/ 13: 17). Christine lässt sich auf eine Diskussion über die Homöopathie nicht ein, sondern kritisiert Holks Vergleich von Viehtrögen und Taufbecken. Doch auch das lässt sich als indirekte Referenz auf die Homöopathie lesen, ist doch der Vergleich die rhetorische Figur des Simile. Aus Sicht Christines benutzt Holk den Vergleich falsch: er spannt Dinge zusammen, die nicht ähnlich, sondern gegensätzlich sind. 1 Die Mitteilung, dass der Vieharzt Konvertit sei, ist für Christine zudem bedeutungsvoller als seine medizinische Ausrichtung. Der Verweis auf die jüdische Herkunft des Arztes verstärkt die Markierung der Homöopathie als Alternative zu einer hegemonialen Lehre. In Christines Reaktion ist dies mit antisemitischen Untertönen verbunden: die Homöopathie erscheint als ‘falsche Lehre’. Holk sekundiert, indem er den falschen Gebrauch des Similes auf den Tierarzt abwälzt: “Das mit den Marmorkrippen ist natürlich mehr oder weniger Thorheit und nichts als ein orientalischer Vergleich, den man ihm zu Gute halten muß“ (GBA I/ 13: 18). Und als Holk nun doch auf den Neubau von Ställen zu sprechen kommt, bricht ein Streit zwischen den Ehepartnern los, der sich vom Thema Homöopathie entfernt. Die Homöopathie wird hier als ein zeitgenössischer Diskurs aufgerufen, an dem sich die Geister scheiden. Umso geeigneter ist er zur Charakterisierung 172 Vera Bachmann der Figuren: Da ist der Landwirt Arne, der vor allem an wirtschaftlichen Fragen interessiert ist. Neben ihm erscheint Holk als jemand, der sich mit Halbwissen zufrieden gibt (“Und dann gibt es noch einen Satz, ‘Similia similibus’, worunter sich jeder denken kann, was er will” [GBA I/ 13: 17]), wenn es ein Neubauprojekt rechtfertigt. Der ehemalige Pastor Schwarzkoppen lässt sich ebensowenig zu Spekulationen verleiten wie er sich auf eine Gleichsetzung von Medizin und Mystik einlässt. Aus Christines Reaktion spricht ein latenter Antisemitismus, der sich auf den Veterinärarzt persönlich bezieht, aber auch auf sein Metier abfärbt. In der Sache ist sie desinteressiert, achtet aber umso genauer auf den Ton. Sucht man die Funktion der Homöopathie jedoch lediglich in der Figurencharakterisierung (Sauerbeck 276), so hätte auch jeder andere zeitgenössische Diskurs zur Vorstellung des Figurenpersonals dienen können. Fontane bediente sich dieser Technik immer wieder: unterschiedlichste Alltagsthemen werden in die Texte eingespielt, und die Figuren positionieren sich in der Konversation dazu. In Unwiederbringlich geht der Diskussion über die Homöopathie ein Gespräch zwischen Holk und Christine über den Neubau des Schlosses und eine Diskussion über Literatur und Aberglaube voran. Beide Gesprächsthemen haben ähnliche Funktionen wie das Thema Homöopathie: sie dienen dazu, den Figuren bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben. Christine geriert sich als Bewahrerin der Tradition, ist abergläubisch und fürchtet Neuerungen; Holk ist voll Tatendrang, dafür fehlt es ihm an Stetigkeit und Bildung. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die Wahl der Themen nicht kontingent ist und die Funktion der Gespräche in der Exposition über die Figurensemantisierung hinausgeht. Das Grundprinzip der Homöopathie, das von Holk zitierte ‘Similia similibus’, wird im Roman auf verschiedenen Ebenen durchgespielt. Es lässt sich eine Spur der Homöopathie verfolgen, die Fragen der Wirkung in geringer oder großer Dosis, der Heilung durch das Ähnliche oder das Gegensätzliche umkreist. Sie werden auf Ebene der Handlung erprobt, betreffen aber auch die Poetologie des Romans, der sich selbst im Modus der Ähnlichkeit auf seinen Gegenstand bezieht. Um zu verdeutlichen, was Fontane mit der Homöopathie aufruft, soll zunächst ihr historischer Kontext erläutert werden: Die bis heute verbreitete alternative Heilmethode war zum Zeitpunkt des Erscheinens von Unwiederbringlich schon fast 100 Jahre alt. Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, hatte zum ersten Mal 1792 Aufsehen erregt, als er den Leibarzt von Kaiser Leopold II. öffentlich kritisierte. Der Kaiser war im März 1792 mit nur 45 Jahren gestorben, nachdem dem geschwächten Kranken mehrfache Aderlässe verordnet worden waren ( Jütte 14). Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die Medizin um 1800, die sich in großen Teilen noch an der Humoralpathologie orientierte. Die Ursache vieler Krankheiten suchte man in einem gestörten Mischungsver- Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 173 hältnis der Körpersäfte - und versuchte dieses mit Aderlässen und Abführmitteln ins Gleichgewicht zu bringen ( Jütte 21). Hahnemanns Kritik bezog sich vor allem auf die Praxis des Aderlasses, die er als zusätzliche Schwächung des angegriffenen Organismus’ verurteilte. Das Simile-Prinzip, das Holk im Roman zitiert, erprobte Hahnemann zunächst in Selbstversuchen. Während die Schulmedizin nach Gegenmitteln für die jeweiligen Krankheiten suchte, verfolgte Hahnemann den Ansatz, Krankheiten mit solchen Arzneimitteln zu behandeln, die beim Gesunden Symptome hervorriefen, die denen des Kranken glichen. 1796 veröffentlichte er erste Ergebnisse in Christoph Wilhelm Hufelands Journal der practischen Arzneykunde und Wundarzneykunst. Das Journal von Hufeland, dem Arzt Goethes und wohl berühmtesten Mediziner seiner Zeit, war ein Sammelbecken für die verschiedensten Reformbestrebungen in der Medizin. 2 Bis 1815 gehörte Hahnemann selbst zu einer Reihe von Reformern der Medizin, die trotz unterschiedlicher Ausrichtungen Koalitionen bildeten. Auch die ersten Kapitel des Organons, Hahnemanns homöopathischem Hauptwerk, veröffentlichte er 1810 in Hufelands Journal (Wiesemann 29). Zwischen beiden Ärzten gab es durchaus Parallelen: Beide, Hufeland wie Hahnemann, waren Vitalisten und zählten zu den Empirikern unter den Medizinern. Sie setzten auf die Erfahrung des Arztes, die sich ihrer Ansicht nach wissenschaftlicher Standardisierung entzog (Wiesemann 35). Hahnemann ging noch einen Schritt weiter, er hielt die Erforschung der inneren Gesetzmäßigkeiten des Körpers für unmöglich und lehnte daher eine Suche nach den Krankheitsursachen ab. Statt an bestimmten Krankheitsbildern orientiert sich die Homöopathie an den individuellen Kranken, die nur individuell geheilt werden könnten (Wiesemann 35—36). Nach seiner Berufung an die Leipziger Universität 1812 wurde Hahnemanns Position innerhalb der Medizin jedoch zunehmend marginalisiert. Sein Einsatz von Hochpotenzen, also die extreme Verdünnung der Arzneimittel und seine scharfe Ablehnung der ‘allopathischen’ Heilmethoden fallen erst in diese spätere Phase und konnten nur einen engen Kreis von Schülern überzeugen: Hufeland, der ihm in seinem Journal ein Forum geboten hatte und anfänglich mit der homöopathischen Bewegung sympathisierte, distanzierte sich von ihm. Das Bild des genialen Revolutionärs ist deshalb historisch differenziert zu betrachten, die Homöopathie als eine Reformbewegung zu begreifen, die in ihrer Frühphase nur erfolgreich sein konnte, weil sie Bündnisse mit etablierten Medizinern einging. Sie habe sich, so die Medizinhistorikerin Claudia Wiesemann, zudem im Feld einer Medizin behauptet, die bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein von einer Spaltung in Wissenschaft und Praxis geprägt war. Neben den wissenschaftlich ausgebildeten Ärzten praktizierten Wundärzte, Hebammen und Heiler, die keine akademische Ausbildung absolviert hatten (in Fontanes Roman Stechlin etwa wird dieser Widerstreit von Laienmedizin 174 Vera Bachmann und akademischer Ärzteschaft dargestellt). An der medizinischen Versorgung der Bevölkerung übernahmen die nicht akademisch ausgebildeten Heiler den größten Anteil - dazu gehörte auch der Ausbildungsberuf des Apothekers, den Fontane erlernt hatte. Der Erfolg der Homöopathie verdankt sich dem großen Bereich der Laienmedizin. Während die Homöopathie aus dem akademischen Diskurs nach 1815 zunehmend verdrängt wurde, Hahnemann selbst mit der medizinischen Fakultät in Leipzig brach und sich nach Köthen zurückzog, verbreitete sich seine Lehre durch die große Zahl der homöopathischen Laienheiler, die damit wesentlich zu ihrer Bekanntheit und Popularität beitrugen ( Jütte 17). Auch homöopathisch ausgerichtete Veterinäre waren im 19. Jahrhundert keine Seltenheit. Hahnemann selbst vertrat die Auffassung, dass Tiere nach den gleichen Grundsätzen wie Menschen behandelt werden könnten (Schütte 125). 1837 erschien eine erste größere Veröffentlichung in Buchform: die Homöopathische Arzneimittellehre für Tierärzte des Neustrelitzer Tierarztes Johann Carl Ludwig Genzke. Bekannt wurde die Homöopathie in der Veterinärmedizin ebenfalls durch Veröffentlichungen von Laien in homöopathischen Populärzeitschriften. Von der Anerkennung der alternativen Tierheilmethode zeugt es, dass die preußische Gestütsverwaltung 20 Jahre von einem homöopathischen Veterinärarzt, Theodor Träger, betreut wurde. In Bayern hingegen wurde 1853 ein Verbot erlassen, Militärpferde homöopathisch zu behandeln. Dass ein solches Verbot explizit nötig war, auch das lässt auf die Verbreitung der umstrittenen Heilmethode schließen (Schütte 127). Die Wechselwirkungen und das Verhältnis von Literatur und Medizin haben sich in den letzten Jahren als produktives Forschungsfeld erwiesen; in zahlreichen Arbeiten wurde eine Medizingeschichte der Literatur ebenso wie eine Literaturgeschichte der Medizin erschlossen, wobei, so Carsten Zelle, neuere wissenspoetologisch orientierte Versuche sich darum bemühen, “Medizin und Literatur nicht als zwei distinkte, gewissermaßen vorgängig fixierte, ontologische Bereiche … zu unterstellen” (Zelle 91). Stattdessen wird von medizinischen Schreibweisen gesprochen, die auf unterschiedliche Weise ein kulturelles Wissen produzierten. Aus dieser Perspektive hat etwa Sophia Wege fiktionale Elemente homöopathischer Textsorten herausgearbeitet und die Lehre der Homöopathie als Grenzgang zwischen faktualem und fiktionalem Erzählen beschrieben. Gerade in der Vermischung von beidem macht sie den Grund für die anhaltende Popularität der wissenschaftlich nicht belegbaren Heilmethode aus, die sich von ihren Anfängen bis heute als Gegenerzählung zur konventionellen Medizin behaupten konnte (57). Das lässt sich auch in Unwiederbringlich sehen: mit der Homöopathie ruft Fontane keinen rein medizinischen Diskurs auf, sondern ein Geflecht aus medizinischem Wissen und Spekulation, Vorurteil und Gerücht. Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 175 Fontane selbst dürfte früh, bereits über seine Apothekerlehre, mit der Homöopathie Bekanntschaft gemacht haben ( Jagow and Steger 355). Den erlernten Beruf des Apothekers hat er nicht geliebt, und, wie Roland Berbig herausgearbeitet hat, das Fehlen einer akademischen Bildung in Briefen, Selbstauskünften und seinen autobiographischen Schriften zunehmend zu tilgen versucht, während er innerhalb der Familie gerne die Rolle des behandelnden Arztes (und mitunter auch die als sein eigener Patient) einnahm (Berbig 112— 18). Von Fontanes medizinischer Laienpraxis innerhalb der Familie zeugen zahllose Briefstellen, die darauf schließen lassen, dass Fontane sich an allopathische Grundsätze hielt, also Leiden mit dem entgegengesetzten Mittel behandelte - zu seiner Zeit konnten das freilich auch Cognac, Opium-Cocktails oder Morphium sein. Als gelernter Apotheker hat er sich einen gewissen medizinischen Sachverstand zugetraut, hat auch gerne im Familien- und Freundeskreis medizinisch beraten und doziert. Der Apotheker war ja damals mehr noch als heute nebenher der Facharzt für leichte Krankheiten. Dabei fällt auf, daß er, der 1849 aus dem Apothekerberuf ausgeschieden war, zeitlebens im Wesentlichen auf dem medizinischen Wissensstand seiner aktiven Apothekerzeit stehengeblieben ist, also der Medizin des Biedermeier, in der noch alte, zum Teil aus der Antike stammende Vorstellungen fortlebten. (Gravenkamp 7) Fontane hielt weitgehend an den Lehren der Humoralpathologie fest. Auch davon finden sich Reflexe im Roman, wenn beispielsweise von Pentz als “Apoplekticus”, Erichsen als “Hecticus” (GBA I/ 13: 80) oder vom “sanguinischen Naturell” Holks die Rede ist (GBA I/ 13: 284); Zuschreibungen, die auf die mit der Humoralpathologie verbundene antike Temperamentenlehre verweisen. In einem Brief an Bernhard von Lepel, der als ein mögliches biographisches Vorbild für die Figur des Holk gilt (Hehle 314-18), amüsierte sich Fontane 1858 über dessen Begeisterung für eine Wasserkur, mit der er meinte, die Grippe (oder das Nervenfieber) seiner Frau geheilt zu haben (Fontane and Lepel 487): Eine vernünftige Allopathie ist und bleibt das beste. Die Zahl vernünftiger Allopathen ist freilich klein, aber in großen Städten giebt es ihrer zu Genüge. Kein Zweifel, daß im Einzelfall Homöopathie, Hydropathie, Orthopädie, Ernst Mahnerscher Dauerlauf, Aeppelwein oder das Pflaster des Schäfers von Lichtenberg (das ich oft gemacht habe) mehr leisten als die Allopathie, aber “in a long run” wie sie hier sagen, muß das alte System siegen, weil es das einzig vernünftige, das einzig natürliche ist. (Fontane and Lepel 493) In den Wanderungen durch die Mark Brandenburg beschreibt Fontane die Begegnung mit einem Vertreter der homöopathischen Laienbewegung mit offenkundiger Sympathie. Im Band Fünf Schlösser, den Fontane in der Entstehungszeit 176 Vera Bachmann von Unwiederbringlich für die Publikation vorbereitete (Hehle 333), berichtet er von der Begegnung mit Carl Ferdinand Wiesike, dem Schloßherrn in Plaue an der Havel, der drei Dinge zum Lebensinhalt hatte: die Schöpfung eines Parks, die Philosophie Schopenhauers und die Homöopathie Hahnemanns. “Schon in den zwanziger Jahren entschloß er sich, gleichviel ob um Heilungs oder Unterweisungs willen, eine Reise nach Köthen, dem damaligen Wohnsitze Hahnemanns, zu machen, und kehrte von diesem Ausfluge nicht nur als ein enthusiastischer Anhänger, sondern auch als ein ausübender Adept der neuen Lehre zurück” (GBA V/ 5: 131). Wiesike schien nicht nur ein typischer Vertreter der homöopathischen Laienbewegung gewesen zu sein, auch die Rivalität dieser Bewegung zur offiziellen Medizin bemerkt Fontane. Die ökonomische Konkurrenz um das Geschäft mit der Gesundheit verläuft in Fontanes Bericht zwischen Laien auf der einen Seite, Ärzten und Apothekern auf der anderen Seite und wurde in Wiesikes Fall dadurch verstärkt, dass dieser seine homöopathischen Ratschläge unentgeltlich an die Bewohner der Umgebung erteilte: Endlich wurde der Krankenstrom so groß, daß eine Verschwörung der mit Untergang bedrohten Doktoren und Apotheker nicht ausbleiben konnte, welcher Verschwörung - der übrigens der Wortlaut des Gesetzes zur Seite stand - es nach allerlei Zwischenfällen gelang, als Sieger aus dem hartnäckig geführten Kampfe hervorzugehen. Eine Strafandrohung folgte der anderen und erreichte, daß das als “Medizinalpfuscherei” gebrandmarkte Homöopathisieren eines Laien sein Ende nahm. (GBA V/ 5: 131) Fontane berichtet weiter, dass sich Wiesike durch das Verbot, als homöopathischer Heiler zu praktizieren, nicht habe einschüchtern lassen; er verlegte sich auf homöopathische Studien und setzte sich finanziell für die Errichtung eines homöopathischen Lehrstuhls an der Universität Berlin ein. “Sah sich aber freilich damit zurückgewiesen” (GBA V/ 5: 132), schließt Fontane lapidar, ohne Wiesikes Engagement abschließend zu bewerten. 3 Die Homöopathie, so kann man Fontanes Einstellung dazu zusammenfassen, hat ihn interessiert, auch wenn er persönlich kein Anhänger dieser Heilmethode war. Insgesamt hat das Thema der Medizin - angesichts ihrer biographischen Bedeutung für Fontane und den zeitgenössischen immensen Fortschritten auf diesem Gebiet - vergleichsweise geringe Spuren in seinem literarischen Werk hinterlassen. Die Fragen von Gesundheit und Krankheit werden allgemeiner eingesetzt: Fontanes Figuren sind alle mehr oder weniger Patienten; sie sind krank und schwach - nur dass ihre Leiden tiefere Ursachen haben, als es die Medizin der Zeit erfassen kann: “Dabei konkurriert das Erzählen gerade nicht mit dem medizinischen Diskurs, in den es sich unter der Hand einmischt, sondern findet in Aussparung, Umschweigen und Leerstellen adäquaten Ausdruck,” Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 177 schreibt Berbig (122). Anders als andere Frauenfiguren Fontanes, etwa Effi Briest, leidet Christine nicht an einer klinisch diagnostizierten Krankheit. Ihre Schwermut wird als Charakterkennzeichen beschrieben, nicht als dessen Deformation. Aus heutigem Wissensstand bei Christine eine Depression, bei Holk eine Midlifecrisis zu diagnostizieren, verfehlt Fontanes Text vielleicht schon deswegen, weil es die Figuren auf bestimmte Diagnosen festlegen würde. Müller-Seidel spricht dagegen treffend vom “unbestimmte[n] Krankheitsgeschehen” (19) in Fontanes Romanwelt, das auf Soziales verweise, unter dem die Figuren litten. Der medizinische Diskurs liefert insbesondere in Unwiederbringlich ein metaphorisches Reservoir, mittels dessen Fragen verhandelt werden, die die Grenzen des Fachs überschreiten. Die Homöopathie wird als ein heterogener Diskurs in den Roman eingetragen, der unterschiedliche Redeweisen und unterschiedliches Wissen zusammenbringt. Dabei wird das Ausgangsthema verschoben, erweitert und mit anderen Themen in Beziehung gesetzt, so dass sich im Roman ein weites Geflecht homöopathischer Metaphorik erkunden lässt. Bereits am Romananfang lässt sich beobachten, wie der Text die Frage nach der “Macht der Einbildung” (GBA I/ 13: 16) die Arne zufolge von den Gegnern der Homöopathie ins Feld geführt werde, über die Homöopathie auf andere Wissensbereiche ausdehnt. Im Folgenden soll das thematische Feld von Wirkung, Ursache und Einbildung erschlossen werden, das mit der Homöopathie gesetzt wird und auf das der Text alle weiteren Themen des Romananfangs bezieht. Wie häufig bei Fontane wird auf den ersten Seiten zunächst ein Schauplatz abgesteckt und die Figuren in Bezug zum Raum des Romans eingeführt. Fontanes Expositionen sind von großer semantischer Dichte; es werden die wesentlichen Themen eingeführt, die Figuren in knappen Zügen charakterisiert und die Linien der Handlung vorgegeben. Nachdem gleich im ersten Satz markiert worden ist, dass der Schauplatz des Romans seitab vom Zentrum des Glücks situiert ist (“Eine Meile südlich von Glücksburg” [GBA I/ 13: 5]), wird mit der Geschichte von Neubau und Umsiedlung des Familiensitzes vom festen Grund auf die sandige Düne am Meer auch die Vorgeschichte der Figuren gegeben. Bereits nach einer Seite wendet sich der Blick in die Vergangenheit, um erst in der Mitte des zweiten Kapitels zurück in die Erzählgegenwart zu kehren. Dass es sich beim ersten zitierten Gespräch des Romans um eine Analepse handelt, verweist auf die große Bedeutung der Vorgeschichte für die eigentliche Romanhandlung, auch wenn oder gerade weil diese Vorgeschichte nur in Schlaglichtern erhellt wird. Der Rückgriff markiert, dass die Ursachen dessen, was in diesem Roman geschieht, in der Vergangenheit liegen. Es ist kein harmonischer Ausgangszustand, der am Anfang steht; die Krise ist längst eingetreten. Zentral ist aber, dass der Roman - parallel zum Prinzip homöopathischer Anamnese - keine Ursachenforschung betreibt, sondern sich mit Andeutungen begnügt 178 Vera Bachmann und die Vergangenheit nur in Schlaglichtern erhellt. Die Anfänge der Verstimmung, so erfährt man, gehen unter anderem auf die Auseinandersetzungen um den Neubau des Schlosses zurück. Diese Diskussion wird von den Ehepartnern als ein Gespräch über die Wirkungen der Literatur geführt. Um Christine für seine Pläne zu gewinnen, zitiert Holk eine Gedichtstrophe, erzielt damit aber das Gegenteil der bezweckten Wirkung: “ein Citat, das freilich bei Derjenigen, die dadurch günstig gestimmt und für den Plan gewonnen werden sollte, nur den entgegensetzen Eindruck und nebenher eine halb spöttische Verwunderung hervorgerufen hatte” (GBA I/ 13: 7). Der Zustand der literarischen Bildung, gemessen am richtigen und falschen Zitieren von Bildungsgut, dient, wie in vielen Texten Fontanes, der feineren sozialen Verortung der Figuren. Während Holk nur eine Strophe aufgeschnappt hat, kennt Christine das ganze Gedicht: “aber es verläuft nicht so, wie’s beginnt,” wendet sie gegen Uhlands “Schloss am Meer” ein, “und am Schlusse kommt noch viel Trauriges” (GBA I/ 13: 8). Holks Zitat verfehlt seine Wirkung, weil sich das Literaturverständnis beider grundlegend unterscheidet. Die Wirkung von Literatur hängt ab von ihrer Interpretation: Christine sieht alles als böses Zeichen, während Holk wiederum jeden Einfluss der Literatur auf die Realität negiert: “Aber Du wirst doch nicht verlangen, daß ich mein ‘Schloß am Meer’ nicht bauen solle, bloß weil aus einem erdichteten Schloß am Meer, auch wenn von Uhland erdichtet, ein Klagelied aus der Halle klang? ” (GBA I/ 13: 8). Christine entgegnet mit einem Plädoyer für die ‘Macht der Einbildung’: Aber ich bekenne Dir offen, ich bleibe lieber hier unten in dem alten Steinhause mit seinen Unbequemlichkeiten und seinem Spuk. Der Spuk bedeutet mir nichts, aber an Ahnungen glaubʼ ich, wiewohl die Herrnhuter auch davon nichts wissen wollen, und werden wohl auch recht damit haben. Trotzdem, man steckt nun ʼmal in seiner menschlichen Schwachheit, und so bleibt einem manches im Gemüth, was man mit dem besten Spruche nicht loswerden kann (GBA I/ 13: 8). Im letzten Satz geht Christine auf die Wirkungsweise der Ahnung ein: sie bleibt im Gedächtnis - und beeinflusst so die Wahrnehmung der Gegenwart. Man werde sie mit dem besten Spruche nicht los, so Christine, die damit eine weitere, magische Wirkung von Literatur als Zauber- und Bannspruch aufruft. 4 Die Gegenwart der Romanhandlung erreicht der Text erst im zweiten Kapitel, sie wird als eine Zeit dargestellt, in der die Auswirkungen der Vergangenheit zutage treten: “Nun war Ende September 1859 und die Ernte längst herein” (GBA I/ 13: 11), heißt es. Das gehört in eine ganze Reihe temporaler Markierungen, die die Zeit als eine Endzeit ausweisen: “die Sonne war schon unter” (GBA I/ 13: 8), “wie schön du dastehst im goldenen Abendroth” (GBA I/ 13: 9), “So schloß der Tag” (GBA I/ 13: 10). Die Bedeutung der Vorgeschichte wird so hervorgehoben Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 179 - aber ebenso wird unterstrichen, dass sie zurückliegt und der Text ihr nicht weiter auf den Grund gehen wird. Die Handlung der Romangegenwart setzt erst mit den zwei erwähnten Gesprächen ein, die sich um Tod und Gesundheit drehen. Das Gespräch über Homöopathie geht aus vom Tierarzt und bezieht sich vordergründig auf schönes Vieh und seine Gesunderhaltung, gewinnt durch den gesetzten Hintergrund von ehelicher Krise, Tod und Niedergang aber weitergehende Bedeutung: mit der Homöopathie ist auch die Frage nach der möglichen Heilung der beschriebenen familiären Zustände aufgerufen. Alle drei Gesprächsthemen des Romananfangs kreisen um die Macht der Einbildung und die künftigen Auswirkungen bestimmter Handlungen. Mit dem Neubau des Schlosses steht die Frage zur Debatte, welche Wirkungen die architektonische Umgebung auf ihre Bewohner (egal ob Landadel oder Stallvieh) hat. Die Literatur wird als gutes Omen oder böse Prophezeiung erörtert und mit der Homöopathie werden Fragen der Vermeidung oder Heilung von krankhaften Zuständen diskutiert. Die Frage nach der ‘Macht der Einbildung’ wird sodann auch auf das Feld der Politik übertragen. In der Debatte über die Zugehörigkeit Schleswig-Holsteins zu Preußen oder Dänemark erscheint sie als Frage, was Nationen zusammenhält: “Solche Vorstellungen sind nun mal eine Macht” (GBA I/ 13: 30), begründet Arne sein Bekenntnis für Preußen. Christine unterstützt: “Die Welt wird durch solche Dinge regiert, zum Guten und Schlechten, je nachdem die Dinge sind” (GBA I/ 13: 31). Holk plädiert in diesem Gespräch für Dänemark, dem er sich näher fühlt. Doch dass eine solche Ähnlichkeit eine Frage der Perspektive ist, wird deutlich, als er in Kopenhagen ist: Aus dortiger Sicht erscheint er als “ein ketzerischer Schleswig-Holsteiner” (GBA I/ 13: 100). Mit dem Fokus auf die Macht der Einbildungen und andere Wirkungen verbindet sich die Frage nach dem zugrundeliegenden Wirkprinzip. Beruht es auf Ähnlichkeit oder Gegensätzlichkeit? Vor allem die Frage nach der Ähnlichkeit wird im Fortgang der Handlung immer wieder berührt und wird hier deshalb in ihren verschiedenen Dimensionen herausgearbeitet. In der Forschung zu Unwiederbringlich unternimmt Michael Masanetz meines Wissens den einzigen Versuch, die Homöopathie explizit auf die Romanhandlung zu übertragen: “‘Similia Similibus’ - Ähnliches durch Ähnliches zu bezwingen: diesen Versuch unternimmt auch Holk - ohne es zu wissen - auf seiner Dienstreise ins Seeländische. Er, der doch das ganz andere sucht, treibt in Wirklichkeit den Teufel mit dem Beelzebub aus. Recht erfolgreich zunächst, - bis die Einfädler Pentz und Arne zur Stiftung der zweiten Ehe schreiten” (Masanetz 87). Sein Unglück mit der einen Frau heilte Holk demnach durch neue Frauen. Masanetz führt seine Überlegungen an dieser Stelle nicht weiter aus, der Metaphorik der Homöopathie geht er nicht weiter nach. Aber in der Autobiographie Heinrich Heines, die 180 Vera Bachmann Gustav Karpeles (der als Redakteur von Westermanns Monatsheften mit Fontane bekannt war) 1888 aus Selbstzeugnissen des Dichters herausgegeben hat, hat Heine seine Medizin gegen Liebeskummer dezidiert als ‘homöopathisch’ bezeichnet und gegen das Prinzip der Impfung ausgespielt: Aufrichtig gesagt: welche schreckliche Krankheit ist die Frauenliebe! Da hilft keine Inoculation. Sehr gescheidte und erfahrene Ärzte rathen zu Ortsveränderung und meinen mit der Entfernung von der Zauberin zerreiße auch der Zauber. Das Prinzip der Homöopathie, wo das Weib uns heilet von dem Weibe, ist vielleicht das probateste. (65) Kann man Holks Reise nach Dänemark als Therapie durch das Ähnliche beschreiben? Die Konfrontation mit den Sitten am Hof als Mittel verstehen, das bei einem Gesunden Symptome auslösen würde, die denen des Kranken gleichen? Von Schleswig aus erscheint Kopenhagen Holk als ein Ort, der ihm und seiner Gemütsart gemäß ist. Dort aber wird er durchweg als Fremdkörper identifiziert, als einer, der sich durch Herkunft und Verhalten von allen anderen unterscheidet. Zudem aktiviert die Berührung mit dem Ähnlichen bei Holk keine Selbstheilungskräfte, im Gegenteil. Das, woran Holk aus Sicht Christines krankt - seine Oberflächlichkeit und Leichtlebigkeit, das wird durch den Kontakt mit dem Milieu des Kopenhagener Hofs noch verstärkt. Ähnlich verhält es sich mit Christines Rückzug nach der Trennung von Holk: sie geht nach Gnadenfrei, also dem Ort, der ihre pietistische Frömmigkeit geprägt hat, kommt aber von dort nicht grundlegend verändert wieder. In beiden Fällen aktiviert die Begegnung mit dem Ähnlichen keine Selbstheilungskräfte der Figuren. Die Frage nach den Wirkungen der Ähnlichkeit wird aber nicht nur auf Ebene der Romanhandlung thematisiert, sondern durch die in den Roman eingestreuten Anekdoten reflektiert, die sich im Modus der Ähnlichkeit auf die Handlungsebene beziehen. Schon die erste Anekdote über Brigitte Hansen und ihren Ehemann erzählt von einer doppelten Heilung: der Bekehrung Brigittes zu ehelicher Treue und der Heilung ihres Ehemanns von seiner Eifersucht. Die Heilung erfolgt nach dem Simile-Prinzip, denn eigentlich müsste die Huldigung durch den König von Siam bei einem gesunden Ehemann Eifersucht auslösen. Da dieser bereits unter Eifersucht leidet, bewirkt die Medizin das Gegenteil: sie macht Brigitte immun gegen die Annäherungen der Verehrer in der Heimat und stellt das Vertrauen des Ehemanns wieder her. Die Parallele zwischen Anekdote und Romanhandlung benennt Holk selbst, allerdings ohne sie zu bemerken: “Ja, Frau Hansen,“ sagt Holk, der seine Frau Christine zu Hause zurückließ, “solche schöne Frau, mein’ ich, die nimmt man mit zum Nordpol bis an den Südpol, und wenn man’s nicht aus Liebe thut, so thut man’s aus Angst und Eifersucht” (GBA I/ 13: 91). Auf Holk kann die Geschichte ihre heilende Wirkung offenbar Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 181 nicht entfalten, weil er die Ähnlichkeit zu seiner eigenen Lage verkennt. Dafür zeitigt sie ganz andere Wirkungen, denn die schöne Brigitte geht Holk von nun an nicht mehr aus dem Kopf. Auch die Anekdote, die Pastor Scheppegrell zum Besten geben muss, weist Ähnlichkeiten zur Romanhandlung auf: Die Geschichte über den “merkwürdigen Ausnahmetag” im Leben des dänischen Königs Christian IV., an dem seine zweite Ehefrau sich plötzlich von ihm abwandte und “der räthselvolle eheliche Zwist seinen Anfang genommen hatte” (GBA I/ 13: 195) ließe sich unschwer auf den Verlust ehelicher Harmonie in Holkenäs beziehen, doch Holk, von der Prinzessin nach seiner Meinung gefragt, kritisiert sie auf anderer Ebene: “ich finde die Geschichte zu kleinen Stils und überhaupt etwas zu wenig” (GBA I/ 13: 195). Es folgt eine breite Diskussion über das Verhältnis kleinen und großen Stils, privaten und historischen Standpunkt, die Ebba auch auf das Verhältnis von Preußen zu Skandinavien überträgt und so kleine Geschichten und große Geschichte aufeinander bezieht. Die “Frage von Viel oder Wenig” (GBA I/ 13: 17) hatte Pastor Schwarzkoppen der Homöopathie zugeschrieben; auch dieses homöopathische Prinzip verhandelt der Roman auf verschiedenen Ebenen: “Kann man des Guten zu viel thun? ” (GBA I/ 13: 66) fragt Christine ihren Bruder Arne in einem Gespräch, und dieser bejaht: “Gewiß kann man das. Jedes Zuviel ist von Uebel. Es hat mir, so lang’ ich den Satz kenne, den größten Eindruck gemacht, daß die Alten nichts so schätzten wie das Maß der Dinge” (GBA I/ 13: 66). Christine dosiert ihre pietistische Frömmigkeit nach Ansicht Arnes falsch, sie tut des Guten zu viel und übertreibt ihre Sittenstrenge. Das Maß der Dinge scheint für die meisten Romanfiguren eher am Kleinen orientiert. So plädiert Asta kurz darauf für die Vorzüge der kleinen gegenüber der ‘großen Geschichte’: Sie verteidigt ihr Interesse an der Liebesgeschichte des Kapitän Brödstedt und seiner “Leuchtthurmstochter”, indem sie Literatur gegen Historie ausspielt: “Alles, was Märchen ist, ist meine Schwärmerei, meine Passion, und die Geschichte ‘vom tapfern Zinnsoldaten’ ist mir viel viel lieber als der ganze siebenjährige Krieg! ” (GBA I/ 13: 70). Proben solcher ‘kleinen Geschichte’ findet man im Roman häufig. Mit volksliedhaften Gedichten, Liedern, Briefen und Anekdoten werden zahlreiche kleine Gattungen in den Romantext integriert. Eine Parallele zu Astas Plädoyer für den Zinnsoldaten findet sich etwa in der Geschichte über den Admiral Herluf Trolle, die Pastor Scheppegrell auf Schloss Fredericksborg erzählt. Wie das Gemälde, das den Anlass der Geschichte bildet, ein “Doppel-Schlachtbild” (GBA I/ 13: 175) ist, so besteht auch die Geschichte aus zwei Teilen: einer Geschichte des “großen Seesieg[s] bei Oeland” (GBA I/ 13: 175), der durch ein kleines dänisches Schiff entschieden wird, sowie die von Brigitte Goje. “Ich sehe nicht ein”, bemerkt Edda dazu, “warum wir uns immer um die Männer oder gar um ihre Seeschlachten 182 Vera Bachmann kümmern sollen; die Geschichte der Frauen ist meist viel interessanter” (GBA I/ 13: 178). In diesem Fall hat die kleine Dosis weiblicher Geschichte erheblichen Einfluss auf die große Geschichte: Brigitte Goje erwirkte durch ihre Schönheit beim Bischof von Roeskilde eine Amnestie für die verfolgten protestantischen Geistlichen im Land und damit, wie Ebba bemerkt, “fast die ganze Beilegung des Kirchenstreits” (GBA I/ 13: 179). Die Funktion der Anekdoten in Unwiederbringlich hat Claudia Öhlschläger als Rahmung des Romangeschehens bestimmt, die dieses aus der Perspektive des Nebensächlichen beleuchtet (63). Sie hat die These vertreten, “dass die gerahmten Anekdoten nicht etwa die Romanhandlung auf ‘kleiner’ Ebene widerspiegeln, sondern vielmehr als Indikatoren eines Problemhorizonts fungieren, der realistisches Erzählen selbst betrifft” (64). Wenn Romanfiguren Anekdoten zum Besten gäben, gehe es immer auch um die Frage, wie sie erzählt werden könnten: “Der Wechsel vom Roman zur anekdotischen ‘Chronique scandaleuse’ heißt, einen neuen Rahmen zu öffnen, der für die Erzählinstanzen ein anderes Sprechen ermöglicht und für die Zuhörer/ Leser die Regeln der Authentifizierung und Konstitution von Realität sichtbar werden lässt” (64). Dies betrifft im Grunde aber auch die Anlage des gesamten Romans, der eine eheliche Skandalgeschichte mit der großen Politik verknüpft. In den Anekdoten reflektiert sich der Roman selbst als Teil einer “Chronique scandaleuse”, die selbstbewusst ihr Recht gegenüber einer offiziellen Geschichtsschreibung behauptet. Daher schließen sich Widerspiegelung der Romanhandlung und poetologische Metareflexion nicht aus, im Gegenteil: Die Einspielung eines Ähnlichen in kleiner Dosis, dieses homöopathische Prinzip der Anekdoten kann auf die Ästhetik realistischen Erzählens insgesamt bezogen werden; denn auch das vielbeschworene Prinzip der Widerspiegelung basiert auf Ähnlichkeit. Immer wieder geht der Roman aber auch auf die Wirkung der eingespielten Texte ein. Nicht nur die Anekdoten, auch die Gedichte und Liedtexte, die im Roman zitiert werden, beziehen sich nach dem Prinzip der Ähnlichkeit auf die Romanhandlung; insbesondere Christine sieht ihre Situation in ihnen gespiegelt. Implizit entwirft der Text so eine Wirkungsästhetik der Literatur. Die Texte werden zitiert und abgeschrieben, und auch hier spielt die Dosis eine Rolle: die Gedichte werden nur ausschnittsweise zitiert und damit weiter verkleinert, womit, folgt man der homöopathischen Logik, ihre Wirkkraft nur vergrößert wird. Holk und Christine bilden auch Gegenpole, was die Lektüre von Texten angeht. Während Christines identifikatorische Lektüre die Romanhandlung im Sinne einer self-fulfilling prophecy bestimmt, liest Holk anti-identifikatorisch. So wie er sein Haus aus Stilzitaten verschiedener Epochen zusammensetzt, bedient er sich literarischer Versatzstücke nach Belieben - deshalb können die erzählten Anekdoten auch nicht auf ihn wirken. Dagegen formuliert Schwarzkoppen auf Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 183 die Bitte Arnes, Christine von ihrem Starrsinn zu heilen, ein ausgefeiltes Programm einer homöopathischen Wirkungsästhetik: Nur ein “ganz Geringes“ (GBA I/ 13: 41) könne er tun, und das sei “ein prophylaktisches Verfahren. Verhütung, Vorbauung. Ich will mir Geschichten zurechtlegen, Geschichten aus meinem früheren Pfarrleben - in welch Verschlingungen und Verirrungen gewinnt man nicht Einblick! - und will versuchen, diese Geschichten still wirken zu lassen” (GBA I/ 13: 41—42). Wie in der Homöopathie vorgesehen, ist dieses Programm auf die Individualität der Patientin zugeschnitten: Ihre Schwester ist in gleichem Maße phantasievoll und nachdenklich; das Phantasievolle wird ihr das Gehörte verlebendigen, und ihre Nachdenklichkeit wird sie zwingen, sich mit dem Kern der Geschichte zu beschäftigen und sie so vielleicht zunächst zu einem Wandel der Anschauung und weiterhin zur Selbstbekehrung führen. (GBA I/ 13: 42) Alle Versatzstücke des Gesprächs über den homöopathischen Veterinärarzt werden hier genannt: Die geringe Dosis und das Prinzip der Ähnlichkeit, die Prophylaxe und die Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Nur an Stelle der Streukügelchen treten hier die ‘Geschichten’, also die Literatur. Über die tatsächliche Ausführung dieses Plans schweigt der Roman. Im letzten Teil des Romans wird die erhoffte Versöhnung der geschiedenen Ehepartner aber nochmals in medizinischer Metaphorik und entlang der Gegensätze von Allopathie und Homöopathie beschrieben. Explizit wird von ‘Heilung’ (oder deren Ausbleiben) gesprochen: “Holk, um es rund herauszusagen, ist nicht recht geheilt. Wenn er das Fräulein drüben geheiratet und über kurz oder lang eingesehen hätte, daß er sich geirrt, so fände ich mich vielleicht zurecht. Aber so verlief es nicht. Sie hat ihn einfach nicht gewollt” (GBA I/ 13: 272), schreibt Christine in einem Brief an den Bruder Arne, der dies an Holk weitergibt (denn die Ehepartner kommunizieren nicht direkt miteinander). Von einer Heilung Holks in Christines Sinne wäre also nur dann zu sprechen, wenn Holk durch die Beziehung zu Ebba selbst kuriert worden wäre, zu einer Frau also, die er, im Gegensatz zu Christine, für ihm ähnlich hält (“Eine Frau soll eine Temperatur haben, ein Temperament und Leben und Sinne. Aber was soll ich mit einem Eisberg? ” [GBA I/ 13: 247]). Durch Ebbas Absage scheidet diese Heilungsmöglichkeit allerdings aus. Bleibt die Frage nach einer Heilung Christines: Arne spricht in einem Brief an Holk ebenfalls von “Heilung”, die aber nicht durch einen Sinneswandel Christines erwartet wird, wie Holk ihn sich erhofft hatte. Arne dagegen stellt eine Versöhnung nicht trotz, sondern gerade wegen Christines Strenge in Aussicht: 184 Vera Bachmann Du hast unter Deiner Frau Dogmenstrenge gelitten, und ich habe Christine, als an ernste Conflicte noch nicht zu denken war, liebevoll gewarnt, Dich nicht in ein auf Leineweber berechnetes Conventikelthum oder wohl gar in eine Deiner Natur total widerstrebende Askese hineinzwingen zu wollen. Was darin von Anklage gegen Christine lag, das war berechtigt, und ich habe, um oft Gesagtes noch einmal zu sagen, weder Willen noch Veranlassung Etwas davon zurückzunehmen. Aber gerade in dieser ihrer Bekenntnißstrenge, darunter wir Alle gelitten, haben wir auch das Heilmittel. (GBA I/ 13: 278) Holk gegen seine Natur in eine Askese hineinzuzwängen: das wäre eine allopathische Heilmethode. Stattdessen sollen diejenigen Eigenschaften Christines, unter denen Holk litt und die ihn von seiner Frau entfernten, nun die Versöhnung herbeiführen, also Gleiches mit Gleichem kuriert werden: “aber was ihre Liebe vielleicht nicht vermöchte, dazu wird sie sich, wenn Alles erst in die rechten Hände gelegt ist, durch ihre Vorstellung von Pflicht gedrängt fühlen” (GBA I/ 13: 278). Das Heilmittel basiert auf Ähnlichkeit, und nicht auf Kontrast: Christine soll Holk aus Pflichtgefühl vergeben. Nach der zweiten Hochzeit bemühen sich beide um Verhaltensweisen der Konfliktvermeidung, die an die hygienischen Vorsichtsmaßnahmen des homöopathischen Veterinärs erinnern: “Von Meinungsverschiedenheiten war keine Rede mehr, und wenn sich Holk, was gelegentlich noch geschah, in genealogischen Excursen oder Musterwirthschaftsplänen erging, so zeigte die Gräfin nichts von jenem Lächeln der Ueberlegenheit, das für Holk so viele Male der Grund der Verstimmung und Gereiztheit gewesen war” (GBA I/ 13: 283—84). Aber auch dieser Art von Prophylaxe wird direkt im Anschluss eine klare Absage erteilt: […] aber dies ängstliche Vermeiden alles dessen, was den Frieden hätte stören können, das Abbrechen im Gespräch, wenn doch einmal ein Zufall ein heikles Thema heraufbeschworen hatte, gerade die beständige Vorsicht und Controle brachte so viel Bedrückendes mit sich, daß die letzten Jahre vor der Katastrophe, wo das eigentliche Glück ihrer Ehe schon zurücklag, als vergleichsweise glückliche Zeiten daneben erscheinen konnten. (GBA I/ 13: 284) Welche Arznei in welcher Dosis auch verabreicht wird: den Verfall dieser Ehe hält nichts auf. Ein Heilungsversuch nach homöopathischen Prinzipien wird so zuletzt noch einmal durchgespielt, um ihn scheitern zu lassen. Man könnte das auch als Absage an die dahinterstehende Methode verstehen - läge nicht deren Relevanz für den Roman ohnehin anderswo: in ihrer Erprobung als literarisches Verfahren. Der Roman verfolgt ein Erzählmodell, das einen Konflikt nicht über seine Ursachen motiviert und diesen nachgeht, sondern sich an dessen Wirkungen orientiert. Er experimentiert mit Heilungsversuchen durch das Ähnliche Similia similibus? Fontanes homöopathische Poetik in Unwiederbringlich 185 und nimmt mit dem homöopathischen Bekenntnis zur Wirksamkeit des Kleinen auch das Verhältnis von kleinen Geschichten und großer Geschichte sowie das Verhältnis der kleinen, eingespielten Textsorten und der Romanhandlung in den Blick. Fontanes Text verschiebt das Prinzip der Homöopathie so von der Ebene des Stofflich-Thematischen auf Ebene der Poetologie. Damit wird eine Perspektive eröffnet, die das Prinzip des ‘Similia Similibus’ in Beziehung zur Ästhetik des Realismus und ihrer Widerspiegelungstheorie setzen lässt. Auch wenn der Roman darauf keine abschließende Antwort findet: er stellt nichts weniger als die Frage nach den medizinischen Grundlagen einer Wirkungsästhetik der Literatur. Notes 1 Für diesen und andere wertvolle Hinweise danke ich John B. Lyon und Brian Tucker, die ganz wesentlich zum Entstehen vorliegender Arbeit beigetragen haben. 2 Wesentliche Beiträge zur Impfung wurden in Hufelands Journal veröffentlicht. Zur Theorie der Impfung, die in diesem frühen Stadium noch einige Parallelen mit den Überlegungen Hahnemanns aufwies und ebenfalls als poetologisches Prinzip erprobt wurde, siehe Cornelia Zumbuschs Studie Die Immunität der Klassik� 3 Der Arzt Effis in Effi Briest nach ihrer Rückkehr nach Hohen-Cremmen trägt seinen Namen. Doktor Wiesike ist im Roman kein Homöopath, aber er erkennt deutlich die psychosomatischen Grundlagen von Effis Krankheit (Müller-Seidel 18—19). 4 Nebenbei bemerkt wird an dieser frühen Stelle im Roman deutlich, dass Christine keineswegs im herrenhuterischen Kosmos aufgeht, so strenggläubig und prinzipienreiterisch sie auch sonst beschrieben wird. Ihr Festhalten an schlechten Ahnungen trennt sie von ihrer pietistischen Herkunft - das wird am Ende des Romans eine große Rolle spielen. Siehe dazu die Interpretation von Eva Geulen (108). Works Cited Berbig, Roland. “‘ … ein Stueck Doktor’ und ‘geschaetzter Dichter beim Pillendrehen’: Theodor Fontane auf medizinisch-pharmazeutischem Terrain. Ein Vortrag“. Fontane Blätter, 100 (2015): 112—127. Fontane, Theodor. Große Brandenburger Ausgabe. (GBA) Ed. Gotthard Erler et al. Berlin: Aufbau, 1994 ff. 186 Vera Bachmann Fontane, Theodor, and Bernhard von Lepel. Der Briefwechsel: Kritische Ausgabe. Ed. Gabriele Radecke. Schriften der Theodor Fontane Gesellschaft 5. Berlin: De Gruyter, 2006� Geulen, Eva. “Frauen vom Meer: Zum exzentrischen Ort von Theodor Fontanes ‘Unwiederbringlich’”. Theodor Fontane. Ed. Peer Trilcke. Munich: edition text + kritik, 2019. 101—12. 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