Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur
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Kay Degenhardt
Aufbauend auf den positiven Erfahrungen bei der Etablierung eines Brückenerhaltungsmanagements im Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg (LS) in den letzten zehn Jahren soll dieses Verfahren zukünftig auf alle anderen Assets der vom LS betreuten Straßeninfrastruktur der Bundes- und Landesstraßen übertragen und möglichst zu einem ganzheitlichen Asset-Management ergänzt werden. Dabei stellen sich nicht nur umfangreiche IT-seitige Fragen, sondern es müssen auch grundlegende fachliche Problemstellungen zum Teil völlig neu diskutiert und Lösungsansätze gefunden werden. Es wird ein Überblick gegeben, wie umfangreich sich die Problematik darstellt und welche wesentlichen Punkte zur Klärung und Bearbeitung anstehen.
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2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 31 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur Dipl.-Ing. Kay Degenhardt Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg, Hoppegarten Zusammenfassung Auf bauend auf den positiven Erfahrungen bei der Etablierung eines Brückenerhaltungsmanagements im Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg (LS) in den letzten zehn Jahren soll dieses Verfahren zukünftig auf alle anderen Assets der vom LS betreuten Straßeninfrastruktur der Bundes- und Landesstraßen übertragen und möglichst zu einem ganzheitlichen Asset-Management ergänzt werden. Dabei stellen sich nicht nur umfangreiche IT-seitige Fragen, sondern es müssen auch grundlegende fachliche Problemstellungen zum Teil völlig neu diskutiert und Lösungsansätze gefunden werden. Es wird ein Überblick gegeben, wie umfangreich sich die Problematik darstellt und welche wesentlichen Punkte zur Klärung und Bearbeitung anstehen. 1. Einleitung Jahrzehntelang lag das Hauptaugenmerk von Gesellschaft, Politik und Infrastrukturbetreibern auf dem Um- und Ausbau des Schienen- und Straßennetzes. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes [1] beträgt der Flächenanteil der Verkehrswege inzwischen ca. 5,1 % der Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland. Dies entspricht mit gut 18.000 km² etwa der Fläche des Freistaates Sachsen. Der Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg (LS) betreut im Land Brandenburg ca. 8.300-km Bundes- und Landesstraßen. Unter der Annahme einer mittleren Breite entsprechend einem RQ 11 nach RAS-L [2] ergibt sich ein Flächenanteil von ca. 0,3-% der Landesfläche. Dieser Anteil liegt zwar weit unter einem Zehntel des Gesamtanteils aller Verkehrsflächen in der Bundesrepublik Deutschland, stellt aber mit ca. 90 bis 100 km² immer noch eine nicht zu vernachlässigende Größe dar. Das sich daraus ableitende Anlagevermögen der enthaltenen Fahrbahnen, Brücken und sonstigen Anlagenteile in Form eines Wiederbeschaffungswertes kann derzeit vom LS nur grob ermittelt werden und liegt schätzungsweise bei 15 bis 20 Mrd. EUR. Das entspricht ca. 2 bis 3 % des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesenen Brutto-Anlagervermögens in Zuordnung zu „Straßen und Brücken“ in Höhe von derzeit ca. 646 Mrd. EUR und zu Preisen von 2015 [3]. Bei der Betrachtung der Verkehrsinfrastruktur und insbesondere der Straßen ist daher nicht nur von einer hohen gesellschaftlichen Bedeutung hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit zu sprechen. Im Hinblick auf alle Aspekte der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes besteht darüber hinaus ein zunehmender gesellschaftlicher Konsens, dass die ohnehin schon hohe Flächeninanspruchnahme in Zukunft nicht mehr unbegrenzt gesteigert werden kann, d. h. ein Mehr an Verfügbarkeit zukünftig nicht mehr durch immer neue Ausbaumaßnahmen generiert werden kann. Ebenso stellt die Straßeninfrastruktur, wie bereits erwähnt, ein großes volkswirtschaftliches Anlagevermögen dar. Dementsprechend muss der Fokus zukünftig auf einer effizienten Nutzung und Bewirtschaftung des Bestandes liegen. Daraus ergibt sich die Aufgabe eines ganzheitlichen Asset Managements für die Betreiber dieser Infrastruktur. Diese Aufgabe ist grundsätzlich nicht neu, stand aber bisher im Kontext und in der Formulierung eines Asset Managements kaum im Vordergrund. 2. Vom Erhaltungsmanagement zum Asset-Management 2.1 Erhaltungsmanagement vs. Asset-Management Unter Erhaltungsmanagement lassen sich alle Handlungen und Maßnahmen über den Lebenszyklus eines Objektes zusammenfassen, die unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen und Qualitätsstandards dem Erhalt bzw. der Neu- oder Wiederherstellung definierter Objekteigenschaften dienen. Auf der strategischen Geschäftsebene werden in der Regel die entsprechenden Leistungsziele und Rahmenbedingungen festgelegt. Die operative Geschäftsebene umfasst die Zustandserfassung, -bewertung, Maßnahmenplanung, Priorisierung und Wirkungsanalyse der durchgeführten Erhaltungs-maßnahmen als Rückmeldung über die angestrebte Zielerreichung. Das Erhaltungsmanagement ist Bestandteil des Lebenszyklusmanagements [4]. Das Asset-Management konzentriert sich hingegen auf den Wert, den ein Asset der zuständigen Organisation schaffen kann. Es übersetzt die Organisationsziele in technische und finanzielle Entscheidungen, Pläne und Aktivitäten. Das Asset-Management schließt ein Lebenszyklusmanagement mit ein [5]. Ein Asset kann im Kontext der Straßeninfrastruktur dabei grundsätzlich als ein Objekt bzw. eine Sachanlage im Sinne eines materiellen Wirtschaftsgutes angesehen werden. Erhaltungsmanagement und Asset-Management der Straßeninfrastruktur bedingen daher einander. Das Erhaltungsmanagement ist dabei als die fachliche Informa- 32 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur tionsquelle und Voraussetzung eines vollumfänglichen Asset-Managements anzusehen, während mit dem Asset- Management selbst die vorrangigen Organisationsziele, im Sinne eines Mehrwertes und/ oder einer Risikominimierung/ Gefahrenabwehr für die Organisation, transportiert und vorgegeben werden. Ohne Definition dieser organisationsbestimmten Ziele lässt sich also weder ein Erhaltungsnoch ein Asset-Management in schlüssiger Form betreiben. Im Gegensatz zum Asset Management eines privaten Unternehmens besteht die große Schwierigkeit des Asset Managements im öffentlichen Sektor der Straßeninfrastruktur in einer Vielzahl von unscharfen Zuständigkeiten, Vermögensbewertungen und Vermögenszuordnungen. Beispielhaft sei hier die Problematik genannt, dass für die Straßeninfrastruktur kein Marktpreis wie für herkömmliche Vermögensgegenstände abgeleitet werden kann, sondern auf teilweise fiktive - Anschaffungs- oder Herstellungskosten zurückgegriffen werden muss. Gleichfalls muss für ein und dasselbe Objekt (Straße) organisatorisch in der Regel in unterschiedlichsten Zuständigkeiten, Vertretungen und Beziehungen agiert werden (Gesetzgeber, Eigentümer, Baulastträger, Auftragsverwaltung, Straßenbaubehörde, teilw. Straßenverkehrsbehörde etc.), was in der Praxis die Formulierung und Kommunikation konkreter Ziele zumeist erheblich erschwert. 2.2 Erfahrungen aus dem Brücken-Erhaltungsmanagement Grundlage der Überlegungen im LS zum Auf bau eines ganzheitlichen Assets-Managements bildet das seit über zehn Jahren im Betrieb etablierte und stetig weiterentwickelte Brückenerhaltungsmanagement. Aktuell umfasst dieser Brückenbestand ca. 1.557 Brücken (Teilbauwerke nach ASB-ING [7]). Von dieser Objektmenge befinden sich ca. 805 Brücken in der Baulast des Bundes (Zuordnung Bundesstraßen) und ca. 752 Brücken in der Baulast des Landes (Zuordnung Landesstraßen). Den Kern des Brücken-erhaltungsmanagements bilden die sogenannten Bedarfslisten Brücke [10]. In diesen Bedarfslisten sind alle wesentlichen Daten der Brückenbauwerke, teilbauwerksbezogen, aufgeführt und anhand verschiedener Kriterien sortiert. Jedem Teilbauwerk ist mindestens eine Erstmaßnahme in Art (Maßnahmenart entsprechend RPE-ING [4]), Zeit (Jahr und Halbdekade) und Kostenrahmen zugeordnet. Im Einzelfall kann nach Erfordernis auch eine Zweitmaßnahme spezifiziert sein [6]. Neben der Frage: Was muss zu welchem Zeitpunkt wie erhalten werden? bildet der in den Bedarfslisten ausgewiesene Datenumfang eine erste wesentliche Grundlage für die Objektart Brücke eines zukünftigen Asset-Managements. Allein schon die Nachvollziehbarkeit der Gesamtmenge mit allen jährlichen Zu- und Abgängen und deren Verteilung im Netz bringt einen entsprechenden Mehrwert und lässt nachvollziehen, wie sich der Bestand entwickelt und wo sich eventuelle Defizite darstellen. Als primäre Merkmale sind zu nennen: • Objekt-ID / Name • Stadium (nach ASB-ING [7]) • Netzzugehörigkeit und Verortung • Zuständigkeiten (Baulast und Objektverantwortlichkeit) • Baujahr / Alter • Zustand (Zustandsnote, Substanzkennzahl, Traglastindex) • fiktives Alter zum Stand 2020 auf Grundlage des Istzu Soll-Zustandes gemäß Alterungsfunktion RPE- ING; siehe Verfahrensbeschreibung [20] • Wiederbeschaffungswert (Brutto-Wert) zum Stand 2020 • Zeitwert (Netto-Wert) auf Grundlage der fiktiven Altersangabe und jährlicher Abschreibung seit 2020 Grundlage der Datenhaltung ist das Programmsystem SIB-Bauwerke Version 1.9x [8] auf Basis des Datenmodells nach ASB-ING [7]. Für die Bereitstellung der Primärdaten, insbesondere der eindeutigen Objekt-ID, fungiert die SIB-Bauwerke jedoch als reiner Datencontainer. Alle monetären Bestandswerteangaben hingegen entstammen einer EPING-Berechnung [9] aus dem Jahr 2020; zum Zeitpunkt der Erstellung der aktuellen Bedarfslisten Brücke [10]. Die Analyse und Auf bereitung der Daten als Entscheidungsgrundlage für das Management und die Programmplanung erfolgt bisher ausschließlich manuell bzw. auf Basis von Excel- und Access-Tabellen und -Diagrammen. Unabhängig von diesen digitalen Brüchen in der Informationsverarbeitung und -darstellung lassen sich aus den generierten Tabellen und Übersichten inzwischen erste Aussagen über die Wirksamkeit des Erhaltungsmanagements ableiten. So lässt sich z. B. inzwischen immer besser nachvollziehen, ob die fachlichen Anforderungen der Erhaltung auf der operativen Ebene (hier in den drei Regionalbereichen des LS) grundsätzlich befolgt werden und wo Sachverhalte wie z.- B. personelle und finanzielle Engpässe, aber auch planungsrechtliche Verzögerungen einer kontinuierlichen Abarbeitung des Erhaltungsbedarfs entgegenstehen. Gleichzeitig erlaubt der eingeschlagene Weg auch erste Aussagen zur Wertentwicklung (Brutto- und Nettoanlagevermögen, Modernitätsgrad) des Brückenbestandes. Gegenüber der primären Aufgabe des LS, für eine gute Verfügbarkeit der Straßen zu sorgen, stand diese rein wirtschaftliche Betrachtung bisher jedoch nicht im Vordergrund. 2.3 Idealvorstellung und mittelfristige Zielsetzung Im Idealfall verfügt die Straßenbauverwaltung zukünftig über vollständige Anforderungsprofile für die Qualität und Werterhaltung aller von ihr verwalteten Assets (Objekte). Der Zielerreichungsgrad dieser Anforderungen kann anhand eindeutiger Kriterien jederzeit dynamisch gemessen und transparent dargestellt werden möglichst im Kontext eines digitalen Abbildes, eines sogenannten digitalen Zwillings. Dieses Gesamtobjektmodell der Infrastruktur bildet dabei sowohl alle technischen Aspekte der Einzelobjekte als auch Gesamtzusammenhänge 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 33 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur der Netzverfügbarkeit bis hin zu Fragen der Folgekosten für die Nutzer durch eingriffsbedingte Störstellen ab. Über diese Datenplattform und das darin vernetzte Gesamtobjektmodell der Infrastruktur lassen sich somit alle wesentlichen Aufgaben von Planung, Bau und Betrieb visualisieren und damit idealerweise auch steuern. Mit Hilfe von Szenarien können die zuständigen Stellen und vor allem die Führungsebenen belastbare und fundierte Entscheidungen treffen. Die Wirksamkeit kann später durch den Vergleich des Ist-Eintrittsszenarios mit dem Entscheidungsszenario validiert werden. Daraus können weitere Schlüsse für zukünftige Entscheidungen gezogen und das gesamte Objektmodell weiter verbessert werden. Die Umsetzung dieser Vorstellung in die Realität wird entsprechend Zeit in Anspruch nehmen. Es ist davon auszugehen, dass diese Idealvorstellung allein schon aufgrund der vielfältigen, sich ständig weiterentwickelnden Schnittstellen bzw. Schnittstellenformate und der damit verbundenen Medienbrüche zwischen den verschiedenen Datenbanksystemen nie zu 100 % erreicht werden kann. Auch die naheliegende Alternativlösung, ein Asset- und Erhaltungsmanagement mit nur einer (Mega-)Datenbank und einer einzigen Applikation zu betreiben, geht vielleicht zu sehr an der Realität vorbei. Vor- und Nachteile können diskutiert werden. Aber auch dieser Weg wird für eine Vielzahl von Verwaltungen nicht kurzfristig umsetzbar sein. Insofern erscheint es zunächst wichtig zu sein, die eigentlichen Ziele eines ganzheitlichen Asset- und Erhaltungsmanagements nicht aus den Augen zu verlieren. Parallel zur Planung und zum Aufbau einer vollumfänglich befriedigenden IT-Lösung sollten daher zunächst die Prozesse, die Datengrundlagen und die Datenstrukturen beleuchtet werden. Wenn man über Assets und deren wirtschaftlichen Betrieb und Erhaltung spricht, sollten mindestens folgende Informationen zu diesen Objekten bekannt sein: • Objektdefinition - Um was handelt es sich? • Identifikationsmerkmale • physische Abmessungen und ggf. weitere Unterstrukturen • materielle (stoffliche) Ausprägung • Herstellungsjahr und somit das Alter • mittlere Lebensdauer und/ oder normative Nutzungsdauer • Zustands- und Nutzungskriterien, deren Verhaltensfunktionen sowie deren Ist- und Sollwerte • Herstellungsund/ oder Wiederbeschaffungskosten (Bruttoanlagenwert) • Abschreibung und somit aktueller Zeitwert des Objektes (Nettoanlagenwert) • Einfluss bzw. Abhängigkeiten (Art und Größe) auf und zu anderen Assets (Objekten) Die Bereitstellung dieser Informationen erscheint auf den ersten Blick trivial. Geht man jedoch in die Tiefe und betrachtet die Sachlage etwas genauer, so ergeben sich schon bei dieser grundlegenden Aufgabe erhebliche Herausforderungen. Das Problem des Zeitbzw. Marktwerts wurde bereits angesprochen. Weitere Probleme ergeben sich auch bei vielen anderen Punkten. Allein eine belastbare Altersangabe, die mehr als trivial erscheint, lässt sich bei Verkehrswegen regelmäßig nicht so einfach aus der Datenlage ableiten. Zur Verdeutlichung wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.3.1 in [11] verwiesen, wonach z. B. eine Fahrbahn mit ihren verschiedenen Schichten und baulichen Veränderungen im Laufe der Zeit keinesfalls als statisches System angesehen werden kann. Wie alt ist eine Fahrbahn, wenn die Deckschicht 5 Jahre und die Tragschicht 17 Jahre alt ist? Wann wurde der Unterbau hergestellt, vor 20, 50 oder gar 200 Jahren? Bei anderen Bauwerken wie Brücken oder Fahrzeug-rückhaltesystemen ist die Fragestellung zwar etwas einfacher, die Datenlage kann aber dennoch lückenhaft sein. Wann wurde z. B. die Leitplanke an der Strecke XY errichtet, mit der Fahrbahnerneuerung oder vielleicht doch später? Numerisch auswertbare Aussagen in einer Datenbank insbesondere zu sogenannten Sekundärobjekten fehlen regelmäßig. Will man ein zielgerichtetes Asset- und Erhaltungsmanagement für die gesamte Infrastruktur aufbauen, ist eine valide Datenlage unabdingbar. Ein erstes vorrangiges Ziel beim Auf bau eines Asset- und Erhaltungsmanagements muss es daher sein, zunächst alle Daten im erforderlichen Umfang bereitzustellen, ggf. neu zu erheben oder verbindliche und fachgerechte Schätzwerte zu ermitteln. Eine weitere und vordringliche Aufgabe stellt sich dann mit der Festlegung entsprechender Qualitäts- und Nutzungskriterien. 3. Netz- und Objektebene 3.1 Die Strecke als Bindeglied zwischen Objekt- und Netzbetrachtung Infrastrukturobjekte bedürfen in der Regel einer sinnvollen Zuordnung zu einem Netz. Eine Ausnahme bilden u.- a. trassenferne Kompensationsmaßnahmen, bei denen ein Bezug in der Regel nur über die sie begründende Maßnahme hergestellt werden kann. Netzgrundlage im Straßenwesen der Bundes- und Landesstraßenbauverwaltung ist regelmäßig das Knoten- Kanten-Modell nach ASB [12]. Abb. 1: Geometriemodell des Netzknoten-Stationierungssystems nach [12] 34 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur Für die Erfassung von Straßeninfrastrukturdaten bis hin zu Detailfragen des Routings und der Verfügbarkeit z. B. für den Großraum- und Schwerverkehr ist dieses Netzmodell sehr gut geeignet. An seine Grenzen stößt es jedoch vor allem dort, wo es um die Abstraktion und Vereinfachung komplexer Strukturen für betriebliche Steuerungs- und Managementfragen geht. Hierfür werden derzeit häufig andere Systeme eingesetzt, die zumeist Projektsichten mit finanziellen Fragestellungen verknüpfen und abbilden, z. B. das System MaVis [13]. Ein weiterer Punkt ist die verständliche und transparente Bewertung von Objektzuständen. Der Handlungsbedarf im Falle einer nicht tragfähigen Brücke im Zuge einer Bundesstraße zwischen den Knotenpunkten A und B lässt sich leicht ableiten. Der Handlungsbedarf einer nicht tragfähigen Brücke genau auf einem Knotenpunkt z.-B. im Kreuzungsbereich einer Bundes- und Kreisstraße lässt sich hingegen schon schwerer einordnen. Welche Straße ist wie betroffen? Die Auswirkungen eines zehn Meter langen Fahrbahnabschnittes mit sehr schlechtem Gebrauchs- oder Substanzwert zwischen zwei weit auseinanderliegenden Ortschaften lassen sich ohne Kontext der restlichen Randbedingungen dem Grunde nach gar nicht mehr richtig beurteilen. Davon unberührt bleibt gegebenenfalls die Notwendigkeit einer raschen Verkehrssicherung und Instandsetzung dieser Fläche. Zur Bündelung verschiedener Sachverhalte zu einem aussagekräftigen und transparenten Gesamtgebilde bedarf es daher weiterer Überlegungen. Für das Netz in der Fläche, welches im überwiegenden Teil freie Strecken adressiert, bietet sich eine in der Bedeutung abgestufte Streckenstruktur an. Der Begriff Strecke definiert sich gemäß [12] wie folgt: Die Strecke ist linear zusammenhängend und ist nicht auf einen Abschnitt/ Ast begrenzt. Die betroffenen Abschnitte/ Äste müssen nicht derselben Straße angehören. Anfangs- und Endpunkt müssen dabei keine Nullpunkte, sondern können beliebige Straßenpunkte sein. Der Verlauf der Strecke zwischen dem Anfangs- und Endpunkt muss jedoch eindeutig sein. Auf dieser Grundlage lässt sich nachfolgendes schematisch dargestelltes und netzweise abgestuftes Streckenmodell für ein Asset-Management in der Fläche (mehrheitlich anbaufrei) beschreiben. Abb. 2: Streckenmodell In der Abstufung bzw. Verbindung • (nachrichtlich) Strecke BAB • zwischen Kreuzung BAB mit Landes- oder Bundesgrenze • zwischen Kreuzung BAB mit BAB • Strecke B-Straße • zwischen Kreuzung B-Straße mit Landes- oder Bundesgrenze • zwischen Kreuzung B-Straße mit BAB • zwischen Kreuzung B-Straße mit B-Straße • Strecke L-Straße • zwischen Kreuzung L-Straße mit Landes- oder Bundesgrenze • zwischen Kreuzung L-Straße mit BAB • zwischen Kreuzung L-Straße mit B-Straße • zwischen Kreuzung L-Straße mit L-Straße Die kleinteiligsten Strecken ergeben sich somit im Landesstraßennetz, während die Autobahnen, ihrer Verkehrsbedeutung entsprechend, in der Regel sehr umfangreiche Entfernungen zwischen den Knotenpunkten (Autobahndreiecken / -kreuzen) aufweisen werden. Am Beispiel der B 246 im Land Brandenburg würde sich exemplarisch folgendes Bild ergeben: Abb. 3: Erhaltungsstrecken 10 bis 100 als Hauptobjekte der B 246 im Land Brandenburg 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 35 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur Abb. 4: Visualisierung der Key-Indikatoren an einem Streckenabschnitt der Erhaltungsstrecke B 246 (_010) Jede Erhaltungsstrecke kann entsprechend ihrer Abschnitte nach ASB [12] und entsprechend der im Straßenwesen üblichen Syntax weiter untergliedert werden. Damit wird eine sinnvolle Klammer zwischen der netzbezogenen Verkehrsbedeutung und der seit vielen Jahren üblichen Datenerfassung geschaffen. Alle Objekte, die vollständig innerhalb eines Abschnittes liegen, können in einer 1: n Beziehung dem Abschnitt zugeordnet werden. Objekte, die sich physisch über mehrere Abschnitte verteilen, z. B. eine Brücke im Netzknoten oder eine Kreuzungsfläche oder Lichtsignalanlage im Netzknoten müssen als eigenständige Objekte gestellt werden und als zusätzliche Informationen mit den betroffenen Abschnitten verknüpft werden. Wenn also ein Bauwerk auf einem Netzknoten eine Verkehrseinschränkung von Abschnitt 1 und 2 begründet, muss das in beiden Abschnitten - und aggregiert auf die Strecke oder auch gegebenenfalls auf mehrere Strecken als relevante Erhaltungsinformation für Abschnitt und Erhaltungsstrecke erkennbar sein. Probleme in diesem Modell sind regelmäßig innerhalb der Ortsdurchfahrten zu erwarten. Hier steigt der Detaillierungsgrad der Objekte sprunghaft an. Ebenso können die realen Flächenanteile von Knotenobjekten, z. B. Kreuzungsflächen, weit über denen der Kanten liegen. Insofern stößt das Modell in diesen Bereichen an seine Grenzen und wäre für ein rein kommunales Asset-Management der Straßeninfrastruktur vermutlich nicht zielführend. Für das Asset-Management der Bundes- und Landesstraßen in einem Flächenland überwiegen nach derzeitigem Betrachtungsstand jedoch die Vorteile des einfachen Modellauf baus bei weiten den Nachteilen einer nur bedingt genauen Abbildung innerhalb von Ortsdurchfahrten. Viele Detailaspekte in Ortsdurchfahrten sollten als Zusatzattribute über die Hauptobjekte in ausreichendem Maße abgebildet werden können. Die beiden primären Assets (Objekte) der Straßeninfrastruktur der Bundes- und Landesstraßen in der Fläche sowohl in Bezug auf den Anlagewert als auch in Bezug auf die Bedeutung für die Verfügbarkeit des Netzes sind die Fahrbahnen und die Brücken der Straße. Darüber hinaus sind weitere Objekte zu berücksichtigen, die zwar als Sekundärobjekte der Straßeninfrastruktur subsumiert werden können, bei denen aber im konkreten Einzelfall eine sehr hohe Relevanz für eine Strecke nicht auszuschließen ist. So können z.- B. falsch eingestellte Räumzeiten einer Lichtsignalanlage zu dauerhaften Verkehrsmengen-änderungen auf nicht dafür vorgesehenen Streckenabschnitten führen und damit Alterungs- und Verschleißprozesse dieser Strecken (Fahrbahnen) beschleunigen. 3.2 Sachstand Fahrbahnen Fahrbahnen sind Linienobjekte. Eine Fahrbahn beschreibt den aus Fahrstreifen und Randstreifen bestehenden, zusammenhängend befestigten Teil der Straße [14]. Die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) von Straßenfahrbahnen erfolgt, z. B. im Land Brandenburg für die Bundes- und Landesstraßen in Zuständigkeit des Landes, nach der ZTV ZEB-StB[15], turnusgemäß alle vier Jahre. Bei Fahrbahnen von Radwegen, die prinzipiell gesondert zu betrachten sind, soll zukünftig im LS gleichartig verfahren werden. Auf Bundes- und Landesstraßen werden merkmalsbezogene, dimensionsbehaftete Zustandsgrößen ermittelt und mittels Normierungs-funktionen in Zustandswerte überführt. Mit Hilfe von spezifischen Bewertungskriterien werden Zustandsteilwerte (Gebrauchswert, Substanzwert) ermittelt. Betrachtet wird bei der ZEB ausschließlich der befahrene Bereich der Straßenbefestigung, wobei keine gesonderte Aufnahme der Straßenmarkierungen erfolgt. Für die Oberfläche der Straßenfahrbahnen liegt somit eine vollständige Bewertungsgrundlage des Zustandes in der Regel vor. Für die Ermittlung des Erhaltungsbedarfs werden die ZEB-Daten mit den Verkehrsdaten (insbesondere Schwerverkehr) und Straßenauf baudaten (Bestandsdaten) verschnitten. Dabei muss anhand der Verkehrsdaten verglichen werden, ob der vorhandene Straßenauf bau den Anforderungen der RStO [16] entspricht; der Straßenauf bau muss also bekannt sein und Verkehrsdaten müssen vorliegen. 36 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur Abb. 5: Beispiel einer Bedarfsliste für Fahrbahnen Das Alter des vorhandenen Straßenauf baus, soweit bekannt, gibt zusammen mit den ZEB-Daten Aufschluss darüber, welche Restnutzungsdauer einzelner Schichten nach den RPE-Stra [17] im Mittel zu erwarten ist. Hieraus lässt sich der Erhaltungsbedarf in Form sogenannter I1-, I2-, E1-, E2- und bauliche Unterhaltungsmaßnahmen (siehe Bild 1 in [17]) ableiten und in einem ersten Schritt, z.-B. über Erhaltungsbedarfslisten, für das Erhaltungsprojektmanagement visualisieren und für das Einzel-Asset Fahrbahn z.-B. über Prioritätsklassen priorisieren. Die Bewertung erfolgt nach sogenannten Homogenbereichen. Das bedeutet, dass die bewerteten Straßenabschnitte nach bautechnischen Gesichtspunkten zu homogenen Erhaltungsabschnitten zusammengefasst werden. Eine valide Bewertung des Anlagevermögens der Fahrbahnen fehlt im LS derzeit noch vollständig. Ebenso werden mit den Bedarfslisten zwar Vorgaben zur Art der Maßnahmen und deren Priorität festgelegt, eine konkrete zeitliche Vorgabe für die Umsetzung fehlt jedoch ebenfalls. Ein erhebliches Problem stellt auch die Qualität der Daten zum Schichtenauf bau dar. Die Datenhaltung für die Informationen zu den Straßenfahrbahnen erfolgt nach ASB [12] unter Nutzung der Straßendatenbank TT-SIB® [18]. Radwegefahrbahnen werden zustandsseitig zurzeit noch nicht mit einem Datenbanksystem erfasst, sollen aber demnächst folgen. 3.3 Sachstand Brücken Brücken definieren in der Regel Ingenieurbauwerke, welche Fahrbahnen oder Flächen über andere Fahrbahnen oder Flächen überführen. Für das Erhaltungsmanagement der Bundes- und Landesstraßen in einem Flächenland wie Brandenburg sind natürlich die Brücken im Zuge von Bundes- und Landesstraßen zunächst absolut vorrangig. Die Brücken über oder neben Bundes- und Landesstraßen bedürfen hingegen einer separaten Betrachtung. Brücken stellen entgegen der Fahrbahn Punktobjekte dar und können gegebenenfalls auf zwei Abschnitte oder auch Strecken verweisen. Wie bereits beschrieben, hat der LS für seine ca. 1.557 Teilbauwerke in den letzten zehn Jahren ein vollumfängliches Brückenerhaltungsmanagement aufgebaut. Umfängliche Erläuterung zum Vorgehen sind [6] zu entnehmen. Für jedes Netz liegen Bedarfslisten [10] vor. Neben der Angabe über Zustand und erforderlicher Erhaltungsmaßnahme in Art und Zeit erfolgt auch eine Klassifizierung der Brücken hinsichtlich ihrer Key-Indikatoren. Dieses Vorgehen entspricht im Grunde dem Vorgehen bei den Fahrbahnen mit der Zuordnung zu Prioritätsklassen. Mit der Erstellung der Bedarfslisten für die Halbdekade 2021 - 2025 wurde erstmals mit dem Programm EPING [9] ein Wiederbeschaffungs- und Zeitwert für die Brücken ermittelt, mit dem grundsätzlich die Entwicklung des Anlagewertes der Brücken nachvollzogen werden kann. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens bedarf jedoch noch weiterer Überlegungen. Das Asset Brücke ist somit im LS schon bestens erfasst. Neben einer weiteren Verfeinerung des Prozesses fehlt es momentan vor allem an der Verknüpfung mit den Belangen der Fahrbahn und weiterer Sekundärobjekte. Abb. 6: Auszug Bedarfsliste Brücken L-Straßen Grundnetz 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 37 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur 3.4 Sachstand Sekundärobjekte Neben Fahrbahnen und Brücken sind noch zahlreiche weitere Assets (Objekte) der Straßeninfrastruktur zuzuordnen. Auch wenn deren Anlagenwert im Vergleich zu Fahrbahnen und Brücken zumeist wesentlich geringer ist, sind sie, wie bereits erwähnt, aber dennoch für die Nutzung und somit Verfügbarkeit nicht unbedeutend. Problematisch ist, dass diese Sekundärobjekte sehr vielfältig sind, meist auf der Ebene des Betriebsdienstes (Unterhaltung) behandelt werden und bisher kaum einem ausgeprägten Erhaltungsmanagement unterliegen. Allein die Art und den Umfang all dieser Objekte verlässlich zu erfassen, geschweige denn Aussagen über Alter, Zustand, Restnutzungsdauer etc. zu treffen, ist schwierig. Im LS wurden in den letzten Jahren aufgrund verschiedener, meist rechtlicher Anforderungen für einige dieser Objekte erste Objektkataster erstellt. Zu nennen sind hier z.- B. das Baumkataster, die Durchlassdatenbank, die Erfassung von Fahrzeugrückhaltesystemen und die Einleit-genehmigung für Entwässerungsanlagen. Ebenso wurden für einige Objekte (z.-B. Baumkataster und große Entwässerungsanlagen) auch erste Erhaltungskriterien festgelegt, sofern man bei Vegetationsobjekten wie Bäumen überhaupt von Erhaltung sprechen kann. Besser wäre in diesem Fall vielleicht der Begriff Pflege. Trotz teils erheblicher Anstrengungen zur Beschaffung der Basisdaten und Grundlagenermittlung muss man gerade bei den Sekundärobjekten immer noch einen größeren Nachholbedarf konstatieren. 3.5 Sachstand Einwirkungen und Widerstandsfähigkeit Die primäre Einwirkungsgröße auf die Straßeninfrastruktur ist natürlich der Verkehr und dessen Belastung auf Fahrbahn und Brücke. Darüber hinaus sind weitere Umwelteinflüsse wie Regen, Wind, Temperatur, Wasser, vor allem aber der Tausalzeintrag durch den Winterdienst etc. zu nennen. Sowohl die Verkehrsbelastungen als auch die übrigen Einwirkungen können inzwischen durch eine Vielzahl von Messstellen und Datenbankverknüpfungen in einem guten Grundumfang ermittelt bzw. bereitgestellt werden, wenngleich eine weitere Verfeinerung des Messstellennetzes, insbesondere der Verkehrszählstellen, aber auch der Achslastmessstellen, vor allem im untergeordneten Netz notwendig erscheint. Ebenso zwingt uns der Klimawandel auch bisher eher seltene Ereignisse in den Blick zu nehmen, da deren Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenspotenzial und damit das Risiko für die Gesellschaft voraussichtlich deutlich zunehmen werden. Ohne verlässliche Geländemodelle und Überflutungskarten sind z.-B. Aussagen über die Verfügbarkeit von Straßeninfrastruktur im Katastrophenfall kaum möglich, ebenso wenig wie eine wirtschaftliche Ertüchtigung. Welche größeren Brücken über Flüsse oder Straßen durch brandgefährdete Waldgebiete sind als sogenannte Exzellenzobjekte einzustufen? Ausnahmeobjekt bedeutet hierbei, dass bei einer Nutzungseinschränkung nachhaltige Auswirkungen auf große Teile der Gesellschaft zu befürchten sind. Verbindliche bzw. standardisierte Kriterien sind bisher kaum oder gar nicht vorhanden und werden derzeit im wissenschaftlichen Bereich, z.-B. von der BASt, entwickelt. So wie die Grunddaten der Objekte selbst Voraussetzung für ein Asset- und Erhaltungsmanagement sind, so sind auch möglichst genaue Angaben darüber erforderlich, welche Wertschöpfung die Objekte erbringen sollen. Das betrifft den Normalzustand genauso wie den außergewöhnlichen Einwirkungsfall. Letztlich bestimmt dies die wesentlichen Eigenschaften des Objektes und damit die Nutzungsdauer und auch den Wert des Straßenobjektes. 4. Investitions- und Projektebene Es ist quasi systemimmanent, dass der Betrieb der Straßeninfrastruktur eine laufende Erhaltung und Erneuerung aller Objekte und damit laufende Investitionen erfordert. Der Großteil dieser Investitionen wird gängig über Bau- und Erhaltungsprojekte getätigt, adäquat dem Neubau. Die Projektsicht bestimmt sich dadurch, dass es einen Start und ein Ende bzw. ein Abschluss gibt und ist somit klar von kontinuierlichen Prozessen abzugrenzen. Die Unterhaltung einer Fahrbahn durch die Meisterei erfolgt z.-B. kontinuierlich und ist somit ein Prozess. Die Teilerneuerung mit Verstärkung einer Brücke ist in ein Projekt zu fassen. Sie hat einen Starttermin und zumeist spätestens mit Ablauf der Gewährleistung einen Abschluss. Bei der konsumtiven Unterhaltung ist in der Regel nicht von einer Erhöhung des Anlagenwertes auszugehen, während bei einer Teilerneuerung mit Ertüchtigung eine Erhöhung des Gebrauchswertes und damit auch eine Erhöhung des Anlagenwertes zu erwarten ist. Während sich das Erhaltungsmanagement in der Regel mit den investiven Projekten befasst, muss das Asset Management beides im Blick haben: die konsumtive Instandhaltung und die meist investive Erhaltung. Damit ist das Asset Management deutlich komplexer als ein reines Erhaltungsmanagement. In der Praxis der Straßeninfrastruktur steht häufig der investive Ansatz im Vordergrund. Dies liegt insbesondere an den finanziellen Entscheidungen bzw. Zuweisungen im kameralen Haushaltssystem des Bundes und der Länder. Entweder können Finanzmittel in größerem Umfang zur Verfügung gestellt werden, dann müssen diese, meist verbindlich für ganz bestimmte Projekte, umgesetzt werden, oder es muss mit höheren Unterhaltungsleistungen gegengesteuert werden. Die handelnden Personen in der Straßenbauverwaltung sind daher in ihren wirtschaftlichen Investitions- und Konsumentscheidungen nicht wirklich frei und insofern kommt es nicht selten zu einer Über- oder Unterdimensionierung von Maßnahmen aus Budgetgründen gegenüber den fachlichen Erfordernissen des Bestandes. Gleiches geschieht mitunter auch aufgrund genehmigungsrechtlicher Zwänge, z.-B. beim Tiefeinbau einer E2-Maßnahme, wenn in diesem Zusammenhang möglicherweise Wurzeln von Alleebäumen gefährdet sind. Aufgrund der vielfältigen Randbedingungen wird es daher nie möglich sein, die endgültigen Erhaltungsentschei- 38 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur dungen ausschließlich auf Basis der technischen Bedarfsanforderungen einzelner Assets zu bestimmen. Umso wichtiger erscheint es, dass Asset- und Erhaltungsmanagement zukünftig stärker Hand in Hand gehen, d. h. die Projekt-, Prozess- und Objektebene miteinander verknüpft werden. Eine solche Verknüpfung ist im LS bisher nicht gegeben. Zur Visualisierung der Projekte wird im LS das Programm MaVis [13] eingesetzt. Damit können zwar die Projekte als solche im Objekt- und Maßnahmenumfang recht gut dargestellt werden, leider ist aber keine digitale Rückkopplung zu den Objektdatenbanken oder den Bedarfsanforderungen gegeben. Auch die Anbindung an das Finanzsystem (SAP) ist bisher nur monodirektional. Abb. 7: Mögliche Zielvorstellung 5. Datenaufbereitung und Controlling Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Asset- und Erhaltungsmanagement in der öffentlichen Straßeninfrastruktur ist die Benutzerfreundlichkeit und Transparenz der Entscheidungsprozesse. Im Gegensatz zu rein privatwirtschaftlichen Unternehmen muss die öffentliche Verwaltung ihr Handeln gegenüber der Gesellschaft ständig begründen und rechtfertigen. Dieser Prozess beginnt bereits in der Verwaltung selbst, so dass sich viele Verantwortliche immer wieder die Frage stellen: Gehen wir den richtigen Weg? Regelmäßig wird man diese Frage verneinen müssen, allein schon aufgrund der jeweiligen Einzelzuständigkeit für ein bestimmtes Thema; Umweltbelange versus Straßenausbau versus Haushaltsdisziplin etc. Umso wichtiger ist es, dass ein Asset-Management in der öffentlichen Straßenbauverwaltung ein sehr hohes Maß an Transparenz beinhaltet. Nur so kann allen Verantwortlichen bewusstwerden, dass der eingeschlagene Weg (Entscheidungen) im Gesamtkontext aller zu berücksichtigenden Belange in der Regel durchaus richtig und zielführend ist. Zudem können tatsächliche Fehlentscheidungen frühzeitig erkannt und im Idealfall revidiert werden. Ein Asset- und Erhaltungsmanagement ist datengetrieben und damit zu 100 % von der Verfügbarkeit und vor allem der Belastbarkeit der verarbeiteten Daten abhängig. Aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels, aber auch aus reinen Effizienzgründen ist jede manuelle Datenbereitstellung und -pflege (Eingabe / Änderung von Informationen in Datenbanksystemen) kritisch zu hinterfragen. Solange ein Mitarbeitender zur Objektidentifikation in einem Projektsystem eine mehrstellig ID manuell eintragen muss, sollte man sich nicht wundern, wenn: a. die Mitarbeitenden nur wenig Akzeptanz für solche Systeme entwickeln. b. immer wieder Zuordnungsfehler von Projekten zu Objekten im Abgleich von Bedarf und Umsetzung auftreten; das System also nicht gut bzw. nur sehr aufwendig funktioniert. Asset- und Erhaltungsmanagementsysteme sollen nicht nur die Entscheidungen über die technische und finanzielle Werterhaltung der Straßeninfrastruktur verbessern, sondern auch später Rückschlüsse darauf zulassen, ob frühere Entscheidungen effizient und zielführend waren und ob in Zukunft gegebenenfalls nachgesteuert werden muss. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Kreislauf, den Erhaltungskreislauf. Einen wesentlichen Punkt in diesem Kreislauf nimmt die Erfolgskontrolle, die Bilanzierung und die Überprüfung - sprich das Controlling ein. Abb. 8: Ablaufdiagramm der systematischen Straßenerhaltung [19] Dem Controlling kommt daher im Asset- und Erhaltungsmanagement eine sehr hohe Bedeutung zu. Durch eine möglichst intelligente Auf bereitung und Analyse der Daten sollte eine Vielzahl von Entscheidungsebenen - und nicht nur und ausschließlich die betriebswirtschaftliche Controlling-Ebene einen schnellen Überblick über den Ist-Zustand erhalten. Idealerweise sollte dies auch Prognoseszenarien zur Zustands- und Wertentwicklung beinhalten. Derartige Darstellungsebenen in Form von z. B. intelligenten Dashboards und Animationen, z. B. mit Hilfe von digitalen Zwillingen, fehlen bisher nahezu vollständig. 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 39 Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Asset-Management für die Straßeninfrastruktur Abb. 9: Schematische Darstellung einer möglichen Visualisierung von Zustandsveränderungen 6. Nächste Schritte und Ausblick Der grundsätzliche Rahmen und die Zielformulierung für den Auf bau eines ganzheitlichen Asset- und Erhaltungsmanagement der Straßeninfrastruktur von Bundes- und Landesstraßen im LS sind gemäß den vorangegangenen Ausführungen bereits gegeben. In einem nächsten Schritt wird dieses Konzept weiter verfeinert und vervollständigt werden. In der Umsetzung liegt der Fokus zunächst auf der Vervollständigung der Objektregister, z.-B. Verkehrszeichenbrücken, LSW, Stützwände, Radwege, Fahrzeugrückhaltesysteme etc. sowie der Bestimmung von Bewertungskriterien für diese Objekte. Sofern keine übergeordneten Vorgaben bestehen oder diese Interpretationsspielraum lassen, umfasst dieses Arbeitspaket auch die interne Festlegung vollständiger Begriffsdefinitionen. Parallel dazu sind Vorgaben für eine substanzielle und fachlich fundierte monetäre Bewertung der Assets abzustimmen, so dass mittelfristig zumindest eine fiktive Eröffnungsbilanz für alle Assets erfolgen könnte. Der Arbeitsaufwand für die Konsolidierung und teilweise Neukonzeption der IT-Systeme und Datenbanken ist noch nicht wirklich abschätzbar, außer dass er vermutlich sehr umfangreich sein und nicht unerhebliche finanzielle und personelle Ressourcen binden wird. Die Strategie sollte auf jeden Fall darauf abzielen, die Fachsystemlandschaft und damit die Schnittstellen nicht weiter zu vergrößern, sondern möglichst zu reduzieren. Ein System allein wird aber vermutlich nicht alle Fragestellungen abdecken können. Das Arbeitspaket IT mit seiner interdisziplinären Besetzung wird für den LS voraussichtlich die größten Anstrengungen erfordern. 7. Resümee Allen Beteiligten muss immer wieder bewusstwerden, dass wir einen Weg beschreiten, der als Grundvoraussetzung ein hohes Maß an Teamfähigkeit und ein offenes Miteinander, vor allem aber eine sehr interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Viele Fragen sind noch zu klären, fachliche, IT-technische, aber auch rechtliche. Wenn die Zusammenarbeit gelingt und die offenen Fragen sukzessive geklärt werden können, ist davon auszugehen, dass die öffentliche Straßeninfrastruktur der Bundes- und Landesstraßen in der Zuständigkeit des LS voraussichtlich innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre mit einem modernen und vor allem ganzheitlichen Asset- und Erhaltungs-management betrieben werden kann. Dies wird erwartungsgemäß nicht nur einen hohen Mehrwert für den LS bringen, sondern vor allem den Nutzern und Finanziers der Infrastruktur, d. h. den Bürgern, dienen. 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