eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 1/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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2021
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smartBRIDGE Hamburg – Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten

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Martin Herbrand
Alex Lazoglu
Steffen Marx
Christof Ullerich
Die Bewertung des Bauwerkszustands erfolgt in Deutschland anhand der in den Bauwerksbüchern dokumentierten Bauwerksnote und unter Hinzuziehung ggf. vorhandener Nachrechnungsergebnisse. Eine Methodik zur Einbindung von Monitoringdaten in die Bauwerksbewertung existiert dagegen derzeit noch nicht. Dabei kann ein Bauwerksmonitoring zur Unterstützung der klassischen Bauwerksprüfung genutzt werden, um das Auftreten oder die Entwicklung von Bauwerksschäden dauerhaft oder vorübergehend zu überwachen. Da eine solche Dauerüberwachung auch die von den Schäden ausgehenden Risiken mindern kann, ist es naheliegend, Monitoringdaten in den Bewertungsprozess des Bauwerkszustands einzubeziehen. Des Weiteren können rechnerische Standsicherheitsdefizite mittels gezielt eingesetzten Messmaßnahmen kompensiert werden. Herausforderungen hinsichtlich der integralen Zustandsbewertung ergeben sich aus der unterschiedlichen Bewertung von Bauwerksschäden (Benotung) und Standsicherheitsnachweisen (Ausnutzungsgrad, Versagenswahrscheinlichkeit) sowie der uneinheitlichen Dokumentation von Schäden (alle 3 Jahre, automatisierte Aus- und Bewertung) und Messdaten (hochfrequent, keine automatisierte Aus- und Bewertung). In diesem Beitrag wird eine Methodik vorgestellt, mit welcher es möglich ist, Monitoringdaten und Bauwerksschäden in einer Bewertungskennzahl „CI“ (Condition Indicator) zu aggregieren, welche auch für Nichtfachleute verständlich ist. Das Update des CI erfolgt dabei in Echtzeit. Neben dem allgemeinen Bewertungsverfahren, das bekannte Elemente aus dem Bewertungsschema nach SIB-Bauwerke einschließt, werden zwei konkrete Anwendungsfälle anhand des smartBRIDGE Konzeptes an der Köhlbrandbrücke in Hamburg gezeigt. Dabei handelt es sich um zwei aktuelle, rechnerische Standsicherheitsdefizite, die durch eine messtechnische Überwachung kompensiert werden.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 247 smartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten Dr.-Ing. Martin Herbrand WTM Engineers GmbH, Hamburg, Deutschland Alex Lazoglu, M. Sc. MKP GmbH, Hannover, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx Institut für Massivbau, Technische Universität Dresden, Deutschland Dipl.-Ing. Christof Ullerich Hamburg Port Authority AöR, Hamburg, Deutschland Zusammenfassung Die Bewertung des Bauwerkszustands erfolgt in Deutschland anhand der in den Bauwerksbüchern dokumentierten Bauwerksnote und unter Hinzuziehung ggf. vorhandener Nachrechnungsergebnisse. Eine Methodik zur Einbindung von Monitoringdaten in die Bauwerksbewertung existiert dagegen derzeit noch nicht. Dabei kann ein Bauwerksmonitoring zur Unterstützung der klassischen Bauwerksprüfung genutzt werden, um das Auftreten oder die Entwicklung von Bauwerksschäden dauerhaft oder vorübergehend zu überwachen. Da eine solche Dauerüberwachung auch die von den Schäden ausgehenden Risiken mindern kann, ist es naheliegend, Monitoringdaten in den Bewertungsprozess des Bauwerkszustands einzubeziehen. Des Weiteren können rechnerische Standsicherheitsdefizite mittels gezielt eingesetzten Messmaßnahmen kompensiert werden. Herausforderungen hinsichtlich der integralen Zustandsbewertung ergeben sich aus der unterschiedlichen Bewertung von Bauwerksschäden (Benotung) und Standsicherheitsnachweisen (Ausnutzungsgrad, Versagenswahrscheinlichkeit) sowie der uneinheitlichen Dokumentation von Schäden (alle 3 Jahre, automatisierte Aus- und Bewertung) und Messdaten (hochfrequent, keine automatisierte Aus- und Bewertung). In diesem Beitrag wird eine Methodik vorgestellt, mit welcher es möglich ist, Monitoringdaten und Bauwerksschäden in einer Bewertungskennzahl „CI“ (Condition Indicator) zu aggregieren, welche auch für Nichtfachleute verständlich ist. Das Update des CI erfolgt dabei in Echtzeit. Neben dem allgemeinen Bewertungsverfahren, das bekannte Elemente aus dem Bewertungsschema nach SIB-Bauwerke einschließt, werden zwei konkrete Anwendungsfälle anhand des smart- BRIDGE Konzeptes an der Köhlbrandbrücke in Hamburg gezeigt. Dabei handelt es sich um zwei aktuelle, rechnerische Standsicherheitsdefizite, die durch eine messtechnische Überwachung kompensiert werden. 1. Einleitung Die Dokumentation des Bauwerkszustands erfolgt in Deutschland anhand von Prüfberichten, die im Rahmen der regelmäßig durchzuführenden Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 [1],[2] erzeugt werden. Die Prüfberichte und die darin enthaltenden Benotungen finden Eingang in die Bauwerksbücher, aus denen abschließend die Zustandsbewertung erfolgt. Unter Umständen werden vorhandene Nachrechnungsergebnisse nach Nachrechnungsrichtlinie [3] oder der zuletzt eingeführte Traglastindex [4],[5],[6] in die Betrachtung mit eingebunden, jedoch spiegeln sich diese nicht in der Bauwerksnote wider. Eine Methodik zur Einbindung von Monitoringdaten in die Bauwerksbewertung existiert derzeit ebenfalls noch nicht. Dabei kann ein Bauwerksmonitoring zur Unterstützung der klassischen Bauwerksprüfung genutzt werden, um das Auftreten oder die Entwicklung von Bauwerksschäden dauerhaft oder vorübergehend zu überwachen. Da eine solche Dauerüberwachung auch die von den Schäden ausgehenden Risiken mindern kann, ist es naheliegend, Monitoringdaten in den Bewertungsprozess des Bauwerkszustands einzubeziehen. Des Weiteren können im Zuge einer Nachrechnung festgestellte, rechnerische Standsicherheitsdefizite mittels gezielt eingesetzten Monitoringmaßnahmen kompensiert werden [7],[8],[9]. Herausforderungen hinsichtlich der integralen Zustandsbewertung ergeben sich aus der unterschiedsmartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten 248 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 lichen Bewertung von Bauwerksschäden (Benotung) und Standsicherheitsnachweisen (Ausnutzungsgrad, Versagenswahrscheinlichkeit) und der uneinheitlichen Dokumentation von Schäden (alle 3 Jahre, automatisierte Aus- und Bewertung) und Messdaten (hochfrequent, keine automatisierte Aus- und Bewertung). In diesem Beitrag wird eine Methodik vorgestellt, mit welcher es möglich ist, Monitoringdaten und Bauwerksschäden in einer Bewertungskennzahl „CI“ (Condition Indicator) zu aggregieren, welche auch für Nichtfachleute interpretierbar ist. Das Update des CI erfolgt dabei in Echtzeit. Neben dem allgemeinen Bewertungsverfahren, das bekannte Elemente aus dem Bewertungsschema nach SIB-Bauwerke einschließt, werden zwei konkrete Anwendungsfälle anhand des smartBRIDGE Konzeptes an der Köhlbrandbrücke in Hamburg gezeigt [10]. Dabei handelt es sich um zwei aktuelle, rechnerische Standsicherheitsdefizite, die durch eine messtechnische Überwachung kompensiert werden. 2. Zustandsbewertung von Ingenieurbauwerken 2.1 Allgemeines Eine der Hauptaufgaben für den Betrieb bestehender Ingenieurbauwerke ist die regelmäßige, detaillierte Zustandsprüfung als Grundlage für ein effektives Instandhaltungsmanagement. Eine sorgfältige Zustandsprüfung ermöglicht neben einer Zustandsbewertung eine zeitnahe Detektion von Zustandsänderungen. Dabei werden in der Praxis hinsichtlich Zustandsprüfung und Zustandsbewertung unterschiedliche Verfahren parallel verwendet, von denen die Wesentlichen im Folgenden kurz erläutert werden. 2.2 Klassische Bauwerksprüfung Die Grundlage der Zustandsbewertung von Ingenieurbauwerken im Straßenwesen bildet die klassische Bauwerksprüfung nach DIN 1076 [1] in Verbindung mit der RI-EBW-PRÜF [2] (Abbildung 2). Die Prüfung erfolgt durch zertifizierte Bauwerksprüfer turnusmäßig, handnah und visuell. Das Bewertungsverfahren der RI-EBW- PRÜF erfolgt einheitlich wie folgt: 1. Die Bauwerksprüfer erfassen die Einzelschäden und bewerten diese in Abhängigkeit von Schadenstyp und -umfang nach den Kriterien Standsicherheit (S), Verkehrssicherheit (V) und Dauerhaftigkeit (D). Als Hilfestellung kann die umfangreiche Schadensbeispielliste der RI-EBW-PRÜF [2] herangezogen werden. Abbildung 1: Organisation der Bauwerksprüfung nach DIN 1076 [11] smartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 249 2. Die den Einzelschäden zugewiesenen S-,V- und D- Bewertungen werden durch das Programm SIB-BW über den sogenannten Z N -Algorithmus in Zustandsnoten (1 „sehr gut“ bis 4 „ungenügend“) umgerechnet [12]. Je nach Umfang der Einzelschäden berücksichtigt das Programm ggf. an dieser Stelle Zu- oder Abschläge der Note von ±0,1. 3. Die Einzelschäden werden den jeweiligen Bauteilgruppen (Definition nach ASB-ING [13] z. B. Überbau, Lager, Brückenseile und -kabel) zugeordnet, wobei automatisch die Maximalnote der Einzelschäden repräsentativ als Zustandsnote der Bauteilgruppe festgelegt wird. An dieser Stelle kann das Programm in Abhängigkeit der Anzahl an Einzelschäden innerhalb der Bauteilgruppe erneut Zu- oder Abschläge der Note von ±0,1berücksichtigen. 4. In analoger Weise erfolgt die Aggregation der Bauteilgruppennoten zur Gesamtbzw. Teilbauwerksnote über den Maximalwert der Bauteilgruppennoten. Zu- oder Abschläge von ±0,1 werden hier in Abhängigkeit des prozentualen Anteils aller geschädigten Bauteilgruppen zur Gesamtanzahl der Bauteilgruppen berücksichtigt. Ziel der Erhaltungsplanung ist es, die Zustandsnoten mindestens in einem mittleren Bereich von 2,0 bis 2,4 zu halten und Zustandsnoten von über 3,0 möglichst gering zu halten [6]. 2.3 Traglastindex Zusätzlich zu der in den Bauwerksdatenbanken dokumentierten Zustandsnote, wurde der Traglastindex (römisch 1 bis 5) als weitere eigenständige Kennzahl zur Bewertung der Leistungsfähigkeit von Brücken eingeführt [4],[5]. Dieser bewertet durch einen Soll-Ist-Vergleich die Leistungsfähigkeit von Brücken hinsichtlich erforderlicher (Ziellastniveau) und vorhandener Brückentragfähigkeit und dient damit der Priorisierung von Erhaltungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen. Der Traglastindex wird dabei vom Programm SIB-BW automatisch aus der Diskrepanz zum Ziellastniveau und weiteren bauart- und materialbedingten Parametern bestimmt. Die dazu eingetragene vorhandene Brückentragfähigkeit ergibt sich entweder aus einer vermuteten oder einer im Rahmen einer Nachrechnung nachgewiesenen Tragfähigkeit. Hinsichtlich der Vorgehensweise bei der „Vermutung“ einer vorhandenen Tragfähigkeit werden in [5] keine detaillierten Angaben gemacht. Brückenbauwerke, die aufgrund von Bauart und Baujahr der Gefahr allgemein bekannter Tragfähigkeitsdefizite unterliegen, werden auch bei nicht Vorhandensein einer Nachrechnung unmittelbar in eine Indexstufe eingeordnet. Als Beispiele seien an dieser Stelle die Koppelfugenproblematik und die Gefahr der Spannungsrisskorrosion älterer Spannbetonbrücken sowie der Beulsicherheit älterer Stahlbrücken genannt, die, sofern keine Nachrechnung vorliegt, unmittelbar zu einer Einstufung des Bauwerks in Indexstufe V führen. 2.4 Nachrechnung von Bauwerken Die rechnerische Bewertung der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit bestehender Straßenbrücken erfolgt nach den Regelungen der Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (NRR) [3]. Gegenüber Neubauwerken ermöglicht die NRR diverse Nachweiserleichterungen im Rahmen eines abgestuften Vorgehens (Abbildung 2). Im Rahmen von Stufe 3-Betrachtungen können neben rechnerischen Nachweisen der Standsicherheit auch Bauwerksmessungen erforderlich werden. Im Zuge der Nachrechnung sind analog zur Neubemessung alle tragenden Bauteile für die Grenzzustände der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit nachzuweisen. Durch die Nachweisführung wird sichergestellt, dass die Bauwerke den Anforderungen an die Bauwerkszuverlässigkeit nach EN 1990 [14] genügen, ohne dass diese explizit zu ermitteln ist. Nach Stufe 1 der NRR erfolgt die Bemessung nach aktuellen Regelwerken, bzw. gemäß der DIN-Fachberichte für den Brückenbau. Durch die stetige Weiterentwicklung der normativen Vorgaben sowie der allgemein höheren Anforderungen an die Robustheit führt die Nachrechnung in Stufe 1 in vielen Fällen zu Nachweisüberschreitungen. Insbesondere der Querkraftnachweis kann häufig nicht erbracht werden. Stufe 2 ermöglicht in Verbindung mit der 1. Ergänzung der NRR teilweise bereits weitreichende Sonderregelungen für einzelne Nachweise, wie Modifikationen von Teilsicherheitsbeiwerten, Abminderungen von Zwangsschnittgrößen oder Modifikationen von Widerstandsmodellen. Bei Bedarf können in den Stufen 3 und 4 (in Abstimmung mit den Obersten Straßenbaubehörden der Länder) zur realistischeren Beschreibung des Bauwerksverhaltens zum einen Ergebnisse aus Bauwerksmessungen und zum anderen wissenschaftliche Methoden herangezogen werden. Zu letzteren gehören z. B. nichtlineare Finite Elemente Berechnung oder die probabilistische Nachweisführung zur Ermittlung rechnerischer Versagenswahrscheinlichkeiten. Aus den maßgebenden Nachweisergebnissen, bzw. den in Anspruch genommenen Erleichterungen, wird das Bauwerk in die Nachweisklassen A bis C eingestuft, aus denen in der Folge Handlungsmaßnahmen abgeleitet werden können. 2.5 Bauwerksmessungen (Diagnostik und Monitoring) Da sich insbesondere die Standsicherheit älterer Bestandsbauwerke im Zuge einer Nachrechnung häufig nicht nachweisen lässt, werden die Nachweise immer häufiger auf Grundlage von Bauwerksmessungen modifiziert. Dazu zählen Informationen aus der Bauwerksdiagnostik, wie Werkstoffkenngrößen, Gefügeeigenschaften und Bauteilgeometrien, mit denen die oft konservativen rechnerischen Bauwerksparameter realitätsnäher oder zuverlässiger abgebildet werden können. Zudem können sensorgestützte Überwachungen zum Einsatz komsmartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten 250 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 men, die es ermöglichen objektspezifische Einwirkungen (z. B. WIM-Anlage, Verkehrszählungen, Temperaturen, Windgeschwindigkeiten etc.) und Bauteilreaktionen (Dehnungen, Beschleunigungen, Verformungen etc.) zu erfassen. Darüber hinaus ist es möglich, Strukturmodelle auf Basis von Bauwerksmessungen anzupassen, oder Standsicherheitsnachweise über sensorgestützte Belastungsversuche zu führen. Abbildung 2: Ablaufschema der Nachrechnungsrichtlinie Redundant oder unabhängig zur messwertgestützten, rechnerischen Nachweisführung, können Bauwerksmessungen zur unmittelbaren Zustandsüberwachung am Bauwerk genutzt werden, um kritische Situationen rechtzeitig zu erkennen. Beispiele hierfür sind Rissüberwachungen, Setzungsmessungen oder die Überwachung von Spanngliedbrüchen. Die so gewonnene Sicherheit gegen ein Bauwerksversagen ist oft größer als eine regelmäßige Sonderprüfung und kann so als Kompensationsmaßnahme für nicht nachweisbare Defizite dienen. Anhand des zuletzt genannten Punktes lässt sich erkennen, dass insbesondere das Bauwerksmonitoring die Bewertung vorgefundener Schäden positiv beeinflussen kann, da eine Beobachtung des Schadens in Echtzeit ermöglicht wird. Gleichzeitig können Nachweisdefizite, welche die Standsicherheit des Bauwerks beeinträchtigen, durch die Echtzeit-Überwachung von Bauteilbeanspruchungen oder Einwirkungen kompensiert werden. Bisher fließen die aus Bauwerksmessungen gewonnenen Erkenntnisse nicht unmittelbar in die Zustandsnote ein. Wäre dies der Fall, gäbe es für die Betreiber zusätzliche kurzfristige Anreize, schwerwiegende Defizite, für die keine sofortige Instandsetzung oder Ertüchtigung möglich ist, durch ein Monitoring zu kompensieren und die Zustandsnote zu verbessern. 3. Aggregation heterogener Zustandsinformationen 3.1 Stand der Technik Im vorigen Kapitel wurden unterschiedliche Methoden zur Gewinnung von Zustandsinformationen nach dem aktuellen Stand der Technik beschrieben. Das wichtigste Zustandskriterium zur Ableitung von Erhaltungsmaßnahmen stellt dabei die Bauwerksnote dar. Hier finden allerdings nur die im Rahmen der Bauwerksprüfung erfassten Schäden und Mängel Eingang. Die Ergebnisse einer Nachrechnung finden dagegen keinen Eingang im Bewertungskonzept der RI-EBW-PRÜF [2], da rechnerische Nachweisdefizite in den Prüfberichten nicht als Schaden bzw. Mangel berücksichtigt werden. Umgekehrt fließen auch die dokumentierten Schäden i. d. R. nicht unmittelbar in die Nachweisführung ein (diese können jedoch Anlass für eine Nachrechnung sein). Zusätzlich liegen häufig ergänzende Erkenntnisse aus Monitoringmaßnahmen, gutachterlichen Stellungnahmen oder der Bauwerksdiagnostik vor. Die Anlagenbetreiber sind so gezwungen, sich selbst einen Eindruck über den Bauwerkszustand aus den verschiedenen vorliegenden Unterlagen zu verschaffen und hieraus Entscheidungen zu Betriebs- und Erhaltungsmaßnahmen zu treffen. Die Latenz des Bewertungsverfahrens führt darüber hinaus dazu, dass die Instandhaltung primär reaktiv erfolgt. Maßnahmen werden erst dann ergriffen, wenn es der Bauwerkszustand erfordert. Wirtschaftlich effizienter ist hingegen häufig eine prädiktive Instandhaltungsstrategie, bei der Maßnahmen bereits geplant werden, bevor ein Schaden eintritt. Diese Strategie weist Schnittmengen mit einer periodischen oder präventiven Instandhaltungsstrategie auf, bei welcher Instandhaltungsmaßnahmen in festgelegten zeitlichen Abständen unabhängig vom Ist- Zustand eines Bauteils durchgeführt werden, da sich eine solche präventive Erhaltungsstrategie auf die Erkenntnisse von präventiven Strategien stützen kann. 3.2 Neuer Aggregationsansatz mittels Zustandsindikatoren Da insbesondere Bauwerkmessungen und Monitoringmaßnahmen eine immer größere Rolle im Erhaltungsmanagement spielen, ist ein einheitlicher Zustandsindikator smartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 251 als Grundlage für eine Zustandsbewertung zielführend. Dieser aggregiert die Erkenntnisse aus den Bauwerksprüfungen, Nachrechnungsergebnissen, Monitoring und Diagnostik. Ziel ist es, allen an der Bauwerkserhaltung Beteiligten einen leicht interpretierbaren Beurteilungsstandard an die Hand zu geben. Dabei soll das bewährte und etablierte Konzept der Zustandsnoten erhalten bleiben. Jedoch erfordert die digitale Transformation aus Sicht der Autoren eine Erweiterung des Konzeptes auf datengestützte Zustandserfassung. Abbildung 3: Aggregation von Schäden und Monitoringdaten zu einer Zustandsnote Im Folgenden wird eine Möglichkeit der Zustandsaggregation durch die Einführung einer übergreifenden Bewertungskennzahl „CI“ (Condition Indicator) aufgezeigt, die stets den aktuellen Zustand des Bauwerks wiedergibt und trotzdem mit dem etablierten System harmoniert. Da diese Bewertungskennzahl der aktuellen Zustandsnote entspricht, ist sie für das Erhaltungsmanagement intuitiv verständlich, sodass ein eventueller Handlungsbedarf unmittelbar erkannt werden kann. Eine Homogenisierung des Bewertungssystems wird dadurch erzielt, dass die Einzelergebnisse der in den verschiedenen Untersuchungskategorien durchgeführten Maßnahmen (Bauwerksprüfung, Nachrechnung, Monitoring, Diagnostik) analog zur klassischen Bauwerksprüfung nach S, V und D und damit nach dem Zustandsnotenprinzip bewertet werden. Dadurch werden rechnerische Defizite oder Bauwerksmessungen wie Einzelschäden am Bauwerk betrachtet. Grundsätzlich soll also nicht unterschieden werden zwischen (realen) Bauwerksschäden oder rechnerischen (messwertgestützten) Nachweisdefiziten, da beide die Standsicherheit, Dauerhaftigkeit oder Gebrauchstauglichkeit/ Verkehrssicherheit des Bauwerks negativ beeinflussen können. Der grundsätzliche Prozess der Aggregation ist in Abbildung 3 beispielhaft für die Ergebnisse aus der Bauwerkprüfung und dem Bauwerksmonitoring illustriert. Im Zuge des Aggregationsprozesses müssen die Daten aus dem Bauwerkmonitoring in die Zustandsnoten umgerechnet werden, um diese dann zu einer Gesamtzustandsnote zu aggregieren. Voraussetzung für die Aggregation ist, dass allen zuvor erwähnten Untersuchungskategorien die gleiche Bauteilklassifikation zugrunde liegt und sich der Untersuchungsgegenstand auf dessen Objekte bezieht (und nicht z. B. auf Nachweisprinzipien wie Ermüdung oder Stabilität). Für Verkehrsbauwerke erfolgt die Benennung der Condition Indicator mit den Bauteilkatalogen nach ASB- ING [13]. Analog zur Bauwerksprüfung können die CI nach den Bestandteilen des Bauwerks gegliedert werden, sodass z. B. die Bauteilgruppe in der Bauwerksprüfung „Brückenseile und -kabel“ dem CI „Brückenseile und -kabel“ entspricht. Die Zustandsbewertung der Bauteilgruppen aus der regelmäßigen Bauwerksprüfung ist dabei, neben den Teilzuständen aus Nachrechnung, Monitoring und Diagnostik, ein Teilzustand „PCI“ (Partial Condition Indicator). Die Bauwerksprüfung ist damit einer von mehreren TeilsmartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten 252 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 indikatoren (PCI), aus welchen sich die Benotung einer Bauteilgruppe (CI) ergibt. Das Gesamtkonzept hierzu ist in Abbildung 4 dargestellt. Weitere PCI können sich beispielsweise aus Informationen der Bestandsunterlagen, wie Nachrechnungsergebnissen oder Diagnostikberichten ergeben. Diese PCI sind eher quasi-statischer Natur, da sich der Zustand nur durch manuelle (Neu-)Bewertungen oder Reparatur bzw. Verstärkung ändern kann. Andere PCI ergeben sich dagegen direkt aus Bauwerksmessungen und werden in Echtzeit aktualisiert. Prinzipiell lässt sich dieses Verfahren auf jedes Bauwerk übertragen, auch wenn dieses nicht mit einem Monitoringsystem ausgestattet ist. Für die dynamischen und prädiktiven Condition Indicator ist jedoch der Input aus einem Echtzeit-Monitoring sowie die Einbindung von Umweltdaten in Kombination mit einer automatisierten Auswertung ein wesentlicher Baustein. Auf diese Weise ist es möglich zu jedem Zeitpunkt den aktuellen Bauwerkszustand zu bewerten und durch die hohe Qualität der aggregierten Indikatoren Prognosen vorzunehmen und Handlungsbedarfe zu erkennen. Mit einer sensorgestützten Überwachung kann z. B. die Funktion oder die Gebrauchstauglichkeit von Bauteilen oder Ausstattungselementen (z. B. Lager oder Übergangskonstruktion) überwacht und bewertet werden. Den in Abstimmung mit dem Bauherrn festgelegten Schwellwerten werden dann die Schadensbewertungen S, V, D zugeordnet, sodass die Schadensnoten in den Bewertungsalgorithmus einfließen können. Auf der anderen Seite können bemessungsrelevante Einwirkungen oder die Beanspruchung von Bauteilen überwacht werden. Den aus einer probabilistischen Auswertung der Messwerte ermittelten Überschreitungswahrscheinlichkeiten der zulässigen Werte für Widerstand oder Einwirkung können ebenfalls Schadensbewertungen S, V, D zugeordnet werden. Abbildung 4: Aggregation verschiedener Untersuchungskategorien zu einem Zustandsindikator (CI) 3.3 Bewertungskonzept der Teilzustandsindikatoren aus Monitoring Für ein Bewertungskonzept der Teilzustandsindikatoren müssen geeignete Schwellwerte der gemessenen Größen mit den entsprechenden Schadensbewertungen S, V, D verknüpft werden. Im Projekt smartBRIDGE Hamburg wurden insgesamt über 40 solcher Zustandsindikatoren definiert, die in die Gesamtbewertung einfließen. Beispielsweise können in Abstimmung mit dem Bauherrn Schwellwerte für die Seitenwindgeschwindigkeit festgelegt werden, die eine Verschlechterung der Schadensbewertung Verkehrssicherheit (V) zur Folge haben. Im schlimmsten Fall müssen Maßnahmen bis zur Vollsperrung unverzüglich vorgenommen werden (V = 4). Bezogen auf Standsicherheitsnachweise wie z. B. Beulnachweise im Stahlquerschnitt oder Querkraftnachweise im Spannbetonhohlkasten ist dieses Vorgehen (Definition von Schwellwerten) relativ aufwändig, da für jede Nachweisart individuelle Grenzwerte festzulegen sind. Hintergrund ist, dass für duktile Versagensarten wie ein Stahlzugversagen ganz andere Anforderungen an Sicherheitsreserven gelten müssen als für spröde Versagensarten oder Stabilitätsversagen ohne Vorankündigung. Im smartBRIDGE Hamburg Projekt wurde daher der Weg verfolgt, die Schadensbewertung Standsicherheit (S) mit verschiedenen Stufen des probabilistischen Sicherheitsmaßes β zu verknüpfen. Der Sicherheitsindex β wird in der EN 1990 [14] als Zielzuverlässigkeit für den Grenzzustand der Tragfähigkeit für Neubauwerke definiert und smartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 253 gilt unabhängig von der Nachweisart. Die Zielzuverlässigkeit für Neubauwerke von β 50 = 3,8 (der Index 50 bezieht sich auf den Bezugszeitraum) ist in diesem Konzept mit der Schadensbewertung S = 0 assoziiert, da bei diesem Sicherheitsmaß keine Beeinträchtigung der Standsicherheit vorliegt. Für die Schadensbewertung von S = 1 bis S = 4 müssten nun Zielzuverlässigkeiten definiert werden, die geringer sind als die vorgeschriebenen Zielzuverlässigkeiten. Dieser Umstand stellt viele Bauingenieure vor ein Dilemma, da ein Weiterbetrieb einer baulichen Anlage bei einer explizit eingeschränkten Standsicherheit nicht verantwortbar erscheint, bzw. eine pauschale Reduzierung der geforderten Zielzuverlässigkeit nicht zulässig ist. Ein Problem hierbei ist auch, dass die tatsächlich erhöhte Versagenswahrscheinlichkeit von schadhaften älteren Bestandsbauwerken in der Regel abstrakt verhandelt wird, indem qualitativ geeignet erscheinende Kompensationsmaßnahmen (z. B. verkürzte Prüfintervalle) getroffen werden die das Sicherheitsdefizit „beheben“. Die Realität ist allerdings, dass Standsicherheitsdefizite bis zu einem gewissen Grad akzeptiert werden müssen, da zumindest unklar ist, ob die bekannten Kompensationsmaßnahmen reale Nachweisdefizite aufwiegen. Aus Sicht der Autoren sprechen verschiedene Gründe dafür, dass eine Abstufung der Zielzuverlässigkeit für eine Verknüpfung mit einer Schadensbewertung zu rechtfertigen ist, bzw. sogar logisch erscheint. Einige der Gründe werden im Folgenden aufgeführt: • Die in EN 1990 definierte Zielzuverlässigkeit besitzt bereits aus mathematischen Gründen einen „Toleranzbereich“. Aufgrund der zulässigen Grenzen für das Verhältnis der Standardabweichungen s R / s E beträgt die tatsächliche Zielzuverlässigkeit unter Umständen nur β 50 = 3,04 statt 3,8 [15]. • Die für Bestandsbauwerke erforderliche Zielzuverlässigkeit bezogen auf den Zeitraum der Nutzungsdauer nimmt mit zunehmendem Alter ab, da das Bauwerksversagen bisher nicht eingetreten ist. In jedem Fall werden in verschiedenen Quellen reduzierte Zielzuverlässigkeiten für Bestandsbauwerke vorgeschlagen (s. a. [15]). • Durch die Assoziation der reduzierten Zielzuverlässigkeit mit Schadensbewertungen bis S = 4 werden automatisch Kompensationsmaßnahmen initiiert, da spätestens bei einer Bewertung von S = 3 Maßnahmen seitens des Betreibers erforderlich sind. Es könnte also argumentiert werden, dass sich die inhärente Betriebssicherheit gar nicht reduziert, da eine reduzierte Zielzuverlässigkeit eine entsprechend höhere Aufmerksamkeit oder Kompensationsmaßnahmen zur Folge hat. In jedem Fall müssen die Grenzwerte der mit der Schadensbewertung assoziierten Zielzuverlässigkeit in Abstimmung mit dem Bauherrn festgelegt werden. Für das smartBRIDGE Hamburg Projekt wurde die Schadensbewertung S = 4 mit dem reduzierten Sicherheitsindex β 50 = 2,5, bzw. β 1 = 3,7 verknüpft. Die β -Zwischenwerte zu S = 0 mit β 50 = 3,8 können linear interpoliert werden. Der Grenzwert von β 50 = 2,5, der einer jährlichen Versagenswahrscheinlichkeit von P f = 1,1x10 -4 entspricht, wurde aufgrund verschiedener Erwägungen gewählt. Der von S paethe [16] definierte Grenzwert der hinnehmbaren zusätzlich auferlegten Sterbewahrscheinlichkeit liegt bei 10 -3 , da dieser der summierten jährlichen Unfallsterbewahrscheinlichkeit entspricht. Allerdings liegt in der heutigen Gesellschaft ein deutlich geringeres Unfallrisiko als zur Zeit der Abfassung des Werks von S pa ethe im Jahr 1992 vor: im Jahr 2015 lag die jährliche Unfallsterblichkeit in Deutschland bei nur noch 3,0x10 4 [17] da insbesondere die Unfallsterblichkeit aus Verkehr abgenommen hat. Die hier definierte Versagenswahrscheinlichkeit ist also um einen Faktor 3 geringer als die summierte jährliche Unfallsterblichkeit. Darüber hinaus zeigten Untersuchungen, dass auch die tatsächliche jährliche Einsturzwahrscheinlichkeit von Brückenbauwerken in Industrieländern in der Größenordnung von 10 -5 und 10 -4 liegt [18]. Aus diesen Gründen wurde im Rahmen des smartBRIDGE Hamburg Projekts für die Köhlbrandbrücke davon ausgegangen, dass ein unterer Grenzwert von β 50 = 2,5 mit der Schadensbewertung S = 4 assoziiert werden kann. Dadurch, dass die Schadensbewertungen mit Sicherheitsindizes verknüpft sind, können für alle Nachweisarten, die sich auf den Grenzzustand der Tragfähigkeit beziehen, Schadensbewertungen auf Grundlage der Bauwerksmessung oder Nachrechnung abgeleitet werden. Die Vorgehensweise wird anhand von zwei Beispielen im Folgenden exemplarisch erläutert. 4. Umsetzung im Rahmen des Projekts smartBRID- GE Hamburg 4.1 Beispiel PCI Beulsicherheit Das beschriebene Vorgehen wird beispielhaft anhand der Umsetzung von smartBRIDGE Hamburg erläutert. Das Teilbauwerk „Strombrücke“ der Köhlbrandbrücke enthält für jede vorhandene Bauteilgruppe einen Condition Indicator mit der analogen Bezeichnung der Bauteilgruppe nach ASB-ING. In Abbildung 5 ist links der Condition Indicator „Überbau“ (Versteifungsträger als Stahlhohlkasten) dargestellt. Der Gesamtzustand des Überbaus ergibt sich aus den PCI der Bauwerksprüfung sowie den PCI der messwertgestützten Berechnungen. Mit den PCI „Beulsicherheit“ und „Ermüdungssicherheit Querrahmen“ ist innerhalb des CI die Überwachung von zwei potenzieller Schadensszenarien enthalten, die aufgrund von Sensitivitätsanalysen für das Bauwerk als kritisch eingestuft worden. smartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten 254 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Die Beulsicherheit wird durch die probabilistische Auswertung der an den beulgefährdeten Bereichen gemessenen Dehnungen bewertet (Abbildung 5, rechts). Die Berechnung des vorhandenen Sicherheitsindex für ein Beulversagen anhand von Bauwerksmessung in [9] erläutert. Regelmäßig wird durch die vorhandenen Messdaten der Zuverlässigkeitsindex (hier β E -Index, bezogen auf die Einwirkungsseite) bestimmt, der wiederum in eine S-, V- und D-Bewertung und so in eine Zustandsnote umgerechnet wird. In der Visualisierung gezeigt werden sowohl die Veränderungen der Zustandsnoten als auch die zugehörigen S-, V- und D-Bewertungen, um die Auswirkung des betrachteten Schadensszenarios auf das Gesamttragwerk zu verdeutlichen. Des Weiteren ist zur Verdeutlichung der zeitlichen Entwicklung des Zustands und ggf. für eine erste Plausibilitätsprüfung ein Zeitdiagramm mit der zeitlichen Entwicklung des Zuverlässigkeitsindex dargestellt. Abbildung 5: Beispielhafte Visualisierung des CI „Überbau“ der Köhlbrandbrücke mit den zugehörigen PCI (links) sowie die Detailansicht des PCI „Beulsicherheit“ (rechts) anhand des Condition Control smartBRIDGE Hamburg 4.2 Beispiel PCI Ermüdungssicherheit der Querrahmen Die Darstellung der Ermüdungssicherheit in den Querrahmen erfolgt analog. Lediglich die dargestellte und zu bewertende Ergebnisgröße ist in diesem Fall die rechnerische Schädigung D (D = 1 entspricht rechnerischem Ermüdungsschaden), die für einen Überblick des zeitlichen, rechnerischen Schädigungsverlaufs dient. Jeder Teilzustand (PCI) innerhalb der Bauteilgruppe (CI) besitzt in letzter Instanz eine Zustandsnote. Zur Aggregation aller Zustandsnoten wird der Algorithmus nach RI-EBW-PRÜF gewählt, bei dem auf der sicheren Seite liegend die maximale Zustandsnote innerhalb einer Bauteilgruppe maßgebend für die Zustandsnote der Bauteilgruppe wird. 5. Zusammenfassung In dem vorliegenden Beitrag wurde ein Verfahren aufgezeigt, welches es eine Aggregation der Teilzustandsinformationen aus Bauwerksprüfung, Bauwerksmonitoring, Nachrechnung und anderen Informationsquellen innerhalb eines Zustandsindikators (Condition Indicator) ermöglicht. Aus pragmatischen Gründen und für die Akzeptanz der Entwicklung wurde hierfür die bereits bekannte Zustandsnote nach RI-EBW-PRÜF gewählt. Anhand des Beispiels von Monitoringdaten wurde gezeigt, wie Schadensbewertungen aus einem assoziierten Sicherheitsindex abgeleitet werden können. In der Folge erlaubt das Verfahren eine für alle Nachweisarten konsistente Transformation von Nachweisdefiziten in Schadensbewertungen und letztendlich in Zustandsnoten. smartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 255 Dadurch wird eine Konvergenz heterogener Zustandsinformationen bewirkt, die die Möglichkeit bietet, das Erhaltungsmanagement zu vereinfachen und sich insbesondere in das im Rahmen des Projekts smartBRIDGE Hamburg verfolgte Konzept des Digitalen Zwillings einfügt. Die digitale Transformation im Bauwesen fokussiert aktuell primär Planen und Bauen. Ein Großteil aktueller und zukünftiger Probleme (und Aufwendungen) liegt jedoch im Betreiben der Infrastruktur. Das vorgestellte Konzept möchte einen Beitrag leisten unsere etablierten und bewährten Prozesse zukunftsfähig zu machen. In diesem Sinne stellt das beschriebene Vorgehen einen ersten Schritt dar, den es durch Forschung und die Mitarbeit vieler auszugestalten gilt. Literaturverzeichnis [1] DIN 1076 (1999) Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen - Überwachung und Prüfung, Stand November 1999, Beuth Verlag GmbH, Berlin. [2] RI-EBW-PRÜF (2017) Richtlinien für die Erhaltung von Ingenieurbauten (RI-ERH-ING) - Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur [3] BMVBS (2011) Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie). Ausgabe Mai 2011. [4] AG Schwerverkehr (2020) Grundkonzeption für den Traglastindex. UAG Traglastindex, Stand April 2020. [5] Krause, S. (2020) Einführung des Traglastindex; Übergabe der Daten an die Bundesanstalt für Straßenwesen, ARS 09/ 2020, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur [6] RPE-ING (2020) Richtlinien für die strategische Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Ingenieurbauwerken. Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, Stand 12/ 2020 [7] Geißler, K.; Steffens, N.; Stein, R. (2019) Grundlagen der sicherheitsäquivalenten Bewertung von Brücken mit Bauwerksmonitoring, Stahlbau 88, H. 4, S. 338-353. [8] Steffens, N. (2019) Sicherheitsäquivalente Bewertung von Brücken durch Bauwerksmonitoring, Dissertation, TU Berlin, Düren: Shaker. [9] Herbrand, M.; Wenner, M.; Ullerich, C.; Rauert, T.; Zehetmaier, G.; Marx, S. (2021) Beurteilung der Bauwerkszuverlässigkeit durch Bauwerksmonitoring, Bautechnik 98 H. 2, S. 93-104, Verlag Ernst & Sohn [10] Ullerich, C., Grabe, M., Wenner, M., Herbrand, M. (2020): smartBridge Hamburg - prototypische Pilotierung eines digitalen Zwillings, Bautechnik 97 H. 2, S. 118-125, Verlag Ernst & Sohn [11] BMVBS (2013) Bauwerksprüfung nach DIN 1076 - Bedeutung, Organisation, Kosten, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, Stand September 2013 [12] Haardt, P. (1999) Algorithmen zur Zustandsbewertung von Ingenieurbauwerken. BASt Heft B22, Bergisch Gladbach, Februar 1999 [13] ASB-ING (2013) Anweisung Straßeninformationsbank Segment Bauwerksdaten, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau [14] DIN EN 1990 (2010) Grundlagen der Tragwerksplanung. Ausgabe 12/ 2010 + A1: 08/ 2012. Berlin: Beuth. Dez. 2010 [15] Fischer, A. M. (2010) Bestimmung modifizierter Teilsicherheitsbeiwerte zur semiprobabilistischen Bemessung von Stahlbetonkonstruktionen im Bestand, Disseration TU Kaiserslautern, Januar 2010 [16] Spaethe, G. (1992) Die Sicherheit tragender Baukonstruktionen. 2. Aufl. Wien: Springer [17] DESTATIS (2017) Todesursachen in Deutschlande - 2015, Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 4, 2017 [18] Proske, D. (2020) Die globale Gesundheitsbelastung durch Bauwerksversagen, Bautechnik 97, H. 4, S. 233-242