eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 2/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Anwendung der BIM-Methode im Anlagen- und Instandhaltungsmanagement der Eisenbahninfrastruktur

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Cornelius Stehr
Alexander Buttgereit
Die BIM-Methodik sieht die Anwendung im gesamten Lebenszyklus einer Anlage vor. Für die Umsetzung der Arbeitsmethodik sind für die Planungs- und Ausführungsphase verschiedene Anwendungsfälle definiert worden. Auf der Basis der bestehenden Anwendungsfälle der DB Netz AG sind für die Betriebsphase der Eisenbahninfrastruktur neue Anwendungsfälle entwickelt worden. Die Anwendungsfälle Anlageninformationsmodell, Anlagenkoordination und Anlageninspektion bilden die Grundlage für BIM-Methodik im Assetmanagement der DB Netz AG, um die Instandhaltungs- und Instandsetzungsprozesse zu optimieren.
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2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 57 Anwendung der BIM-Methode im Anlagen- und Instandhaltungsmanagement der Eisenbahninfrastruktur Cornelius Stehr, M. Eng. DB Netz AG/ Jade Hochschule Oldenburg, Hamburg Prof. Dr.-Ing. Alexander Buttgereit Jade Hochschule Oldenburg Zusammenfassung Die BIM-Methodik sieht die Anwendung im gesamten Lebenszyklus einer Anlage vor. Für die Umsetzung der Arbeitsmethodik sind für die Planungs- und Ausführungsphase verschiedene Anwendungsfälle definiert worden. Auf der Basis der bestehenden Anwendungsfälle der DB Netz AG sind für die Betriebsphase der Eisenbahninfrastruktur neue Anwendungsfälle entwickelt worden. Die Anwendungsfälle Anlageninformationsmodell, Anlagenkoordination und Anlageninspektion bilden die Grundlage für BIM-Methodik im Assetmanagement der DB Netz AG, um die Instandhaltungs- und Instandsetzungsprozesse zu optimieren. 1. Einführung Um den Kulturwandel in der deutschen Verkehrspolitik voranzutreiben, ist die Erhöhung der schienengebundenen Transporte essenziell. Für die Kapazitätssteigerung der Güter- und Personenverkehre ist das Schienennetz durch Neubau-, Ausbau- und Instandhaltungsprojekte leistungsstärker zu machen. Hierfür ist die DB Netz AG verantwortlich. Gleichzeitig ist es notwendig, Antworten auf den zunehmenden Fachkräftemangel und den Bedarf an einer digitalen Transformation zu finden. Letzteres ist ein Baustein, um die anstehenden Aufgaben effizient und wirtschaftlich zu realisieren sowie als Unternehmen attraktiv am Arbeitsmarkt wahrgenommen zu werden. Aufgrund der weiter zunehmenden Anzahl an zu betreibenden Netzkilometern und des höheren Verkehrsaufkommens, ist eine Optimierung der Prozesse sowie des Asset Managements zwingend erforderlich. Bereits seit 2015 ist die BIM-Methodik bei der DB Netz AG etabliert. [1] Die kollaborative und modellbasierte Arbeitsmethodik wurde zunächst mit der Hilfe von Anwendungsfällen, die ein Handlungsfeld beschreiben, in der Planung und in der Bauphase pilotiert. Die deutlich längere Betriebsphase im Lebenszyklus der Anlagen lag dabei noch nicht im Fokus. Es ist zu erwarten, dass insbesondere die Anwendung über den gesamten Lebenszyklus die Vorteile der BIM Methodik hervorhebt und zu weiteren Optimierungen führt. Im Rahmen dieses Beitrags werden nun eine Auswahl an Anwendungsfällen für das Assetmanagement in der Eisenbahninfrastruktur betrachtet. 2. Anwendungsfälle des Assetmanagements Auf der Basis der 19 bestehenden Anwendungsfälle in der Eisenbahninfrastruktur und den Prozessen aus dem Anlagen- und Instandhaltungsmanagement wurden sieben neue Anwendungsfälle neu definiert. Hierbei wird der Anwendungsfall 190 „Betreiben, Instandhaltung - und -setzung“ [2] aufgeteilt, um die Anwendungsbereiche in dem Betrieb der Bauwerke und Anlagen zu konkretisieren. Das Ziel ist es den Mehrwert der Digitalisierung von Prozessen durch die Anwendung der BIM-Methodik darzustellen und an konkreten Handlungsfeldern in der Eisenbahninfrastruktur konzeptionell zu beschreiben. Bei der Entwicklung der neuen Anwendungsfälle wurde die Umsetzung der bestehenden Anwendungsfälle aus der Planung und der Ausführung für die Betriebsphase vorausgesetzt. Dieser Fall ist zu betrachten, wenn Instandsetzungsmaßnahmen mit einer Planungs- und Ausführungsphase notwendig sind. 2.1 Anlageninformationsmodell Die Basis für die Umsetzung der BIM-Methodik bildet ein Modell, das den realen Zustand der Anlage strukturiert und intelligent abbildet. Das Anlageninformationsmodell ist die zentrale Datengrundlage für das Anlagen- und Instandhaltungsmanagement. Die Bauwerksinformationen, bestehend aus geometrischen und semitischen Daten werden, gebündelt und koordiniert dargestellt. Die Zustandsveränderungen und Regelprozesse können mithilfe des Modells visualisiert und die gewerkespezifischen Maßnahmen koordiniert werden. Am Ende der Lebensdauer des Bauwerks dient dieses Modell als Grundlage für das Bestandsmodell, dass in der Planungsphase wieder benötigt wird. Durch die Datenbündelung im Anlageninformationsmodell sind Anwendungen in der Betreiberphase der Anlage möglich, die die derzeitigen Prozesse optimieren. Die digitale Datenhaltung bietet dem Nutzer eine transparente Dokumentation der Bauwerkshistorie. Unterstützt durch die kontinuierliche Fortschreibung des Modells mit Informationen, kann ein angereichertes Abbild der realen Anlage realisiert werden. Damit wird die Datenqualität und -quantität signifikant erhöht. 58 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Anwendung der BIM-Methode im Anlagen- und Instandhaltungsmanagement der Eisenbahninfrastruktur Das Modell dient, wie in der Planungs- und Ausführungsphase als single source of truth.[3] Somit können Widersprüche, die aufgrund von verschiedenen Versionen der Datensätze entstehen können, ausgeschlossen werden. Dies führt dazu, dass auch das Fehlerpotenzial bei der Durchführung von Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen minimiert werden kann. Für die Implementierung des Anwendungsfalls Anlageninformationsmodell sind die Anforderungen der Anwender und die softwaretechnische Umsetzung der Datenverwaltung und Fortschreibung zu definieren. Als Minimalforderungen dienen die konventionell durchgeführten Prozesse. Die Informationstiefe, die zum aktuellen Zeitpunkt vorliegt, ist in den digitalen Prozessen unter der Anwendung der BIM-Methodik einzuhalten. Im weiteren Entwicklungsprozess ist die Anreicherung der Daten mit weiteren Informationen zu betrachten und die Auswirkungen auf den Gesamtprozess zu bewerten. 2.2 Instandhaltungskoordination Basierend auf dem Anwendungsfall 060 „Planungskoordination“ [4] der DB Netz AG, sind durch die Änderung der Arbeitsmethodik bei dem Betreiben von Anlagen die Rollen und Verantwortlichkeiten neu zu betrachten. Durch die hohe Informationstiefe und dem damit verbundenen erhöhten Verwaltungsaufwand der Daten sind im Anlagen- und Instandhaltungsmanagement neue Rollen zu integrieren. Diese Aufgaben sind in den bestehenden Prozessen einzubinden, um das Zusammenspiel und die Koordination der einzelnen Gewerke mit der BIM-Methodik zu unterstützen. Um die Instandhaltungsmaßnahmen der Fachgewerke im Anlagen- und Instandhaltungsmanagement zu harmonisieren, ist die Fortschreibung der Geometrie bei baulichen Änderungen, wie z. B. bei der Änderung eines Signalstandorts essenziell. Für die Instandhaltungsplanung sind überwiegend die semantischen Informationen zu aktualisieren. Ein Beispiel bilden die Wartungsintervalle eines verbauten Objekts, die als Attribut in einem Objekt vorgehalten werden können. Im Rahmen der BIM-Implementierung der DB Netz AG wurde für die Umsetzung der BIM-Methodik in der Betriebsphase die Rolle des BIM-Informationsmanagers eingeführt. Der Aufgabenbereich definiert sich durch die Fortschreibung der Geometrie des Modells und orientiert sich an den Anforderungen des Anlageninformationsmodell sowie den bestehenden Instandhaltungsprozessen der Anlagen. [5] Die neu definierte Rolle könnte wie in Abbildung 1 in die Organisation und in den Prozess integriert werden. Der BIM-Informationsmanager ist für einen Streckenabschnitt oder eine Region für die Anwendung der BIM- Methodik verantwortlich. Die Fortschreibung der Modelle ist gewerkeübergreifend und in Abstimmung mit den Anlagenverantwortlichen durchzuführen. Der Anlagenverantwortliche ist Entscheidungsträger für die Instandhaltung- und Instandsetzung. Ist eine Maßnahme erforderlich, werden die Instandhalter tätig. Diese sind für die operative Umsetzung verantwortlich und dokumentieren ihre Ausführung digital, so dass eine eindeutige Zuordnung zu einem Objekt erfolgen kann. Die Dokumentation wird durch den Anlagenverantwortlichen fachlich und durch den BIM-Informationsmanager ggf. modelltechnisch geprüft. Abbildung 1: Übersicht BIM-Rollen im Anlagen- und Instandhaltungsmanagement (eigene Darstellung) 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 59 Anwendung der BIM-Methode im Anlagen- und Instandhaltungsmanagement der Eisenbahninfrastruktur 2.3 Anlageninspektion Die Anlageninspektion ist in der Betriebsphase für die Sicherstellung des Bahnbetriebs unerlässlich. Durch gezielte und standardisierte Untersuchungen und Begehungen, werden Bauwerksveränderung frühzeitig erkannt. Dadurch auftretende Mängel können anschließend behoben werden, um die Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerks sicherzustellen und den wirtschaftlichen Betrieb der Anlage zu erhalten. Für betriebsrelevante Bauteile sind standardisierte Inspektions- und Wartungsintervalle gemäß den Richtlinien der DB AG einzuhalten. Diese und weitere Bauwerksbzw. Bauteilinformationen werden in einer Datenbank vorgehalten. Diese Bauwerksdaten sind Voraussetzung für die Umsetzung des Anwendungsfalls Anlageninspektion. Das Anlageninformationsmodell bildet für die digitale Instandhaltung die erforderliche Informationstiefe ab, um die Maßnahmen bauteilspezifisch zu planen, auszuführen und dokumentieren zu können. Die Dokumentation der Mängel oder Schäden ist in Anlehnung an den AWF 160 Mängelmanagement durchzuführen.[6] Durch die modellbasierte Instandhaltungsplanung, können gewerkeübergreifend Maßnahmen frühzeitig koordiniert und in den Fahrplan eingebunden werden. Die resultierenden Wartungsaufträge können verbunden mit einem Aufgabenmanagementsystem modellbasiert ausgelöst bzw. eine Inspektionsbedarf direkt am Modell simuliert werden. Neben der Steigerung der Datenqualität, ergeben sich aus der gesamtheitlichen Darstellung weitere Potentiale in der Zusammenarbeit zwischen den Instandhaltungsgewerken der freien Strecke. Die Koordination der parallelisierten Inspektionen bedarf weniger Abstimmung und kann durch Auswahlmengen im Modell einfach identifiziert werden. Bedingt durch die Anwendung der Arbeitsmethodik, können darüber hinaus die Auswirkungen auf den Bahnbetrieb durch die Instandhaltungsprozesse reduziert werden. Sperrpausen im Bahnbetrieb könnten durch diesen Anwendungsfall verkürzt werden. Dies kann einen entscheidenden Beitrag zur Kundenzufriedenheit des betreibenden Unternehmens leisten. Reparaturbedarfe, die bei Begehungen oder Inspektionen identifiziert werden, können über georeferenzierte Fotos dokumentiert und anschließend mit dem Bauteil verknüpft werden. Zusätzliche Informationen zu den Schäden, wie die Schwere oder die Art des Mangels können dann als Attribut dem Bauteil hinzugefügt werden. Eine Verknüpfung zu Instandhaltungsapplikation für mobile Endgeräte ist hier zu prüfen. Durch die modellbasierte Repräsentanz des Bauwerks können Veränderungen am realen Bauwerk gemonitort werden. Bei kritischen Schäden besteht die Möglichkeit zusätzliche Inspektionen oder verkürzte Wartungsintervalle für bestimme Anlagenteile zu hinterlegen, um beispielweise die Rissbildung oder Korrosion von einzelnen Bauteilen zu überwachen. Durch diese gezielte Dokumentation kann die Bauwerkshistorie detailliert dargestellt werden. Insgesamt ist eine höhere Lebenserwartung der Bauwerke und eine Optimierung der Lebenszykluskosten zu erwarten 3. Ausblick Um die BIM-Methodik neben dem Planen und Bauen auch in der Betriebsphase umzusetzen, sind die Rahmenbedingungen in Form der Anwendungsfälle zu schaffen. Um die Potenziale und Mehrwerte der Methode in der Betriebsphase zu quantifizieren, ist die konkrete Anwendung im ersten Schritt zu pilotieren. Es wird empfohlen, Prozessbeispiele zu definieren und priorisiert gewerkeübergreifend durchzuführen. Abschließend ist eine Bewertung der Potenziale durchzuführen. Nach erfolgreichem Abschluss der Pilotphase ist die Methode zu standardisieren und flächendeckend zu implementieren, um den Lebenszyklus der Anlagen in der Eisenbahninfrastruktur ganzheitlich zu optimieren. Literatur [1] Deutsche Bahn AG (Hrsg.): BIM-Strategie. Berlin: 2022, S.6 [2] DB Netz AG (Hrsg.): BIM-Anwendungsfall 190 - Betreiben, Instandhaltung und -setzung. Frankfurt am Main: 2023 [3] Borrmann,- A., König,- M., Koch,- C. & Beetz,- J.: Building Information Modeling. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2021, S.338 [4] DB Netz AG (Hrsg.): BIM-Anwendungsfall 060 - Planungskoordination. Frankfurt am Main: 2023 [5] DB Netz AG (Hrsg.): Musterdokument AIA. Frankfurt am Main: 2023, S. 10-11 [6] DB Netz AG (Hrsg.): BIM-Anwendungsfall 160 - Mängelmanagement. Frankfurt am Main: 2023