Colloquia Germanica
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0010-1338
Francke Verlag Tübingen
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2022
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Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment. Eine gedächtnismediale Analyse
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2022
Jakub Gortat
Seit vielen Jahren schneidet Ruth Beckermann das Thema der vergessenen Geschichte der österreichischen Juden vor dem Holocaust an. Nun macht sie kein Hehl daraus, dass sie sich selbst 1986 bei Protestaktionen in Wien beteiligte. Allerdings ist ihr Film nicht nur ein Beispiel des engagierten Kinos, er weist auch Merkmale eines Dramadocs. Dieser Essay enthält eine Analyse der Dramaturgiestrategien im Dokumentarfilm, er konzentriert sich überdies auf beide Typen des Gedächtnisses (das Speicher- und Funktionsgedächtnis, gemäß der Theorie von Aleida Assmann), die der Film vertritt. Dank seiner hybriden Form und der Tatsache, dass Waldheims Walzer das Gedächtnis speichert und erneut verwendet, lässt er sich besonders als begleitendes Unterrichtsmaterial anwenden.
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Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment. Eine gedächtnismediale Analyse Jakub Gortat Instytut Filologii Germańskiej Abstract: Seit vielen Jahren schneidet Ruth Beckermann das Thema der vergessenen Geschichte der österreichischen Juden vor dem Holocaust an. Nun macht sie kein Hehl daraus, dass sie sich selbst 1986 bei Protestaktionen in Wien beteiligte� Allerdings ist ihr Film nicht nur ein Beispiel des engagierten Kinos, er weist auch Merkmale eines Dramadocs. Dieser Essay enthält eine Analyse der Dramaturgiestrategien im Dokumentarfilm, er konzentriert sich überdies auf beide Typen des Gedächtnisses (das Speicher- und Funktionsgedächtnis, gemäß der Theorie von Aleida Assmann), die der Film vertritt� Dank seiner hybriden Form und der Tatsache, dass Waldheims Walzer das Gedächtnis speichert und erneut verwendet, lässt er sich besonders als begleitendes Unterrichtsmaterial anwenden� Keywords: Ruth Beckermann, Waldheim-Affäre, der Zweite Weltkrieg, Vergangenheitsbewältigung, dramatisierter Dokumentarfilm In ihrem neuesten Dokumentarfilm, der auf der Berlinale am 17. Februar 2018 seine Uraufführung hatte, erinnert Ruth Beckermann an das Jahr 1986, einen Wendepunkt in der österreichischen Erinnerungskultur. Die Waldheim-Affäre, die sich damals abspielte, gilt als Beginn jener Periode, die Heidemarie Uhl als Transformation „vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese“ bezeichnet (481-205) und zeigte eine überraschende Bereitschaft der Österreicher_innen, gegen eine politische Entscheidung tagelang auf den Straßen zu demonstrieren� Jetzt, über 30 Jahre nach der ersten Phase dieser sozialhistorischen Transformation, kommt die österreichische Dokumentarfilmregisseurin auf diese Ereignisse zurück und in den ersten Szenen des Films Waldheims Walzer fragt sie als Off-Erzählerin, ob es Zufall sei, dass eine Kopie ihrer Aufnahmen aus dem Jahr 556 Jakub Gortat 1986, die als verschollen galt, ausgerechnet jetzt wieder aufgefunden wurde� Ist das wirklich ein Zufall? In diesem Essay analysiere ich den Film Beckermanns aus einer Perspektive, die sowohl die Erinnerungsthematik und Medialität berücksichtigt, um zu zeigen, dass Waldheims Walzer sich gut didaktisch verwenden lässt. Der erste Grund dafür ist die Bedeutung des Films, der sich als Beispiel eines Speichermediums betrachten lässt. Die Begriffe des Speichermediums und des Speichergedächtnisses wurden von Aleida Assmann in ihrem Buch Erinnerungsräume geprägt. Das Speichergedächtnis besteht in Sammlung und Aufbewahrung von Quellen, Objekten und Daten, auf die in der Zukunft zugegriffen werden kann, obwohl diese Daten im Moment ihrer Aufzeichnung keine große Bedeutung haben dürften. Es ist ein Gedächtnis, „das in sich aufnimmt, was seinen vitalen Bezug zur Gegenwart verloren hat“ (2006b 134)� Damit wird das menschliche Gedächtnis durch ein Speichermedium erweitert und entlastet� In diesem Sinne sind die Bibliotheken und Archive wohl die gigantischsten Datenspeicher, die vor der Ära der Datendigitalisierung entstanden waren� Da der Film Beckermanns nur zu einem kleinen Teil aus den eigenen Aufnahmen der Regisseurin und zumeist aus zahlreichen Archivaufnahmen aus unterschiedlichen Fernsehprogrammen besteht, möchte ich auf besondere Eigenschaften des Speichermediums Fernsehen hinweisen und die Relevanz der spezifischen Auswahl von archivierten audiovisuellen Erinnerungen betonen. Das filmische Werk von Beckermann ist nämlich ein mediales Produkt eines doppelten und bewusst gewählten Selektions- und Speicherprozesses� Die Regisseurin arbeitet mit intentionell ausgewählten Programmausschnitten, die ihrerseits, als sie im Fernsehen zuerst gezeigt wurden, durch die Redaktionen der Fernsehanstalten unter anderen Materialien ausgewählt worden waren. Was Beckermanns Publikum sieht, ist eine subjektive und zugleich vereinfachte mediale Repräsentation des Gedächtnisses� Im Folgenden werde ich diese Form von medialisiertem und gespeichertem Gedächtnis, die viele Fäden um ein zentrales Thema in einem Medientext zusammenbringt, als komprimiertes Gedächtnis bezeichnen� Als Medium des Speichergedächtnisses komprimiert der Film nämlich das ganze Wissen über die Veränderungen in der österreichischen Erinnerungskultur in den 1980er Jahren zu einer überschaubaren Übersicht und stellt dabei die wichtigsten Informationen in einer durchsichtigen, verständlichen und attraktiven Form dar. Der durch diese minutiöse Selektion entstandene Subjektivismus des Films bietet das Potenzial für weitere Diskussionen im Schulunterricht an� Waldheims Walzer eignet sich als Zusatzmaterial im Geschichtsunterricht noch aus einem anderen Grund. Ich vertrete nämlich den Standpunkt (indem ich Waldheims Walzer mit früheren Werken der Regisseurin vergleiche), dass das letzte Werk Beckermanns ein besonderer Film in ihrer Karriere ist, vor allem Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 557 darum, weil er die Grenzen eines klassischen Dokumentarfilms überschreitet und einem Dokumentarspiel (oder Dramadoc) ähnelt. Auf diese Weise erscheint die zusätzliche Funktion des Films - jene der Unterhaltung. Die hybride Form zwischen Aufklärung und Unterhaltung bietet eine Alternative für klassischen Dokumentarfilm, der immer noch die Assoziation mit Langeweile und ihrer Verbindung mit ‚offener Didaktik‘ erweckt (Lipson/ Baqué 2-4). In diesem Essay verzichte ich auf eine klassische Filmanalyse, bei der der Schwerpunkt auf der Filmästhetik liegen würde, teilweise deshalb, weil der Dokumentarfilm aus Archivaufnahmen verschiedener Fernsehanstalten besteht, deren Entstehung der Produktion eines abendfüllenden Films nicht ähnlich ist. Vielmehr konzentriere ich mich auf einen besonderen Zusammenhang zwischen der hybriden Form eines Dramadocs und seinem Potenzial, ein wichtiges Erinnerungsmedium zu werden. Einerseits betrachte ich nämlich den Film als ein Speichermedium , das die Erinnerung an die Vergangenheit komprimiert, andererseits haben wir in diesem Fall auch mit dem funktionalen Gedächtnis zu tun, das mehrere Jahre nach den geschilderten Ereignissen wiederentdeckt und angewendet werden kann� Wenige Filmemacher_innen in Österreich haben sich so intensiv mit der Vergangenheit ihres Landes auseinandergesetzt und sich so klar zu politischen Themen geäußert wie Ruth Beckermann. Die 1952 als Kind jüdischer Überlebender des Holocaust in Wien geborene Regisseurin arbeitet seit 1985 als freie Autorin und Filmschaffende. 1978 gründete sie zusammen mit Franz Grafl und Josef Aichholzer den Filmverleih filmladen , wo sie sieben Jahre tätig war. In dieser Zeit entstanden ihre ersten Filme und Bücher� Ihr Debüt Arena besetzt drehte sie in Zusammenarbeit mit der Videogruppe Arena im Jahr 1977� Sie ist nicht nur durch ihre Dokumentarfilme, sondern auch durch zahlreiche Essays und andere Publikationen über die österreichische Politik, Film und Geschichte bekannt. Seit über zwanzig Jahren interessiert sich Beckermann besonders für einen neuen Medientyp - Installationen� In ihnen, wie auch in ihren anderen Werken, befasst sie sich mit den Themen der familiären Herkunft, der Geschichte der Stadt Wien, aber auch mit der Zukunft� In der Videoinstallation „europaMemoria“ etwa weitet sie das jüdische Thema auf Menschen mit Migrationshintergrund in Europa aus (Hope 229)� Beckermann ist von der Frage, wie das Gedächtnis funktioniert und wie es gewisse Inhalte aufbewahrt, fasziniert� Seit Jahren ist sie darum bemüht, periphere Welterfahrungen, die normalerweise vergessen werden, zu entdecken und mittels des Mediums Film dem Vergessen zu entrücken. Wie Katya Krylova bemerkte, werden die meisten Filme der Österreicherin durch ein Gefühl der Melancholie und Nostalgie geprägt ( The Long Shadow 22-30)� Es ist vor allem 558 Jakub Gortat Nostalgie nach derjenigen Seite Wiens, die es nicht mehr gibt, oder nach der aussterbenden jüdischen Kultur in anderen Regionen Europas, wo die Regisseurin nach ihren eigenen Wurzeln sucht� Für die melancholische Stimmung in ihren Werken, von denen Die papierene Brücke (1987) das aufschlussreichste Beispiel ist, sorgen lange, in Totalen gefilmte Aufnahmen von Menschen vor dem Hintergrund von Naturlandschaften� Von großer Bedeutung ist auch die sentimentale Musik, die Beckermann als Soundtracks ihrer Filme verwendet� Ein wichtiges Thema in Beckermanns Oeuvre bildet auch der Judenhass in Wien� Der Antisemitismus noch vor dem Holocaust war ein Leitfaden in ihrem Filmporträt über Franz West in Wien retour (1983), dessen Erzähler nachweist, dass die Feindlichkeit Juden gegenüber nicht nur ein „aus Deutschland importiertes“ Problem war, sondern auch in der Ersten Republik schon existierte� Die Regisseurin befasst sich auch anderswo mit Fragen des Antisemitismus und des Fremdenhasses nach Kriegsende. In Die papierene Brücke etwa stellt die Autorin die vergessene jüdische Tradition samt ihren Sitten und Bräuchen dem heutigen Judenhass gegenüber� Der Anspruch der jüdischen Minderheit auf ihre Zugehörigkeit zu Wien beendet, wie Christina Guenther bemerkt, ihre lange „Heimatsuche auf jüdisch“ (70) - eine Suche nach den Familienwurzeln, die die Autorin in die Region von Bukovina verschlägt. Für manche scheint indessen die Anwesenheit der Juden in der österreichischen Hauptstadt, wo diese Suche ihren Schluss findet, problematisch. Um das zu veranschaulichen, wählt Beckermann ein besonders krasses Beispiel, das für Erschütterung bei den Zuschauern sorgt� Die Regisseurin zeigt am Ende ihres Films Die papierene Brücke einen höchst aggressiven Mann, dessen sich Hochmut bemächtigte, der seine Äußerung am Wiener Stephansplatz mit antisemitischen Angriffen durchwebt. Er erscheint vor der Kamera noch einmal in Waldheims Walzer , in diesem Fall lässt die Autorin ihn jedoch länger reden und mehr kränkende Sätze aussprechen als früher� Darüber hinaus ist er in seinem Hass und Widerwillen gegen die jüdischen Mitbürger nicht allein� Auch in Homemad(e) (2001) artikulierte Beckermann das Problem des Fremdenhasses, damals aber galt die Kritik der Regisseurin vor allem der aktuellen politischen Situation und der starken Position der Freiheitlichen Partei Österreichs, deren Parolen gegen Migrant_innen so sehr in Kontrast zum friedlichen und freundlichen Zusammenleben der Vertreter_innen verschiedener Kulturen und Herkunftsländer in der Wiener Marc-Aurel-Straße stand� Homemad(e) mit seiner ‚mikrokosmischen Perspektive‘ zählt zu den wichtigsten Filmen, die die politische Protestwelle der Jahre 1999-2000 gegen die Beteiligung der FPÖ an der österreichischen Regierung betreffen (Fiddler 123-126). Der Film, mit dem sich Beckermann bisher auf stärksten mit der Vergangenheit ihres Landes auseinandersetzte, ist zweifelsohne „Jenseits des Krieges“, in dem gewöhnliche Menschen sich zum Inhalt der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht äußern. „Jenseits des Krieges“ ist dabei wohl der kühlste, kargste Film von Beckermann, in welchem dem Schauplatz des Ausstellungsortes (das Gebäude der Alpenmilchzentrale in Wien) Ähnlichkeiten zu den visuellen Elementen eines Konzentrationslagers attestiert werden können: Wie Dagmar Lorenz bemerkt, ähneln die Ausstellungsräume gewissermaßen den Badezimmern und Folterkammern in den Konzentrationslagern (325). Mit der visuellen Kühle der Innenräume wird eines der österreichischen Gründungsmythen konfrontiert, dem zufolge die Wehrmachtssoldaten, darunter auch Österreicher, jahrzehntelang sowohl im Familiengedächtnis als auch in der lokalen Geschichtspolitik als Helden und Kämpfer für das Vaterland galten. In einem Werk verband die Regisseurin die Geschichte mit dem kollektiven Gedächtnis, indem sie, wie Chloe Paver bemerkt, gleichzeitig auf das Leben im ‚Dritten Reich‘, als auch auf dessen Erinnerung fokussiert (75)� Da die Geschichten aus der Ich-Erzählperspektive dargestellt werden, kann das Oeuvre Beckermanns, so Krylova, auch essayistic cinema genannt werden, womit sie meint, dass in einem Essayfilm sein_e Autor_in seine oder ihre Präsenz nicht verbirgt oder verhüllt, sondern sie offenbart und die Erzählung aus eigener Perspektive führt (2008 93-95). Als Kommentar zu dieser Überlegung könnte man hinzufügen, dass ein Essay durch ein breites Spektrum von Fragen, das er aufwirft, charakterisiert wird. In einem Essayfilm bietet sein_e Regisseur_in eine „systematische, fragmentarische Betrachtung“ der Wirklichkeit (Hattendorf 263)� Die Vielheit von Fragen und Betrachtungen geht dabei mit einem breiten Reservoir von Expressionsmitteln einher� All diese Faktoren unterscheiden in der Filmtradition den Essayfilm vom ‘alten Dokumentarfilm.‘ In diesem Sinne haben die Essayfilme gewissermaßen einen dialektischen Charakter - anstatt der Wirklichkeit objektiv zu porträtieren, sind sie bemüht, eher Ideenkonflikte darzustellen (Rascaroli 3-7). In Zusammenhang damit steht auch die Tendenz zu zahlreichen Digressionen in der Erzählung, die eben auch für den Stil Beckermanns typisch sind. In diesem Sinne kann der Film Nach Jerusalem (1991) als Essayfilm verstanden werden, ein Werk, in dem die Erzählerin mehreren beliebigen Menschen in Israel begegnet. Der Film, der sich als Abschluss der ‚jüdischen Trilogie‘ (nach Wien retour und Die papierene Brücke ) betrachten lässt, ist ein Beispiel für ein ‚documentary road movie‘, - die Erzählerin konzentriert sich diesmal auf viele, zufällig getroffene Personen, die von ihren Erlebnissen der Migration nach und Assimilation in Israel sprechen, oder aber schweigen, wenn sie sich in keiner jüdischen Sprache verständigen können. Die Emigration in die historischen jüdischen Gebiete markiert einerseits einen Schlusspunkt des verwickelten Schicksals der europäischen Juden, die ihre Heimat verlassen mussten, andererseits tauchen vor den Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 559 560 Jakub Gortat jüdischen Einwohnern des Staates Israel neue Herausforderungen auf� Obwohl im Film keine Steine geworfen und keine Gewaltakte gezeigt werden, an die wir womöglich durch Medienberichte aus dem Nahen Osten gewöhnt sind, hört man hier hin und wieder Gewehrschüsse und spürt einen schwebenden Hubschrauber in der Ferne, was für eine gespannte Stimmung sorgt (Blümlinger)� Wie auch die früheren Filme Beckermanns ist also auch Nach Jerusalem ein signifikanter Gedächtnisfilm, indem er eine Menge von Zeugnissen von realen Menschen speichert und dadurch ein didaktisches Potenzial bietet� Alle diese melancholischen, nostalgischen Filme in der Karriere Beckermanns betrachte ich daher als lebhafte Exemplifikationen des Speichergedächtnisses. Zweifelsohne dienen diese Filme dem Erhalten der Erinnerung an Welten, die wahrscheinlich bald erlöschen werden oder die gar nicht mehr existieren. Umso überraschender wirkt Waldheims Walzer � Der Film verfolgt nur ein zentrales Thema, wird linear, chronologisch und konsequent erzählt (mit einigen Ausnahmen von Retrospektiven, die die Karriere Kurt Waldheims vor den Wahlen 1986 schildern), und das Gezeigte wird nicht mehr ausschließlich aus der österreichischen, sondern auch aus einer internationalen Perspektive kommentiert. Darüber hinaus enthält der Film fast keine langen Aufnahmen, er wirkt nie melancholisch, sein Erzähltempo ist nicht kontemplativ, sondern eher dynamisch� Beckermann verwendet dabei eine Technik, die dieses rasche Erzähltempo fördert und dabei eine Stimmung der Unsicherheit und Spannung schafft: Der narrative Fluss wird von einem schwarzen Bildschirm mit bündigen, präzisen Mitteilungen unterbrochen, die in weißer und roter Schrift Informationen über den Wahlkampf und die Wahlen vermitteln� Die aufeinanderfolgenden Meldungen über die Zeit bis zur Wahl, kreiert einen höchst spannenden Countdown. Durch das Engagement in die aktuellen politisch-sozialen Kontroverse kann Waldheims Walzer als Rückkehr zu Beckermanns Debut Arena besetzt (1977) verstanden werden, der die Protestbewegung gegen die Pläne der Schließung der Wiener Arena zeigte. Beckermann zählt damit nicht nur zur Gruppe jener Filmregisseur_innen, die sich auf die Zeitgeschichte ihres Landes konzentrieren, sondern auch zu jenen Filmemacher_innen, die - wie etwa Barbara Albert, Jessica Hausner, Ruth Mader, Michael Glawogger oder Florian Flicker - auch die Gegenwart kritisch betrachten� So tief in der Vergangenheit verankert und erst jetzt ans Tageslicht gebracht, hat der Film etwas von einer Zeitkapsel, wie der EPD-Film -Rezensent Sascha Westphal bemerkt: Das gesamte Material stammt aus dem Jahr 1986, das einem so wieder ganz nahekommt. Waldheims Leugnungen und Lügen über seine Zeit als Offizier der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und seine Verstrickungen in Kriegsverbrechen lassen noch einmal das Österreich lebendig werden, das sich einer kritischen Auseinandersetzung mit seiner Rolle während der NS-Zeit verweigert hat. Eine Zeitkapsel besteht aus einem Behälter und Dingen, die darin jahrelang aufbewahrt werden und wird normalerweise zwecks Erhaltung und Dokumentation bestimmter Informationen für nachfolgende Generationen konstruiert� Der Vergleich des Films zu einer Zeitkapsel liegt nahe, dass sein Inhalt - wie der Inhalt aller Speichermedien - tatsächlich einen besonderen Wert für die nachfolgende (gegenwärtige) Generation darstellt. Während Beckermann Geschichten gewöhnlich aus verschiedenen Mikrowelten (einzelnen Personen, Familien oder Gemeinschaften) erzählte, greift sie diesmal eine Geschichte auf der Makro-, also Landesebene auf: Sie dokumentiert, wie während des Wahlkampfs Kurt Waldheims um das Präsidialamt im Jahr 1986 ernstzunehmende Lücken in seiner Kriegsbiografie durch den Profil - Journalisten Hubertus Czernin und anschließend durch die New York Times und den Jüdischen Weltkongress in New York aufgedeckt wurden� Schritt für Schritt schildert sie die ausgelöste Debatte und die damit einhergehenden heftigen, meistens äußersten Emotionen. Nun komme ich zu den Punkten, die veranschaulichen, warum sich Waldheims Walzer als ein zusätzliches didaktisches Experiment eignet. Erstens beantworte ich die Frage, was komprimiert wird, welches Gedächtnis gespeichert wird� Ich befasse mich also mit dem Inhalt von Waldheims Walzer und seiner Organisation in der filmischen Erzählung. Anschließend erkläre ich, wie dieser Prozess erfolgt� Ich nehme die formalen Aspekte des Films unter die Lupe, vor allem seine hybride Form, um zu beweisen, dass das Genre, auf das sich das Werk Beckermanns bezieht, attraktiv wirkt und zum weiteren Nachdenken anregt� Die Proteste gegen die Kandidatur Kurt Waldheims sind eine bedeutende soziale Bewegung, die sich des ganzen Landes bemächtigt. Beckermann nimmt sowohl die großen Menschenmengen der Demonstrierenden, als auch kleinere Gruppen von Menschen auf, die in ihren Freundeskreisen Diskussionen führen� Doch ihr Film ist ein künstlerischer Protest nicht nur gegen Waldheim, er ist vorzugsweise eine Sammlung von Einwänden gegen die gesamte österreichische Erinnerungskultur, die die Autorin konsequent in Einzelteile zerlegt� In Waldheims Walzer drückt Beckermann ihren Widerstand gegen die Verlogenheiten in der österreichischen Geschichtspolitik und verschiedene Versäumnisse im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft aus. Dabei weist sie darauf hin, dass die Wende in der österreichischen Erinnerungskultur nicht 1986 anfing, sondern bereits ein Jahr zuvor vorhersehbar war� Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 561 562 Jakub Gortat Beckermann erinnert erstens an die unrühmliche Begrüßung des ehemaligen Kriegsverbrechers Walter Reder nach seiner Haftentlassung durch den Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager im Jahr 1985� Reder, der frühere SS-Sturmbannführer, wurde nach dem Krieg von den Italienern wegen Verbrechen an der Zivilbevölkerung in Marzabotto zu lebenslanger Haft verurteilt. Er verbüßte jedoch nur 33 Jahre seiner Strafe, nachdem viele prominente Vertreter_innen aller politischer Couleurs sich jahrelang um seine Freilassung bemühten (vgl� Tóth)� Das Flugzeug mit dem freigelassenen Reder auf dem Bord wurde nach der Landung auf der Rollbahn des Flughafens Thalerhof unverzüglich zum benachbarten Fliegerhorst des Bundesheeres geleitet, wo der FPÖ-Verteidigungsminister allen Ankommenden - Reder, seinem Anwalt, seinem Arzt und drei italienischen Bewachern - die Hand schüttelte ( Die Presse )� Ein anderes merkwürdiges Beispiel von der problematischen Erinnerungskultur, auf das Beckermann sich fokussiert, ist die Verwirrung um die Enthüllung und Entfernung einer Tafel, die des Kriegsverbrechers Alexander Löhr, eines eifrigen Nazi-Luftwaffenoffiziers, gedachte. Der 1885 geborene Löhr wurde bereits in der österreichisch-ungarischen Armee Offizier und setzte seine Militärkarriere im Bundesheer der Ersten Republik fort. Dabei war er am illegalen Wiederaufbau der österreichischen Luftstreitkräfte beteiligt. Nach 1938 wurde Löhr in die reichsdeutsche Armee übernommen und zum Befehlshaber des Luftwaffenkommandos Österreich ernannt. Als General der Flieger gab er den Befehl heftiger Luftangriffe auf Warschau im September 1939. Unter Löhrs Kommando fand ebenfalls der am 6. und 7. April 1941 durchgeführte Luftangriff auf die wehrlose Stadt Belgrad statt, bei dem tausende Zivilisten ums Leben kamen. Während des Kriegs im Balkan war er überdies für die Hinrichtungen von zahllosen jugoslawischen Partisanen und Zivilisten verantwortlich� Nach Kriegsende lieferte ihn die britische Armee an Jugoslawien aus, wo er zum Tode verurteilt wurde� Das Urteil wurde am 26� Februar 1947 durch ein Erschießungskommando vollstreckt. Doch die Österreichische Militärdiözese störte die Tätigkeit Löhrs während des Kriegs überhaupt nicht. 1985 wurde eine Gedenktafel in der Wiener Stiftskirche angebracht und erst nach heftigen Protesten aus dem In- und Ausland wieder beseitigt� Doch nachdem Gras über die Sache gewachsen war, kehrte die berüchtigte Tafel dann still und leise einfach wieder an denselben Ort in der Stiftskirche zurück, wo sie trotz der andauernden Proteste bis 2015 blieb (Pollak 334-338)� Damit endet die Liste der Vorwürfe gegen die Zweite Republik aber nicht� Beckermann gedenkt auch der österreichischen Exilanten, die die politische Situation nach 1938 zu Emigration zwang und die nach Kriegsende meistens ungern gesehen und deren Errungenschaften erst sehr spät angemessen anerkannt und geschätzt wurden. Letztendlich klingt in dem Film auch die Kritik der Regisseurin gegen die katholische Kirche in Österreich nach, die die Überzeugung von der jüdischen Verantwortung für die Kreuzigung Christi den jüngeren Generationen einbläuen wollte und die Beckermann selbst erfahren habe. Allerdings ist das nicht die radikale Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche, die in den Werken mancher österreichischen Künstler_innen wie Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek oder Ulrich Seidl auftaucht� Als Spottlied auf das traditionelle Image Österreichs kann hingegen jene Szene interpretiert werden, die auf die Deutung des Filmtitels verweist. Sie zeigt Kurt Waldheim, der ein Stadtorchester dirigiert, das einen Strauß-Walzer vorführt� Dieser Walzer Waldheims symbolisiert die Verwicklung der Tradition in die Politik zur Zeit Waldheims und in Konfrontation mit immer mehr Einzelheiten von der Biographie Waldheims evoziert ein ungeahntes Gefühl, dass die gemütliche Stimmung, die die Walzermelodie erschafft, nicht lange dauern würde. Das Jahr 1985 erscheint als Anzeichen der Waldheimaffäre, die Österreich bald in Erschütterung versetzen sollte. Nicht zufällig berücksichtigt dabei die Regisseurin auch die Erinnerung an den berühmten Dokumentarfilm über den Holocaust - Shoah von Claude Lanzmann, der seine Premiere ebenfalls im Jahr 1985 hatte� Im selben Jahr fand auch die kontroverse Ehrung der Wehrmachts- und SS-Angehörigen durch den deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl und den US-Präsidenten Ronald Reagan am Bitburger Friedhof statt, die sogenannte Bitburg-Affäre. Ziel der symbolischen Aktion auf dem Friedhof, auf die Bundeskanzler Kohl stark beharrte, war die Aufwertung des geschädigten nationalen Selbstwertgefühls, doch durch viele Kommentatoren wurde sie als Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen empfunden (Röger 227-229). Auch dieses Ereignis dient Beckermann zum Vergleich der deutschen und österreichischen Geschichtspolitik� Diesen Versuch kann man ambivalent beurteilen� Einerseits stellt sie die Debatte um Waldheim den Aufnahmen des deutschen Bundeskanzlers Kohl gegenüber, um zu beweisen, dass der geschichtliche Relativismus auch in der damaligen deutschen Politik - Mitte der 1980er Jahre - durchbrochen wurde� Die Ehrung der Wehrmachtssoldaten, aber auch der SS-Angehörigen durch Kohl, die im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen waren, scheint gleichermaßen umstritten wie die Behauptungen Waldheims, dass auch die österreichischen Soldaten, die im Krieg ihr Leben verloren, eine Ehrung verdienten� Beckermann stellt sogar zwei Szenen dar, in denen Waldheim solche Äußerungen formuliert� Erst auf die Frage des Journalisten, ob er die Opfer des Holocaust mit den österreichischen Kriegsopfern gleichsetzen will, bestreitet Waldheim diese Vermutung kategorisch, was jedoch den Eindruck nicht mildern kann, dass er sich für eine Art der Aufrechnung des Leides ausspricht� Einer Aufrechnung, die Aleida Assmann als eine der fünf Strategien der Verdrängung der Erinnerung bezeichnet und kritisch analysiert ( Der lange Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 563 564 Jakub Gortat Schatten 179-180). Andererseits folgt Beckermanns Erzählung in dieser Hinsicht nicht mehr einer klaren und einheitlichen Spur� Es ist unklar, warum sie Helmut Kohl, der doch in einer Szene des Films Kurt Waldheim als einen wichtigen Partner unterstützt und lobt, nur wegen der Bitburg-Affäre als eine negative Figur in der Geschichtspolitik darstellt. Kohl trat nämlich mit mehreren kontroversen Initiativen auf, wie zum Beispiel der Idee der sog� Gnade der späten Geburt , die er in seiner Knesset-Rede formulierte, die Hervorhebung der Berliner Neuen Wache als besonderen Erinnerungsort, in dem auch der deutschen Kriegsopfer gedacht wurde, oder die Appelle zur Erneuerung in der Geschichtsschreibung und Akzentuierung des deutschen Leids und der deutschen Leistungen, auf die man stolz sein könnte - Appelle, die Kohl und seine Mitarbeiter mehrfach artikulierten (vgl. Moller). Die Vertiefung in die damaligen Spezifika der deutschen Erinnerungskultur stünde dann im Kontrast zu der voreilig formulierten These, die eine der talking heads im Film ausspricht, nach der die Deutschen ihre Vergangenheit schon längst bewältigt und den Naziopfern Wiedergutmachung ausgezahlt hätten. Die Ähnlichkeit zwischen Kohl und Waldheim ist sehr stark - beide Politiker wollten stolz auf ihr Land sein, die Erinnerung an die Opfer ihres eigenen Landes wachhalten und die Zukunft, nicht die Vergangenheit, als Bezugspunkt in ihrer Politik betrachten� Allerdings gab es zwischen beiden Politikern einen erheblichen Unterschied, der darin bestand, dass Waldheim gegenüber Vorwürfen formuliert wurden, gegen die er sich nicht zu verteidigen vermochte, und in Folge derer er als persona non grata in vielen Ländern, vor allem in den USA, galt, wohingegen die politische Karriere von Helmut Kohl noch lange - bis 1998 - dauern sollte. Diese geringfügige Inkonsequenz lässt sich jedoch mit der Tatsache erklären, dass Beckermann die Rolle des deutschen Bundeskanzlers nur als einen Einzelfall behandelt und es ihr Ziel ist, die Missstände in der österreichischen, und nicht der deutschen Politik und Gesellschaft zu veranschaulichen� Schon in den ersten Szenen räumt sie als Voice-Over-Erzählerin ein, dass der Film vor allem ihre Perspektive annimmt: Am besten erinnere ich mich an die Szenen, die ich selbst gedreht habe� Das war Mai 86. Die Abschlusskundgebung des Präsidentschaftswahlkampfes am Stephansplatz. Damals drehte ich zum ersten Mal selbst. […] Und plötzlich war ich mittendrin gewesen, als die österreichische Lebenslüge, das erste Opfer der Nazis gewesen zu sein, ins Wanken geriet� Mittendrin, halb demonstrierend, halb dokumentierend� 1 Beckermann spielt bei diesen wichtigen Ereignissen also eine doppelte Rolle. Einerseits tritt sie als Filmemacherin auf, die die Realität beobachtet und aufnimmt� Andererseits ist sie eine der Demonstrierenden und macht daraus keinen Hehl. Die Wahlkampagne Waldheims teilte die österreichische Gesellschaft in zwei feindliche Gruppen und die Regisseurin stellt, obwohl sie mit einer Handkamera in den ersten Szenen des Films sowohl die Anhänger, als auch die Gegner von Waldheim zeigt, klar und genau fest, welche Seite dieses Streits ihr nahestehender ist. Zu dieser Stellung bekennt sie sich später noch einmal in einem Interview, indem sie sagt: „Ich stelle von Beginn an klar, dass es sich um einen Film aus der Position einer Aktivistin von damals handelt� Ich denke, es ist eine Funktion des Kinos, Stellung zu beziehen und transparent zu machen, aus welcher Perspektive man die Dinge betrachtet“ (Schiefer 2017)� Die sehr starke persönliche Auffassung der dargestellten Ereignisse wird durch eine deutliche Stellungnahme der Autorin akzentuiert und es liegt nahe, dass das filmische Gedächtnis eine bestimmte Funktion hat: Waldheims Walzer ist ein sozial engagierter Film und die Regisseurin ist zugleich eine Aktivistin� Daher ist ihr Film ein Medium nicht nur des Speicher-, sondern auch des Funktionsgedächtnisses. Dieser zweite, von Assmann unterschiedene, Typ des Gedächtnisses nimmt eine Aktivität an. Das Funktionsgedächtnis benutzt die gespeicherten Erinnerungen und ist damit stark mit der Gegenwart verknüpft� Wichtig ist dabei, dass es nur einen Teil des Speichergedächtnisses umfasst, deswegen müssen diejenigen (Individuen oder sogar Institutionen) immer eine Selektion des Materials durchführen, um effektiv über die einst gespeicherten Daten zu verwalten� Die Archivaufnahmen, die in Waldheims Walzer bisher das Speichergedächtnis konstituierten, erwiesen sich „Reservoir zukünftiger Funktionsgedächtnisse“ (Assmann, Erinnerungsräume 140). Beckermann wählt dabei aus unterschiedlichen Speichern aus, schreibt einen Wert zu und vermittelt das Endprodukt durch Institutionen der Inszenierungen von Kultur - den Kinos. Ihr Film artikuliert ein großes soziales und politisches Problem, steht in direkter Verbindung mit ihm und sucht nach dessen möglichen Lösungen. Darüber hinaus hat er den Anspruch, eine politische Wirkung zu erzeugen� Das hingegen entspricht einer der von Assmann genannten Gebrauchsformen des Funktionsgedächtnisses - der Delegitimierung� In ihrer Theorie weist Assmann darauf hin, dass mit dem Funktionsgedächtnis ein politischer Anspruch verbunden ist� Sie unterscheidet drei verschiedene Gebrauchsformen : Legitimierung (wenn eine Herrschaft die Vergangenheit für sich usurpiert), Deligitimierung, die als Gegenpol zu dem offiziellen, Gedächtnis entsteht und meistens die Besiegten und Unterdrückten vertritt, und Distinktion, unter der Assmann eine symbolische Aktion versteht, die der Profilierung der kollektiven Identität dient ( Erinnerungsräume 138-139)� Bei der Frage nach dem angeblichen Zufall, dass die Kopie ihrer Aufnahmen ausgerechnet jetzt aufgefunden wurde, unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass Beckermann auf die aktuelle politische Situation in Österreich anspielt - das Land wurde von 2018 bis 2019 durch eine Koalition Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 565 566 Jakub Gortat von der Österreichischen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei Österreichs regiert� Die Verwendung des Inhaltes der Zeitkapsel dient also der Delegitimierung der Narrative der Freiheitlichen Partei Österreichs, die sich oft einer fremdenfeindlichen und nationalistischen Rhetorik bediente� Auf diesen Aspekt weisen auch einige Rezensionen in der österreichischen Presse� Der Standard -Rezensent Dominik Kamalzadeh meint, anscheinend der Logik der Regisseurin folgend, es sei „ein Film zur rechten Zeit“� Den gleichen Standpunkt vertritt auch Julia Schafferhofer von der Kleinen Zeitung , die bemerkt: „Der Film, so scheint es, ist der richtige Kommentar zur Zeit“. In diesem Fall haben wir nicht nur mit dem Speichergedächtnis zu tun, sondern auch mit dem Funktionsgedächtnis , dass als Gegenpol zum offiziellen Gedächtnis erscheint� Der Film kann folglich als ein Bewegungsfilm interpretiert werden, im Sinne des von Julia Zutavern vorgeschlagenen Terminus, nach dem ein Bewegungsfilm „sich positiv auf eine soziale Bewegung bezieht“ (13). Die Bewegungsfilme zeigen Aktionen, Ziele und Motivationen einer sozialen Bewegung und werden zum Teil oder völlig von Mitgliedern oder Anhängern dieser Bewegung gestaltet� Waldheims Walzer ist ein typischer engagierter Bewegungsfilm - er thematisiert Aktionen und Ziele einer Bewegung - in dem Fall von einer großen gesellschaftlichen Gruppe - und wird von einer Sympathisantin dieser Bewegung gestaltet. Dabei erhält die Filmemacherin die wichtigsten Merkmale eines essayistischen Films aufrecht - sie bedient sich der Perspektive einer glaubhaften Erzählerin, um eine Geschichte darzustellen (sie erlebte die Ereignisse selbst), schneidet ein breites Spektrum von Fragen an und betrachtet die Geschichte auf eine detaillierte Weise� Nichtsdestotrotz weicht sie von der melancholischen Stimmung ab, die viele ihre früheren essayistischen Filme zu prägen pflegte. Waldheims Walzer ist ein höchst politischer Dokumentarfilm, der in großem Maße von einem politischen Inhalt und einer klaren politischen Intention erfüllt ist� Das Ziel von Ruth Beckermann, damals einer demonstrierenden Bürgerin, war es, den Wahlerfolg Waldheims zu verhindern und für den Fall, dass er das höchste Amt in Österreich doch übernehmen sollte, ihn zur Resignation zu bewegen. Der letzte Aspekt wird in einem Gespräch hervorgehoben, das Beckermann in ihrem Freundeskreis in einem Café führt� Obwohl die Proteste in ihrem Hauptziel scheiterten, trugen sie zur Entwicklung einer „kritischen ‚republikanischen‘ Öffentlichkeit und einer intellektuellen Opposition“ bei (Foltin 163)� Man kann also von einem politischen Film reden, der in der Typologie der politischen Filme von Peter Haas und Terry Christensen der zweiten Kategorie - pure political films - angehören würde. In dieser Typologie weisen Haas und Christensen auf zwei wichtige Kriterien aller politischen Filme hin: political content (was bedeutet, dass ein Film von politischen Angelegenheiten handelt) und political intent (was bedeutet, dass ein Film ein politisches Ziel aufweist) . Obwohl die Typologie mit dem Gedanken an Spielfilme entstand, spricht wahrscheinlich nichts dagegen, sie auch für Dokumentarfilme anzuwenden� Waldheims Walzer ist sowohl tief in der politischen Realität angesiedelt als auch „loaded with intentional political message“ (Christensen/ Haas 7-9)� Beckermann dreht aber Dokumentarfilme (mit der Ausnahme vom Spielfilm Die Geträumten aus dem Jahr 2016), und in solchen kann die politische Intention viel eindeutiger sein als in einem Spielfilm, der meistens mit Understatements und unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten operiert und der den politischen Inhalt verhüllen kann� Trotz der klaren politischen Bedeutung ist Waldheims Walzer jedoch kein Agitationsfilm. Die Off-Stimme der Autorin ist nur eine Vervollständigung dessen, was im Fall Waldheim selbstverständlich ist - dass das lange und sorgfältig gebaute Image des ehemaligen UN-Generalsekretärs sich als Lüge entpuppte. Beckermann dekonstruiert dieses höchst positive Image eines erfahrenen Politikers allmählich. Sie zeigt einen Prozess, in dessen Verlauf Waldheim von einem verantwortungsbewussten, glaubwürdigen, freundlichen und kultivierten Gentleman zu einem verlogenen, heuchlerischen, arroganten und verbitterten Politiker wird, der sein Volk mit seinen außerordentlich enormen Händen (die Beckermann in Nahaufnahmen zeigt) ‚umschlingen‘ will� Von einem UN-Generalsekretär, der - wie er selbst offen gesteht - keiner anderen Instanz unterliegt, zu einem Kandidaten für das Präsidialamt, der sich gegen die häufenden Vorwürfe wehrt� Darüber hinaus erzählt die Regisseurin eine Geschichte über die Generationenwende, ohne die eine politische Wende vermutlich nicht hätte stattfinden können. Sie betont es auch in einem Interview, in dem sie sich auf die Szene bezieht, wo Waldheims Sohn, Gerhard, seinen Vater zu verteidigen versucht: Gerhard Waldheim is a son who exposed himself to an incredible extent by defending his father� After all, the division we’re talking about also runs within the generation of the sons; there were people of that generation who were hugely critical of their fathers, precisely because of the Waldheim affair. The footage of that hearing is absolutely fascinating� It was never broadcast, but it has been preserved uncut, in the original length; that alone makes it a curiosity, and of course it's the heart of the film. (Schiefer 2017) Damit bemerkt Beckermann, dass die Verteidigung Waldheims von seinem Sohn als ein Gegenstrom zu der allgemeinen Tendenz der zweiten bzw� dritten Nachkriegsgeneration erscheint - der Generation, die sich kritisch mit der Generation ihrer Väter, Mütter, bzw. Großväter und Großmütter auseinandersetzen wollte� Wenngleich Österreicher_innen im Gegensatz zu vielen anderen Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 567 568 Jakub Gortat Ländern ihre Wende um das Jahr 1968 verpasst hatten, beschwor die Waldheim Affäre eben diese längst fällige Kritik mit der ersten Generation herauf. Das ist vermutlich der Grund, weshalb die Regisseurin die Argumentation von Gerhard Waldheim für so faszinierend hält. Ruth Beckermann hätte aber doch einen optimistischen Epilog einführen können, in dem sie betonen hätte können, dass nach der Waldheim-Affäre andere gewichtige Ereignisse stattfanden, die allmählich zur Dekonstruktion des Opfermythos beitrugen, wie etwa die Aufführung des Theaterstücks Heldenplatz von Thomas Bernhard 1988 oder die Reden der wichtigsten Staatspolitiker Anfang der 1990er Jahre: Bundeskanzler Franz Vranitzky und Bundespräsident Thomas Klestil (Waldheims Nachfolger), die auf die Mitverantwortung vieler Österreicher_innen bei den Naziverbrechen hinwiesen (Mitten 76-79)� Stattdessen beendet sie den Film mit Waldheims Sieg, der als eine Botschaft an die Generationen nach 1986 erscheint. Eine Botschaft, die sich aus der Reflexion über die Rückkehr von fremdenfeindlichen Ideen in der österreichischen Politik ergibt. Trotz all dem Aufwand dafür, dass Kurt Waldheim das höchste politische Amt nicht bekleidet, wird er doch gewählt und bereitet sich auf den ersten Auftritt als Staatsoberhaupt im Fernsehen vor. Aus der Klappe seines Anzugs wird Staub entfernt und sein Gesicht wird noch im letzten Moment durch ein wenig Make-up verschönert. Das Filmende ist aus dramaturgischer Sicht eine Tragödie. Waldheims Erfolg bedeutet eine Katastrophe für den liberalen Kurs in Österreich und symbolisiert die Bestätigung des nationalen ‘Mythos der Pflichterfüllung‘ in der Gesellschaft� Die Interpretation der Zeitgeschichte Österreichs als einen absurden Teufelskreis unterstreicht Beckermann mehrmals - zunächst als Off-Stimme im Film und anschließend in zahlreichen Interviews, wie etwa im Gespräch mit Alexander Horwath und Michael Omasta, in dem sie behauptet: „Yes, we think we’ve achieved so much, but what’s the use of it all? We’re back to square one! Only it is much worse� With Waldheim it was about dealing with the past - now it is all about the future” (29)� Beckermann kommt damit zu einem pessimistischen Schluss. Die Unzufriedenheit mit den Ergebnissen des bisherigen Kampfes ist insofern groß, als dieser Kampf nicht nur eine Affäre aus der Vergangenheit, sondern auch die künftige Situation Österreichs betrifft. Waldheims Walzer erscheint als ein besonderer Essayfilm in der Kariere Beckermanns und gewissermaßen auch eine kleine Revolution in ihrem Filmstil, indem er, wie erwähnt, auf die für sie charakteristische melancholische Stimmung verzichtet� Darüber hinaus engagierte sich kein anderer Film der Regisseurin so tief für die Abrechnung mit der österreichischen Vergangenheit und ihrer Kontinuität in der Gegenwart, obschon sie sich mehrmals mit ähnlichen Anliegen befasste� Waldheims Walzer wirft also ähnliche Themen wie manche frühere Werke Beckermanns auf, er überschreitet jedoch die Grenzen eines klassischen Dokumentarfilms und weicht zum Teil von der Charakteristik eines Essayfilms ab, indem er statt einer dialektischen Erzählung und der Ideenkonflikte eher eine Vereinfachung seiner Botschaft aufweist, die den individuellen Deutungskompetenzen der Zuschauer_innen gelten dürfte� Ein dramatischer Wendepunkt, ein Epilog, ein dynamischer und offener Protagonist sind nur einige Elemente, die den Eindruck erwecken, dass Waldheims Walzer kein klassischer Dokumentarfilm ist. Der Film stellt eine dramatische Struktur der Erzählung dar, die fünf Elemente umfasst: eine Exposition, steigende action , als mehrere Vorwürfe Waldheim gegenüber formuliert werden und immer mehr Personen sich an der Debatte beteiligen, einen Klimax - die Schlüsselszene, als Gerhard Waldheim vor dem US-Kongress auftritt -, falling action mit einem Moment eines fallenden Spannungsbogens - einem unsicheren Ergebnis nach der ersten Wahlrunde und schließlich einem dénouement , als es sich erweist, dass der ÖVP-Kandidat doch zum Bundespräsidenten gewählt wird. Um die hybride Form zwischen Spiel- und Dokumentarfilm zu erklären, bedient man sich in der deutschsprachigen Literatur des Terminus Dokumentarspiel , das bisweilen mit dem englischen Terminus Docudrama verglichen wird (vgl� Hißnauer 247, Waldmann 70)� In der englischsprachigen Literatur hingegen gibt zahlreiche Kategorien, die die Vermischung der filmischen Genres und Stils beschreiben, je nachdem, welches Element - Dokumentar- oder Spielfilm - die Oberhand gewinnt und was die Intention der Filmemacher_innen ist� Derek Paget beschrieb diese Frage folgendermaßen: Labels for ‚true stories‘ are many, especially for TV productions� As broadcast television has taken that hold on a mass audience hitherto the preserve of the cinema, television programme makers have often tried to assert something definitive about certain dramatic products’ relationship to ‚facts‘. Thus, it is possible to find in television scheduling not only documentary drama , but also drama-documentary , docudrama , dramadoc , dramatised documentary and faction. (2) Von allen oben präsentierten Termini scheint im Fall von Beckermanns Film der Begriff der dramatised documentary ( dramadoc ) am treffendsten. Gemäß dem Nachspann gab es bei der Filmproduktion sogar eine ‘dramaturgische Beratung,‘ für die ein mit Beckermann mehrmals kooperierende Cutter Gertraud Luschützky verantwortlich war. In ähnlichem Sinne betrachtet den Film Alexandra Seibel vom Kurier, die in ihrer Rezension den Film eine ‚Found-Footage- Doku‘ (ein Dokumentarfilm, der einem gefundenen Material entstammt) nennt, die „nicht nur brisant politisch, sondern auch packend, pointiert und immens unterhaltsam [ist]“. In der Tat beruht Waldheims Walzer auf einer Menge von gefundenen, beziehungsweise neu entdeckten Materialien. Diese sind nämlich Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 569 mit Ausschnitten aus anderen Sendungen, vor allem Fernsehtalkshows, Nachrichten- und Diskussionsendungen durchwoben, die aus den für das Medium Fernsehen typischen Nahaufnahmen auf die Gesichter der Figuren bestehen� Die gezeigten Fernsehsendungen stammen aus den österreichischen (ORF), französischen (ILA), britischen (Getty Images) und US-amerikanischen (ABC, CBS, NBC, CUNY TV) Fernsehen und Fernseharchiven� Das beweist, dass der Film ein Meisterwerk der Archivrecherche und der Montagekunst von Dieter Pichler ist� Wie Tobias Ebbrecht-Hartmann bemerkt, wird das verwendete Bildarchiv zum Zeugen der Vergangenheit: The montage of the footage in correlation with Beckermann’s comments and in constellation and confrontation with other images treats the archive as a witness that provides us not only with historical knowledge about the events but also gives us an impression of the psychological and political dynamics as well as the broader context, in which this controversy emerged� (547) Es ist also die Organisation des gefundenen Materials in eine gewisse Reihenfolge und die Einführung einer Ich-Erzählerin, die dem Film einen dramaturgischen Charakter geben und die Dynamik der gezeigten Ereignisse widerspiegeln� Das weist aber zugleich darauf hin, dass das filmische Werk infolge einer zweifachen Selektion des Materials entstand� Für die erste Selektion waren unterschiedliche Fernsehanstalten zuständig, die die - ihrer Auffassung nach - besten Aufnahmen aussortierten� Die zweite Selektion führte die Regisseurin durch, indem sie die attraktivsten Sendungen und ihre Ausschnitte auswählte und sie in eine logische Reihenfolge ordnete� Was also vor den Augen der Zuschauer_innen dargestellt wurde, war eine vereinfachte, einer bestimmenden Erzählung untergeordnete Mitteilung mit einem sehr eingeschränkten Feld für individuelle Interpretation� Geboten erscheint in dieser Hinsicht die Frage, ob die Kritik an der Rolle des Fernsehens in der Gesellschaft im Fall vom neuesten Werk Beckermanns überhaupt anwendbar wäre. Man sollte etwa in Betracht ziehen, dass die Nachrichtensendungen und Interviews die vermittelten Interpretationen der Wirklichkeit als natürlich und unanfechtbar darstellen� Für die Aussagen der im Fernsehen auftretenden talking heads gibt es keine Alternative und ihre Autorität wird nicht in Frage gestellt. Gleichzeitig sind die Zuschauer_innen sich dessen nicht völlig bewusst, dass sie ein fernsehspezifisches Format anschauen� Im Vordergrund dieses Prozesses stehen die Darstellungsformen - Nachrichtensendungen oder Interviews - und nicht das Medium Fernsehen selbst� Es ist also solche Erscheinung, die dem von Roland Barthes geprägten Konzept der Exnomination entspricht� Barthes zufolge besteht die Exnomination 570 Jakub Gortat in der Verheimlichung des wahren, eigenen Namens� Die Exnomination des Subjekts (Barthes bezog sich in dieser Hinsicht auf die Bourgeoisie) dient zur Verfestigung der Ideologie des Senders sowie der Vermittlung und Stärkung seiner Gewalt� Dabei muss das sich verfestigende Subjekt seine wahre Natur und sogar seinen Namen nicht verraten, weil es bereits in einer mythischen, für alle verständlichen Sphäre funktioniert (Barthes 137-138). Eine fernsehspezifische Beurteilung der Stärkung der Gewalt durch die Medien ist Gegenstand der kritischen Theorie, gemäß der - wie etwa im Fall von Herbert Marcuse - das Fernsehen ein Apparat der Verwaltung und Herrschaft in einer eindimensionalen Gesellschaft sei, wobei die Vermittlung des Wissens eingeschränkt werde. Marcuse behauptete: With the control of information, with the absorption of individuals into mass communication, knowledge is administered and confined. The individual does not really know what is going on; the overpowering machine of education and entertainment unites him with the others in a state of anesthesia from which all detrimental ideas tend to be excluded� (104) In diesem Sinne erscheint das Fernsehen als mächtiges Medium, das über das Wissen verwaltet und es einschränkt, während die Empfänger_innen - Zuschauer_innen - niemals die Möglichkeit erlangen, über ein vergleichbares Wissen zu verfügen� Es besteht kein Zweifel, dass die Fernsehnachrichtensendung das krasseste Beispiel für ein Fersenformat ist, das in der Selektion des Materials und der Vereinfachung der Vermittlungen besteht� Das Endprodukt, dass an die Zuschauer_innen gelangt, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Wirklichkeit� Das Gleiche gilt für andere Darstellungsformen, wie Interviews, in ihren Fällen sind diese Ausschnitte bloß umfangreicher. Im Fall von Waldheims Walzer erfolgt der Prozess der Selektion und Vereinfachung doppelt� Beckermann modifiziert und gebraucht die einst ausgewählten Materialien erneut. Dies wird nicht immer positiv beurteilt� Die Journalistin in der Presse, Anne- Catherine Simon, bemerkt kritisch, dass der Film die Rolle der SPÖ überhaupt nicht erwähne. Tatsächlich zeigte sich die sozialdemokratische Partei in der Affäre Waldheim gegenüber ziemlich reserviert. Eine absichtliche Instrumentalisierung von Waldheims Vergangenheit kam in den Reihen der SPÖ nicht in Frage� Siegfried Göllner behauptet, „man habe Waldheim lediglich dazu aufgefordert, Klarheit über seine Kriegsvergangenheit zu schaffen“ (272). Die Presse -Rezensentin wirft dem Film auch vor, dass er manche teils haarsträubend verzerrte Meldungen in ausländischen Medien auslasse. Angesichts solcher Selektion des historischen Materials könnte man, im Fall der Verwendung des Films als didaktisches Experiment im Geschichtsunterricht, auch die Fragen nach dem Subjektivismus Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 571 572 Jakub Gortat im Dokumentarfilm in Erwägung ziehen - zum Beispiel, inwieweit solcher Subjektivismus bei der Darstellung von historischen Ereignissen berechtigt ist� Doch was Beckermann trotz des angenommenen Subjektivismus gelingt, ist die Einhaltung der Regel, dass (sogar) der Angeklagte über das Recht auf Verteidigung verfügt� Die schon vorher angesprochene Schlüsselszene, in der Waldheims Sohn, Gerhard, zugunsten seines Vaters aussagt, beweist, dass auch die Narration der anderen Partei berücksichtigt wird� Doch Waldheim und seine Anhänger blamieren sich selbst durch ihre Aussagen. Die Anhörung von Gerhard Waldheim vor dem amerikanischen Kongress veranschaulicht, dass nur er und sein Vater an die Unwissenheit Waldheims über Kriegsverbrechen am Balkan glauben würden. Bloß stellt sich auch Michael Graff, der damalige Generalsekretär der ÖVP, der Waldheim verteidigte, indem er sagte (und das wird im Film ebenfalls angesprochen): „So lange nicht bewiesen ist, daß er eigenhändig sechs Juden erwürgt hat, gibt es kein Problem“ ( Arbeiter-Zeitung )� Im Fall von Waldheims Walzer liegt die Vermutung nahe, dass die Eindimensionalität mancher medialen Interpretationen doch berechtigt ist� In Anbetracht dessen, dass in Waldheims Walzer die Walheim-Affäre in einem breiten Kontext der österreichischen Erinnerungskultur dargestellt wird, ist Vermittlung des Films Beckermanns besonders wichtig� Zieht man etwa in Betracht, dass der Nachkriegserinnerungskultur in vielen österreichischen Geschichtslehrbüchern wenig Bedeutung beigemessen wird, erscheint eine solche Anwendung des Speichergedächtnisses insbesondere zu didaktischen Zwecken sehr nutzbar� In ihrer Analyse der Schulbücher, die zwischen 1957 und 2010 erschienen, wies Ina Markova darauf hin, dass, wenngleich ihre Autor_innen das Thema Holocaust in den Fokus rücken, der allgemeine Gegenstandsbereich Erinnerungskulturen eine marginale Rolle spielt (261)� Obwohl in einigen neuesten Geschichtsschulbüchern eine Orientierung an der modularen Struktur bemerkbar wird, kann diese Bemerkung selbstverständlich keine grundlegende Analyse der österreichischen Erinnerungskulturen darstellen (vgl. Krösche). Derzeit werden im österreichischen Schulwesen kompetenzorientierte Lehrpläne für das Fach „Geschichte und Sozialkunde/ Politische Bildung“ für die Unter- und Oberstufe eingeführt� Wie Sandra Müller bemerkt, ist im 2016 eingeführten „Lehrplan für die AHS Unterstufe der Themenkomplex in der 4. Klasse im Modul ‚Faschismus - Nationalsozialismus - politische Diktaturen‘ angesiedelt“ (160). Die Frage der Affäre Waldheim und der Nachkriegserinnerungskultur könnte als ein Thema in diesem Modus berücksichtigt werden. Eventuelle Fragen, die den Schüler_innen nach dem Anschauen gestellt werden könnten, dürften sich sowohl auf die inhaltlichen Probleme konzentrieren als auch die Rolle eines Dokumentarfilms und seines oder seiner Autor_in betreffen. Zu erörtern wären zum Beispiel die Fragen, ob Autor_innen eines Dokumentarfilms ihre Stellung zu den präsentierten Ereignissen und Personen verraten dürfen, ob die Einführung von den für einen Spielfilm typischen Elementen geboten ist und ob es überhaupt wichtig ist, nach über 30 Jahren auf die historischen Ereignisse zurückzugreifen. Des Weiteren könnte die Verwendung des Films als Unterrichtsmaterial für solche Aspekte sensibilisieren, wie etwa die kritische Analyse der historischen Ereignisse, das Verständnis der Funktionen von Erinnern und Gedenken sowie der damit einhergehenden Instrumentalisierung und Kommerzialisierung des Erinnerns. In diesem Zusammenhang folgt der Film Beckermanns wichtigen didaktischen Prinzipien wie Multiperspektivität, Konstruktivität und die Interpretation der Geschichte durch Verweis auf Gegenwarts- und Zukunftsprobleme. Die verständliche und spannende Weise, auf die der Film das Gedächtnis an einen Ausschnitt aus der österreichischen Zeitgeschichte komprimiert, macht ihn ein geeignetes Lehrmaterial im Schulunterricht� Unabhängig davon, ob der Film eher ein Dramadoc , ein Bewegungsfilm oder ein Beispiel engagierten Kinos ist, oder alle drei zugleich, bleibt die Intention von Ruth Beckermann klar: man soll die Vergangenheit nicht vergessen und auch heutzutage die Augen vor manchen Ereignissen nicht verschließen� Die Originalität der Herangehensweise Beckermanns liegt an einer geschickten Organisation des Speichergedächtnisses und seiner Anpassung an die heutige Situation. Die Öffnung der Zeitkapsel nach über dreißig Jahren seit der Entstehung des Originalmaterials wandelt das lange aufbewahrte Gedächtnis in ein Funktionsgedächtnis, das als Warnung vor potenzialem aggressivem Nationalismus dient� Nicht nur wegen des Verweises auf die politische Situation in Österreich erscheint das Auftauchen der Archivaufnahmen, und dadurch auch von Waldheims Walzer, als kein Zufall� Seit weniger als einer Dekade beobachtet man die Rückkehr von Narrativen, 2 die sich auf die Nachkriegsrealität Österreichs konzentrieren und die Aufmerksamkeit auf die nicht aufgearbeitete Vergangenheit lenken. Zu solchen Werken gehören Franz Murer - Anatomie eines Prozesses von Christian Frosch (2018), ein Film, der den Strafprozess gegen den ehemaligen österreichischen Naziverbrecher thematisiert; Ha Edut (aka The Testament , 2017) von Amichai Greenberg, eine israelisch-österreichische Koproduktion, deren Handlung Assoziationen mit dem Massaker in Rechnitz weckt, oder schließlich Hannas schlafende Hunde (2016) von Andreas Gruber nach dem gleichnamigen Roman von Elisabeth Escher über die Kontinuität des Antisemitismus im Nachkriegsösterreich. Dass solche Filme entstehen, ist ein Beweis dafür, dass die Zweite Republik endlich reif genug ist, um die Unzulänglichkeiten und Entstellungen in der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit öffentlich und ohne Ruth Beckermanns Waldheims Walzer (2018) als didaktisches Experiment 573 574 Jakub Gortat Zurückhaltung zu thematisieren, nachdem österreichische Filmemacher_innen jahrelang die problematischen Fragen der jüngsten Geschichte ihres Landes im Ganzen verschwiegen oder nur an den Rand der Erzählung drängten. 3 So wie die oben genannten Regisseure konzentriert sich Ruth Beckermann nicht auf die Geschichte des Holocaust oder des Nationalsozialismus, sondern schildert eine längst vergangene Debatte in der österreichischen Politik und Gesellschaft, deren Schwerpunkt doch der lange Schatten des Nationalsozialismus war� Dabei speichert und komprimiert sie auf logische und kohärente Weise mehrere Fäden aus der österreichischen Zeitgeschichte. Aus diesem Grunde kann der Film gewisse Informationen in einem Geschichtslehrbuch vervollständigen und sie in einem breiten soziopolitischen Kontext darstellen. Obwohl Waldheims Walzer aus mehreren Archivsendungen und -aufnahmen aus den 1980er Jahren besteht, als der Dokumentarfilm als das einzige Schlafmittel wahrgenommen wurden, „dass man mit den Augen einnehmen kann“ (Blim 130), folgt er einer dramatischen Struktur und weist einen ästhetischen Hybridisierungsvorgang auf� Dadurch kann Waldheims Walzer als ein Unterhaltungsfilm interpretiert werden und aus diesem - zweiten - Grund erscheint er als eine attraktive Form der Didaktik. Die Existenz des Reservoirs zukünftiger Funktionsgedächtnisse - der Parallele zwischen 1986 und dem heutigen Populismus in Österreich - kann als eine weitere Frage in diesem didaktischen Experiment (in Schule oder anderswo) aufgeworfen werden� In einem Interview danach gefragt, ob es eine Wirkung gäbe, die der Film nach ihrem Wunsch auf das Publikum haben könnte, räumte Beckermann ein: „Kritisch denken. Niemandem etwas glauben. Alles hinterfragen. Jeder soll versuchen, sich seine eigene Meinung zu bilden. Ich hoffe zum Beispiel, dass viele Schüler den Film sehen werden, und soweit ich weiß, haben etliche Schulen ihr Interesse an einer Vorführung bereits angemeldet“ (Baumann)� Es unterliegt also keinem Zweifel, dass Beckermanns Wunsch die Vertiefung des kritischen Denkens auch im Schulunterricht wäre. Dieses Denken kann sich - wie das Zitat veranschaulicht - sowohl auf ein allgemeines Gebot beziehen, das ganze Wissen kritisch zu betrachten, als auch konkrete Fragen nach der Rolle der Familienmitglieder im Nationalsozialismus oder nach der Rolle Österreichs im Zweiten Weltkrieg betreffen. In absehbarer Zukunft wird es möglich sein, die Anwendung des Films im Unterricht rückblickend zu ergründen. Derzeit lässt sich nur feststellen, dass Waldheims Walzer als angemessener Vorschlag für einen abwechslungsreichen Geschichtsunterricht erscheint� Notes 1 Transkription nach Gehör aus der DVD-Version des Filmes. 2 Ich meine damit, dass solche Filme, die die unbewältigte Vergangenheit thematisierten, auch früher entstanden. Erwähnenswert wären etwa Totschweigen (1994) von Margarete Heinrich und Eduard Erne; Das Geständnis (1996) von Kitty Kino; Gebürtig (2002) von Robert Schindel und Lukas Stepanik (Adaptation des gleichnamigen Romans Schindels) und Mein Mörder (2005) von Elisabeth Scharang� 3 Dadurch stellen sich ganz offen solche Fragen, die ihre Fachkollegen in den Spielfilmen bisher sehr selten aufwarfen und die erst mit den großen Filmwerken von Axel Corti, Gerhard Glück, Franz Antel und Andreas Gruber mit voller Wucht auftaucht� Works Cited „Affäre Reder: Minister-Handschlag mit dem ‚Schlächter‘.“ Die Presse , 23� Januar 2015� <https: / / www.diepresse.com/ 4645233/ affaere-reder-minister-handschlag-mit-demschlaechter>� Web� 20 Oktober 2022� Assmann, Aleida� Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik � Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2006a� —� Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses � München: C. H. Beck, 3. 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