eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 1/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
dtv
2748-9213
2748-9221
expert verlag Tübingen
61
2021
11

Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen

61
2021
Ursula Freundt
Erik Werner
Sebastian Böning
Im September 2015 wurde durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) auf der BAB A9 zwischen Nürnberg und München ein „Digitales Testfeld Autobahn“ zur Erprobung, Bewertung und Weiterentwicklung von Innovationen zum Thema Mobilität 4.0 bereitgestellt. Eines der 18 in diesem Zusammenhang ermöglichten Projekte ist die “Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn“. Die Bayerische Straßenbauverwaltung hat für dieses Projekt das Bauwerk BW402e im Bereich des Autobahnkreuzes Nürnberg, Richtungsfahrbahn Regensburg (Verbindungsrampe A3 zur A9) vorgesehen. Im Fokus der „Intelligenten Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn“ stehen die Schwerpunkte „Einwirkungsüberwachung und Analyse“, „Intelligente Fahrbahnübergänge und Lager“ sowie „Intelligente Sensornetze“. An der Projektdurchführung sind die Maurer Engineering GmbH, das Institut für Telematik der Universität zu Lübeck und das Ingenieurbüro Prof. Dr. U. Freundt beteiligt. Das Projekt hat eine Laufzeit von 5 Jahren und endet in 2021. Zum Schwerpunkt Einwirkungsüberwachung und Analyse“ werden aus diesem Anlass einige Ergebnisse und gewonnene Erfahrungen vorgestellt.
dtv110155
1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 155 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen Prof. Dr.-Ing. Ursula Freundt Ingenieurbüro Prof. Dr. U. Freundt, Weimar M.Sc. Erik Werner Ingenieurbüro Prof. Dr. U. Freundt, Weimar Dr.-Ing. Sebastian Böning Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft Referat 44 - Straßenbau, Straßenrecht und Radverkehr, Erfurt bis Oktober 2020: Ingenieurbüro Prof. Dr. U. Freundt, Weimar Zusammenfassung Im September 2015 wurde durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) auf der BAB A9 zwischen Nürnberg und München ein „Digitales Testfeld Autobahn“ zur Erprobung, Bewertung und Weiterentwicklung von Innovationen zum Thema Mobilität 4.0 bereitgestellt. Eines der 18 in diesem Zusammenhang ermöglichten Projekte ist die “Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn“. Die Bayerische Straßenbauverwaltung hat für dieses Projekt das Bauwerk BW402e im Bereich des Autobahnkreuzes Nürnberg, Richtungsfahrbahn Regensburg (Verbindungsrampe A3 zur A9) vorgesehen. Im Fokus der „Intelligenten Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn“ stehen die Schwerpunkte „Einwirkungsüberwachung und Analyse“, „Intelligente Fahrbahnübergänge und Lager“ sowie „Intelligente Sensornetze“. An der Projektdurchführung sind die Maurer Engineering GmbH, das Institut für Telematik der Universität zu Lübeck und das Ingenieurbüro Prof. Dr. U. Freundt beteiligt. Das Projekt hat eine Laufzeit von 5 Jahren und endet in 2021. Zum Schwerpunkt „Einwirkungsüberwachung und Analyse“ werden aus diesem Anlass einige Ergebnisse und gewonnene Erfahrungen vorgestellt. 1. Einleitung und Problemstellung Im von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ausgeschriebenen Projekt ist intelligente Brücke wie folgt definiert: Ein adaptives System zur kontinuierlichen Bereitstellung relevanter Informationen und Bewertung der Sicherheit und Zuverlässigkeit: - (Langzeit-) Erfassung maßgeblicher Einwirkungen und Reaktionen, idealerweise in „Echtzeit“ - frühzeitiges Erkennen von Veränderungen und Problempunkten - ganzheitliche Bewertung des Zustandes während der Nutzungsdauer, Prognosen zum Bauwerksverhalten (modell- und datenbasiert) Den Kern der „Intelligenten Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn“ bilden Messsysteme mit Datenanalyse, Bewertung und Visualisierung von Ergebnissen sowie einem Datenmanagement. Begleitende aber in gleicher Weise erwartete Erfahrungen sind auf die Erprobung der fehlerfreien langzeitigen (5 Jahre) Funktionsfähigkeit von Messtechnik, Datenmanagement und der automatisierten Auswertung und Publikation der Ergebnisse gerichtet. Alle Arbeiten werden unter Leitung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und der Beratung durch die Autobahndirektion Nordbayern (ABDNB), dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr sowie dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) durchgeführt. Im Bauwerk 402e am Autobahnkreuz Nürnberg sind fünf verschiedene Messsysteme installiert. Dabei sind konventionelle Systeme und Systeme in Erprobung kombiniert. Die Messfrequenzen variieren zwischen 0,25 Hz und 2000 Hz. Die fünf Messsysteme sind: - Ein im und am Kalottenlager integriertes Lagermesssystem (Maurer Engineering GmbH) - Ein im und am Fahrbahnübergang integriertes Fahrbahnübergangsmesssystem Maurer Engineering GmbH). - Ein Messsystem an der Brücke, am Lager und am Fahrbahnübergang und ein kamerabasiertes Messsystem (Ingenieurbüro Prof. Freundt) 156 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen - Ein drahtloses Sensornetz an der Brücke mit Erfassungen von Temperaturen, Rissveränderungen und Bewegungen (Universität zu Lübeck) Die unterschiedlichen Systeme, die unabhängig voneinander entwickelt wurden, dienen so einem gemeinsamen Ziel, gestatten Referenzen und einen ganzheitlichen Erfahrungsgewinn. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus den Messsystemen von Lager und Fahrbahnübergang werden durch die Mauerer Engineering GmbH an gleicher Stelle berichtet. Hinsichtlich des drahtlosen Sensornetzes konnten Einsatzmöglichkeiten und Einsatzgrenzen durch das Institut für Telematik der Universität zu Lübeck aufgezeigt werden. Ein Schwerpunkt wird seitens BMVI und BASt in einer Web-basierten Publikationen von Daten und Ergebnissen. Dies setzt ein geeignetes Datenmanagement voraus, welches durch die Universität zu Lübeck erarbeitet, installiert und betreut wird. Ein solches System lebt von den Daten und automatisierten Auswertungen aller Beteiligten. Bei dem von der Bayerischen Straßenbauverwaltung ausgewählten Bauwerk handelt es sich um eine gekrümmte vierfeldrige Spannbeton-Hohlkastenbrücke mit begehbarem einzelligen Hohlkasten (Abbildung 1). Die maximale Stützweite beträgt 45 m und die Gesamtlänge zwischen den Endauflagern 155,75 m. Der Überbau weist eine Gesamtbreite von 15,40 m auf, die Brückenfläche beträgt rund 2445 m 2 . Das Bauwerk wurde 2016 errichtet und die Messsysteme vor der Verkehrsfreigabe eingebaut. Die Brücke wurde somit vor Nutzungsbeginn eine „Intelligente Brücke“. Die Herstellung erfolgte im Taktschiebeverfahren. Die Brücke ist sowohl intern als auch extern in Längsrichtung vorgespannt. Abbildung 1: Übersicht Bauwerk, (a) Regelquerschnitt und (b) Ansicht aus Richtung Süden 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 157 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen 2. Das Messsystem des Ingenieurbüro Prof. Freundt Das Messsystem ist darauf ausgelegt, Kenngrößen der Brücke zu erfassen, die eine Zustandserkennung des Bauwerks ermöglichen und es zudem erlauben, Verkehrsdaten mit hinreichender Genauigkeit indirekt abzuleiten. Die installierten Sensoren konzentrieren sich im Überbau an 4 Messquerschnitten (A, B, C und D), der Übergangskonstruktion (Messachse E) und dem nördlichen Lager der Bauwerksachse A 40 (vgl. Abbildung 2). Zusätzlich sind die externen Spannglieder mit Beschleunigungssensoren ausgestattet. Diese dienen der Ermittlung der Änderung der Spannkraft über die Zeit. Die Vorspannkraft kann indirekt anhand des Schwingverhaltens der externen Spannglieder abgleitet und damit messtechnisch erfasst werden. Ein weiterer Beschleunigungssensor (PBC) ist auf dem zugehörigen Umlenksattel (Nordseite) in Feld 4 der Brücke montiert und dient dazu, dynamische Anregungen identifizieren und zuordnen zu können. Abbildung 2 zeigt auch die Positionen und Bezeichnungen der Beschleunigungssensoren (PBC) im Brückenlängsschnitt. Am nördlichen/ kurveninneren Kalottenlager von Achse 40 werden an allen 4 Punkten des Lagers induktive Wegaufnehmer (IWT) installiert. Drei dieser Sensoren messen in vertikaler Richtung und ermöglichen die Ermittlung der räumlichen Überbauverdrehung und der Lagereinsenkung. Der vierte Sensor misst die relative Verschiebung des Überbaus an dieser Stelle in horizontaler Richtung entlang der Brückenlängsachse. Abbildung 2: Lage der Sensoren im Bauwerk. Das optische Messsystem besteht aus 2 Kameras und zugehörigen Aufzeichnungsgeräten. Die Planung und Installation erfolgte in Zusammenarbeit mit der Firma Messtechnik-Mehl GmbH. Als Tragkonstruktion für die Kameras wurden 4 m hohe Kippmasten verwendet. Die Installation der Kameras, inklusive der Ausrichtung und Kalibrierung, erfolgte so, dass die Kameraperspektive mit Hilfe eines Schwenk-Neige-Mechanismus am Kamerafuß eingestellt wurde. In Abbildung 3 ist das installierte Videosystem dargestellt. 158 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen Abbildung 3: Installation des Videosystems. (a, d) Schaltschrank mit Switch und Datenrekorder, (b) Befestigung des Kippmastes an der Brücke und (c) Blick auf die installierten Kameras in Fahrtrichtung. 3. Ergebnisse zu Verkehrseinwirkungen 3.1 Verkehrserkennung (BWIM) Die Erkennung der Fahrzeuge, die das Bauwerk überfahren, erfolgt durch eine Messdatenauswertung und Messdatenzuordnung zwischen den verschiedenen Messstellen am Bauwerk. Die Erkennung der Fahrzeuggewichte erfolgt aus der Anpassung rechnerischer Tragwerksreaktionen (aus einem kalibrierten Tragwerksmodell) an gemessene Zeitverläufe. Als Ergebnisse der Verkehrserkennung liegen vor: - DTV-SV in verschiedenen Auswertungen - Anzahl LKW/ Tag - Schwerverkehrszusammensetzung - Gesamtgewichtsverteilungen für verschiedene definierte Fahrzeugtypen Prinzipiell waren die Algorithmen zur Fahrzeugerkennung an verschiedenen Brücken erprobt, jedoch ist durch die Unikatstruktur jeder Brücke ein Training der Algorithmen stets neu erforderlich. Die Qualität der Ergebnisse kann nur durch Kalibrierfahrten beurteilt werden. Über einem Zeitraum von etwa einem Jahr wurden die Algorithmen offline erprobt verbessert und Schwellwerte und Fehlerkennungen identifiziert. Dann wurden die Algorithmen zur Verkehrserkennung und zur Überwachung automatisiert und nach deren Erprobung vor Ort auf dem Messrechner installiert. Seit Januar 2019 erfolgt die Auswertung der Messdaten vor Ort. Die folgenden Abbildungen (Abbildung 4, Abbildung 5, Abbildung 6) zeigen auszugsweise Ergebnisse. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 159 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen Abbildung 4: Mittleres tägliches Schwerverkehrsaufkommen DTV-SV ohne Berücksichtigung von Wochenende und Feiertagen Monatsweise getrennt. Abbildung 5: Zusammensetzung des Schwerverkehrs - Monatsweise getrennt 160 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen Abbildung 6: Ermittelte Gesamtgewichtsverteilungen für Fahrzeugtyp 98 im Vergleich zu BAB A61 und Bundesstraße B27 - Daten aus Oktober 2019 3.2 Objektbezogenes Lastmodell aus Verkehr Die Ermittlung des aktuellen objektbezogenen Lastmodelles aus Verkehr erfolgt durch eine statistische Auswertung der Dehnungszeitverläufe an ausgewählten Messstellen. Im Ergebnis werden charakteristische Werte mit einer Wiederkehrperiode von 1000 Jahren berechnet. Zur Verdeutlichung der Bedeutung der Datengrundlage werden die charakteristischen Werte auf der Basis aller bis zum Zeitpunkt der Auswertung zur Verfügung stehender Daten und einmal auf der Basis der Daten der letzten 12 Wochen ermittelt. Ein Auszug der Ergebnisse ist in Abbildung 7 dargestellt. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 161 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen Abbildung 7: MS6L - Stunden-Maximalwerte in µm/ m, Hüllkurve und charakteristische Werte Für eine Ableitung von Lastmodellen ist der Vergleich mit den Dehnungswerten aus dem Ansatz des für die Nachweise des Tragwerkes verwendeten Lastmodells erforderlich. Die Vergleichsdehnungen wurden dabei anhand von Einflussflächen für die betrachteten Messstellen ermittelt, die aus dem kalibrierten Tragwerksmodell abgeleitet wurden. 162 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen Abbildung 8: MS6L - Stunden-Maximalwerte, Hüllkurve und charakteristische Werte - relativ zum Wert aus dem Ansatz von LM 1 Abbildung 8 ist zu entnehmen, dass im Zeitraum von 2017 bis 2020 das europäische Lastmodell LM1 einschließlich der nationalen Anpassungen zu etwa 40 % in Anspruch genommen wurde. Es ist zu beachten, dass in diesem Lastmodell 0,4 LM1 keine Verkehrsprognosen enthalten sind. 3.3 Schädigungen infolge Ermüdung Zur Identifikation von ermüdungsrelevanten Beanspruchungswechseln werden die Messdaten von ausgewählten Messstellen ausgewertet. Bei den betrachteten Punkten handelt es sich dabei um die Messstellen mit Dehnungsmessungen an der eingebauten schlaffen Bewehrung (MS1L, MS2L, MS5L, MS6L). Für die Ermittlung von ermüdungsrelevanten Beanspruchungswechseln werden die Messdaten einer Rainflow-Auszählung unterzogen. Die Berechnung von Schädigungen aus den ermittelten Schwingspielen erfolgt anhand der Wöhler-Linie für Bewehrungsstahl entsprechend dem deutschen NA zum EC 2 Teil 2. Die Berechnung von Schädigungssummen erfolgt mit den ermittelten Spannungsschwingbreiten und den definierten Wöhler-Linien nach den üblichen technischen Verfahren. Auf diesem Weg wird gegenwärtig ein Verhältnis der schädigungsäquivalenten Schwingbreite auf der Basis ELM 3 und auf Grundlage der Messdaten von 0,45 ermittelt. Bleibt die Charakteristik der aus der Messung ermittelten schädigungsrelevanten Schwingspiele aus Verkehr in Zukunft unverändert, so kann davon ausgegangen werden, dass sich der ermittelte Vergleichswert von rund 0,45 nicht wesentlich ändert. Entsprechend würden jedoch Änderungen der Charakteristik der schädigungsrelevanten Schwingspiele zu einer Änderung des Verlaufes des ermittelten Vergleichswertes führen. Die Charakteristik der schädigungsrelevanten Schwingspiele (Beanspruchungskollektiv) stellt ein Überwachungskriterium dar. 4. Ergebnisse zu Widerständen 4.1 Grundlage Grundlage zur Ableitung von Widerstandskennwerten sind die Messdaten der installierten Beschleunigungssensoren am externen Spannglied und am Umlenksattel. Für die Beschleunigungsmessungen an einem externen Spannglied (MS23, MS24 und MS26) ergeben sich Eigenfrequenzen des Spanngliedes. Die Beschleunigungsmessung am Umlenksattel des externen Spanngliedes liefert Eigenfrequenzen der Brücke. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 163 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen 4.2 Vorspannkraft im externen Spannglied Zwischen den Eigenfrequenzen der externen Spannglieder und der Vorspannkraft dieser existiert ein Zusammenhang. Aufgrund der geometrischen Eigenschaften der Spanngliedabschnitte zwischen den Umlenkstellen kann die mechanische Grundlage einer Saitenschwingung für die Beziehung zwischen Eigenfrequenz und Vorspannkraft angenommen werden. Die Richtung der Schwingungen ist orthogonal zur Spannrichtung. In diese Richtung besitzt das Spannglied eine vernachlässigbar geringe Steifigkeit. Es wird geprüft, ob der Ausfall einer oder mehrerer Litzen durch die Änderung der Eigenfrequenzen erkennbar ist. Der Vergleich der rechnerischen Eigenfrequenzänderung aus einem Litzenausfall mit dem Verlauf der ersten Eigenfrequenz der Messstelle MS23 verdeutlicht, dass Änderungen der Eigenfrequenz aus dem Jahresgang größer sind als die aus einem rechnerischen Ausfall einer Litze. Eine Kompensation von Lang-, Mittel- und Kurzzeiteffekten ist erforderlich und wird umgesetzt. Der in Abbildung 9 dargestellte Verlauf verdeutlicht, dass mit den eingeführten Kompensationen der Lang-, Mittel- und Kurzzeiteffekte die verbleibende Änderung der Eigenfrequenz deutlich kleiner ist als die durch den Ausfall einer Litze verursachte Änderung. Abbildung 9: MS 23 - externes Spannglied - 1. Eigenfrequenz - Verlauf Kontrollgröße Auf diese Art und Weise kann die Vorspannkraft überwacht werden und relevante Änderungen werden erkannt. 4.3 Bauwerkssteifigkeit Zur Beurteilung der Änderung der Bauwerkssteifigkeit wird die Eigenfrequenz des Bauwerks, ermittelt aus den Beschleunigungswerten der Umlenkstellen, genutzt. Ein Einfluss von Lang- oder Kurzzeiteffekten liegt hier nicht vor. Im Gegensatz zur Vorspannung können hier keine direkten Zahlenwerte für den Zusammenhang zwischen einer Änderung der Eigenfrequenz und in diesem Fall einer Änderung der Bauwerkssteifigkeit ermittelt werden. Als Schwell- und Warnwerte werden Änderungen der Eigenfrequenzen gewählt, die nicht aus dem Toleranzbereich der Eigenfrequenzen herrühren. 5. Automatisierung vor Ort Eine Zielstellung des Projektes ist eine automatisierte Auswertung vor Ort und die ebenso automatisierte web-basierte Veröffentlichung. Der Gesamtablauf der automatisierten Datenverarbeitung Vor-Ort für das vorgestellte Messsystem ist zusammen mit Angaben zur Häufigkeit der durchgeführten Auswertungen in Abbildung 10 dargestellt. 164 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen Unabhängig vom Ablauf des Hauptprogramms erfolgt eine separate Verarbeitung der aufgezeichneten Videodaten. Die Web-Publikation ist für verschiedene Nutzer mit unterschiedlichen Berechtigungen ausgelegt. Dies sind die Betreiber (BASt, BMVI, ABDNB), die Beteiligten (IBF, Maurer, UzL) und Bürger. Für Letztere ist lediglich eine statische, aufbereitete HTML-Seite vorbereitet. Abbildung 10: Ablaufdiagramm der automatisierten Datenverarbeitung 6. Erfahrungen Um Erfahrungen darzulegen wird das Anliegen des Projektes, die Bearbeitung und die Leitung und Betreuung gespiegelt. Das Anliegen umfasste summarisch drei Aspekte: - Die Ausstattung einer neuen Brücke mit konventioneller Sensorik und Messtechnik um Einwirkungen und Widerstände der Brücke und Verhalten von Bauteilen zu erkennen und zu langfristig überwachen - Die Ausstattung mit neuer Sensorik und Messtechnik (Sensornetz) zur Beurteilung von Einsatzoptionen - Das Trainieren eines Datenmanagements (Umgang mit Datenmengen und gesplitteten Zugriffen) und der Digitalisierung des gesamten Projektes Die Leitung und Betreuung liegt in den Händen von BMVI, BASt, dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr und der ABDNB. Die inhaltliche Bearbeitung wird realisiert durch: - Ein Telematikinstitut einer Universität - Einer Entwicklungsabteilung eines Unternehmens des Stahl-, Maschinen- und Anlagenbaus - Einem Ingenieurbüro des konstruktiven Ingenieurbaues Die Bearbeitungsinhalte umfassen separate Teilleistungen. Die ganzheitliche Publikation auf einer gemeinsamen Plattform einschließlich der Darlegung von Referenzbetrachtungen aus den separaten Systemen ist nur durch Zusammenspiel möglich. Der Zeitraum der Bearbeitung ist für 5 Jahre ausgelegt. Im Ergebnis konnte die Zielstellung erreicht werden. Die Sensorik und Messtechnik arbeitet ohne Eingriffe. Lediglich ein induktiver Wegaufnehmer am Lager zeigte infolge unvermeidlicher Verschmutzung nach 3 Jahren eine Störung, die durch Reinigung des Sensors behoben werden konnte. Sämtliche Auswertungen sind automatisiert und erfolgend autark auf dem Rechensystem vor Ort. Das beschriebene Messsystem arbeitet über den gesamten Zeitraum (gegenwärtig über 4 Jahre) nahezu ohne Ausfälle zuverlässig. Daten und Ergebnisse wurden und werden bereitgestellt. Die Entwicklung der webbasierten Ergebnispublikation konnte realisiert werden. Es zeigten sich hierbei Herausforderungen, vor allem hinsichtlich der interdisziplinären Arbeit, die durch eine konsequente Leitung gut bewältigt wurden. Nahezu alle ermittelten Kennwerte aus den Messungen sind mit Schwell- oder / und Warnwerten gekoppelt. Das Erreichen eines Warnwertes wird per E-Mail den Verantwortlichen mitgeteilt. Da es sich um eine neue Brücke handelt sind Warnwerte bislang erwartungsgemäß nicht aktiviert worden. Das allerdings führt zu einem abnehmenden Interesse von Bauherren. Ein letzter Sachverhalt muss bei der Darstellung von Erfahrungen erwähnt werden. 5 Jahre sind ein kleiner Zeitbereich für die Nutzungsdauer einer Brücke, aber ein hinreichender Zeitbereich, um Übergaben zwischen Verantwortlichen, Bearbeitern und Verwaltungen zu trainieren. Von der Personengruppe, die 2016 hochmotiviert die Aufgabe begann ist nur noch die Hälfte aktiv dabei. Die zweite Hälfte ist mit beiderseitigen Bedauern durch Übernahme anderer verantwortungsvoller Aufgaben ausgeschieden. Auch wenn jede Übergabe mit Wissens-und Erfahrungsverlust verbunden ist - die Systeme arbeiten bis heute fehlerfrei. Nur der Einsatz aller Kollegen aus Verwaltung, Universität und den Unternehmen der Wirtschaft ermöglichte und ermöglicht das Ergebnis. Dafür ein ganz besonderes Dankeschön. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 165 Fünf Jahre intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Ergebnisse und Erfahrungen Literaturangaben [1] Böning, S.; Fischer, S.; Freundt, U.; Lau. F.-L.; Werner, E.; Schlussbericht: Digitales Testfeld Autobahn - Intelligente Brücke - Synchronisation von Sensorik und automatisierte Auswertung von Messdaten (FE- Nr. 15.0631/ 2016/ LRB), BASt 2020, z.Z. unveröffentlicht.