Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Bauwerksprüfung mittels Virtual/Augmented Reality - Prozessablauf
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Marcos Hill
Sonja Neumann
Ralph Holst
Sascha Bahlau
Die Bauwerksprüfung bildet die Grundlage zur Erhaltung der Zukunftsfähigkeit von Ingenieurbauwerken. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass relevante Daten z.B. zu festgestellten Schäden vollständig, ortsgenau identifiziert sowie reproduzierbar und einheitlich bewertet werden. Gleichzeitig ist eine geringstmögliche Beeinträchtigung der bestehenden
Verkehre anzustreben. Eine sorgfältige und vorausschauende Planung sowie die optimale und verlustfreie Kommunikation aller Beteiligten ist hierfür die Grundlage. Entwicklungen und Technologien im Rahmen der Digitalen Transformation bieten Potenziale, die Bauwerksprüfung in diesem Sinne zu unterstützen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Bundesanstalt für Straßenwesen, wird ein Anwendung zur digital gestützten Bauwerksprüfung mittels VR/AR unter
Verwendung von 3D-Modellen entwickelt. Als Grundlage, zur Entwicklung einer solchen Anwendung, dient ein konzeptioneller Prozessablauf, in dem technologische Lösungen zur vereinfachten Schadensprüfung aufgenommen wurden.
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1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 401 Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - Prozessablauf Marcos Hill LIST Digital GmbH & Co. KG, Essen, Deutschland Sonja Neumann Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Deutschland Ralph Holst Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Deutschland Sascha Bahlau LIST Digital GmbH & Co. KG, Essen, Deutschland Zusammenfassung Die Bauwerksprüfung bildet die Grundlage zur Erhaltung der Zukunftsfähigkeit von Ingenieurbauwerken. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass relevante Daten z.B. zu festgestellten Schäden vollständig, ortsgenau identifiziert sowie reproduzierbar und einheitlich bewertet werden. Gleichzeitig ist eine geringstmögliche Beeinträchtigung der bestehenden Verkehre anzustreben. Eine sorgfältige und vorausschauende Planung sowie die optimale und verlustfreie Kommunikation aller Beteiligten ist hierfür die Grundlage. Entwicklungen und Technologien im Rahmen der Digitalen Transformation bieten Potenziale, die Bauwerksprüfung in diesem Sinne zu unterstützen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Bundesanstalt für Straßenwesen, wird ein Anwendung zur digital gestützten Bauwerksprüfung mittels VR/ AR unter Verwendung von 3D-Modellen entwickelt. Als Grundlage, zur Entwicklung einer solchen Anwendung, dient ein konzeptioneller Prozessablauf, in dem technologische Lösungen zur vereinfachten Schadensprüfung aufgenommen wurden. 1. Einleitung Das deutsche Bundesfernstraßennetz umfasst ca. 39.500 Brücken. Betreiber und Eigentümer müssen sich aktuell und zukünftig großen Herausforderungen stellen. Durch zunehmendes Verkehrsaufkommen ist die Straßeninfrastruktur steigenden Lasten ausgesetzt. Außerdem tragen die Alterung der Bauwerke sowie klimatische Einwirkungen dazu bei, dass in erheblichem Umfang Maßnahmen zur Erhaltung getroffen werden müssen. Die Bauwerksprüfung bietet die Grundlage, um Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit eines Bauwerks sicherzustellen bzw. wiederherzustellen. Ihre Durchführung ist in der DIN 1076 geregelt. Danach muss die Bauwerksprüfung in einem strukturierten Zyklus stattfinden, um auftretende Schäden und Mängel zu erkennen und zu bewerten. Alle Bauteile des Bauwerks werden hierfür handnah, das heißt mit einem Abstand, der ungefähr einer Armlänge entspricht, begutachtet. Für die Prüfung wird meist auf konventionelle Methoden wie das Abklopfen von Oberflächen mittels eines Hammers zurückgegriffen. Die Ergebnisse und die Zustandsbewertung werden in spezifischen Programmsystemen erfasst, verwaltet und ausgewertet, die kompatibel mit den bestehenden Regelwerken sind. Zumeist erfolgt die Dateneingabe im Anschluss an die Prüfung im Büro, in selteneren Fällen steht hierfür ein Tablet vor Ort an der Brücke zur Verfügung. Schadensbereiche werden häufig in Skizzen festgehalten, die den Prüfberichten zur verbesserten Auffindbarkeit von Schäden beigefügt werden. Um den Zustand des Bauwerks beurteilen zu können, muss während der Bauwerksprüfung eine Vielzahl an Informationen über das Bauwerk und seine Schäden einbezogen werden. Hierzu gehören zum Beispiel Informationen zu Schäden aus früheren Bauwerksprüfungen, die möglichst gebündelt zur Verfügung stehen sollten. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die festgestellten Schäden vollständig, ortsgenau identifiziert sowie reproduzierbar und einheitlich bewertet werden. Somit können Schadensentwicklungen und die Dringlichkeit von durchzuführenden Maßnahmen beurteilt werden. Zur Beurteilung kann auch die Kommunikation mit weiteren Experten, die nicht vor Ort an der Brücke sind, entscheidend sein. Nicht zuletzt spielt die Arbeitsvorbereitung Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - Prozessablauf 402 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 eine wichtige Rolle, um den Verkehr durch die Prüfungen möglichst wenig zu beeinträchtigen. Auch hierfür sind die Verfügbarkeit und anschauliche Visualisierung von möglichst umfänglichen Informationen und Daten zum Bauwerk sicherzustellen. Der herkömmliche Prozess der Bauwerksprüfung kann durch Entwicklungen im Rahmen der digitalen Transformation in diesem Sinne unterstützt werden. Es bestehen Potenziale, die Arbeit in der Bauwerksprüfung zu erleichtern, ihre Qualität zu steigern und somit schließlich zu einem optimierten Lebenszyklusmanagement beizutragen. In diesem Paper wird ein entsprechend digital gestützter Prozess der Bauwerksprüfung vorgestellt, der im Rahmen eines Forschungsprojektes der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) entwickelt wird. Zunächst werden die Ziele, die mit dem Forschungsprojekt und dem Einsatz digitaler Technologien im Lebenszyklus von Brücken verfolgt werden, aufgezeigt. Darauf aufbauend wird der identifizierte Prozess der Bauwerksprüfung dargestellt, der mit Hilfe der Technologien Virtual und Augmented Reality (VR/ AR) in Kombination mit der Methodik des Building Information Modelings (BIM) unterstützt wird. Darin werden die relevanten Arbeitsschritte, von der Vorbereitung der Prüfung über die Durchführung vor Ort bis hin zur Nachbereitung, berücksichtigt. Ein Fazit und Ausblick, der die Einbindung in den technischen und organisatorischen Rahmen aufzeigt und Perspektiven für weitere Forschung aufzeigt, schließen das Paper ab. 2. Allgemeine Forschungsansatz Neben den klassischen Methoden der Bauwerksprüfung müssen auch digitale Entwicklungen zur Unterstützung und Optimierung der Bauwerksprüfung berücksichtigt werden, um die Zukunftsfähigkeit der Brückenbauwerke auch bei steigendem Instandhaltungsaufwand zu gewährleisten. Forschungsaktivitäten in diesem Bereich beschäftigen sich daher zunehmend mit der kontinuierlichen Beobachtung und Bewertung fortschrittlicher digitaler Technologiewerkzeuge, die zu einer optimierten Qualitätssicherung beitragen können. Im Rahmen der Forschungsarbeiten müssen Nutzenpotenziale für Eigentümer und Betreiber von Ingenieurbauwerken in der Instandhaltung identifiziert, analysiert und Lösungsansätze aufgezeigt werden, um letztlich einen Beitrag zur kurzfristigen Reduzierung des erforderlichen Instandhaltungsaufwandes zu leisten. Im Bereich der Bauwerksprüfung zeigen die Technologien Virtual und Augmented Reality sowie die Methode des Building Information Modelings Potenziale zur Unterstützung auf. Insbesondere in Kombination wird ein Beitrag zur Verbesserung des Prozesses angestrebt, in dem relevante Daten in einem 3D-Modell gebündelt sowie verortet zur Verfügung gestellt werden. Mittels Virtual und Augmented Reality soll dieses Modell zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Prüfung verständlich visualisiert und durch neue Informationen aktualisiert werden. Die auf Virtual und Augmented Reality basierenden Systeme sollen schließlich zu einer optimierten Qualitätssicherung bei der Bauwerksprüfung beitragen, bei der die Informationsbereitstellung effizienter erfolgt als bisher. Es sollen mehr, schneller und umfassender Informationen einbezogen werden können, um das Treffen fundierter Entscheidungen in der Bauwerksprüfung und Zustandsbeurteilung zu unterstützen. Im Folgenden wird der hierfür identifizierte und digital gestützte Bauwerksprüfungsprozess dargestellt. Im weiteren Verlauf des Forschungsprojektes werden zur Darstellung der Potenziale außerdem Demonstratoren realisiert, in denen dieser Prozess technisch umgesetzt wird. Ein weiteres Paper „Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - VR/ AR im Prüfprozess“ beschreibt diese Umsetzung. 3. Prozessermittlung Für die Identifizierung der Prozesse einer digital unterstützten Bauwerksprüfung wurde im Rahmen der Forschungsarbeit eine Anforderungsanalyse erstellt. Während dieser Anforderungsanalyse erfolgten eine systematische Entwicklung der Eigenschaften und Leistungen der Unterstützungsmediums und somit eine Weiterentwicklung des Prozesses zur digital unterstützten Brückenprüfung (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: Anforderungsanalyse für das Unterstützungssystem Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - Prozessablauf 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 403 Beginnend mit einem Brückenworkshop aller Beteiligten erfolgte eine demonstrative Bauwerksprüfung, zur Identifizierung von Prozessen und zur Einschätzung der Bedingungen bei der Durchführung einer Bauwerksprüfung. Die beteiligten Bauwerksprüfer schilderten die unterschiedlichen Vorgänge und die jeweilige Prüfungsarten. Ein wesentlicher Bestandteil war die Erkennung und Aufnahme von Schadstellen und deren Schadensmuster. Um während der demonstrativen Bauwerksprüfung Erkenntnisse für die digitale Unterstützung zu gewinnen, wurde mit Hilfe der Think-Aloud-Methode gearbeitet. Bei dieser Methode sind die Teilnehmer angehalten laut zu denken, während sie vor einer Gruppe bestimmte Aufgaben ausführen. Die Beobachter erhalten hierbei eine Möglichkeit, Daten über den menschlichen Bearbeitungsprozess zu einer Aufgabe aus erster Hand zu gewinnen. Auf Basis dieses Vorganges, konnten anschließend die Prozesse einer digitale Bauwerksprüfung identifiziert werden. Nach Abschluss des Brückenworkshops und somit der Anforderungsidentifikation, erfolgte mit der Anforderungssystematisierung die Erstellung und Entwicklung von sogenannten Arbeitskarten, und der ersten Prozessbeschreibung zur VR/ AR-Anwendung. Die Arbeitskarten wurden entwickelt und um einen Überblick über die Punkte zu liefern, welche in der Anwendung zur Unterstützung der Bauwerksprüfung inhaltlich vorhanden sein sollten, um Schäden zu untersuchen und zu beschreiben. Die Arbeitskarten dienen auch als Arbeitshilfe innerhalb der Anwendung für den Bauwerksprüfer und wurden auf Basis des Prozesses der digitalen Bauwerksprüfung, der Fachkenntnisse der Bauwerksprüfer die sich unter den Projektbeteiligten befinden sowie der Fachliteratur zur Brückenprüfung von Mertens [1], Vollrath und Tathoff [2] und Kracke und Lodde [3] entwickelt. Aufbauend auf den Ergebnissen aus der Anforderungssystematisierung und den Ergebnissen des aktuellen Standes der Technik, sowie den Erkenntnissen der Anforderungsidentifikation erfolgte eine Ausarbeitung der unterschiedlichen Anforderungen an den Demonstrator anhand einer Kategorisierung nach dem Kano-Modell. Die Kategorisierung innerhalb der Anforderungsspezifikation dient anschließend in der abschließenden Anforderungsvalidierung, welche in Form von Experteninterviews durchgeführt wird, zur Herbeiführung einer Entscheidung über die tatsächlichen Anfordern an die digitale Unterstützung der Bauwerksprüfung. Durch das Konsortium wurden die möglichen zur Anwendung kommenden Technologien nach ihren Merkmalen den Experten vorgestellt und anschließend durch die Experten bewertet. Die Bewertung der Merkmale legt somit die Anforderung an die digitale Unterstützung der Bauwerksprüfung fest. Durch die Ergebnisse der Anforderungsanalyse erfolgt im Anschluss die finale Gestaltung des Prozesses für die Bauwerksprüfung. 4. Prozessablauf Durch die vorangegangene Anforderungsanalyse konnten anschließend die Prozesse einer digitalen Bauwerksprüfung identifiziert werden. Diese Prozesse gliedern sich in die drei Hauptprozesse Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung auf. • Identifizierte Prozesse: - Vorbereitung der Prüfung - Vorbereitung im Büro am Computer - Vorbereitung im Büro über Tablet - Vorbereitung vor Ort am Tablet • Durchführung der Prüfung • Nachbearbeitung der Prüfung - Nachbearbeitung im Büro über Tablet - Nachbearbeitung im Büro am Computer Die Hauptprozesse sind in ihrem Aufbau in weitere Unterprozesse untergliedert. Die Prozesse decken den Zeitraum der Beauftragung der Bauwerksprüfung bis hin zur Erfüllung des Auftrages ab. 4.1 Prozessaufbau Die grafische Darstellung der Prozesse geschieht mittels des Nationsschemas Business Process Model and Nation (siehe Abbildung 2). Durch dieses Schema werden die Prozesse in Form von Knoten und Kanten dargestellt. Dabei stehen die Knoten für Tätigkeiten, Ereignisse oder Verzweigungen. Die Kanten dienen als Verbindungen bzw. Relationen zwischen den Knoten. Die Abfolge von Knoten und Kanten in einem Prozess kann parallel in unterschiedlichen Prozessgruppen verlaufen. Für den Prozess wurden die Prozessgruppen Tätigkeiten des Prüfers, Eingabe in das System, Ausgabe des Systems und die softwareinterne Funktion identifiziert. Durch die Gruppierungen erfolgt eine Hervorhebung der bestimmten Aspekte des Prozesses und eine Gegenüberstellung der praktischen Tätigkeit eines Prüfers gegenüber der softwareinternen Funktionen und der Interaktion zwischen Prüfer und Software (siehe Abbildung 3). Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - Prozessablauf 404 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Abbildung 2: Darstellung des Nationsschemas Business Process Model and Nation 4.2 Prozessablauf Vorbereitung Bauwerksprüfung Nach der Beauftragung zur Durchführung einer Bauwerksprüfung, beginnt der Prozess zur Vorbereitung der Bauwerksprüfung. In diesem Prozessverlauf behandelt der Nutzer die vorbereitenden Maßnahmen im Büro. Dabei entscheidet sich der Nutzer zunächst welche Hardware zur Vorbereitung genutzt wird. Der Nutzer kann hierzu zwischen der klassischen Computeranwendung und der Vorbereitung mittels Tablet wählen. Nach Auswahl der Hardware erfolgt zunächst das Aufrufen der Anwendung. Nach dem Start der Anwendung wählt sich der Nutzer mittels seiner erhaltenen Zugangsdaten des Auftragsgebers in die Common Data Environment (CDE) ein. Die CDE ist eine Softwarelösung, um das Informationsmanagement zu vereinfachen. Nach Anmeldung erfolgt ein Download der Bauwerksdaten. Sollten bereits die Bauwerksdaten aus einer vorangegangen Bauwerksprüfung auf dem Endgerät liegen, erfolgt eine Synchronisation der Daten. Der Nutzer erhält hierdurch Informationen zu den aktuellen Prüfberichten mit möglichen verorteten Schäden und das 3D Modell. Des Weiteren werden weiterführende Informationen zum Bauwerk, wie Bauwerksbuch, Tragwerksplanung und archivierte Prüfberichte zur Verfügung gestellt. Durch die Datengrundlage prüft und dokumentiert der Nutzer die Datenvollständigkeit und gibt die Daten für die Bauwerksprüfung frei. Des Weiteren erhält der Nutzer die Möglichkeit vorab mittels AR- oder VR-Anwendung eine virtuelle Begehung durchzuführen umso beispielsweise vorhandene Schäden zu betrachten und den Ablauf der Bauwerksprüfung zu optimieren sowie auf Arbeitsschutz und die Verkehrssicherung einzugehen. Die Informationen zum Arbeitsschutz und zur Verkehrssicherungspflicht erhält der Nutzer aus den beigefügten Arbeitskarten. Abbildung 3: Umsetzung des Prüfauftrags mit der digitalen Bauwerksprüfung Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - Prozessablauf 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 405 4.3 Prozessablauf Durchführung Bauwerksprüfung Nach Abschluss der vorbereitenden Maßnahmen zur Bauwerksprüfung, erfolgt der Prozess zur Durchführung der Bauwerksprüfung. In diesem Prozessteil wird die Vorbereitung sowie Durchführung der Prüfung vor Ort thematisiert. Hierbei werden die Prozesse zur Schadensverortung und Schadensauffindung beschrieben. Des Weiteren wird auf die Schadensdarstellung und Verwaltung eingegangen. Ein bestimmtes Augenmerk, wurde vor allem auf den Prozess zur Durchführung des Bauwerksprüfung gelegt. In diesem Workflow wurde die Notwendigkeit der Digitalisierung von bestimmten Arbeitsschritten untersucht und anschließend ein Prozessablauf erarbeitet. Vor allem die Untersuchung von Schäden ist ein wesentlicher Bestandteil in diesem Prozess. Hierbei wurden drei Fälle, welche auftreten könnten, identifiziert (siehe Abbildung 4): • Am Bauwerk wird ein Schaden entdeckt, welcher nicht im Modell verzeichnet ist • Am Bauwerk und im Modell werden Schäden entdeckt, welche übereinstimmen • Im Modell existiert ein verzeichneter Schaden, welcher im Bauwerk nicht vorhanden ist Nach Auffinden bzw. Aufsuchen eines Schadens führt der Nutzer ein Schadensabgleich zwischen Bauwerk und Modell durch. Sollte ein Schaden entdeckt werden, welcher nicht im Modell verzeichnet ist, wird dieser Schaden untersucht und dementsprechend auch dokumentiert. Falls ein Schaden am Bauwerk vorhanden ist und die Schäden auch im Modell bereits eingetragen sind, wird dieser Schaden überprüft und aktualisiert. Bei einem Schaden, welcher im Modell verortet ist jedoch nicht am Bauwerk vorhanden ist, wird auf eine mögliche Sanierung des Schadens untersucht und dieses ebenfalls dokumentiert. Nach Dokumentation aller Schäden beendet der Nutzer die Durchführung. Abbildung 4: Auszug aus dem Prozessablauf zur Durchführung von Schadensaufnahmen Der Prozess zur Schadensaufnahme erfolgt in den oben genannten Fällen in der Regel gleich. Bei einem neuen Schaden wird zunächst ein neuer Schadenseintrag angelegt. Hierzu wird, nach Auswahl eines Schadenseintrages in der Anwendung automatisch ein Formular gemäß Schadensart aufgerufen. Der Nutzer führt eine Schadensuntersuchung gemäß der Arbeitskarte für Bauteil und Schadensart durch. Parallel wird in der Anwendung der Schadenseintrag bearbeitet und angelegt. Während des Schadenseintrages erfolgt der Ablauf immer in der gleichen Reihenfolge. Zunächst erfolgt eine Fotoaufnahme durch den Nutzer. Die Anwendung nimmt ein Bild auf und erstellt im Hintergrund direkt eine Verortung des Schadens. Der Schaden ist somit im 3D-Modell auffindbar. Nach Erstellen des Fotos erfolgt eine Schadenszuweisung. Der Nutzer wählt über eine Auswahlliste eine Schadensart aus und im Anschluss um welchen Typ von Schaden es sich handelt. Die Information wird in einem vorgegebenen Schema mit dem Foto und den Koordinaten in eine BCF-Datei gespeichert. BCF steht hier für das BIM Collaboration Format (kurz BCF) welches ein offenes Dateiformat zur Kommunikationszwecken ist. Durch eine BCF-Datei können Schäden bauteilorientiert erfasst werden und somit über ein Verortungssystem zu einem Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - Prozessablauf 406 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 späteren Zeitpunkt wiedergefunden werden. Des Weiteren können weitere Informationen zum Schaden, wie beispielsweise Dimensionen, hinterlegt werden. Im Falle einer Überprüfung von Schäden, wird der vorhandene Schadenseintrag aufgerufen und eine neue Version erstellt. Die nächsten Prozessschritte erfolgen wie bei einer neuen Schadensaufnahme. Ist ein Schaden am Bauwerk nicht mehr ersichtlich, jedoch im 3D-Modell noch vorhanden, gilt es diesen auf Sanierung zu überprüfen. Hierzu wird der Schadenseintrag aufgerufen und es erfolgt eine Überprüfung auf Sanierung des Schadens. Ähnlich wie bei der Schadensaufnahme erfolgt auch hier eine Verortung und Bildaufnahme im ersten Schritt. Nachdem festgestellt wurde, dass der Schaden sachgemäß saniert wurde, wird der Schadenseintrag als saniert markiert. 4.4 Prozessablauf Nachbearbeitung Bauwerksprüfung Nach Abschluss der Bauwerksprüfung, beginnt der Prozess zur Nachbearbeitung. Der Nutzer synchronisiert seine erfassten Daten mit der CDE. Dadurch werden die Daten dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt und aktualisiert. Der Nutzer erhält nun die Möglichkeit die Schadenspunkte als Schadensliste auszugeben. Dadurch entsteht innerhalb der Software eine interne Funktion wodurch die Daten vom 3D Modell abgegriffen und konvertiert als Liste ausgegeben werden. Des Weiteren kann der Nutzer sich die Schäden mittels VR- oder AR- Anwendung ansehen und erhält somit eine visuelle Begutachtung des Schadens mit Hilfe des Modells und der erstellten Bildaufnahmen. Dadurch fühlt sich der Nutzer in die Realität zurückversetz und kann somit durch seine Gedanken und der visuellen Betrachtung effizienter die Schadensbegutachtung erneut vornehmen. Nach Abschluss seiner Nachbearbeitung und der Erstellung des Prüfberichts, erfolgt eine erneute Synchronisation zwischen der CDE und dem Endgerät des Nutzers. Durch diese finale Synchronisation ist der Prüfauftrag abgeschlossen. Der Auftragnehmer erhält eine Benachrichtigung des Auftraggebers und kann auf die Daten innerhalb der CDE zurückgreifen. Der Auftraggeber kann somit ebenfalls durch eine VRbzw. AR-Anwendung auf die Daten zugreifen und fühlt sich in das Bauwerk versetzt. 5. Ausblick Der vorgestellte Prozess kann in Zukunft zu einer konsistenten und semantischen Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Visualisierung von Daten und damit zu einem optimierten Inspektionsprozess (Vorbereitung im Büro, Inspektion vor Ort und Nachbesprechung zurück im Büro) beitragen. Damit kann ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen geleistet werden, denen sich die Verantwortlichen insbesondere bei den Bundesfernstraßen gegenübersehen. Bei der Einführung neuer Werkzeuge und Weiterentwicklungen von Arbeitsabläufen ist es von wichtiger Bedeutung zukünftige Anwender frühzeitig in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Auf diesem Weg kann sichergestellt werden, dass ihre Bedürfnisse und Anforderungen berücksichtigt werden und ein System realisiert wird, dass dem Anwender einen echten Vorteil bietet. In einem nächsten Schritt ist es demnach besonders zielführend Konzepte und Prozesse pilothaft zu demonstrieren und Prototypen zu entwickeln, die im realen Umfeld getestet werden können. Im Hinblick auf die digital gestützte Bauwerksprüfung wird der vorgestellte Prozess im Rahmen des Forschungsprojektes der BASt auch in Form von Demonstratoren technisch umgesetzt. Hiermit befasst sich das Paper „Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - VR/ AR im Prüfprozess„. In Zukunft wird es für einen Weg in die Praxis besonders wichtig sein, den Anwendern ausreichend Möglichkeiten zu geben, diese Systeme in ihrer Arbeit zu testen und ihr Feedback in weiteren Entwicklungen zu berücksichtigen. Durch die Einbindung erster digitale Methoden in der Bauwerksprüfung ist der erste wichtige Schritt in die richtige Richtung getan. Nicht nur in der Planung von Bauprojekten wird die Zukunft mittels digitaler Methoden effizienter gestaltet, sondern auch in der Verwaltung und Bewirtschaftung von Bauwerken bringt die Digitalisierung einen Mehrwert. Durch Schnittstellenbildung können die Ergebnisse aus der digitalunterstützten Bauwerksprüfung direkt in SIB Bauwerke hineinfließen. Eine lückenlose Dokumentation von Bauwerksprüfungen innerhalb des Lebenszyklus einer Immobilie gewährleistet eine effiziente und sichere Nutzung. Durch die Einbindung weiterer möglicher Werkzeuge kann die Bauwerksprüfung weiter digital gestaltet werden. Durch die Einbindung weiterer Forschungsprojekte und die Verknüpfung der Ergebnisse wird in Zukunft die Bauwerksprüfung verbessert. Beispielsweise beschäftigt sich die Forschung außerdem mit dem Thema der Analyse und entsprechender Visualisierung der während der Bauwerksprüfung erfassten Daten. Hier spielen Methoden der künstlichen Intelligenz, insbesondere aus dem Bereich des maschinellen Lernens eine wichtige Rolle. Diese sollen das Inspektionsteam zum Beispiel durch eine Vorauswahl möglicher Schäden und intelligente Informationsbereitstellung weiter unterstützen. Darüber hinaus wird es relevant sein, die konsistent erfassten, gespeicherten und visualisierten Daten verstärkt in eine Abbildung und Ableitung des Bauwerkszustands und dessen Prognose einzubinden und entsprechend zu analysieren. Laufende Forschungsaktivitäten beschäftigen sich mit diesen Themen und werden in Kombination mit dem vorgestellten Prozess der digital gestützten Bauwerksprüfung sicherlich einen Mehrwert schaffen. Neben den Prozessen selbst müssen in Zukunft auch die rechtlichen Rahmenbedingungen (Normen, Richtlinien, etc.) an diese Entwicklungen angepasst und aktualisiert werden. Das Grundprinzip der manuellen Prüfung von Bauwerksprüfung mittels Virtual/ Augmented Reality - Prozessablauf 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 407 Bauwerken muss auch bei den kommenden Entwicklungen beibehalten werden. Dazu müssen die Regelwerke so angepasst werden, dass das Potenzial dieser Techniken genutzt werden kann und gleichzeitig das hohe Sicherheitsniveau der heutigen Bauwerksprüfung nach DIN 1076 beibehalten oder sogar erhöht werden kann. Nicht zuletzt ist es wichtig, die Auswirkungen und den Nutzen, den diese Digitalisierung der Brückenprüfung für die Lebenszyklusbetrachtung haben kann und wird, im Rahmen eines entsprechenden Managements zu betrachten. Diesbezüglich gibt es verschiedene Aktivitäten, die verstärkt werden müssen, um unsere Straßeninfrastruktur zukunftsfähig zu machen. Dieser Präsentation liegen Teile der im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, unter FE-Nr. 15.0666/ 2019/ LRB „Bauwerksprüfung mittels 3D-Bauwerksmodellen und erweiterter/ virtueller Realität“ durchgeführten Forschungsarbeit zugrunde. Die Verantwortung für den Inhalt liegt allein beim Autor. Literaturangaben: [1] Mertens, M. (Ed.), 2015. Handbuch Bauwerksprüfung: Zustandsprüfung im Bestand: Standsicherheit, [2] Vollrath, F., Tathoff, H., 2002. Handbuch der Brückeninstandhaltung, 2nd ed. [3] Kracke, E.-A., Lodde, K., 2011. Leitfaden Straßenbrücken: Entwurf, Baudurchführung, Erhaltung. John Wiley & Sons.
