Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge
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Daniel Rill
Christiane Butz
Michael Tahedl
Intelligente Kalottenlager und Fahrbahnübergangskonstruktionen liefern einen wichtigen Beitrag zur Erfassung von Verkehrseinwirkungen und des Zustandes von Brückenbauwerken. Unter anderem in einer Pilotstudie im Rahmen des von der Bundesanstalt für Straßenwesen betreuten Projektes „Intelligente Brücke im digitalen Testfeld Autobahn“, zeigen die mit Sensorik ausgestatteten Bauwerkskomponenten ihre Eignung im Praxiseinsatz und liefern durch eine Anbindung an
ein Monitoring-System kontinuierlich und zeitnah Ergebnisse in „Echtzeit“ an den Brückenbetreiber.
An den Kalottenlagern wird die Auflast, sowie die Verdrehung und horizontale Verschiebung gemessen. Die Schwenktraversen-Dehnfugen erfassen Verkehrsdaten, aufgelöst bis zu den Achslasten, der überfahrenden Fahrzeuge. Aus den an den Lagern gewonnenen Daten werden vor Ort mittels effizienter Auswertealgorithmen die quasistatischen und fluktuierenden Lagerlasten, -verschiebungen und –verdrehungen ermittelt. Aus diesen Größen kann nicht nur auf die Funktion und den Erhaltungszustand der Lager geschlossen werden, auch können die einwirkenden stationären Lasten und Verkehrslasten ermittelt werden wodurch das System als Bridge-Weigh-in-Motion-System verwendet werden kann.
Die an der Übergangskonstruktion gemessenen Größen dienen zur Messung von Geschwindigkeit und Achslasten des überfahrenden Verkehrs. Aus den Achsabständen und –gruppierungen können einzelne Fahrzeuge identifiziert und kategorisiert werden. Ebenfalls wird anhand der Messgrößen kontinuierlich der Zustand und die Funktionalität des Fahrbahnüberganges überwacht.
Alle Analyseschritte von der Aufbereitung der Messdaten über die Auswertung und Überwachung bis zur Ergebnisdatenverwaltung wird vollautomatisiert in einer eigens entwickelten Software vor Ort durchgeführt.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 167 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge Dr.-Ing. Daniel Rill Maurer Engineering GmbH, München, Deutschland Dr.-Ing. Christiane Butz Maurer Engineering GmbH, München, Deutschland Michael Tahedl, M.Sc. Maurer SE, München, Deutschland Zusammenfassung Intelligente Kalottenlager und Fahrbahnübergangskonstruktionen liefern einen wichtigen Beitrag zur Erfassung von Verkehrseinwirkungen und des Zustandes von Brückenbauwerken. Unter anderem in einer Pilotstudie im Rahmen des von der Bundesanstalt für Straßenwesen betreuten Projektes „Intelligente Brücke im digitalen Testfeld Autobahn“, zeigen die mit Sensorik ausgestatteten Bauwerkskomponenten ihre Eignung im Praxiseinsatz und liefern durch eine Anbindung an ein Monitoring-System kontinuierlich und zeitnah Ergebnisse in „Echtzeit“ an den Brückenbetreiber. An den Kalottenlagern wird die Auflast, sowie die Verdrehung und horizontale Verschiebung gemessen. Die Schwenktraversen-Dehnfugen erfassen Verkehrsdaten, aufgelöst bis zu den Achslasten, der überfahrenden Fahrzeuge. Aus den an den Lagern gewonnenen Daten werden vor Ort mittels effizienter Auswertealgorithmen die quasistatischen und fluktuierenden Lagerlasten, -verschiebungen und -verdrehungen ermittelt. Aus diesen Größen kann nicht nur auf die Funktion und den Erhaltungszustand der Lager geschlossen werden, auch können die einwirkenden stationären Lasten und Verkehrslasten ermittelt werden wodurch das System als Bridge-Weigh-in-Motion-System verwendet werden kann. Die an der Übergangskonstruktion gemessenen Größen dienen zur Messung von Geschwindigkeit und Achslasten des überfahrenden Verkehrs. Aus den Achsabständen und -gruppierungen können einzelne Fahrzeuge identifiziert und kategorisiert werden. Ebenfalls wird anhand der Messgrößen kontinuierlich der Zustand und die Funktionalität des Fahrbahnüberganges überwacht. Alle Analyseschritte von der Aufbereitung der Messdaten über die Auswertung und Überwachung bis zur Ergebnisdatenverwaltung wird vollautomatisiert in einer eigens entwickelten Software vor Ort durchgeführt. 1. Einführung Die Eignung von instrumentierten Brückenbauteilen, insbesondere Kalottenlagern und Modulardehnfugen, zur Überwachung des Bauwerks- und Bauteilzustandes sowie der verkehrs- und umweltbedingten Einwirkungen konnte im Rahmen des Forschungsprojektes „Intelligente Brücke im digitalen Testfeld Autobahn“, beauftragt durch die Bundesanstalt für Straßenwesen und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und im Praxiseinsatz eingehend untersucht und nachgewiesen werden 168 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge Abbildung 1: Intelligente Brücke mit Position der MMS Kalottenlager und Schwenktraversendehnfuge Als „intelligente Brücke“ wird dabei das in Abbildung 1 dargestellte Bauwerk 402e am Autobahnkreuz Nürnberg bezeichnet. Es handelt sich um ein im Jahr 2015 gebautes Überführungsbauwerk, das die Autobahn A3 überquert. Neben den instrumentierten Kalottenlagern und dem Fahrbahnübergang sind noch ein von der Universität zu Lübeck entwickeltes und betriebenes Sensornetzwerk sowie ein Straßenverkehrserfassungssystem des Ingenieurbüros Prof. Freundt Bestandteil des Messsystems [1,2]. Die Kalottenlager und Modulardehnfugen werden durch die Instrumentierung zu integralen „intelligenten“ Komponenten eines modularen Gesamtsystems, welches im Folgenden als MMS (Maurer Monitoring System) bezeichnet wird. 2. Intelligente Kalottenlager 2.1 Allgemeines Brückenlager sind wesentliche Brückenbauteile. Je nach konstruktiver Auslegung übertragen Kalottenlager entweder Kräfte oder lassen Verschiebungen zu, während sie Rotationen in allen drei Achsen ermöglichen. Die meisten Änderungen des Brückenzustandes beeinflussen direkt die Reaktion der Lager, z.B. • eine Änderung der quasi-statischen Lagerverdrehung kann eine Steifigkeitsänderung, Neigung oder Setzung der Brücke signalisieren. • eine Änderung der vertikalen Belastung einzelner Lager kann auf eine Lastumverteilung aufgrund einer Tragwerksänderung hinweisen. Daher ist die Messung und Analyse der Lagerreaktionen sehr gut geeignet, um Informationen über den Brückenzustand zu gewinnen. Bei sehr guter Auflösung der Signale können sogar Verkehrsbelastungen erkannt werden. Die sensorbestückten Kalottengleitlager, die Teil der „Intelligenten Brücke“ sind, gehören zu den MAURER Monitoring Systemen und werden deshalb MMS-Kalottenlager genannt. Sensoren, die in MMS-Kalottenlagern integriert sind, erfassen vertikale Lasten, Rotationen und Verschiebungen. Daraus können folgende Informationen gewonnen werden: • Überwachung der Betriebssicherheit des Lagers durch Erfassung der Verschiebung in der ebenen Primär- und der sphärischen Sekundärgleitfläche sowie der Gleitspaltmessung, • Beurteilung der nicht-dynamischen Belastung, Lagerverdrehung und -verschiebung • Beurteilung der schwankenden Belastung, Lagerverdrehung und -verschiebung und Aufteilung in verkehrsbedingte und klimatische Anteile 2.2 Entwurf und Aufbau der MMS Kalottenlager Die beiden Kalottengleitlager in Achse 40 der Brücke BW402e sind MMS-Kalottenlager, die die folgenden Anforderungen erfüllen: • Kalottenlager mit Last-, Verschiebungs- und Rotationsüberwachung • Maximale vertikale Auflast von 18436 kN • Maximale Verschiebung von v x = ±120 mm und v y = ±20 mm • Höhe und Abmessungen wie ein herkömmliches Kalottenlager • Bemessung, Konstruktion und Fertigung nach DIN EN 1337, ETA 06-0131 und Zulassung im Einzelfall Konventionelle Kalottenlager bestehen aus zwei Gleitplatten und einer Kalotte. Die Gleitelemente in den Kontaktflächen bestehen aus MSM® und austenitischen Gleitplatten bzw. einer hartverchromten Oberfläche oder aus Sonderlegierungen wie MSA®. Im MMS-Kalottenlager befindet sich unter dem MSM® eine gekammerte Elastomerfolie zur Lasterfassung. Der Druck infolge der Auflast induziert einen hydrostatischen Spannungszustand in der Folie. Jeder Drucksensor misst diese gleichmäßig verteilte Lagerbelastung. Zusätzlich werden Rotation und Verschiebung am intelligenten Lager erfasst (siehe Abbildung 2). Die entsprechenden Sensoren werden für jedes Lager individuell angepasst. Das MMS- Kalottenlager liefert sehr genaue Werte, da MSM® und die verwendeten Materialien nicht temperatur- und alterungsabhängig sind und nur geringe Verformungswiderstände erzeugen. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 169 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge Das nationale Vorgängerforschungsprojekt „IFuLa“, das in Kooperation mit der Universität der Bundeswehr München im Rahmen des Innovationsprogramms Straße des BMVI durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass instrumentierte Kalottenlager in Kombination mit einer Rotations- und Verschiebungsmessung auch die Erfassung von veränderlichen Verkehrslasten ermöglichen. Beide Kalottenlager der Achse 40 der „Intelligenten Brücke“ sind mit Sensoren ausgestattet. Während das Lager 40/ 3 mit Drucksensoren für die Lastmessung sowie mit Wegsensoren für Rotation, Gleitspalt und Verschiebung der oberen Lagerplatte ausgestattet ist (siehe Abbildung 3), ist das Lager 40/ 1 nur mit Drucksensoren für die Lastmessung ausgestattet. a) zusammengebautes Kalottenlager b) Explosionsansicht des Kalottenlagers Abbildung 2: MMS Kalottenlager mit Sensoren, Achse 40/ 3 Abbildung 3: Eingebautes MMS Kalottenlager an der Achse 40/ 3 2.3 Datenerfassung und Verarbeitung Die Datenerfassung der MMS-Lager ist mit der Datenerfassung der MMS-Dehnfuge kombiniert (siehe Abschnitt 3.4). Die Datenverarbeitung erfolgt durch eigens erstellte Python-Skripte, die folgende Operationen durchführen: 1. Einlesen aller Messdaten in den Speicher 2. Auswertung der quasi-statischen Verschiebung der primären Gleitfläche, der Lagerdrehung, der vertikalen Belastung, des Gleitspalts 3. Auswertung der akkumulierten Gleitwege von Primär- und Sekundärgleitfläche getrennt nach temperatur- und verkehrsbedingten Effekten 4. Ermittlung der schwankenden Vertikalbelastung und Durchführung der Peak-Klassifizierung für das Verkehrsbelastungskollektiv 5. Statistische Auswertung der Maximalwerte der relevanten Parameter 2.4 Verifizierung und Kalibrierung Bevor die Brücke für den Verkehr freigegeben wurde, wurden im September 2016 Referenzfahrten mit zwei Lkws mit definiertem Gewicht durchgeführt, um die Drucksignale anhand definierter Verkehrsbelastung zu kalibrieren. Es wurden Fahrten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchgeführt, um die dynamischen Wechselwirkungen zwischen Brücke und Lkw zu analysieren. Zur Qualitätskontrolle wurden im April 2018 Referenzfahrten wiederholt. Es zeigte sich, dass die Genauigkeit der gemessenen Verkehrsbelastungen bei regulärer Geschwindigkeit, d. h. 80 bis 90 km/ h, weniger als ±10 % beträgt (siehe Abbildung 4 und Abbildung 5). 170 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge Abbildung 4: Gemessene Lagerkraft eines 5-achsigen Lkws mit Geschwindigkeit von 90 km/ h und dessen statisches Gewicht Abbildung 5: Gemessene Lagerkräfte zu statischem Gewicht für den 5-achsigen und 3-achsigen Lkw 2.5 Datenauswertung Die Grundanforderung an MMS-Kalottenlager ist die Kontrolle ihrer Betriebssicherheit bzw. Funktionstüchtigkeit. Dies geschieht durch die Überwachung der Verschiebungen der Gleitfläche, des zugehörigen akkumulierten Gleitweges und des Gleitspaltabstandes (siehe Abbildung 6). Während die maximalen Verschiebungswerte mit Bemessungswerten verglichen werden, ist der akkumulierte Gleitweg und der Gleitspaltabstand ein Maß für den Verschleiß des Gleitmaterials. Abbildung 6: Temperaturabhänige Verschiebung und akkumulierter Gleitweg der ebenen Gleitfläche Durch die Berücksichtigung des akkumulierten Gleitweges werden nicht nur die temperaturbedingten Effekte berücksichtigt, sondern auch die verkehrsbedingten (siehe Abbildung 7), die als Summe wesentlich größer sind, aber anspruchsvollere Sensoren und Auswerteverfahren erfordern. Abbildung 7: Verschiebung der ebenen Gleitfläche infolge Verkehr und akkumulierter Gleitweg Die zweite Anforderung an MMS-Kalottenlager ist, Informationen über den Brückenzustand zu gewinnen. Die Überwachung der vertikalen Eigenlasten (siehe Abbildung 8), der quasi-statischen Rotation der MMS-Lager und der Eigenfrequenzen der Brücke liefert Informationen über den Brückenzustand. Eine Änderung dieser Eigenschaften weist auf eine strukturelle Veränderung in Form von Steifigkeitsänderungen, ungleichmäßigen Setzungen usw. hin. Eine Beurteilung ist nur anhand einer langfristigen Auswertung möglich. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 171 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge Abbildung 8: Gemessene quasi-stationäre Auflasten für Lager 40/ 1 und 40/ 3 Die dritte Anforderung an MMS-Kalottenlager ist die Überwachung von Einwirkungseffekten, denen die Brücke ausgesetzt ist. Sie ist die anspruchsvollste Aufgabe, da temperatur- und verkehrsbedingte Einwirkungen nur sehr geringe Änderungen in den Sensorsignalen verursachen. So verursacht z.B. ein 20-Tonnen-LKW eine Druckänderung von etwa 1 N/ mm 2 in jedem Lager. Die MMS-Lager messen die Belastungen durch den fließenden Verkehr mit einer Genauigkeit von ±10 %. Eine Peakerkennung (siehe Abbildung 9) mit einer reduzierenden Klassifizierung führt zu einem verkehrsinduzierten Einwirkungskollektiv der Brücke (siehe Abbildung 10.). Wenn der Abstand der Fahrzeuge ausreichend groß ist, wird das Gewicht eines einzelnen Fahrzeugs erfasst. Fahrzeuge, die zu dicht hintereinander fahren oder nebeneinander zeitgleich die Achse 40 kreuzen, verursachen einen verschmierten bzw. einen Doppel-Peak. Daher werden Peaks gemessen, die größer sind als das zulässige Maximalgewicht von 40 Tonnen auf deutschen Autobahnen. Eine mit MMS-Lagern ausgestattete Brücke wird zu einem Bridge-Weigh-in-Motion-System. Abbildung 9: Gemessene fluktuierende Lagerkräfte und detektierte Maxima Abbildung 10: Lastkollektiv der Maxima der fluktuierenden Lagerkräfte für Zeitraum Januar 2017 bis Dezember 2018 Abbildung 11: Draufsicht auf die intelligente Schwenktraversendehnfuge 172 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge 3. MMS Schwenktraversendehnfuge 3.1 Allgemeines Wasserdichte Modulardehnfugen vom Typ “Schwenktraverse” kommen in vielen größeren Brückenbauwerken zur Überbrückung der Bewegungsfugen zum Einsatz. Dieser Typ von Übergangskonstruktion erlaubt die Aufnahme von Verschiebungen und Verdrehungen des Brückenbauwerkes in allen Richtungen. Die Bewegungskapazität in Längsrichtung kann dabei mehrere Meter betragen. Zur Minderung der Überfahrgeräusche können rautenförmige Platten auf die Oberseite aufgebracht werden. Da Übergangskonstruktionen direkt in Kontakt mit den überfahrenden Fahrzeugen kommen, eignen sie sich gut dafür, durch integrierte Sensorik folgende Verkehrsdaten zu erfassen: • Achslasten • Geschwindigkeit der überfahrenden Achsen • Achsabstände • Achsanzahl • Fahrzeuggesamtgewicht • Fahrzeugtyp und -konfiguration [3] Zusätzlich erlaubt die Überwachung der Sensorsignale eine Zustandsdiagnose der Übergangskonstruktion selbst. 3.2 Aufbau der MMS Schwenktraverse In der „intelligenten Brücke“ wurde eine instrumentierte Schwenktraversendehnfuge verbaut, deren Aufbau sich an den Ergebnissen des IFuLa-Forschungsprojektes [4] orientiert, vgl Abbildung 11. Die wesentlichen Merkmale sind hierbei: • Wasserdichte Ausführung mit integrierter Messung der Verkehrslasten • Genehmigung durch Zustimmung im Einzelfall • Austauschbare Sensoren • Einfache Austauschbarkeit gegen eine herkömmliche Fugenkonstruktion • Gesamtdehnweg mindestens 260mm • Im Rahmen dieser Anforderungen wurde die DS320GOi entwickelt, eine angepasste vierprofilige Schwektraversendehnfuge mit Geräuschminderung und folgenden Zusatzmerkmalen: • Kraftsensoren in den Randlagern der Traversen zur Messung impulsartiger Belastungen aus Verkehr mit zeitlicher Auflösung < 1ms • Mechanische Trennung der Lamellen pro Fahrspur um die Beeinflussung durch nebeneinander fahrende Fahrzeuge zu verringern • Angepasste Dichtprofile um trotz Fahrspurtrennung die Wasserdichtigkeit gewährleisten zu können • Rautenförmige Lärmminderungsplatten auf der Oberseite der Lamellen um den Anprall der Reifen auf der Lamellenoberseite zu verringern. • Sensoren zur Messung der Spaltweite für jede Spur • Zusätzlich zu den Sensoren befindet sich die nötige Elektronik zur Signalaufbereitung, -verstärkung, -aufzeichnung und -auswertung in einem in der Nähe installierten Schaltschrank mit Stromversorgung und Netzwerkanschluss. 3.3 Sensoranordnung Die Sensoren sind im oder entlang des Steuerungssystems der Dehnfuge angebracht, vgl. Abbildung 12. In den Randlagern der Traversen sind an beiden Enden Auflastsensoren angebracht, wodurch sich die Lasteinleitung durch überfahrende Reifen genau lokalisieren lässt. Abbildung 12: Anordnung der Sensoren im Fugenquerschnitt Parallel zu den Traversen sind Seilzugsensoren angeordnet, die den Abstand der ersten und dritten Lamelle voneinander messen. Dieser für die Auswertung maßgebliche Abstand ist durch das Schwenktraversensteuersystem proportional zur Gesamtspaltweite der Fuge. 3.4 Datenerfassung und -verarbeitung Die Sensordaten werden kontinuierlich aufgezeichnet und vor Ort ausgewertet. Durch präzise Zeitsynchronisation der den Sensoren zugeordneten Messverstärker kann sichergestellt werden, dass die Messergebnisse zusammen verarbeitet und ggf. mit anderen Messsystemen abgeglichen werden können. Die Verarbeitung der Daten erfolgt asynchron zur Messung in 10-Minuten-Intervallen. Durch eine ausreichend hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit ist jedoch sichergestellt, dass anfallende Daten schneller analysiert werden als neue Messdaten anfallen. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 173 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge Zur Aufbereitung, Analyse und strukturierten Ablage der Daten kommt eine eigens entwickelte Software zum Einsatz, welche vollautomatisiert die folgenden Schritte abarbeitet: 6. Einlesen der Rohdaten und Kontrolle der Datenqualität 7. Selbstdiagnose (Grenzwert- und Trendüberwachung der Messwerte) 8. Dynamische Offsetkorrektur der Kraftsignale 9. Detektion von Einzelachsüberfahrten 10. Ermittlung von Geschwindigkeit und Auflast der Achse 11. Gruppierung der Achsen zu Fahrzeugen 12. Bestimmung von Fahrzeugkategorie, -geschwindigkeit und -gesamtgewicht 13. Ergebnisausgabe 3.5 Ergebnisauswertung Das Hauptziel der Datenerfassung ist die Erkennung und Identifikation von Fahrzeugen. Zu diesem Zweck wird die Summe der Auflastsignale einer Fahrspur nach Lastspitzen durchsucht, welche die Überfahrtzeitpunkte von Einzelachsen repräsentieren. Um sicherzustellen, dass nur Lastspitzen gezählt werden, die tatsächlich zu Überfahrtereignissen gehören, wird das Signal vorher einer Filterung unterzogen welche das Über- und Nachschwingen der mechanischen Komponenten der Fahrbahnübergangskonstruktion eliminiert. Mit dieser Methode gelingt die Detektion der Überfahrtereignisse dabei so sensitiv, dass selbst leichte Fahrzeuge wie Motorräder erkannt und sicher von Störanregungen (wie z.B. Überfahrten auf der Nachbarspur) unterschieden werden können, wie in Abbildung 13 dargestellt. Abbildung 13: Überfahrterkennung mit Ausfilterung eines Störsignals Aus der Liste der so gefundenen Achsüberfahrten wird im Anschluss nach den korrespondierenden lokalen Maxima im Rohsignal der Kraftwerte gesucht. Aus der Amplitude lässt sich die Achslast bestimmen und aus der Dauer der Lasteinwirkung kann unter Berücksichtigung der momentanen Spaltweite die Geschwindigkeit der Achse errechnet werden. Berücksichtigt man übliche Achsabstände innerhalb von Fahrzeugen, kann über die Geschwindigkeit und den zeitlichen Abstand aufeinanderfolgender Achsen eine Gruppierung der Einzelachsen zu Fahrzeugen vorgenommen werden. Anhand des Gewichtes, der Achsanzahl und -abstände sowie der Geschwindigkeit lassen sich dann die Fahrzeuge nach dem 5+1-Schema aus COST 323[5] klassifizieren. 3.6 Verifikation und Kalibrierung der Messung Eine Herausforderung bei der Messung der Gewichte von Fahrzeugen, die sich mit hoher Geschwindigkeit über die Messstelle bewegen, ist die Tatsache, dass dynamische Effekte das Verhältnis zwischen tatsächlichem Gewicht und gemessenem Wert in nicht vernachlässigbarer Höhe beeinflussen. Insbesondere die Diskontinuität der Fahrbahnoberfläche, die durch eine Fahrbahnübergangskonstruktion immer gegeben ist (welche durch die Lärmminderungs-vorrichtung zwar abgemildert aber nicht ganz eliminiert wird), 174 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge führt zu einer impulsartigen Anregung der schwingungsfähigen Systeme „Fahrzeug“ und „Übergangskonstruktion“. Zur Abschätzung der dynamischen Effekte wurden Versuchsfahrten mit definiert beladenen LKW bei verschiedenen Geschwindigkeiten durchgeführt. Die Auswertung der an der Fuge gemessenen Geschwindigkeiten und Fahrzeuggesamtgewichte zeigt, dass mit zunehmender Geschwindigkeit nicht nur die Streuung der gemessenen Gewichte zunimmt, sondern auch eine Tendenz zu erkennen ist dass die Gewichte unterschätzt werden. Um zuverlässigere Ergebnisse zu generieren, ist es notwendig, dass die dynamischen Effekte in der Auswertung weitestgehend eliminiert werden. Um den dynamischen Einfluss der Fahrzeuge (deren Eigenschaften prinzipiell nicht im Detail bekannt sind) vom dem der Übergangskonstruktion (welche im Wesentlichen dieselben Eigenschaften beibehält) zu trennen, wurden beide Systeme sowie deren Interaktion mit einem Mehrkörpersimulationsmodell nachgebildet und analysiert [6]. Die Parametrierung des Modells erfolgte anhand der bei den Kalibrierfahrten gewonnenen Daten. Abbildung 14: Vergleich von Simulations- und Messergebnissen bei Testfahrten mit 90 km/ h Abbildung 14 zeigt, dass zwischen Simulation und Messung eine gute Übereinstimmung besteht. Durch Variation der Fahrzeug- und Fugenparameter lässt sich zeigen, dass der dominante Anteil der schwingungsbedingten Abweichung zwischen statischem Fahrzeuggewicht und Messsignal aus dem Nachschwingen der Übergangskonstruktion kommt. Besonders stark tritt hier die erste Eigenfrequenz der Lamellen mit ca. 100Hz hervor. Diese Erkenntnis macht es möglich, einen Kompensationsansatz zu formulieren, indem in der Auswertesoftware das Schwingungsverhalten der Fuge als gedämpfter Ein-Masse-Schwinger nachgebildet wird. Die solcherart ermittelte Schwingung wird dann vom gemessenen Kraftsignal abgezogen, wodurch sich wie in Abbildung 15 gezeigt der quasistatische Soll-Verlauf der Last-Zeitkurve näherungsweise rekonstruieren lässt. Abbildung 15: Echtzeitkompensation dynamischer Effekte 4. Zusammenfassung und Ausblick Es konnte gezeigt werden, dass instrumentierte Fahrbahnübergänge und Kalottenlager zur Überwachung und Analyse der Verkehrseinwirkung auf Brückenbauwerke geeignet sind. Zusätzlich dazu lassen sich aus den gewonnenen Daten wertvolle Erkenntnisse über den Zustand des Bauwerkes und der Komponenten ableiten, wodurch ein präventives Erhaltungsmanagement unterstützt werden kann. Durch die effiziente vollautomatisierte Vor-Ort-Auswertung der Daten kann eine Brücke mit den instrumentierten Komponenten entweder als autarke Einheit betrieben werden oder durch Anbindung an ein Datennetz auch mit anderen Datenquellen und Ergebnisdatenbanken kombiniert werden. 5. Danksagung Die Autoren bedanken sich für die finanzielle Unterstützung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sowie die Vor-Ort-Unterstützung durch die Autobahndirektion Nordbayern im Rahmen des Projektes „Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn“. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 175 Intelligente Brücke im Digitalen Testfeld Autobahn - Digitale Bauwerkskomponenten: Instrumentierte Lager und Fahrbahnübergänge Literatur [1] Haardt, Dabringhaus, Friebel, Bayerstorfer, Bäumler, Freundt: Die Intelligente Brücke im digitalen Testfeld Autobahn, Betonbau, Ernst und Sohn Verlag, 2017 [2] Lau, F., Boldt, D., Fischer, S.: Ein drahtloses Sensornetzwerk zur Bauwerksüberwachung - Für Auto- und Eisenbahnbrücken, Brückenbaukolloquium, Technische Akademie Esslingen, 2018 [3] Technische Lieferbedingungen für Streckenstationen (TLS) , Bundesanstalt für Straßenwesen 2012 [4] Butz, C.; Mangerig, I; Friedl, R.; Adam, A.: Intelligente Schwenktraversendehnfuge und intelligentes Kalottenlager, Schlussbericht (unveröffentlicht), FE-Nr. 88.110-88.112, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, 2017 [5] B. Jacob (editor): COST 323 “Weigh-in-Motion of Road Vehicles” Final Report, Laboratoire Central des Ponts et Chaussées, 2002 [6] Rill, D., Butz, Ch., Rill, G.: Dynamic Interaction of Heavy Duty Vehicles and Expansion Joints, EC- COMAS Thematic Conference on Multibody Dynamics, Duisburg, Germany, 2019
