Colloquia Germanica
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0010-1338
Francke Verlag Tübingen
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2022
543-4
Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabine Janesch
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2022
Agnieszka Dylewska
Dieser Artikel reflektiert die Rolle und die Bedeutung mythischer Themen, Motive und Figuren in Sabrina Janeschs Roman Ambra, indem er ihre Funktion als Medien des transkulturellen Erzählens aufzeigt und die mythenbasierten intertextuellen Bezüge und Referenzen zu beleuchten versucht. Janesch hat in ihrem Roman einen Interferenzraum geschaffen, in dem sich Mythos, Magie und Realität miteinander verweben. Mit den mythischen Elementen thematisiert die Autorin die Verbindung zwischen Mensch und Geschichte, die Nationalität, die Identität und (auf der Mikroebene der Familie) die polnisch-deutschen Beziehungen. Für diese Analyse verwendet man sowohl die klassische Bedeutung des Mythos als eine Geschichte von Göttern und Helden, als auch die weiter gefassten Mythosdefinitionen: (1) durch die Medien popularisiertes Phänomen, das zum Teil des kollektiven Bewusstseins wird; (2) Geschichte, die kollektive Werte, Träume und Selbststereotype zum Ausdruck bringt und (3) eine spezifische Form der Erinnerung.
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Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 437 Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch Agnieszka Dylewska Zielona Góra University Abstract: Dieser Artikel reflektiert die Rolle und die Bedeutung mythischer Themen, Motive und Figuren in Sabrina Janeschs Roman Ambra , indem er ihre Funktion als Medien des transkulturellen Erzählens aufzeigt und die mythenbasierten intertextuellen Bezüge und Referenzen zu beleuchten versucht. Janesch hat in ihrem Roman einen Interferenzraum geschaffen, in dem sich Mythos, Magie und Realität miteinander verweben. Mit den mythischen Elementen thematisiert die Autorin die Verbindung zwischen Mensch und Geschichte, die Nationalität, die Identität und (auf der Mikroebene der Familie) die polnisch-deutschen Beziehungen� Für diese Analyse verwendet man sowohl die klassische Bedeutung des Mythos als eine Geschichte von Göttern und Helden, als auch die weiter gefassten Mythosdefinitionen: (1) durch die Medien popularisiertes Phänomen, das zum Teil des kollektiven Bewusstseins wird; (2) Geschichte, die kollektive Werte, Träume und Selbststereotype zum Ausdruck bringt und (3) eine spezifische Form der Erinnerung� Keywords: Mythos, polnisch-deutsche Beziehungen, Intertextualität, Archetyp, Danzig/ Gdańsk Der Roman Ambra von Sabrina Janesch stellt einen literarischen, intertextuellen Interferenzraum dar, in dem Mythos, Magie und Realität ineinander übergehen, und in dem die deutsch-polnische Geschichte teilweise ins Mythenhafte verkehrt wird. Die Autorin beschreibt altertümliche Mythen und findet gleichzeitig in alltäglichen Erscheinungen neue Mythologeme. Die deutsch-polnischen Beziehungen, die vor allem auf der familiären Mikroebene zu erkennen sind, werden in mythischer Form zum Ausdruck gebracht (Matuschek 175)� Im Zusammenspiel mit mythischen Elementen wurde eine Struktur geschaffen, in der sich intertextuelle Anspielungen, universelle Fragen nach Herkunft und Identi- 438 Agnieszka Dylewska tät, sowie ein wechselseitiges Spannungsverhältnis zwischen Mensch, Kultur und Geschichte ablesen lassen� Das Ziel dieses Beitrags ist es also, am Beispiel des Romans Ambra von Sabrina Janesch 1 zu zeigen, wie mythische Themen und Motive auf der Ebene des Romans realisiert werden können. Aufschlussreich ist dabei die Überlegung, inwiefern das Zurückgreifen auf die mythische Tradition für die von der Autorin präsentierte Geschichte prägend ist. Besonderes Augenmerk legt man deshalb auf die Vielfalt und die Mehrdimensionalität der mythischen Erscheinungen. Der Beitrag geht auch der Frage nach, wie die deutsch-polnischen Beziehungen, sowie die nationalen Eigenheiten mit Hilfe der als Medien der transkulturellen Narration fungierenden Mythen dargestellt und gedeutet werden können. Das Buch der jungen deutsch-polnischen Autorin, deren bevorzugte Themen „familiäre Herkunft, Selbstfindung und Identität“ (Trepte 94) sind, wurde dabei nicht zufällig gewählt. Schon in Katzenberge , dem Debütroman von Janesch, werden die Bilder von Flucht und Vertreibung mit magisch-mythischen Komponenten verbunden� 2 Sabrina Janesch hat für ihren Roman Ambra Welten geschaffen, deren Kreation und Existenz nur durch die Mythen möglich sind. Das mythisch reflektierte Erzählen ihrerseits besteht darin, dass die Auseinandersetzung mit dem Mythos und dem Mythischen auf mehreren Ebenen des Romans erfolgt und sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart gerichtet ist� In Ambra , spielt die Schriftstellerin mit dem Leser ein intellektuelles Spiel, in das mythische Themen und Motive aufgenommen und zu einer harmonischen Einheit verschmolzen werden� Sie kommen dabei 1� als allegorische Bilder, die sich implizit auf klassisch-altertümliche Mythen beziehen, 2� als Mythologeme und intertextuelle Anspielungen und 3. als Konstrukte der Postmoderne zum Vorschein. Der Roman Ambra schöpft aus den Theorien und Ideen der postmodernen Literatur und verwendet Strategien des postmodernen Schrifttums. Die Definition der postmodernen Literatur ist uneinheitlich und hat mehrere Facetten, sie wird auch unterschiedlich gebraucht und gedeutet. Die Anfänge des postmodernen Schrifttums sind auf die späten 1950 und die frühen 1960 Jahre zurückzuführen, in denen der nordamerikanische Diskurs über Wesen und Sinn der neuesten Dichtung stattgefunden hat (Koch 37). Die postmoderne Literatur kann als „eine literarische Fortsetzung“ der Moderne gesehen werden (Harbers 10), gleichzeitig hebt sich aber von der Moderne ab (Schwalm 355)� Ihr konstitutives Merkmal liegt nach Wolfgang Welsch in der Mehrsprachigkeit, die Grenzüberschreitungen fördert und die Themenvielfalt ermöglicht. Charakteristisch für Texte der Postmoderne ist die Tatsache, dass sie, so Welsch, Wirklichkeit und Fiktion, sowie elitären und populären Geschmack miteinander verbinden (16). Zu ihren grundlegenden Komponenten gehören „Intertextualität, Mehrfachkodierung, Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 439 Autoreflexivität, Ironie und Rhizomstruktur“ (Büscher 5), sowie Interferenz von „Sprachen, Modellen und Verfahrensweisen“ (Koch 39) innerhalb ein und desselben Werkes� Aufschlussreich für den Roman ist auch die Tatsache, dass Phänomene des Mythos und des magischen Realismus in Ambra in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. In der deutschen Literaturwissenschaft wird der Begriff des magischen Realismus als Gegenstand eines literarischen Diskurses in den späten 1920 Jahren erwähnt und bezieht sich auf eine besondere Form der Literatur (Leine XV). Die oxymorische Bezeichnung deutet auf die Kombination von magischen und realistischen Elementen, die die Handlungs- und Darstellungsebene des literarischen Werkes prägen. Die Texte fungieren als poetologische Zwischenräume (Leine 37), in denen übernatürliche Erscheinungen, unerklärliche Phänomene sowie Elemente des Traumes und der Folklore einen Bestandteil der Realität bilden. Es besteht aber, wie Michael Scheffel ausdrücklich betont, „kein Konflikt zwischen zwei unterschiedlich begründeten Ordnungen der Wirklichkeit“ (Scheffel, Magischer Realismus 526)� Die Tatsache, dass einige Elemente der dargestellten Welt irreal erscheinen, trägt zur Verfremdung der Wirklichkeit bei. Darüber hinaus zeichnen sich die Werke durch eine spezifische Stimmung aus, „die oft als quälend, unheimlich und morbide von den Figuren erlebt und vom Erzähler beschrieben [wird]“ (Scheffel, Magischer Realismus 71)� Typisch für die magisch-realistische Erzählweise ist die Integration von Mythen in die wahrgenommene literarische Wirklichkeit (Sass 43)� So hat Janesch irreale und mythische Elemente miteinander verwoben, wobei das Magisch-Realistische die Kulisse für die in den Text einbezogenen Mythen bildet. Auch die Anwendung von Symbolen und Bildern, die sowohl für den Mythos als auch für den magischen Realismus charakteristisch sind (Schmid 65), findet man in Ambra . Demzufolge wird die magisch-realistische Erzählweise im Roman zu einer Methode, die, wie Torsten W� Leine ausdrücklich formuliert, „entweder den (antirationalen) Mythos psychologisiert bzw. ästhetisiert oder […] den dunklen und irrationalen Vorgang des menschlichen Unterbewusstseins zur Darstellung verhilft “ (31)� Darüber hinaus bilden der Mythos und der magische Realismus eine gemeinsame Ebene, auf der ein unkonventionelles Wirklichkeitsverständnis angeboten wird. Die Präsenz der mythischen, in die Poetik des magischen Realismus eingebetteten Komponenten des Werkes, vereinigt sich also im Roman Ambra mit Ansätzen der postmodernen Literatur, für die, wie Henriette Herwig ausdrücklich betont, „[die] Wiederkehr des Phantastischen, Irrationalen, Sinnlichen, Visionären, Wunderbaren und Religiösen“ (228) charakteristisch ist, und die gleichzeitig, so Wolfgang Welsch, auch Exkursionen „in die Gefilde des Mythos“ (16) ermöglicht. 440 Agnieszka Dylewska Schließlich ist der Mythos-Begriff für den Roman Ambra von besonderer Bedeutung, da der Mythos und das Mythische die von Sabrina Janesch erzählte Geschichte durchziehen und beeinflussen. Die Literatur der Postmoderne befindet sich stets auf der Suche nach neuen Kriterien des Mythischen. Überdies versucht man den Mythos der komplexen und oft undurchschaubaren postmodernen Wirklichkeit anzupassen, indem man ihm eine neue Gestalt und Bedeutung verleiht. Brigitte Krüger und Hans-Christian Stillmark stellen in Bezug auf den postmodernen Umgang mit dem Mythos und der Mythologie fest: „Mythen stellen nach wie vor Medien der Erinnerung und Welterklärung dar und sind zugleich heuristische Modelle gegenwärtiger Grenzüberschreitung und Lebenserkundung “ (9). So fördern Mythos und das Mythische ein Umdenken in mehreren Bereichen der Conditio humana und schaffen so gleichzeitig Übergänge zwischen Raum und Zeit, Technik und Natur, Traum und Wirklichkeit� Die aktuellen Figurationen des Mythos etablieren sich auch in den neuen Medien und prägen die kulturelle Kommunikation. Das in der postmodernen Literatur verbreitete Konzept des Mythos als „Modus des Erinnerns “ (Wodianka, Zwischen Mythos und Geschichte 14) ermöglicht dagegen einen innovativen Umgang mit verschiedenen Narrationsformen. Zwischen Gedächtnis und Erinnerung gibt es, so Hans Dieter Zimmermann, mehrere Wechselbeziehungen� Wie der Forscher behauptet, ist das Gedächtnis eine Art von Speicher, der das Erlebte, Gehörte, Gelesene festhält. Die Erinnerung gilt dagegen als ein Versuch, das Erlebte wieder gegenwärtig zu machen. Darüber hinaus kann Literatur als Rahmen und Medium des Erinnerns (Erll 161) sowie als Identitätssicherung fungieren� In diesem Zusammenhang erscheint der Mythos als Gegenstand des Erinnerungs- und Gedächtnisdiskurses (Wodianka, Erinnerung 211) wobei sein Verhältnis zur Geschichte (212) und seine Symbolträchtigkeit (214) eine wichtige Rolle spielen� Das weit gespannte Feld des literarischen Erinnerns wird dadurch um eine mythische Dimension bereichert� In der postmodernen Welt, in der „alles zum Mythos werden [kann]“ (Wodianka und Ebert) entspringen die neu generierten Mythen der gegenwärtigen Kultur, Wissenschaft und der Alltagswirklichkeit. Die Präsenz des Mythos in der Literatur der Postmoderne äußert sich in dem Erzählen, in dem die Wechselbeziehungen zwischen Mythos, Religion, Kunst, Wissenschaft, Geschichte und Politik sichtbar werden und sich die Elemente der mythischen Denkweise manifestieren� Aufgrund der Zugehörigkeit der Mythen zu den ältesten Texten des literarischen Kulturguts und der Tatsache, dass sie „elementare Erfahrungen der eigenen Existenz, der Gesellschaft und der Natur zu einem imaginativen, emotionalen und handlungsleitenden Weltgefüge [verknüpfen] “ (Brandt 9), gelten klassisch-altertümliche mythische Geschichten als Maßstäbe uralter Traditionen, aber auch als Träger universeller Wahrheiten und Ursprungsgeschichten Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 441 und schließlich als alltagsästhetische und alltagskulturelle Deutungsmuster. Nach wie vor spielen Mythen eine bedeutende Rolle in der menschlichen Kultur. Ihre Vieldeutigkeit trägt dazu bei, dass sie reflektierend als Problem aufgeworfen werden, aber gleichzeitig als „eine Antwort, in der eine Frage enthalten [ist]“ ( Jolles 129), erscheinen. Damit stützt sich die vorliegende Analyse, sowohl auf den klassischen Mythos-Begriff, nach dem der Mythos als Teil der archaischen Überlieferung und als zeitlose und universelle Geschichte von Göttern und Heroen aufgefasst wird als auch auf seine weitgefasste Definition. Nach dieser gelten Mythen 1� als „Denkmuster oder Beispielgeschichten, in denen zu allen Zeiten Gesellschaften oder auch kleinere soziale Gruppen eine Art kollektive Wertvorstellung oder Selbstbilder, auch kollektive Träume oder Fantasien formulierten […] “ (Nell und Riedel 6), 2� als durch die neuen Medien tradierte Alltagsphänomene, die zum Bestandteil des kollektiven Bewusstseins geworden sind 3. und schließlich als „spezifische Erinnerungsform “ (Wodianka, Erinnerung 21)� Der Begriff „Mythos “ hat über Jahrtausende hinweg eine Transformation erlebt und ist an dem Punkt, an dem potenziell alles mythisiert werden kann� Darüber hinaus bezieht sich der postmoderne Mythos auf verschiedenartige Phänomene (Wodianka und Ebert). Zu den neu entstandenen Mythen können historische Persönlichkeiten, fiktive Gestalten, Orte, Ereignisse aber auch Ideen und Institutionen werden (IV)� Obwohl sich die Mythen des 20� und 21 Jahrhunderts von ihren antiken Vorbildern wesentlich unterscheiden, besitzen sie, um mit Stephanie Wodianka und Juliane Ebert zu sprechen, „eine Eigenschaft, ein mehr oder weniger entfaltetes narratives Potenzial in sich zu bergen, das einen als subjektiv erlebten, aber kollektiv gültigen und verbindenden Sinn stiftet“(IV)� Es gibt zahlreiche Städte, die in der Literatur und Wissenschaft in den Rang des Mythos erhoben werden� Man hat über „Mythos Berlin“ (Hickethier und Schwelling), „Mythos Alt-Wien“ (Sommer und Uhl) oder „Mythos Dresden“ (Lühr) reflektiert. Sabrina Janesch geht dagegen auf den „Mythos Danzig“ ein, dessen Phänomen in der Literatur schon mehrmals aufgegriffen worden ist. Die legendäre Stadt Danzig/ Gdańsk hat wegen ihrer verwickelten Geschichte und eigentümlichen Atmosphäre sowohl deutsche als auch polnische Schriftsteller fasziniert� Günter Grass thematisierte sie in seinen berühmten Danzig-Werken Die Blechtrommel , Katz und Maus und Hundejahre und Stefan Chwin setzte sich mit der deutschen Vergangenheit der Stadt auseinander� 3 Paweł Huelle stellte in seinem Roman Weiser Dawidek Gdańsk in der polnischen Nachkriegszeit dar. Sabrina Janesch lässt die Ortschaft dagegen in einem vertrauten, aber zugleich numinosen Gewand erscheinen und zeigt gleichzeitig das für die Stadt typische Neben- und Durcheinander von Sprachen und Kulturen. So ist Danzig/ Gdańsk 442 Agnieszka Dylewska für die Schriftstellerin ein Ort, an dem das vieldimensionale Zusammenspiel von Raum, Erinnerung und Verflechtung zwischen zwei Völkern stattfindet. Besonders prägend für die Handlung sind fünf Zeiträume aus der Geschichte der Stadt: die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, wo die Freie Stadt Danzig Gegenstand eines Streits zwischen Deutschland und Polen über politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss wurde (Loew 186), die nationalsozialistische Periode nach Hitlers Machtergreifung (Loew 218-219), die Eroberung der Stadt durch die Rote Armee im März 1945 (Loew 226), ein fast völliger Bevölkerungsaustausch Danzigs in den ersten Monaten nach dem Krieg, bei dem die verbliebene deutsche Bevölkerung nach Deutschland vertrieben und durch polnische Ansiedler ersetzt wurde (Loew 232) und schließlich der polnische Alltag in Gdańsk des 21. Jahrhunderts. Die Realitäten des deutschen Vorkriegs- Danzig und des polnischen Nachkriegs-Gdańsk verweben sich transitorisch miteinander und werden nicht nur zu einer binationalen Einheit, sondern auch zu einer unerschöpflichen Quelle von Geschichten, die ins Mythische münden. Danzig/ Gdańsk wird im Roman nicht beim Namen genannt, sondern fungiert als eine ferne „Stadt am Meer“ ( Janesch, Ambra 60). Ihr Ursprung gehört einer mythischen, undefinierbaren Vorzeit an: Sie soll „auf dem Nichts [und] aus dem Nichts“ ( Janesch, Ambra 170) aufgebaut worden sein und wird, wie eine sonderbare Inkluse, von der „schützenden[n] Hülle aus Bernstein, die sie seit jeher vor der endgültigen Auslöschung bewahrt hatte“ ( Janesch, Ambra 60), umgeben� Durch den Einsatz eines Verfremdungseffektes wird dem Ort eine zusätzliche magische Aura verliehen� Die Ortschaft am Meer ist das Reiseziel der Hauptprotagonistin Kinga Mischa, der Tochter eines noch im Vorkriegs-Danzig geborenen, aber 1945 geflohenen Deutschen. Die Familiengeschichte der jungen Frau ist sonderbar und verwickelt und reicht über 100 Jahre zurück� Ihre Urgroßeltern ließen sich in Danzig/ Gdańsk nieder. Deren im ständigen Konkurrenzkampf stehenden Kinder, Konrad und Marian, haben ganz unterschiedliche Lebenswege gewählt. Während Konrad dem evangelischen Glauben treu blieb und sich der deutschen Sprache bediente, konvertierte Konrad zum Katholizismus und sprach Polnisch. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Marian gezwungen, die Volksliste zu unterschreiben und seinen Familiennamen Mysza in Mischa zu ändern, sein Bruder dagegen meldete sich freiwillig zur deutschen Armee. Nach dem Krieg blieben Myschas in Danzig/ Gdańsk und der deutsche Teil der Familie musste die Stadt verlassen. Erst nach dem Tod ihres Vaters erfährt Kinga, dass sie bisher unbekannte Verwandte hat und dort durch eine Erbschaft eine Wohnung erhält. So beschließt sie, in die Heimatstadt ihres bereits verstorbenen Vaters zu reisen, um ihre polnischen Angehörigen kennenzulernen und die ihr zustehende Hinterlassenschaft anzutreten� In der fernen Stadt am Meer angekommen, Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 443 wird Kinga mit ihrer Familie konfrontiert. Sie lernt Brunon, ihren an Lungenschwäche leidenden Onkel, seine Frau Bronka, deren nach dem Einsatz im Irak kriegstraumatisierten Sohn Bartosz und schließlich dessen anmutige Freundin Renia Fiszer kennen� Vom ersten Moment an fühlt sich die Hauptprotagonistin von der fremden Stadt magisch angezogen� Schon in den ersten Tagen ihres Aufenthaltes beginnt sie, die Ortschaft mit allen Sinnen zu erkunden� Die Stadt wird zu einem Territorium, das die junge Protagonistin mit Farben, Gerüchen und Formen anlockt und darauf wartet, von ihr betreten und eingenommen zu werden� Darüber hinaus wird Kingas Aufenthalt in Danzig zur Abrechnung mit der großen und kleinen Geschichte und auch mit sich selbst� Das mythische Bild der Stadt wird im Roman dreidimensional konstruiert� Erstens: Die von Janesch kreierte literarische Vision von der Stadt als mythischer Raum baut auf der Komplexität des Ortes, seiner kulturellen Vielfalt, seiner Vergangenheit und dem der Ortschaft innewohnenden mythischen Gedächtnis auf. Darüber hinaus wird der Ort als vielschichtiges Konstrukt kreiert, dessen Struktur mehrere moderne Mythen zugrunde liegen� Außerdem macht die Autorin durch Anspielungen und intertextuelle Bezüge literarische Mythologeme lebendig� Darüber hinaus wird die Gestalt des kleinen Trommlers Oskar aus dem Roman Die Blechtrommel von Günter Grass heraufbeschworen: Jeder Schlag auf jede Trommel und jeder Schrei, jedes zerbrochene Glas und jeder unlautere Gedanke findet Einlass ins Gedächtnis der Stadt, das Minute um Minute angereichert wird vom Wind. Bei Eintritt in die Innenstadt umfängt er die Menschen und umgarnt sie so lange, bis er ihnen ihr Geheimnis entlockt hat, denn in dieser Stadt hat jeder ein Geheimnis und jeder ein Schweigen, das er darüber legt� ( Janesch, Ambra 8) Unverkennbar knüpft die Autorin dabei an die Oskar-Figur an, die aus dem berühmten Grasscher Roman stammt und im kulturellen Gedächtnis der Stadt ihren Platz gefunden hat� Die Geschichte von dem zwergartigen, glaszerschreienden Oskar Mazerath, die einen untrennbaren Teil der Danziger Überlieferung darstellt, wurde von Janesch wieder in Erinnerung gerufen und im mythischen Gewand dargestellt. Die Schriftstellerin benutzt dabei das literarisch-ästhetische Verfahren des ‚Mythologisierens‘ (Matuschek 172)� Der kleine Trommler, ein groteskes Pendant des mythischen, ‚göttlichen Kindes‘ 4 (Roßbach 275), wird dadurch neu betrachtet und in den Rang der Figur eines Mythologems erhoben, dem ein literarisches Vorbild zugrunde liegt� Zweitens wird die Stadt mit antiken Symbolen und Archetypen in Verbindung gebracht. Schon am zweiten Tag ihres Aufenthaltes stolpert Kinga über einen abgebrochenen Satyrkopf, den Überbleibsel des Sturmes, der über die Stadt gefegt war. Der Marsch der Protagonistin durch den vom Sturm zerstörten 444 Agnieszka Dylewska Stadtteil, vorbei an zerbrochenen Skulpturen des Kunstmuseums, bekommt einen entrückt-surrealen Charakter und verwandelt sich in die Besichtigung einer antiken Ruine. In Bezug auf die räumliche Darstellung ähnelt das literarische Bild von Danzig einem mythischen Labyrinth aus schmalen Gassen, unterirdischen Gängen, Verließen und Hinterhöfen. Einerseits hat die Metropole eine „sorgfältig geplante, komplexe Struktur“ (H� Daemrich und I� Daemrich 237), andererseits verwirrt sie den Besucher und macht den Eindruck „völliger Undurchschaubarkeit“ (237)� Die Erforschung der geheimnisvollen Winkel der Stadt erfolgt bei Kinga parallel zur Abwicklung ihrer Initiation und Selbstfindung. Drittens wird der Ort als ein düsteres, alles verschlingendes Wesen dargestellt, dem auch Menschen zum Opfer fallen� Jedes Jahr verlangt das Stadt- Monstrum nach „Fleisch, nach Muskeln Knochen Sehnen Seelen […]“ ( Janesch, Ambra 254) und hat immer wieder einen „unmäßigen Appetit auf Menschenmaterial“ (254)� Als menschenfressendes Ungeheuer streckt die Ortschaft ihre Glieder in alle Richtungen aus, um weitere Opfer zu holen: „Sie nämlich, die Steinerne, Zerstörte, Auferstandene, sie fraß nämlich an jedem, der eine Schwäche offenbarte, dies hier war kein Ort für Schwache und für schwache Nerven schon gar nicht, zu viele Tote, zu viele Geschichten […]“ ( Janesch, Ambra 254)� In diesem Zusammenhang ähnelt der Ort dem Moloch, einer ewig ungesättigten mythischen Gottheit der Ammoniten (Frick 213), die nicht nur menschliche Körper frisst, sondern die auch nach menschlichen Seelen gierig ist. So pendelt die Darstellung zwischen dem Trugbild und der lebendigen Wirklichkeit. Wie der römische Gott Janus hat die Stadt zwei Gesichter. Das eine ist für Touristen bestimmt, die prächtige Kirchen und schöne Patrizierhäuser, die „Zierde, Dekoration und teuren Cafés“ ( Janesch, Ambra 46) bewundern wollen, das andere dagegen besteht aus heruntergekommenen Gebäuden, Werftanlagen, Bastionen und Räucherbuden. Mit der fremden, sonderbaren Stadt am Meer wird Kinga auch durch ein Bernsteinamulett, das sie von ihrem Vater geerbt hat, auf eine numinose Weise verbunden� Das aus dem Familiennachlass stammende Schmuckstück wird von seiner neuen Besitzerin nach Gdańsk/ Danzig mitgenommen. So kommt der goldene Stein durch Kinga in die Gegend zurück, aus der er ursprünglich stammte, denn man hat ihn vor vielen Jahrzehnten in der Nähe der geheimnisvollen „Stadt am Meer” gefunden. Zudem verdankt die als Danzig/ Gdańsk identifizierte Ortschaft dem Bernstein ihre glanzvolle Geschichte und rühmt sich der prächtigen Bernsteinkunststücke (Loew 14-15)� Der Bernstein als Hauptbestandteil der Überlieferung verleiht der Stadt eine Aura der Magie, die die zauberischen Eigenschaften des Anhängers noch zu verstärken scheint. Demnach kann die magische Kraft des Amuletts in der als „Welthauptstadt des Bernsteins“ (Loew 14) berühmten Stadt schicksalssteuernd wirken� Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 445 Der Bernstein und die in ihm verborgene Spinne bilden als Teile eines Anhängers eine untrennbare Einheit. Sie verleihen dem Schmuck magische Eigenschaften und machen ihn dadurch zu einem Amulett, das einerseits seinen Träger schützt und determiniert, andererseits zu einem Medium der Erinnerung, in dem Geschichten gespeichert sind� Der Stein und das in ihm gefangene Lebewesen funktionieren als zwei getrennte Subjekte, die besondere Aufgaben zu erfüllen haben� Der geheimnisvolle Stein, dessen Name in Italienisch und Spanisch ámbar und in Französisch ambre lautet, prägt den Inhalt des ganzen Romans. Die sagenhafte Verwobenheit des Bernsteins und der echten Ambra, die in der Galle eines Pottwals entsteht, mündet in den Mythos, dass beide Substanzen aus dem Meer stammen und gleichen Ursprungs sind� Die Unbestimmtheit und Undurchschaubarkeit des Titelwortes deutet auf die mythische Perspektive und Erzählweise hin. Wie die Autorin selber konstatiert, „steht der Begriff für etwas Mysteriöses, etwas, das man nicht genau einordnen kann, das aber die Menschen über die Jahrhunderte hinweg fasziniert hat, so wie der Stoff der Geschichte, das Erzählen“ ( Janesch, Danzig 390). Der goldgelbe Stein umschließt die in ihm konservierte Spinne und schützt sie vor Verwesung, wodurch eine magische Kraft entsteht. Der Besitzer des Amuletts soll über eine visionäre Vorstellungskraft verfügen und Gedanken lesen können. Die magische Wirkung des Amuletts hat ihre Wurzeln in den Eigenschaften, die dem Bernsteinschen seit Jahrhunderten zugeschrieben werden� Er wurde als Heilmittel eingesetzt, sollte aber auch eine Schutzfunktion haben� Zudem ist seine Herkunft in der mythischen Überlieferung belegt� Dieser Schmuckstein aus fossilem Harz soll, dem antiken Mythos nach, aus den Tränen der Heliaden, Schwestern des Phaetons, entstanden sein ( Jacobi 733)� 5 Nach einer anderen antiken Geschichte soll der Bernstein ein Erzeugnis der Sonne sein und entstehen, wenn die Sonne abends im Meer untergeht (Schwenck 132)� Das Bernsteinamulett, das sich seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Mysza/ Mischa befindet, wurde nicht gekauft oder erbeutet. Den großen, goldenen Stein hat ein Urahn auf mysteriöse Weise im Fluss gefunden. Seitdem gilt der Bernstein bei Familienmitgliedern als Talisman, der eigene Ziele und Wünsche verwirklichen hilft. Indem der alte Mysza seinem jüngeren Sprössling Marian den Anhänger schenkt, wird der Stein zum Hauptsymbol eines Konfliktes, den der Vater durch die Bevorzugung des Zweitgeborenen heraufbeschwört. Er versinnbildlicht damit „eine indirekte Vermittlung des Erstgeburtsrechts an seinen jüngeren Sohn“ (Fischer 110). Darüber hinaus eröffnet der Bernstein einen weiteren mythischen Kreis, der auf die Bibel und die Geschichte von Kain und Abel (Mose 4: 5-6)oder die vom alttestamentarischen Joseph (Mose 37: 39-40) zurückgreift� 446 Agnieszka Dylewska Das sich im Besitz der Hauptprotagonistin befindende Bernsteinamulett hilft ihr, sich mit der deutsch polnischen Vergangenheit ihrer Familie auseinanderzusetzen, denn „[w]er einen Bernstein trägt, der sich durch seine Größe, seine Reinheit oder seine Inkluse auszeichnet, der hält sich für ein Glied, das die Gegenwart mit der Vergangenheit verbindet“ ( Janesch, Ambra 60)� Als Erbin und Trägerin des Bernsteinamuletts bewährt sich Kinga als Glied in der Kette der Familiengenerationen� Nebenbei zeigt die Hauptprotagonistin gewisse Parallelen zur Gestalt der Göttin Frigg aus dem Kreis der nordischen Mythologie. Die Halskette von Odins Gemahlin soll nach der alten Überlieferung aus Bernstein gefertigt worden sein, so dass der Stein als ein Bindeglied zwischen der Ober- und Unterwelt wahrgenommen werden kann (Leske 431)� Somit übernimmt Kinga einige Eigenschaften der Göttin. Sie fühlt sich von den unterirdischen Gängen von Gdańsk/ Danzig auf merkwürdige Weise angezogen und pendelt zwischen zwei Welten: der unheimlich-magischen und der realen� Durch die Tatsache, dass die germanische Gottheit Frigga auch die Göttin des Webens ist und zu ihren Attributen eine Spindel gehört (Mogk, Germanische Mythologie 142) wird die weibliche Protagonistin auch mit der Metastimme des Romans: der im Bernstein eingeschlossenen Spinne in Verbindung gebracht und mit ihr durch einen magischen Rapport vereint� Der Spinne, die leitmotivisch im Roman auftaucht, wird auch eine konstitutive Bedeutung beigemessen. Sie gehört zu einer der Hauptstimmen des Romans, die die Vorgeschichte der Handlung beleuchtet und Räume, Figuren und Vorgänge miteinander verbindet� Demzufolge verwebt sie mythische Vergangenheit und Gegenwart sowie magische und reale Wirklichkeit zu einem mehrdimensionalen Gewebe� Sie übernimmt auch die Funktion eines Mediums, wodurch grundsätzliche Aussagen über die Familie Mysza/ Mischa und ihre Geschichte formuliert werden� Da die im Bernstein konservierte Spinne zum unsterblichen Wesen geworden ist, trägt ihre Millionen Jahre dauernde Gefangenschaft dazu bei, dass das Insekt gleich den Göttern, mit Weltweisheit und Erfahrung ausgestattet ist und damit die Ereignisse aus der fernen olympischen Perspektive beobachten und bewerten kann. Dazu wird die Symbolfigur der Spinne mit zahlreichen, mythischen Konnotationen aufgeladen. Die wissenschaftliche Bezeichnung der Spinnen, Arachnoiden, ist von Arachne , der griechischen Webkünstlerin abgeleitet (Rose 106)� 6 In der Überlieferung vieler Völker wird die Spinne als ein göttliches Wesen wahrgenommen, das die Schicksalsfäden aller Lebendigen spinnt und dadurch das menschliche Leben prägt. In diesem Zusammenhang steht sie für alle „spinnenden Geburts-, Natur-, Liebes-und Schicksalsgöttinnen“ wie Moiren, Parzen oder Nornen (Vonessen 46)� 7 Auf der archetypischen Ebene gilt die Spinne wegen ihrer unberechenbaren Bewegungen als eine Macht, die die Kausalitätsgesetze verletzt (Busch 180). So wie die Spinnen in ihrem Netz in al- Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 447 len Richtungen laufen, besitzt die im Bernstein gefangene Spinne die Fähigkeit, sich zwischen den unterschiedlichen Zeiträumen zu bewegen. Dadurch wird sie zu einem wichtigen Faktor, der die Handlung zu einem zeitlichen Kontinuum verbindet� Die Hauptbeschäftigung der Spinne, das Herstellen eines komplizierten, netzartigen Gewebes, das sich als eine Familienchronik entpuppt, deutet dagegen auf Ähnlichkeit zur mythischen Arachne� Indem das Spinnentier im Roman mehrere Zeitpunkte miteinander verknüpft und zahlreiche Ereignisse miteinander verwebt, wird sie zu einer Mythenbildnerin: Sie erzählt von der mythischen Urzeit der Familie in der Kaschubei, 8 von den Urgroßeltern der Protagonistin, die nach Danzig ausgewandert sind, von dem Bruderzwist, der zur Spaltung der Familie in den deutschen und in den polnischen Zweig führte, über die Eifersucht, den Krieg und den Heimatverlust. Unermüdlich spinnt sie ihr Netz aus Schicksalen und offenbart damit die intimsten Geheimnisse der Familie. Neben der Spinne, die das Vergangene und das Gegenwärtige miteinander verwebt, spielen etliche Frauen, denen Kinga an ihrem neuen Heimatort begegnet, und denen sie sich stellen muss eine wichtige Rolle� Sabrina Janesch hat in ihrem Roman Frauengestalten geschaffen, die ins Mythische entrücken und mehrere Gemeinsamkeiten mit Heldinnen aus alten Überlieferungen aufweisen. Die um die Hauptprotagonistin versammelten Frauenfiguren: ihre polnische Tante Bronka, die Besitzerin des unheimlichen Theaters Maya und Kingas Freundin Renia bilden Konstellationen von Abhängigkeiten, emotionalen Bezügen und symbolbeladenen Konnotationen. Ähnlich wie die Gestalten des griechischen Mythos, werden sie archetypisch geprägt und repräsentieren verschiedenartige Rollenmodelle� Die Darstellung der Frauen in grenzüberschreitenden Lebenssituationen ermöglicht es, sich ihrer Welt anzunähern und ihre Rollen aus einer universellen Sicht zu definieren. Kingas polnische Großtante Bronka ist eine starke Frau, die sich selbst zur Hüterin der Familie erkoren hat. Die familiäre Ehre und die Aufrechterhaltung der Mysza-Sippe stellen für sie den höchsten Wert dar, für den sie fähig ist, auch große Opfer zu bringen� Die Bedeutung sowie die Herkunft des Vornamens Bronka bestimmen in vielfältiger Art und Weise die Rolle des Oberhauptes der Familie Mysza. Bronka ist der Diminutiv von Bronisława, der weiblichen Form von Bronisław und zugleich die Bedeutungszusammensetzung aus „verteidigen“ und „Ruhm/ Ehre“ (Varnhorn 29)� Die komplexe Struktur des Vornamens und das männliche Element, das ihm innewohnt, finden Ausdruck in Bronkas dualistischer Natur: die Frau befiehlt, ordnet an, bestimmt, kann aber auch entgegenkommend und großzügig sein� Dementsprechend steht Bronka an der Spitze der Familienhierarchie und bildet einen Gegenpol zu ihrem schwachen, krankhaften und unscheinbaren Mann� Auch ihr erwachsener Sohn Bartosz 448 Agnieszka Dylewska behandelt sie mit Respekt� Indem sich Bronka um ihre Familie kümmert, sie versorgt, schützt und nährt, nähert sie sich dem Stereotyp der polnischen Mutter, deren überwältigende Liebe einerseits für die Existenz der Familie unentbehrlich, andererseits aber erdrückend ist. Um ihren Einfluss zu verstärken, kocht sie Unmengen von gutem Essen, mit dem sie ihre Familie füttert, oder es an andere Angehörige verschenkt. Bronkas Macht liegt darin, dass sie die Menschen „mit Liebenswürdigkeit überschüttet […], ihre Gliedmaßen mit Freundlichkeit einspeichelt […] und aneinanderklebt […]“ ( Janesch, Ambra 70), so dass sie vor ihr nicht flüchten können. Die Bronka-Figur versinnbildlicht im weiteren Sinne die unsterbliche, unveränderliche und allmächtige Magna Mater, die lebensspendende Muttergöttin (Winter 414), in der wie in der Studie Die große Mutter. Der Archetyp des großen Weiblichen von Erich Neumann „die Zentralsymbolik des Weiblichen für den matrialchalen Bezirk“ (58-59) zum Ausdruck kommt� Wegen ihrer besonderen Stellung als Oberhaupt der Familie Mysza und ihrer Charaktereigenschaften steht Bronka ursymbolisch für den im Mythos, in der Geschichte und in der Religion immer wiederkehrenden Archetypus der Großen Mutter, die sowohl positive als auch negative Aspekte der Mütterlichkeit und des Weiblichen als spannungsreiche Gegensätze miteinander verbindet. Andererseits verkörpert sie auch die weibliche Gottheit, die „ihre eigene Nachkommenschaft zu verschlingen [droht]“ (Powell 40). Indem sie versucht eine Abhängigkeitsbeziehung zu ihrem Sohn Bartosz aufrecht zu erhalten, bestätigt sich die These von Neumann, dass „der Sohn von der Großen Mutter beherrscht wird, die ihn auch in seiner männlichen Bewegung und Aktivität bei sich festhält“ (Neumann 58-59). Um sich ihrem Einfluss zu entziehen, meldet sich Bartosz zum Irak-Einsatz, aus dem er stark traumatisiert nach Hause zurückkehrt� Seine schlechte Verfassung ist für Bronka ein Vorwand, ihn aufs Neue unter ihre Fittiche zu nehmen. Sie versucht auch, Kinga zu bemuttern und ihren Einfluss auf Renia auszudehnen� Eine weitere Frau, die ihre Anziehungskraft auf Kinga auszuüben versucht, ist Demoiselle Maya� Bereits die Namensgebung der Varietébesitzerin verweist auf ein mythisches Vorbild� In Sanskrit bedeutet der Name Maya soviel wie „Illusion“ oder „Zauberei“ (Eidlitz 106). Im Hinduismus gehört Maya zu den wichtigsten Gottheiten� Zugleich ist sie eine der geheimnisvollsten und undurchschaubarsten Göttinnen. Sie gilt als Verursacherin der Täuschung und als Sinnbild für die magische Kraft (106). Ihre Attribute sind der Regenbogen, das Spinnennetz und der Schleier, der für das Geheimnis und das Rätsel steht. Die Tatsache, dass sie oft als eine webende Spinne dargestellt wird, verweist auf ihre Rolle als Weltenmutter, die das Netz von menschlichen Lebenswelten webt (Vollmer 1162)� Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 449 So wird der Vorname Demoiselle Maya zum konstitutiven Aspekt ihrer Identität, der direkt auf ihr Schicksal und ihre Beschäftigung hinweist: Sie führt das Collegium Obscurum, ein mysteriöses Theater, in dem sie, ähnlich wie ihre indische Namensvetterin, Vorspiegelungen, Halluzinationen, Sinnestäuschungen und Zauberkünste miteinander verwebt� Das Aussehen der Varietébesitzerin spiegelt ihre innere Veranlagung wider und zeigt, dass sie eine Repräsentantin einer magischen Sphäre ist. Sie wird als „eine Dame weit über sechzig, in einem schwarz-violetten Kostüm, die dick Kajal auf den faltigen Augenlidern trägt und eine Zigarette an einer Elfenbeinspitze genüsslich zu ihrem Mund führte“ ( Janesch, Ambra 119) beschrieben. Kingas erste Begegnung mit der geheimnisvollen Frau ähnelt einer Audienz bei einer indischen Göttin in prächtigem Gewand, die vom Zigarettenrauch, wie von Weihrauchwolken umgeben, „auf dem silberfarbenen Aluminiumstühlchen thront […]“ ( Janesch, Ambra 119)� Die Theaterbesitzerin weiß „über alles zwischen Himmel und Erde und darüber hinaus Bescheid“ ( Janesch, Ambra 212)� Überdies ist die skurrile Dame Versucherin und Verblenderin, die Kinga mit ihren Imaginationen, Täuschungen und Verstellungskünsten verlockt, betört und verzaubert. Sie passt auf, dass Kinga die verborgenen Familiengeheimnisse nicht zu leicht und zu schnell entdeckt� Nebenbei erscheint sie infolge ihrer Rolle der Schicksalsweberin als Inkarnation der vom Bernstein eingeschlossenen Spinne. Während aber die Spinne nur als passive Erzählerin im Roman fungiert, spinnt die Varietébesitzerin immer neue Fäden. Sie scheint die Realität verhüllen zu können und so breitet sie ihr Netz auch über Bartosz, Kinga und Renia aus. Wegen ihrer Schönheit, Zartheit und ihres anmutigen Wesens stellt sich Renia als Angehörige des „weit verbreitete[n], allen Mythologien, Märchen und Sagen bekannte[n] Geschlecht[s] der zarteren Elementargeister“ (Preller 593), der Grazien dar� Dem Mythos nach sollten die Grazien oder Charitinnen Aglaia, Thalia, und Euphrosyne für Schönheit, Freundschaft und Heiterkeit stehen (Ramler 71). In der antiken Kunst sind sie als bezaubernde, verführerische Mädchen abgebildet� Die Bedeutung Renias als Figur, die sinnliche Reize ausstrahlt, wird durch die Beschreibung der jungen Frau, in der sie als „die Schöne, die Zarte, die hohlwangige Grazie“( Janesch, Ambra 295) geschildert wird, zusätzlich betont. Vom ersten Moment an fühlt sich Kinga zu Renia hingezogen und wird von ihrem Charme und der Sinnlichkeit, die sie ausstrahlt, tief beeindruckt� Ihre Gefühle zu Renia, die zwischen Bezauberung und sinnlicher Begierde pendeln, verdrängt sie aber ins Unbewusste. Renia, die die Eigenschaften von drei Grazien in sich vereint, wird für Kinga zum Ideal der Liebe und zugleich zum Symbol des weiblichen Prinzips� Auch die Figur von Kinga ist teils legendär, teils mythisch geprägt. Der Vorname der Hauptprotagonistin bezieht sich auf eine realistisch-legendäre Figur der 450 Agnieszka Dylewska heiligen Kinga, die für die polnische Kulturgeschichte von großer Bedeutung ist� Nach der Volksüberlieferung hat die ungarische Prinzessin ihrem Mann, dem polnischen Fürsten Bolesław als Mitgift eine Salzmine auf wundersame Weise geschenkt. Nach der Hochzeit ließ Kinga in der Nähe von Krakau eine Grube ausheben, wobei man auf Salz stieß� In diesem Salzlager wurde ihr Verlobungsring gefunden, den sie früher in das ungarische Salzbergwerk geworfen hatte. Wie ihre Namensvetterin wird Kinga auch mit unterirdischen Gängen und Gruben in Verbindung gebracht, von denen sie sich angezogen fühlt� Und ähnlich wie die ungarische Prinzessin, verlässt sie ihren Heimatort, um in Polen eine neue Heimat zu finden. Zudem liegt dem Vornamen Kinga die Zusammensetzung von „Sippe“ und „Kampf “ zugrunde (Varnhorn 88), was die bestimmte, familiäre Rolle der Hauptprotagonistin verdeutlicht. Kinga verkörpert symbolisch nicht nur das Bindeglied zwischen dem deutschen und dem polnischen Element, sondern sie kämpft auch für die Versöhnung der Familie sowie für die offene Auseinandersetzung mit den Familiengeheimnissen. Demzufolge wird sie zu einer Interferenzfigur, die zwei, infolge der politischen Verwirrungen sowie internen Animositäten und Ungerechtigkeiten gespaltene Familienteile, zu vereinigen versucht. Sie lenkt aber ihre Kraft falsch und scheitert, so Marion Brandt, an ihrer „Unfähigkeit, mit fremdkulturellen Kommunikationsstrategien umzugehen“ (95)� Die von ihr initiierte Zusammenführung der deutsch-polnischen Familie wird teils ins Groteske, teils ins Tragische verkehrt� Zudem will sie die Sympathie der einzelnen Familienmitglieder durch „Demonstration ihrer Stärke“ gewinnen, ist aber nicht imstande, worauf Marion Brandt hindeutet, „sich selber aus der Perspektive des Anderen wahrzunehmen“ (93)� Die Gabe der Weissagung, die Kinga durch das Bernsteinamulett erhalten hat, ermöglicht ihr auch, in einem Varieté von Demoiselle Maya als Weissagerin zu arbeiten� Sie ersetzt ihre verschwundene Freundin Renia, die dort als Medium tätig war und liest in einer Show Gedanken fremder Menschen. Dadurch tritt sie in die Fußstapfen der antiken weisen Frauen, die Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit sehen können und Prophezeiungen von sich geben. Sie übernimmt dadurch die Rolle der Priesterinnen und Seherinnen, die Trägerinnen der Überlieferung der Gemeinschaft waren. Kingas mysteriöse Tätigkeit spielt auf den Mythos von der antiken Priesterin Pythia an� Die Pythia diente lebenslang Apollo, dem Gott der Weisheit und Weissagung und vermittelte in der Trance die Hinweise und Antworten des Gottes (Rose 130). Seherische Fähigkeiten besaß auch die antike Kassandra. Die Tragik ihres Schicksals lag darin, dass niemand trotz der Wahrhaftigkeit ihrer Prophezeiungen und Warnungen an diese glauben wollte� So wurde die unglückliche Weissagerin zur Wahnsinnigen erklärt und verstoßen (Panaghiótis 38). Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 451 Die erworbene Sehergabe wird Kinga, ähnlich wie den antiken Wahrsagerinnen, zum Verhängnis. Kingas Bekenntnis wird mit Misstrauen aufgenommen, genauso wie die rätselhaften und geheimnisvollen Weissagungen von Pythia und Kassandra, die erst nach der Interpretation einen Sinn ergeben. Niemand scheint Kinga Glauben zu schenken, wenn sie ihren schriftlichen Bericht über das Verschwinden von Renia und Bartosz erstattet� Aufgrund dessen, dass Kinga in Renias Inneres blicken kann, mit Bronka verwandt ist und dazu die Kriegsvergangenheit des Sohnes kennt und schließlich für Demoiselle Maya arbeitet, befindet sie sich im Mittelpunkt der Frauenkonstellation. Kingas zentrale Position ist nicht zufällig. Um mit Mieszkowski zu sprechen: „Wer [das Zentrum] besetzt, ist gleichzeitig privilegiert und eingeschlossen, mit besonderer Macht ausgestattet und besonderen Beschränkungen unterworfen“ (228). Dem Geflecht der Beziehungen zwischen den Protagonistinnen liegen ihre Gemeinsamkeiten und Gegensätze zugrunde, die sich auf Funktionen und Eigenschaften der einzelnen Frauen beziehen� Es verweist auf ihr spezifisches Verhältnis zueinander, wobei Kinga als Katalysator der handlungsimmanenten Ereignisse fungiert� Von gravierender Bedeutung für den Schluss der Geschichte ist der Mythos von der Entrückung der Menschen und von ihrem Aufenthalt in der Ober- oder Unterwelt, der in vielen Kulturen verbreitet ist. Im Mittelpunkt der mythischen Überlieferung stehen Personen, die aus der Menschenwelt verschwinden, um in einer anderen Welt weiterzuleben� Der Entrückung-Mythos manifestiert sich vor allem in einer großen Anzahl von Geschichten von bergentrückten Helden, Kriegern und Herrschern, die „in den Berg gegangen [sind] und schlafen dem Tag der Erlösung entgegen „de[r] leibliche Übergang eines menschlichen Wesens aus diesem Leben in die jenseitige Welt, ohne daß der Tod dazwischentritt“ (Schmitt 245) verstanden wird� Als Orte der Entrückung gelten Berge, Höhlen, Burgverliese oder andere unterirdische Räume. Die Entrückten ähneln den Geistern oder Somnambulen, die im tiefen Schlaf versunken, nur von Zeit zu Zeit erwachen (Stammler 43)� Dieser Vorgang geschieht, um mit Daxelmüller zu sprechen, „unter Aufhebung der Dimension von Zeit und Raum bzw� der menschlichen Vorstellung von Zeitdauer und der mit dieser korrelierenden räumlichen Distanz. Dem Entrückten erscheint die Zeit seiner physischen oder psychischen Abwesenheit nur von kurzer Dauer, während sie in Wirklichkeit viele Jahre oder Jahrhunderte währte“ (Daxelmüller 43). Sabrina Janesch greift zum Motiv der Entrückung, indem sie das Liebespaar Renia und Bartosz unter der Erde spurlos verschwinden lässt. Dem Hinabsteigen des Liebespaares in das unterirdische Gewölbe wird symbolisch der Ausdruck der Entrückung verliehen: 452 Agnieszka Dylewska [Sie] betraten die Wiese vor der alten Stadtbefestigung, schlitterten hinunter in den Graben, der die Bastionen umgibt, durchquerten ihn und kletterten schließlich wieder empor, mit langsamen Schritten, feierlich wirkte das, als würden sie eine Zeremonie begehen� Von der kleinen Wegkreuzung aus sah ich, wie Bartosz und Renia vor einer Öffnung im Hang stehen geblieben waren, sich noch immer an den Händen hielten, einander kurz küssten und als die Sonne hinter der Bastion verschwunden war, sich bückten und hineinstiegen� ( Janesch, Ambra 368-369) Das sonderbare und feierliche Zeremoniell, das von den jungen Menschen beim Sonnenuntergang durchgeführt wurde, ähnelt einem Abschiedsritual, das oft die Entrückung eines Helden voraussetzt. Die tunnelartige Öffnung im Hang, sowie die endlosen Gänge der Danziger Bastionen, die im Roman immer wieder leitmotivisch auftauchen, erwecken dagegen Assoziationen zur Unterwelt� Der offene Schluss trägt dazu bei, dass die Geschichte von Renia und Bartosz sowohl auf einer realistischen als auch einer mythischen Dimension gedeutet werden kann� Das realistische Modell der Geschichte ist mit der Vermutung verbunden, dass die Geliebten dem Alltag entflohen sind, um nie wieder gesehen zu werden. Die mythische Deutung dagegen bezieht sich auf die Erfahrung von Endlichkeit und Unendlichkeit, die nur durch die freiwillige Entrückung ins Totenreich möglich ist. Die mythischen Bezüge in Ambra eröffnen ein interessantes interpretatorisches Spannungsfeld, in dem die Vernetzung von mythischen Elementen mit der magisch-realistischen Ästhetik zum Ausdruck kommt� Zum einen wird das Mythische mit der Realität konfrontiert, zum anderen gehen die magisch-mythische Wirklichkeit und der Alltag ineinander über� Mythische Motive werden zum tragenden Handlungsgerüst und die in dem Roman relevanten Gegenstände, Orte und Menschen zu Symbolen� Sabrina Janesch bedient sich des breiten Spektrums der Geschichten� Sie greift auf die Mythenwelt der antiken Griechen und Römer, die biblische Überlieferung, indische Mythologie sowie deutsche, zeitgenössische Mythenbildung zurück. Konstitutiv für den Roman ist das mythisch geprägte Motiv des Spinnens, das sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht� Es tritt in den implizit zurückgerufenen Figuren der germanischen Göttin Frigg, der Schicksalsgöttinnen Parzen/ Nornen und der indischen Weltenweberin Maya in Erscheinung und wird schließlich in der Metafigur der Spinne verinnerlicht, die alle weiblichen Schicksalsweberinnen mit- und ineinander verbindet� Die mythische Perspektive hilft, die deutsch-polnischen Berührungspunkte und Verbindungen, die sich in Ortsbildern, Porträts der Aktanten und in Artefakten manifestieren, auf einer imaginären und gleichzeitig transkulturellen Ebene darzustellen� Unter dem Deckmantel oder/ und mit Hilfe des Mythos werden kulturelle Beziehungen, Konflikte und das Zusammenleben von Deutschen und Polen nachgezeichnet. So tritt Danzig/ Gdańsk im Roman als Stadt, der „vielstimmige, oft ganz gegensätzliche Erzählung[…] viele[r] Geschichten“ (Loew 11) zugrunde liegt, als transkulturelles Konstrukt, als transitorischer Überschneidungspunkt des Deutschen und des Polnischen und letztlich als Ort der Versöhnung und der Identitätssuche auf. Die absichtlich von der Autorin angewendete Strategie, dass Danzig/ Gdańsk nicht unter seinem Namen, sondern als eine „Stadt am Meer“ fungiert, versetzt die Ortschaft in die Zeitlosigkeit und lässt sie damit im mythischen Gewand erscheinen. Zusätzlich wird die Stadt anthropomorphisiert und verfremdet, um in die mythische Sphäre erhoben zu werden. Der Ort nimmt die Züge einer bedrohlichen Gottheit an, die die Existenz der Einwohner beeinflusst. Architektonische Artefakte als Relikte der deutschen Kultur und neu entstandene polnische Gebäude bilden ein über- und unterirdisches Labyrinth, in dem die Protagonisten herumirren und verschwinden� Auch die junge Deutschpolin Kinga lässt sich, ähnlich wie antike Helden, in das Labyrinth der Stadt hinein locken. Für sie aber wird Danzig/ Gdańsk zum Raum ihrer heimatlichen Verortung und der Identitätsfindung. Selbst die deutsch-polnische, von der Spinne erzählte Familiensaga wird im Kontext des Mythos situiert. Die Ursprünge der Familie Mischa/ Myscha liegen in einer unbestimmten Vorzeit� Dabei ist die Rolle des mythosumwobenen Bernsteins als Speicher der Erinnerung nicht zu übersehen� Das Amulett hütet nicht nur die identitätsstiftende, familiäre Geschichte, sondern ist auch ein Medium des kulturellen Gedächtnisses „[dessen] Gegenstand […] mythische, als die Gemeinschaft fundierend interpretierte Ereignisse einer fernen Vergangenheit[sind]“ (Erll 109). Nebenbei hilft der Anhänger der Hauptprotagonistin, die verwickelte, deutsch-polnische Familiengeschichte aufzuklären. Auch die wichtigsten Frauenfiguren sind auf mythische Grundmuster bezogen. Die Hauptprotagonistin Kinga bewegt sich im Spannungsfeld der Polaritäten zwischen Maya Renia und Bronka, die drei „kollektiv wirksamen“ (Kiel 28) Archetypen: die (polnische) Mutter, die Zauberin/ Schicksalsweberin und die Grazie repräsentieren. Als Verkörperungen der inneren seelischen Urbilder des Weiblichen prägen sie den Individualisierungsprozess der Hauptprotagonistin. Sie dagegen folgt den Spuren der Familiengeschichte, um wie ihre Namensvetterin, die legendäre Prinzessin Kinga, in Polen eine neue Heimat zu finden. Dank der mysteriösen Verbindung mit dem Bernsteinamulett wird Kinga zu einer Außerwählten, die nicht nur über eine pythische Sehergabe verfügt, sondern die gespaltene Familie auch zusammenzubringen versucht� Ähnlich wie die Heldinnen und Helden des antiken Mythos, die gegen das Schicksal kämpfen, erleidet sie damit eine Niederlage und scheitert� Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 453 454 Agnieszka Dylewska In der von mehreren Stimmen erzählten Familiengeschichte, die auch mehrere Generationen umfasst, werden längst vergessene Erinnerungen im mythischen Gewand zum Ausdruck gebracht und mit der Gegenwartsebene konfrontiert. Die geheimnisvolle Stadt an der Ostsee, die jedoch eine auffallende Ähnlichkeit mit Danzig/ Gdańsk aufweist, wird dabei zum Palimpsest, in dem das Fremde und das Vertraute, Gegenwart und Geschichte, die Zugehörigkeit und die Ausgrenzung so wie auch die Liebe und der Hass ein ambivalentes Spannungsfeld bilden� Die deutschen und die polnischen Schicksale sind wie durch ein unsichtbares Spinnennetz miteinander verwoben� Die Verwendung des Mythos als Modus des Erinnerns ermöglicht es, die Interaktionen zwischen beiden Familienzweigen und den einzelnen Figuren auf der Einschreibefläche der großen und kleinen Geschichte darzustellen, was mit Hilfe der mythischen Symbole und Mythologeme verstehbar gemacht wird. Kingas Konfrontation mit der polnischen Familie steht symbolisch für die Abrechnung mit den deutschpolnischen Beziehungen und mit den Perioden des verbitterten Gegeneinanders, aber auch des friedlichen Miteinanders� Notes 1 Sabrina Janesch stammt aus einer deutsch-polnischen Familie und pendelt zwischen zwei Heimaten und zwei Kulturen. Sie wurde 1985 in Gifhorn geboren. 2004-2009 studierte sie kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim und Polonistik an der Jagiellonen-Universität in Krakau. Im Jahre 2009 erhielt sie ein Stipendium des Deutschen Kulturforums östliches Europa und war als erste Stadtschreiberin in Danzig tätig. 2010 war sie Stipendiatin des Stuttgarter Schriftstellerhauses und des Literarischen Colloquiums Berlin. Sie ist Trägerin u.a. des Mara-Cassens- Preises, des Nicolas-Born-Förderpreises, des Anna-Seghers-Preises und des Annette-von-Droste-Hülshoff-Preises. Heute lebt sie in Münster. Zu ihren Werken gehören Katzenberge (2010), Ambra (2012), Tango für einen Hund (2014) und Die goldene Stadt (2017) (Munzinger Online/ Personen)� 2 Mythische Motive manifestieren sich vor allem in Gestalt des gelbäugigen Ungeheuers, das die im Mittelpunkt des Romans stehende polnische Familie über die Generationen hinweg begleitet und den auf ihr liegenden Fluch versinnbildlicht� Für Joanna Flinik wird das Biest zum Symbol des Verdrängten und des Unheimlichen (Flinik 51-66), das schwarze Monster verweist auch auf die Schuld, die von den Familienmitgliedern nicht wahrgenommen wird� 3 Die Danziger Trilogie von Günter Grass ist epochengeschichtlich sehr schwer einzuordnen. Einerseits weisen die drei Romane die ästhetischen Figurationen des Mythischen im Roman Ambra (2012) von Sabrina Janesch 455 Tendenzen der Postmoderne auf, zu denen, so Frank Brunssen, u.a. offene Form und die Thematisierung von Mythen gehören, andererseits „hält Grass an der Moderne fest“ (Brunssen 20)� Auch in Chwins Hanneman gibt es Merkmale des postmodernen Schreibstils (Uniłowski 56), wie Intertextualität, Symbolgeladenheit und Mehrfachkodierung, obwohl der Roman sich nicht eindeutig als postmodernes Werk einstufen lässt. 4 Der Mythos vom göttlichen Kind und Erlöser wird unter allen Kulturvölkern verbreitet. Im Mittelpunkt steht ein außergewöhnliches Kind, das meistens Gefahren ausgeliefert wird� Seine Geburt wird von Wundern begleitet oder mit übernatürlichen Erscheinungen in Beziehung gesetzt� Es wurde ihm die Rolle des Heilbringers, Verkünders oder des Erstlings zugeteilt ( Jung und Kerényi 37-108). Nikola Roßbach behandelt in ihrer Studie die Oskar-Figur als Gegenbild zum göttlichen Kind (53, 275). 5 Die Mädchen beweinten den Tod des unachtsamen und überheblichen Jünglings, nachdem er mit dem Sonnenwagen seines Vaters, des Sonnengottes Helios, verunglückt war� Die trauernden Schwestern verwandelten sich in Pappeln und ihre Tränen erstarrten zu Bernstein ( Jacobi 733)� 6 Dem Mythos nach wurde die Weberin Arachne von der neidischen Pallas Athene in eine Spinne verwandelt, weil Arachnes Gewebe die Liebeleien und Skandalgeschichten der Götter darstellte und dazu noch viel schöner als die Webarbeit der Göttin war (Rose 106). 7 Die griechischen Moiren entsprechen in der römischen Mythologie den Parzen, auch Parken (Seemann 107-108)� Die Nornen dagegen stammen aus der germanischen Mythologie (Mogk, Germanische Mythologie 58)� Laut einem antiken Mythos können die griechischen Moiren Klotho, Lachesis und Atropos den Anfang und den Endpunkt des menschlichen Schicksalsfadens festlegen� Wie Christian Baur in Bezug auf ihre Aufgaben darlegt, ist Klotho „die Spinnerin, die den Lebensfaden zuerst anknüpft, Lachesis, die im Laufe des Lebens Glück und Unglück mit unbestimmter Zufälligkeit Austeilende und Atropos die unabwendbare Notwendigkeit des Todes“ (Baur 328)� Auch die Nornen, Schicksalsspinnerinnen aus der germanischen Mythologie, die über das menschliche Leben bestimmen, werden in Gestalt einer Spinne dargestellt (Schrader 91)� 8 Die Kaschubei (auch Kaschubeien, kaschubisch Kaszëbë oder Kaszëbskô, polnisch Kaszuby) ist eine Region in Pommerellen in Polen, westlich von Danzig (Andrusiak 31)� 456 Agnieszka Dylewska Works Cited Andrusiak, Wanda, ed� Kaszuby. 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