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Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Mobile Mapping Anwendung und Potential bei mobilen Arbeitsmaschinen

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Lucas Rüggeberg
Alfred Ulrich
Die Technik der mobilen Vermessung mittels Mobile Mapping Systemen hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mithilfe von Mobile Mapping Systemen ist es möglich georeferenzierte 3D-Punktwolken zu erzeugen, aus denen es möglich ist 3D-Modelle abzuleiten, welche zum Beispiel für das Baumonitoring oder die Transportplanung von Großraum- und Schwertransporten genutzt werden können. In diesem Beitrag wir das Potential von Mobile Mapping im Anwendungsbereich der mobilen Arbeitsmaschinen vorgestellt. Anhand eines Beispiels soll die Anwendung und das Potential dieser Technik zur Transportplanung von Großraum- und Schwertransporten verdeutlicht werden. Dabei werden die erzeugten 3D-Punktwolken in diskrete Volumenmodelle überführt, welche als Belegungskarten bezeichnet werden. Auf Basis dieser Belegungskarten können Suchalgorithmen die optimale Route numerisch berechnen. In Kombination mit einem kinematischen Modell des Großraum- und Schwertransportes kann eine teilautomatisierte Routenplanung erreicht werden, welche die optimale Route des Transportes an Engstellen, wie Kurven und/oder Kreisverkehren, berechnet.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 331 Mobile Mapping Anwendung und Potential bei mobilen Arbeitsmaschinen Lucas Rüggeberg, B.Eng. Technische Hochschule Köln, Kölner Labor für Baumaschinen, 50679 Köln, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Alfred Ulrich Technische Hochschule Köln, Kölner Labor für Baumaschinen, 50679 Köln, Deutschland Zusammenfassung Die Technik der mobilen Vermessung mittels Mobile Mapping Systemen hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mithilfe von Mobile Mapping Systemen ist es möglich georeferenzierte 3D-Punktwolken zu erzeugen, aus denen es möglich ist 3D-Modelle abzuleiten, welche zum Beispiel für das Baumonitoring oder die Transportplanung von Großraum- und Schwertransporten genutzt werden können. In diesem Beitrag wir das Potential von Mobile Mapping im Anwendungsbereich der mobilen Arbeitsmaschinen vorgestellt. Anhand eines Beispiels soll die Anwendung und das Potential dieser Technik zur Transportplanung von Großraum- und Schwertransporten verdeutlicht werden. Dabei werden die erzeugten 3D-Punktwolken in diskrete Volumenmodelle überführt, welche als Belegungskarten bezeichnet werden. Auf Basis dieser Belegungskarten können Suchalgorithmen die optimale Route numerisch berechnen. In Kombination mit einem kinematischen Modell des Großraum- und Schwertransportes kann eine teilautomatisierte Routenplanung erreicht werden, welche die optimale Route des Transportes an Engstellen, wie Kurven und/ oder Kreisverkehren, berechnet. 1. Einleitung Seitdem im Jahr 2005 das erste kommerzielle Mobile Mapping System am Markt verfügbar war, haben sich diese Systeme kontinuierlich weiterentwickelt [1]. Die Sensorik ist kleiner und robuster geworden und die Auswertung wurde teilweise automatisiert. Jedoch ist das Potential von Vermessungen mittels Mobile Mapping Systemen noch nicht in jeder Branche angekommen, so etwa im Bereich der mobilen Arbeitsmaschinen. Durch die vielfältige Anwendung von mobilen Arbeitsmaschinen in der Bau-, Land-, Forst-, und Kommunalwirtschaft ergeben sich auch für Mobile Mapping Systeme neue Anwendungsgebiete. Digitale 3D-Modelle, welche auf Basis georeferenzierter 3D-Punktwolken erzeugt werden, können in den verschiedensten Bereichen bei mobilen Arbeitsmaschinen zum Einsatz kommen. Beispielsweise kann auf Baustellen der Baufortschritt überwacht und dokumentiert werden. Ebenfalls können 3D-Modelle zur Zustandsüberwachung von Straßen dienen. Anhand der 3D-Modelle können Straßenschäden wie Schlaglöcher oder Risse detektiert und über längere Zeiträume überwacht werden. Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Verwendung von 3D-Modellen auf Basis georeferenzierter 3D-Punktwolken zur Planung von Großraum- und Schwertransporten. Die 3D-Modelle definieren die Randbedingungen zur numerischen Berechnung der Schleppkurven des Großraum- und Schwertransportes an Engstellen, wie Kurven, Kreisverkehren und Brücken. Für die Erfassung von kleinräumigen 3D-Modellen kommen heutzutage oftmals terrestrische Laserscanner zum Einsatz. Jedoch ist ab einem gewissen Beobachtungsbereich der Einsatz eines Mobile Mapping Systems unerlässlich. Dies ist der Fall bei mobilen Arbeitsmaschinen. Diese benötigen aufgrund ihres vergleichsweise großen Arbeitsraums, wie beispielsweise eine Baustelle oder die Transportstrecke eines Großraum- und Schwertransportes, auch einen großen Beobachtungsbereich des Laserscanners. 2. Stand der Technik Ein Mobile Mapping System besteht üblicherweise aus mindestens einem LiDAR- (engl. Light detection and ranging) Scanner und/ oder einem Kamerasystem, sowie einem inertialen Navigationssystem [2]. Im Folgenden wird sich auf Systeme beschränkt, welche LiDAR-Scanner zur Erfassung der Umgebung verwenden und bei denen Kamerasysteme eine untergeordnete Rolle spielen. Bei einem inertialen Navigationssystem handelt es sich um ein integriertes Navigationssystem, welches aus einer inertialen Messeinheit und GNSS- (engl. global navigation satellite system) Antennen besteht. In Europa verwenden diese Systeme üblicherweise den Satellitenna- Mobile Mapping Anwendung und Potential bei mobilen Arbeitsmaschinen 332 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 vigationsdienst GPS (engl. Global Positioning System). Die Messdaten werden oftmals noch durch Bilddaten, welche von Kameras aufgenommen werden, ergänzt. Dadurch ist eine Einfärbung der 3D-Punktwolke möglich. Um die entstehenden Messfehler bei GNSS-Ausfall zu kompensieren, werden bei manchen Systemen noch zusätzliche Sensoren verbaut, um Odometriedaten zu erfassen. Die einzelnen Sensoren werden auf einer gemeinsamen Trägerplattform montiert. Diese Trägerplattform wird je nach Anwendungsfall auf verschiedenen Trägerfahrzeugen angebracht. Abhängig vom Anwendungsfall kommen Straßenfahrzeuge, mobile Arbeitsmaschinen oder bemannte/ unbemannte Fluggeräte zum Einsatz. 2.1 Mobile Mapping Systeme Durch den LiDAR-Scanner werden einzelne Profilscans aufgenommen. Der Scanner misst automatisch die Entfernung mit gepulsten oder kontinuierlich strahlenden Lichtquellen. Bei dem ersten Messverfahren wird die Entfernung durch die Laufzeitmessung zwischen dem Aussenden und Empfangen von gepulsten Laserphotonen berechnet. Das zweite Verfahren misst die Phasendifferenz zwischen ausgesandtem und reflektiertem Signal, woraus die Entfernung berechnet werden kann. Durch die Rotation des Lasers entstehen Profilscans. Diese werden im Nachgang mit der Trajektorie, welche das Trägerfahrzeug während der Messfahrt aufgezeichnet hat, fusioniert. Das Ergebnis ist eine georeferenzierte 3D-Punktwolke der Umgebung. Die 3D-Punktwolke wird mit den Bildern der Kamera fusioniert, wodurch eine kolorierte 3D-Punktwolke entsteht. Das Herzstück des Mobile Mapping Systems ist das inertiale Navigationssystem. Die verbaute inertiale Messeinheit misst die Beschleunigungen in alle drei Raumrichtungen und die Drehraten um alle Raumachsen. Für die Messung der Beschleunigungen werden Accelerometer und für die Messung der Drehraten Gyroskope verwendet. Die Positionen können über die zweifache Integration der Beschleunigungen und die Orientierungen über die einfache Integration der Drehraten berechnet werden. Für die Berechnung müssen absolute Startwerte für Position, Geschwindigkeit und Orientierung bekannt sein. Die Berechnung der Position, Geschwindigkeit und Orientierung erfolgt mithilfe des Strapdown-Algorithmus [3]. Der Strapdown-Algorithmus beschreibt eine Rechenvorschrift um aus Beschleunigungen und Drehraten zum aktuellen Zeitschritt die Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung auf Basis der Daten aus dem vorherigen Zeitschritt zu berechnen. Um den Kreiseldrift, welchem die Gyroskope unterliegen, zu korrigieren, wird die Langzeitstabilität des GPS-Signals genutzt. Die GNSS-Antennen messen die absolute Position des Trägerfahrzeuges über einen Satellitennavigationsdienst. Als Messverfahren dient oftmals die Trägerphasenmessung. Probleme, die auftreten sind, dass die Satellitensignale durch Gebäude, Brücken und Vegetation gestört werden, wodurch Mehrdeutigkeiten in den gemessenen Signalen auftreten, welche mit entsprechenden Filtern und unter Einbeziehung der Messdaten der inertialen Messeinheit korrigiert werden können. Um jedem einzelnen Messsignal der Sensoren eine gemeinsame Zeitbasis zuzuordnen, benötigen diese einen gemeinsamen Zeitstempel. Um diesen Zeitstempel zu erzeugen, wird eine Uhr benötigt, welche über die Zeit sehr stabil ist und/ oder regelmäßig mithilfe eines Frequenznormals synchronisiert wird. Diese Eigenschaften sind bei Mobile Mapping Systemen durch das GPS gegeben. Die meisten GNSS-Antennen stellen ein PPS- (engl. Pulse-Per-Second) Signal zur Verfügung. Mit diesem Signal ist eine sehr präzise Zeitmessung möglich. Ebenfalls definiert dieses Signal eine Zeitbasis in Bezug auf die GPS-Signale. Mithilfe dieses PPS-Signals können die anderen Sensoren über die entsprechenden Schnittstellen synchronisiert werden. 2.2 Sensordatenfusion Die Rekonstruktion der Trajektorie des Trägerfahrzeuges erfolgt nach der Vermessungsfahrt im Post Processing. Die Messdaten werden mit entsprechender Software verarbeitet. Im ersten Schritt werden die aufgenommenen GPS-Signale korrigiert. Dafür werden Korrekturdaten von Basisstationen verwendet, welche sich entlang der zurückgelegten Trajektorie befinden. Dieses Korrekturverfahren wird auch als DGPS (engl. Differential Global Positioning System) bezeichnet. Zur optimalen Schätzung der Position und Orientierungen wird ein Kalman- Filter verwendet, welcher auf Basis der Messdaten der inertialen Messeinheit und den korrigierten GPS-Signalen die optimale Position und Orientierung des Trägerfahrzeuges schätzt [1]. Das Ergebnis ist die Trajektorie, welche bei der Vermessungsfahrt zurückgelegt wurde. Im nächsten Schritt werden die einzelnen Profilscans, welche im Sensorkoordinatensystem aufgenommen wurden, in das erdfeste Koordinatensystem transformiert. Die Profilscans werden mit der Trajektorie fusioniert. Die Fusion der Messdaten erfolgt über den gemeinsamen Zeitstempel. Das Ergebnis ist eine georeferenzierte 3D-Punktwolke der vermessenen Strecke. Wenn zusätzlich noch Bilder durch Kameras aufgenommen wurden, können diese mit der 3D-Punktwolke fusioniert werden. Das Ergebnis ist eine kolorierte, georeferenzierte 3D- Punktwolke. Um die erzeugten 3D-Punktwolken für den jeweiligen Anwendungsfall weiterzuverarbeiten ist eine entsprechende Filterung und Segmentierung notwendig. Bei der Filterung handelt es sich oftmals um einfache Filter, wie einen gleitenden Mittelwertfilter, um das Messrauschen der 3D-Punktwolke zu minimieren. Um die 3D-Punktwolke für die entsprechende Anwendung anzupassen, kann diese im ersten Schritt auf eine ROI (engl. Region of Interest) begrenzt werden. Die daraus entstehende reduzierte 3D-Punktwolke kann nun anwendungsspezifisch segmentiert werden. Ein Beispiel für die Segmentierung ist die semantische Segmentierung. Diese Mobile Mapping Anwendung und Potential bei mobilen Arbeitsmaschinen 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 333 beschreibt die Segmentierung der 3D-Punktwolke nach Klassifikationen wie Menschen, Fahrzeuge und/ oder Gebäude. Die Klassifikatoren bekommen eigene Labels und werden in der semantisch segmentierten 3D-Punktwolke in einer entsprechenden Kolorierung dargestellt. Für diese Anwendung kommen meistens Algorithmen aus dem Fachgebiet des maschinellen Lernens zum Einsatz. Diese Algorithmen können Anhand der definierten Klassifikatoren Trainingsdaten analysieren und selbstständig lernen. Es wird zwischen merkmalsbasierten und endto-end Verfahren unterschieden. Die Leistungsfähigkeit beider Verfahren hängt von der Menge und Qualität der Trainingsdaten ab. Bei der semantischen Segmentierung kann sich nur auf die 3D-Punktwolke und/ oder auf die Bilder, welche durch die Kameras aufgenommen werden, gestützt werden. Eine weitere Möglichkeit 3D-Punktwolken für den Anwendungszweck zu verarbeiten ist die 3D- Punktwolke in ein volumetrisches Modell zu überführen. Dieses Modell besteht aus diskreten Volumenelementen, welche in verschiedenen geometrischen Formen ausgeführt sein können. Diese Art von 3D-Modellen wird beispielsweise für die Navigation von mobilen Robotern verwendet, wohingegen die 3D-Modelle, welche nach der semantischen Segmentierung einer 3D-Punktwolke entstehen, eher zur Erkennung und Klassifizierung von Objekten genutzt werden, wie es zum Beispiel bei autonomen Fahrzeugen der Fall ist. 3. Anwendungsbeispiel Nachdem im vorherigen Abschnitt die Anwendungsbereiche, sowie Grundlagen zu Mobile Mapping Systemen erläutert wurden, soll das Potential von mobile Mapping im Anwendungsbereich von mobilen Arbeitsmaschinen aufgezeigt werden. Dafür wurde als Anwendungsbeispiel ein Forschungsprojekt aus dem Bereich der Sondermaschinen gewählt, welches aktuell am Kölner Labor für Baumaschinen durchgeführt wird. Das Forschungsprojekt „Digital unterstützte Prozesse zur Genehmigung und Durchführung von Großraum- und Schwertransporten (DiGST)“ beschäftigt sich mit der Optimierung des Genehmigungsverfahrens für Großraum- und Schwertransporte (GST). Das Ziel des Forschungsprojektes ist die Entwicklung eines Simulationsmodells zur Berechnung der Schleppkurven eines GST unter Berücksichtigung der Randbedingungen auf der Transportstrecke, wie Straßenbreite, Kurvenradien, etc. Die Transportstrecke wird durch eine georeferenzierte 3D-Punktwolke abgebildet. Im weiteren Verlauf wird auf die Anwendung von Mobile Mapping im Forschungsprojekt DiGST eingegangen. 3.1 Vermessungsfahrten Um die Schleppkurven eines GST vor dessen Durchführung an den Engstellen auf der Wegstrecke zu berechnen, muss diese im Vorfeld innerhalb einer Vermessungsfahrt erfasst werden. Die Firma Sommer, welche als Industriepartner am Forschungsprojekt beteiligt ist, besitzt ein Mobile Mapping System, welches aus vier LiDAR-Scannern, zwei GNSS-Antennen und einer inertialen Messeinheit auf Basis von MEMS- (engl. Micro-Electro-Mechanical Systems) Sensoren besteht. In Abbildung 1 ist das System der Firma Sommer dargestellt. Abbildung 1: mobile Mapping System © Fa. Sommer Die Scanner besitzen eine Abtastrate von 50 Hz und einen Öffnungswinkel von 270 Grad. Die inertiale Messeinheit erfasst mit einer Abtastrate von 100 Hz die Beschleunigungen und Drehraten. Die Position und Geschwindigkeit werden über zwei GPS-Antennen beobachtet. Das gesamte System besitzt eine Reichweite von 50 m und eine absolute Genauigkeit von circa 5-6 cm bei guten GPS-Bedingungen. Es ist anzumerken, dass die absolute Genauigkeit maßgeblich von den GPS-Bedingungen abhängt. Andere Fehlerquellen, wie beispielsweise auftretende Umweltbedingungen, haben keine signifikanten Auswirkungen auf die Genauigkeit. Die Messdaten werden im Post-Processing zu einer georeferenzierten 3D-Punktwolke fusioniert. Die 3D-Punktwolke liegt schlussendlich als eine Datei im xyz-Format vor. Diese Datei enthält die kartesischen Koordinaten der einzelnen Messpunkte und je nach Ausführung die aufgenommenen Farbwerte der einzelnen Messpunkte, welche im RGB-Farbraum dargestellt werden. 3.2 Datenverarbeitung In diesem Abschnitt wird die Verarbeitung einer 3D- Punktwolke zur Berechnung von Schleppkurven vorgestellt. Es werden die einzelnen Arbeitsschritte aufgezeigt und die zugehörigen Algorithmen beschrieben. Als Beispiel dient dafür die 3D-Punktwolke einer Kurvendurchfahrt in einem Wohngebiet, welche mit dem oben gezeigten Mobile Mapping System aufgenommen wurde. Die programmtechnische Implementierung der verschiedenen Algorithmen erfolgt in der Entwicklungsumgebung MATLAB. Bei der Implementierung wurde Augenmerk Mobile Mapping Anwendung und Potential bei mobilen Arbeitsmaschinen 334 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 daraufgelegt, dass die Umsetzung der Algorithmen auf Basisfunktionen von MATLAB aufgebaut wird, damit keine weiteren Toolboxen nötig sind. In Abbildung 2 ist die georeferenzierte 3D-Punktwolke im Rohzustand dargestellt. Um die Kontraste zu erhöhen, wurden die einzelnen Messpunkte bezüglich ihres Gradienten in Richtung der Höhenkoordinate koloriert. Abbildung 2: 3D-Punktwolke - Rohdaten Im nächsten Schritt wird die 3D-Punktwolke auf eine ROI begrenzt. Dafür kann über eine graphische Benutzeroberfläche die Begrenzung in x-, y- und z-Koordinatenrichtung eingegeben werden. Ebenfalls wird die 3D- Punktwolke zusätzlich gefiltert, um das Messrauschen zu minimieren. Als Filter wurde ein gleitender Mittelwertfilter implementiert. Dieser wird in zwei Koordinatenrichtungen auf die Messdaten angewendet. Das Filter berechnet die Folge der arithmetischen Mittelwerte m von n aufeinanderfolgenden Datenpunkten einer diskreten Zeitreihe x t [4]. Dadurch ergibt sich die zugehörige Filtergleichung m t n x t n i n i n 1 1 ††. (1) Die auf eine ROI begrenzte und gefilterte 3D-Punktwolke ist in Abbildung 3 zu sehen. Abbildung 3: gefilterte ROI der 3D-Punktwolke Um im weiteren Verlauf einen passenden Algorithmus zur Schleppkurvenberechnung anzuwenden, muss die 3D-Punktwolke so verarbeitet werden, dass sie für den Algorithmus interpretierbar ist. 3.3 Routenplanung Nachdem aufgezeigt wurde wie die Vermessungsfahrten und das Post-Processing der georeferenzierten 3D-Punktwolke von abläuft thematisiert der folgende Abschnitt die Verwendung der 3D-Punktwolke zu Berechnung von Schleppkurven des GST. Im Folgenden wird statt dem Begriff Schleppkurve der Begriff Route verwendet, welcher aber gleichbedeutend zu verstehen ist. Algorithmen, welche teils- oder vollautomatisch eine Route für ein Fahrzeug erzeugen sind heutzutage oftmals in der mobilen Robotik anzufinden [5], [6]. In der mobilen Robotik werden diese Algorithmen verwendet, um zum Beispiel Routen für unbemannte Land- oder Luftfahrzeuge zu generieren. Dabei ist zwischen einer offline und online Routenplanung zu unterscheiden. In diesem Projekt ist die offline Routenplanung von Interesse. Diese basiert auf einer zwei- oder dreidimensionalen Darstellung der Umgebung, durch welche das Fahrzeug navigiert werden soll. Diese Darstellung der Umgebung wird durch eine 3D-Punktwolke repräsentiert. Diese Algorithmen lassen sich auch für die Routenplanung eines GST verwenden. Auf Basis, der im Vorfeld aufgenommenen 3D-Punktwolke der geplanten Transportstrecke, lässt sich mit solchen Algorithmen die optimale Schleppkurve an Engstellen wie Kurvendurchfahren, Kreisverkehren, etc. teilautomatisch berechnen. Ein solcher Algorithmus, welcher im Folgenden exemplarisch erläutert wird, ist der A*- (gesprochen: A-Stern) Algorithmus. Der A*-Algorithmus gehört zu den informierten Suchalgorithmen und wurde im Jahr 1968 das erste Mal vorgestellt [7]. Er zählt zu den Graphen basierten Algorithmen und wird dazu verwendet die kürzeste Route zwischen einem Start- und Zielknoten in einem Graph zu finden. Der Graph repräsentiert dabei die Umgebung als diskrete Teilgebiete. Der A*-Algorithmus verwendet im Gegensatz zu anderen Suchalgorithmen neben der Kostenfunktion noch heuristische Informationen, um die Route zu berechnen. Als heuristische Information ist in diesem Kontext die euklidische Distanz zwischen dem aktuellen Knoten und dem Zielknoten. Der Algorithmus basiert auf zwei diskreten Mengen, der offenen Menge der unbesuchten Knoten O (engl. Open Set) und der geschlossenen Menge der besuchten Knoten C (engl. Closed Set). Der Algorithmus beginnt mit einer Startanzahl von Knoten, welche im Umkreis des Startknotens liegen. Nach Start sucht der Algorithmus für jede Iteration zu jedem Knoten n den Wert der Kostenfunktion f n g n h n ††, (2) Mobile Mapping Anwendung und Potential bei mobilen Arbeitsmaschinen 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 335 welche sich aus dem bisher zurückgelegten Weg g n und der euklidischen Distanz h n vom aktuellen Knoten n zum Ziel zusammensetzt. Für jeden Wert der Kostenfunktion f n wählt der Algorithmus den Knoten mit dem minimalen Wert aus, und erweitert die Nachbarschaft. Dieses Vorgehen wird so lange durchlaufen, bis der Algorithmus terminiert. In Abbildung 4 ist der A*- Algorithmus als Pseudo-Code dargestellt. A*-Algorithm Input: A graph Output: A route between start and goal nodes repeat Pick n best from O such that f ( n best ) ≤ f (n) ∀ n ∈ . Remove n best from O and add to C . if n n best goal = , EXIT. Expand n best : for all n Star n best that are not in C . if x O ∉ then add x to O . else if g n c n x g x best best ,† then update x‘s backpointer to point to n best . end if until O is empty Abbildung 4: A*-Algorithmus [6] Ein Vorteil des A*-Algorithmus ist, dass dieser sich die schon besuchten Knoten merkt und somit ein mehrfaches Durchlaufen dieser Knoten verhindert wird. Es wird ersichtlich, dass die Rechenzeit des Algorithmus mit der Anzahl der Knoten steigt. Die Anzahl der Knoten ist davon abhängig mit welcher Auflösung der Graph für die Routenplanung vorliegt und welche Abmessungen der Graph besitzt. Im Folgenden soll auf die Erzeugung solcher Graphen aus einer 3D-Punktwolke eingegangen werden. Die Informationen, welche aus einer 3D-Punktwolke gewonnen werden, sind welche Bereiche frei oder besetzt sind. Diese Informationen direkt aus den 3D- Punktwolken zu gewinnen ist sehr rechen - und zeitaufwendig, da es sich bei 3D-Punktwolken um sehr große Datenmengen handelt. Daher ist ein effizientes Berechnungsverfahren, mit einer geringen Laufzeit und Speicherplatznutzung von gefragt. Ein geeignetes Verfahren, um 3D-Punktwolken in sogenannte Belegungskarten (engl. Occupancy Map) zu überführen, ist die Erzeugung von volumetrischen Modellen, welche sich aus einer Anzahl diskreter Volumenelemente zusammensetzen. Das gängigste Verfahren dafür ist die Erzeugung solcher Karten auf Basis von Octree’s [8]. Die Erzeugung mithilfe von Octree‘s stellt eine speicher- und recheneffiziente Möglichkeit vor, Belegungskarten zu erzeugen. Ein Octree ist eine Datenstruktur aus der Informatik, welche einem gewurzelten Baum entspricht. Die Knoten haben entweder Acht oder Null Nachfolger. Octree’s werden oftmals verwendet um dreidimensionale Datensätze, zum Beispiel 3D-Punktwolken hierarchisch zu untergliedern. Die Wurzel des Baums entspricht dabei dem Hauptdatensatz, wie zum Beispiel der 3D-Punktwolke. Die einzelnen Knoten in einem Oktanten repräsentieren jeweils den Datenraum, welcher in einem kubischen Volumen enthalten ist. Dieses kubische Volumen wird auch als Voxel bezeichnet. Die Voxel werden so lange in acht Subvoxel unterteilt, bis eine minimale Voxelgröße erreicht wird. Die Voxelgröße wird über die Auflösung (engl. resolution) definiert. In Abbildung 5 sind drei Belegungskarten mit verschiedenen Auflösungen dargestellt. Abbildung 5: Belegungskarten mit verschiedenen Auflösungen In der linken Abbildung wurde eine Auflösung von 0.2 m³ gewählt. Bei der mittleren Abbildung beträgt die Auflösung 0.5 m³ und in der rechten Abbildung 1 m³. Die Berechnungszeit der MATLAB-Funktion beträgt im arithmetischen Mittel 0.000676 sek. bei einer Auflösung von 0.2 m³. Bei einer Auflösung von 0.5 m³ sind es 0.000653 sek. und bei einer Auflösung von 1m³ sind es 0.000567 Sekunden. Es ist ersichtlich, dass die Berechnungszeit bei einer höheren Auflösung ansteigt, somit ist die Auflösung entsprechend des Anwendungsfalls zu wählen. Bei den Routenplanungen von Großraum- und Schwertransporten ist ein Auflösungsbereich von 0.2 - 0.5 m³ gefordert. Die einzelnen Voxel besitzen boolesche Eigenschaften. Diese Eigenschaften beschränken sich auf die Zustände besetzt und unbesetzt. Ist das Voxel unbesetzt, dann wird der Knoten nicht weiterverfolgt. Ist das Voxel besetzt, dann wird der Knoten weiterverfolgt und die Voxel weiter unterteilt. Die erzeugte Belegungskarte kann verwendet werden, um die Route zu berechnen. Die nicht besetzten Voxel mit den zugehörigen Knoten definieren die offene Menge der unbesuchten Knoten O, die der Algorithmus durchsuchen soll. Der Algorithmus kann auf die vorgegebene Karte angewandt werden und somit die optimale Route zwischen einem Start- und Endknoten berechnen. 3.4 Ausblick Im vorherigen Abschnitt wurde erläutert, wie georeferenzierte 3D-Punktwolken verwendet werden können, um die Routenplanung von Großraum- und Schwertransporten zu verbessern. Es wurde aufgezeigt, wie die 3D-Punktwolken weiterverarbeitet werden, um diese für Suchalgorithmen interpretierbar zu machen. Als Beispiel wurde hierfür der A*-Algorithmus aufgezeigt. Im weiteren Verlauf des Projektes soll der Algorithmus auf das Anwendungsbeispiel angepasst werden. Die aktuelle Version des Algorithmus arbeitet mit einem soge- Mobile Mapping Anwendung und Potential bei mobilen Arbeitsmaschinen 336 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 nannten Punktroboter (engl. free flying object). In dieser Beschreibungsform werden die Restriktionen wie die räumliche Ausdehnung, sowie die kinematischen Zusammenhänge, wie zum Beispiel die Lenkung, nicht betrachtet. Daher soll im weiteren Verlauf der Algorithmus um ein kinematisches Modell des Großraum- und Schwertransportes ergänzt werden. Der Ansatz dabei ist, dass in den Suchschritten auch verschiedene Knickwinkelkonfigurationen berücksichtigt werden [9]. Die Freiheitsgrade des kinematischen Modells sind im Vektor der generalisierten Koordinaten q x y T T T T L L T [ ] 1 2 (3) zusammengefasst. Die Freiheitsgrade der Zugmaschine (engl. Truck) sind der Lenkwinkel der Vorderachse ϕ T , der Gierwinkel ψ T und die Position in x-Richtung x T und in y-Richtung y T . Die Freiheitsgrade des Aufliegers (engl. Loader) sind der Knickwinkel κ , der Lenkwinkel der ersten gelenkten Achse ϕ L1 und der Lenkwinkel der letzten gelenkten Achse ϕ L 2 des Aufliegers. Das kinematische Modell wird als nichtlineare zeitdiskrete Zustandsgleichungen dargestellt, diese bestehen aus der Zustandsdifferenzengleichung x f x u k k k 1 , (4) mit der Anfangsbedingung x t x 0 0 (5) Im Zustandsvektor x k sind die Freiheitsgrade des Modells enthalten, und der Vektor u k enthält die Eingangsgrößen. Der Ausgangsvektor lässt sich über y g x u k k k , (6) berechnen. Die Herleitung der Zustandsgleichungen erfolgt im Zeitbereich. Die sich ergebenen Bewegungsgleichungen können als Zustandsdifferentialgleichungen dargestellt werden. Mithilfe eines geeigneten Diskretisierungsverfahrens lassen sich die Zustandsdifferentialgleichungen in Zustandsdifferenzengleichungen überführen. Neben der geplanten Erweiterung des Algorithmus um ein kinematisches Modell des GST soll die Adaption des Algorithmus von 2D auf 3D erfolgen. Das geplante Ergebnis ist eine teilautomatisierte Simulationsumgebung zur Berechnung von Schleppkurven eines Großraum- und Schwertransportes. Neben der Erweiterung des Algorithmus sollen die Ergebnisse in passender Form visualisiert werden. Ebenfalls soll die bestehende graphische Benutzeroberfläche erweitert werden, sodass der Anwender eigenständig die 3D-Punktwolke und Fahrzeugparameter einlesen kann, sowie gezielt verschiedene Parameter manipulieren kann. Die visualisierten Ergebnisse sollen dann per Knopfdruck in Form eines Video-Files abgespeichert werden. Das Forschungsprojekt „Digital unterstützte Prozesse zur Genehmigung und Durchführung von Großraum- und Schwertransporten“ (DiGST) ist am Kölner Labor für Baumaschinen unter Leitung von Prof. Dr. Alfred Ulrich angesiedelt. Das Labor ist integraler Bestandteil des Instituts für Bau- und Landmaschinentechnik der TH Köln. Projektpartner sind die Sommer GmbH & Co. KG (Dienstleister für die Abwicklung von Großraum- und Schwertransporten), die Konrad Sturm GmbH (Spedition für Spezialtransporte), und die Krampe Fahrzeugbau GmbH (Hersteller von LKW-Komponenten). Das Vorhaben wird gefördert über den NRW-Leitmarktwettbewerb MobilitätLogistik.NRW im Rahmen des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung EFRE. 4. Zusammenfassung Dieser Beitrag skizziert die Anwendung eines Mobile Mapping Systems und die Verwendung der daraus entstehenden, georeferenzierten 3D-Punkwolken anhand eines Anwendungsbeispiels aus dem Bereich der mobilen Arbeitsmaschinen. Anhand der Routenplanung von Großraum- und Schwertransporten lässt sich erkennen, inwiefern Prozesse teilautomatisiert werden können und in welcher Form 3D-Punktwolken die Basis für diese Entwicklungen bilden. Neben dem vorgestellten Anwendungsbeispiel besitzt die Technik des Mobile Mapping auch Potentiale in anderen Bereichen der mobilen Arbeitsmaschinen. So kann zum Beispiel der Baufortschritt während des Straßenbauprozesses mit Mobile Mapping Systemen überwacht werden. Die Ergebnisse können dann direkt in die Bauwerksdatenmodellierung (engl. Building Information Modeling) einfließen. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Erfassung von Schlaglöchern oder anderer Schäden der Infrastruktur. Durch die Georeferenzierung kann die genaue Position ermittelt werden und eine gezielte Schadensbehebung erfolgen. Neben dem am Anwendungsbeispiel aufgezeigten und genannten Verwendungsmöglichkeiten sind noch weitere Anwendungen im Bereich mobiler Arbeitsmaschinen denkbar. Das Anwendungspotential von Mobile Mapping im Kontext der mobilen Arbeitsmaschinen ist noch nicht in der Branche angekommen. Die vergleichsweise hohen Anschaffungskosten für die Sensorik, die großen Datenmengen, welche zum Teil Terrabytes betragen können, sowie die noch nicht automatisierte Auswertung der 3D-Punktwolken schreckt noch viele Anwender ab. Es ist jedoch anzumerken, dass aktuell auf Seiten der Hard- und Softwareentwicklung viele Entwicklungsarbeiten laufen. Auf der Hardwareseite wird an kompakteren und kostengünstigeren Sensoren gearbeitet und auf der Softwareseite an Software zur teil- oder vollautomatischen Auswertung von 3D-Punktwolken. Es kann abschließend gesagt werden, dass die Technik des Mobile Mapping sich aktuell hochdynamisch entwickelt und auch langsam in der Branche der mobilen Arbeitsmaschinen ihren Einzug feiert. Mobile Mapping Anwendung und Potential bei mobilen Arbeitsmaschinen 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 337 Literaturverzeichnis [1] D. Fritsch, „Mobile Mapping - Eine Revolution im Vermessungswesen? ,“ Stuttgart, 2013. [2] H. Kuhlmann und L. Klingbeil, „Mobile Multisensorsysteme,“ in Ingenieurgeodäsie, Springer, Berlin, 2017, pp. 93-129. [3] J. Wendel, Integrierte Navigationssysteme: Sensordatenfusion, GPS und Inertiale Navigation, Oldenbourg: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2011. [4] J.-P. Kreiß und G. Neuhaus, Einführung in die Zeitreihenanalyse, Wiesbaden: Springer, 2006. [5] J.-P. Laumond, Robot Motion Planning and Control, Berlin: Springer, 1998. [6] H. Choset, K. M. Lynch, S. Hutchinson, G. A. Kantor und W. Burgard, Principles of Robot Motion: Theory, Algorithms and Implementations, Cambridge: MIT Press, 2005. [7] P. E. Hart, N. J. Nilsson und B. Raphael, „A Formal Basis for the Heuristic Determination of Minimum Cost Paths,“ IEEE Transactions on Systems Science and Cybernetics, Bd. 4, Nr. 2, pp. 100 - 107, 1968. [8] A. Hornung, K. M. Wurm, M. Bennewitz, C. Stachniss und W. Burgard, „OctoMap: an efficient probabilistic 3D mapping framework based on octrees,“ Autonomous Robots volume, pp. 189 - 206, 07 Februar 2013. [9] S. Beyersdorfer, S. Wagner und S. Zipser, „Optimale Hindernisumfahrung mit mehrachsgelenkten Fahrzeugen,“ in 10. Wissenschaftstage der Hochschule Lausitz 2010, Lausitz, 2010.