eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 1/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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2748-9213
2748-9221
expert verlag Tübingen
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Neue digitale Ansätze und agile Methoden für das Erhaltungsmanagement

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Maximilian Schenk
Rebecca Probst
Technische Führungskräfte öffentlicher Auftraggeber stehen heute vor vielseitigen Herausforderungen. Gerade die Verwaltung zahlreicher, teils komplexer Ingenieurbauwerke ist ein wichtiges Thema für alle Straßenbaulastträger und der sie dabei unterstützenden Fachkräfte. Dabei gilt es noch besser zu verstehen, welche Bauwerksdaten aus der Planungs- und Ausführungsphase einen hilfreichen Beitrag für ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Lebenszyklusmanagement leisten. Insbesondere bei BIM-Projekten sollte dies frühzeitig im Rahmen der Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) festgelegt werden. Nach dem Übergang der Bauwerke in die Betriebs- und Unterhaltungsphase haben die nach DIN 1076 turnusmäßigen und gemäß RI-EBW PRÜF standardisierten Bauwerksprüfungen eine zentrale Bedeutung. Auf Basis der dabei erhobenen Daten und den aus der Planungs- und Ausführungsphase übernommenen Daten werden Prognosen erstellt, Schadensanalysen vorgenommen und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Verkehrssicherheit geplant. Unser Vorschlag zeigt auf, welche Bauwerks- und Prüfdaten für spezifische Anwendungsfälle notwendig sind und welche Mindestangaben für eine koordinierte Erhaltungsplanung empfohlen werden. Wir erläutern in unserem Vortrag, welche digitalen Anwendungen die Visualisierung von Bauwerksschäden begünstigen und wie agile Methoden in Form von Kanban-Boards eine gemeinsame Bearbeitung voranbringen. Die Teilnehmenden bekommen mit Hilfe konkreter Beispiele einen umfassenden Überblick zur möglichen Umsetzung einer koordinierten Erhaltungsplanung.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 85 Neue digitale Ansätze und agile Methoden für das Erhaltungsmanagement Automatisierte Erhaltungsansätze am Beispiel von Ingenieurbauwerken Dipl.-Ing. Maximilian Schenk Konstruktionsgruppe Bauen AG Bahnhofplatz 1 87435 Kempten Dipl.-Ing. (FH) Rebecca Probst MBA & Eng. Konstruktionsgruppe Bauen AG Bahnhofplatz 1 87435 Kempten Zusammenfassung Technische Führungskräfte öffentlicher Auftraggeber stehen heute vor vielseitigen Herausforderungen. Gerade die Verwaltung zahlreicher, teils komplexer Ingenieurbauwerke ist ein wichtiges Thema für alle Straßenbaulastträger und der sie dabei unterstützenden Fachkräfte. Dabei gilt es noch besser zu verstehen, welche Bauwerksdaten aus der Planungs- und Ausführungsphase einen hilfreichen Beitrag für ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Lebenszyklusmanagement leisten. Insbesondere bei BIM-Projekten sollte dies frühzeitig im Rahmen der Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) festgelegt werden. Nach dem Übergang der Bauwerke in die Betriebs- und Unterhaltungsphase haben die nach DIN 1076 turnusmäßigen und gemäß RI-EBW PRÜF standardisierten Bauwerksprüfungen eine zentrale Bedeutung. Auf Basis der dabei erhobenen Daten und den aus der Planungs- und Ausführungsphase übernommenen Daten werden Prognosen erstellt, Schadensanalysen vorgenommen und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Verkehrssicherheit geplant. Unser Vorschlag zeigt auf, welche Bauwerks- und Prüfdaten für spezifische Anwendungsfälle notwendig sind und welche Mindestangaben für eine koordinierte Erhaltungsplanung empfohlen werden. Wir erläutern in unserem Vortrag, welche digitalen Anwendungen die Visualisierung von Bauwerksschäden begünstigen und wie agile Methoden in Form von Kanban-Boards eine gemeinsame Bearbeitung voranbringen Die Teilnehmenden bekommen mit Hilfe konkreter Beispiele einen umfassenden Überblick zur möglichen Umsetzung einer koordinierten Erhaltungsplanung. 1. Grundlagen - Stand der Forschung Im „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) wird die standardmäßige Anwendung der Arbeitsmethodik Building Information Modeling (kurz: BIM) im gesamten Verkehrsinfrastrukturbau bei neu zu planenden Projekten ab Ende 2020 vorgesehen. Der Schwerpunkt der aktuellen BIM-Projekte des BMVI liegt auf der Entwicklung und Implementierung der BIM-Methode für die Lebenszyklusphasen Planung und Bau. Nach der Fertigstellung und mit Beginn der Nutzung eines Bauwerkes beginnt die Lebenszyklusphase Betrieb, welche derzeit hauptsächlich in verschiedenen Forschungsansätzen konkreter untersucht wird. In einem unserer Forschungsprojekte erarbeiten wir den Informationslebenszyklus eines Bauwerkes und leiten daraus ab, welche Informationen für das Betriebs- und Erhaltungsmanagement erforderlich sind um somit die Anforderungen an die BIM-Modelle definieren zu können. Hier wird neben den semantischen Anforderungen auch berücksichtig, welche geometrische Genauigkeit ein as-built Modell aufweisen muss, um in verschiedenen Anwendungsfällen der Betriebs- und Erhaltungsphase eingesetzt werden zu können. Neben den neu zu planenden Bauwerken, welche künftig immer häufiger als BIM-Modelle in den Betrieb über- 86 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Neue digitale Ansätze und agile Methoden für das Erhaltungsmanagement geben werden, sind die meist Bauwerke unserer öffentlichen Infrastruktur bestehende Bauwerke. Für diese Bauwerke liegen die Informationen derzeit noch nicht in BIM-Modellen sondern in verschiedenster Form wie Planunterlagen, Bauwerksbücher, SIB-BW etc. vor. Um auch für die bestehenden Bauwerke modellgestützte Betriebs- und Erhaltungsprozesse durchführen zu können, könnten die geometrischen Informationen in einem Modell mit geringer Geometrie dargestellt werden. Die BIM-Modelle bilden für das Erhaltungsmanagement die Grundlage Daten strukturiert vorzuhalten und die Informationen automatisiert weiter zu verarbeiten. 2. Regelwerke und Daten Die Grundlage des Erhaltungsmanagements sind wiederkehrende Prüfungen des Zustandes eines Vermögenswertes, welche bei den Ingenieurbauwerken in Deutschland durch die DIN 1076 geregelt sind und durch die Straßengesetze verbindlich für alle Straßenbaulastträger vorgeschrieben sind. Aufgabe der Straßenbaulastträger ist es, die Bauwerksprüfungen mit einer ausreichenden Prüfungstiefe durchführen zu lassen und die dafür notwendigen personellen und finanziellen Mittel bereit zu stellen. Zudem müssen die Ergebnisse der Bauwerkprüfungen in Form beanstandeter Mängel und Schäden zu Instandsetzungs- und Erneuerungsmaßnahmen führen. Standardisiert werden die Bauwerksprüfungen durch die sogenannten die RI-ERH-ING Richtlinien, welche für eine einheitlich Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung der Prüfungen nach DIN 1076 sorgen. Komplettiert wird diese durch die sogenannte ASB-ING, eine bundeseinheitliche Anweisung für Straßendatenbanken im Segment Bauwerksdaten und das Programm SIB-BW. In der RPE-ING wird ergänzend eine strategische Erhaltungsplanung thematisiert, welche beispielweise präventives Vorgehen mit fixen Eingreifzyklen und einem reaktiven Vorgehen mit dynamischen Eingreifzyklen unterscheidet. 3. Datenquellen und -verarbeitung Die auf Basis der beschriebenen Regelwerke erhoben Bauwerksdaten in Form des Bauwerksbücher und Prüfdaten stellen heute die Datengrundlage der Bestandsbauwerke dar, da sie bei einer Mehrzahl der heutigen Ingenieurbauwerke vorhanden sind und über die Jahre und die Prüfzyklen an Qualität gewonnen haben. Weitere Datenquellen die z. B. im Rahmen von Drohnenbefliegungen oder mit Schwingungssensoren entstehen, werden in Zukunft das Erhaltungsmanagement ergänzen. Eine zentrale Frage ist hier, wie diese in Zukunft gewichtet und wie Sie in die Bewertung einfließen werden. Eine wesentliche Aufgabe des Erhaltungsmanagements ist es die verschiedenen Datenquellen zu verarbeiten und die Daten in Informationen für Entscheidungsvorlagen zu überführen. Dies geschieht mittels geeigneter Transformationsprozesse in denen Cluster, Features und KPIs herausgebildet werden. Mögliche Cluster reichen dabei von organisatorischen Clustern, strukturellen Clustern bis hin zur Ermittlung eines ersten Erhaltungsansatzes Diese Verarbeitung der Daten ermöglicht es, objektive Datengrundlagen und intuitive, auf Ingenieur-Knowhow und Erfahrungswerten basierende Ansätze, zu verbinden. 4. Bauwerksanalyse und Ableitung erster Erhaltungsansätze Betrachtet man die Verarbeitung der Prüf- und Sensordaten z. B. in der Windenergie, in der auch ähnlich wie in der Verkehrsinfrastruktur zahlreiche ingenieurtechnisch anspruchsvolle Anlagen auf Ihren Zustand überprüft werden, so stellt man fest, dass in diesem Bereich sogenannte Dashboards ein zentrales Analysewerkzeug darstellen. In diesen Anwendungen können größere Datenmengen übersichtlich visualisiert werden, in dem man Prüf- und Sensordaten in Kombination mit den ermittelten Clustern, Eigenschaften (Features) und KPIs darstellt. Letztere eigenen sich dafür die mitunter großen Datenmengen zu strukturieren und zu filtern. Mögliche Anwendungsfälle eines solchen Dashboards können beispielweise sein: • Schnelle Identifizierung von fehlerhaften, irrelevanten oder inkonsistenten Daten. • Schnelle Eingangs-Checks neuer Bauwerksprüfungen (DIN 1076) auf Plausibilität, Qualität und Prüfungstiefe • Nachvollziehbare Schadensentwicklungen über mehrere Prüfzyklen • Schnelle Identifizierung von Auffälligkeiten und Schadensmustern • Übersichtliche und filterbare Darstellungen der Bauwerksschäden nach Bauwerksstruktur, Einzelschäden und Zustandsnoten • Die Vorbereitung von Bauprogrammen mit beispielweise Fugen- oder Belagsschäden´ Ergänzungen können zudem Informationen sein, welche auf Basis der Bauwerks-, Prüf- und Sensordaten ermittelt werden und erste Erhaltungsansätze, d. h. erste Schlussfolgerungen auf Basis der Daten für den Bauwerksbestand liefern können. In der aktuellen Studie des Fraunhofer Instituts „KI in der Bauwirtschaft“ ist in Bezug auf zukünftige Softwareanwendungen, welche zu einer Entlastung der öffentlichen Verwaltung führen sollen, von einer automatisierten Bearbeitung der Routinefälle sowie einer Aussonderung der Sonderfälle die Rede. Für folgende Informationen können bereits aktuell mittels Algorithmen z.B. Einordnungen der Bauwerke getroffen werden 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 87 Neue digitale Ansätze und agile Methoden für das Erhaltungsmanagement • Strategieansätze (Neubau, Instandsetzung, …) • Kosteneinschätzungen der jeweiligen Strategieansätze • Dringlichkeit des Handlungsbedarfs, welcher sich z. B. aus der Standsicherheit, Dauerhaftigkeit oder der Verkehrssicherheit eines Bauwerks ergibt 5. Erhaltungssteuerung In der bereits zitierten Studie des Fraunhofer Instituts KI in der Bauwirtschaft, ist von einer KI die Rede, welche als Entscheidungsunterstützung wahrgenommen wird und welche die „eine konstruktive Kombination von menschlicher und künstlicher Intelligenz“ (Bauer, W.; Riedel, O.; Renner, T.s; Peissner M., 2021, S. 31) anstellt. Daraus kann man folgern, dass eine transparente Bearbeitung, Einordung und Anpassung der bspw. mittels Algorithmen ermittelten Strategieempfehlungen, ein Kernelement zukünftiger KI-Anwendungen sein soll. Damit KI-Anwendungen zudem in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess überführt werden und sich weiterentwickeln können, ist es wichtig, die Einflüsse zu dokumentieren, auf deren Basis Anpassungen der KI- Empfehlungen erfolgen. Bisher identifizierte Kategorien möglicher Anpassungen sind sowohl besondere Bauweisen und Konstruktionen, welche zu Sonderfällen führen als auch externe Einflüsse, welche sich durch die verschiedenen Stakeholder der Verkehrsinfrastruktur ergeben. Mögliche Stakeholder von Ingenieurbauwerken sind z. B. der Verkehr bzw. die Mobilität, welcher im Rahmen von Neubauvorhaben oder möglichen Instandsetzungen beeinträchtigt wird. Ein weiterer Stakeholder wird zudem der Umwelt- und Klimaschutz darstellen, da in den heutigen Bestandsbauwerken viel sogenannte „graue Energie“ steckt. Literatur Bauer, W.; Riedel, O.; Renner, T.s; Peissner M. (Hrsg.) (2021) KI in der Bauwirtschaft: Einsatzmöglichkeiten Für Planung, Realisierung Und Betrieb. Stuttgart, Deutschland