Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur
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Rade Hajdin
Markus König
Markus Stöckner
Frank Schiffmann
Tim Blumenfeld
Karl Grossauer
Building Information Modeling-Methoden werden bereits erfolgreich für Planung und Bauausführung im Bereich von Hochbau- und Infrastrukturprojekten eingesetzt. Digitale Gebäudemodelle (BIM) werden bei einer openBIM Umgebung auf Basis offener Standards, wie den Industry Foundation Classes (IFC) ausgetauscht und von verschiedenen Ingenieurdisziplinen aufgabenunabhängig genutzt. Für den Straßen- und Brückenbau werden derzeit verschiedene Erweiterungen der IFC entwickelt, um einen effizienten Datenaustausch zu ermöglichen. Der Einsatz von BIM im Betrieb über die Lebensdauer der Straßeninfrastruktur stand bisher noch nicht im Fokus, verspricht aber eine erhebliche Nutzensteigerung vor allem, aber nicht nur für die Straßenbauverwaltungen. Die für das Asset Management erforderliche Fortschreibung des Zustands und der Auswirkungen der Erhaltungsmaßnahmen gewinnt mit BIM einen Mehrnutzen v. a. durch die genauen geometrischen Informationen. Hierbei ist es notwendig, den bewährten Datenfluss der Asset-Management-Systeme durch BIM-Daten zu erweitern. Dafür wird angestrebt, standardisierte Austauschformate in Anlehnung an IFC zu entwickeln.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 21 Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur Prof. Dr. sc. techn. ETHZ, Dipl. Bauingenieur UB Rade Hajdin Infrastructure Management Consultants GmbH, Zürich, Schweiz Prof. Dr.-Ing. Markus König Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Markus Stöckner Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft, Karlsruhe, Deutschland Dr. sc. ETHZ, Dipl.-Ing. Frank Schiffmann Infrastructure Management Consultants GmbH, Mannheim, Deutschland Dr.-Ing. Tim Blumenfeld Infrastructure Management Consultants GmbH, Mannheim, Deutschland DI Dr. techn. Karl Grossauer iC consulenten Ziviltechniker GesmbH, Wien, Österreich Zusammenfassung Building Information Modeling-Methoden werden bereits erfolgreich für Planung und Bauausführung im Bereich von Hochbau- und Infrastrukturprojekten eingesetzt. Digitale Gebäudemodelle (BIM) werden bei einer openBIM Umgebung auf Basis offener Standards, wie den Industry Foundation Classes (IFC) ausgetauscht und von verschiedenen Ingenieurdisziplinen aufgabenunabhängig genutzt. Für den Straßen- und Brückenbau werden derzeit verschiedene Erweiterungen der IFC entwickelt, um einen effizienten Datenaustausch zu ermöglichen. Der Einsatz von BIM im Betrieb über die Lebensdauer der Straßeninfrastruktur stand bisher noch nicht im Fokus, verspricht aber eine erhebliche Nutzensteigerung vor allem, aber nicht nur für die Straßenbauverwaltungen. Die für das Asset Management erforderliche Fortschreibung des Zustands und der Auswirkungen der Erhaltungsmaßnahmen gewinnt mit BIM einen Mehrnutzen v. a. durch die genauen geometrischen Informationen. Hierbei ist es notwendig, den bewährten Datenfluss der Asset-Management-Systeme durch BIM-Daten zu erweitern. Dafür wird angestrebt, standardisierte Austauschformate in Anlehnung an IFC zu entwickeln. 1. Einführung Eine leistungsfähige und sichere Verkehrsinfrastruktur ist die Grundvoraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt: Sie ermöglicht Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wohlstand und stellt damit das Rückgrat einer modernen Gesellschaft dar. Im Rahmen des Asset Managements werden belastbare Daten benötigt, um daraus Informationen zum aktuellen Zustand der Verkehrsinfrastruktur zu gewinnen und darauf aufbauend, den zukünftigen Zustand vorherzusagen. Diese Daten dienen anschließend als Grundlage für den Entscheidungsprozess zu Zeitpunkt, Umfang und Kosten von Erhaltungsmaßnahmen. In der Integration von BIM in die Prozesse des Asset Managements wird ein erhebliches Potential gesehen. Einerseits kann aufgrund der realitätsnahen Abbildung der physischen Infrastrukturobjekte die Qualität der Entscheidungen zu Erhaltungsmaßnahmen maßgebend verbessert werden. Andererseits ermöglicht BIM eine Verbesserung der bestehenden Methoden der Datenerfassung und dem Datenaustausch, durch den Austausch von Informationen über die gesamte Lebensdauer der Straßeninfrastruktur ohne Medienbrüche. Die BIM-Methode hat ihre Ursprünge im Hochbau und wird dort bereits bei einer Reihe von Projekten erfolgreich angewendet. Die flächendeckende Einführung von BIM steht jedoch noch aus. Für den Bereich des Verkehrswegebaus mit allen Phasen über die Lebensdauer, d. h. Bau, Betrieb, Überwachung und Erhaltung, muss die Art und der Umfang des Einsatzes der BIM-Metho- 22 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur de noch spezifiziert werden. Die Rahmenbedingungen in einem hochgradig von öffentlichen Auftraggebern bestimmten Bereich sind zum Hochbau nicht vergleichbar. Besonderer Fokus liegt dabei auf die einheitliche Festlegung, welche Daten in einer Phase der Lebensdauer benötigt sowie in folgende Phase übergeben werden sollten [1]. In den DACH-Ländern werden schon länger Anstrengungen unternommen, die BIM-Methode im Straßenbau einzusetzen [2], [3]. Jedoch zeigte sich im Bereich der Straßeninfrastruktur, dass das nachträgliche Zusammenführen von vorher in unterschiedlichen Lebensphasen getrennt voneinander erarbeiteter Straßeninfrastrukturdaten oftmals fehleranfällig ist. Bisher vorliegende Lösungsansätze finden sich derzeit sehr häufig in Form von BIM- Pilotprojekten. Diese decken nur Teilaspekte über die Lebensdauer ab und beziehen sich vornehmlich auf die Projektierung sowie Planung und Abwicklung von Baumaßnahmen im Sinne einer “digitalen Baustelle”. Eine generelle Beschreibung von Prozessen, Datenstrukturen und -flüssen in Straßenbauverwaltungen existiert bisher noch nicht in einer für die Anwendung der BIM-Methode umfassenden und nutzbaren Form. Dabei fehlen insbesondere einheitliche Vorgaben zum Datenaustausch zwischen den an Projektierung und Bau sowie Betrieb, Überwachung und Erhaltungsplanung beteiligten Partnern. 1.1 Problemstellung Bisher wurden im Asset Management die baustofftechnologischen Daten aus dem Bauprozess nur begrenzt in den Fokus gerückt und der Frage nicht nachgegangen, welche Daten für Betrieb, Überwachung und Erhaltungsplanung erforderlich sind. Eine Reihe dieser Daten sind jedoch für die Erhaltungsplanung und den Straßenbetrieb nicht nur hilfreich, sondern als Kernelement des Asset Managements unabdingbar. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass nach Fertigstellung eines Straßenbauwerks durch die umfassende Dokumentation des ausgeführten Werkes und der vorhandenen Abnahmeprüfungen eine sehr detaillierte Datenbasis vorliegt, welche über die Lebensdauer derzeit nur in begrenztem Maß oder auch gar nicht genutzt wird. Durch eine oftmals fehlende datenbanktechnische Aufarbeitung dieser Datenbasis und der aktuell nicht vorhandenen Verknüpfung mit jener des Asset Management Systems (AMS) können die entsprechenden Informationen nur mit unverhältnismäßig großem manuellem Aufwand digital zur Verfügung gestellt werden. 1.2 Zielsetzung Im Rahmen des Forschungsprojektes BIM4AMS [4] sollen daher die über die Lebensdauer der Straßenbefestigungen relevanten baustofftechnischen Daten in ein konsistentes und durchgängiges BIM-Konzept für das Asset Management der Straßeninfrastruktur nutzbringend und mit den bereits vorhandenen Asset Management Daten verknüpft werden. Hierbei werden Ergebnisse aus dem CEDR-Projekt AMSfree [5] nahtlos um den Aspekt der relevanten baustofftechnischen Daten für Straßenbefestigungen erweitert. 2. Methodik / Lösungsansatz 2.1 Analyse von (Teil-)Prozessen Zunächst erfolgt eine Prozessanalyse über die Lebensdauer der Straßeninfrastruktur. Dafür wurde der Gesamtprozess des Asset Managements analysiert und dargestellt, wie er in den beteiligten Straßenbauverwaltungen umgesetzt wird. Im Rahmen einer Detailanalysen wurde geprüft, ob ein gemeinsamer Referenzprozess im D-A- CH-Bereich gefunden werden kann. Dabei erfolgte eine klare Abgrenzung von Projektierung, Bau, Betrieb, Überwachung und Erhaltungsplanung, um deren unterschiedlichen Datenbedarf zu identifizieren. Im Weiteren wurden die erforderlichen Datenverarbeitungsmethoden im Asset Management für alle drei Länder geprüft, um die Datenanforderungen festzuhalten. Damit ist gleichzeitig definiert, welche Daten aus dem Bauprozess in die Prozesse über die Lebensdauer mit Betrieb, Überwachung und Erhaltungsplanung übergeben werden müssen. Zwar bestehen im Detail methodische Unterschiede zwischen den drei betrachteten Ländern, es ist aber trotzdem gelungen, ein gemeinsam gültiges Modell abzuleiten. Das Ergebnis ist damit ein allgemeines Prozessmodell über die Lebensdauer der Straßeninfrastruktur in welchem die Datenübergabepunkten einschließlich der entsprechenden Datenspezifikation aus ingenieurtechnischer Sicht für Straßenbefestigungen definiert werden. 2.2 Anwendungsfälle Das Prozessmodell geht von einem initialen Bestandsmodell aus, in dem die notwendigen geometrischen Angaben mit baustofftechnologischen Daten, Zustandsdaten und weiteren Planungsdaten wie Klima und Verkehr verknüpft sind. Der Datenumfang richtet sich dabei nach den Anforderungen der Überwachung (Zustandserhebung) und Erhaltungsplanung. Der Fokus lag dabei auf den baustofftechnologischen Daten, insbesondere auch auf der Gruppe der sogenannten Performance-Prüfungen der Materialien. Auch wenn diese derzeit noch nicht vollumfänglich in den Datenverarbeitungsverfahren zur Erhaltungsplanung integriert sind, ermöglichen diese das Verhalten des Straßenoberbaus als Grundlage für die Erhaltungsplanung und anschließende Entscheidungsfindung besser zu prognostizieren. Aufbauend auf den Ergebnissen der Prozessanalyse wurden dann drei wesentliche Anwendungsfälle innerhalb des Asset Ma- 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 23 Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur nagements identifiziert, die mit Hilfe von BIM ergänzt werden sollen (vgl. Abb. 1): • Update I: Inspektionsdaten (Daten der Zustandserfassung und -bewertung ZEB) • Update II: Erhaltungsplanung • Update III: As-built-Modell («wie gebaut»-Modell) Update I - Inspektionsdaten ZEB Der Zustand der Straßenbefestigung unterliegt aufgrund der ständigen Belastung durch Verkehr und Klima einer ständigen Beanspruchung und ist damit eine zeitlich veränderliche Kenngröße. Aus diesem Grund werden in den D-A-CH-Ländern regelmäßig und standardisiert netzweite Messkampagnen zur Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) der Fahrbahnoberfläche durchgeführt (vgl. [6], [7], [8]), um einen aktuellen Überblick zum Netzzustand zu erhalten. Diese Daten werden bereits heute in den Straßendatenbanken bzw. der Asset Management Datenbasis (AM-Datenbasis) historisiert abgelegt (vgl. [9], [10], [11]) und dienen neben weiteren Daten, u. a. zum Aufbau, der vorhandenen (Schwer-) Verkehrsbelastung oder Klima, bei Analysen zur Modellbildung der Zustandsentwicklung. Der Datenaustausch zwischen ZEB und AM-Datenbasis über eine IFC-Schnittstelle stellt hierbei eine standardisierte Datenstruktur für die Zustandsdaten im Rahmen einer separaten virtuellen Schicht sicher und ermöglicht bei Bedarf eine Anreicherung des BIM-Modells in Form eines digitalen geometrischen Geländemodells der Fahrbahnoberfläche. Das Bestandsmodell selbst wird somit nicht verändert. Abbildung 1: Systematik des Datenbedarfs und der Updates 24 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur Zusätzlich wird es möglich, weitere relevante Zustandsinformationen des Straßenoberbaus, z. B. Tragfähigkeitsmessungen oder Bohrkernuntersuchungen für die Bewertung der Straßenbefestigung, über die IFC-Schnittstelle auszutauschen. Mit den aktualisierten Zustandsdaten in Verbindung mit einem Prognosemodell lassen sich dann Aussagen über die aktuelle und zukünftige Erhaltungsbedürftigkeit im Straßennetz treffen. Im Rahmen der Zustandserfassung wird eine große Menge von Rohdaten erhoben, aus denen Ergebnisdaten im Rahmen eines Auswerteprozesses hergeleitet werden. Im vorliegenden Fall werden jedoch lediglich die abschnittsbezogenen Ergebnisdaten in die AM-Datenbasis übernommen, welche zur weiteren Verarbeitung benötigt werden. Update II - Erhaltungsplanung Der Prozessschritt der Erhaltungsplanung erfordert u. a. Inputdaten zum Befestigungsaufbau, zu den baustofftechnologischen Daten, zum Zustand und zu weiteren planungsrelevanten Kenngrößen. Das Ergebnis einer netzweiten Erhaltungsplanung stellt die Finanzbedarfsprognose sowie die Identifikation- und Priorisierung maßnahmenbedürftiger Abschnitte dar. Dies erzeugt vordergründig keine Änderung des Bestandsmodells. Allerdings zeigen die Anforderungen aus der Praxis, dass es notwendig ist, auch hier einen netzweiten Überblick zum anstehenden Erhaltungsprogramm, welches aus maßnahmenbedürftigen Abschnitten besteht, zu generieren und dies als Update II mit aufzunehmen. Die notwendigen Informationen umfassen die Angaben zum betroffenen Abschnitt, zum geplanten Maßnahmenjahr sowie zum vorab zugeordneten Maßnahmentyp. Ein Maßnahmentyp umfasst verschiedene Erhaltungsmaßnahmen mit ähnlichem Umfang bzw. ähnlichen Auswirkungen in Bezug auf Zustand und Kosten. Update III - As-built-Modell Im Rahmen der objektbezogenen Projektierung und Bauausführung wird die Baumaßnahme konkretisiert und dann umgesetzt. Dabei kann sich unter Umständen der durch die Erhaltungsplanung vordefinierte Maßnahmentyp nochmals ändern. Durch eine Baumaßnahme wird die Straßenbefestigung z. B. durch den Ersatz einer oder mehrerer gebundener Schichten bzw. aller gebundenen und ungebundenen Schichten gesamthaft erneuert. Damit ändert sich das initiale as-built-Modell und mit dem Update III werden die relevanten Änderungen in das Modell mit übernommen. Neben den geometrischen Änderungen werden auch die neuen baustofftechnischen Daten mit übernommen. 2.3 Definieren von Informationsanforderungen Die Informationsanforderungen legen die auszutauschenden Inhalte eines digitalen Straßenmodells fest. Neben den geometrischen Details werden die auszutauschenden semantischen Informationen hinsichtlich der beschriebenen Anwendungsfälle festgelegt. Beim Austauschen eines IFC-Modells kann die Erfüllung der Informationsanforderungen anhand einer vordefinierten Model View Definition (MVD) überprüft werden. Auf Basis der definierten Anwendungsfälle wurden die relevanten baustofftechnischen Daten spezifiziert, die Informationen zu den einzelnen Schichten des Straßenaufbaus beinhalten. Für jedes relevante Aufbauelement (z. B. Aufbauschichten einer Straße) wurden semantische Informationen als Merkmale und Merkmalsgruppen nach EN ISO 23386 definiert. Weiterhin erfolgte die Zusammenstellung von Merkmalen und Merkmalsgruppen für die Informationen, die im deutschsprachigen Raum im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung gesammelt werden. In einem IFC-Modell können diese Merkmale als benutzerdefinierte ifcPropertySets den jeweiligen Elementen zugeordnet werden. 2.4 Anwendung von Informationscontainern nach ISO 21597 Die Verknüpfung und Überführung unterschiedlicher Datenquellen, Datenmodelle oder -formate ist eine bekannte Herausforderung, die nicht allgemeingültig gelöst werden kann. Der Einsatz der Semantic Web Technology (SWT) bietet die Möglichkeit, Daten aus unterschiedlichen Datenquellen miteinander zu verknüpfen. Um domänenspezifische, semantische Information zu beschreiben, in diesem Fall konkret aus dem Umfeld der Straßeninfrastruktur und dem Asset Management, können entsprechende auf Resource Description Framework (RDF) und Web Ontology Language (OWL) basierende Ontologien entwickelt werden. Der Information Container for linked Document Delivery (ICDD) nach ISO 21597-1 bietet eine Umgebung für die Erfassung und Verlinkung von Daten aus unterschiedlichen Formaten. In diesem Information Container können Datei-basierte Dokumente, z. B. IFC-Modell, Excel-Tabelle, Fotos etc., und die Ontologie miteinander verknüpft werden. Der Austausch von komplexen Daten zwischen den Beteiligten wird somit mittels ICDD erleichtert. Ein wesentlicher Vorteil ist dabei die vereinfachte Erweiterung von semantischen Informationen zum Bauwerk mittels einer Ontologie. Die bisher veröffentlichten Ontologien für Infrastrukturelemente, z. B. European Road Object Type Library (OTL) [12], [13], können hierfür verwendet bzw. nach den individuellen Anforderungen erweitert werden. Je nach Bedürfnis kann der Nutzer auch eigene Ontologien erstellen. Beispielsweise können die baustofftechnischen Merkmale als Ontologie definiert werden. Die dazu gehörenden Daten können als Instanzen der Ontologie mittels ICDD erfasst und mit IFC Element verknüpft werden. Die zu erfassenden Daten sowie die betreffenden Ontologien innerhalb eines Infor- 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 25 Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur mation Containers sind gemäß dem definierten Anwendungsfall festzulegen. Bestimmte Informationen können mit dem SPARQL Protocol und der RDF Query Language (SPARQL) abgefragt werden. 2.5 Umsetzung des Anwendungsbeispiels Die Umsetzung in Anwendungsbeispielen wird in den hier thematisierten laufenden Forschungsprojekten [4], [5] aktuell vorbereitet. Am Beispiel eines Straßenabschnittes wird die Durchgängigkeit des BIM-Konzepts sowie die Umsetzung von Nutzungsrechten aufgezeigt. Dazu wird ein BIM-Modell auf der Grundlage des aktuellen IFC-Formats (IFC 4) definiert, welches an den Bauherren für die Phasen Betrieb und Erhaltung übergeben wird. Dieses dient als Basis für den Realisierbarkeitstest. Die nachfolgende Abbildung 2 fasst die Vorgehensweise zur exemplarischen Einführung von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur zusammen. Die grauschraffierten Module beschreiben die Arbeitsschritte innerhalb des Anwendungsbeispiels. Abbildung 2: Methodik zur exemplarischen Einführung von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur 3. Datengrundlage Wie bereits erläutert, liegen die in den BIM-Ansatz zu intergierenden Daten in unterschiedlichen Datenbanken und -formaten vor. Diese umfassen Daten in Verbindung mit dem Bauprozess sowie Daten, die im Rahmen des Asset Managements erzeugt bzw. verwaltet werden. Der relevante Datenumfang ist zudem nicht abschließend und muss erweitert werden können, da gerade auch mit Blick auf die Resilienz der Straßeninfrastruktur, z. B. im Zusammenhang mit dem Klimawandel und Naturgefahren, zusätzliche Inputdaten notwendig werden (vgl. [14]). Die Umsetzung der beschriebenen Anwendungsfälle setzt ein Zusammenführen bzw. eine Verknüpfung der Daten aus unterschiedlich Quellen voraus. Ein Teil der Daten wird im Rahmen des Bauprozess erzeugt, ein anderer Teil stammt aus Überwachungsaktivitäten (z. B. Zustands- und Inspektionsdaten) oder aus allgemein zugänglichen Datenquellen (z. B. Wetterdaten). 3.1 Datenhaltung im Bauprozess In den DACH-Ländern kommen unterschiedliche Projektplattformen bzw. virtuelle Projekträume in der Bauphase als Datenablage zur Anwendung. Diese Projektplattformen/ Projekträume stellen die zentrale Datenquelle für alle projekt-spezifischen Unterlagen im Zuge der Errichtung während des Bauprozesses dar. Einige Projektplattformen verfügen bereits über integrierte Viewer zur Darstellung von IFC oder BIM-Modellen in prioritären Dateiformaten (u. a. DWG, RVT). Die Wahl der Datenhaltungssysteme erfolgt hauptsächlich länder- und projekt-spezifisch (in Deutschland derzeit u. a. aufgrund des föderalen Systems). Daten werden bisher größtenteils als „Dokumente“ in Form von Plänen, Berichten, Listen, Prüfprotokollen, etc. im Zuge des Bauprozesses generiert und abgelegt. Ein Datenaustausch erfolgt über verschiedene Server oder Cloud-Systeme sowie häufig auch noch in physischer Form als CDs und Pläne. Eine strukturierte Ablage und somit Weiterverarbeitung der in diesen Dokumenten enthaltenen Daten ist bisher nicht Standard und erschwert wesentlich eine Übergabe von Daten aus dem Bauprozess in den Betrieb und die Erhaltung. Zudem liegen gerade zum letzten Punkt keine strukturierten Anforderungen vor. 3.2 Datenhaltung im Asset Management Grundsätzlich können die Objekte der Straßeninfrastruktur aufgrund ihrer Eigenschaften in unterschiedliche Objektgattungen, auch Teilsysteme genannt, gegliedert werden. Klassisch wird in Fahrbahnen, Ingenieurbauwerke bzw. Kunstbauten und elektromechanische Anlagen unterschieden. Hinzukommen können u. a. Werkleitungen, Nebenanlagen oder zusätzlich relevante Objekte. Inventardaten Inventardaten beinhalten Informationen zu geometrischen Abmessungen der Bauwerke und ihrer Eigenschaften. Hierzu zählen bspw. Lokalisierungsdaten, Aufbaudaten, Verkehrsdaten. Querschnitts- und Aufbaudaten liegen vor, müssen aber aus den Bestandsdokumenten aus der Bauphase als as-built-Modell für die Weiterverwendung im Betrieb/ Erhaltung oftmals extrahiert werden (vgl. Update III). Inspektionsdaten ZEB Die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) der Fahrbahnoberfläche ist in den D-A-CH- Ländern national standardisiert. Unterschiedliche Regelwerke definieren die relevanten, zu erfassenden Zustandsmerkmale und Messverfahren sowie die Bewertung der Ergebnisse (vgl. Update I mit [6], [7], [8]). 26 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur Inspektionsdaten Bauwerke Die Bauwerksüberwachung von Ingenieurbauwerken ist in den D-A-CH-Ländern ebenfalls national standardisiert. Auch hierfür existieren unterschiedliche Regelwerke, welche die Durchführung von Inspektionen und die dabei durchzuführende Zustandserfassung und -bewertung definieren (vgl. [15], [16], [17]). Daten zu durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen Diese Daten umfassen die Informationen zu durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen. Je nach Temporalisierungskonzept (auch Historisierungskonzept genannt) werden in den meisten AM-Systemen die Auswirkungen der Erhaltungsmaßnahmen zu einer Veränderung der Inventardaten führen (vgl. Update III). Die Erhaltungsmaßnahmen selbst werden als eine Aktivität samt deren Art, Ausführungszeitpunkt, Dauer, Betreiber- und Nutzerkosten separat vorgehalten. Dies ermöglicht auch eine statistische Auswertung der Maßnahmen-Einheitskosten und eine Quantifizierung des Erfolgs einer Maßnahmenart. 3.3 Zwischenresümee In den meisten Straßenbauverwaltungen existieren bestehende Informationssysteme für die Straßenbefestigungen und die Ingenieurbauwerke. In den DACH-Ländern beinhalten diese bereits sehr umfangreiche Fachkataloge, welche eine Grundlage für eine Verknüpfung darstellen. Leider werden diese Potentiale aktuell nicht oder nur unzureichend genutzt und enthalten aus diesem Grund keine Daten. Eine Verknüpfung von Bauprozess und Asset Management ermöglicht hingegen die Nutzung dieser Potentiale von bereits vorhandenen Informationssystemen. 4. Fallbeispiel Für die Evaluierung wird das entwickelte Datenmodell prototypisch implementiert und mit Hilfe von Anwendungsfällen am Beispiel eines Straßenbauprojektes aufgezeigt. Dazu sollen zum einen das Einspielen und Visualisieren von Ergebnissen der Zustandserfassungen in das Modell umgesetzt werden. Zum anderen sollen die in den Datenbanken vorhandenen Aufbaudaten und die aus dem Bauprozess generierten baustofftechnischen Daten in das Modell integriert werden. Die softwaretechnische Umsetzung beinhaltet das Aufzeigen von Möglichkeiten zur Verknüpfung von Daten inklusive der notwendigen Schnittstellen zwischen einer Autorensoftware (z. B. AutoCAD Civil 3D) und den eingesetzten Asset Management Systemen (z. B. BISSTRA, dTIMS, TRA) sowie die Visualisierung von Informationen mittels eines IFC-Viewers. Abbildung 3 zeigt die exemplarische Anwendung des Modells zur grafischen Darstellung von Inspektionsdaten in einem IFC-Viewer. Nach Anwendung und Erprobung der modellierten Anwendungsfälle, sollen die aus den Fallbeispielen gewonnen Ergebnisse in einer Modellierungsrichtlinie zusammengefasst und in Handlungsempfehlungen dokumentiert werden. Abbildung 3: Exemplarische Darstellung von Zustandsdaten in einem IFC-Viewer 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 27 Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur 5. Zusammenfassung und Ausblick In diesem Beitrag wurde aufgezeigt, wie notwendige Informationen für die Bewertung des Zustands in Lebensdauerbetrachtungen der Straßeninfrastruktur in Form von Informationscontainern nach ISO 21597 bereitgestellt und die Ergebnisse nachprüfbar abgefragt werden können. Zu diesem Zweck wurden Informationscontainer entwickelt, die die Ergebnisse von Brücken- und Straßeninspektionen enthalten. Es wurde unterschieden zwischen Informationen, die direkt in BIM-Modelle einfließen und solchen, die mit externen Datenquellen verknüpft sind. Weiterhin wurde durch Fallbeispiele gezeigt, wie mit semantischen Informationen und der geometrischen Darstellung umgegangen wird. Aus den bisherigen Ergebnissen des noch laufenden Projektes ist bereits eine deutliche Nutzensteigerung durch die Anwendung von BIM innerhalb des Asset Managements erkennbar. 5.1 Erwartete Nutzensteigerung Der Nutzen für ein Asset Management System durch die Ergänzung mit BIM samt der baustofftechnologischen Datenbasis und deren temporale Einordnung und örtliche Lokalisierung ist enorm. Die Informationen aus dem Bauprozess, z. B. Schichtdicken, Art des Asphaltmischgutes, oder baustofftechnologische Daten aus Abnahmeprüfungen, stellen den IST-Zustand des Straßenbauwerks zum Abnahmezeitpunkt dar, d. h. eine initiale Datengrundlage, welche etwaige Analysen über seine Lebensdauer erlauben. Sobald die Prozesse und der Datenfluss klar definiert sind und die jeweiligen Daten in den verknüpften Informationssystemen ohne Redundanzen gepflegt werden, sind die vorhandenen Synergien erheblich. Bereits bekannt ist der entstehende Nutzen bei einer umfassenden Nutzung von Straßeninformationssystemen im Asset Management [18]. Werden jedoch die baustofftechnischen Daten aus dem Bauprozess über einen durchgängigen BIM-basierten Datenaustausch mit dem Asset Management verknüpft, können die derzeit umfangreichen Prozesse der Zusammenführung und Überprüfung von Daten in einem AMS weitgehend reduziert werden und neben der schnelleren Datenverfügbarkeit auch fortgeschrittene Auswertungen und Analysen gerade in Bezug auf Lebensdaueranalysen und der Optimierung des Erhaltungshandelns durchgeführt werden. Darüber hinaus können weitere Analysen der verknüpften Daten neue und umfassende Erkenntnisse zur Dauerhaftigkeit von Bauweisen verwendet werden und damit Erkenntnisse zu deren Weiterentwicklung liefern. Dies führt zu einer genaueren Abschätzung von Risiken und Kosten über die Lebensdauer der Straßeninfrastruktur, möglicherweise über die Betrachtung der Dauerhaftigkeit auch zur Bewertung klimastabiler Bauweisen. Abbildung 4: SPARQL Abfrage der Bohrkernkomponenten aus den Inspektionsdaten und die Ergebnisse der Abfrage 28 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Einsatz von BIM im Asset Management der Straßeninfrastruktur 5.2 Ausblick Der Einsatz der SWT ermöglicht mehr Interoperabilität zwischen die Informationen aus den unterschiedlichen Domains. In dem Fallbeispiel zeigt, dass das Erfassen, Zuordnen und Austauschen unterschiedlichen Daten mittels ICDD realisiert wird. Um das vorhanden AMS mit den relevanten Daten aus den baulichen oder betrieblichen Aktivitäten zu aktualisieren, wird die Übertragung der in ICDD erfasst semantischen Informationen ins AMS als nächster Schritt vorgesehen. Durch bestimmte SPARQL-Abfragen können die benötigten Daten aus ICDD ausgefiltert werden (vgl. Abbildung 4). Die Übertragung dieser Daten soll durch die automatisiert generierten SQL-Befehle maßgeschneidert für das betreffende AMS realisiert werden. Die automatisierte Integration den Daten von ICDD ins AMS reduzierte der Arbeitsaufwand und Fehleranfälligkeit. Diese Arbeitserleichterung kann mehr Resonanz bei Anwendung der BIM in Kombination von SWT in der Praxis für Betrieb erwecken. Literatur [1] Stöckner, Niever (2018) Building Information Modeling - BIM im Life Cycle Management, Deutscher Straßen- und Verkehrskongress, Erfurt [2] König et.al. (2019) InfraBIM - Wissenschaftliche Begleitung der BMVI Pilotprojekte zur Anwendung von BIM im Infrastrukturbau, BMVI, Berlin [3] König et.al. (2019) BIM4ROAD - Building Information Modeling (BIM) im Straßenbau unter besonderer Berücksichtigung der Erhaltungsplanung, BASt, Bergisch Gladbach [4] Hajdin et.al. (laufend) BIM4AMS - BIM-Erweiterung durch Implementierung der Nutzung baustofftechnischer Daten von Straßen und Brücken im AMS, FFG DACH-Call 2019 [5] Stöckner et.al. (laufend) AMSFree - Exchange and exploitation of data from Asset Management Systems using vendor free format, CEDR-Call 2018 [6] The European Road OTL Ontology: online < https: / / www.roadotl.eu/ static/ eurotl-ontologies/ eu rotl_doc/ index-en.html >, abgerufen im Apr. 2021 [7] FGSV (2006) Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen (ZTV ZEB-StB). Ausgabe 2006, Best.-Nr. 998, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV-Verlag, Köln [8] FSV (2006) RVS 13.01.15: Beurteilungskriterien für messtechnische Zustandserfassung mit dem System RoadSTAR. Richtlinien und Vorschriften für den Straßenbau, Österreichische Forschungsgesellschaft Straße Schiene Verkehr, Wien [9] VSS 40925 (2018) Erhaltungsmanagement der Fahrbahnen (EMF); Zustandserhebung und Indexbewertung, Schweizerischer Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS), Zürich [10] OKSTRA (2021) Objektkatalog für das Straßen- und Verkehrswesen, www.okstra.de [11] ASFINAG (2016) IMT Datenbankstruktur - Generelle Vorgaben und Grundlagen, IT-Dokumentation, Wien [12] Bundesamt für Strassen (2016) MISTRA Trassee - TRA, Datenerfassungshandbuch, IT-Dokumentation, Ittigen [13] Luiten, Böhms, Alsem, Keeffe (2018) Asset information management for European roads using linked data, Proceedings of 7th Transport Research Arena (TRA) 2018, Wien [14] Tanasić, Hajdin (2020) Decision support framework for terrestrial transportation infrastructure - Resilience approach, Proceedings of the 11th International Conference on Bridge Maintenance, Safety and Management (IABMAS 2020), Melbourne [15] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2017) Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 (RI-EBW-PRÜF) [16] FSV (2011) RVS 13.03.11: Qualitätssicherung bauliche Erhaltung Überwachung, Kontrolle und Prüfung von Kunstbauten Straßenbrücken [17] ASTRA (2016) KUBA 5 Fachapplikation Kunstbauten und Tunnel - Leitfaden für Inspektoren [18] PIARC Technical Committee D.1 - Management of road infrastructure assets (2019) Innovative Approaches to Asset Management: online https: / / www.piarc.org/ ressources/ publications/ 11/ 8427e86-31264-2019R19EN-Innovative-Inno vative-Approaches-Asset-Management.pdf, abgerufen im Mai 2021