eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 1/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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expert verlag Tübingen
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2021
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Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung

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2021
Georg Mayer
Anne Lehan
Unser Verkehrssystem wird in Zukunft zunehmend aus vernetzten, intelligenten und automatisierten Fahrzeugen bestehen. Sie werden Teil eines intelligenten Gesamtsystems sein, das durch eine nahtlose Interaktion von Fahrzeugen und Infrastruktur gekennzeichnet ist. Grundlage hierfür bildet die C2X-Kommunikation, welche einen Informationsaustausch zwischen einzelnen Fahrzeugen (Car to Car bzw. C2C) sowie zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen (Car to Infrastructure bzw. C2I) ermöglicht. Die hierzu erforderlichen Spezifikationen zu einzelnen Funktionen, Funkschnittstellen, Kommunikationsprotokollen, IT-Sicherheitslösungen sowie der fahrzeugseitigen und infrastrukturseitigen Kommunikationseinheiten wurden im Rahmen des Forschungsprojektes SIM-TD1 erarbeitet. Erste Streckenabschnitte im Freien sind mit sogenannten Road-Side-Units (RSU2) ausgestattet, die eine Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur (C2I) ermöglichen. Des Weiteren statten inzwischen immer mehr Fahrzeughersteller ihre Fahrzeuge bereits serienmäßig mit entsprechenden Übertragungseinrichtungen (CCU3) aus, um Daten und Meldungen zwischen einzelnen Fahrzeugen (C2C) sowie zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen (C2I) direkt auszutauschen. Straßentunnel wurden bisher jedoch noch nicht mit entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten ausgestattet. Durch die Verwendung von fahrzeuggenerierten Daten und Meldungen in der Überwachung von Tunnelanlagen sowie durch die Möglichkeiten einer direkten Verkehrsbeeinflussung, aber auch durch innovative Verfahren der Datenanalyse und Bewertung ergeben sich völlig neue Perspektiven zur Verbesserung der Sicherheit in Straßentunneln. Im Zuge dieses Beitrages wird aufgezeigt, welche Potentiale sich aus der Nutzung der C2X-Technologie in Straßentunneln ergeben, welche technischen Voraussetzungen erforderlich sind und wie der aktuelle Stand der Forschung hierzu ist.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 191 Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung Dr.-Ing. Georg Mayer Geschäftsführender Gesellschafter und Zweigniederlassungsleiter, BUNG Ingenieure AG, Zweigniederlassung Stuttgart, König-Karl-Straße 43, 70372 Stuttgart, Deutschland Regierungsrätin Dipl. Wirt.-Ing. Anne Lehan Referat B3 Tunnel- und Grundbau, Tunnelbetrieb, Zivile Sicherheit, Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Brüderstraße 53, 51427 Bergisch Gladbach, Deutschland Zusammenfassung Unser Verkehrssystem wird in Zukunft zunehmend aus vernetzten, intelligenten und automatisierten Fahrzeugen bestehen. Sie werden Teil eines intelligenten Gesamtsystems sein, das durch eine nahtlose Interaktion von Fahrzeugen und Infrastruktur gekennzeichnet ist. Grundlage hierfür bildet die C2X-Kommunikation, welche einen Informationsaustausch zwischen einzelnen Fahrzeugen (Car to Car bzw. C2C) sowie zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen (Car to Infrastructure bzw. C2I) ermöglicht. Die hierzu erforderlichen Spezifikationen zu einzelnen Funktionen, Funkschnittstellen, Kommunikationsprotokollen, IT-Sicherheitslösungen sowie der fahrzeugseitigen und infrastrukturseitigen Kommunikationseinheiten wurden im Rahmen des Forschungsprojektes SIM-TD 1 erarbeitet. Erste Streckenabschnitte im Freien sind mit sogenannten Road-Side-Units (RSU 2 ) ausgestattet, die eine Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur (C2I) ermöglichen. Des Weiteren statten inzwischen immer mehr Fahrzeughersteller ihre Fahrzeuge bereits serienmäßig mit entsprechenden Übertragungseinrichtungen (CCU 3 ) aus, um Daten und Meldungen zwischen einzelnen Fahrzeugen (C2C) sowie zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen (C2I) direkt auszutauschen. Straßentunnel wurden bisher jedoch noch nicht mit entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten ausgestattet. Durch die Verwendung von fahrzeuggenerierten Daten und Meldungen in der Überwachung von Tunnelanlagen sowie durch die Möglichkeiten einer direkten Verkehrsbeeinflussung, aber auch durch innovative Verfahren der Datenanalyse und Bewertung ergeben sich völlig neue Perspektiven zur Verbesserung der Sicherheit in Straßentunneln. Im Zuge dieses Beitrages wird aufgezeigt, welche Potentiale sich aus der Nutzung der C2X-Technologie in Straßentunneln ergeben, welche technischen Voraussetzungen erforderlich sind und wie der aktuelle Stand der Forschung hierzu ist. 1. Einführung Der sichere Betrieb von Straßentunneln erfordert umfassende und detaillierte Informationen über die Vorgänge im Verkehrsraum, um im Gefahrenfall schnell und angemessen reagieren zu können. Bisher erfolgt die Bereitstellung der Informationen ausschließlich über infrastrukturseitig installierte Sensoren. Abhängig von der geforderten technischen Ausstattung eines Tunnels werden Sensoren zur Erfassung der Luftqualität, Leuchtdichte, Fahrbahnzuständen, Verkehrsdaten und Verkehrszuständen, Brandereignissen etc. erforderlich. Diese sind überwiegend über die Automatisierungsebene an die Anlagenleitebene (Betriebszentrale) bzw. die übergeordnete Leitebene einer 24 h besetzten Stelle (Tunnelleitzentrale) angebunden und ermöglichen so Rückschlüsse auf Unregelmäßigkeiten im Verkehrsraum. Ereignisse, die ein Eingreifen durch die Leittechnik bzw. durch Operatoren erfordern, sind beispielsweise: stockender Verkehr, Stau, Langsamfahrer, Liegenbleiber, Pannenbuchtbelegung, Seitenstreifennutzung, Falschfahrer, Gegenstände auf der Fahrbahn, Personen auf der Fahrbahn, glatte Fahrbahn, Unfall, Fahrzeugbrand, Gefahrgutfreisetzung, Grenzwertüberschreitungen (Sicht, CO, NOx) etc. Vielfach werden die Informationen lediglich punktuell erfasst und erlauben nur indirekt Rückschlüsse auf ein auslösendes Ereignis. Unfälle lassen sich beispielsweise über einen Rückstau erkennen, Brände über einen Temperaturanstieg oder die Detektion von Rauch. 1 SIM-TD: Sichere Intelligente Mobilität - Testfeld Deutschland (BMWi, BMBF, BMVBS 2008-2013) 2 RSU: Roadside Unit zur Kommunikation über W-LAN und LAN/ WAN 3 CCU: Communication Control Unit zur Kommunikation über Mobilfunk und W-LAN Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 192 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Durch den Einsatz von Systemen mit automatischer Bildauswertung (Videodetektionssystemen) können bei entsprechender Anordnung der Kameras zur lückenlosen Überwachung des Verkehrsraums und der Verwendung von entsprechenden Bildanalysetools ggf. schneller detailliertere Informationen über die Situation innerhalb eines Tunnels bereitgestellt werden. Ergänzend wird in österreichischen Tunneln seit 2016 ein Akustisches Tunnel Monitoring System (AKUT) eingesetzt, das über eine Geräuschanalyse auf Unfallereignisse schließt. Erfahrungen zeigen, dass dadurch eine signifikante Verbesserung in der Erkennung von Unfallereignissen erzielt werden kann. Um überhitzte Fahrzeuge bereits vor der Einfahrt in einen Tunnel erkennen und anhalten zu können, werden verschiedentlich Thermoscanner eingesetzt, die über eine Kombination aus Laserscanner und Wärmebildkamera (Infrarotkamera) Fahrzeuge auf Temperaturanomalien analysieren. Derzeit befindet sich ein derartiges System im Zuge der Sanierung des Engelbergtunnels (A81, bei Stuttgart) im Einsatz, um Gefahrguttransporte auf ihre Durchfahrtstauglichkeit zu überprüfen. Zur Erkennung von Gefahrguttransporten und den von ihnen transportierten Gütern wurden im Rahmen des Verbundforschungsprojekts SKRIBT/ SKRIBT+ 4 Verfahren entwickelt, die über stationäre Kameras Gefahrguttafeln an vorbeifahrenden Fahrzeugen erfassen und auslesen. Aufgrund ihrer physikalischen Messprinzipien weisen sämtliche Sensoren unterschiedliche Vor- und Nachteile auf, die zu Problemen wie Nicht-Detektion von Ereignissen, lange Detektionszeiten und/ oder Fehlalarmen führen. Zur Behebung dieser Probleme wurde im Rahmen des Projektes TSFu 5 ein Verfahren entwickelt und umgesetzt, das durch die intelligente Fusion ausgewählter Sensoren die Zuverlässigkeit und Schnelligkeit in der Detektion erhöht. Das grundsätzliche Problem, dass durch infrastrukturseitig vorgehaltene Detektionssysteme lediglich die Auswirkungen/ Folgen, jedoch nicht die Ursache eines Ereignisses erfasst werden können, bleibt dadurch aber bestehen. In modernen Fahrzeugen wird eine Reihe der zur Überwachung eines Tunnels erforderlichen Daten bereits über fahrzeugeigene Sensoren kontinuierlich erfasst und über die bordeigenen Systeme ausgewertet. So werden beispielsweise Informationen über die momentane Fahrzeugposition, die Fahrgeschwindigkeit, die Fahrtrichtung, Spurwechselvorgänge, Abstände zum vorausfahrenden Fahrzeug, die Längs- und Querbeschleunigung, den Fahrbahnzustand (trocken, nass, glatt), die Außentemperatur, die Beleuchtungsverhältnisse, den Zustand des Airbags etc. gesammelt und verarbeitet. Bei Auslösen eines Airbags kann beispielsweise direkt und ohne Zeitverzug auf einen Unfall geschlossen werden. Ein Liegenbleiber lässt sich über die Fahrgeschwindigkeit und das Aktivieren der Warnblinkanlage identifizieren. Die Nutzung einer Pannenbucht oder eines Seitenstreifens kann über die Geschwindigkeit und Spurinformation erfolgen. Ein Fahrzeugbrand kann z.B. über die Temperatur im Motorraum oder im Innern des Fahrzeugs erkannt werden. Mit Hilfe neuer Kommunikationstechnologien wird es möglich, Daten und Meldungen zwischen einzelnen Fahrzeugen (Car to Car bzw. C2C) sowie zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen (Car to Infrastructure bzw. C2I) direkt auszutauschen. Die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Straßeninfrastruktur (wie z.B. Betriebszentralen, Tunnelleitzentralen, Verkehrsrechnerzentralen usw.) erfolgt über sogenannte Road Side Units (RSU). Diese bilden die Schnittstelle zwischen der luft und der kabelgebundenen Übertragung. Wesentliche Grundlagen zur Kommunikation zwischen einzelnen Fahrzeugen (C2C) sowie zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen (C2I) wurden im Rahmen des Forschungsprojektes SIM-TD erarbeitet. Ziel des Forschungsprojektes war es, eine Standardisierung der C2X-Technologie zu erreichen. Im Verbund aus Automobilherstellern und -zulieferern, Forschungsinstitutionen sowie Planern von verkehrstechnischen Einrichtungen erfolgte die Spezifikation von: • Car2X-Funktionen, • Funkschnittstellen (WLAN, Mobilfunk), • Kommunikationsprotokollen, • IT Sicherheitslösungen, • Fahrzeugseitige Subsystemen, - Kommunikationseinheit (Communication Unit (CCU), - Human Machine Interface (HMI), • Infrastrukturseitige Subsystemen - Road Side Units (RSU) - Verkehrszentrale. Die Umsetzung der in SIM-TD entwickelten Systemarchitektur wurde mittels eines groß angelegten Feldversuchs im Raum Frankfurt erprobt. Das Testfeld umfasste unter anderem die BAB A5 zwischen der Tank- und Rastanlage Wetterau und dem Westkreuz Frankfurt a.M. sowie mehrere umschließende Verbindungen aus Landstraßen sowie der Bundesstraßen B 3 und B 455. Durch das Projekt Cooperative ITS Corridor (C-ITS) 6 findet die C2X-Technologie erstmals in einem größeren räumlichen Zusammenhang Anwendung. Die für Verkehr zuständigen Ministerien aus den Niederlanden, Österreich und Deutschland haben sich im Jahr 2013 darauf verständigt, im Korridor Rotterdam - Frankfurt/ Main - Wien kooperative Systeme aufzubauen. Der 4 SKRIBT / SKRIBT(+): Schutz kritischer Brücken und Tunnel im Zuge von Straßen (BMBF, 2009-2011 / 2012-2015) 5 TSFu: Tunnelsicherheit durch intelligente Sensor-Fusion (bmvit, FFG, ASFINAG, 2014-2015, Um-setzung im Pilotprojekt: ASFI- NAG, 2016-2017) 6 C-ITS: Cooperative Intelligent Transport Systems and Services Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 193 Fokus liegt hierbei auf der Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktureinrichtungen. Die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastrukturen erfolgt hierbei auf Basis des WLAN-Standards 802.11p. Ziel des Forschungsprojektes ist es, durch kooperative Systeme (C2I) die Verkehrssicherheit zu erhöhen sowie den Verkehrsfluss zu verbessern. Im Rahmen des Projekts wurde eine Systemarchitektur einschließlich Datenmodell und Schnittstellenanforderungen entwickelt, um vor Tagesbaustellen frühzeitig warnen zu können und durch die Nutzung von fahrzeugbasierten Daten in Verkehrsrechnerzentralen (VRZ) ein verbessertes Verkehrsmanagement zu ermöglichen. Durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll ein europäischer Standard für die C2X-Kommunikation geschaffen werden, der offen für die Integration weiterer kooperativer Dienste ist und zur Harmonisierung der C2X-Technologie beiträgt. Die Betrachtung von Ereignissen in Straßentunneln war jedoch weder in SimTD noch in C-ITS Gegenstand der Entwicklungen. Mehrere Fahrzeughersteller gehen inzwischen dazu über, ihre Fahrzeuge mit entsprechenden Komponenten für die C2X-Kommunikation auszustatten. Volkswagen stattet seine Fahrzeuge seit 2019 mit entsprechenden C2X- Komponenten aus. Der VW Golf VIII wird damit als erstes Fahrzeug serienmäßig ausgeliefert. Die Kommunikation mit der Infrastruktur erfolgt hierbei über den WLAN 802.11p Standard. Vermutlich werden andere Fahrzeughersteller mit vergleichbaren Ausstattungen nachziehen. Da die C2X-Kommunikation auch als eine der Grundvoraussetzungen für das autonome Fahren gilt, wird dies ebenfalls zu einer weiteren Verbreitung der C2X-Technologie führen. 2. Fahrzeugseitige Subsysteme Im Fahrzeugrechner, der sog. Application Unit (AU), werden die Informationen aus den Fahrzeugsensoren bzw. die über eine Communication Unit (CCU) erhaltene Meldungen in Echtzeit analysiert und im Bedarfsfall Steuerbefehle an die Fahrzeugaktoren gesendet bzw. Meldungen an den Fahrzeugführer oder die Kommunikationseinheit übermittelt. Der Austausch der Informationen zwischen den einzelnen Steuergeräten und Detektoren/ Sensoren innerhalb eines Fahrzeugs erfolgt kabelgebunden über standardisierte Datenbussysteme wie z.B. Controller Area Network (CAN) und Flexray. Für die C2X-Kommunikation sind hierbei insbesondere die Communication Unit (CCU) sowie ein Human Machine Interface (HMI) essentiell. 2.1 Kommunikationseinheit (Communication Unit (CCU)) Die Communication Unit dient der funkgestützten Kommunikation eines Fahrzeugs mit seiner Umgebung. Sie verarbeitet über Mobilfunk oder WLAN eingehende Informationen und übernimmt das Lesen und Aufbereiten der Fahrzeugdaten zur Kommunikation nach außen. Hierzu greift die CCU lesend auf den Fahrzeugdatenbus zu, um beispielsweise den Zustand der Blinker, des Regensensors oder der Nebelscheinwerfer zu erhalten. Die hierzu erforderliche Elektronik kann typischerweise in einer Box mit Abmessungen im Format einer Vesperdose untergebracht werden. Ein Beispiel einer Kommunikationseinheit zeigt nachfolgende Abbildung 1. 2.2 Human Machine Interface (HMI) Die Kommunikation mit dem Fahrer erfordert ein Human Machine Interface (HMI), das Meldungen und Informationen optisch und auch akustisch übermitteln kann. Mögliche Warnmeldungen sind beispielsweise: Abbildung 1: Beispiel einer Communication Unit (CCU) / Kommunikationseinheit (Quelle: ADAC) • Stauende in x m • Stehendes Fahrzeug voraus • Pannenfahrzeug voraus • Einsatzfahrzeug von rechts, von links, von hinten • Notbremsung eines vorausfahrenden Fahrzeugs • Baustellen (Kommunikation über Warnanhänger) Ein Beispiel für ein in das Armaturenbrett integriertes Anzeigensystem zeigt nachfolgende Abbildung 2. Abbildung 2: Human Machine Interface (HMI) / Mensch-Maschine-Schnittstelle (Quelle: ADAC) Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 194 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 3. Infrastrukturseitige Subsysteme Infrastrukturseitig werden Einrichtungen zum Senden und Empfangen von Daten und Informationen an bzw. von den Fahrzeugen sowie zur Überwachung und Lagebeurteilung benötigt. Der Daten- und Informationsaus-tausch zwischen Infrastruktur und Fahrzeugen kann über Mobilfunk oder spezielle Sende- und Empfangseinrichtungen, den sog. Road Side Units (RSU), erfolgen. Im Folgenden wird auf die Übertragung mittels RSU näher eingegangen. Infrastrukturseitig werden die RSU über kabelgebundene Netze an die Verkehrsrechnerzentralen bzw. Tunnelleitzentralen angebunden. 3.1 Road Side Units (RSU) Infrastrukturseitig bilden die RSU das zentrale Element zur drahtlosen Kommunikation mit den Fahrzeugen. Sie können am Straßenrand auf Masten und an Wänden oder quer zur Straße oberhalb von Fahrbahnen an Schilderbrücken, Straßenbrücken, Tunneldecken etc. platziert werden. Sie dienen der Erfassung und Bereitstellung von Daten und Informationen von bzw. an Fahrzeuge und sind das Bindeglied zwischen den Verkehrsteilnehmern und den ortsgebundenen C2X-Teilnehmern (Infrastruktur, Verkehrszentralen, Tunnelleitzentralen usw.). Die RSU besteht analog zu der Kommunikationseinheit in den Fahrzeugen aus einer CCU (WLAN-Empfänger) und einer AU. Die Datenübertragung zwischen der RSU und den anderen ortsgebundenen Teilnehmern erfolgt über kabelgebundene Netzwerke (LAN, WAN) mit hoher Bandbreite, um den über die Fahrzeuge generierten Datenstrom möglichst ohne Zeitverzug weiterleiten zu können. Durch eine Glasfaseranbindung kann eine ausreichende Bandbreite bereitgestellt werden. Neben der Informationsweiterleitung findet innerhalb der RSU auch eine Vorverarbeitung der Daten statt. Die der RSU übertragenen Funktionsanteile sind hierbei lediglich durch die Hardwareressourcen (Speicher, CPU etc.) sowie der endlichen Daten-Bandbreite limitiert. Da die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der RSU zeitlich sehr begrenzt ist, wirkt sich dies auch auf das übertragbare Datenvolumen limitierend aus. Für Parametrierungs und Wartungszwecke kann dabei vollständig von der Zentrale (Verkehrsrechnerzentrale / Tunnelleitzentrale) aus auf die RSU zugegriffen werden. Abbildung 3 zeigt beispielhaft die Ausführung und einer RSU und deren Anordnung oberhalb einer Fahrbahn. Abbildung 3: RSU (Quelle: Siemens) 3.2 Verkehrsrechnerzentrale / Tunnelleitzentrale Die über die RSU erfassten Daten und Informationen dienen in den Zentralen (Verkehrsrechnerzentrale/ Tunnelleitzentrale) als Grundlage für die Beurteilung der momentanen Lage. Die Daten werden dort zu einem Gesamtbild zusammengefügt und bilden die Basis für verschiedene Managementsysteme (z.B. Ereignismanagement, Strategiemanagement, Verkehrliches Störungsmanagement, Verkehrsinformationsmanagement, Baustellenmanagement etc.). Ziel ist es, dadurch ein hohes Maß an Verkehrssicherheit zu gewährleisten, den Verkehr flüssig zu halten, Verkehrsteilnehmer über Ereignisse zu informieren und die hierfür notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Die Information der Verkehrsteilnehmer kann dann von der Zentrale aus über die RSU direkt an die Fahrzeuge/ Verkehrsteilnehmer übermittelt werden. Im Gegensatz zur freien Strecke können im Ereignisfall in einem Tunnel (Brand, Gefahrgutfreisetzung) besondere Gefährdungen für die Verkehrsteilnehmer als auch das Bauwerk selbst entstehen. Zur Minimierung der Auswirkungen auf Nutzer und Bauwerk kommt der eindeutigen Identifikation sowie dem unmittelbaren Erkennen von gefährlichen Situationen eine besondere Bedeutung zu. Tunnel ab einer Länge von 400 m werden daher über eine 24 h besetzte Stelle überwacht. Dort laufen sämtliche Informationen über die aktuellen Verkehrs- und Betriebszustände zusammen und im Ereignisfall werden entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Verkehrsteilnehmer und des Bauwerks eingeleitet sowie Einsatzdienste unterstützend koordiniert. Nachfolgende Abbildung 4 zeigt beispielhaft die geplante Ausführung der Tunnelleitzentrale Hamburg. Abbildung 4: Geplante Tunnelleitzentrale Hamburg (Quelle: PTV) 4. Funkschnittstellen (Mobilfunk, WLAN) Die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und den Zentralen kann sowohl über eine Mobilfunkanbindung als auch über eine WLAN-Anbindung erfolgen. Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 195 4.1 Mobilfunk Bei der Kommunikation über Mobilfunk, erfolgt die Übertragung über Sende- und Empfangseinrichtungen (Basisstationen) von Mobilfunkbetreibern mit entsprechenden Gebühren für den Netzzugang für den Endnutzer. Die über Mobilfunk erzielbaren Reichweiten und Datenübertragungsraten sind abhängig von der verwendeten Funkfrequenz. Mit niedrigeren Funkfrequenzen werden größere Reichweiten, jedoch geringere Datenübertragungsrate erzielt. Umgekehrt werden mit höheren Funkfrequenzen geringere Reichweiten, jedoch größere Datenübertragungsraten erreicht. Die Unterstützung des Mobilfunkstandards der 3. Generation (3G), Universal Mobile Telecommunications System (UMTS), wird von den Netzbetreibern im Jahr 2021 eingestellt. Weiter unterstützt wird der Mobilfunkstandard Long Term Evolution (LTE), der auch als 3.9G bezeichnet wird. Der LTE-Standard ermöglicht eine Datenrate von 0,3 Gbit/ s und eine Latenzzeit von 10 ms bis 40 ms. Weit verbreitet ist derzeit der Mobilfunkstandard der 4. Generation (4G), Long Term Evolution - Advanced (LTE-A oder LTE+). Dadurch werden Datenraten von bis zu 1 Gbit/ s und eine Latenzzeit von 10 ms erreicht. Einen groben Überblick über die mittels LTE erzielbaren Reichweiten und Datenübertragungsraten gibt nachfolgende Tabelle 1 in Abhängigkeit von der Frequenz. Frequenz Reichweite Datenübertragungsrate 800 MHz ≤ 10 km (max. 15 km) ≤ 75 Mbit/ s 1,8 GHz ≤ 4 km ≤ 150 Mbit/ s 2,1 GHz ≤ 3 km ≤ 150 Mbit/ s 2,6 GHz ≤ 2 km ≤ 150 Mbit/ s Tabelle 1: Kenngrößen zum Mobilfunkstandard der 4. Generation (4G) (Quelle: Telekom, Vodafone) Im Aufbau befindet sich derzeit der Mobilfunkstandard der 5. Generation (5G). Dieser Standard ermöglicht Datenraten von bis zu 10 Gbit/ s sowie Latenzzeiten von unter einer Millisekunde bis fünf Millisekunden. Aufgrund der kurzen Latenzzeiten wird mit 5G eine Echtzeitkommunikation möglich. Eine Zusammenstellung der Kenngrößen für den Mobilfunkstandard der 5. Generation enthält Tabelle 2. Frequenz Reichweite Datenübertragungsrate 700 MHz ≤ 10 km (max. 20 km) ≤ 200 Mbit/ s 2,0 GHz ≤ 3 km ≤ 500 Mbit/ s 3,6 GHz ≤ 1 km ≤ 1.000 Mbit/ s 26 GHz ≤ 0,3 km (≤ 1 km mit Beamforming) ≤ 10.000 Mbit/ s Tabelle 2: Kenngrößen zum Mobilfunkstandard der 5. Generation (5G) (Quelle: Telekom, Vodafone) 4.2 WLAN Grundlage für eine WLAN-Anbindung bilden die Spezifikationen in den IEEE 802.11 Normen zur Kommunikation in Funknetzwerken. Hierbei handelt es sich um einen bewährten und weitverbreiteten Radiowellen-Standard für die drahtlose Netzwerkkommunikation. Mit der Norm IEEE 802.11p wurden spezielle Festlegungen zur Anwendung in der Kommunikation zwischen einzelnen Fahrzeugen (C2C) und zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur (C2I) getroffen. Im Unterschied zu den anderen Elementen der 802.11 Normenfamilie werden anfänglicher Handshake und die Zeit für Assoziierungsprozesse auf ein Minimum beschränkt. Die Authentifizierungen, Verschlüsselungen sowie die komplette Identifizierung werden auf höhere Protokollebenen verschoben. Dadurch können essentielle Daten zwischen einzelnen Fahrzeugen sowie zwischen einem Fahrzeug und einer RSU sofort (≤ 1 ms) ausgetauscht werden. [9] Das in den USA zur Kommunikation von Fahrzeugen mit Teilnehmern in der näheren Umgebung entwickelte Dedicated Short-Range Communication (DSRC) baut auf dem IEEE 802.11p Standard auf. In Europa erfolgt diese Nahfeldkommunikation auf Basis des ITS-G5-Standards der ETSI 7 . Hierbei handelt es sich im Grunde um eine für den Europäischen Markt adaptierten Version des 802.11p Standards. Beide Standards (DSRC, ITS-G5) arbeiten in sehr ähnlichen Frequenzbereichen, die für eine ausschließliche Nutzung in kooperativen Systemen reserviert sind. Dadurch wird verhindert, dass Konflikte mit anderen WLAN-fähigen Geräten aus dem Consumer-Bereich wie z.B. Mobiltelefonen, Notebooks etc. entstehen. In den USA sind hierfür Frequenzen zwischen 5,850 und 5,925 GHz, in der EU Frequenzen zwischen 5,875 und 5,905 GHz freigegeben. DSRC und ITS-G5 ermöglichen eine sehr effektive Kommunikation zwischen sich schnell bewegenden Fahrzeugen. Es konnte gezeigt werden, dass damit auch bei Relativgeschwindigkeiten von 400 km/ h ein automatischer Austausch von Informationen zwischen Sender und Empfänger möglich ist. [7] Die 7 ETSI: European Telecommunications Standards Institute Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 196 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Reichweite beträgt im Freifeld mindestens 300 m, und die Daten können mit einer Rate von 3 bis 27 Mbit/ s zwischen den Teilnehmern übertragen werden. Ein wesentlicher Vorteil von WLAN gegenüber zellularen Funktechnologien, wie dem weitverbreiteten LTE, besteht darin, dass für den Nutzer keine Kosten für die Datenübertragung entstehen. Unter technischen Aspekten sind die geringeren Latenzzeiten, d.h. die Zeit um eine Verbindung zwischen Sender und Empfänger aufzubauen, von Vorteil. Nachteilig von WLAN ist, dass das Netzwerk lokal begrenzt ist und gegenüber dem WWAN (Wireless Wide Area Network) von Mobilfunkbetreibern über eine geringere Reichweite verfügt. Daher wird eine hohe Dichte an Sende- und Empfangseinheiten notwendig, um die gleiche Verfügbarkeit wie bei LTE herzustellen. Wird der Reichweitenabstand überschritten, können jedoch andere Fahrzeuge im so genannten Multihopping als Zwischenknoten zur Sicherstellung der Datenverbindung fungieren. Alternativ wird der Abstand der Roadside Units soweit verringert, dass diese direkt mit den CCU der Fahrzeuge Informationen im Singlehop-Verfahren austauschen können. [6] Mit Hilfe des Mobilfunkstandards der 5. Generation werden allerdings Latenzzeiten möglich, die denen von WLAN entsprechen. Gleichzeitig werden darüber deutlich höhere Datenübertragungsraten als mit WLAN erzielt. Unabhängig von der zugrundeliegenden Übertragungstechnik wird sich dadurch der grundsätzliche Aufbau von Kommunikationswegen jedoch nicht ändern. Die prinzipiellen Übertragungsmöglichkeiten sind in nachfolgender Abbildung 5 dargestellt. Abbildung 5: Übertragungsmöglichkeiten (Quelle: [8]) 5. Kommunikationsprotokolle Grundlage für die Beschreibung von Kommunikationsabläufen bilden die Festlegungen im OSI 8 -Schichtenmodell. Danach ähneln sich DSCR und C-ITS (ITS-G5) auf den unteren Ebenen des OSI-Modells, der Bitübertragungs- und Sicherungsebene, die den Zugang zu einer Kommunikation regeln. In den nachfolgenden höheren Netzwerk- und Transportebenen unterscheiden sie sich jedoch signifikant voneinander. Beide unterstützen TCP 9 / UDP 10 -over-IPv6 11 , nutzen aber für zeitsensitive Funktionen ihre eigenen, spezialisierten Datentransfer-Standards mit geringem Overhead. DSRC verwendet hierfür das WAVE 12 Short Message Protocol (WSMP), das Teil des IEEE 1609 ist. C-ITS nutzt hierfür die Protokolle GeoNetworking (GN) und Basic Transport Protocol (BTP), deren Spezifikation durch die ETSI in der Normenreihe EN 302 636 erfolgte [9]. Die Sitzungs- und Darstellungsschicht werden bei C- ITS zur Facility-Schicht zusammengefasst. Darin werden Nachrichten wie Cooperative Awareness Messages (CAM) und Decentralized Environmental Notification Messages (DENM) definiert. Eine zusammenfassende Gegenüberstellung der DSCR und ITS-G5 Protokollstacks im Vergleich zum ISO/ OSI- Modell enthält Tabelle 3. Nr. ISO/ OSI-Modell DSCR ITS-G5/ C-ITS 7 Anwendungsschicht (Application Layer) IEEE 1609.1 SAE J2735 Applications (Anwendungen) 6 Darstellungsschicht (Presentation Layer) Facilities (Anlagen) 5 Sitzungsschicht (Session Layer) 4 Transportschicht (Transport Layer) IEEE 1609.2 IEEE 1609.3 (WSMP) Networking & Transport 3 Vermittlungsschicht (Network Layer) 2 Sicherungsschicht (Data Link Layer) IEE 802.2 IEEE 1609.4 IEEE 802.11 Access (Zugang) 1 Bitübertragungsschicht (Physical Layer) IEEE 802.11p Tabelle 3: DSCR/ ITS-G5-Protokollstacks im Vergleich zum ISO/ OSI-Modell Im Folgenden erfolgt eine Beschreibung der im C-ITS definierten Protokollstapels. 8 OSI: Open Systems Interconnection 9 TCP: Transmission Control Protocol 10 UDP: User Datagram Protocol 11 IPv6: Internet Protocol Version 6 12 WAVE: Wireless Access for the Vehicular Environ-ment Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 197 5.1 Access Die Access-Schicht übernimmt die Aufgaben der Bitübertragungs- und Sicherungsschicht im ISO/ OSI-Modell. Grundlage bilden hierbei die im ITS-G5 Standard getroffenen Festlegungen zur drahtlosen Kommunikation. Danach erfolgt das Senden und Empfangen von Daten und Informationen über 2 Transceiver und 6 Übertragungskanäle. Der erste Transceiver bedient dabei einen Control Channel (Steuerkanal) zur Übermittlung von Nachrichten, welche die Verkehrssicherheit oder den Verkehrsfluss betreffen. Der zweite Transceiver versorgt 5 Service Channels, von denen zwei für Verkehrssicherheits- oder Verkehrsflussanwendungen und drei für Benutzeranwendungen zur Verfügung stehen. 5.2 Networking & Transport In der Schicht Networking & Transport erfolgt die Festlegung der Standards, die der Vermittlungs- und Transportschicht des ISO/ OSI-Modells entsprechen. Neben dem Einsatz von Standard-Netzwerkprotokollen, wie das Transmission Control Protocol (TCP), das User Datagram Protocol (UDP) und das Internet Protocol (IP) sieht diese Schicht auch die Verwendung der speziell für die Anwendung in mobilen Ad-hoc-Netzen entwickelten Protokolle GeoNetworking (GN) und Basic Transport Protocol (BTP) vor, in denen die Fahrzeuge die Netzknoten bilden. Die Protokolle können, wie folgt, den Schichten im OSI-Modell zugeordnet werden. Transportschicht • Basic Transport Protocol (BTP) • Transmission Control Protocol (TCP) • User Datagram Protocol (UDP) Vermittlungsschicht • GeoNetworking (GN) • Internet Protocol (IPv4, IPv6) 5.2.1 GeoNetworking Mit Hilfe des GeoNetworking Protokolls lassen sich Nachrichten geographisch adressieren und weiterleiten. Dadurch können die Informationen innerhalb eines geographisch beschränkten Bereichs gesendet werden. Die Netzwerkarchitektur spielt hierbei keine Rolle, so dass der Informationsaustausch sowohl innerhalb eines infrastrukturlosen Netzwerks als auch innerhalb eines infrastrukturbasierten Netzwerks bzw. auch in einem gemischten Netzwerk erfolgen kann. [3] 5.2.2 Basic Transport Protocol (BTP) Das Basic Transport Protocol ermöglicht innerhalb eines mobilen Ad-hoc-Netzes eine verbindungslose End-to- End-Kommunikation. Hierzu werden Nachrichten aus der Facility-Schicht (CAM, DENM) von dem Basic Transport Protocol mittels Multiplexing so aufbereitet, dass diese über GeoNetworking übertragen werden und am Ziel durch De-Multiplexing weiterverarbeitet werden können. Die Pakete des Basic Transport Protocols setzen sich aus folgenden Elementen zusammen: • MAC 13 Header • GeoNetworking Header • GeoNetworking Security Header (optional) • BTP Header • Payload (z.B. CAM, DENM) Der MAC Header ist die erste Unterebene der Sicherungsschicht im OSI-Modell. Darüber wird das Zugriffsverfahren, hier ITS-G5, definiert. Auf den MAC Header folgen die Header für das GeoNetworking. Über den BTP Header (BTP-Protokoll) wird der Umgang mit den Daten (Datenhandling) zwischen der Facility-Ebene und dem GeoNetworking bestimmt. Er beinhaltet den entsprechenden Quell- und Zielport (Source- und Destinationport) und ist lediglich 4 Byte groß. Auf den BTP Header folgen dann die eigentlichen Nutzdaten (Payload) aus CAM und DENM. [2] 5.3 Facilities (Anlagen) Die Facility-Schicht ist zwischen der Anwendungs- und Transportschicht im OSI-Modell einzuordnen. Darüber werden die Formate zur Übermittlung von Nachrichten wie Cooperative Awareness Messages (CAM) und Decentralized Environmental Notification Messages (DENM) festgelegt. 5.3.1 Cooperative Awareness Message (CAM) Die Cooperative Awareness Messages werden innerhalb des mobilen Ad-hoc-Netzes von den darin eingebundenen Fahrzeugen gesendet. Sie enthalten Information über die Position und Status des sendenden Fahrzeugs. Die von einem Fahrzeug ausgesendete CAM wird von den sich in Reichweite befindlichen Stationen (Fahrzeuge, RSU) empfangen. Eine eingehende CAM wird jedoch nicht an weitere Teilnehmer weitergeleitet. Die Informationen werden somit nur direkt zwischen den Teilnehmern in Reichweite ausgetauscht (single hop distance). Jeder Empfänger entscheidet dabei für sich über die Relevanz der Informationen und den daraus ableitbaren Reaktionen. Eine detaillierte Beschreibung zum Aufbau und Inhalt einer CAM enthält ETSI TS 102 637-2. [4] Eine vereinfachte Darstellung über die CAM-Struktur mit den dazugehörigen Daten zeigt die nachfolgende Abbildung 6. [10] 13 MAC: Media Access Control Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 198 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Die CAM Protocol Data Unit (PDU) beinhaltet die Objekte PDU Header und CAM. In dem PDU Header sind die Grundinformationen zur CAM, wie die Protokollversion, Message-ID und die Generation Time enthalten. Das Objekt CAM enthält die ID der an der Kommunikation teilnehmenden Station sowie die Objekte Station Characteristics, CAM Parameters und Reference Position. Abbildung 6: CAM Struktur (Quelle: [10]) Die Station Characteristics geben beispielsweise Auskunft darüber, ob es sich um eine mobile oder ortsfeste Station handelt. Über das Objekt CAM Parameters werden spezifische Informationen zu den Fahrzeugen bereitgestellt, wie z.B. Fahrzeugtyp, Fahrgeschwindigkeit etc. Das Objekt Reference Position enthält Angaben zur Position, wie Längengrad, Breitengrad und Fahrtrichtung. [10] 5.3.2 Decentralized Environmental Notification Message (DENM) Die Decentralized Environmental Notification Messages dienen der Benachrichtigung von Verkehrsteilnehmern. Das Absetzen einer Nachricht erfolgt hierbei ereignisbasiert, d.h. sie werden nicht permanent, sondern nur im Ereignisfall übermittelt. Im Gegensatz zu den CAM werden DENM nicht nur von den Fahrzeugen, sondern auch von stationären ITS Stationen, wie beispielsweise den RSU, gesendet. Der Aufbau und Inhalt einer DENM wird detailliert in ETSI TS 102 637-3 [5] beschrieben. Einen Überblick über die grundsätzlichen Struktur einer DENM sowie der dazugehörigen Daten zeigt nachfolgende Abbildung 7. Abbildung 7: DENM-Struktur (Quelle: [10]) Die DENM Protocol Data Unit (PDU) besteht aus den Objekten PDU Header und DENM. Der DENM Header entspricht hierbei dem CAM Header. Das DENM-Objekt beinhaltet die Container Management, Situation und Location. In dem Management Container sind die ID der teilnehmenden Station, die Sequenznummer sowie die Dauer für die Gültigkeit der Nachricht enthalten. Der Situation Container hält im Cause Code und Subcause Code Informationen darüber bereit, wodurch eine Nachricht ausgelöst wurde. Die dazugehörigen Objekte Vehicle Common Parameters und Profile Parameters entsprechen den gleichnamigen Objekten der CAM. Über den Location Container werden Informationen zum Ereignisort bereitgestellt. Neben den Koordinaten (Längengrad, Breitengrad) beinhaltet dies auch Informationen zur örtlichen Ausdehnung eines Ereignisses. 6. Car2X-Funktionen Im Rahmen von SIM-TD erfolgte eine umfassende Zusammenstellung und Beschreibung der für die C2X- Kommunikation im Hinblick auf die Fahr- und Verkehrssicherheit sowie der Verkehrseffizienz als relevant erachteten Funktionen. Die C2X-Funktionen wurden hierbei folgenden Bereichen (Kategorien) zugeordnet: 1. Verkehr 2. Fahren und Sicherheit 3. Ergänzende Dienste 6.1 Verkehr Der Bereich Verkehr umfasst die Funktionen, die einer verbesserten Verkehrsdatenerfassung sowie Störfallerkennung dienen und dadurch zu einer präziseren und aktuelleren Verkehrslagebestimmung im gesamten Straßennetz beitragen sowie die Ableitung von Verkehrssteuerungsstrategien und die Ausgabe von Verkehrsmeldungen unterstützen. Hierbei wird nach folgenden Hauptfunktionen unterschieden: • Erfassung der Verkehrslage und ergänzender Informationen • Verkehrsinformation und Navigation • Verkehrssteuerung 6.1.1 Erfassung der Verkehrslage und ergänzender Informationen Mit dieser Hauptfunktion erfolgt auf Basis infrastrukturseitig und fahrzeugseitig erfasster Daten die Bestimmung der Verkehrslage. Die darüber ermittelten Daten dienen auch als Eingangswerte zur Verarbeitung in den anderen Hauptfunktionen. Die dieser Hauptfunktion zugeordneten Funktionen sind daher auch abhängig von den Anforderungen der restlichen Hauptfunktionen. Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 199 6.1.2 Verkehrsinformation und Navigation Mittels dieser Hauptfunktion werden Informationen zu Verkehrsereignissen, der Verkehrslage und dem Straßenwetter zur Anzeige im Fahrzeug bzw. zur dynamischen Routenplanung bereitgestellt. Besondere Berücksichtigung findet hierbei die Behandlung von Baustellen. Grundlage bilden hierbei die über die Hauptfunktion zur „Erfassung der Verkehrslage und ergänzender Informationen“ bereitgestellten Daten. 6.1.3 Verkehrssteuerung Diese Hauptfunktion ermittelt über die infrastrukturseitig und fahrzeugseitig erfassten Daten verkehrsabhängig Strategien für ein Umleitungsmanagement oder für die Steuerung von Lichtsignalanlagen in Gebieten mit einem hohen Verkehrsaufkommen. 6.1.4 Zusammenfassung von C2X-Funktionen der Kategorie Verkehr Eine zusammenfassende Auflistung zu den einzelnen Funktionen und Anwendungsfälle der Kategorie Verkehr enthält nachfolgende Tabelle 4. 6.2 Fahren und Sicherheit Die Kategorie Fahren und Sicherheit beinhaltet Funktionen, die fahrzeugseitig generierte Daten an andere Fahrzeuge und die Infrastruktur (RSU) senden, lokale Gefahren sowie den Verkehrszustand vor Ort erfassen und andere Fahrzeuge darüber informieren, dem Fahrer lokale Gefahrenmeldungen anderer Fahrzeuge und der Infrastruktur sowie Meldungen über aktuelle Verkehrsvorschriften anzeigen und bei der Vermeidung von Kollisionen im Längs- und Gegenverkehr assistieren. Die einzelnen Funktionen werden folgenden Hauptfunktionen zugeordnet: • Lokale Gefahrenwarnung • Fahrerassistenz 6.2.1 Lokale Gefahrenwarnung In dieser Hauptfunktion sind die Funktionen zusammengefasst, die der Warnung des Fahrers vor lokalen Gefahren dienen. Grundlage bilden sowohl fahrzeugseitig als auch infrastrukturseitig erfasste lokale Gefahren. Durch das Aussenden entsprechender Gefahrenmeldungen wird ein Fahrer situationsabhängig über die Gefahr informiert. Nr. C2X-Funktion Bereitstellung / Anwendung 1.1. Erfassung der Verkehrslage und ergänzender Informationen 1.1.1 Infrastrukturseitige Datenerfassung - Infrastrukturdaten - Umfelddaten 1.1.2 Fahrzeugseitige Datenerfassung - Floating Car Data (FCD) - Reiseziele 1.1.3 Ermittlung Verkehrswetterlage - Verkehrswetterdaten 1.1.4 Ermittlung Verkehrslage - Gesamtverkehrslage - Reisezeiten 1.1.5 Identifikation von Verkehrsereignissen geplante Verkehrsereignissen ungeplante Verkehrsereignisse 1.2. Verkehrsinformation und Navigation 1.2.1 Straßenvorausschau Streckenbezogene Anzeige von: - Reisezeitinformationen - Durchschnittsgeschwindigkeit Streckenbezogene Anzeige von: - Hindernissen - Straßenwetter 1.2.2 Baustellen-Informationssystem - Streckengeometrie - Verkehrslage 1.2.3 Erweiterte Navigation - Routenbezogene Reisezeitinformationen - Dynamische Routenplanung 1.3. Verkehrssteuerung 1.3.1 Umleitungs management - Umleitungsempfehlungen 1.3.2 LSA Netzsteuerung - Optimierung des LSA-gesteuerten Verkehrsflusses 1.3.3 Lokale verkehrsabhängige LSA-Steuerung - Priorisierung ÖV - Priorisierung Einsatzfahrzeuge - Reduzierung von Wartezeiten des IV 1.3.4 Störungsmanagement - Absicherung von Störungsstellen Tabelle 4: C2X-Funktionen der Kategorie Verkehr Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 200 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 6.2.2 Fahrerassistenz Innerhalb dieser Hauptfunktion sind die Assistenzfunktionen zusammengefasst, die der Unterstützung eines Fahrers in seinen Fahraufgaben dienen, wie z.B. der Reaktion auf unvermittelt stark bremsende vorausfahrende Fahrzeuge, querende Fahrzeuge an Kreuzungen und Einmündungen, Verkehrszeichen, Lichtsignalanlagen etc. Bei einer drohenden Kollision oder einem bevorstehendem Fehlverhalten kann ein Fahrer dann davor gewarnt werden. Querführungs assistenz - Spurwechselassistent - Einfädelassistent Fahrstreckenabhängige Geschwindigkeits- und Fahrleistungsassistenz - Fahrstreckenabhängiger - Geschwindigkeits- und Fahrleistungsassistent Automatisierte Kooperative Führung von Fahrzeugkolonnen Automatisiertes Kolonnenfahren Radfahrer-/ Fußgängerschutz Radfahrer-/ Fußgängerschutz warnend reagierend Tabelle 5: C2X-Funktionen der Kategorie Fahren und Sicherheit 6.3 Ergänzende Dienste Unter dieser Kategorie sind Dienste, die über Internet- oder Mobilfunkverbindungen erreicht werden zusammengefasst. Unterschieden wird hierbei zwischen folgenden Funktionen: • Internetzugang und lokale Informationsdienste • Fernwartungsdienste • Zugangskontrolle und Zahldienste • Notrufdienste 6.3.1 Internetzugang und lokale Informationsdienste Über diese Hauptfunktion wird ein Internetzugang im Fahrzeug bereitgestellt. Darüber lassen sich dann beispielsweise Verkehrsdaten, Kommunalinformationen, Informationen zur Parksituation etc. online nutzen. 6.3.2 Fernwartungsdienste Diese Hauptfunktion ermöglicht den Fernzugriff auf die Fahrzeugsteuerung um beispielsweise Ferndiagnosen, Wartungsarbeiten, Softwareupdates etc. durchzuführen. 6.3.3 Zugangskontrolle und Zahldienste Mit Hilfe dieser Hauptfunktion kann der Zugang zu einem zufahrtsbeschränkten Bereich erst nach einer erfolgreichen Identifikation gewährt werden. Werden Gebühren erforderlich (Maut, Parken etc.), kann darüber die Bezahlung durch ein Fahrzeug selbsttätig erfolgen. Nr. C2X-Funktion Bereitstellung/ Anwendung 2.1 Lokale Gefahrenwarnung 2.1.1 Hinderniswarnung Warnung vor: - Kollisionsgefahr - Liegenbleiber - Langsamfahrer - Baustelle - Hindernisse auf Fahrbahn 2.1.2 Stauendewarnung Warnung vor: - Stauende 2.1.3 Straßenwetterwarnung Warnung vor: - Wettergefahren 2.1.4 Einsatzfahrzeug- Warnung Warnung vor: sich näherndem Einsatzfahrzeug stehendem Einsatzfahrzeug 2. Fahrerassistenz 2.2.1 Verkehrszeichen Assistent/ Warnung - Verkehrszeichenanzeige im Fahrzeug - Warnung bei Nichtbeachtung von Verkehrszeichen 2.2.2 Ampelphasen Assistent/ Warnung - Grüne Welle - Restrotanzeige - Warnung vor Rotlichtverstoß 2.2.3 Längsführungsassistenz - Auffahrwarner - Bremsassistent - Automatische Notbremse - Elektronisches Bremslicht - Precrash-Datenaustausch - Kooperative Abstandsregelung Kreuzungs-/ Querverkehrsassistent - Querverkehrsassistent - Linksabbiegeassistent - Rechtsabbiegeassistent Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 201 6.3.4 Notrufdienste Mittels dieser Funktion wird im Falle eines Unfalls ein Notruf automatisch oder manuell ausgelöst. Nr. C2X-Funktion Bereitstellung/ Anwendung 3.1. Internetzugang und lokale Informationsdienste 3.1.1 Internetbasierte Dienstnutzung - AV-Streaming - Instant Messaging - Interaktive Stadtrundfahrt - Mobile PIM - Push-Dienste - Community Aspekte 3.1.2 Standortinformations-Dienste - Touristische Informationen - Veranstaltungshinweise - Kommunalinformationen - Parksituation - Tankstelleninformation - Übertragung von Verkehrsdaten 3.1.3 Parklückenerfassung - Parklückenübermittlung 3.2. Fernwartungsdienste 3.2.1 Remote-Zugriff - Ferndiagnose - Fahrzeugsoftwareupdate - Drahtlose Diagnoseschnittstelle 3.2.2 Werkstattdienste - Rückrufaktion - Serviceinformation 3.3. Zugangskontrolle und Zahldienste 3.3.1 Zugangskontrolle - Automatische Zufahrtskontrolle - Ausfahrt aus einem Parkraum 3.3.2 Zahldienste - Parkraumbewirtschaftung - Elektronische Maut 3.3. Notrufdienste 3.3.1 e-Call Notruf durch: - Benutzeraktivität - Fahrzeugaktivität Tabelle 6: C2X-Funktionen der Kategorie ergänzende Diensten 7. Integration von C2X-Funktionen in die Tunnelbetriebstechnik Um die C2X-Technologie in die Tunnelbetriebstechnik integrieren zu können, sind infrastrukturseitig Voraussetzungen zu schaffen, die sowohl den zu erwartenden bzw. geforderten Funktionsumfängen, als auch den technischen Restriktionen, wie beispielsweise der Funkreichweite, Rechnung tragen. Innerhalb der Systemarchitektur eines Tunnels ist die Verortung der C2X-Technologie und den zur Kommunikation mit den Fahrzeugen erforderlichen RSU auf Feldebene zu sehen. Als Teil der Verkehrsanlage (Funktionsblock 2 der Feldebene nach EABT [13]) sollte die Anbindung an die Anlagenleitebene und Automatisierungsebene über eine Unterzentrale erfolgen. Darüber lassen sich Aktionen nach vorher festgelegten automatisierten Schemata ausführen, wie beispielsweise eine automatisierte Sperrung eines Tunnels im Falle einer über C2X erfassten Kollision. Zur Datenübertragung zwischen RSU und der Tunnelbetriebstechnik, empfiehlt sich TCP/ IP (z.B. IPv6). Dies wird auch von [12] empfohlen, da dadurch der Einsatz von standardisierten bzw. marktgängigen Produkten sowohl in der Kommunikationshardware als auch im Hinblick auf die Anwendungssoftware möglich wird. Die Abstände, mit der die RSU entlang der Tunnelinnenstrecke angeordnet werden, ist zum einen von der Tunnelgeometrie sowie dem Streckenverlauf und zum anderen von der Sende- und Empfangsleistung der RSU abhängig. Mittels DSRC bzw. ITS-G5 sind Reichweiten von 300 m möglich. Damit könnte ein maximaler Abstand von 600 m erreicht werden. Sinnvoller kann es jedoch sein, den Abstand auf 300 m zu reduzieren um eine gute Abdeckung mit WLAN zu erreichen. 8. Potenziale der C2X-Kommunikation Sowohl für Tunnelnutzer als auch für den Betreiber von Tunnelanlagen ist die Erfassung der Verkehrslage und die Bereitstellung ergänzender Informationen von hoher Bedeutung. So können darüber dem Nutzer Infrastrukturdaten, wie beispielsweise die Tunnellänge und die Position des nächstgelegenen Notausgangs bzw. der Notrufnische, bereitgestellt werden. Ebenso wichtig ist die Erfassung von geplanten und ungeplanten Verkehrsereignissen auf Basis der Verkehrslage. Mittels der Verkehrssteuerung lassen sich dann bei Störungen innerhalb eines Tunnels Umleitungsempfehlungen sowie deren Absicherung an die Verkehrsteilnehmer übermitteln. Mit Hilfe der lokalen Gefahrenwarnung kann vor langsamen oder gar liegengebliebenen Fahrzeugen bzw. vor Hindernissen auf der Fahrbahn gewarnt werden, um Folgeereignisse wie Kollisionen zu verhindern. Im Fall einer Tunnelsperrung kann den Verkehrsteilnehmern die Einfahrt in den Tunnel mit Hilfe einer Zugangskontrolle verwehrt werden. Hierzu ist beispielsweise zukünftig auch ein Anhalten der Fahrzeuge über einen Fernzugriff denkbar. Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 202 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Über den Notrufdienst e-Call wird selbständig eine Verbindung zur nächsten Notrufzentrale aufgebaut, sobald fahrzeugseitige Sensoren eine schwere Kollision registrieren. Die Verbindung wird hierbei über Mobilfunk hergestellt und ermöglicht die Aufnahme eines Gespräches sowie die Übermittlung von Informationen zum Unfall, wie z.B. den Zeitpunkt des Unfalls, den Ereignisort und die Anzahl der Fahrzeuginsassen. [1] Da die Ortung des Unfallfahrzeuges über GPS erfolgt und der Empfang der GPS-Signale innerhalb von Tunneln eingeschränkt sein kann, muss die Fahrzeugposition dann über die letzte Position mit GPS-Empfang sowie der Radumdrehungen und Lenkwinkel bestimmt werden. Diese Kommunikationsform kann auch dazu verwendet werden, Anweisungen an einzelne Fahrzeuge und deren Insassen zu übermitteln. Die darüber abgesetzten Anweisungen können jedoch nur innerhalb des Fahrzeuges über das fahrzeugeigene Lautsprechersystem gehört werden. Die Lautsprecheranlage der betriebstechnischen Ausstattung eines Tunnels kann dadurch nicht ersetzt werden. Einen Überblick über die durch die konventionelle betriebstechnische Ausstattung direkt bzw. indirekt erkennbaren Ereignisse sowie die Potentiale der durch die C2X-Technologie erkennbaren Ereignisse und Kommunikationssowie Warnmöglichkeiten gibt nachfolgende Tabelle 7. Tabelle 7: Ereignis -und Detektionsmatrix nach [8] und [14] Die Matrix verdeutlicht die möglichen Anwendungsbereiche der C2X-Kommunikationstechnologien zur (präventiven) Erkennung von Ereignissen oder kritischen Verkehrszuständen sowie die Potentiale zur schnellen Kommunikation und Information über Ereignisse an die Verkehrsteilnehmer. 9. Zusammenfassung und Ausblick Die Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung werden das Verkehrsverhalten sowie das Management der Verkehrsinfrastruktur stark beeinflussen. Es ist absehbar, dass ein Wandel hinsichtlich der Art, wie wir Informationen beziehen und austauschen, erfolgen wird. Nebst den Herausforderungen, denen sich Verkehrsteilnehmer und Infrastrukturbetreiber zu stellen haben, eröffnen sich gleichzeitig jedoch auch durch die C2X-Kommunikation Potentiale, die zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen können. Für die Tunnelüberwachung lassen sich durch eine zielgerichtete Datenfusionierung und Plausibilisierung Möglichkeiten für eine bessere Ereignisprävention erwarten. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass sich durch die Möglichkeit von individualisierten Ansprachen Verbesserungen im Falle eines Ereignismanagements und explizit für die Selbstrettung der Verkehrsteilnehmer erzielen lassen. Im Fall eines Ereignisses innerhalb eines Tunnels kommt der schnellen und eindeutigen Ereigniserkennung eine zentrale Bedeutung zu, um Sicherheitssysteme unverzüglich und automatisch aktivieren und somit einer Schadenseskalation effektiv entgegenwirken zu können. Konventionelle Detektionssysteme erkennen stets nur die Auswirkung und nicht die Ursachen eines Ereigniseintritts. Mit Hilfe der C2X-Technologie wird es zum Teil möglich, die Ursachen direkt zu erkennen und somit die Zeit bis zum Einleiten von Maßnahmen signifikant zu verkürzen. Die im Rahmen der bisherigen Forschung erarbeiteten Grundfunktionalitäten sollten für die Verwendung in der Tunnelbetriebstechnik erweitert werden. Durch den modularen Systemaufbau sind entsprechende Erweiterungen grundsätzlich jederzeit möglich. Im Zuge des im April 2021 gestarteten Forschungsprojekts „Künstliche Intelligenz zur Verbesserung der Sicherheit von Tunneln und Tunnelleitzentralen (KITT)“, welches durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, werden entsprechende Grundlagen zur Nutzung der C2X-Technologie in Tunneln erarbeitet. Schwerpunkte bilden hierbei unter anderem der Umgang mit massenhaft anfallenden Daten und deren Analyse mittels Künstlicher Intelligenz sowie die Bewertung der Sicherheitslage unter Einbezug von C2I-Daten zur Unterstützung von Operatoren in der Ereignisbewältigung. Literaturangaben [1] Communication Department of the European Commission: eCall: Automatischer Notruf für Verkehrsunfälle ab 2015 Pflicht in Autos, Pressemitteilung, 13. Juni 2013 [2] ETSI TS 102 636-5-1: Intelligent Transport Systems (ITS); Vehicular communications; Geonetworking; Part 5: Transport protocols; Subpart 1: Basic transport protocol [3] ETSI TS 102 636-6-1: Intelligent Transport Systems (ITS); Vehicular communications; Geonetworking; Part 6: Internet integration; Subpart 1: Transmission of IPv6 packets over geonetworking Kooperative Systeme in Straßentunneln - Potentiale aus der Nutzung der C2X-Kommunikation für die Tunnelüberwachung 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 203 [4] ETSI TS 102 637-2: Intelligent Transport Systems (ITS); Vehicular Communications; Basic set of applications; Part 2: Specification of cooperative awareness Basic Service [5] ETSI TS 102 637-3: Intelligent Transport Systems (ITS); Vehicular communications; Basic set of applications; Part 3: Specification of decentralized environmental notification basic service [6] Laglstorfer, R. J.: Die Zukunft des intelligenten Automobils: Wirtschaftliche Markteinführungsszenarien am Beispiel Audi. Hamburg: Diplomica Verlag GmbH, 2012 [7] Lübcke, A.: Carto-Car Communication - Technologische Herausforderungen. Berlin, s.n., 2004 [8] Mayer, G., Badocha, C., Norkauer, A.: Potentials of Integrating C2X Communication into Tunnel Operations Control Technology, Tunnel Safety and Ventilation Conference, Graz, 2018 [9] Patrick M., Kirchbeck, B.: V2X-Kommunikation: LTE vs. DSRC, Next Mobility, 2018 https: / / www. next-mobility.de/ v2x-kommunikation-lte-vs-dsrca-699809/ [Zugriff 14.05.2021] [10] Payerl, C.: Integration von Carto-X Kommunikation in die E/ E-Architektur von Fahrzeugen, TU Graz, 2013 [11] RABT 2006: Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln; Technische Regelwerke; FGSV-Nr.: 339, ISBN 3-937356-87-8 [12] Zumbroich, M. et al.: Zukünftige Kommunikationstechniken und Integration von Straßentunneln im Bereich der TLS, Bonn: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2007 [13] EABT 80/ 100: Empfehlungen für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln mit einer Planungsgeschwindigkeit von 80 km/ h oder 100 km/ h. Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen e.V. (FGSV 339/ 1), FGSV-Verlag, Ausgabe 2019 [14] Lehan, A.: Influence of digital transformation on the interaction between tunnel infrastructure and road user opportunities and risks, In: Proceedings from the Ninth International Symposium on Tunnel Safety and Security, Munich, Germany March 11- 13, 2020, S. 13-22