Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Online Sicherheits-Managementsystem für Brücken
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Andreas Socher
Andreas Jansen
Das Verbundforschungsprojekt OSIMAB zielt darauf ab, ein ganzheitliches Konzept zur kontinuierlichen Überwachung, Bewertung und Prognose des Zustandes von Straßenverkehrsbrücken zu entwickeln. Im Zuge des Projekts werden repräsentative Bauwerke des Brückenbestandes betrachtet, die für ein prädiktives Erhaltungsmanagement relevant sind. Ansätze zur Überwachung von Brückenzuständen wurden an einem Reallabor erprobt und entwickelt. Die Auswahl des
Reallabors ergibt sich aus verschiedenen Kriterien, die die Kerneigenschaften und äußeren Einflüsse der relevanten Bauwerke repräsentieren. Um das Verhalten des Reallabors unter realen Bedingungen zu untersuchen, wurde eine umfangreiche Messanlage im Rahmen des Projektes entwickelt, installiert und betrieben.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 103 OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken Marion Behrens ITC-Engineering AG & Co. KG Dr. Peter-Michael Mayer ITC-Engineering AG & Co. KG Zusammenfassung Ziel des Forschungsprojektes OSIMAB war die Entwicklung eines Überwachungssystems, das eine Bewertung des Zustandes und der Sicherheit von bestehenden Brückenbauwerken ermöglicht. Zentrale Aufgabe der ITC Engineering war die Entwicklung eines Cloud-basierten Datenmanagementsystems zur Verwaltung der gemessenen Brückendaten sowie deren Abgleich mit Grenzwerten aus einem Data Mining Ansatz. Grenzwertüberschreitungen werden mit Hilfe eines Benachrichtigungssystems auf der Grundlage vorab definierter Alarmwerte visualisiert und verschickt. Ein Demonstrator wurde für ein einziges ausgewähltes Brückenbauwerk aufgesetzt, aber die softwaretechnische Umsetzung erfüllt die Anforderungen der Skalierbarkeit an ein Monitoringsystem für eine Vielzahl von Brücken. Durch die Analyse von Bauwerksdaten wird eine frühzeitige Erkennung kritischer Bauwerkszustände erreicht und es können Empfehlungen für wirksame Maßnahmen zur Wiederherstellung eines planmäßigen Betriebszustandes gegeben werden. Das übergeordnete Ziel ist es, eine höchstmögliche Mobilität bei effizientem Mitteleinsatz auf den deutschen Bundes- und Fernstraßen zu erreichen. Exemplarisch wurden im System erste Brückenbauwerke mit ihren Bauwerksdaten in ein neu entwickeltes Bauwerksmodul implementiert. Damit konnte das Potential einer zentralen Bauwerksdatenverwaltung in einem performanten Websystem aufgezeigt werden. Die Brückenbauwerke verfügen über eine geografische Lokalisierung. Die relevanten Stammdaten des Bauwerks können digital verwaltet und über Filter gesucht werden. Die Visualisierung der Zustandsinformationen erfolgt nach dem Ampel-Prinzip: rote Symbole machen auf einen kritischen Zustand aufmerksam, der geprüft werden sollte. Die Benutzer können sich über verschiedene miteinander verknüpfte Darstellungsmöglichkeiten auf der Plattform bereits vorab ein Bild des möglichen Schadens machen. Das OSIMAB System gestattet in der Zukunft eine Zustands- und Risikobewertung einer Vielzahl von Brücken sowie eine vereinfachte Datenvisualisierung von relevanten Brückeninformation in leistungsfähigen Visualisierungswerkzeugen. Ein BIM Viewer unterstützt im Brückenmanagement und erlaubt die Lokalisierung von Schäden, Bauwerkserhaltungsdaten und aktuellen Zustandsinformationen an der Brücke. Dashboards ermöglichen individuelle Ansichten mit einer Kombination von unterschiedlich dargestellten und gruppierten Daten und Informationen. 1. Anforderungen an das Überwachungssystem Am Beginn des Projektes wurden Anforderungen an Schnittstellen definiert, die eine performante Messdatenübertragung gestatten. Ein wichtiges Ziel war die Übertragung von Messdaten der ausgewählten Brücke in das zu entwickelnde Datenmanagementsystem. Dabei ist es gelungen die Parameter Übertragungsprotokoll, Datenformat, Paketgröße und Übertragungsfrequenz soweit aufeinander abzustimmen, dass die Implementierung generisch erfolgen konnte. Bei der Definition der Schnittstellen wurde darauf geachtet, dass diese gegebenenfalls in der Zukunft standardisiert werden können und somit für eine Vielzahl von Brückenbauwerken zur Verfügung stehen. Die Anforderungen an Performance und Skalierbarkeit entsprechen denen eines modernen Cloudsystems mit schwankenden Nutzerzahlen und sehr hohen zu verarbeitenden Datenmengen aus dem Bauwerksmonitoring. Im Laufe des Projektes ist es gelungen, ganze Module aus der zugrunde liegenden anfangs monolithischen Web- Applikation abzutrennen und in ein solches modernes Cloudsystem zu überführen. OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken 104 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Brückendaten werden aktuell in verschiedenen getrennten „Silos“ vorgehalten, so dass es schwierig ist, Datenquellen für Auswertungen miteinander zu vernetzen. Im Projekt sollte auch das Potential gezeigt werden, diese getrennten Datenquellen miteinander zu kombinieren und auf einer Plattform verfügbar zu machen. Das Bereitstellen der Bauwerksbücher im System mit der Verlinkung zu Sensordaten aus dem Bauwerksmonitoring war ein entscheidender Meilenstein auf dem Weg zu einem vollständig integrierten Gesamtsystem. Das Konzept wurde abgerundet durch das Bereitstellen von Online- Formularen für Bauwerksprüfungen, um die Informationen der Bauwerksbücher damit anzureichern. Die Anforderungen an die Visualisierung der Ergebnisse aus dem Brückenmonitoring sind ein einfaches Ampelsystem, mit dem schnell kritische Bauwerkszustände erkannt werden können. Dieses sollte sich sinnvoll über verschiedene Zoomstufen erstrecken: Zum einen soll eine Darstellung vieler Bauwerke in geografischen Zusammenhang möglich sein, zum anderen auch für ein einzelnes Bauwerk eine Darstellung, mit der sich mögliche Schäden an der Brücke lokalisieren lassen. Weiterhin soll eine zeitliche Entwicklung von Messwerten und Zuständen abrufbar sein. 2. Architektur des Cloudsystems Grundlage der hier entwickelten Komponenten ist die IRIS Plattform der ITC Engineering. IRIS verfolgt einen generalisierten Plattformansatz, der auf allgemein verwendbare Komponenten und Schnittstellen setzt und somit in unterschiedlichen fachlichen Domains zum Einsatz kommen kann. Aufbauend auf diesem Architekturansatz verfolgt die ITC in den letzten Jahren die Strategie eine monolithische Plattformarchitektur durch einen Microservice-basierten Plattformansatz zu ersetzen. Dies ist auch die Grundlage für die hier entwickelten Komponenten. Alle durchgeführten Entwicklungen orientieren sich am Qualitätsmodell für Geschäftssysteme und beinhalten die zentralen vier Kernelemente Sicherheit, Wartbarkeit, Performance und Zuverlässigkeit. Für Projekt- und Monitoringsysteme liegt ein wesentlicher Fokus auf der Performance und Zuverlässigkeit, wobei insbesondere die Anforderung an die Skalierbarkeit bei einer Vielzahl von Brücken im Straßennetz des Bundes eine große Rolle in der Entwicklung gespielt hat. Ziel jeder IT-Architektur ist die Komplexität der fachlichen Anwendung so weit zu reduzieren, dass die konzeptionelle Integrität der Anwendung optimiert wird. Grundlage einer serviceorientierten Architektur (SOA) sind Microservices, die als isolierte, kooperative und autonome Services eine einzige Aufgabe im System bewältigen. Im Gegensatz zu einer Microservice Architektur kommt ein Monolith zum Einsatz, der ein einschichtiges, untrennbares und technologisch homogenes System darstellt, das verschiedene Services in sich vereint. Für das hier entwickelte System ergeben sich aus der Microservice Architektur verschiedene Vorteile: • Das System ist leichter testbar, • es ist besser analysierbar und damit änderbar, • der Aufwand (und damit die Kosten) sind besser schätzbar, • es skaliert besser und kann besser geprüft werden als ein vergleichbarer Monolith. Dennoch gibt es auch Nachteile, die vorrangig in der Komplexität der Kommunikation liegen und einen erhöhten Aufwand für Performance und Skalierung nach sich ziehen. Die Latenz solcher Systeme ist geringer. Im Projekt wurden mehrere Microservices entwickelt, um die Daten zu importieren, zu komprimieren, zu verarbeiten und mit einem Benachrichtigungsservice zu koppeln. Im folgenden Kapitel werden diese Microservices beschrieben. Alle Dienste werden mittels Kubernetes gesteuert. 2.1 Microservices für das Sensordatenmanagement Die Vorgehensweise im IRIS Monitoringsystem erfolgt entsprechend einem standardisierten Datenimport als *.csv Datei. Die Datenreihen werden über eine entsprechende Konfiguration in IRIS aus einem Verzeichnis vom SFTP-Server importiert. Über eine Konfigurationsoberfläche kann ein Admin-Benutzer eine Beispieldatei hochladen und automatisch analysieren lassen. Werden im System passende Datenreihen gefunden, wird automatisch ein Mapping mit den Feldern aus der *.csv Datei vorgeschlagen. Die fertige Konfiguration wird im Import Microservice gespeichert und herangezogen, sobald eine neue Datei im entsprechenden Verzeichnis erstellt wurde. Der Datenimport Microservice übernimmt Daten aus unterschiedlichen Quellen, hier Sensordaten aus den Messgeräten sowie mit dem Data Mining Ansatz berechnete Anomalien (OSIMAB Arbeitspaket 3), und speichert diese. Er ist damit das erste Element in der Datenverarbeitungskette auf der Plattform. In der aktuellen Implementierung kann der Datenadapter Messdaten aus übertragene Dateien vom einem SFTP Server einlesen. Zentrales Element ist die Weiterleitung von Datenscheiben mittels Messagebroker. Als Broker kommt in IRIS das Framework RabbitMQ zur Anwendung. Mehrere Instanzen der Plattform können Daten an den Importservice schicken, die dieser in unterschiedlichen Queues verarbeiten kann. Die in das System importierten Daten werden so aufbereitet, dass daraus sinnvolle Datenscheiben aus Datenserien mit je einem Messwert zu einem definierten Zeitstempel gruppiert werden (Slicing). Diese Daten-Slices werden direkt als Rohdaten im Datenimport Microservice gespeichert, um für eine Visualisierung der Messdaten in Echtzeit zur Verfügung zu stehen. Gleichzeitig bilden die Slices die notwendige Voraussetzung für die weite- OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 105 re Verarbeitung der Sensordaten in den nachgelagerten Microservices. Die eingelesenen Slices werden an den Compression Microservice und an den Processing Microservice weitergereicht, wo weitere Sub-Stufen der Datenverarbeitung beginnen. Wenn diese Datenaufbereitung abgeschlossen ist und die komprimierten und prozessierten Daten wieder zum Datenimport Microservice zurückkommen, werden diese in die Datenbank geschrieben und stehen fortan für die Visualisierung und Analyse der Messdaten zur Verfügung. Abbildung 1 zeigt die Architektur des entwickelten Datenimport Microservice mit den zugehörigen Strukturen und Subservices. Eine entscheidende Stärke von IRIS ist die Berechnung von virtuellen Sensoren und die Ermittlung von verdichteten Werten (condensed values) in einem frei wählbaren Zeitintervall. Die für die Zuordnung zum gewählten Intervall notwendigen Berechnungen erfolgen innerhalb des Processing Microservice durch den sogenannten Calculation Service. Aus den Rohdaten der Sensoren werden pro Datenserie folgende Werte dem betrachteten Intervall zugeordnet: 1. der maximale und minimale Wert, 2. der erste und der letzte Wert. Die dann aus den Rohdaten substituierten Werte werden „verdichtete“ Werte (condensed values) genannt. Unabhängig vom betrachteten Intervall können aus Rohdaten oder aus verdichteten Werten der vorhandenen Sensoren neue Werte berechnet werden. Diese sogenanten virtuellen Sensoren erlauben eine beträchtliche Ausweitung des Systems ohne zusätzliche physikalische Sensoren zu benötigen. Viele wichtige Kenngrößen zur Bewertung einer Brücke können nicht direkt gemessen werden und leiten sich ausschließlich aus Berechnungen ab. IRIS gestattet Ingenieuren flexibel analytische Modelle zu hinterlegen, die dann Grundlage notwendiger Sensorberechnungen sind. Für diese Konfiguration wird eine frei zugängliche Schnittstelle in das System angeboten, über die in Groovy codierte Berechnungsmodelle importiert werden können. Diese Berechnung virtueller Sensoren auf der Plattform wurde im Projekt OSIMAB nicht mehr eingesetzt, stellt aber eine interessante Option für die zukünftige Weiternutzung des Systems dar. Die Datenkomprimierung ist im IoT Bereich bei sehr großen Datenmengen zwingend erforderlich, um Geschwindigkeitsverluste in der Datenbereitstellung zu minimieren. Mit dem in IRIS implementierten Compression Microservice können die importieren Daten entsprechend über konfigurierbare Intervalle verdichtet werden. In der aktuellen Implementierung können von einem Administrator unterschiedliche „timeScale-Komprimierungen“ mit verschiedenen Zeitstufen eingerichtet werden. Ziel ist es je nach Anforderung der späteren Visualisierung die Daten schon während des Imports zu komprimieren und damit die Visualisierung zu beschleunigen. Dieses „Runtime“ basierte Szenario erlaubt auch sehr große Datenmengen zu analysieren und z.B. in Diagrammen darzustellen. Bei Projekten mit sehr langen Laufzeiten, wie bei dem Monitoring der im Projekt OSIMAB anvisierten Brückenbauwerke mit Lebenszeiten und dabei eintretende Schädigung von 50 und mehr Jahren, ist eine entsprechende Verdichtung der gemessenen Daten unverzichtbar. OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken 106 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Abbildung 1: Überblick über den IRIS Datenimport Microservice mit allen Subservices 2.2 Benachrichtigungsmanagement Für die Grenzwertüberwachung von Bauwerken, hier Brücken, stellt die Option Warnwerte auf Sensoren zu integrieren eine wichtige Erweiterung dar. Dabei sollte die Grenzwertüberwachung möglichst flexibel aufgebaut sein, d.h. Schwellwerte sollten für einzelne Sensoren möglich sein aber auch für Sensorgruppen. Der Notifications Microservice übernimmt das Versenden von Benachrichtigungen aus der Plattform über folgende implementierte Kanäle: - E-Mails an die Adresse des Benutzers aus seinem Profil auf der Plattform - Popup in der IRIS Web-Oberfläche, sobald der Benutzer sich einloggt - Push-Benachrichtigung auf eine mobile IRIS-App (iOS oder Android) vorausgesetzt diese wurde vom Benutzer auf einem Mobilgerät registriert. Ein „Benachrichtigungslog“ wird vom IRIS Backend oder einem anderen IRIS Microservice an den Notifications Microservice gesendet. Ein Benachrichtigungslog besteht aus: - Typ der Benachrichtigung (z.B. Grenzwert überschritten, Timeout überschritten) - Auslöser der Benachrichtigung (falls durch einen User verursacht, ansonsten keine Angabe) - Kanal über den die Benachrichtigung zu übertragen ist (E-Mail, Popup, Push) - Priorität (Minor, Normal, Major, Critical, Blocker) - Modul aus dem die Benachrichtigung generiert wurde (z.B. Sensor-Data Import, Alarming) - Angaben (Daten) für die Benachrichtigung: hier wird nicht der komplette Inhalt der Nachricht übermitelt, sondern nur die Angaben, die in dem Notification-Template eingefügt werden (z.B. An- OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 107 gaben zu der Messung die einen Grenzwert überschreitet) - Empfänger der Benachrichtigung als Liste von Benutzerprofilen Im Notifications Microservice werden pro IRIS Instanz individuelle Notifications-Templates gespeichert. - Die Engine des Notifications Microservice arbeitet eingehende Aufträge in folgender Reihenfolge ab: - eingehende Benachrichtigungslogs aus der Notification-Logs-Queue, - Einteilen der Empfänger nach Sprachen ein (aus Benutzerprofil), - für den Benachrichtigungs-Typ das passende Template auswählen (Templates wurden per Konfiguration in allen benötigten Sprachen hinterlegt), - das jeweilige Template mit den übermittelten Daten füllen, - die fertigen Benachrichtigungen (bestehend aus Empfänger, Titel und Inhalt (Text), Priorität) in die Kanäle (Sender) übertragen. Die Sender arbeiten die eingehenden Benachrichtigungen nach Priorität ab (insb. werden Alarme mit hoher Priorität schneller versendet als Benachrichtigungen mit niedriger Priorität). Je nach Priorität und Kanal ist es möglich, dass Benachrichtigungen zusammengefasst werden und bspw. mehrere Inhalte derselben Prioritätsstufe in einer E-Mail versendet werden. 3. Bauwerksdaten Um Daten aus der sensorischen Bauwerksüberwachung zu interpretieren, müssen diese mit den Bauwerksdaten kombiniert analysiert werden. Den Benutzern soll eine Plattform zur Verfügung gestellt werden, auf der alle aktuellen und historischen Informationen zu den Bauwerken strukturiert abgelegt sind, so dass die gemessenen Daten entsprechend in einen Zusammenhang gebracht werden können. Im Rahmen des Projektes OSIMAB sollten die in IRIS importierten Brückeninformationen nicht nur verwaltet und für einen schnellen bzw. effizienten Zugriff zur Verfügung gestellt werden, auch eine Verarbeitung in geeigneten Berichtsformaten soll eine Ergänzung zu bestehenden Systemen bieten. In IRIS wurde eine Formular-Engine „IRIS.forms“ entwickelt, die in diesem Kontext zum Einsatz kam. Es wurde im Rahmen des Projektes getestet, inwieweit die gestellten Anforderungen erfüllt und wo zusätzliche Entwicklungen notwendig werden. Mit der Formular-Engine kann man mit überschaubarem Aufwand Formulare für die Eingabe von Bauwerksdaten aus dem laufenden Betrieb erstellen. Diese Eingaben lassen sich mit dem Datenbestand verknüpfen, um Rückschlüsse und Benachrichtigungen generieren zu können. 3.1 Bauwerksbuch Das Bauwerksbuch fasst alle Informationen zu einem Brückenbauwerk zusammen: - Übersichtsblatt mit allgemeinen Attributen (Verortung, Größe, Baujahr, Konstruktion etc.) - Bestandsunterlagen (Skizzen oder 2D-Pläne der Konstruktion) - Dokumentation einzelner Teilbauwerke / Bauteile / Konstruktionsteile (z.B. Statisches System, Tragfähigkeit, Baustoffe, Vorspannungen, Gründungen, Lager etc.) - Prüfergebnisse und Zustand des Bauwerks, insb. durchgeführte Prüfungen, erfasste Schäden und empfohlene Maßnahmen Für diese Art semistrukturierter Daten eignen sich dokumentenorientierte NoSQL-Datenbanken ohne feste relationale Schemas. In der Formular-Engine können die Brückendaten über verschiedene konfigurierte Formular-Vorlagen („Templates“) erfasst werden. Für jedes Teilbauwerk kann der Einstieg über ein „Deckblatt“ erfolgen. Alle Datensätze zum Teilbauwerk sind in diesem Deckblatt verlinkt, so dass eine Navigation zu weiteren bauwerksbezogenen Datensätzen z.B. zu den dokumentierten Schäden erfolgen kann. Über das „Deckblatt“ können für ein Teilbauwerk neue Datensätze erstellt werden, wenn eine Bauwerksprüfung durchgeführt wird, oder wenn neue Schäden zu dokumentieren sind. Ebenso können Datensätze bearbeitet und verlinkt werden, z.B. Maßnahmeempfehlungen mit den entsprechenden Schäden, auf die sie sich beziehen. In Abbildung 2 ist der exemplarische Aufbau eines Bauwerksbuches skizziert. Aufgrund der Komplexität lässt sich dieses über entsprechende Sub-Formulare in Kapitel untergliedern und diese wieder in Subkapitel. Jedes dieser Kapitel kann über ein entsprechendes Formular abgebildet und mit anderen Formularen verlinkt werden. Die Formular-Engine in IRIS gestattet eine intelligente Datenvernetzung auf Template-Ebene im Bauwerksbuch. OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken 108 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Abbildung 2: Prototypische Umsetzung eines Bauwerksbuches für Brücken mit der IRIS Formular-Engine 4. Visualisierung Die Visualisierung der auf der Plattform erfassten Daten und Informationen ist eine zentrale Herausforderung des Arbeitspaketes 2 im Projekt OSIMAB. Die Benutzer sollen die Möglichkeit haben, sich mittels angemessener Visualisierungsmethoden ein Bild der aktuellen Schadenslage und Gefährdung von Bauwerken machen zu können. Weiterhin sollen sie die Darstellung nutzen können, um Begehungen und außerplanmäßige Bauwerksprüfungen zu planen und zu priorisieren. Für einen groben Überblick über mehrere Bauwerke, z.B. im Zuständigkeitsbereich einer Autobahnmeisterei, soll ein Kartenmodul dienen, das die geografische Verortung von Brücken insb. mit kritischem Zustand darstellt. Es kann herangezogen werden, um bspw. Routen zur Kontrolle möglicher Beschädigungen vor Ort zu planen. Eine detaillierte Darstellung der verbauten Sensoren inkl. ihrer gemessenen und berechneten Werte ermöglicht ein sog. Sensorboard. Ein möglicher Schaden am Bauwerk kann mit einem Sensorboard bereits räumlich eingegrenzt werden und eine Begehung kann zielgerichteter und damit zeitsparender durchgeführt werden. Während Sensorboards jegliche Art von Bilddateien als Hintergrund der Visualisierung nutzen können, wird für die Darstellung im BIM-Viewer ein 3D-Gebäudemodell benötigt. Damit eignet sich diese Darstellung aktuell weniger für Bestandsbrücken, könnte aber in Zukunft eine wichtige Komponente in der Bauwerksüberwachung darstellen. Im Verlauf der Projektbearbeitung hat sich gezeigt, dass die Bedeutung der Bauwerksmodellierung in der Bauwerksüberwachung signifikant zunimmt. Mit dem Diagrammmodul ist es möglich, Sensoren und Datenreihen zeitbasiert auszuwerten und zu vergleichen. Die Anwender haben hier die Möglichkeit, beliebige Datenreihen über beliebige Zeiträume als Graphen in einem Diagramm, oder in Diagrammsammlungen kombiniert darzustellen. Schließlich runden Dashboards sämtliche Visualisierungsmöglichkeiten der Plattform ab, indem sie mit entsprechenden Widgets eine Kombination und Verdichtung in der Darstellung von Daten und Informationen möglich machen. 4.1 Kartenmodul Die Datensätze der Bauwerksbücher werden genutzt, um Brücken zu verortbaren Bauwerken in IRIS zu gruppieren. Die Verortung erfolgt im System mittels WSG84 Koordinaten und der Google Maps Plattform. Die verorteten Bauwerke können auf dem Kartenhintergrund als Marker dargestellt werden und öffnen beim Anklicken individuelle Popups, über die der Benutzer weitere Bauwerksbezogene Informationen und Daten auf verlinkten Seiten aufrufen kann. In Kombination mit den Ergebnissen aus der Berechnung von Anomalien (Arbeitspaket 3) können ganze Bauwerke nach dem Ampelprinzip mittels eines farbigen Symbols dargestellt werden. Alle Sensoren an einer Brücke können als Sensorgruppe dem Bauwerk zugeordnet werden, und sobald ein kritischer Zustand innerhalb der Sensorgruppe ermittelt wurde, wechselt die Darstellung der Brücke auf der Karte entsprechend die Farbe. Liegen Symbole in einer Zoomstufe so nah aneinander, dass sie sich überlappen, muss dafür gesorgt OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 109 werden, dass kritische Zustände nicht von unkritischen verdeckt werden, sondern in der Reihenfolge an oberster Stelle angeordnet werden. Abbildung 3 zeigt beispielhaft einen Kartenausschnitt mit mehreren verorteten Brücken, eine davon in einem kritischen Zustand (rotes Symbol). Über das Popup lassen sich weitere Informationen anzeigen und die Navigation zu Seiten mit detaillierten Informationen zu diesem Bauwerk ist möglich. Abbildung 3: Georeferenzierte Darstellung aktueller Bestandsbrücken 4.2 Sensorboards Sensorboards geben in nahezu Echtzeit einen Überblick über den aktuellen Zustand von Sensoren, Maschinen und Geräte. Oft zeigt ein Sensorboard eine Zeichnung oder ein Foto eines Bauwerkes, beschriftet mit den Daten ausgewählter Sensoren. Entsprechend konfiguriert stehen die Sensorwerte dabei wie in Abbildung 4 direkt an der Stelle, an der sie sich am Bauwerk tatsächlich befinden. Die auf den Sensorboards angezeigten Informationen können entweder Zahlenwerte sein (numerische Sensordaten) oder über hinterlegte Algorithmen aus den Zahlenwerten ermittelte Zustände. Typische Zustandsbewertungen in Analogie eines „Ampelsystems“ sind: - grünes Symbol für Wert im unkritischen Bereich, - gelbes Symbol für Wert nahe dem kritischen Bereich, - rotes Symbol für Wert im kritischen Bereich. Die Visualisierung der Daten auf einem Sensorboard erfolgt quasi in Echtzeit und kann dem Überwachungsteams als ein Werkzeug dienen, das es ermöglicht eine Vielzahl von Brücken nach einem standardisierten Schema mit Sensorik zu bestücken und kontinuierlich mittels Sensorboards zu überwachen. Eine weitere Funktion stellt die Visualisierung von Daten aus der Vergangenheit durch Auswahl eines beliebigen Zeitpunktes dar, so dass der Startwert des Sensorboards neu definiert wird Gerade beim Monitoring von nicht digitalisierten Bestandsbrücken stellen Sensorboards ein sinnvolles Instrument dar: Jegliche Art von Bilddatei, z.B. Fotos des Bauwerks, oder eingescannte alte Baupläne, können als Hintergrund für die Darstellung der aktuellen Messdaten dienen. Das Sensorbord in Abbildung 4 zeigt eine Zeichnung der Brücke „Sachsengraben“ mit dem Überbau Nord in Fahrtrichtung Dortmund und dem Überbau Süd in Fahrtrichtung Frankfurt sowie die jeweiligen Querschnitte der Brücke. Die Sensordaten werden neben der örtlichen Positionierung des Sensors mit seinem Symbol angezeigt. Bei Überschreiten der Grenzwerte färbt sich der Sensorwert entsprechend des Ampelsystems ein. OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken 110 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Abbildung 4: Sensorboard der Brücke Sachsengraben mit der installierten Sensorik zeigt aktuelle Messwerte 4.3 BIM-Viewer Die ITC Engineering hat sich bereits vor mehreren Jahren entschieden die BIM Entwicklung auf der Grundlage der Autodesk Technologie FORGE voranzutreiben. Damit wird ein BIM Viewer mittels eines Cloudservice sowie einer JavaScript Bibliothek der Firma Autodesk in die Plattform integriert und die Leistungsfähigkeit von IRIS im Bereich der Sensorik mit den Visualisierungsfunktionen von FORGE kombiniert. Die Vernetzung mit Sensoren, sowie der IRIS Formular-Engine mit dem BIM-Viewer ermöglicht eine enge Vernetzung von Bauteil, Messwerten und Information. Eine digitale Abbildung des Bauwerksbuches in IRIS bildet die Grundlage für die spätere Verknüpfung von digitaler Information und Modell. Dabei sind Modelleigenschaften ein zentraler Schlüssel in der Interaktion mit dem Modell und werden in IRIS zentral in einer separaten Datenbank im BIM-Microservice verwaltet. Die im Modell integrierten Eigenschaften werden in IRIS ausgelesen und in einer eigenen Datenbank verwaltet. Damit entkoppelt IRIS die Autodesk Datenspeicherung von der IRIS Datenspeicherung, so dass der alleinige Zugriff des Nutzers inklusive der domainspezifischen Daten garantiert bleibt. In Abbildung 5 wurde die OSIMAB Brücke „Sachsengraben“ in IRIS integriert und im BIM Viewer visualisiert. Der Viewer ist in der Lage eine beliebige Anzahl von Brückenbauwerken zu verwalten und dabei neben vielen weiteren Dateiformaten insb. auch Modelle mit der allgemeingültigen IFC-Schnittstelle. Damit erschließen sich eine Vielzahl von Bauwerken auch von unterschiedlichen Datenquellen und Anbietern. Abbildung 5: BIM Viewer und Sensoren verlinkt zur Verwaltung notwendiger Brückensensoren sowie farbliche Kennzeichnung der Lokalisierung von Sensoren an Objekten im 3D-Modell der Brücke 4.4 Diagrammmodul Ein zentrales Werkzeug für die Datenauswertung und -analyse stellt das Diagrammmodul dar. Mit Diagrammen können Sensordaten grafisch angezeigt aber auch dokumentieren werden. IRIS kennt keine Einschränkungen in der Datenauswahl, die in Diagrammen visualisiert werden sollen. Daten von Geräten oder Sensoren an Bauwerken, Maschinen oder OSIMAB - ein leistungsfähiges Cloudsystem zum zentralen Bauwerksdatenmanagement: Prädiktives Erhaltungsmanagement von Brückenbauwerken 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 111 im Boden können in unterschiedlichen Diagrammtypen visualisiert werden. Ebenso können berechnete Sensoren mit direkt gemessenen Sensoren analysiert werden, was die Analysefunktionen der Plattform beträchtlich erweitert. Jeder Sensor liefert eine Datenreihe und damit einen Graphen. Benutzer können in einem Diagramm eine beliebige Anzahl von Graphen darstellen. Falls die in einem gemeinsamen Diagramm angezeigten Datenreihen unterschiedliche Maßeinheiten besitzen, erhält das Diagramm mehrere y-Achsen. Alternativ oder zusätzlich können mehrere Diagramme auf einer Seite nebeneinander oder übereinander visualisiert werden. Auf diese Weise werden sehr viele Informationen auf einer einzigen Bildschirmseite zusammengefasst. In der Datenauswertung werden häufig immer wieder dieselben Diagramme benötigt. Um häufig benötigte Diagramme mit wenig Aufwand anzuzeigen, können dafür Vorlagen erstellt werden. Ein dafür typisches Beispiel ist die Auswertung der Auflagerverschiebungen in Abhängigkeit von der Zeit in Abbildung 6. In der konfigurierte Diagrammsammlung wird das erwartete Spektrum der Sensorwerte durch obere und untere Grenzwerte (Prognosewerte) aufgezeigt. Ein Durchstoßen dieser Grenzwerte führt dann zur Visualisierung der Anomalie unter den definierten Randbedingungen. Abbildung 6: Diagramm mir Auswertung der Auflagerverschiebungen inkl. Anomalie in Abhängigkeit von der Zeit 4.5 Dashboards Die bisher vorgestellten Möglichkeiten der Visualisierung erlauben es dem Benutzer, aus einer Seite der Plattform die Daten und Informationen entsprechend einer Methode darzustellen. Auf Dashboards ist es schließlich möglich, diese Visualisierungen zu einer Ansicht zu kombinieren. Je Dashboard können für die Datenvisualisierung verschiedene sog. Widgets gruppiert werden, die auf Datensätze entsprechend ihrer Konfiguration zugreifen. Jeder Benutzer kann sich selbst solche Dashboards erstellen, speichern und mit anderem Benutzer(gruppen) teilen. Administratoren können Dashboards für alle Benutzer auf der Instanz freigeben. Dashboards können als PDF exportiert werden, manuell, aber auch automatisiert entsprechend definierter Routinen. Solche automatisch generierten Ansichten von Dashboards können per E-Mail-Benachrichtigung als Berichte verteilt werden. Dashboards können bspw. Karten mit georeferenzierten Brücken aufnehmen, Sensordaten als Diagramme visualisieren und Kommentare von Benutzern oder neue Protokolle von Bauwerksprüfungen darstellen. Die Vernetzung von Informationen aus einem Bauwerksbuch mit Informationen aus einem aktiven Bauwerksmonitoring gelingt auf dem Dashboard. Damit ist das Dashboard eine zentrale Schnittstelle im Informationsmanagement der Plattform, die alle Visualisierungsmöglichkeiten vereint. Dashboards sind geeignet, um als erste Anlaufstelle für die Benutzer eingesetzt zu werden und runden das gesamte Visualisierungskonzept ab.
