Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management
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Alexander Buttgereit
Slawomir Heller
Der Schwerpunkt von BIM liegt bisher auf der Unterstützung der Planungs-, Entwurfs- und Bauphase. Die praktischen Lösungen für die Betriebsphase einschließlich der Erhaltung (O&M) sind dagegen noch nicht ausreichend vorhanden. Zudem ist der Nutzen der BIM-Methoden für die Eigentümer und Betreiber der Infrastruktur noch nicht offensichtlich. Die Implementierung von BIM durch den Betreiber von Straßeninfrastruktur, insbesondere im kommunalen Bereich, ist mit besonderen Herausforderungen verbunden. In erster Linie ist es die Notwendigkeit, die einzelnen Bauvorhaben nicht als isolierte Projekte zu betrachten, sondern sie als Teile des gesamten Straßennetzes zu betrachten. Darüber hinaus sind die Bauprogramme für die anderen Infrastruktursysteme im Straßenraum, wie Wasser und Abwasser, Telekommunikation, Gasleitungen usw., also das gesamte Infrastrukturportfolio, zu berücksichtigen, um somit Synergien für die Betreiber und vor allem für die Nutzer des öffentlichen Raums zu generieren.
Eine wesentliche Weiterentwicklung wird von der Umsetzung der BIM-Methodik erwartet, die in der internationalen Norm ISO 19650 vorgestellt wird.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 89 Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management Alexander Buttgereit Stadt Münster Amt für Mobilität und Tiefbau, Münster Slawomir Heller HELLER Ingenieurgesellschaft mbH, Darmstadt Zusammenfassung Der Schwerpunkt von BIM liegt bisher auf der Unterstützung der Planungs-, Entwurfs- und Bauphase. Die praktischen Lösungen für die Betriebsphase einschließlich der Erhaltung (O&M) sind dagegen noch nicht ausreichend vorhanden. Zudem ist der Nutzen der BIM-Methoden für die Eigentümer und Betreiber der Infrastruktur noch nicht offensichtlich. Die Implementierung von BIM durch den Betreiber von Straßeninfrastruktur, insbesondere im kommunalen Bereich, ist mit besonderen Herausforderungen verbunden. In erster Linie ist es die Notwendigkeit, die einzelnen Bauvorhaben nicht als isolierte Projekte zu betrachten, sondern sie als Teile des gesamten Straßennetzes zu betrachten. Darüber hinaus sind die Bauprogramme für die anderen Infrastruktursysteme im Straßenraum, wie Wasser und Abwasser, Telekommunikation, Gasleitungen usw., also das gesamte Infrastrukturportfolio, zu berücksichtigen, um somit Synergien für die Betreiber und vor allem für die Nutzer des öffentlichen Raums zu generieren. Eine wesentliche Weiterentwicklung wird von der Umsetzung der BIM-Methodik erwartet, die in der internationalen Norm ISO 19650 vorgestellt wird. 1. Einführung BIM wird in Deutschland immer noch fast ausschließlich für die Planungs- und Bauphase größerer Bauvorhaben eingesetzt. Selbst die wegweisenden Dokumente der Bundesregierung, wie der „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“, legen den Fokus auf diese beiden Phasen im Lebenszyklus der Infrastruktur. Dagegen ist die Betriebsphase, die bis zu 90% aller im Lebenszyklus anfallenden Kosten verursacht, aus dem „Kreislauf des BIM“ nach wie vor praktisch ausgeklammert. Und das, obwohl die Eigentümer der Infrastrukturen in Ländern, die BIM bereits erfolgreich in der Praxis umsetzen, diese einseitige Fokussierung auf die Planungs- und Bauphase seit Jahren korrigiert haben und nun verstärkt den Betrieb unterstützen. Aufgrund der (ungerechtfertigten) Fokussierung auf den Neubau und auf Großprojekte im Allgemeinen werden BIM-Methoden bei kommunalen Bauprojekten, die sich meist auf Erhaltungs- und Umbaumaßnahmen beschränken, sehr selten eingesetzt. Der vorliegende Beitrag ist ein Plädoyer für die Stärkung der Rolle des Eigentümers und des Betreibers städtischer Infrastruktur auf dem Weg zu einem modernen, digitalisierten und effizienteren kommunalen Infrastrukturmanagement. Als wichtiger „Verbündeter“ auf diesem Weg gelten hierbei die internationalen und nationalen BIM- Normen, wie z. B. die DIN EN ISO 19650. 2. Bedeutung der internationaler Norm ISO 19650 Mit der Norm DIN EN ISO 19650 und anderen flankierenden Standards werden Manager und Eigentümer der Infrastruktur durch innovative Managementverfahren unterstützt. Man verspricht sich dadurch künftig einen stärkeren Abbau des Innovationsrückstaus im Bauwesen als bisher und eine Erhöhung der notorisch niedrigen Produktivität. Es wurde damit quasi ein zweiter „BIM-Zweig“ kreiert, der eine klare Botschaft transportiert, nämlich eine eindeutige Implementierung von BIM als integratives Element des Asset Managements (siehe Bild 1). 90 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management Abbildung 1: Verbindung von Informationsmanagement (BIM), Asset Management und Organisationsmanagement 3. Bedeutung des Betriebs im Lifecycle der Infrastruktur Jedes Infrastrukturobjekt passiert in seinem „Leben“ eine Reihe von Stadien, die sich mit großer Einfachheit einer von zwei Phasen zuordnen lassen: der Bereitstellungsphase (engl. delivery), die umfasst die Planung, den Entwurf und den Bau sowie die Betriebsphase (engl. operation). Dieser „Lebenszyklus“ endet entweder mit der Stilllegung einer Anlage, d.h. mit dem Abriss des Bauwerks, oder, wie zumeist im Falle von Infrastrukturobjekten, wie z. B. Straßen, kommt es zu einer grundlegenden Erneuerung oder Modernisierung, die oft mit einer Aufstufung der technischen Klasse verbunden ist. Es wird geschätzt, dass die Kosten während des Betriebs 90 % der gesamten Lebenszykluskosten ausmachen, während die Planungskosten sich nur auf 1 % belaufen (siehe Bild 2). Abbildung 2: Lebenszyklusphasen der Infrastruktur und kumulierte Kosten 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 91 Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management Daher können Digitalisierungstechniken, die einseitig auf die Bedürfnisse der Planer, Entwickler und Bauunternehmer ausgerichtet sind, ohne die der Manager der Infrastruktur zu berücksichtigen, noch nicht zu einem signifikanten Durchbruch in der gesamten Branche führen. Dies gilt um so mehr, wenn eine sowohl kostenmäßig als auch organisatorisch so wichtige, Betriebsphase unberücksichtigt bleibt. 4. Digitaler Zwilling für das kommunale BIM Die BIM-Fachliteratur bietet viele spektakuläre Beispiele für Visualisierungen der Digitalen Zwillinge. Es handelt sich dabei meistens um 3-dimensionale Zeichnungen und Animationen. Softwarefirmen verbessern laufend die Ästhetik solcher Visualisierungen. Dies verstärkt hierdurch den Glauben, dass BIM von Natur aus mit solchen dreidimensionalen Modellen verbunden werden muss und das Fehlen einer solchen Visualisierung disqualifiziert scheinbar die Lösung als Bestandteil von BIM. Daher trifft man häufig auf Beispiele, in denen „um jeden Preis“ 3D-Modelle z. B. für die Planung der Straßenerhaltung erstellt werden, die keinen praktischen Zweck erfüllen. Der digitale Zwilling zielt jedoch, wie jedes andere Modell auch, nicht auf eine möglichst exakte Nachbildung der Realität ab, sondern im Gegenteil, auf deren größtmögliche Vereinfachung, wobei jedoch nur diejenigen Merkmale der modellierten Wirklichkeit berücksichtigt werden, die für die gestellten Aufgaben relevant sind. Dies ist insbesondere bei der Modellierung von linearer Infrastruktur, wie z. B. Straßen, von Bedeutung. Die originalgetreue Abbildung allein, wie sie aus der Kartografie bekannt ist, ist nicht immer von Vorteil. Für die Zwecke des Straßeninfrastrukturmanagements, sowohl in der Bereitstellungsals auch in der Betriebsphase, funktioniert seit vielen Jahren ein Streckenband sehr gut. Das Streckenband visualisiert auf abstrakte Weise sowohl die Bestandsdaten, einschließlich Straßenquerschnitt, Aufbaudaten, Straßenzustand, Verkehrsbelastung sowie die Elemente anderer Infrastrukturen, wie z. B. Wasserversorgung oder Kanalisation, was für das kommunale Infrastrukturmanagement fundamental ist. Ein solcher auf die spezifischen Bedürfnisse des Straßeninfrastrukturbetreibers zugeschnittener Digitaler Zwilling zeigt, auch wenn er alle 3 geometrischen Dimensionen in seinem digitalen Modell enthält, die Geometrie absichtlich in einer deformierten Weise, um die relevanten Informationen für einen bestimmten Adressaten bestens sichtbar zu machen (Nutzerfokussierung). Die Art der Darstellung desselben Objekts kann folglich für verschiedene Adressaten sehr unterschiedlich sein, da diese auf die Erfüllung ihrer individuellen Ansprüche und Erfordernisse ausgerichtet werden sollte. Bild 3 zeigt ein Beispiel eines digitalen Zwillings für das kommunale Straßennetz. 92 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management Abbildung 3: Streckenband als Medium der Visualisierung eines digitalen Zwillings [2] 5. Besonderheiten kommunales Infrastrukturmanagements Aus dem Einsatz von BIM ergeben sich für die Baubranche Chancen, die Effizienz zu steigern und den Innovationsstau zu bewältigen. Mann muss gleichzeitig auf einige Risiken hinweisen werden, die mit den Besonderheiten der kommunalen Infrastruktur verbunden sind. Eines der Risiken ist die unreflektierte Übertragung der BIM-Methoden vom Hochbau auf den kommunalen Straßenbau verbunden mit der falschen Überzeugung, dass die Erstellung der 3D-Modelle eine vermeintliche Grundvoraussetzung ist, um ein bestimmtes Projekt in die „BIM-Kategorie“ einzuordnen. Ein weiterer Kardinalfehler ist, dass dem jeweiligen Auftragnehmer die gesamte Verantwortung für die Implementierung von BIM aufgebürdet wird sowie die Passivität seitens des Auftraggebers. Dies erhöht das Risiko von Informationsverlusten zwischen der Bereitstellungs- und der Betriebsphase und Verzögert die Etablierung von BIM in den verantwortlichen Tiefbauämtern. Viele Risiken ergeben sich aus der Beschränkung der Wahrnehmung von BIM auf technische Aspekte. Das Bewusstsein der obersten Leitung für die Möglichkeit der Anwendung von BIM in seiner Organisation zur Steigerung ihrer Effizienz und Sicherheit ist in den meisten Tiefbauämtern anscheinend immer noch sehr begrenzt. BIM wird nach wie vor unzureichend als eine Disziplin betrachtet, die den Managementprozess unterstützt. Daher werden die damit verbundenen Aufgaben oft an das technische Personal delegiert. Einige weitere Risiken resultieren direkt aus den Besonderheiten des kommunalen Asset Managements. Zu solchen Besonderheiten gehören folgende: • Es dominieren Bauvorhaben von relativ niedrigem Kapitalvolumen; dazu zählen u.a. räumlich beschränkte Erhaltungssowie kleinere Umbaumaßnahmen. • Es ist erforderlich, die Restriktionen und Beschränkunken aus anderen Infrastruktursystemen, wie etwa der Wasserversorgung, der Stadtentwässerung oder 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 93 Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management der Telekommunikation stärker als außerorts zu berücksichtigen. • Es ist vielfach kaum möglich, die einzelnen Bauaktivitäten im Netz separat voneinander zu betrachten. Um die Verfügbarkeit des Netzes auf einem akzeptablen Niveau sicherzustellen, müssen die Aktivitäten anderer Infrastrukturbetreiber ebenso in Betracht gezogen werden. • Der Betreiber (zumeist die kommunale Straßenbauverwaltung) ist oft weder personell, noch technisch, noch vom Wissensstand ausreichend ausgestattet, um moderne, komplexe BIM-Verfahren anzuwenden. • Die beteiligten Baufirmen sind oft aufgrund zu geringen Personals nicht in der Lage, Mitarbeiter für weitergehende Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben freizustellen. Aus diesen Besonderheiten resultieren weitere Risiken, die im Folgenden in zwei Gruppen zusammengeführt werden. 5.1 Gefahr eines Zwei-Klassen-Bausektors Einige Beobachter, welche die Folgen der Implementierung von BIM im kommunalen Sektor analysieren, machen auf die ernsthafte Gefahr einer Segmentierung des Bausektors aufmerksam. Finanziell starke Bauunternehmen, die in der Lage sind, höhere wirtschaftliche Belastungen im Zusammenhang mit der Implementierung von BIM zu übernehmen und über geeignetes Personal verfügen, befinden sich in einer viel günstigeren Situation auf dem Markt der Bauleistungen als kleinere Unternehmen, die in Kommunen die Mehrheit darstellen. Die Folge könnte eine „Zweiklassengesellschaft“ im kommunalen Bausektor sein, wo die kleineren und finanziell nicht ausreichend starken Bauunternehmen immer noch die Mehrheit der Bauaktivitäten realisieren. Die Gefahr einer solchen Segmentierung des Bausektors ist umso ernster, je mehr die BIM-Methodik mit dem Einsatz hochentwickelter IT-Techniken verbunden ist. Die Normen der ISO 19650, in denen formale Anforderungen an BIM enthalten sind, stellen indes nicht unbedingt so hohe Anforderungen. Vielmehr zeigen sie, dass die praktische Umsetzung von BIM auch bei kleineren Projekten mit kleinen und mittleren Projektbüros bzw. Bauunternehmen möglich ist. Mit solchen relativ kleinen Aufgaben sind die Verwalter der Straßeninfrastruktur konfrontiert und daher richten sich die praktischen BIM- Lösungen auch an sie. 5.2 Die Gefahr des Silo-Denkens in kommunalen BIM-Projekten Obwohl die BIM-Methodik die Notwendigkeit auferlegt, den gesamten Lebenszyklus eines bestimmten Objekts zu berücksichtigen, ist die überwiegende Mehrheit der praktischen Anwendungen von BIM auf die Planung und den Bau beschränkt. Während bei den meisten Hochbauobjekten ein solcher Ansatz gerechtfertigt und rational sein mag, muss der Manager der kommunalen Straßeninfrastruktur bei der Planung des Neubaus, der Modernisierung oder der Erhaltung einer Straße in der Regel die Folgemaßnahmen innerhalb eines Straßenabschnitts berücksichtigen. Somit ist diese vierte Dimension von BIM, die Zeit, für die Straßeninfrastruktur von besonderer Bedeutung und wird auf die gesamte Lebensdauer des Straßenabschnitts ausgedehnt. Außerdem kann es sich der Manager der kommunalen Straßeninfrastruktur im Gegensatz zu Bauherren im Hochbauinvestitionen nicht leisten, die einzelnen Objekte, in diesem Fall Straßenabschnitte, voneinander unabhängig zu betrachten, da der Gegenstand des Managements immer das gesamte Straßennetz ist und die Folgewirkungen von Straßenbauarbeiten, zum Beispiel Verkehrsstörungen, im gesamten Straßennetz der Stadt Auswirkungen haben können. Dies gilt umso mehr, als dass in der Praxis viele Akteure gleichzeitig im Straßennetz tätig sind und die Auswirkungen nur auf Netzebene betrachtet und beurteilt werden können. Die spezifische Natur von Straßeninvestitionen in den Städten stellt eine zusätzliche sehr wichtige Anforderung an BIM. Es ist oft erforderlich, weitere Infrastruktursysteme im Straßenumfeld zu berücksichtigen. Es ist kaum möglich, Straßenbaumaßnahmen zu planen und gleichzeitig die Erhaltungspläne für Wasser- und Abwasserinfrastruktur oder für das Gasleitungsnetz, d.h. für andere Infrastruktursysteme in einem bestimmten Gebiet, außer Acht zu lassen. Die Sanierung eines Kanals oder die Verlegung eines Glasfasernetzes ist meistens mit Eingriffen in den Straßenkörper verbunden. Daher ist die Koordination von Bauplänen durch Verantwortliche verschiedener Infrastruktursysteme, die für das gesamte Infrastrukturportfolio zuständig sind, notwendig, was jedoch aufgrund der oft fehlenden Organisationsstrukturen, die für die Koordination solcher Aufgaben vorgesehen sind, eine große Herausforderung darstellt. Die Anforderung, das gesamte städtische Infrastruktursysteme als Portfolio und nicht als separate, isoliert betrachtende Objekte zu berücksichtigen, deckt sich übrigens mit einer der grundlegenden Anforderungen des Asset Managements (siehe Bild 4). 94 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management Abbildung 4: Ebenen des Asset Managements 6. Prototypische BIM-Implementierung für das Management kommunaler Infrastrukturportfolio Im Rahmen eines Prototyps sollte die Machbarkeit einer pragmatischen und an den Zielen einer Stadt orientierten BIM-Lösung untersucht werden. Vorrangiges Ziel war es dabei, eine Verbindung zwischen den Datenbeständen des städtischen Infrastrukturbetreibers, in diesem Fall der LOGO-Datenbank der Stadt Münster, und einer Daten- und Informationsplattform für die Koordination aller Planungsaktivitäten im Bezug auf des kommunale Infrastrukturportfolios sicherzustellen. Die Planung der Ausbau- und Erhaltungsmaßnahmen für das kommunale Infrastrukturportfolio gehört zu den Aktivitäten der „Bereitstellungsphase“ (engl. delivery of asset), die stark im Focus der BIM-Methodik steht. Bei der Realisierung des Prototyps hielten sich sowohl der Auftraggeber (die Stadt Münster) als auch der Auftragnehmer (HELLER Ingenieurgesellschaft) strikt an die von der Norm ISO 19650 vorgegebenen Rahmenbedingungen. Ein wesentliches Kriterium bei der Wahl des angewandten Verfahrens war die Sicherstellung einer vollständigen Kontrolle über alle Daten und Planungsprozesse gleichermaßen durch den Eigentümer und Betreiber der Infrastruktur (Stadt Münster) sowie durch die potentiell beteiligten Dritten, unabhängig von deren „Reifegrad“ (engl. maturity level). In der Tat ist es von höchster Relevanz, dass alle Organisationseinheiten der städtischen Verwaltung sowie die externen Dienstleister auf alle für sie relevanten Daten zugreifen und eigene Informationen einbringen bzw. aktualisieren können. Um die kommunalen Besonderheiten zu berücksichtigen, wurden in der gemeinsamen Datenumgebung (Common Data Environment - CDE) nicht nur Straßen, sondern auch alle weiteren im Bereich des Straßenraums befindlichen Infrastrukturobjekte berücksichtigt. Um eine automatische Verknüpfung sämtlicher relevanter Daten aus unterschiedlichen Infrastruktursystemen, z. B. (Kanalnetz, Verkehrsleitsysteme, Brücken), zu gewährleisten, wurde ein auf dem Ordnungssystem der Straße basierendes, einheitliches Ordnungssystem entworfen und die automatischen Routinen zur Transformation der Lokalisierung zwischen verschiedenen Ordnungssystemen implementiert. In der Praxis werden oft die Bestands- und Zustandsdaten zu mehreren Infrastruktursystemen der Stadt in einer Datenbank verwaltet. Darüber hinaus gibt es allerdings noch weitere Datensysteme, die entweder die detaillierteren technischen Daten zu einzelnen Infrastrukturen verwalten oder aufgrund der Zuständigkeitsverhältnisse (kommunale Unternehmen) eine unabhängige Datenverwaltung bevorzugen. Alle diese Datensysteme bilden das Asset Information Model (AIM). Daher müssen individuelle Import-/ Export-Routinen zwischen dem CDE (mit dem Projekt Information Model - PIM) und diesen Datenbanksystemen implementiert werden (siehe Bild 5). Im Falle des Münsteraner Prototyps wurden solche Routinen für das System zur Verwaltung der Bestands- und Zustandsdaten des Kanalnetzes (novaKandis) implementiert. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 95 Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management Abbildung 5: Gemeinsame Datenumgebung für das BIM-Portfoliomanagement [3] Eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Sicherstellung der Akzeptanz der Anwendung einer BIM-Lösung (in diesem Fall zum Zweck der Koordination der Ausbau- und Erhaltungsprogramme für alle Infrastruktursysteme) ist eine geeignete Visualisierung des digitalen Zwillings. Es ist grundlegend, dass keine hohen technischen Anforderungen als Voraussetzung gelten, um die Plattform in ihrer vollen Funktionalität zu nutzen. Es darf nicht passieren, dass aufgrund hoher formaler oder administrativer Hürden einige am Entscheidungsprozess beteiligte Akteure von der Nutzung der Plattform quasi „ausgeschlossen“ sind und Abstand nehmen. Das Prinzip des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ muss immer im Auge behalten werden und Entscheidungen über die Form der Visualisierung müssen entsprechend getroffen werden. Das dynamische und aufgabenbezogen konfigurierbare Streckenband scheint die beste Form für die Visualisierung eines digitalen Zwillings für die linienförmigen Infrastrukturobjekte zu sein. So ist es möglich, alle Infrastrukturobjekte, die sowohl als Flächen-, Linien- oder Punktobjekte modelliert sind, als Streckenband darzustellen (siehe Beispiel in Bild 3). Durch die bewusste „Verzerrung“ des Maßstabs in Querrichtung besteht die Möglichkeit, bestimmte Sachverhalte besser als bei einer „echten 3D-Darstellung“ zu visualisieren. Das Streckenband ermöglicht die Darstellung der Elemente aller oder ausgewählter Infrastruktursysteme und die gewünschte Kombination von Informationsgruppen, wie z.B. Zustand, durchgeführte und geplante Maßnahmen, Nutzungsintensität (im Falle der Straßeninfrastruktur der Verkehr). Das Streckenband wird nicht nur als Medium für die Visualisierung der Daten, sondern auch für die Edition verwendet, d.h. für die Eintragung der Informationen über die geplanten Maßnahmen direkt auf den dafür vorgesehenen Elementen des Streckenbandes. Da für bestimmte Zwecke auch die Kartendarstellung von Bedeutung sein könnte, werden alle auf dem Streckenband angezeigten und bearbeiteten Informationen auch sofort auf Karte visualisiert (siehe Bild 3). 7. Zusammenfassung und Ausblick In einem Pilotprojekt zur Verknüpfung von BIM und Asset Management konnte in Münster gezeigt werden, wie künftig möglich sein kann, BIM netzweit im Rahmen der Koordinierten Erhaltungsplanung kommunaler Infrastruktursysteme verantwortlich zu nutzen. Dabei hat sich herausgestellt, dass eine einheitliche, gemeinsame Informationsplattform für alle Asset Manager von zentraler Bedeutung ist. Eine solche einheitliche, gemeinsame Informationsplattform bietet in erster Linie eine Grundlage für die mittel- und langfristige koordinierte Planung von Bauaktivitäten in Bezug auf alle relevanten Infrastrukturen in der Stadt und hilft, die potenziellen Termin- und Raumkonflikte zu erkennen und ggf. erforderliche Korrekturmaßnahmen in den Bauprogrammen vorzunehmen. Darüber hinaus bietet diese Plattform den 96 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management Verantwortlichen der Stadt die Möglichkeit, die strategischen Key Performance Indicators (KPIs) für das gesamte Infrastrukturportfolio zu ermitteln und damit die Anforderungen an ein Asset Management System in der Praxis zu erfüllen. Sie leistet auch einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung des infrastrukturübergreifenden Managements (eng. cross-management). Es ist geplant, die bereits entwickelten Systeme auf die weiteren Infrastruktursysteme der Stadt auszudehnen, um dem Infrastrukturmanagement und auch dem Eigentümer der Infrastruktur eine bessere Entscheidungsgrundlage und der Politik sowie der Öffentlichkeit eine bessere Möglichkeit zur Verwirklichung der sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe und Partizipation zu geben. Literaturangaben [1] The New Zealand BIM Handbook, A Guide to Enabling BIM on Built Assets, 2019) [2] Heller, S., Dziubałtowska, M., Reifschläger, K., Leśniewski, M., Grund, Ch.: Konzept zur Implementierung des BIM für kommunale Infrastruktur im Amt für Mobilität und Tiefbau Münster, HEL- LER Ingenieurgesellschaft mbH, im Auftrag der Stadt Münster, August 2020 [3] Buttgereit, A., Heller, S.: Integration von BIM (Building Information Management) im kommunalen Asset Management, Kirschbaum Verlag, Straße und Autobahn, 02/ 2021
