eJournals Colloquia Germanica 53/4

Colloquia Germanica
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0010-1338
Francke Verlag Tübingen
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2021
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Die Ordnung der Ökonomie: Zur Ambivalenz des Überflusses in Gustav Freytags Soll und Haben

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2021
Sebastian Meixner
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Die Ordnung der Ökonomie: Zur Ambivalenz des Überflusses in Gustav Freytags Soll und Haben Sebastian Meixner Universität Zürich Abstract: Order is not half of life but the whole of life� This is, in a nutshell, one of the few undisputed aspects in the scholarship on Gustav Freytag’s Soll und Haben (1855), an aspect that concerns both the text’s programmatic ideology and its form� This essay argues that Freytag’s omnipresent will to order depends on abundance on three levels� First, the novel grants a central role to streams, rivers, lakes, seas, and oceans, whose elemental violence serves as a basis for economic life� Second, this water motif of abundance is linked to rhetorical techniques of abundance (abundantia)� And third, these techniques become emancipated from their vehicle by being transferred to the tenor of the economy such that the water motif and the economic principle interact semantically� Agamben’s concept of economy serves as a theoretical basis for examining the three levels of abundance in Soll und Haben because his concept connects rhetoric and order� Keywords: Gustav Freytag, Soll und Haben, realism, economics, anti-Semitism Gustav Freytags Soll und Haben lebt vom bilanzierenden Ausgleich, worauf die titelgebende Metapher aus dem Rechnungswesen prominent hinweist� 1 Dieser Ausgleich ist aber nicht auf die buchhalterischen Posten der Bilanz beschränkt, sondern greift in einer Programmatik der Ausmittelung auch auf Figuren, Dinge und Handlungsstrukturen über� 2 Ein mittelmäßiger Held verkörpert mit mittelmäßigen Tugenden den Aufstieg einer neuen Mittelschicht, die mit rassistischen und antisemitischen Stereotypen und auf der Basis kolonialer Warenökonomie eine bürgerliche Nation konstituiert� Soll und Haben schreibt daher die “Poesie bürgerlicher Mittellage” (Gamper 344), 3 wobei alles, was nicht in dieses Programm des vermittelnden Ausgleichs passt, im Roman systematisch eliminiert wird: Zwielichtige jüdische Geschäftsleute, polnische Revolutionäre und adelige 374 Sebastian Meixner Standesdünkler fallen ihm zum Opfer, um den Aufstieg von Anton Wohlfart - nomen est omen - zum normativen Prototypen eines ökonomisch denkenden Bürgertums zu erzählen� Diese Feier der Mitte basiert auf einer Ökonomie, welche die erzählte Welt so ordnet, dass das Prinzip der ausgeglichenen Bilanz stets erfüllt wird� Am Schluss ist entsprechend alles auf dem rechten Platz: Boden, Güter und Geld sind in den richtigen Händen genauso wie alle Figuren in der richtigen Stellung� Diese Ökonomie der perfekten Ordnung hängt aber paradoxerweise vom Überfluss ab� Überflüssige Elemente und Verfahren der Abundanz lassen sich zwar nicht in die Bilanz integrieren und scheinen keinen Ort in der erzählten Welt zu haben, die darzustellen dem poetischen Realismus Programm ist� Trotzdem etabliert der Text seine Ordnung ausgerechnet mit dem Überfluss, und zwar auf drei Ebenen� Auf einer ersten thematischen Ebene spielen Bäche, Flüsse, Seen, Meere und Ozeane gerade im Überfließen eine motivisch strukturbildende Rolle� Auf einer zweiten Ebene sind an dieses Motiv traditionelle rhetorische und narrative Verfahren der abundantia gebunden� Auf einer dritten Ebene schließlich funktioniert der Überfluss auch unabhängig vom Wassermotiv, indem er als Bildspender auf ökonomische Prozesse übertragen wird� In der Perspektive dieses Aufsatzes ist der Überfluss also kein Fehler in der Ordnung oder der Ausdruck verschiedener Widerstände, die auf dem Bildungsgang des mittleren Helden und dem Weg zur möglichst homogenen Nation überwunden werden müssen� Der Überfluss ist die andere Seite einer auf Ausgleich setzenden Ökonomie, die kontinuierlich aktualisiert werden muss, um den Ausgleich überhaupt zu ermöglichen� Der Schlussstrich der Bilanz ist in dieser Logik ein stets vorläufiger, weil er den Beginn eines neuen Ungleichgewichts markiert� Um diese These zur Rolle des Überflusses in der poetischen Ökonomie der perfekten Ordnung zu erläutern, werde ich in einem ersten Schritt den Zusammenhang von Ordnung und Ökonomie mit Giorgio Agamben herleiten und den Überfluss auf dieser Basis als strukturbildend beschreiben� Anschließend werde ich an vier Stellen in Freytags Roman zeigen, inwiefern die Poetologie des Ausgleichs vom Überfluss abhängt� Erstens tendiert die Fülle des Kontors zum Überfluss� Die unüberschaubare Menge an den dort gelagerten Waren wird mit dem Wassermotiv in Beziehung gesetzt; die semantische Interaktion verselbstständigt sich in der Dynamik der Liste� Zweitens wird die zentrale Figurenkonstellation zwischen Anton und Fink am Fluss verortet, der für das wirtschaftliche Leben der Stadt von Bedeutung ist� Der hier abermals thematische Überfluss wird mit der repetitiven Erzählung kombiniert und zum Katalysator der wichtigsten Beziehung im Roman� Drittens bebildert der Überfluss die entscheidende Probe in den Kämpfen in Polen und damit den unbestrittenen Höhepunkt des Romans, wobei die Beziehung zwischen Fink und Anton nun Die Ordnung der Ökonomie 375 arbeitsteilig differenziert wird: Antons ökonomische Kompetenz im Umgang mit dem Wassermangel ergänzt Finks wiederholten narrativen Umgang mit dem Überfluss� Diese produktive Wendung des Überflusses führt viertens zum Ende des Romans, der konsequenterweise im Wasser schließt� Denn die beiden Antagonisten Hippus und Veitel Itzig ertrinken im Hochwasser führenden Fluss, wobei der thematische Überfluss mit dem metaphorischen Kreislauf der Ökonomie semantisch interagiert� Das Ertrinken der Antihelden wird damit in die Nähe zu einer ökonomischen Ordnung gerückt, in der alle stets bekommen, was sie verdienen: Der Überfluss wird zum Katalysator der normativen Ordnung� In Herrschaft und Herrlichkeit. Zur theologischen Genealogie von Ökonomie und Regierung macht Agamben darauf aufmerksam, dass oikonomia verstanden als “Regierung und effizient[e] Verwaltung” (11) nicht epistemisch funktioniert� 4 An die Stelle des Erkennens von Dingen tritt eine möglichst effektive Disposition oder Ordnung der Dinge� Die Ökonomie ist damit “weder an ein Regelsystem gebunden […] noch eine Wissenschaft im eigentlichen Sinn” (Agamben 32); sie will nicht die Welt der Wirtschaft und ihre Gesetze erkennen, sondern Modelle einer möglichst effektiven Verteilung im Sinne der Bewirtschaftung entwickeln und dann vor allem in diesem Sinne tätig werden� Agamben leitet diese Ökonomie von den theologischen Debatten im frühen Christentum her und modifiziert damit die These von Carl Schmitt, dass die “Begriffe der modernen Staatslehre […] säkularisierte theologische Begriffe” (16) sind� Dabei gilt das Modell nicht nur für die Theologie, die sich in der Säkularisierung in andere Felder transformiert, sondern auch für die moderne Ökonomie� Die Theologie ist demzufolge selbst bereits ökonomisch und stellt nicht erst nach der Säkularisierung ökonomische Begriffe bereit� Die Ökonomie beerbt also nicht etwa als säkulare Fortsetzung die Theologie� Vielmehr hat die Theologie bis in die Moderne durch ihre Arbeit am Konzept von oikonomia Anteil an der Begriffsbildung der Ökonomie� In der Theologie ist die Ökonomie folglich seit dem frühen Christentum verankert; diesem Erbe kann sich die moderne wirtschaftswissenschaftliche Ökonomie nicht entziehen� Die von Agamben freigelegte theologisch-patristische Lesart des ökonomischen Modells basiert aber wiederum auf rhetorischen Theorien der Ordnung� Denn dort gewinnt das Strukturmodell der Ökonomie ihr Profil, weil die Rhetorik spätestens seit Quintilian verschiedene Ordnungen auch im Rekurs auf den Begriff der oikonomia in allen officia oratoris diskutiert� Dabei geht es nicht um das Erkennen verschiedener Ordnungen - nicht einmal einer vorgegebenen natürlichen Ordnung -, sondern explizit um die praktische Bewirtschaftung verschiedener Elemente in einer möglichst effektiven Anordnung� Obwohl die Ökonomie in der antiken Begriffsgeschichte notorisch unterbestimmt ist 376 Sebastian Meixner (G�-Richter 1-31, bes� 13), hat die Rhetorik die größte ordnungsstiftende Funktion, wie Agamben mit Verweisen auf Quintilian, Cicero und Pseudo-Longin erläutert� Die konzeptgeschichtliche Linie von Theologie zu Ökonomie ist folglich nicht nur komplex im Sinne einer Verankerung, sondern verweist bis heute auf eine rhetorische Basis� Der Ökonomiebegriff verändert nicht seine Bedeutungen, sondern erweitert sie kontinuierlich (Agamben 36)� Ordnung verstanden als möglichst effektive Verteilung der Elemente ist also die aus der Rhetorik entlehnte Basis der ökonomischen Theorie� Mit dieser Ordnung untrennbar verbunden ist aber der Überfluss, der unter dem Begriff der abundantia seit den antiken Rhetoriken den Prüfstein der Ordnung bildet� Als Subtypus der copia ist die vom “Überfließen des Wassers” (Bernecker 21) 5 hergeleitete abundantia grundsätzlich ambivalent: Sie bezeichnet sowohl eine “gesunde Fülle” als auch ein “schädliches Übermaß” (Bernecker 21)� Trotz dieser Ambivalenz setzt etwa Quintilian den Überfluss an den Beginn der rhetorischen Ausbildung, wo der Redner sich zunächst ohne jedes Maß in abundantia üben soll, um das volle Potenzial der amplificatio - der Kunst, aus wenig viel zu machen - auszuschöpfen (Quintilian II 4: 5-14)� Der Verweis auf die amplificatio macht deutlich, dass die abundantia in die rhetorische Topik führt, die zwischen Argumentationsfindung (inventio) und -ausschmückung (elocutio) angesiedelt ist� Damit steht der Überfluss in Spannung zur “Auswahl und Anordnung” der Rede (dispositio) (Lausberg § 46, 27), weil insbesondere die Amplifikation die Grenzen der rhetorischen Effektivität notorisch zu überschreiten droht (Lausberg §§ 71-83, 35-39)� Der Überfluss ist deshalb die Reflexionsfigur für die Maßstäbe effektiver Ordnung� Entsprechend ist der strukturelle Gegenbegriff der abundantia auch nicht der Mangel oder die Kürze (brevitas) als ihr thematisches Gegenteil, sondern die der Angemessenheit (aptum) folgende Ordnung� Sie definiert als Maßstab die Grenze, die in der abundantia überschrittenen wird (Lausberg § 99, 43 f�)� Überfluss und Ordnung sind also zwei Seiten derselben Medaille� Die im Grunde ökonomische Ordnungsstiftung der Literatur wird in besonderem Maß für die Programmatik des poetischen Realismus relevant, weil seit der Umstellung von Nachahmung auf Darstellung um 1800 die Einrichtung und Ordnung der dargestellten Welt exponiert ist� 6 Die Ökonomie dieser Ordnung geht dabei über das dargestellte wirtschaftliche Handeln weit hinaus und betrifft alle Bereiche poetologischer Ordnungsstiftung� Nicht von ungefähr ist deshalb die Ordnung ein Zentralbegriff in den Programmschriften des poetischen Realismus� 7 Denn er erlaubt etwa Friedrich Theodor Vischer, selbst hässliche oder misstönende Elemente der ‘Realität’ in die realistische Programmatik zu integrieren, solange sie durch die Ordnung ausgeglichen und in einer “Harmonie” aufgehoben werden (Steinecke, Romantheorie 227, Achinger, “Prosa” 72-84)� Überfluss ist damit im Rahmen des Strukturmodells des poetischen Realismus Die Ordnung der Ökonomie 377 eine exponierte Reflexionsfigur, weil sie die Intensivierung einer Realität - etwa im vieldiskutierten Postulat der Verklärung (Baßler 58-77) - sowohl produziert als auch gefährdet� Dieses Potenzial einer Reflexionsfigur zeigt sich in den drei Ebenen, auf denen der Überfluss in Soll und Haben erscheint und deren Zusammenhang poetologisch einzigartig ist, weil er thematische Elemente mit narrativen wie rhetorischen Verfahren verbindet� Auf einer ersten Ebene ist der Überfluss schlicht Thema und funktioniert im Verlauf des Romans motivisch: überfließendes Wasser kennzeichnet an entscheidenden Punkten die erzählte Welt und reflektiert die Topologie der so verletzten Grenzen� Auf einer zweiten Ebene ist diese Thematik auffällig oft an narrative und rhetorische Verfahren gebunden, wie sie die abundantia bündelt: überfließendes Wasser wird mit überfließender Rede bzw� Erzählung assoziiert� Auf einer dritten Ebene emanzipiert sich das Bildinventar des Überflusses von der Thematik überfließenden Wassers, die nun als Bildspender die Logik der abundantia auf weitere Motive überträgt und so metastasiert� Wie diese drei Ebenen zu einem realistischen Erzählen in der Programmatik universeller Ordnungsstiftung führen, möchte ich im Folgenden zeigen� Eigentlich hat der Überfluss keinen Platz in der Welt von Soll und Haben� Im Katalog der bürgerlichen Tugenden haben stattdessen Ordnung, Regelmäßigkeit, Fleiß, Pflichtbewusstsein, Gehorsam und Realitätssinn Konjunktur (Steinecke, “Gustav Freytag” 141)� Der Überfluss scheint in Form von Luxus lediglich ein Rest des ökonomisch nicht mehr tragbaren und moralisch fragwürdigen Repräsentationsbedürfnisses auf der Seite des Adels eindeutig abgewertet zu sein (Twellmann 359)� Auf mehreren Ebenen wird diese normative Dichotomie von adeligem Überfluss und bürgerlichem Maß aber unterlaufen� Eine wichtige Rolle spielt dabei der Fluss in der erzählten Welt von Soll und Haben, der als Ort von sauberen und weniger sauberen Geschäften das Wirtschaftsleben prägt (vgl� SH 69); er verbindet zudem die oft mit Breslau identifizierte Provinzhauptstadt mit dem Meer und dem darauf stattfindenden Welthandel� Dass der Überfluss systematisch Teil gerade der bürgerlichen Welt ist, macht aber bereits der erste Satz des Romans deutlich, der den berühmten Anfang von Heines Harzreise invertiert, 8 ausgestaltend abschwächt und verschiebt� Statt der Göttinger Würste und Universität kennzeichnet Freytags Ostrau die Assoziation von Gymnasium und Pfefferkuchen: Ostrau ist eine kleine Kreisstadt unweit der Oder, bis nach Polen hinein berühmt durch ihr Gymnasium und süße Pfefferkuchen, welche dort noch mit einer Fülle von unverfälschtem Honig gebacken werden� (SH 5) 378 Sebastian Meixner Mir kommt es weniger auf die analog zu Heine konstatierende rhetorische Syllepse von Singular (Gymnasium) und Plural (Pfefferkuchen) an (Groddeck 172 f�), oder auf die durch das Lokaladverb ‘hinein’ bereits kolonialistisch expansive Richtung der Berühmtheit an� Schon eher spielt für mein Argument die Etymologie des Ortsnamens ‘Ostrau’ eine Rolle, die sich als ‘schnelles Wasser’ paraphrasieren lässt, 9 und mehr noch die narrative Ausgestaltung des Erzählanfangs� Diese narrative Ausgestaltung verbirgt sich im Relativsatz, der die süßen Pfefferkuchen zum Merkmal von Ostrau bestimmt und so als Ort der Fülle inszeniert� Die Fülle erhält durch das Adjektiv “unverfälscht” und das Adverb “noch” darüber hinaus den zeitlichen Index einer sich zum Zeitpunkt des Erzählens verändernden Tradition: Ostrau wird also als idealer Ursprungsbzw� Geburtsort in Szene gesetzt� Dass in dieses kleine und peripher gelegene Ostrau die große Welt in Gestalt der jährlichen Weihnachtssendung aus der Hauptstadt einzieht und mit ihr “ein poetischer Duft” (SH 7), der Folgen für Antons Berufswahl und weiteren Werdegang hat, wurde in der Forschung vielfach bemerkt� 10 Insbesondere von Bedeutung ist, dass diese regelmäßige Sendung auf keinen Fall in den “Wirtschaftsplänen” (SH 7) des Haushalts vermerkt werden darf: Sie taucht im Soll und Haben des Privathaushalts also explizit nicht auf; sie verkörpert ein Surplus, das gerade deshalb der Ausgangspunkt des gesamten Romans ist, weil es zwar nicht bilanziert werden kann, wohl aber in seiner Bedeutung für den Protagonisten narrativiert werden muss� Der Ursprung dieser Sendung ist dabei für mein Argument noch bezeichnender gestaltet� Das Geschäftsmodell der Firma Schröter ist - auch darauf hat die Forschung vermehrt hingewiesen - gemessen an den 1850er Jahren anachronistisch: Denn sie erwirbt “mit eigenem Gelde” Waren und hält sie “auf eigene Gefahr vorrätig” (SH 51)� 11 Diese Waren scheinen indes ein expansives Eigenleben zu entwickeln, ganz als sei das Ziel des Geschäfts weniger der Handel und Verkauf, als vielmehr der Einkauf und das Horten von Waren� Das Unternehmen wird dabei in einem asyndetischen Trikolon - “[d]as Gebäude, der Haushalt, das Geschäft” (SH 51) - auffällig eng geführt mit dem Haushalt der Schröters, obwohl es eine für Anton wahrnehmbare “Schranke […] zwischen den Herren vom Kontor und den Personen des Hauses” (SH 61) gibt� Das weist darauf hin, dass die Handlung eine für Anton am Anfang nur schwer zu durchschauende Ordnung darstellt und dass dieses Geschäft beständig in den Bereich des Haushalts - personifiziert durch die Schwester des Prinzipals als finale Heiratskandidatin - übergreift� 12 “Meine Schwester regiert uns alle”, erklärt der Prinzipal das Ordnungsprinzip der Handlung durch das als “Hausfrau” und “gute Fee” inszenierte “Fräulein Sabine” (SH 57)� Sie ist die fürsorgende Herrin des verwinkelten Hauses mit seinem Zentrum, dem Warenlager voller “Tonnen, Kisten und Ballen”, das Anton zur “Quelle einer eigentümlichen Poesie” gereicht (SH 60)� Die Ordnung der Ökonomie 379 Diese Quelle ist hier in ihrer literalen Bedeutung ernst zu nehmen� Schließlich enthält das Lager nur “Warenproben und klein[e] Vorräte” und weist damit auf die übertragene Bedeutung der Gegenstände für Antons Einbildungskraft hin, verbindet aber gerade deshalb “[f]ast alle Länder der Erde” und “alle Rassen des Menschengeschlechts” (SH 60); es verweist mit den Waren auf die sie produzierende Arbeit und vor allem auf ihre Transportwege� Für die Imagination des Transportes entscheidend ist das Element Wasser: Fast alle Länder der Erde, alle Rassen des Menschengeschlechts hatten gearbeitet und eingesammelt, um Nützliches und Wertvolles vor den Augen unseres Helden zusammenzutürmen� Der schwimmende Palast der ostindischen Kompanie, die fliegende amerikanische Brigg, die altertümliche Arche der Niederländer hatten die Erde umkreist, starkrippige Walfischfänger hatten ihre Nasen an den Eisbergen des Süd- und Nordpols gerieben, schwarze Dampfschiffe, bunte chinesische Dschunken, leichte malaiische Kähne mit einem Bambus als Mast, alle hatte [! ] ihre Flügel gerührt und mit Sturm und Wellen gekämpft, um dies Gewölbe zu füllen� (SH 60) Wasser umspannt die Welt (Werber 463-466; S� Richter 279), wobei der Erzähler ins Detail geht, um in einem kleinen, synekdochisch und klimaktisch verfahrenden Schiffskatalog die globalen Wirtschaftsverflechtungen darzustellen und in eine narrative Motivierung zu überführen, die das gefüllte Warenlager und Antons Augen als Ziel der Weltwirtschaft inszeniert� 13 Mit dem Medium des Wassers werden bereits hier Arbeit und Kampf assoziiert, was für die weiteren Begegnungen mit dem Wasser funktional werden wird� In der an den Schiffskatalog anschließenden Erzählung von den durch den Kampf mit dem Wasser erworbenen Objekten werden aus diesen Dingen Tätigkeiten: “eine Hindufrau”, ein “fleißige[r] Chines[e]” oder ein “Neger aus Kongo” (SH 60) haben zum exotistischen Traum des Kolonialwarenlagers beigetragen� Dergestalt wird aus der listenartigen Aufzählung eine Geschichte, sodass die Gegenstände in szenischem Präsens schließlich verlebendigt werden: 14 Auch abenteuerliche Gestalten ragten wie Ungetüme aus dem Chaos hervor: dort hinter dem offenen Faß, gefüllt mit oranger Masse - es ist Palmöl von der Ostküste Afrikas -, ruht ein unförmiges Tier - es ist Talg aus Polen, der in die Haut einer ganzen Kuh eingelassen ist; - daneben liegen, zusammengedrückt in riesigem Ballen, gepreßt mit Stricken und eisernen Bändern, fünfhundert Stockfische, und in der Ecke gegenüber erheben sich über einem Haufen Elefantenzähne die Barten eines riesigen Wals� (SH 61) Das Warenlager wird so zu einem durch den Erzähler in Parenthesen erläuterten Kuriositätenkabinett� 15 Es löst nicht in seiner Ordnung, sondern mit seinem “Chaos” (SH 61) die Geschichten von der Herkunft und vom Transport seiner 380 Sebastian Meixner Objekte aus und steht so stellvertretend für die ganze Welt� Außerdem lässt es Anton die Zeit vergessen und verkörpert mit einer “ewige[n] Gleichförmigkeit der Stunden und Tage” (SH 59) eine spezifische Zeitlichkeit, in die sich mit Ausnahme von Fink alle Mitglieder der Warenhandlung - nicht zuletzt Anton - einfügen (Hnilica, “Zauberkreis” 80-84; Hnilica, “Anton” 268-274)� Gerade diese Zeitvergessenheit wird abermals mit dem Wasser bebildert, wenn die imaginäre Reise durch das “Rauschen der See” und die “Wogen des Meeres” (SH 61) beendet wird� Der Überfluss tritt in die Ökonomie des Romans damit entschieden auf der Seite der Produktion ein: Der Konsum der Waren spielt hingegen keine Rolle und wird erst recht nicht mit dem für die Produktion und den Handel so überbetonten Wasser verbunden� Das Handelshaus wird dabei auffällig oft mit einer gouvernementalen Metaphorik beschrieben� Fräulein Sabine ist seine Regentin so wie Anton zu Beginn als ein “kleiner Vasall eines großen Staatskörpers” (SH 74) bezeichnet wird� Der erste Disponent wird in dieser fein abgestimmten und gut bevölkerten Regierungsmaschine besonders hervorgehoben: Aber die größte Tätigkeit unter allen, eine kriegerische, wahrhaft absolute Feldherrntätigkeit entwickelte Herr Pix, erster Disponent des Provinzialgeschäfts� […] Er hatte die ganze Spedition der Handlung unter sich, regierte ein halbes Dutzend Hausknechte und ebenso viele Auflader, schalt die Fuhrleute, kannte und wußte alles […]� (SH 76) In der Ökonomie der Handlung ist Pix deshalb so exponiert, weil er sowohl Feldherr als auch Regent ist und in dieser Doppelfunktion Schröters Warenlager stetig expandiert und neu ordnet - bis auf den “Wäscheboden” und “in die Kammern der Dienstmädchen” (SH 77)� Er wird zum ersten einer Reihe von Vorbildern für Anton und ist mit seiner Tätigkeit ein Indiz dafür, dass die Ökonomie des Kontors nicht scharf vom Haushalt abgegrenzt, sondern über eine gemeinsame Logik untrennbar mit ihm verbunden ist� Darüber hinaus wird mit dieser expansiven Tendenz der Warenhandlung ihre kolonialistische Basis gespiegelt und zugleich die expansive Tendenz des Romans mit den Handlungssträngen in Polen und Amerika vorweggenommen� Sabines als “Schatzkammer” (SH 90) bezeichnete Vorratskammer ist folgerichtig strukturanalog zum Warenlager und nicht ihr Gegenteil (Twellmann 384)� Wie das Warenlager mit Pix und seinen Hausknechten, Aufladern und Fuhrknechten funktioniert, so wird die Vorratskammer als Mikrodouble von Sabine direkt beherrscht� Obwohl nämlich die dort gelagerten Dinge der Zirkulation des Handelshauses im engeren Sinn entzogen sind, finden sich hier “unzählige” (SH 90) Dinge mit Bedeutung (vgl� SH 422 f�), die vor einer unsachgemäßen Nutzung geschützt werden müssen� Das wohldisponierte Geschäft zieht also seine Kraft aus zwei analog funktionierenden Zentren, in denen stets zu viele Waren vorrätig gehalten werden kön- Die Ordnung der Ökonomie 381 nen, als dass die Erzählung sie aufzählen und Anton diese überblicken könnte� Lediglich Pix und Sabine haben diesen Überblick und verantworten die Fülle und die Ordnung der Objekte in ihrem Herrschaftsbereich� Vom ersten Satz des Romans ist damit klar, dass die Fülle entscheidenden Anteil an der Entwicklung des Romans wie des Protagonisten hat� Diese Fülle wird konkretisiert im Warenlager des Handelshauses, das durch einen doppelten Überfluss gekennzeichnet ist� Denn es expliziert den Überfluss einerseits thematisch, indem der Wasserweg für die Produktion und den Transport der Waren betont wird� Andererseits greift die Darstellung dieses Überflusses auf rhetorische Verfahren der abundantia zurück: Im Schiffskatalog wie in der kommentierten Liste wird der Effekt dieses Verfahrens auf Antons Einbildungskraft darüber hinaus fixiert und mit der Regierungsmaschine des Handelshauses eng geführt� Die expansive Tendenz der Warenhandlung hängt von der imaginären Ökonomie eines proliferierenden Umsatzes ab, die im so dargestellten Warenlager ihr Zentrum findet� Der wörtliche Überfluss und die Verfahren der abundantia sind damit vom Beginn des Textes an aneinander gekoppelt� Das Handelshaus ist das normative Zentrum des Romans und als solches vom Überfluss seiner Dinge geprägt� In seine wohldisponierte Regierungsmaschine fügt sich Anton im Laufe des Romans allerdings gerade nicht ein� Dafür sorgen Fink und die Familie Rothsattel� Bevor er ab dem vierten Buch des Romans das nach fehlgeleiteten Spekulationen noch verbliebene Vermögen der Rothsattels verwaltet und deshalb das Handelshaus verlässt, wird Anton im zweiten Buch in die Welt des Adels eingeführt und damit im Gegensatz zu den anderen Angestellten des Kontors gesellschaftsfähig� Fink vereint im Gestus der perfekten “kleinbürgerlichen Männerphantasie” (Cuonz 102, vgl� Kafitz 79-82) alle dafür notwendigen Charaktereigenschaften: Er ist adeliger Dandy mit bürgerlichen Werten, Kosmopolit wie Kolonist, kurz: “eine glänzende Partie in jedem Sinne des Wortes” (SH 131) und darum sowohl attraktiv als auch gefährlich für die bürgerliche Ordnung, weil die Welt des Adels Anton von seinem bürgerlichen Pfad abzubringen droht� Als Komplement und im Kontrast zu dieser schillernden Figur muss sich Anton - wie auch zu Veitel Itzig und anderen Figuren - entwickeln (Kafitz 69 ff�, Rakow 134)� Vor der Einführung in die gute Gesellschaft und ihre Fallstricke ist die Beziehung zwischen Fink und Anton - ganz im Schema der Männerfreundschaft - 16 überhaupt zu etablieren� Sie wird es auf dem bzw� im Fluss - im neunten Kapitel des ersten Buches, einem Kapitel, das eigentlich weitgehend unmotiviert ist, aber die Ambivalenz des Überflusses für die Ökonomie des Romans markiert� 17 Die Konstellation ist simpel: Fink hat ein Boot bauen lassen und lädt Anton zu einer Testfahrt ein� Dabei gibt es zwei Probleme� Erstens ist das Boot anders als 382 Sebastian Meixner die Schiffe des Welthandels nur eingeschränkt seetüchtig; seine Konstruktion ist trotz der Pläne von Fink nicht recht gelungen, weil Kielboote in der Gegend “etwas Unerhörtes” (SH 119) sind� Zweitens ist Anton Nichtschwimmer� Als abzusehen ist, dass das Boot kentern wird, instruiert Fink Anton, im Wasser nicht nach Finks Körper zu greifen, und fordert ihn auf, sich Kleidung und Schuhe auszuziehen, weil es “im Negligé” (SH 121) einfacher zu schwimmen sei� Vor allem aber erzählt Fink eine gemessen am Gesamtkapitel nicht unerheblich lange Geschichte, die als klassische Deck- und Schutzerzählung funktioniert� Diese Geschichte handelt von Finks Selbstrettung vor dem Ertrinken - und zwar nicht auf einem mittelgroßen Fluss in der deutschen Provinz, sondern diesen Fluss selbstredend überbietend im Atlantik� Sie wird im Gestus der Abenteuererzählung mit der Imagination großer Fahrten “auf einem anständigen Meer” (SH 121) eingeleitet, woraufhin Fink als Beispiel für eine weitaus gefährlichere Situation die Geschichte seiner Rettung erzählt - zunächst als die Geschichte “eine[s] guten Freund[es]” (SH 121)� Sie beginnt idyllisch “an einem glorreichen Abend” (SH121) im szenischen Präsens, “das Wasser ist wohlig warm, um ihn glitzert in der Abendsonne die Flut von zehntausend bunten Farben, und über ihm lodert das goldene Licht des alten Himmels” (SH 121 f�)� Doch die mit Bildern des Überflusses angereicherte Idylle kippt mit der untergehenden Sonne in ihr Gegenteil� Nach einer Phase der Desorientierung erkennt der schwimmende Fink die Richtung des rettenden Landes und erzählt nun wieder im distanzierenden Präteritum: Jetzt entstand die Frage, wer stärker war, die Strömung des Meeres oder mein Arm� Ein mörderisches Ringen mit dem perfiden Schurken von Wassergott begann� Durch die Stöße Eurer Schwimmschule wäre ich nicht weit gekommen; ich rollte wie die Seekälber und die Wilden und griff Hand um Hand vorwärts� So konnte ich’s im Notfall ein paar Stunden aushalten� Und jetzt arbeitete ich� Es war ein harter Kampf, der mächtigste meines Lebens� Unterdes wurde es finster, die smaragdgrünen Wellen verwandelten sich in eine Flut von schwarzem flüssigem Pech, nur ihre Häupter schimmerten noch von dem weißen Gischt wie gebleichte Totenschädel, welche um mich aufstiegen und mich anspuckten� Der Himmel hing bleigrau über mir, nur zuweilen blinzte ein einzelner Stern hinter dem Wolkenrauch auf, das war mein einziger Trost� (SH 122 f�) Finks intradiegetische Erzählung verbindet mehrere Register in virtuoser Weise und folgt einer Logik der Überbietung, die sich rhetorisch in einer qualitativen Steigerung ausdrückt: Mythologische sowie exotistische Vergleiche und Metaphern kombiniert sie mit ironischen und bildreichen Kommentaren zur europäischen Schwimmschule� Der anhand der Farbmetaphorik zunächst positiv und dann jäh negativ bewertete Überfluss wird hier abermals zum Katalysator Die Ordnung der Ökonomie 383 der Assoziation von Arbeit und Kampf, die Fink sowohl als guten Kämpfer wie auch als unermüdlichen Arbeiter ausweist� 18 Die Rettungsgeschichte in heroisierendem Gestus kommt zu ihrem Höhepunkt, als “die teuflische Schwärze” ihn dazu verleitet, “die unnütze Arbeit aufzugeben”, bis er schließlich “halb besinnungslos” (SH 123) das Ufer erreicht� Finks Erzählung erfüllt ihren Zweck, er bricht ab, sieht “prüfend auf Anton” (SH 123) und fordert ihn auf, sich für ein Wendemanöver fertig zu machen� Dieses Manöver misslingt wie vorhergesehen, das Boot kentert und Anton geht “seinem Versprechen getreu” (SH123) widerstandslos unter� Finks Erzählung dient also keineswegs dazu, Anton zu zeigen, “wie man sich im Wasser zu benehmen hat” (SH 125), obwohl Fink das am darauffolgenden Tag retrospektiv so formulieren wird� Stattdessen bildet sie die Grundlage für das Vertrauen von Anton in Fink bzw� in dessen Beherrschung des Elements� Sie ist damit weniger eine Aufforderung zur Nachahmung als vielmehr eine vertrauensbildende Anleitung, sich maximal passiv retten zu lassen� Denn Fink rettet Anton selbstverständlich in der Rolle, in der er sich selbst gerettet hat: als “Freund, auf den [er] [s]ich in einer Krisis gern” verlässt (SH 121) und eben “wie er versprochen hatte” (SH 123)� Anschließend kümmert er sich um Anton “mit der größten Zärtlichkeit” (SH 124), bis dieser wiederhergestellt ist� Als Medium eines wechselseitigen Versprechens erfüllt die Geschichte also ihre Funktion: Fink verspricht, Anton zu retten so wie Anton verspricht, sich vertrauensvoll retten zu lassen� Für Fink wird Anton nach bestandener Probe zum “märchenhafte[n] Kerl” (SH 124); die Männerfreundschaft ist besiegelt� Diese Besiegelung erfolgt strikt nach Finks Skript, der den Kahn, die Fahrt, den Untergang, die Rettung und sogar die retrospektive Interpretation plant und durchführt� Anton hat in diesem Skript lediglich “willig [zu tun], wie ihm befohlen war” (SH 121)� Finks Souveränität zeigt sich darüber hinaus daran, dass er mit seiner intradiegetischen Erzählung klar die narrative Autorität besitzt, zumal er nach der erfolgreichen Rettung auch den zentralen Vergleich wiederholt, den der extradiegetische Erzähler vor der gefährlichen Fahrt angeführt hat� Während nämlich der Erzähler das Boot vor dem Unfall “wie eine große Kürbisschale” (SH 119) charakterisiert und es anschließend direkt als “Kürbis” (SH 120) bezeichnet, ist die Autorität dieses Vergleichs erst nach der erfolgreichen Rettung auf Fink übergegangen, der nun das untergehende Boot ebenfalls “Kürbis” (SH 124) nennt� Erzählerbericht und Figurenrede bedienen sich also nacheinander desselben Bildes, um die Untauglichkeit des Bootes zu veranschaulichen, wobei die Figurenrede die Metaphorik des Erzählerberichts übernimmt� 19 Fink bestätigt das Urteil des Erzählers und ist damit als eine Figur etabliert, die nicht nur mit dem Element, sondern vor allem auch mit Worten umgehen kann� Zu viel Wasser begegnet Fink mit zu viel Rede, in der noch mehr Wasser thematisiert wird� 384 Sebastian Meixner Gleiches gilt von Finks bereits angedeuteter repetitiver intradiegetischer Erzählung am darauffolgenden Sonntag, als bei der Geburtstagsfeier des Prinzipals die Ereignisse auf dem Fluss zum Thema werden� Fink erzählt der Tante des Hauses von Unfall und Rettung, die sich schließlich - ganz komisches Klischee - mehr um die Röcke als um Fink und Anton sorgt� Dabei stellt Fink den Unfall vom Vortag lässig und souverän als Experiment dar, “wie sich Master Wohlfart beim Ertrinken benehmen würde” (SH 125)� Mit einem verändert wiedergegebenen, dabei das Metrum ebenfalls souverän ignorierenden Goethe-Zitat und nonchalanten Anspielungen auf “schmutzige Nixen” (SH 125) im Fluss, von denen Fink Anton befreit habe, überbietet Fink hier auch noch Goethe quantitativ, indem er aus der einen Nixe der Fischer-Ballade mehrere Nixen macht� Damit findet der zum zweiten Mal intradiegetische Erzähler erneut zu seiner im Konversationston vorgetragenen narrativen Überlegenheit - ganz wie in der Erzählung von seiner Rettung im Atlantik unmittelbar vor dem Bootsunfall� Diese zweite intradiegetische Erzählung hat in ihrer Repetition der bereits durch den Erzähler vermittelten Ereignisse eine entscheidende Funktion für den Verlauf des Romans, weil sie durch ihre Wirkung auf Sabine die Beziehung zwischen Fink und Anton trianguliert� Während Fink Anton nun vor der Tante als “Bruder” (SH 125) bezeichnet, löst Sabines tränenreiche Reaktion auf Finks kühl erzählte Geschichte “brüderliche Zärtlichkeit” (SH 128) in Anton aus� Ihm wird “deutlich, daß ihr [= Sabines] Kummer mit Fink in irgendeiner Verbindung stand” (SH 128)� Gleichzeitig weiß der Erzähler, dass Anton für Fink zwar “hingebende Neigung” (SH 128) empfindet, für Sabine aber nun voller “Rührung und heißem Mitgefühl” (SH 129) entbrannt ist� Die Beziehung zwischen Sabine und Anton und damit der Zielpunkt des gesamten Romans wird hier entscheidend vorbereitet und hängt folglich von einer kleinen Episode zwischen Anton und Fink ab, die von zwei intradiegetischen Erzählszenen geprägt ist� Diese Erzählszenen haben beide mit Überfluss im wörtlichen und im übertragenen Sinn zu tun und kreieren dergestalt das entscheidende Figurendreieck zwischen Anton, Fink und Sabine, das sich anschließend im “gleichmäßigen Fluß der Arbeit” (SH 134) entwickelt� Der Überfluss des Wassers und der Überfluss der Rede werden also zum Garanten des gleichmäßigen Flusses der Arbeit� Fink beherrscht nicht nur souverän das Element Wasser, sondern an diese Beherrschung gebunden ist seine narrative Überlegenheit� Dergestalt wird der Überfluss in dieser zweiten Szene zum Motor des Erzählens und über die Triangulation mit Fink zur Voraussetzung der finalen Paarbildung von Anton und Sabine� Diese Paarbildung erfolgt auf Umwegen� Statt auf die ökonomische Expertise von Anton als Kaufmann und seinen Aufstieg innerhalb des Handelshauses Die Ordnung der Ökonomie 385 zu fokussieren, verschiebt sich ab dem dritten Buch der Schwerpunkt auf die kolonialistische Expansion und auf die dafür notwendigen ökonomischen wie militärischen Fertigkeiten� Ökonomie heißt hier also nicht mehr nur Arbeit im Kolonialwarenhandel, sondern aus einer “polnischen Wirtschaft” (SH 513) eine dezidiert deutsche zu machen� 20 Im Zuge dieser Transformation spitzen sich die Konflikte zwischen Polen und Deutschen im fünften Buch zu� Gleichzeitig erscheint Fink wieder auf der Bühne des Romans, nachdem er am Ende des zweiten Buches sein Erbe in Amerika angetreten hat, nicht ohne vorher vergeblich zu versuchen, dass ihn erst Anton als Freund und dann Sabine als Ehefrau begleiten� Wieder mit Anton vereint, trianguliert diesmal Lenore ihre Beziehung, sodass schließlich Fink Lenore und Anton Sabine heiraten wird und kein Konflikt zwischen Fink und Anton entstehen kann� Vor der Doppelhochzeit - dem Komödienschluss schlechthin - aber gilt es, das neue Gut der Rothsattels im “blutigen Krieg zwischen Nachbar und Nachbar” (SH 617) zu verteidigen und vor allem auch wirtschaftlich zu reformieren, wobei Ökonomie in diesem Zusammenhang systematisch für beides verwendet wird: kolonialistische Expansion und wirtschaftliche Sanierung� 21 Dafür kommt Fink wie gerufen� 22 Bevor er Anton unterstützt, wiederholt er allerdings als “lieber Wiedergefundener” (SH 630) den schon einmal gestellten “Antrag”: “Wir sind jetzt beide frei, und die Welt steht uns offen” (SH 633)� Doch Anton hat “Verpflichtungen” (SH 633) sowohl gegenüber der Familie Rothsattel als auch nationalistisch und kolonialistisch eindeutig ideologisiert für ein “neues deutsches Volk” (SH 635), das “kühne Männer und gute Wirtschafter” (SH 634) beerbend das Land durch Arbeit beherrscht und beansprucht� Anton vereint nun also - das wird an dieser Stelle überdeutlich -, was der Roman als untrennbar inszeniert: kolonialistischen Expansionsdrang und nationalistisch verbrämte wirtschaftliche Überlegenheit� Wasser spielt in der Kolonisierung der “slawischen Sahara” (SH 638) eine entscheidende Rolle, sowohl was die wirtschaftliche Melioration des Gutes angeht als auch bei den Vorbereitungen zu seiner militärischen Verteidigung (Kreienbrock 208-212)� So schlägt Fink vor, sumpfige Böden zu entwässern (vgl� SH 640) und mit der Umleitung eines Baches in sein ursprüngliches Bett “den dürren Sand in grünes Wiesenland [zu] verwandeln” (SH 650; Hnilica, “Zauberkreis” 84-91)� Er gibt auch Geld für diese Unternehmungen, die sich Rothsattel und Anton eigentlich nicht leisten könnten� Hinzu kommt: Fink verbindet die ökonomische Verbesserung mit der militärischen Verteidigung� Die dafür erforderlichen “zwanzig Männer mit tüchtigen Fäusten” (SH 640) sollen nämlich wiederum beides: kämpfen und arbeiten (Werber 477)� Freilich weiß Anton bereits bei Finks Vorschlag, dass sich das Gut die Versorgung der zusätzlichen Personen mit Nahrungsmitteln nicht leisten kann� Entsprechend auffällig plakativ arbeitet der Roman in dieser Engführung von Militär und Ökonomie mit 386 Sebastian Meixner Kontrasten: Denn bevor die Nahrungsmittel und vor allem das Wasser im Gut knapp werden, ist Wasser im Überfluss vorhanden� Mit einem Gewitter entlädt sich der bis dahin noch latente Konflikt, als die deutschen Kolonisten ihre polnischen Gegner nach einem Diebstahl in den Wald verfolgen: Immer lauter schlug der Regen auf die Kronen der Bäume, immer stärker tropfte es von den Ästen, endlich rauschte die Wasserflut von dem Himmel und durch die Zweige herab auf den Boden; jeder Stamm, jeder Strauß Nadeln, jeder herabgebogene Ast verwandelte sich in eine Wasserrinne� Wie ein Flor verhüllten die Wassertropfen die Aussicht� Um jeden einzelnen war ein enger Kreis gezogen durch Finsternis und strömenden Regen, die Männer riefen einander mit gedämpfter Stimme zu, um die Richtung nicht zu verlieren� (SH 674 f�) Der Konflikt wird mit Wasser bebildert und verstärkt; die deutschen Kolonisten werden durch Wasser vereinzelt und in der so veränderten Landschaft sowohl heroisiert als auch geschwächt� “Der Himmel selbst kommt den Spitzbuben zu Hilfe” (SH 674), kommentiert Fink, der auch hier mit Wasser umzugehen weiß� Der Roman interessiert sich nun bezeichnenderweise wenig für die Kampfhandlungen und die Ahndung des Eigentumsdelikts� Stattdessen schildert er eine spiegelbildlich auf die Wasserfahrt im ersten Buch verweisende Szene zwischen Fink und Lenore, wobei letztere Anton strukturell beerbt� 23 Nun ist es die heimlich den kämpfenden Männern auf ihrem Pony nachgerittene Lenore, die vor dem Wasser geschützt werden muss - mit Finks Tuch und vor allem mit Finks Geschichte: “Dieser Regen flößt Ihnen Schrecken ein? ” fragte Fink achselzuckend, “der ist nur ein schwaches Kind! Wenn er einen Zweig vom Baume gerauft hat, meint er Wunder getan zu haben� Da lobe ich mir den Regen in solchen Ländern, wo die Sonne heißer brennt� Tropfen wie Äpfel, nein, keine Tropfen mehr, armdicke Strahlen, das Wasser stürzt aus den Wolken wie ein Wasserfall� Stehenbleiben kann man nicht, denn der Boden schwimmt unter einem fort, unter Bäume flüchten kann man auch nicht, denn der Sturmwind zerbricht die dicksten Baumstämme wie Strohhalme� Man läuft auf das Haus zu, das vielleicht nicht weiter entfernt ist als von Ihnen bis zu der nichtswürdigen Baumwurzel, die Ihren Fuß verletzte, und das Haus ist verschwunden, an der Stelle befindet sich ein Loch, ein Strom, ein Haufen herangespülter Felsen� Vielleicht fängt dann auch die Erde an, ein wenig zu beben, und schlägt Wellen wie das Meer im Sturme� Das ist ein Regen, der sich sehen lassen kann”� (SH 676 f�) Wieder erzählt Fink vom Wasser� Dabei folgt diese Erzählung - wie bereits die erste an Anton gerichtete - einer Logik der Überbietung� Der gegenwärtige Regen wird durch den exotistischen tropischen Regen qualitativ und quantitativ überboten, bis die Topographie und mit ihr jede Ordnung selbst verflüssigt Die Ordnung der Ökonomie 387 wird� Auch wenn diese Erzählung im Pronomen “man” deutlich unpersönlich bleibt und anders als die erste Erzählung keine Erfahrung wiedergibt, sondern im iterativen Gestus einen typischen tropischen Regen schildert, erfüllt sie ihren Zweck: “Lenore mußte in ihrem Schmerz lachen”, was Fink sofort animiert, die Erzählung mit dem “Kostüm der Frau Venus von Milo” (SH 677), in das jede Frau bei einem tropischen Regen angeblich schlüpft, unverhohlen flirtend weiterzuführen� Über den Regen und Finks souveränem Umgang mit ihm wird also die Beziehung zwischen Fink und Lenore etabliert� Als Fink Lenore dann schließlich verlässt, um sich den kämpfenden Männern als ihr Anführer anzuschließen, ist Lenores Einbildungskraft durch Finks Erzählung angeregt; das Wasser funktioniert abermals als metaphorischer Katalysator, der aus dem Wald “ein verwünschtes Schloß” inklusive “Waldgespenst” und “Kobold” (SH 678) macht� Während der Erzähler die metaphorische Substitution stets transparent macht, indem er explizite Vergleiche anstellt und die Bildempfänger (Baumstämme, Naturerscheinungen, Eule) immer auch kommentierend benennt, besteht der Effekt dieser durch Lenores erlebte Rede imaginativ überfließenden Szene in Finks Heroisierung: Wo er auch war, für ihn gab es keine Gefahr� Das Gewehr, das nach ihm zielte, schlug ein niederfallender Baumast in den Grund; das Messer, das gegen ihn gezückt wurde, zerbrach wie ein Span Holz, bevor es ihn traf; der Mann, der gegen ihn eindrang, mußte straucheln und fallen, ehe er sein stolzes Haupt berührte� (SH 679) Fink wird zum unverwundbaren Helden stilisiert, von dem jede Gefahr abfällt� Doch gleichzeitig ist Lenore nun - anders als der aus dem Wasser und ins Märchenhafte gezogene Anton - verwundbar: “der Mann hatte sie jetzt schwach gesehn, vorschnell und hilflos” (SH 679)� Fink hat Ansprüche, ja ein “Recht erhalten, sie mit flüchtiger Vertraulichkeit zu behandeln” (SH 679), so zumindest Lenores durch den Erzähler unwidersprochene Gedanken� Der thematische und an rhetorische wie narrative Verfahren gebundene Überfluss reguliert also die Figurenbeziehungen bis in die figurale Imagination� Dass nun bereits zum zweiten Mal Fink mit dem Überfluss charakterisiert wird, ist kein Zufall, sondern programmatisch� Wenn Achinger für Lenore und Fink feststellt, dass ihre “Vitalität” die “Schranken bürgerlicher Sittlichkeit” permanent zu überschreiten droht (Gespaltene Moderne 277), kann eine Poetik des Überflusses diese Bedrohung der Ordnung auf den beiden Ebenen - der thematischen und der Ebene der Verfahren - konkretisieren� Nach dem Gesetz des ausgleichenden Kontrasts folgt auf den Überfluss die Knappheit: Während der anschließenden Belagerung durch polnische Truppen geht das Wasser nach einem ersten erfolgreich abgewehrten Brandangriff im Gut aus, weil die Belagerer den Brunnen im Wirtschaftshof und den bereits 388 Sebastian Meixner erwähnten Bach besetzt haben� Die Rettung inmitten von “Tatlosigkeit und Abspannung” (SH 729) und voller “Angst um Hunger und Durst” (SH 730) bringt die durch Anton angeleitete Arbeit� Nachdem auch Bier, Wein und Branntwein aufgebraucht sind, verfügt Anton, einen Brunnen auszuschachten, obwohl “das Wasser um das Schloß schlammig und in gewöhnlicher Zeit nicht zu brauchen war” (SH 730)� Anton wird als Ökonom inszeniert, der die wenigen verbliebenen Vorräte möglichst effektiv disponiert und sich um die Moral der ihm anvertrauten Menschen bzw� - wie Fink auch in dieser Situation ironisch-souverän kommentiert - “für das Seelenheil [s]einer Gemeinde” sorgt (SH 731)� Gleichzeitig verstärken diese ökonomischen Bemühungen die militärischen und werden bis in die Verben ununterscheidbar, wenn die Belagerten gemeinsam “angreifen”, um den Brunnen zu errichten (SH 731)� 24 Darüber hinaus hat die Suche nach Wasser den Nebeneffekt, dass der zur Verteidigung nur unzureichende Bretterzaun mit dem Aushub durch einen massiven Erdwall zu einem “neue[n] Festungswerk” aufgerüstet wird (SH 731)� Das so gewonnene Wasser und die Befestigung ändern zwar nichts an der trotzdem aussichtslosen militärischen Lage, aber sie heben gerade durch die kollektive Arbeit die Moral: Das Wasser und die Arbeit für das Wasser stehen für die Überlegenheit der Belagerten� Deshalb macht Antons Umgang mit Wasser die deutschen Kolonisten “siegesfroh” (SH 732), wie im Dialog zwischen Anton und Fink selbst unmittelbar vor dem letzten vergeblichen Kampf deutlich wird: “‘Mir ist’s unmöglich’, rief Anton, ‘daß wir unterliegen sollen, ich habe nie so frohe Hoffnung gehabt als in dieser Stunde’” (SH 733)� Kurz vor dem Angriff sehen die beiden noch “liebevoll auf die Gestalt des andern”, dann erscheint natürlich die Verstärkung in Gestalt eines deutschen Husarenregiments “[v]om Bache her” (SH 733 f�)� “Nach wenigen Minuten war die Umgebung des Schlosses von Feinden gereinigt”, berichtet der Erzähler (SH 735), womit die Wassermetaphorik vollends ins Militärische übertragen wird, obwohl der zu Hilfe geeilte Sohn der Familie Rothsattel diesen als Reinigung inszenierten Kampf nicht überlebt� Wichtig an diesen beiden von Wasser geprägten Kampfszenen am Höhepunkt des Romans ist die entschiedene Aufhebung der bis dahin charakteristischen Hierarchie in der Beziehung zwischen Fink und Anton� War Fink bisher stets der überlegene Part der Männerfreundschaft, hat sich Anton nun am und mit dem Wasser als ebenbürtig erwiesen� Bis in das explizit wechselseitige Blickregime und die Bewunderung, die Fink nun auch für Anton ausdrückt, wird diese folgenreiche Umstellung inszeniert, nach der sich Anton nun nicht mehr nur wie nach dem Kentern des Segelboots im Wasser bloß passiv verhalten muss, sondern aktiv am Wasser bewährt hat� Zusammen sind sie nun bereit, bis zum Ende zu kämpfen, was ihnen der Roman freundlicherweise erlässt� Die Ordnung der Ökonomie 389 Wasser ist ein zentrales Element der Kolonisierung und der Ökonomie� Es verwandelt nicht nur die slawische Wüste in fruchtbares Land, sondern es wird auch kampfentscheidend in der kolonialen Expansion wie Behauptung und entscheidend für die Beziehungen der Figuren� Finks abermals narrativer Umgang mit dem Überfluss benutzt Verfahren der abundantia auf virtuose Weise und konstituiert damit die Paarbeziehung mit Lenore� Anton verwaltet das knappe Wasser; er schöpft mit dem Wasser Hoffnung und bindet den Überfluss an die Imagination des Sieges, der schließlich eintritt� In der sich in die Arbeitsteilung der Figuren fortsetzenden kontrastiven Disposition entwickelt sich am Überfluss der Roman: Der Fokus von Fink verschiebt sich auf Anton, dessen weiterer Weg zur Eroberung von Sabine nun frei ist� Fontanes Beobachtung zur stringenten Motivierung des sich durch “Maß und Gesetz” 25 auszeichnenden Romans wird in der Forschung öfter zitiert, der zufolge bei Freytag “im ersten Bande kein Nagel eingeschlagen [wird], an dem im dritten Bande nicht irgend etwas, sei es ein Rock oder ein Mensch, aufgehängt würde”� 26 Diese strikte Komposition, der keine Figur und kein unaufgelöster Handlungsknoten entgeht, mag mit Rock und Mensch auf die Wasserfahrt von Anton und Fink anspielen; Mittel der Auflösung und Schließung aller Handlungsstränge ist aber kein Nagel, sondern das Wasser� Denn der Überfluss spielt auch beim Schluss des Romans eine nicht zu unterschätzende Rolle und greift dabei auf einen den gesamten Text kennzeichnenden Gegensatz zurück: zwischen Anton und seinem mit antisemitischen Stereotypen charakterisierten Antihelden Veitel Itzig� 27 Dieser Gegensatz erscheint verschoben auf die Arbeitgeber bei der Gegenüberstellung der Handlung von T�O� Schröter und derjenigen von Hirsch Ehrenthal� Während Antons Ausbildungsorte wie oben beschrieben durch einen Überfluss an Waren und ihren Geschichten sowie mit dem Warenlager und der Vorratskammer durch ein doppeltes Zentrum der Fülle gekennzeichnet sind, findet sich nichts davon in der Beschreibung des Hauses von Ehrenthal, bei der es nur um die Fassade geht und nicht um den Inhalt (vgl� SH 41)� Auch gibt es keinen Platz für Veitel in diesem Haus; er findet Unterschlupf bei Löbel Pinkus, der neben einer Branntweinhandlung eine Herberge für zwielichtige Gestalten betreibt� Diese Herberge zeichnet sich durch ihre Nähe zum Fluss aus; auf ihrer Rückseite führt eine “Galerie bis hinunter an das Wasser”, über die “bei dem niedrigen Wasserstand des Sommers” ein zweiter, für zwielichtige Geschäfte wie geschaffener Weg ohne “Nachtwächter und Polizeidiener” führt (SH 48 f�)� Diese Galerie, die als “unheimlichste Stätte” des Romans auch in der 18� Nummer der Gartenlaube von 1872 illustriert wurde (s� Abb� 1), wird am Ende des Romans entscheidend bei der Parallelführung von Antons Aufstieg und Veitels Untergang� 28 390 Sebastian Meixner Abb� 1: Illustration des unverhohlen antisemitischen Textes “Veitel Itzig’s Anfang und Ende” von Friedrich Hofmann aus der ‘Gartenlaube’ (1872): Die unheimlichste Stätte aus Gustav Freytag’s Soll und Haben� Die Ordnung der Ökonomie 391 Nachdem Anton im Auftrag der Rothsattels Erkundigungen über gestohlene Schuldscheine einzieht und Veitel mit seinem Lehrer und Gehilfen Hippus damit in die Enge treibt, wird der Fluss zum Schauplatz der Ökonomie des Romans, indem er die beiden Antihelden entsorgt� Erstes Opfer des Flusses wird Hippus, der vor der “Entdeckungspolizei” (SH 792) bei Veitel Schutz sucht� Im November führt der Fluss - die Gartenlaube identifiziert ihn als Breslaus “Stinkohle” (Hofmann 290) - Hochwasser; Veitel prüft zunächst die “Höhe der Flut” (SH 797) auf dem diskreten Weg unterhalb der Treppe, was der Erzähler unverhohlen ironisch als Sorge um Hippus’ Rettung kommentiert� Auf dem Weg zum Versteck auf der anderen Seite des Wassers wehrt sich Hippus, weil er glaubt, Veitel wolle ihn töten - und tatsächlich: Veitel “drückte ihm mit einem Schlage den alten Hut bis tief über das Gesicht, faßte ihn mit aller Kraft am Halstuch und schleuderte ihn hinunter in das Wasser� Die Flut spritzte auf, das Geräusch eines fallenden Körpers und ein dumpfes Gurgeln wurde gehört; dann war alles still” (SH 801)� Ob Veitel Hippus aber ermordet hat, wie der Erzähler umstandslos kommentiert, oder ob es sich um eine Tötung im Affekt handelt, als Hippus’ lautstarker “Widerstand” (SH 801) eine Entdeckung der beiden und damit von Veitels geheimem Versteck wahrscheinlich macht, ist nicht klar und dem Roman auch gar nicht wichtig� Das Urteil über Veitel hat der Erzähler schon längst gefällt und präsentiert anschließend seitenlang die seelische Unruhe eines Betrügers und Diebs, der nun auch noch zum Mörder geworden ist� Der Mord und der “Leichnam des alten Mannes im Wasser” besiegelt, dass Veitel endgültig “ausgeschieden ist aus der Gesellschaft der Menschen” (SH 805)� Der Hochwasser führende Fluss fällt also mit dem Erzähler das Urteil über den Antihelden� Nach dem “Untergang des Advokaten” (SH 824) ist es nur konsequent, dass auch Veitel durch den Fluss entsorgt wird� Vom Erzähler in biblischem Gestus wiederum unverhohlen antisemitisch als “er, der gezeichnet war” (SH 829) stigmatisiert und von Ehrenthal “verflucht” (SH 831) wird Veitel ausgerechnet kurz vor dem Ziel seiner Träume - der Hochzeit mit Ehrenthals Tochter - “entdeckt” (SH 831) und findet sein Ende im Fluss� Bevor aber von Veitels Ertrinken erzählt wird, adressiert der Erzähler über eine Seite lang Ehrenthals Tochter Rosalie und verschiebt die Aufmerksamkeit von Veitel auf ihre Mitgift und ihr Vermögen� Dabei imaginiert er noch vor Veitels Tod dessen Nachfolger als Bräutigam, der Rosalies “Kapital heiratet” (SH 832)� Dieses Kapital wird mit Bildern der Liquidität kommentiert: Das Geld […] wird wieder rollen aus einer Hand in die andere, es wird dienen den Guten und Bösen und wird dahinfließen in den mächtigen Strom der Kapitalien, dessen Bewegung das Menschenleben erhält und verschönert, das Volk und den Staat groß macht und den einzelnen stark oder elend, je nach seinem Tun� (SH 832 f�) 392 Sebastian Meixner Die Parallelführung von Ökonomie und Wasser ist überdeutlich und macht nicht Halt vor der für Freytag konstatierten Trennung von Waren- und Kapitalzirkulation (Pohl 313)� Der “Strom der Kapitalien”, in den nun Ehrenthals Vermögen über die Mitgift eingeht, ist eine Instanz, die Mensch, Volk und Staat immer zu Gute kommt und dabei auch noch den Einzelnen nach seinen Taten scheinbar unbestechlich belohnt oder bestraft� Der thematische Überfluss in Gestalt des Hochwasser führenden Flusses, dem erst Hippus und dann Veitel zum Opfer fallen, klammert eine übertragene Bedeutung ein, die den Überfluss in einen Wirtschaftskreislauf überführt� Der übertragene “Strom der Kapitalien” wird zum Moment des Ausgleichs, der für eine gerechte und ordnungsgemäße Disposition des Kapitals und seiner Agenten sorgt� Hier finden sich auffälligerweise weder Anspielungen auf die Wassermotivik noch Verfahren des rhetorischen oder narrativen Überflusses: Sobald sich die dritte Ebene des übertragenen Überflusses vom Wasser emanzipiert hat, ist das Ende des Romans ganz im Sinne des moralisierenden Kommentars möglich� Die Bilanz wird nun ohne weitere retardierende Momente geschlossen� Gemäß dem normativen Kommentar muss Veitel also elend untergehen - nicht im Kapitalstrom, sondern wieder thematisch im Fluss hinter Löbel Pinkus’ Herberge� Im Verfolgungswahn zieht es ihn “zu dem letzten Versteck, das er auf Erden noch hatte” (SH 833)� Zeitdehnend erzählt der Roman vom Fluchtversuch über die Galerie und durch das Wasser: Da, als er sich wenden wollte, fuhr er kraftlos zurück, der gehobene Fuß sank in das Wasser, vor sich auf dem Pfahlwerk über der Flut sah er eine dunkle, gebückte Gestalt� […] Es war keine Täuschung, das Gespenst saß wenige Schritte vor ihm� Endlich streckte das Schreckliche eine Hand aus nach Itzigs Brust� Mit einem Schrei fuhr der Verbrecher zurück, sein Fuß glitt von dem Wege herunter, er fiel bis an den Hals ins Wasser� […] [D]as Gespenst trat ihm näher, wieder streckte sich die Hand nach ihm aus� Er sprang entsetzt weiter ab in den Strom� Noch ein Taumeln, ein lauter Schrei, der kurze Kampf eines Ertrinkenden, und alles war vorüber� Der Strom rollte dahin und führte den Körper des Leblosen mit sich� (SH 834 f�) Ein Gespenst, an seinem vorher als corpus delicti prominent platzierten Hut eindeutig als Hippus zu identifizieren, ist also das Ende von Veitel� Dass dieses Gespenst - wie in vielen realistischen Texten (Strowick) - dezidiert keine Täuschung ist, betont der Text in einem langsamen und ausführlich, fast lustvoll erzählten Treiben ins Wasser� Die letzte Zuflucht hat Veitel fast erreicht, nur noch der Fluss trennt ihn von seinem Versteck, bis Hippus’ Gespenst ihm in mehreren Schritten den Prozess macht� Erst stellt es sich in den Weg, dann steht Veitel das Wasser wörtlich bis zum Hals und schließlich drängt es ihn ganz in den Fluss� Kein heroischer Kampf wie bei Finks erfolgreicher Rettung im Atlan- Die Ordnung der Ökonomie 393 tik, kein Retter wie bei Anton auf dem Fluss, keine Assoziation von Kampf und Arbeit oder die Evokation exotistischer Phantasien, sondern lediglich ein kurzer Kampf des Ertrinkenden - der Erzähler macht hier überdeutlich, dass Veitel sein Schicksal verdient hat; ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Menschen wird er nun durch den gerechten Strom entsorgt und aus dem Kreislauf der Ökonomie ausgeschieden� Diese Entsorgung ist gründlich und reicht bis in die Topographie des Romans� So wird auch Löbel Pinkus anschließend der Prozess gemacht� Seine zwielichtige Herberge ist in der erzählten Zeit nur ein kurzes wie negativ bewertetes Intermezzo: zwischen der ursprünglichen Gerberei und einem “ehrliche[n] Färber” (SH 836), der nach Löbel Pinkus einzieht� Die Ordnung des Romans ist damit wieder intakt; der mit dem übertragenen Überfluss operierende normative Erzählerkommentar erfüllt und konkretisiert sich ein letztes Mal im thematischen Überfluss, sodass die stringente Motivierung ihr Ziel erfüllt� Der Fluss ist wieder Teil der geordneten Ökonomie� Der Roman räumt also gründlich auf mit seinen Antagonisten; der letzte Überfluss reinigt den Roman von allem Übel� Da überrascht es wenig, dass Fink Anton anschließend eine Handlungsmacht unterstellt, die der Roman nur andeutet� Denn er meint zu Lenore abermals repetitiv, dass Anton “zwei Schurken ins Wasser gejagt und die Schulden Ihres Vaters bezahlt” (SH 842) hat� Lenore ist für Fink folglich “nicht nur ein geliebtes Weib […], auch ein mutiger Freund, der Vertraute meiner Taten, mein treuester Kamerad” (SH 843), sodass die Triangulation mit Anton getrost aufgelöst werden kann� Dem Happy End steht nun nichts mehr im Wege: Mit der Verlobungsanzeige schickt Fink einen Zettel an Sabine, der die Verbindung zwischen ihr und Anton fast lizensierend vorwegnimmt und Anton abermals als Bruder behandelt� Schließlich wird Anton in die Bücher der Handlung eingeweiht und zum neuen Kompagnon: Sabine und die Firma gehören ihm, weil er zwar nicht “Besitz und Wohlstand” wie Ehrenthals flüchtiges Kapital in Gestalt von Rosalies Mitgift, dafür aber “rüstige Jugendkraft und einen geprüften Sinn” (SH 850) mitbringt� Denn Traugott Schröter führt normativ erläuternd an, dass in der Wirtschaft Kapital ohne Arbeit, wie sie Anton verkörpert, keinen Wert hat� Nur die Arbeit als “gesunde Kraft” erhält “das tote Metall in Leben schaffender Bewegung” (SH 850)� Indirekt wird damit auch die Kreislaufmetapher vom Strom des Kapitals aufgegriffen, der Veitel so entbehrlich macht und Rosalies Mitgift in den Wirtschaftskreislauf einspeisen wird� Dieser Kreis schließt sich nach dem Einsatz des Überflusses zumindest kompositorisch: Antons “ehrliche Träume” (SH 851), kommentiert der Erzähler im letzten Absatz, wurden erfüllt, das “alte Buch seines Lebens ist zu Ende” (SH 851)� Damit hat auch der Überfluss seine Funktion erfüllt� 394 Sebastian Meixner Auf drei Ebenen strukturiert der Überfluss die Ordnung von Soll und Haben, verweist als Reflexionsfigur auf Leitoppositionen des Textes und konstituiert die Ordnung des Romans� 29 Erstens wird der Überfluss thematisch im normativen Zentrum der bürgerlichen Ökonomie, der bis in die Fülle von Antons Geburtsort reicht� Im Schiffskatalog und in der prinzipiell unabschließbaren Liste der Waren bedingt der Überfluss die ökonomische Imagination� Zweitens wird der Überfluss signifikant für die wichtigste Konstellation des Romans: Anton und Finks Männerfreundschaft etabliert sich auf und im Fluss und wird in dieser Szene mit dem repetitiven Erzählen verbunden� Dieses narrative Potenzial bannt die Gefahr des Überflusses genauso wie sie ihn poetologisch fruchtbar macht� Drittens wird diese Beziehung auf dem Höhepunkt des Romans in der polnischen Provinz weitergeführt, der den Überfluss an zwei komplementären Stellen prominent inszeniert� Einerseits wird er zum Motor der Beziehung zwischen Fink und Lenore, die abermals von narrativer und rhetorischer Abundanz gekennzeichnet ist� Andererseits wird der Umgang mit Wasser zur entscheidenden Probe für Anton, der aus wenig viel bzw� aus nichts etwas macht: Indem er Wasser schöpft, verhilft er den Kolonisten im Imaginären zum Sieg, was der Roman prompt mit dem unwahrscheinlichen tatsächlichen Sieg belohnt� Viertens schließlich wird der Überfluss entscheidend für die Auflösung des Romans, indem die Antagonisten im Wasser entsorgt werden, was erst die zentrale Metapher vom “Strom der Kapitalien” (SH 832) ermöglicht� Dieser Strom wird zum Medium der gerechten Ordnung� Er sorgt dafür, dass am Ende alle und alles den richtigen Platz haben� Diese Ökonomie der Ordnung ist vom Überfluss abhängig; sie zeigt sich in dieser Abhängigkeit nicht als gesetzte Ordnung, sondern als dynamische Ordnung auf allen drei Ebenen: der thematischen Ebene, der Ebene der an diesen thematischen Überfluss gebundenen Verfahren und der Ebene des übertragenen, zum Bild geronnenen Überfluss� Damit schlägt diese Analyse auch eine Brücke zwischen Literatur und Ökonomie in einem weiteren und einem spezifischen Sinn, wenn sie einerseits mit einem weiten Ökonomiebegriff wie Agamben operiert, diesen aber andererseits an die spezifischen rhetorischen Verfahren der abundantia bindet und dieses Verhältnis an jeder Stelle der Interpretation reflektiert� Der Überfluss ist damit - gerade für Soll und Haben - ein Testfall für die Ökonomie der Literatur� Notes 1 Alle Zitate sind - der besseren Verfügbarkeit halber - nach folgender Ausgabe zitiert und werden mit dem Kürzel ‘SH’ im Fließtext nachgewiesen: Freytag, Gustav� Soll und Haben. 3� Auflage� Waltrop, Leipzig: Manuscriptum, 2002� Die Ordnung der Ökonomie 395 2 Zur Poetik des Ausgleichs vgl� Krobb, “Einleitung” 13-16; zur Bilanzmetaphorik des Titels vgl� Ritter 51 ff� 3 Zur Zielgruppe dieses Programms vgl� Geier; zur Problematik der Rezeption bis ins 20�-Jahrhundert vgl� Rauch� 4 Zum Ökonomie-Begriff vgl� den von Theo Stemmler herausgegebenen Sammelband� Für den Zusammenhang dieses Aufsatzes besonders relevant sind die Beiträge von Burkhart Cardauns und Gisela Harras� 5 Vgl� auch Niehle 19-24� 6 Vgl� Berndt/ Pierstorff 11-15; vgl� allgemein zum Paradigmenwechsel der Darstellung Wellbery� 7 Vgl� Korte; Kittstein/ Kugler 9 f�; Rakow 130 f� 8 Heines Harzreise beginnt bekanntlich folgendermaßen: “Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität […]” (103)� 9 Ritter weist auf die Zusammensetzung von slaw� ‘ostr’ (= schnell, rasch, geschwind) und germ� ‘ahva’ (= Wasser) hin (vgl� Ritter 60)� 10 Vgl� v� a� Bergmann 42-47 und Schneider, “Die Diätetik der Dinge” 110 f�; zur Rolle des ökonomischen Imaginären vgl� Breithaupt 107-110; zum homo oeconomicus, der damit bebildert wird vgl� Stadler� 11 Vgl� Schneider 2003, 127; Achinger, Gespaltene Moderne 223 f�; Twellmann 384; Lemke 257� 12 Zur Ordnung des Handelshauses vgl� Schofield 22 f� 13 Schneider spricht von “eine[r] Art merkantile[m] Schiffskatalog” (“Regelung des Begehrens” 130)� 14 Zur Narrativierung der Liste vgl� Achinger, Gespaltene Moderne, 219 f� und Schneider, “Diätetik” 110 f� Als Warenfetischismus avant la lettre analysiert dies Hnilica (“Zauberkreis” 114 f�)� Vgl� weiter Bertschik 46 f� 15 Damit ist es auch das Zentrum des mit phantastischen Elementen und Attributen belegten Kontors, wie es Alyssa Lonner beschreibt� Vgl� Lonner� 16 Vgl� Kraß 17-79; Achinger erwähnt “homoerotische Untertöne” (Gespaltene Moderne 278) und Hnilica führt diese in einem queer reading weiter (vgl� Hnilica, “Zauberkreis” 49; 97-105); auch Krobb erwähnt die Männerfreundschaften als die entscheidenden Beziehungen des Textes (vgl� Krobb, “Einleitung” 23)� 17 Näher interpretiert haben die Stelle - allerdings nicht im Hinblick auf den Überfluss und seine narrativen Verfahren - Hnilica, “Zauberkreis” 135-140 und Achinger, Gespaltene Moderne 278� 18 Das Konzept der Arbeit hat für Soll und Haben enorme Forschungsenergien gebündelt und wird - wenn auch ohne die Beziehung zum Überfluss zu berücksichtigen - im Kontext mit Heroismus erforscht� Vgl� exemplarisch Oschmann 130 f� 396 Sebastian Meixner 19 Umgekehrt konstatiert Schneider anhand einer anderen Textstelle für Soll und Haben, dass die Metaphorik der Figurenrede auf den Erzählerbericht übergeht (Schneider, “Reisen” 168)� 20 Zur ‘polnischen’ Wirtschaft vgl� Hahn; zu den kolonialistischen Elementen in Soll und Haben vgl� Kopp; zu den Implikationen des stereotypen Polenbildes vgl� Feindt 29-36� 21 Zu dieser Assoziation eines ökonomisch bestimmten Nationalismus vgl� Lemke 268� 22 Zur Komplementarität von Anton und Fink vgl� Schneider, “Reisen” 161 f� 23 Dieses Erbe deutet sich in etwas anders verteilten Rollen bereits früher an, als Lenore ein Kind aus dem Wasser rettet (vgl� SH 305 f�) und Bernhard Ehrenthal als Nichtschwimmer zum Voyeur nicht nur der Rettung, sondern vor allem der Rettenden verdammt ist� Auch hier wird das Wasser in Bernhards anschließender Krankheit und seinem Tod zum Medium der Romanökonomie� 24 Zu den geopolitischen Formeln dieser Verbindung von Arbeit und Militär vgl� Werber 476 f� 25 Fontane 378� Damit greift er eine Freytag oft attestierte Forderung nach Geschlossenheit auf� Vgl� Stockinger 149 f� 26 Zit� u� a� bei Achinger (Gespaltene Moderne 338) und Böttcher (165)� Werber zitiert Plumpes Paraphrasierung, in der aus dem Rock und dem Menschen deutlich weniger martialisch eine “Jacke” wird (457)� 27 Vgl� Achinger, Gespaltene Moderne 205-230; Kittstein 66 f�; Hopp 234-241� 28 Werber macht darauf aufmerksam, dass in der Ökonomie des Textes jüdische “Figuren wie Schmeie Tinkeles ‘floaten’” (Werber 465), während Anton sich zwar der Liquidität bedient, aber mit dem Schröter’schen Kontor immer einen Fixpunkt besitzt� 29 Damit verbindet er auf der Ebene der Bilder und Verfahren auch die wirkmächtige Opposition 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