Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings
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Frederik Wedel
Daniel Opitz
Christoph Thiedemann
Markus Meyer-Westphal
Das Building Information Model (BIM) hat eine Schlüsselrolle innerhalb von smartBRIDGE und seiner technischen Lösungen: Es ist die Basis für den digitalen Zwilling Jedoch ist ein Building Information Model nicht mit einem digitalen Zwilling gleichzusetzen, denn ein digitaler Zwilling ist ein dynamisch mit der realen Welt verknüpftes Modell eines Assets mit hochaktuellen Zustandsdaten. Das Building Information Model kann diese Art von Daten nicht zur Verfügung
stellen. Die Stärken von BIM liegen in der Visualisierung von Geometrien und in der Verknüpfung von statischen Informationen mit 3D-Objekten. Ziel ist es demnach, die BIM-Methodik im Rahmen dieses Projekts für diese Zwecke einzusetzen. Es stellt beispielsweise die Grundlage für die Visualisierung des digitalen Zwillings dar und enthält darüber hinaus alle notwendigen Informationen zur Navigation und Filterung innerhalb der Plattform sowie der Verortung von Schäden, Sensorik und anderer Zustandsindikatoren (Condition Indicator). Es bietet die Möglichkeit, die generierten Informationen in einen zeitlichen und räumlichen Kontext zu setzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist das vor Projektbeginn bereits bestehende BIM-Modell geometrisch und semantisch zu erweitern, ohne die ursprüngliche Intention zur Nutzung des BIM-Modells durch die HPA zu konterkarieren. Der Beitrag zeigt, welche Schritte gegangen werden müssen, um die BIM-Methodik auch für die Nutzungsphase, welche die längste Dauer im Bauwerkslebenszyklus ausmacht, von Brückenbauwerken und anderen Assets in Zukunft sinnvoll zu nutzen. Bereits heute werden viele neue Infrastrukturbauprojekte mit BIM geplant und realisiert. Eine Übertragbarkeit des Konzepts auf andere Projekte / Bauwerke ist somit gewährleistet und zukunftsträchtig.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 257 smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings Frederik Wedel frederik.wedel@marxkrontal.com Marx Krontal Partner, MKP GmbH, Uhlemeyerstr. 9+11, 30175 Hannover Daniel Opitz d.opitz@wtm-hh.de WTM Engineers GmbH, Johannisbollwerk 6-8, 20459 Hamburg Christoph Tiedemann christoph.tiedemann@hpa.hamburg.de Hamburg Port Authority AöR, Neuer Wandrahm 4, 20457 Hamburg Markus Meyer-Westphal mmw@customquake.com customQuake GmbH, Katharinenstraße 4, 20457 Hamburg Abstract Das Building Information Model (BIM) hat eine Schlüsselrolle innerhalb von smartBRIDGE und seiner technischen Lösungen: Es ist die Basis für den digitalen Zwilling Jedoch ist ein Building Information Model nicht mit einem digitalen Zwilling gleichzusetzen, denn ein digitaler Zwilling ist ein dynamisch mit der realen Welt verknüpftes Modell eines Assets mit hochaktuellen Zustandsdaten. Das Building Information Model kann diese Art von Daten nicht zur Verfügung stellen. Die Stärken von BIM liegen in der Visualisierung von Geometrien und in der Verknüpfung von statischen Informationen mit 3D-Objekten. Ziel ist es demnach, die BIM-Methodik im Rahmen dieses Projekts für diese Zwecke einzusetzen. Es stellt beispielsweise die Grundlage für die Visualisierung des digitalen Zwillings dar und enthält darüber hinaus alle notwendigen Informationen zur Navigation und Filterung innerhalb der Plattform sowie der Verortung von Schäden, Sensorik und anderer Zustandsindikatoren (Condition Indicator). Es bietet die Möglichkeit, die generierten Informationen in einen zeitlichen und räumlichen Kontext zu setzen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist das vor Projektbeginn bereits bestehende BIM-Modell geometrisch und semantisch zu erweitern, ohne die ursprüngliche Intention zur Nutzung des BIM-Modells durch die HPA zu konterkarieren. Der Beitrag zeigt, welche Schritte gegangen werden müssen, um die BIM-Methodik auch für die Nutzungsphase, welche die längste Dauer im Bauwerkslebenszyklus ausmacht, von Brückenbauwerken und anderen Assets in Zukunft sinnvoll zu nutzen. Bereits heute werden viele neue Infrastrukturbauprojekte mit BIM geplant und realisiert. Eine Übertragbarkeit des Konzepts auf andere Projekte / Bauwerke ist somit gewährleistet und zukunftsträchtig. 1. Einleitung Die Digitalisierung schreitet in vielen Bereichen voran. Während Wirtschaftszweige wie die Automobilindustrie mit großen Schritten vorangehen, bietet die Baubranche noch großes Potential. Insbesondere bei der Instandhaltung laufen noch viele schritte manuell und analog ab. Auf Bauwerksschäden kann nur reagiert werden, anstatt sie zu verhindern. Das führt zu kostenintensiven Erhaltungsmaßnahmen und unplanmäßigen Sperrungen. Die zyklischen Bauwerksinspektionen nach DIN 1076 liefern umfangreiche aber zeitlich punktuelle Informationen über den Bauwerkszustand. Weitere informationsgebende Verfahren wie eine kontinuierliche Zustandsüberwachung über das Bauwerksmonitoring oder andere bauwerksdiagnostische Untersuchungen kommen nur vereinzelt zum Einsatz. Falls solche Methoden zur Anwendung kommen, finden sie in der Regel separat voneinander statt. Eine gesamtheitliche Bewertung aller vorliegenden Daten findet nicht statt. Das Pilotprojekt smartBRIDGE Hamburg vereint alle informationsbereitstellenden Datenstränge in einem Digitalen Zwilling [1], [2], [3]. Digitaler Zwilling ist eine digitale aktive, dynamische Repräsentation, die smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 258 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 alle Daten und Informationen über das reale Objekt in einem digitalen Modell vereint. Er aktualisiert sich selbst, wobei er unterschiedlichste Datenquellen nutzt, um sein reales Gegenstück möglichst genau und aktuell repräsentieren zu können. Im Projekt wird dieser für die Köhlbrandbrücke erstellt. Dazu wird eine Softwareplattform entwickelt, die diese Daten vereint. Dabei ist es erforderlich, die Zustandsinformationen an einem digitalen Bauwerksmodell zu verorten. Die Plattform fordert daher ein interaktives dreidimensionales Abbild mit verorteten Echtzeit-Informationen. Die BIM-Methode eignet sich hervorragend für diesen Zweck. In welcher Form sie für das Projekt genutzt wird und wo sie an ihre Grenzen stößt, zeigt der nachfolgende Artikel. Das Projekt liefert dabei einen wichtigen Beitrag zur Überführung der BIM-Methodik in den Betrieb und die Instandhaltung von Infrastrukturbauwerken. 2. Die Köhlbrandbrücke Die Köhlbrandbrücke verbindet die Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg mit der Bundesautobahn 7 und ist die wichtigste Verkehrsverbindung im Hafen. Über die im Jahre 1974 eröffnete Köhlbrandbrücke fahren täglich ca. 35.000 Fahrzeuge. Durch ihr markantes Aussehen der Schrägseilbrücke, mit ihren 135 m hohen blau strahlenden Pylonen, der harfenförmig angeordneten 88 Stahlseile und den massiven Rampenbrücken zählt die Köhlbrandbrücke zu den Hamburger Wahrzeichen. Der gesamte Brückenzug ist 3618 m lang und besteht aus der östlichen Rampenbrücke auf der Elbinsel Wilhelmsburg, der Strombrücke über den Köhlbrand und der westlichen Rampenbrücke über den Rugenberger Hafen. Die östliche Rampenbrücke ist eine 2050 m lange Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktion, die Strombrücke eine 520 m lange Schrägseilbrücke mit stählernem Fahrbahnträger als Hohlkasten und die westliche Rampenbrücke eine 1048 m lange Spannbetonbrücke. Die Brücke wird insgesamt durch vier Fahrspuren und einem großen Anteil des Schwerlastverkehrs stark beansprucht (Abbildung 1). Das zweifellos auffälligste Bauwerk in dem Brückenzug ist die Schrägseilbrücke, mit Stützweiten von 97,5 m, 325 m und 97,5 m und bietet für den Schiffsverkehr eine Durchfahrtshöhe von 53 m. Auf den zwei 37 m hohen Stahlbetonpfeilern sind Pylone aus Stahl angeordnet. An diesen Pylonen sind jeweils 44 vollverschlossene Stahlseile verankert, die andererseits über fächerförmige Abspannungen an den seitlichen Konsolen des stählernen Überbaus befestigt sind. Der Überbau „schwebt“ durch die Pylone hindurch, sodass lediglich vertikale Lagerungen nur an den Trennpfeiler notwendig sind. In den Trennpfeilern, die den Übergang zur Ost- und Westrampe ermöglichen, sind jeweils vier Rückhalteseile zur Abhebesicherung der Überbauten angeordnet. Abbildung 1: Blick auf die Köhlbrandbrücke smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 259 Der aufgehängte Überbau besteht aus einem einzelligen Stahlholkasten mit orthotroper Fahrbahnplatte mit einer Breite von 17,2 m und einer Höhe von 3,52 m. Die beiden Rampenbauwerke östlich und westlich des Köhlbrands bestehen wiederum selbst aus eigenständigen Teilsystemen sogenannten Teilbauwerken. Die Rampenüberbauten wurden als einzellige und zweizellige Hohlkastenquerschnitte in Spannbetonbauweise ausgebildet und sind sowohl in Längsrichtung als auch in Querrichtung vorgespannt. Die Aufteilung des Hauptbauwerks in Bau- und Teilbauwerke sowie Bauteilgruppen ist Abbildung 2 zu entnehmen. Die Teilbauwerke wiederum untergliedern sich in jeweils 14 Bauteilgruppen nach ASB-ING 2013 [4]. In der ASB- ING werden alle für die Verwaltung und Erhaltung von Ingenieurbauwerken benötigten Bauwerksdaten, Bauteile und die relevanten Eigenschaften/ Attribute definiert. Abbildung 2: Taxonomie der Köhlbrandbrücke nach ASB-ING 2013 und dem Bauteilkatalog Brücken [5] Das Hauptbauwerk Köhlbrandbrücke besteht demnach aus 3 Bauwerken, die wiederum aus verschieden vielen Teilbauwerken bestehen. Diese Taxonomie zieht sich durch das gesamte Projekt und bietet die Grundlage für die Navigation im Digitalen Zwilling. Die in Klammern dargestellten Abkürzungen und Nummern werden zur Identifikation genutzt. 3. Anforderungen an das BIM-Modell aus der smartBRIDGE Plattform Der Digitale Zwilling in der smartBRIDGE Plattform besteht aus verschiedenen Komponenten, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Die Nutzerschnittstelle ist eine Webseite, die über den Browser aufgerufen wird, das sogenannte „Condition Control“, siehe Abbildung 3. Auf diesem Front End werden alle Informationen und insbesondere die Bauwerkszustände aus der Bauwerksprüfung und dem Monitoring zu sogenannten Condition Indicators [3] zusammengeführt und für den Nutzer in konsumier- und explorierbarer Form bereitgestellt. Für weitere Informationen zum Projekt aber auch Condition Control siehe [1], [2] und [3]. smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 260 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Abbildung 3: Darstellung des Digitalen Zwillings in Condition Control Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus Condition Control, mit der Strombrücke (Schrägkabelbrücke) als ausgewähltes Bauwerk, welches hervorgehoben wird. Außerdem sind Schäden (hier im Fahrbahnbelag) verortet, die über das Symbol anklickbar sind. Bei einem Klick auf den Schaden öffnen sich die zugehörigen Metainformationen in einer Seitenleiste am linken Bildschirmrand. Gleiches gilt für Sensoren aus dem Monitoring und andere diagnostische Untersuchungsbereiche (nicht in der Abbildung dargestellt). Zusätzlich ist die so genannte Structure Summary dargestellt, welche die Zustandsnote sowie weitere Informationen über die Strombrücke in Echtzeit bereitstellt. Der datenbasierte Ansatz der smartBRIDGE Plattform ermöglicht eine Navigation als Drilldown von oberster Ebene (Hauptbauwerk: Köhlbrandbrücke) bis hin zu Detailinformationen beispielsweise über einen Schaden. Daher ist es erforderlich, diese (Bauwerks-)Hierarchie (siehe Abbildung 2) aufzustellen und in geeigneter Art und Weise in die Plattform zu überführen. Abbildung 3 zeigt den aktuellen Entwicklungsstand im Projekt. Durch die vielen verschiedenen Elemente und Möglichkeiten in der Navigation werden diverse Anforderungen an das BIM-Modell gestellt, welches entsprechend aufgebaut werden muss. 4. Datenquellen und -integrationsmöglichkeiten 4.1 Daten zur Aufnahme in das Modell Das Ziel des Digitalen Zwillings ist unter anderem die Zusammenführung verschiedener Datenquellen, um sie gesamtheitlich und in Echtzeit bewertet und im digitalen Modell verortet darzustellen. So genannte Condition Indicator übernehmen diese Aufgabe [3]. Diese heterogenen Daten stammen aus unterschiedlichen Systemen und sind nachfolgend kurz aufgeführt. Die Grundlage für die Verortung von Informationen ist das Hauptbauwerksmodell. Selbst besteht es aus verschiedenen Bauwerken und Teilbauwerken, siehe Abbildung 2 und Abschnitt 5.4. Es handelt sich um Geometrien zur Visualisierung im Front End, deren Attribute sich in der Regel nicht ändern. Die wichtigste Informationsquelle für die Instandhaltung ist die Bauwerksprüfung mit entsprechenden Prüfergebnissen und Dokumentationen von Schäden. Sie erfolgt nach DIN 1076 in regelmäßigen Abständen. Während einer Bauwerksprüfung werden alle Schäden vom Bauwerksprüfer erfasst und in SIB-Bauwerke (auch: SIB- BW) dokumentiert. Dieses Computerprogramm ermöglicht die Dokumentation von Schäden und ermittelt letztendlich die Zustandsnote für die Bauwerke in Abhängigkeit der Inspektionsergebnisse. Es liefert demnach wichtige Informationen zur Ermittlung des Bauwerkszustands. Aus der Anzahl und Schwere der verschiedenen Schäden je Bauteilgruppe werden Zustandsnoten berechnet, die in einem Prüfbericht alle sechs (Hauptprüfung) bzw. drei (einfache Prüfung 1 ) Jahre aktualisiert werden. Es kann zu häufigeren Änderungen kommen, falls anlassbezogene Inspektionen durchgeführt werden. Die Dokumentation von Schäden im Programm erfolgt in Tabellenform und damit nur schwer nachvollziehbar, an welchen Stellen sich die Schäden befinden, da höchstens beschreibende Informationen existieren. Für jeden Schaden gibt es zusätzlich die Möglichkeit, ein Foto des Schadens zu hinterlegen. Die Änderungsrate für Schäden und Zustandsnoten aus SIB-Bauwerke liegt damit bei etwa drei Jahren. In der aktuellen Version ist SIB-Bauwerke 1 Die einfache Prüfung findet ebenfalls nur alle sechs Jahre statt aber phasenverschoben um drei Jahre zur Hauptprüfung. smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 261 nur als Offline-System vorhanden. Der Austausch von Informationen erfolgt demnach dateibasiert. Die aktuelle Entwicklung von SIB-Bauwerke 2.0 berücksichtigt einen Online-Zugriff, sodass die Informationen direkt zur Verfügung gestellt werden können ohne einen manuellen Datenaustausch. Darüber hinaus wurde ein Monitoring installiert, welches im Gegensatz zu den zyklischen Prüfungen, permanente Daten zur Beurteilung des Bauwerkszustands als Condition Indicators liefert. Die Sensoren selbst besitzen Metainformationen, die für den Nutzer interessant sind. Daher werden die Sensoren inkl. ihrer Attribute in ein BIM-Modell überführt. Messdaten von Sensoren finden keinen Eingang in das BIM-Modell, da ein solches nicht dafür ausgelegt ist. Neben der Bauwerksprüfung und dem Monitoring werden außerdem diagnostische Untersuchungen durchgeführt und in smartBRIDGE integriert. Sie liefern einerseits Condition Indicators und zusätzlich hilfreiche Informationen für eine verbesserte Bewertung des Bauwerkszustands. Beispielsweise können die Korrosionsgefährdung beurteilt oder Materialeigenschaften bestimmt werden. Da es sich in der Regel um manuelle Vor-Ort-Untersuchungen handelt, ist von antizyklischen und heterogenen Daten auszugehen. Die genannten Daten und Informationen werden innerhalb des Projekts gesammelt, strukturiert und verortet. Inwieweit die Aufnahme solcher Daten direkt in das BIM-Modell sinnvoll ist, oder an welchen Stellen nur eine Verknüpfung zielführend ist, wird nachfolgend dargestellt. Dazu wird einerseits geprüft, welche Datenintegrationsmöglichkeiten (Abschnitt 4.2) innerhalb der BIM-Methodik existieren und andererseits wird BIM im Kontext des smartBRIDGE Projekts dargestellt (Abschnitt 5.1). 4.2 Datenintegrationsmöglichkeiten Die zuvor genannten Datenquellen stellen diverse Anforderungen an das BIM-Modell bzw. dessen Informationsgehalt. Nicht alles gehört ins BIM-Modell - im Gegenteil: die Aufnahme dynamischer bzw. sich schnell oder häufig ändernder Daten in das Modell ist zu vermeiden. Andernfalls ist der manuelle Pflegeaufwand solcher Modelle nicht wirtschaftlich möglich. Da es sich zum Teil um sehr heterogene Daten und Informationen handelt, mussten verschiedene Datenintegrationsmöglichkeiten überprüft werden. Grundsätzlich werden folgende Integrationsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der BIM- Methodik unterschieden: 1. Informationen direkt in der Semantik des Objekts (embedded data): Geometrie und Metadaten (Attribute) sind direkt im BIM-Modell enthalten 2. Informationen direkt an der Semantik des Objekts (linked data): Im Attribut wird ein Weblink gespeichert, der beispielsweise ein Foto bereitstellt 3. Nutzung der Attribute für Verlinkung auf externe Datenquellen: Aus den Attributen kann eine Datenbankabfrage erstellt werden, die weitere Metadaten enthält (Verlinkung von Systemen) 4. Speicherung zusätzlicher Informationen in einer CDE: Fotos oder Dokumente können direkt in einer CDE hinterlegt werden Abbildung 4 zeigt die ersten drei Möglichkeiten. Abbildung 4: Datenintegrationsmöglichkeiten in die BIM-Methodik smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 262 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Bei Möglichkeit 1 sind die Daten/ Informationen direkt in der Semantik des BIM-Modells enthalten, wie Elemente des Bauwerks selbst (Seile, Bleche, Fahrbahnbelag, etc.) oder auch die der Ausrüstung oder des Monitorings. Neben den Objekten selbst, können Attribute zusätzliche Informationen bereitstellen, beispielsweise für die Seile: Hersteller, Seilquerschnitt, Seilkraft, Drahtfestigkeit. Dies ist der klassische und damit häufigste Anwendungsfall, wofür BIM im Wesentlichen gedacht ist. Vorteilhaft ist, dass sich die Attribute in der Autorensoftware leicht und teilautomatisiert anpassen lassen. Nachteilig ist dabei allerdings, dass bei jeder Objekt- oder Attributänderung die Routine zur Bereitstellung des aktualisierten Modells (siehe Abschnitt 5.1) erneut ablaufen muss. Da dieser Prozess derzeit händisch abläuft, sind häufige Änderungen zu vermeiden. Mit Möglichkeit 1 wird das gesamte Bauwerksmodell aufgebaut. Bei Möglichkeit 2 handelt es sich um einen Linked-Data-Ansatz. Bei einem Attribut wird ein Link bzw. eine URL hinterlegt, die auf einen Webserver verweist. Somit können Dateibasierte Informationen wie Pläne, Bilder oder anderen Dokumente an die Objekte angeheftet werden. Neben BIM wäre damit ein weiteres System (hier: beispielsweise Webserver) erforderlich. Für das Projekt smartBRIDGE Hamburg führt dies nicht zu einem höheren Aufwand, da ohnehin verschiedene Services und Frameworks zum Einsatz kommen, die den Anforderungen dieser Art der Informationsverknüpfung gerecht würden. Grundsätzlich bestehen bei dem Linked-Data-Ansatz zwei Möglichkeiten: a. Die URL verweist statisch auf ein Dokument auf dem Webserver b. Die URL verweist auf einen Pfad innerhalb des Webservers; der Webserver steuert, welche Information dort hinterlegt ist Möglichkeit a) ist nicht praktikabel, da bei jeder Änderung/ Aktualisierung der anzuzeigenden Information (Plan, Bild, etc.) eine Anpassung des BIM-Modells bzw. seiner Attribute notwendig wäre. Bei Möglichkeit b) wird diese Steuerung über den Webserver selbst übernommen. Sobald eine Änderung der anzuzeigenden Datei verfügbar ist, wird diese nur auf dem Webserver ausgetauscht. Das BIM-Modell bleibt davon unberührt. Bei dieser Möglichkeit ist der manuelle Pflegeaufwand (des Webservers) zunächst hoch. Allerdings lassen sich Automatisierungsprozesse aufsetzen, die eine automatisierte Dateiverwaltung auf dem Webserver übernehmen. Ebenfalls denkbar wäre der Verweis auf einen Ordner auf einem Webserver, wo diverse Dateien zugehörig zu einem Bauteil abgelegt sein können. Möglichkeit 2 wird im Projekt nicht genutzt. Bei Möglichkeit 3 findet ebenfalls eine Verknüpfung zwischen dem BIM-Modell und einer externen Quelle statt. Anders als zuvor, wo eine URL auf einen Webserver verweist, können die zusätzlichen Attribute direkt dafür genutzt werden, um Informationen gezielt von der Datenbank oder von einem Webserver abzurufen, um sie dem Nutzer zur Verfügung zu stellen. Dabei dienen die Attribute als Identifikatoren (wahlweise auch direkt eine ID), die sowohl im BIM-Modell als auch in den externen Daten enthalten sind. Möglichkeit 3 wird im Projekt sehr stark genutzt. Beispielsweise werden so Schäden, Sensorik und diagnostische Untersuchungen sowie Fotos und andere heterogene Daten integriert, siehe Abschnitt 5.5. Möglichkeit 4 der Datenintegration besteht darin, die Informationen oder Dateien in einer CDE bereitzustellen. Dabei erfolgt keine direkte Verankerung bzw. Verlinkung in die Semantik der Objekte über die Autorensoftware. Der Vorteil ist, dass eine CDE bereits über eine Dateiverwaltung verfügt. Da die Visualisierung (Condition Control) jedoch nicht auf diese CDE zugreift, ist es nachteilig, dass diese Dateien/ Verlinkungen alleinig in der CDE und nicht im BIM-Modell hinterlegt werden. Diese Möglichkeit wird daher nicht für die smartBRIDGE Plattform aber für die Erstellung des eigentlichen Bauwerksmodells genutzt. Für letztere, siehe Nutzung von BCF in CDE in Abschnitt 5.2. 5. Die Nutzung der BIM-Methodik 5.1 BIM im Kontext von smartBRIDGE Hamburg Wie Abbildung 3 zeigt, sind weitere Funktionalitäten gefordert, die über die klassische BIM-Nutzung hinaus gehen. Dennoch ist das BIM-Modell zentraler Dreh- und Angelpunkt des Projekts. Es enthält und verortet alle notwendigen Informationen zur Navigation in Condition Control und Verknüpfungen zwischen den Datenquellen. Abbildung 5 zeigt die verschiedenen Systeme und ihre Abhängigkeiten untereinander. smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 263 Abbildung 5: BIM als zentraler Dreh- und Angelpunkt im Projekt smartBRIDGE Hamburg Die Informationen aus SIB-Bauwerke werden für das Projekt smartBRIDGE Hamburg einerseits in das BIM-Modell und andererseits in eine Datenbank überführt. Die in SIB-BW dokumentierten Schäden werden in einem separaten BIM-Modell verortet. Dies ermöglicht die Anzeige im Front End, siehe Abbildung 3. Um eine redundante und damit pflegeintensive und fehleranfällige doppelte Datenablage zu vermeiden, werden lediglich die Schäden als Objekte mit ihrer entsprechenden ID in das BIM-Modell überführt. Alle weiteren Metadaten bzw. Attribute zu den Schäden werden direkt in die Datenbank geschrieben. Die Verbindung zwischen beiden Systemen ist eine ID, die von SIB- Bauwerke für jeden Schaden vergeben wird. Dieses Vorgehen verhindert, dass das BIM-Fachmodell für die Schäden bei jeder Änderung eines Schadens manuell angepasst werden muss. Änderungen von Schadens-Attributen erfolgen über ein automatisches Update der Datenbank. Lediglich bei Änderungen der Schadensgeometrie oder des Schadensumfangs erfolgt eine Anpassung des Fachmodells. Somit bleibt das System SIB-BW als „single source of truth“ bestehen. Es sei angemerkt, dass das Schadensmodell nicht zwangsläufig angepasst werden muss. Condition Control ist auch ohne BIM-Modell in der Lage, die Schäden anzuzeigen. Dieses Vorgehen ist auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung von SIB-Bauwerke 2.0 als Online-System sinnvoll. Die Informationen könnten direkt abgerufen und integriert werden. Allerdings ist das Schadensmodell für eine lagegetreue Verortung der Schäden unabdingbar. Für die aufwendige Front End-Visualisierung eignet sich das BIM-Modell jedoch nicht. Beispielsweise können keine detaillierten Texturen über IFC ausgetauscht werden. Wie Abbildung 3 weiterhin zeigt, sind außerdem das Hervorheben bestimmter Bauwerksbereiche, Informationspanels (Schaden, Sensoren, etc.), dynamische Daten (Zustandsinformationen), Weblayer (Seitenleiste), etc. erforderlich. Daher findet ein Export der BIM-Teilmodelle statt. Die Geometrie wird als FBX exportiert und an Unity übergeben. Dieses Format unterstützt Texturen und weitere Möglichkeiten für eine anspruchsvolle Visualisierung. Dieser Schritt läuft derzeit manuell ab, sodass von häufigen Geometrieänderungen abzusehen ist. Von der Unity die Bereitstellung des Modells für das Front End übernommen. Diese Gaming-Engine ermöglicht anspruchsvolle Visualisierungen. Die Attribute des BIM- Modells werden in die Datenbank geladen. Condition Control legt beide Datenstränge übereinander. Die Zuordnung zwischen Geometrie und Metadaten erfolgt über die IFC-GUID. Dies ist eine ID, die jedes BIM-Objekt besitzt. Somit kann Condition Control auf Knopfdruck beispielsweise bestimmte Schäden, Sensoren oder Bauteile hervorheben und Metainformationen oder andere Echtzeitdaten anzeigen. 5.2 BIM als Werkzeug der Kollaboration Das BIM-Modell selbst besteht wiederum aus einer Vielzahl an Teilmodellen, die unterschiedliche Funktionen übernehmen, siehe Abbildung 6. Die Fachmodelle werden von verschiedenen Akteuren erstellt und bearbeitet, sodass die Trennung der Zuständigkeiten klar geregelt ist. Insofern wird die BIM-Methodik innerhalb des Projekts als Kollaborationstool für die Zusammenarbeit an den Modellen genutzt. smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 264 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Abbildung 6: Zentrale Datenablage der Fachmodelle in einer CDE sowie Darstellung der Zuständigkeiten und des Revisionsprozesses Die Abbildung zeigt die Erstellung verschiedener Fachmodelle bei verschiedenen Projektpartnern. Zentraler Baustein ist die Erstellung der Bauwerksmodelle, die in Abschnitt 5.4 näher beschrieben wird. Alle Fachmodelle münden zunächst als IFC2x3 in einer CDE (Common Data Environment), wo die Modelle verwaltet und versioniert werden. Insbesondere für die Erstellung der Bauwerkmodelle war dies von Vorteil, da Projektteilnehmer ortsunabhängig auf aktuelle Daten zugreifen und modellbasiert zusammenarbeiten konnten. Dies ermöglichte, dass der Reviewing-Prozess digital über das BIM Collaboration Format (BCF) erfolgen konnte. Zusätzlich wurde ein Geländemodell bereitgestellt und die zusätzlichen Fachmodelle (Monitoring, Diagnostik und Schäden) fanden ebenfalls Eingang. Die BIM-Methodik hat sich in dieser Phase des Projekts hervorragend geeignet, da sowohl der openBIMals auch der single-source-oftruth-Gedanke dadurch verfolgt werden konnte. 5.3 Use-Cases der BIM-Methodik Neben der Möglichkeit der Kollaboration ergeben sich aus den Anforderungen aus Abschnitt 3 und den Datenquellen aus Abschnitt 4.1 folgende Use-Cases für die Verwendung der BIM-Methodik innerhalb des Projekts. Sie sind in Abbildung 7 dargestellt. Abbildung 7: Use-Cases der BIM-Methodik Der wesentliche Use-Case für die Verwendung von BIM ist die Erstellung eines Bauwerksmodells inkl. Geometrie und Attributen. Die Vergabe der Attribute spielt dabei eine besonders wichtige Rolle, da die Bauwerkstaxonomie bzw. -hierarchie für die spätere Navigation in Condition Control von besonderer Bedeutung ist. Daher enthalten alle Objekte entsprechende Attribute, dass sie den verschiedenen Bauwerken, Teilbauwerken und Bauteilgruppen zugeordnet werden können. Die Taxonomie folgt der Einteilung nach der ASB-ING. Diese Attribute sind sowohl für die Navigation als auch für das HervorsmartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 265 heben ausgewählter Bauwerksbereiche erforderlich, siehe Abbildung 3. Wie Abbildung 5 bereits gezeigt hat, laufen viele Informationsstränge im BIM-Modell zusammen. Ein weiterer Use-Case ist daher die Verortung von Informationen. Jeder Sensor, Schaden oder diagnostischer Untersuchungsbereich wird verortet. Somit kann Condition Control in der späteren Anwendung die relevanten Informationen an entsprechend zugehörigen Bauwerksbereichen anzeigen. Neben der Verortung von Informationen übernimmt das BIM-Modell ebenfalls die Verknüpfung von Informationen. Beispielsweise besitzt ein Sensor als Attribut eine eindeutige Bezeichnung. Die smartBRIDGE Plattform kann daraufhin Messwerte für diesen Sensor gezielt aus der Datenbank abrufen und darstellen. Gleiches gilt beispielsweise für Bewertungen oder Fotos von Schäden. 5.4 Modellierung der Bestandsbauwerke Vor Beginn der Modellierung wurden Anforderungen an die geometrische Ausprägung und den Informationsgehalt definiert, um die Nutzung und Weiterverwendung der digitalen Liefergegenstände aus Sicht des Auftraggebers sicherzustellen. Insbesondere waren dies Belange aus dem Bauwerksbetrieb und der Instandhaltung. Die Anforderungen wurden in den Auftraggeberinformationsanforderungen (AIA) als Dokument definiert. Daraufhin wurde ein BIM-Abwicklungsplan (BAP) erstellt, der die Anforderungen aufgriff. Neben den AIA wurde der „Bauteilkatalog Brücken“ [5] genutzt. Dieser Bauteilkatalog enthält projektunabhängige Vorgaben für die Erstellung von 3D-Modellen in BIM-Projekten. Dieses Dokument ist angelehnt an die ASB-ING und spezifiziert demnach unter anderem die semantischen Informationen aller Bauteile bzw. Objekte im BIM-Modell. Der Bauteilkatalog dient der Zuordnung der Detailierungs- und Informationsgrade sowie einer einheitlichen Modellstruktur eines BIM-Modells im konstruktiven Ingenieurbau. Außerdem definiert er die geometrische und semantische Detaillierung für alle typischen Bauteile eines digitalen Brückenbauwerks in den jeweiligen Planungsphasen eines BIM-Projekts. Die semantische Bauteilstruktur dieses Katalogs orientiert sich nah an der bereits bekannten Struktur aus SIB- Bauwerke bzw. ASB-ING, um eine enge Verzahnung mit diesem bestehenden Bauwerksinformationssystem (SIB-BW) zu ermöglichen und um die Modelldaten über den gesamten Nutzungszyklus des Bauwerks verwenden zu können. Die Anforderungen an die Modelle wurden in regelmäßigen Abständen geprüft. Abweichungen zu der geforderten Datenqualität und der benötigten Informationstiefe wurden als Ansichtspunkte in der Software Solibri Office, einem Modelchecker, dokumentiert und über das offene BIM-Kollaborationsformat BCF als Aufgabe kommuniziert. Die Aufgaben wurden selbst nochmal priorisiert. Dieser iterative Prozess wurde mehrfach durchlaufen, bis das Modell mit den Anforderungen übereinstimmt. An dieser Stelle sei angemerkt, dass trotz der detaillierten AIA und des BAP einige Iterationsschleifen erforderlich waren, weil das Bauwerk sowohl geometrisch aber auch der semantische Inhalt sehr umfangreich und komplex ist. Nach Einarbeitung der erforderlichen Modellanpassungen und bestandener interner Qualitätsprüfung, die mit dem Modelchecker DESITE MD Pro erfolgte, wurden neue Versionen der Modelle über die CDE BIMPLUS der HPA zur Verfügung gestellt. Die Prüfprozesse wurden regelbasiert und teilautomatisch aufgebaut. Zudem unterstützten visuelle und manuelle Prüfungen den kontinuierlichen Prozess der Qualitätssicherung. Neben den Vorgaben der HPA wurden auch eigene Anforderungen an den Informationsgehalt definiert, um eine Verknüpfung mit den in Abschnitt 4.1 beschriebenen Datenquellen zu ermöglichen bzw. dem Navigationskonzept von Condition Control (siehe Abschnitt 3) gerecht zu werden. Hierzu wurde eine Attributstruktur mit Attributnamen und -werten festgelegt, die sich an Abbildung 2 orientiert. Neben den Ausführungszeichnungen bildete eine mit Trassierungsparametern im Grundriss und Längsschnitt definierte Achse die Grundlage für die Modellierung. Entlang der Achse wurden parametrisierte Querschnitte extrudiert, die über achsabhängige Variablen gesteuert wurden. An vordefinierten Achs-Stationen erfolgte die Platzierung und Ausrichtung von Unterbauten und Querträgern, die wiederum aus parametrischen Querschnitten und Bauteilen bestanden. Durch den parametrischen Modellaufbau war es möglich, geometrische Anpassungen schnell und zuverlässig vorzunehmen. Die geometrischen Anpassungen resultierten zum größten Teil auf festgestellten Abweichungen zur Bestandssituation. Im Allgemeinen werden bei einer Bestandsmodellierung Bestandspläne verwendet, die den Endzustand eines Bauwerks nach Fertigstellung beschreiben. Bestandspläne stellen eine Fortschreibung der Ausführungsplanung dar und beinhalten die während der Bauausführung entstandenen Abweichungen zur Planung. Ausführungspläne können daher von der aktuellen Bestandssituation abweichen. Auch für die auf Grundlage von Ausführungsplänen erstellten Bauwerksmodelle der Köhlbrandbrücke konnten verschiedene Bauwerksbereiche und Bauteile identifiziert werden, die in leichtem Maße von der Bestandssituation abwichen. Für die Bauwerksbereiche, in denen die Qualität der eingescannten Ausführungspläne aus den 70ger Jahren als Modellgrundlage unzureichend war, wurde von der HPA eine Punktwolke zur Verfügung gestellt. In Kombination mit den auswertbaren Ausführungsunterlagen konnten so die geometrischen Verhältnisse rekonstruiert werden. Damit besmartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 266 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 findet sich das Bauwerksmodell im Bereich zwischen as-designed und as-build. Für die Modellierung der Bauwerke wurde die Software Revit von Autodesk und die Erweiterung SOFiSTiK Bridge Modeler eingesetzt. Mit der Erweiterung von SO- FiSTiK war eine achsbasierte parametrische Modellierung der Brückenbauwerke möglich. Das Bauwerksmodell der Köhlbrandbrücke umfasst sämtliche Teilbauwerke und bildet alle wesentlichen Bauteile des Brückenbauwerks auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Bestandsunterlagen ab. Ein Bestandsaufmaß lag nicht vor. Durch die hohe Anforderung an die Modellqualität und der großen räumlichen Ausdehnung des Brückenzuges musste stets die Handhabbarkeit der Modelle in Bezug auf Modellgröße und Leistungsfähigkeit der Modellierungssoftware gewährleistet sein. Aus diesen Gründen wurde die Köhlbrandbrücke in fünf Teilmodelle getrennt: • Strombrücke • Westrampe (Achse 100-119) • Ostrampe (Achse 0-42) • Breslauer Rampe (Achse 50-57) • Rampe zum Rossdamm und zum Neuhöfer Damm (Anschluss Achse 42) Abbildung 8 zeigt einen Schnitt durch den Überbau der Köhlbrandbrücke im BIM-Modell mit hohem Level of Detail. Abbildung 8: Schnitt durch den Überbau der Strombrücke im BIM-Modell Die Bauwerksmodelle wurden in einem weiteren Schritt um Sensor- und Schadensobjekte sowie diagnostische Untersuchungen erweitert. Alle Objekttypen wurden in eigenständigen Fachmodellen (Monitoring, Schäden, Diagnostik) erfasst und dienten zur Vorortung entsprechender Informationen. Zusammen mit den Bauwerksmodellen ist damit eine Erfassung und Verarbeitung des für die Instandsetzung und für den Betrieb wichtigen aktuellen Bauwerkszustands (asmaintained) möglich. 5.5 Modellierung weiterer Fachmodelle Die Fachmodelle Schäden, Monitoring und Diagnostik dienen im smartBRIDGE Projekt vor allem dem Zweck der Informationsverortung und -verknüpfung. Die Grundlage für die Erstellung dieser Teilmodelle bildet das oben beschriebene Bauwerksmodell. Jedes Modell platziert dabei unterschiedliche Geometrien. Das Schadensmodell platziert in der Regel quaderförmige Objekte, die den Schaden geometrisch nachempfinden, siehe Abbildung 3 oder Abbildung 7. Die genaue Geometrie ist oft nicht abbildbar, da das Programm SIB-Bauwerke keine genaue Beschreibung eines Schadens zulässt. Durch die Größe des Bauwerks ist es jedoch ein enormer Vorteil, die Schäden lediglich zu verorten. Somit erhalten Eigentümer, Instandhalter oder andere Verantwortliche sofort einen Überblick, wo sich welche Schäden befinden. Als Attribute werden den Schadensobjekten lediglich die ID des Schadens aus SIB-Bauwerke übergeben. Somit muss nicht das BIM-Modell angepasst werden, wenn smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 267 sich die Eigenschaften eines Schadens verändert haben (Beispielsweise seine Bewertung hinsichtlich der Dauerhaftigkeit). Diese Metadaten werden direkt in die Datenbank geladen, siehe Abbildung 5. Damit wird der Pflegeaufwand des BIM-Modells gering gehalten und zusätzlich behält das System SIB-Bauwerke seinen Status als singe-source-of-truth. Das Monitoringsystem an der Köhlbrandbrücke wurde teilweise mit BIM geplant. Es wurden Schaltschränke, Kabel, Sensoren, Halterungen für ebendiese und Schutzabdeckungen modelliert. In Abbildung 7, ist ein Windmessgerät (grau) an einem Mast (grün) unterhalb der Köhlbrandbrücke zu erkennen. Darüber befindet sich ein Schaltschrank (rot). Der Fokus in Condition Control liegt jedoch nur auf der Verortung der Sensoren (bislang spielt die Geometrie keine Rolle), sodass diese als einfache Würfel (Kantenlänge ca. 10 cm) in einem separaten Modell platziert wurden. Dies reduziert die Komplexität in der Visualisierung. Da die Planung des Monitorings mit BIM stattfand, enthalten alle Sensoren ihre entsprechenden Attribute, wie „Messstellenbezeichnung“, „Sensorart“, „Messfrequenz“ aber auch das „Installations-“ oder „Inbetriebnahmedatum“ des Sensors. Das Fachmodell ist in diesem Zusammenhang die single-source-of-truth. Bei dem Fachmodell für die diagnostischen Untersuchungen werden ebenfalls einfache Geometrien verortet. Beispielweise wird ein Untersuchungsbereich von 2x2 m als flacher Quader am Hauptmodell platziert. Er enthält alle erforderlichen Attribute. Aktuell wird geprüft, inwieweit alle zugehörigen Metadaten in das Modell aufgenommen werden sollten (wie beispielsweise beim Monitoring) und an welchen Stellen eine Verlinkung auf eine externe Datenbank (wie bei den Schäden) sinnvoll ist. Diagnostische Untersuchungsergebnisse haben zwar eine geringe bzw. keine Änderungsrate, weshalb eine Aufnahme in BIM grundsätzlich möglich ist. Andererseits lassen sich die Ergebnisse nicht immer durch einfache Attribute ausdrücken. Radarmessungen liefern beispielsweise mehrdimensionale Informationen als Messchriebe, dich durch einfache Attribute nicht abbildbar sind. Die Fachmodelle Schäden, Monitoring und Diagnostik wurden mit Nemetschek ALLPLAN und Autodesk Revit erstellt. 6. Zusammenfassung und Ausblick BIM spielt eine zentrale Rolle innerhalb des Projekts smartBRIDGE Hamburg. Einerseits liefert die Methodik die Grundlage für die Verortung und Verknüpfung aller instandhaltungsrelevanten Daten. Andererseits macht sie die projektpartnerübergreifende kollaborative Zusammenarbeit überhaupt erst möglich bzw. hebt diese auf ein neues Niveau. BIM-Teilmodelle werden von verschiedenen Akteuren erstellt, bearbeitet und in einer CDE als IFC hochgeladen. Anderen Projektpartner wird es damit ermöglicht, den aktuellen Bearbeitungsstand im Blick zu behalten und Qualitätskontrollen durchzuführen. Etwaige Änderungsbedarfe werden über das openBIM-Format BCF digital übergeben und anschließend bearbeitet. Zusätzlich können spezifische Daten wie Bauwerksschäden, Sensoren aus einem Monitoring oder bauwerksdiagnostische Untersuchungen, die für die Instandhaltung von Infrastrukturbauwerken relevant sind, über eigene Fachmodelle mit definierten Zuständigkeiten integriert werden. Das Projekt smartBRIDGE Hamburg bedient sich diesen Vorteilen und nutzt die BIM-Methodik für die Erstellung eines Digitalen Zwillings. Somit findet die Methodik auch Anwendung im Betrieb und kann für die Berwekrserhaltung sinnvoll weiter genutzt werden. Die Anforderungen innerhalb von smartBRIDGE an das BIM-Modell gehen jedoch weit über die klassische Nutzung von BIM hinaus. Beispielsweise sollen dem Nutzer Zustandsinformationen in Echtzeit aus verschiedenen Systemen wie einem Monitoring zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich werden erhöhte Anforderungen an die Visualisierung gestellt. Durch die Flexibilität der BIM-Methodik hinsichtlich der Datenintegration, wird das BIM-Modell dennoch als zentraler Dreh- und Angelpunkt für die Verknüpfung von Informationen genutzt. Über die gezielte Vergabe von Attributen können verschiedene Datenbanken abgefragt werden, um die Echtzeitinformationen abzurufen. Nicht zuletzt liefert das BIM-Modell die Grundlage für die Navigation in der smartBRIDGE Plattform. Die Erstellung eines BIM-Modells für Bestandsbauwerke ist je nach Anforderung oftmals noch sehr zeitintensiv, da viele Schritte in der Modellierung derzeit noch händisch ablaufen. Auf diesem Bereich findet jedoch eine rasante Entwicklung statt: Einerseits können für Bestandsbauwerke beispielsweise Drohnen genutzt werden, um den Bestand zu erfassen. Ein Übertrag in ein BIM- Modell ist dann deutlich schneller möglich. Andererseits etabliert sich die BIM-Methodik für Neubauten zum Standard, sodass solche Modelle in Zukunft direkt durch Planungsprozess entstehen und für die Instandhaltung verfügbar sind. Der Übergang solcher Modelle in Betrieb wird an verschieden Stellen erprobt. smartBRIDGE Hamburg liefert dahingehen einen wichtigen Beitrag für die Digitalisierung der Instandhaltung auf Grundlage der BIM-Methodik. Literatur [1] Ullerich, C.; Grabe, M.; Wenner, M.; Herbrand, M.: smartBRIDGE Hamburg - Prototypische Pilotierung eines digitalen Zwillings. In: Bautechnik 97 (2020), Heft 2, S. 118 - 125, DOI: 10.1002/ bate.201900108 [2] Wenner, M.; Herbrand, M.; Ullerich, C.: smart- BRIDGE Hamburg - Der digitaler Brückenzwilling der Köhlbrandbrücke. 1. Fachkongress Digitale smartBRIDGE Hamburg - Die Rolle von BIM im Konzept des digitalen Zwillings 268 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur, Technische Akademie Esslingen, 29. und 30. Juni 2021, Ostfildern, Germany. [3] Herbrand, M.; Lazoglu, A.; Ullerich, C.; Marx, S.: smartBRIDGE Hamburg - Aggregation von Zustandsindikatoren aus Inspektions- und Monitoringdaten. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur, Technische Akademie Esslingen, 29. und 30. Juni 2021, Ostfildern, Germany. [4] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau: ASB-ING (2013) Anweisung Straßeninformationsbank Segment Bauwerksdaten. [5] BIM.Hamburg: Bauteilkatalog Brücken nach ASB- ING 2013. Version 004