eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 2/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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expert verlag Tübingen
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2023
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Infrastruktur vernetzt denken

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Rebecca Probst
Martin Seitner
Um den künftigen Bedürfnissen der Gesellschaft und der vernetzten Welt gerecht zu werden, muss die Infrastruktur in Deutschland und Europa bereits heute vernetzt gedacht und geplant werden. Dabei geht es nicht nur um den Ausbau der digitalen Infrastruktur, sondern vor allem um die Integration von intelligenten Verkehrs-, Energie- und Kommunikationssystemen. Neben den Faktoren der Neo-Ökologie, der Urbanisierung und der damit einhergehenden Veränderung der Verkehrsströme, des Klimawandels und dem Wachstum aber auch der Alterung der Gesellschaft wird die Verkehrsinfrastruktur künftig auch von den Entwicklungen der Konnektivität beeinflusst. Zudem verstärken sich die Forderungen hinsichtlich Inklusion, Sicherheit, Flexibilität und Multimodalität. Grundlage für die Vernetzung aller Faktoren bildet die Digitalisierung. Um die verschiedenen Klimaziele der Regierung und die der Bauunternehmen, z. B. Nachhaltigkeitsberichte, zu erreichen, bedarf es einer besseren Nutzung der Baumaterialien.
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2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 17 Infrastruktur vernetzt denken Herausforderungen und Lösungsansätze der Verkehrsinfrastruktur der Zukunft Dipl.-Ing. (FH) Rebecca Probst, MBA & Eng. Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten Dipl.-Ing. (FH) Martin Seitner, M. Sc. Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten Zusammenfassung Um den künftigen Bedürfnissen der Gesellschaft und der vernetzten Welt gerecht zu werden, muss die Infrastruktur in Deutschland und Europa bereits heute vernetzt gedacht und geplant werden. Dabei geht es nicht nur um den Ausbau der digitalen Infrastruktur, sondern vor allem um die Integration von intelligenten Verkehrs-, Energie- und Kommunikationssystemen. Neben den Faktoren der Neo-Ökologie, der Urbanisierung und der damit einhergehenden Veränderung der Verkehrsströme, des Klimawandels und dem Wachstum aber auch der Alterung der Gesellschaft wird die Verkehrsinfrastruktur künftig auch von den Entwicklungen der Konnektivität beeinflusst. Zudem verstärken sich die Forderungen hinsichtlich Inklusion, Sicherheit, Flexibilität und Multimodalität. Grundlage für die Vernetzung aller Faktoren bildet die Digitalisierung. 1. Einführung Die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung von Wirtschaft, Gesellschaft und Infrastruktur stellt auch die Verkehrsinfrastruktur vor große Herausforderungen. Die Veränderungen, die mit den Entwicklungen einhergehen, betreffen nicht nur den Ausbau der digitalen Infrastruktur, sondern auch die Integration von intelligenten Verkehrs-, Energie- und Kommunikationssystemen. Es geht darum, die Infrastruktur vernetzt zu denken und so den künftigen Bedürfnissen der Gesellschaft und der vernetzten Welt gerecht zu werden. Abb. 1: Infrastruktur vernetzt denken (Konstruktionsgruppe Bauen AG) 2. Herausforderungen der Verkehrsinfrastruktur Die Verkehrsinfrastruktur ist ein integraler Bestandteil unserer modernen Gesellschaft und hat einen direkten Einfluss auf unsere Mobilität, unsere Wirtschaft und unser tägliches Leben. Sie umfasst Straßen, Brücken, Eisenbahnen, Flughäfen und öffentliche Verkehrsmittel und ist entscheidend für die Mobilität von Menschen und Gütern. Die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung von Wirtschaft, Gesellschaft und Infrastruktur stellt auch die Verkehrsinfrastruktur vor große Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Der Bau und die Instandhaltung von Straßen, Brücken und anderen Verkehrseinrichtungen erfordern erhebliche finanzielle Ressourcen, die oft nicht ausreichend vorhanden sind. Dies führt oft zu einem Investitionsstau und einer Verschlechterung der Verkehrsinfrastruktur. Des Weiteren haben die steigende Bevölkerungszahl und die zunehmende Mobilität zu einem Anstieg des Verkehrsaufkommens auf Straßen und anderen Verkehrswegen geführt. Dies führt zu Verkehrsüberlastungen und Staus, die die Mobilität einschränken und die Produktivität beeinträchtigen können. Dazu führt die zunehmende Alterung der Gesellschaft neben einer dadurch bedingten Zunahme der Mobilität zu veränderten Bedürfnissen hinsichtlich dieser, angepasst an die ältere Gesellschaft. Auch die zunehmende Urbanisierung bedingt veränderte Verkehrsströme, welche bewältigt werden müssen. Wesentlich ist auch die Sicherheit, da Unfälle auf Straßen und anderen Verkehrswegen schwerwiegende Folgen haben können und ein erhebliches Risiko für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit darstellen. Eine weitere Herausforderung ist die Umweltbelastung durch den Verkehr. 18 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Infrastruktur vernetzt denken Der Verkehr ist ein bedeutender Verursacher von Luftverschmutzung und Treibhausgasemissionen. Durch die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit muss die Verkehrsinfrastruktur umweltverträglicher gestaltet werden. Nicht zuletzt wegen der zunehmenden extremen Wetterbedingungen wie Starkregen und Hitzeperioden aufgrund des Klimawandels muss die Verkehrsinfrastruktur angepasst werden. Auch die gesellschaftliche Forderung nach höherer Flexibilität hinsichtlich Verfügbarkeiten von Mobilität zugeschnitten auf die individuellen Bedürfnisse nimmt zu. Schließlich ist die Verkehrsinfrastruktur auch mit technologischen Herausforderungen konfrontiert. Neue Technologien wie selbstfahrende Autos und alternative Kraftstoffe erfordern eine Anpassung der Infrastruktur, um diese Technologien effektiv nutzen zu können. Insgesamt ist die Verkehrsinfrastruktur mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, die bewältigt werden müssen, um eine effektive und nachhaltige Mobilität zu gewährleisten. Abb. 2: Einwirkungen der Megatrends auf die Verkehrsinfrastruktur (Konstruktionsgruppe Bauen AG in Anlehnung an Zukunftsinstitut) 3. Multimodalität der Verkehrsinfrastruktur Um der Herausforderungen begegnen zu können, wird es erforderlich sein, ein Verkehrssystem so zu gestalten, dass verschiedene Verkehrsträger und Verkehrsmittel miteinander verknüpft werden können, um den Personen- und Güterverkehr effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Dabei sollen die verschiedenen Verkehrsmittel wie z. B. Busse, Bahnen, Fahrräder und Autos optimal aufeinander abgestimmt werden und so eine möglichst nahtlose und bequeme Mobilität ermöglichen. Das Ziel der Multimodalität ist es, die Nutzung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zu fördern und gleichzeitig den Verkehr zu optimieren, um Staus, Unfälle und Verspätungen zu vermeiden. Dies kann durch eine verbesserte Verkehrsplanung und -steuerung sowie durch die Schaffung von umsteigefreundlichen Verbindungen und entsprechenden Infrastrukturen wie Fahrradwegen, Park-and-Ride-Anlagen und multimodalen Verkehrsknotenpunkten erreicht werden. Ein wichtiger Aspekt der vernetzten Infrastruktur ist die Nutzung von Daten. Durch die Vernetzung von Infrastrukturen, mobilen Daten und Fahrzeuginformationen können multimodale Verkehrsinfrastrukturen geschaffen werden. Hierbei ist es wichtig, dass die verschiedenen Datenquellen miteinander verbunden und verknüpft werden, um so ein umfassendes Bild der aktuellen Verkehrssituation zu erhalten. Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte „Smart Parking“, bei dem durch die Vernetzung von Sensoren und Parkplätzen eine dynamische Parkraumbewirtschaftung ermöglicht wird. Autofahrer können so in Echtzeit sehen, wo es freie Parkplätze gibt und somit Staus und Parkplatzsuche vermeiden. Dabei muss auch die Förderung von Sharing-Konzepten und der Einsatz von elektrischen und autonomen Fahrzeugen betrachtet werden. Durch die Integration von Sharing-Konzepten und dem Einsatz von E-Fahrzeugen kann der Individualverkehr reduziert werden. Zudem können autonome Fahrzeuge dazu beitragen, die Verkehrssicher- 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 19 Infrastruktur vernetzt denken heit zu erhöhen, da sie beispielsweise situationsbedingt schneller und sicherer reagieren können als ein menschlicher Fahrer. Auch der Einsatz von Drohnen zur Lieferung von Waren und Paketen könnte dazu beitragen, den Verkehr zu entlasten und die Lieferung von Waren schneller und effizienter zu gestalten. 4. Optimierte Geometrien Bei diesem Ansatz geht es darum, den Verkehr effizienter, sicherer und umweltfreundlicher zu gestalten, um die Lebensqualität in Städten und Gemeinden zu verbessern. Um auf die erforderliche Flexibilität zu reagieren, können auch bauliche Anpassungen vorgenommen werden. Optimierte Straßenquerschnitte und neue Wegeführungen können dabei helfen, den Verkehr effizienter zu gestalten und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Auch innovative Konzepte wie intelligente Verkehrsleitsysteme und automatisierte Fahrzeuge können dazu beitragen, den Verkehr flüssiger und sicherer zu gestalten. Neue Materialien In der vernetzten Infrastruktur spielen auch neue Materialien eine wichtige Rolle, denn eine nachhaltige und zukunftsfähige Infrastruktur benötigt auch nachhaltige Baumaterialien. Dazu zählen zum Beispiel Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen oder auch recycelte Materialien. Darüber hinaus können neue Materialien, wie beispielsweise leitfähige Betone, eingesetzt werden, um den Energiebedarf zu senken. Auch selbstheilende Materialien könnten zukünftig in der Infrastruktur Verwendung finden und so zu einer längeren Lebensdauer der Gebäude und Straßen beitragen. Ein weiteres Beispiel sind Materialien, die speziell für den Einsatz in intelligenten Verkehrssystemen entwickelt werden und beispielsweise zur Herstellung von Verkehrssensoren dienen. 5. Nachhaltige Infrastruktur Ein zentraler Aspekt der vernetzten Infrastruktur ist die Integration von Energie- und Verkehrssystemen. So können beispielsweise Elektrofahrzeuge als mobile Stromspeicher dienen und die Netzstabilität unterstützen. Auch die Nutzung erneuerbarer Energien wie Solar- oder Windenergie zur Versorgung von Verkehrssystemen wird immer wichtiger. Eine intelligente Vernetzung von Energie- und Verkehrssystemen kann so zu einer effizienteren und nachhaltigeren Infrastruktur beitragen. 6. Digitalisierung Die Digitalisierung ist dabei die Grundlage bei der Entwicklung einer vernetzten Infrastruktur. Sie bildet die Basis für die Verbindung und Integration der verschiedenen Verkehrssysteme sowie für die effektive Nutzung der verfügbaren Ressourcen. Ohne die digitale Vernetzung der Infrastrukturen und Verkehrsträger, wäre eine optimale Steuerung und Überwachung der Verkehrsströme sowie der Energie- und Kommunikationssysteme nicht möglich. Durch den Einsatz von Sensoren und Kameras können zudem Daten in Echtzeit erfasst und über andere intelligente Systeme ausgewertet und weiter genutzt werden, um eine effiziente und zielgerichtete Steuerung des Verkehrs zu ermöglichen. Dadurch lassen sich Engpässe vermeiden und Verkehrsströme intelligent und flexibel steuern. Hierbei spielt auch die Vernetzung von mobilen Daten und Fahrzeuginformationen eine entscheidende Rolle. Die Digitalisierung bietet auch die Möglichkeit, Verkehrsdaten zu nutzen, um vorausschauend zu planen und das Verkehrsangebot bedarfsgerecht zu gestalten. Darüber hinaus trägt die Digitalisierung auch zur Verbesserung der Sicherheit im Verkehr bei. Durch den Einsatz von intelligenten Verkehrssystemen können Unfälle vermieden werden, indem z. B. vorausschauend auf Gefahrensituationen reagiert wird oder durch die Integration von Notrufsystemen schnelle Hilfe im Ernstfall gewährleistet wird. Die Digitalisierung ermöglicht auch die Integration von Elektromobilität und erneuerbaren Energien in die vernetzte Infrastruktur. So können beispielsweise Ladesäulen für Elektrofahrzeuge mit erneuerbaren Energien betrieben werden oder Stromverbrauch und -erzeugung in Echtzeit gesteuert und optimiert werden. Insgesamt ist die Digitalisierung ein entscheidender Faktor für die Entwicklung einer vernetzten Infrastruktur, die den zukünftigen Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht wird. Sie ermöglicht die effektive Nutzung der verfügbaren Ressourcen und bietet neue Möglichkeiten zur Steuerung und Überwachung der Verkehrssysteme. 7. Voraussetzungen Ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Umsetzung einer vernetzten Verkehrsinfrastruktur ist die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen zusammenarbeiten, um die nötigen Voraussetzungen für eine vernetzte Verkehrsinfrastruktur zu schaffen. Literatur [1] „Digitale Transformation der Infrastruktur: Smart Mobility, Smart Energy, Smart City“, Managementberatung Oliver Wyman [2] https: / / www.innocam.nrw/ vernetzte-mobilitaetdie-infrastruktur-gehoert-dazu/ [3] https: / / www.iis.fraunhofer.de/ de/ ff/ kom/ automotive/ vernetzte-mobilitaet.html [4] https: / / www.verkehrsforum.de/ [5] https: / / bmdv.bund.de/ DE/ Themen/ EU-Politik/ Uebergreifende-EU-Themen/ Verkehrsstrategieder-Europaeischen-Kommission/ verkehrsstrategieeuropaeische-kommission.html [6] https: / / www.zukunftsinstitut.de/