Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Modellbasierte Planung und Ausschreibung im konstruktiven Ingenieurbau am Beispiel eines Tunnels
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Ferdinand Weißbrod
Tobias Hein
Torsten Brungsberg
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 287 Modellbasierte Planung und Ausschreibung im konstruktiven Ingenieurbau am Beispiel eines Tunnels Modellbasierter Ansatz von der Planungsidee bis zur Umsetzung an einem Tunnelbau-Projekt Ferdinand Weißbrod, M.Eng., Geschäftsführender Gesellschafter BUNG GmbH, Heidelberg, Deutschland Tobias Hein, Dipl.-Ing., Projektingenieur Entwicklung Digitalisierung BUNG Ingenieure AG, Hamburg, Deutschland Torsten Brungsberg, M.Eng., Projektingenieur Entwicklung Digitalisierung BUNG Baumanagement GmbH, Köln, Deutschland 1. Einleitung Stetig steigende Verkehrsbelastungen, erhöhte Mobilitätsbereitschaften, Vervollständigungen bzw. Lückenschlüsse des deutschen Autobahnnetzes, Sanierungsmaßna und viele weitere Gründe erfordern kontinuierliche Maßnahmenplanungen zur Erweiterung des deutschen Infrastrukturnetzes, um den Verkehr von morgen bewältigen zu können. Insbesondere für überregionale Verkehrsbeziehungen im motorisierten Individualverkehr ist die Bundesautobahn der maßgebliche Faktor. Zur Realisierung neuer Streckenabschnitte sind neben dem reinen Streckenbau auch meist verschiedene Hindernisse zu überwinden bzw. zu queren. Auch die in den letzten Jahrzehnten steigenden Anforderungen an den Emissions- und Umweltschutz stellen die Planer immer häufiger vor große Herausforderungen. Maßgeblich für den Ausbau des Infrastrukturnetzes sind daher neben dem reinen Straßenbau auch die erforderlichen Ingenieurbauwerke, die eine Trassierung in den geplanten Korridoren ermöglichen. Durch den Bau von Brücken- und Tunnelbauwerken können unterschiedliche Hindernisse überwunden und direkte Verkehrsverbindungen, ohne weiträumige Umfahrungen, realisiert werden. Die Planung solch umfangreicher Ingenieurbauwerke erfordert das Zusammenspiel unterschiedlichster Fachdisziplinen, welche sich bereits in den frühen Planungsphasen gegenseitig beeinflussen. Es erfordert ein hohes Maß an Koordination, Planungstransparenz aller an der Planung Beteiligten sowie nachvollziehbare und übersichtliche Darstellung von unterschiedlichen Informationen zum Gesamtbauwerk bzw. den einzelnen Teilbereichen. Dies gilt für die Planung, den Bau sowie den Betrieb und dem letztendlichen Rückbau dieser Bauwerke. Die Ingenieurbauwerke sollen im Regelfall mehrere Jahrzehnte erhalten bleiben und einen zuverlässigen Bestandteil des Infrastrukturnetzes bilden. Umfangreiche Informationen sind daher über die gesamte Lebensdauer eines Bauwerks ein enormer Vorteil. Der Grundgedanke von „Building Information Modellig“ (kurz: BIM) knüpft genau an dieser Stelle an. Die Realisierung von dreidimensionalen Bauwerksmodellen mit „intelligenten“ Bauteilen stellt genau dieses Bindeglied zwischen der umfangreichen Planung der Ingenieurbauwerke und der Bereitstellung der erforderlichen Informationen über die Entstehungs- und Lebensphase eines Bauwerks dar. 2. Pilotprojekt Im Rahmen der Erstellung einer herkömmlichen Ausschreibungsunterlage war eine Überführung des Projekts in eine Bearbeitung mit der BIM-Methodik vorzunehmen. Dazu wurde auf Basis der vorhandenen Unterlagen der Entwurfsplanung die gesamte Tunnelplanung in ein objektorientiertes 3D-Modell überführt (Siehe Abbildung 1). Modellbasierte Planung und Ausschreibung im konstruktiven Ingenieurbau am Beispiel eines Tunnels 288 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Abbildung 1: Ansicht Tunnelportal Nord mit Strecke und Betriebsgebäude Die BIM-Bearbeitung des Projektes soll somit die konventionelle Planung unterstützen, im Idealfall bestätigen und eventuelle Defizite identifizieren. Basierend auf einem zu erstellenden „intelligenten“ Tunnelmodell waren verschiedene Anwendungsfälle umzusetzen und die letztendliche BIM-Fähigkeit von konstruktiven Ingenieurbauwerken im Infrastrukturbau - in diesem Fall im Tunnelbau - zu eruieren. Die Anwendungsfälle des Projektes wurden so definiert, dass die Planung, der Bau sowie der spätere Betrieb in der Projektumsetzung berücksichtigt werden müssen. Auch hier wurde der Grundsatz verfolgt, dass BIM einen nachhaltigen Nutzen für alle am Bauwerk involvierten Planer, Ausführenden und Betreiber bieten soll. 2.1 Projektgeometrie Das Pilotprojekt umfasst einen ca. 1.650 m langen, zweiröhrigen Richtungsverkehrstunnel, der in bergmännischer Bauweise aufgefahren wird. Beide Tunnelröhren werden durch insgesamt 7 Querschläge miteinander verbunden. Aufgrund der anstehenden komplexen geologischen Verhältnisse ergaben sich insgesamt 21 verschiedene Vortriebsklassen, welche letztendlich auch modelliert wurden, um hieraus eine dynamische Terminplanung und eine Hochrechnung auf Basis der tatsächlichen, in der Bauausführung realisierten, Vortriebsgeschwindigkeiten modellbasiert darstellen zu können. (Siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Darstellung der unterschiedlichen Vortriebsklassen Die spätere Tunnelinnenschale weist fünf verschiedene Querschnittsausbildungen für die Tunnelröhren sowie zwei verschiedene Querschnitte für die Querschläge (begehbar/ befahrbar) auf. Hinzu kamen unter anderem Entwässerungs- und Löschwasserleitungen, Leerrohre und Kabelschächte im Tunnel und den Vorfeldern, Aussparungen in den unterschiedlichen Bauteilen, Erdungsbänder, etc. Die Komplexität des Tunnelbauwerks sowie aller zugehörigen Teilbauwerke, technischen Anlagen, Leitungen etc. erforderte eine Vielzahl an unterschiedlichen Teilmodellen. Damit diese Teilmodelle letztendlich in einem Gesamtmodell zusammengefasst werden können, ist eine konstante interdisziplinäre Zusammenarbeit der einzelnen Fachbereiche zwingend erforderlich. Die Abbildung 3 zeigt beispielsweise die im Vorfeld Nord modellierten Leitungen. Durch die modellbasierte Arbeitsweise konnten spätere aufgetretene Konfliktpunkte bereits in der Planung gelöst werden. Abbildung 3: Leitungsplanung im Vorfeld Nord 2.2 Schnittstellen Wie grundsätzlich bei allen Infrastrukturprojekten war auch in diesem Projekt zunächst die Interaktion zwischen Verkehrsanlage (VA) und konstruktivem Ingenieurbau (KIB) zu beleuchten. Neben der Vorgabe von Achsen, Stationierungen und Straßenquerschnitten waren weitere Punkte wie Straßenaufbau, Entwässerung und der Anschluss an die Vorfelder mit der VA gemeinsam abzustimmen und entsprechend in der Modellierung zu berücksichtigen. Für den softwareübergreifenden Modelldaten- und Geometrieaustausch wurde überwiegend das cpixmlFormat verwendet. Auf diese Weise konnten beispielsweise die Planungsergebnisse der Verkehrsanlagenplanung aus dem CARD/ 1- Projekt und die Bauwerksmodellierung aus Autodesk Revit 2020 regelmäßig in die Koordinationssoftware integriert werden. Dies bietet für die Modellierer den großen Vorteil, dass die Ergebnisse beider Planungen re- Modellbasierte Planung und Ausschreibung im konstruktiven Ingenieurbau am Beispiel eines Tunnels 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 289 gelmäßig kollidiert und aufeinander abgestimmt werden konnten. Im Zuge der Modellierung wurde der Tunnel aufgrund der reinen räumlichen Ausdehnung (mit den Tunnelvorfelder rund 2 km) in mehrere Teilbzw. Fachmodelle zerlegt. So entstanden aus den Plänen der Entwurfsplanung in Summe allein 18 Teilmodelle (bspw. Tunnelvortrieb, Abdichtung, Innenschale, Ausbau) für den Tunnel. Durch die Unterteilung in verschiedene Teilmodelle ist eine gezielte Modellanpassung im Zuge des Projektfortschrittes einfacher realisierbar. Zusätzliche Modelle für die unmittelbare Tunnelumgebung, die Vorfelder sowie den Strecken- und Erdbau ließen das Gesamtmodell auf insgesamt etwa 70 Teilmodelle anwachsen. Alle Teil- und Fachmodelle wurden in anwendungsfallspezifischen Koordinationsmodellen mit der Software Desite MD zusammengeführt. 2.3 Methodik Im Zuge der Konzeptionierung des Projektes wurden gemeinsam mit dem Auftraggeber mehrere Anwendungsfälle (AwF) definiert, die auf Basis der zu erstellenden Modelle umzusetzen waren. Wesentliche und im Weiteren näher beschriebene Anwendungsfälle waren dabei eine modellbasierte Bauablaufplanung und eine modellbasierte Mengenermittlung und Ausschreibung. Damit die Bauablaufplanung sowie die Mengenermittlung erfolgreich modellbasiert umgesetzt werden können, ist eine umfangreiche Attribuierung der Modelle erforderlich. Dazu wurden zunächst umfassende Konzepte erarbeitet, die die umzusetzenden Anwendungsfälle berücksichtigen und die sich daraus ergebenen erforderlichen Grundlagen/ Parameter, welche im Modell enthalten sein müssen, definieren. Bereits in der frühen Projektphase mussten die Parameter, die später in den Leistungspositionen abgegriffen werden, bestimmt und in den einzelnen Modellen hinterlegt werden. Neben einer Zuordnung der Bauteile im Hinblick auf die späteren Positionen des Leistungsverzeichnisses, sollte auch eine Informationsanreicherung zur gezielten Ansprache des relevanten Bauteils aus dem Modell heraus möglich sein. Gemeinsam mit unseren Spezialisten für Ausschreibungen konnte, auf Basis der Erfahrungen vergleichbarer Projekte, eine Struktur entwickelt werden, die mit Auswahlgruppen und Mengenabfragen (Quantity-Takeoff - QTO) eine dynamische Verknüpfung von Modellobjekten und LV-Positionen möglich machte. Beim Aufbau der Strukturen für die Merkmale, galt es neben den Anforderungen aus der Software und dem späteren Leistungsverzeichnis, auch die Vorgaben übergeordneter Institutionen zu berücksichtigen. Dies waren beispielsweise erste Ausarbeitungen des „deutschen Ausschusses für Untertagebau“ (DAUB) und allgemeine Vorgaben zur Modellstruktur seitens unseres Auftraggebers. Die sich ergebene Modellstruktur wurde im Weiteren auf die Tauglichkeit für alle weiteren Anwendungsfälle im Modell geprüft, erweitert und schlussendlich für die Nutzung im Projekt aufbereitet. Dabei ergab sich im Projekt schnell die Notwendigkeit, alle erforderlichen Merkmale und Attribute in eine Datenbank einzupflegen und als eineindeutige Datenquelle für alle weiteren Modellierungsschritte zu verwenden. Auf diesem Wege konnten Änderungen sinnvoll nachgehalten und Ergänzungen in allen Modellen gleichermaßen berücksichtigt werden. 3. Modellierung Für die Erstellung der Modelle ist es stets wichtig, auch das Umfeld des Planungsbüros und die vorhandenen Softwarelösungen zu betrachten. Aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen sowie den bisherigen Erfahrungen aus anderen Projekten, fiel die Wahl bei der Aufbereitung und Modellierung der Daten auf die Lösungen Autodesk Civil 3D und Autodesk Revit 2020. Für die Modellierung der Verkehrsanlagen wurde die Software CARD/ 1 genutzt. Da linienförmige Bauwerke in den zumeist aus dem Hochbau stammenden Modellierungstools nicht mit den Standardwerkzeugen umgesetzt werden können, hat sich in den letzten Jahren in der Infrastrukturplanung die Nutzung visueller Programmierungstools zur skriptbasierten Modellierung (bspw.: Dynamo) etabliert. Die dafür erforderliche Datenaufbereitung von Achs- und Querschnittsdaten erfolgte in der Softwareumgebung von CARD/ 1 bzw. Autodesk Civil 3D. Parallel wurde die bereits erwähnte Datenbank für die anstehende Attribuierung aufgebaut und erste Familien (Bauteile) für die Platzierung durch die Skripte erstellt bzw. aufbereitet. Insbesondere in den Bereichen komplexer geometrischer Situationen ergab sich dabei häufig der Bedarf von zusätzlichen Festlegungen, die im Rahmen einer konventionellen Bearbeitung der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) durch die Schnittführung bisher nicht definiert wurden. Eine Aufgabe bestand beispielsweise darin, die in den konventionellen Ausbruchsklassenplänen angegebenen Vortriebsbereiche, so aufzubereiten, dass eine modellbasierte Darstellung der einzelnen Abschläge mit Hinweis auf die Vortriebseigenschaften (bspw. Vortriebsklasse und Abschlagslänge) möglich wurde. Im Zuge der Erstellung der Modelle der Verkehrsanlage stellte sich ebenfalls heraus, dass im Rahmen einer Leistungsphase 3 die Querprofile, insbesondere im Bereich von Kurven und Abfahrten, nicht dicht genug erstellt wurden, um eine ausreichende Abbildung im Modell zu ermöglichen. Im Rahmen der Modellierung wurden die fehlenden Angaben durch einen Fachplaner Strecke ergänzt und in die Modelle überführt. Ziel des Projekts war es, im Rahmen einer modellbasierten Bauablaufplanung die konventionell erstellten Modellbasierte Planung und Ausschreibung im konstruktiven Ingenieurbau am Beispiel eines Tunnels 290 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Bauabläufe zu plausibilisieren und nach Möglichkeit zu bestätigen. Dazu musste zunächst ein geeignetes Format für die erforderlichen und gewünschten dynamischen Verbindungen zwischen Modellobjekten und Terminplan (Weg-Zeit-Diagramme) geschaffen werden. Im Rahmen des Projekts wurde das Weg-Zeit-Diagramm dazu in einen softwaretechnisch verknüpfbaren Balkenplan (Stichwort: Attribuierung zur Verknüpfung) überführt, in dem die wesentlichen Vorgänge der Planung aufgenommen wurden. Hierbei zeigten sich teilweise die Grenzen der jeweiligen Leistungsphase und technische Grenzen der eingesetzten Software. Stetige Abläufe mit einer tagesscharfen Auswertung sind in den vorhandenen Dimensionen technisch kaum noch zu handhaben und wurden zugunsten einer effektiven Modellnutzung zurückgestellt. Der strukturierte Balkenplan wurde im weiteren Projektverlauf um die notwendigen Informationen und Datenfelder für eine Verknüpfung mit den Modellobjekten erweitert. Hier zeigten sich im Modell bereits erste Synergieeffekte aus der oben erwähnten Modellstruktur. Die Struktur konnte im Modell gleichermaßen für Verknüpfungen mit Terminen und mit der Mengenermittlung genutzt werden. Schwierigkeiten in der Darstellung von, insbesondere stetigen, Bauabläufen bedingen sich häufig in den Grenzen der Software. So sind je nach Software Auswahl- und Verknüpfungsregeln teilweise nur als Entsprechungen, nicht aber mit mathematischen Operatoren wie größer und kleiner möglich. Für Verknüpfungen sind dann schnell komplexere Programmierungen auf Basis der API-Schnittstellen erforderlich, die den Aufwand für die Umsetzung im Projekt deutlich erhöhen. Im Tunnelbau wird die Anforderung zudem erhöht, wenn abweichend vom gleichmäßigen Vortrieb in einer Richtung, der Tunnel aus zwei Richtungen aufgefahren wird und zusätzlich Unterschiede aus den Vortriebsgeschwindigkeiten aufgrund der unterschiedlichen Geologie berücksichtigt werden sollen. An dieser Stelle wird auch mit modernen Softwaretools schnell der Punkt erreicht, an dem der Mehrwert der Darstellungen vor dem Hintergrund des notwendigen Aufwands kritisch hinterfragt werden muss. Für das Projekt wurde daher die Darstellung auf Basis von Vorgangsblöcken als vorteilhaft angesehen und im Modell umgesetzt (siehe Abbildung 4). Dabei können insbesondere räumliche Zwangspunkte in den Modellen gut erkannt werden. Beispielsweise lassen sich Konflikte im Bereich von Tunnelvorfeldern bei einer gleichzeitigen Nutzung für den Vortrieb und den Tiefbau erkennen, aber auch Zeiträume für einen nachlaufenden Strossen- und Sohlvortrieb ablesen. Abbildung 4: 4D Darstellung des Tunnelvortriebs 4. Mengenermittlung Das Fundament einer erfolgreichen, im Leistungsverzeichnis hinterlegten, modellbezogenen Mengenermittlung, ist das dem Modell zugrundeliegende Attribuierungskonzept. Die Strategie und das Grundkonzept hierfür müssen im Vorfeld entwickelt werden, damit eine 5D Mengenermittlung erfolgreich umgesetzt werden kann. Für eine dynamische Mengenermittlung ist es daher elementar, dass jedes Modellobjekt eindeutige Attribute erhält, so dass diese individuell angesprochen bzw. abgefragt werden können. Es reicht beispielsweise nicht aus, einem Kabelschutzrohr lediglich den Parameter „Kabelschutzrohr“ zuzuordnen. Denn auch Angaben hinsichtlich des Durchmessers, Materials, Lage/ Ort oder anderer projektspezifischer Eigenschaften sind von Bedeutung, um eine Verknüpfung zu der entsprechenden Leistungsposition des Leistungsverzeichnisses sicherstellen zu können. Im Zuge des Pilotprojektes wurden allen rund 50.000 Modellobjekten die entsprechenden Attribute zugewiesen (siehe Abbildung 5), so dass ein dynamisches Ansprechen einzelner Objekte bzw. Objekte mit den identischen Eigenschaften, im Hinblick auf die zugehörige Leistungsposition ermöglicht wurde. Aufgrund der Erfordernis der unterschiedlichen Fachdisziplinen (Verkehrsanlagen, Konstruktiver Ingenieurbau, Leitungen, …) wurden im Zuge der Modellierung verschiedene Softwarelösungen (Revit, CARD, Autodesk Civil 3D) eingesetzt. Auch hierbei war es wichtig, ein durchgängiges Attribuierungskonzept einzuhalten und eine einheitliche Parameterbezeichnung umzusetzen. Modellbasierte Planung und Ausschreibung im konstruktiven Ingenieurbau am Beispiel eines Tunnels 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 291 Abbildung 5: Modellobjekt mit Eigenschaften Die unterschiedlichen Teilmodelle wurden in Abhängigkeit der jeweiligen Planungs-/ Konstruktionssoftware mittels der cpixml- und der ifc-Schnittstelle in iTWO 5D importiert. Nach erfolgreichem Import sowie Bemusterung der jeweiligen Modellobjekte wurden im nächsten Zuge visuelle Plausibilitätskontrollen der importierten Modellobjekte durchgeführt (siehe Abbildung 6). Abbildung 6: visuelle Plausibilitätskontrolle Anders als im 2D-Ansatz ist es im 3Dbzw. 5D-Ansatz von enormer Bedeutung, dass alle konstruierten Bauteile/ Objekte mit den korrekten Attributen ausgestattet sind. Falsch zugeordnete Attribute werden von der Software nicht unbedingt als „falsch“ identifiziert, da diese nicht beurteilt, ob der eingegebene Parameter zur visuellen Darstellung passt oder nicht. Eine Löschwasserleitung, die beispielsweise in den Parametern die Bezeichnung „Kabelschutzrohr“ beinhaltet, wird nicht pauschal als falsch angesehen. Diese Problematik würde sich jedoch in der Mengenermittlung wiederspiegeln und zu einer fehlerhaften Mengenermittlung führen. Nach der Plausibilitätsprüfung der Teilmodelle ist eine Clusterung der Modellobjekte in sogenannte Auswahlgruppen notwendig. Die umfangreiche Objektattribuierung (insgesamt ca. 1.5 Mio. Objekteigenschaften im Pilotprojekt) machte ein gezieltes dynamisches Abfragen der Modellobjekte und die Unterteilung des Gesamtmodells in verschiedene Fachbereiche erforderlich. Im Anschluss an die Vorfilterung des Gesamtmodells durch rund 170 erstellte Auswahlgruppen erfolgte die positionsbezogene Mengenermittlung mittels dynamischer QTO-Formeln (quantity take off). Mit Hilfe der QTO-Formeln wurden letztendlich für ungefähr 650 LV- Positionen, anhand der in der Leistungsbeschreibung enthaltenden Informationen, die zugehörigen Mengen abgefragt, berechnet und der LV-Position zugeordnet. Im Zuge jeder Maßnahme gibt es Leistungspositionen, für die eine objektbasierte Einzeldarstellung, orientiert an den geforderten Anwendungsfällen, keinen Mehrwert bieten, bspw. „Vorhalten von Selbstrettern“ oder „Bewehrung der Außen- und Innenschale“. Im Pilotprojekt haben wir für diese Thematik folgende zwei Lösungsansätze verfolgt und umgesetzt: a. Attribuierung des übergeordneten Modellobjektes (bspw.: das Attribut „Bewehrungsgehalt“ am Objekt „Innenschale“) b. Erzeugung eines Referenzkörpers um das entsprechende Attribut (bspw.: Anzahl Selbstretter) dem Modell hinzuzufügen. 5. Besondere Herausforderungen Im Zuge des Pilotprojektes hat sich gezeigt, dass verschiedene Faktoren hierbei von großer Bedeutung sind, welche die Planung vor grundsätzliche Herausforderungen stellt. Der angestrebte Nutzen der BIM-Methodik, an jeder Stelle ausreichend Informationen zum jeweiligen Objekt und den Projektgegebenheiten zu erhalten, führt insbesondere in der frühen Planungsphase zu diversen Aufgabenstellungen sowie Anforderungen, die berücksichtigt und schlussendlich bewältigt werden müssen. In erster Linie gilt es die Weitsicht und den Überblick in solch einem großen Projekt aufrecht zu erhalten. Die unterschiedlichen Informationen, die an verschiedenen Stellen genutzt werden (Modell, Bauablaufplan, LV), sind zentral zu verwalten und zu pflegen. Es gilt grundsätzlich, je größer das zugrundeliegende Modell wird, desto mehr Daten sind zu verwalten. Eine frühzeitig durchdachte Projektstruktur ist daher für ein erfolgreiches Projekt unerlässlich. Die Projekterfahrung zeigt, dass sich hierfür ausreichend Zeit im gesamten Projektteam genommen werden muss. Neben der reinen „Überblick und Planung des Projektablaufes (bspw. mittels der Scrum Ansätzen)“ sind zudem auch die entstehenden Datenmengen nicht zu unterschätzen. Beim vorliegenden Pilotprojekt wurde die aktuellen Softwaregrenzen von bspw. iTWO 5D erreicht. Die Projekterfahrung zeigt, dass auch ein intensiver Austausch mit dem Softwarehersteller ggf. erforderlich sein kann. Deutlich wurde zudem, dass das verschlankte und optimierte Attribuierungskonzept (Festlegung vor Modellierungsbeginn) weitere technische Probleme bei der Leistungsverzeichnisverknüpfung bereits ausgeschlossen hat. Um jedoch die Objekt-, Attributs- und Leistungspositionen dieses 1,7 km langen, zweiröhrigen Straßentunnels verarbeiten zu können, wurde eine Leistungsverzeichnis- Modellbasierte Planung und Ausschreibung im konstruktiven Ingenieurbau am Beispiel eines Tunnels 292 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 teilung in iTWO 5D aus aktuell bestehenden softwaretechnische Grenzen unumgänglich. Bei der Teilung des Leistungsverzeichnisses sind die BIM Ziele zu berücksichtigen, um die geforderten Ziel- und Fragestellungen weiterhin erfolgreich umsetzen zu können. 6. Fazit JA, eine unterstützende, modellbasierte Planung (3D / 4D) und Leistungsverzeichnisverknüpfung (5D) für große Tunnelbauwerke sind erfolgreich möglich. Für eine erfolgreiche Projektrealisierung ist die frühzeitige Vorgabe eines einheitlichen Attribuierungskonzeptes für alle Fachplaner die entscheidende Grundlage. Im Zuge des Pilotprojektes hat sich gezeigt, dass verschiedene Faktoren hierbei von großer Bedeutung sind, welche die Planungsprozesse vor grundsätzlichen Herausforderungen stellen. ... viele Teilmodelle erleichtern nachträgliches Anpassen/ Ergänzen von Teilbereichen… … hohen Informationsgrad aller Projektbeteiligten kontinuierlich aufrechterhalten… …klar definierte, einheitliche Vorgaben für Modellerstellung… …eindeutige Schnittstellen und Zuständigkeiten… Wichtig ist es, den Mehrwert unseres BIM Einsatzes im Projekt stets zu hinterfragen und gezielt nachzusteuern. Insbesondere bei Änderungen im Planungsprozess machen sich die Vorteile der modellbasierten Arbeitsweise deutlich, es bietet sich daher an, diesen Ansatz zu verfolgen. 7. Ausblick Die Unternehmensgruppe BUNG hat den BIM-Prozess in der Planung erfolgreich in ihr Leistungsportfolio ergänzt. Die Kernpunkte stellen hierbei sicherlich die 3D- Modellierung, umfangreiche Attribuierungskonzepte sowie frühzeitig definierte Schnittstellen und Zuständigkeiten dar. Damit der BIM-Prozess gelebt werden kann, gilt es nun die Erkenntnisse aus der Planung, auf die Bauausführung anzuwenden und auszubauen. Dies bedeutet im Konkreten, den Baustellenbetrieb und die Projektsteuerung mit zur Hilfenahme von BIM-Methoden zu optimiert. Hierbei stehen u. a. modellbasierte Baubesprechungen, Bauablaufsimulationen sowie eine modellbasierte Bauabrechnung im Fokus. Doch auch im Bereich von BIM gilt grundsätzlich, dass der Nutzen größer als der damit verbundene Aufwand sein sollte. Ganz nach dem Motto … Wir können BIM, wenden es aber nur da an, wo es Sinn macht …
