eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 2/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
dtv
2748-9213
2748-9221
expert verlag Tübingen
61
2023
21

Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens

61
2023
Dominik Mair
Julian Konzilia
Michael Renzler
Djordje Gunjic
Moritz Fischer
Thomas Ussmueller
Jürgen Feix
Die Überwachung und Kontrolle von Betonbauwerken ist von entscheidender Bedeutung für die Verlängerung der Lebensdauer dieser Bauwerke. Zur Zustandsüberwachung von Bauwerken können drahtlose Sensorknoten eingesetzt werden. In den letzten Jahren wurden hierfür passive RFID-Sensoren vorgeschlagen, um Daten aus dem Inneren von Betonbauwerken zu erfassen. Der Entwurf von Antennen, die in Beton arbeiten können, um Daten vom Sensorknoten nach außen zu übertragen, ist jedoch äußerst schwierig, da die Performance der dafür notwendigen Antennen stark vom umgebenden Material abhängt. Diese Arbeit demonstriert den Entwurf einer UHF-Band-Antenne in Beton mit unterschiedlichen dielektrischen Eigenschaften. Es werden keine Abstandshalter oder Boxen um die Antenne benötigt. Zusätzlich wird ein Sensorsystem gezeigt, welches mit Hilfe dieser Antenne kabellos und ohne Batterien, mittels UHF RFID, Sensorwerte senden kann und sich somit als Structural Health Monitoring System für Betonbauwerke eignet. Am Beispiel eines Randbalkens wird die Funktionsweise dieses Systems demonstriert.
dtv210083
2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 83 Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens Dipl.-Ing. Dr. techn. Dominik Mair Universität Innsbruck Dipl.-Ing. Julian Konzilia Universität Innsbruck Ph. D. Michael Renzler Universität Innsbruck Dipl.-Ing. Djordje Gunjic Universität Innsbruck Dr. techn. Moritz Fischer Universität Innsbruck Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thomas Ussmueller Universität Innsbruck Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Feix Universität Innsbruck Zusammenfassung Die Überwachung und Kontrolle von Betonbauwerken ist von entscheidender Bedeutung für die Verlängerung der Lebensdauer dieser Bauwerke. Zur Zustandsüberwachung von Bauwerken können drahtlose Sensorknoten eingesetzt werden. In den letzten Jahren wurden hierfür passive RFID-Sensoren vorgeschlagen, um Daten aus dem Inneren von Betonbauwerken zu erfassen. Der Entwurf von Antennen, die in Beton arbeiten können, um Daten vom Sensorknoten nach außen zu übertragen, ist jedoch äußerst schwierig, da die Performance der dafür notwendigen Antennen stark vom umgebenden Material abhängt. Diese Arbeit demonstriert den Entwurf einer UHF-Band-Antenne in Beton mit unterschiedlichen dielektrischen Eigenschaften. Es werden keine Abstandshalter oder Boxen um die Antenne benötigt. Zusätzlich wird ein Sensorsystem gezeigt,-welches mit Hilfe dieser Antenne kabellos und ohne Batterien, mittels UHF RFID, Sensorwerte senden kann und-sich somit als Structural Health Monitoring System für Betonbauwerke eignet. Am Beispiel eines Randbalkens wird die Funktionsweise dieses Systems demonstriert. 1. Einführung Korrosionsschäden sind ein ernsthaftes Problem für die Infrastruktur und ein immenser Kostenfaktor für die öffentliche Hand mit geschätzten weltweiten Kosten von 2,5-Milliarden US-Dollar im Jahr 2013 [1]. Fehlende Korrosionsschutzstrategien können nicht nur Folgekosten durch Ausfallzeiten verursachen, sondern auch zu schweren Unfällen führen. Dies kann zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen, wie der Einsturz der Ponte Morandi im Jahr 2018 gezeigt hat, bei dem 43 Menschen ums Leben kamen. Obwohl die genauen Details des Einsturzes noch diskutiert werden [2], wird angenommen, dass die Hauptursache dieses Unfalls korrodierter Bewehrungsstahl war [3]. Im Allgemeinen ist die Korrosion von Bewehrungsstahl die Hauptursache für Schäden im Infrastrukturbau. Untersuchungen an Brücken und Tunnel in Deutschland zeigen, dass sich bis zu 71 % der festgestellten Schäden an Betonoberflächen, auf Bewehrungskorrosion zurückzuführen lassen. Davon sind ca. 90 % der Fälle auf die sog. Chloridkorrosion zurückzuführen [4]. Es wird daher davon ausgegangen, dass ein geeignetes Korrosionsmanagement zu Kosteneinsparungen von bis zu 35 % führen kann. [1] Eine effiziente Korrosionsüberwachung und ein effizientes Korrosionsmanagement sind daher unerlässlich und sehr gefragt, um solche Tragödien zu verhindern. Es ist insbesondere wünschenswert, durch die Überwachung wichtiger Parameter wie Feuchte und Chloridionenkonzentration [5] den bestmöglichen Einblick in eine Konstruktion zu erhalten. Um zerstörungsfreie Messtechniken zu nutzen, geht der Trend zur drahtlosen Sensortechnik [6]. Eine große Herausforderung bei Betonkonstruktionen besteht darin, dass sie über Jahrzehnte hinweg überwacht werden müssen, was den Einsatz von eingebetteten, batteriegestützten Lösungen unmöglich macht. Technologien wie passive Hochfrequenz (HF)-Radiofrequenzidentifikation (RFID) können diesen Nachteil überwinden [7]. Obwohl HF-RFID zur Übertragung von Daten und Energie zu und von in Beton eingebetteten Sensorknoten ver- 84 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens wendet werden kann, ist die Kommunikationsreichweite aufgrund des zugrundeliegenden Funktionsprinzips, das auf elektromagnetischer Induktion beruht, in der Regel sehr begrenzt. Im Gegensatz dazu arbeitet Ultrahochfrequenz-RFID (UHF) mit einer höheren Frequenz und basiert auf der Übertragung elektromagnetischer Wellen mithilfe von Antennen. Die sich ausbreitenden Wellen werden jedoch beim Durchgang durch leitende Materialien stark gedämpft, und an den Übergängen zwischen zwei verschiedenen Materialien kommt es zu Reflektionen [8]. Für jede drahtlose Daten- oder Energieübertragung ist eine geeignete Antenne erforderlich. Damit diese eingebettet in Material funktionieren, muss die Antenne an die Eigenschaften dieses Materials angepasst werden. Relevante Eigenschaften von Beton wie die Leitfähigkeit und die Dielektrizitätskonstante sind jedoch in hohem Maße von der spezifischen Art des Betons und seinem Feuchtigkeitsgehalt abhängig. Daher hängen diese Parameter auch von der spezifischen Struktur ab, in der der Beton verwendet wird, sowie von zeitabhängigen Umgebungsbedingungen wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Wassermenge in der Nähe des Betons, wie z. B. saisonale Effekte. Daraus folgt, dass eine für den Betrieb im Beton ausgelegte Antenne, unter einer Vielzahl unterschiedlicher Bedingungen funktionieren muss. In [9] werden Werte von und ε r = [5,8] und $\sigma=\numrange{0.01} {0.1}$ für eine Frequenz von \SI{1}{\giga \hertz} für Beton in Bezug auf den Feuchtigkeitsgehalt genannt, welche gut mit Daten aus anderen Quellen übereinstimmen [10] [11], die ähnliche Betonmischungen und Druckfestigkeiten verwenden. Diese große Bandbreite an dielektrischen Eigenschaften macht es jedoch äußerst schwierig, eine Antenne zu entwerfen, die für einen zuverlässigen Betrieb innerhalb von Beton geeignet ist. Außerdem wurden die oben genannten Werte nach einer ersten Trocknungsphase ermittelt. Daher haben einige Autoren festgestellt, dass in der Aushärtungsphase des Betons aufgrund der unvollständigen Hydratation höhere Werte zu erwarten sind [9]. Ein in der Literatur mehrfach vorgestellter Ansatz ist es, eine Antenne für den Betrieb an Luft zu konstruieren und durch mechanische Abtrennung (z. B. Lufthohlräume, Styropor-Abstandshalter oder Kunststoffboxen) die unerwünschten Einflüsse des Betons zu beseitigen [12] [13] [14] [15] [16]. Solche Maßnahmen führen jedoch unweigerlich zu potenziellen mechanischen Schwachstellen, die wiederum zum Eindringen von Wasser und damit zu erhöhter Korrosion führen können. In diesem Beitrag wird eine Methode zum Entwurf einer Antenne vorgestellt, die innerhalb aller spezifizierten Materialparameter von Beton funktionsfähig ist und eine zusätzliche Verkapselung überflüssig macht. Mit der vorgestellten Methode ist es möglich, eine Antenne für UHF- RFID-Sensoren zu entwerfen, die auf einer einzigen Substratschicht hergestellt und direkt in Beton eingebettet werden kann und in der Lage ist, Daten für alle erwarteten elektrischen Parameter von Beton zu übertragen. Um eine solche Struktur zu entwickeln, werden evolutionär optimierte verpixelte Antennen mit verschobenen kreuzförmigen Elementen eingesetzt [17]. Um die Simulationsergebnisse der Antennen zu überprüfen, wurden 40-x 40-x 17.5 cm große Betonkörper angefertigt und die Antenne in einer Tiefe von 2 cm vermessen. Mithilfe dieser Antennen wir ein Sensorsystem gezeigt, welches ohne physischen Eingriff eine Messung von integrierten Chloridsonden ermöglicht. Durch den Einsatz der UHF RFID-Technologie kann der Sensorwert ohne Beschädigung des Betons ausgelesen werden. Darüber hinaus umgeht die passive Natur von RFID-Systemen auf elegante Weise das Hantieren mit Kabeln oder Batterien zur Stromversorgung, da die Energie drahtlos übertragen wird. Um das Sensorsystem mit Antenne unter realen Bedingungen zu testen, wurde dieses in einen Randbalken einbetoniert. 2. Methoden 2.1 UHF RFID Sensorplattform Die in dieser Arbeit verwendete Sensorplattform basiert auf dem WISP-Tag der University of Washington und Intel Research Seattle und wurde aufgebaut von [18]. Abb. 1: Blockdiagramm des Frontends der verwendeten Sensorplattform [18] Der Teil des WISP-Tags, der Signale von der Antenne verarbeitet - das analoge Frontend - ist in Abb. 1 dargestellt. Eine Antenne ist dabei an ein Matching Netzwerk angeschlossen, welches garantiert, dass die Antenne optimal Leistung an einen Gleichrichter übertragen kann. Dieser nimmt die von der Antenne aufgenommene Leitungsgebundene Welle auf und erzeugt daraus eine Gleichspannung, welche zur Versorgung von weiteren elektronischen Schaltungsteilen verwendet werden kann. Der Gleichrichter besteht aus zwei Dioden, wobei die Wahl der Dioden von entscheidender Bedeutung für die Effizienz des Systems ist, und damit welche maximale Übertragungsreichweite erreicht werden kann. Arbeiten unserer Gruppe haben ergeben, dass sich hierfür die Diode BAT63-02V gut dafür eignet. [18] Der Demodulator, welcher ein ähnliches Funktionsprinzip aufweist, extrahiert aus der leitungsgebundenen Welle Daten, welche ein Microcontroller auswerten kann. Dieser verwendet dieselben Dioden wie der Gleichrichter. Da UHF RFID ein Amplitudenmoduliertes Signal verwendet, muss der Demodulator zuerst eine Einhüllende erfassen, was durch einen Gleichrichter mit kleiner Pufferkapazität passiert. Um die Daten zu extrahieren, ver- 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 85 Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens gleicht ein Komparator die erfasste einhüllende mit der Tiefpassgefilterten Einhüllenden. Das durch den Komparator erzeugte Signal kann anschließend von einem Microcontroller ausgewertet werden. Abb. 2: Auf bau des Analogen Frontend für das verwendeten Sensorsystems [18] 2.2 Evolutionäre Optimierung von pixelierten Antennen Pixelierte Antennen können speziell für gewisse Anforderungen wie etwa für 5G IoT, UHF RFID oder für Betonbauwerke optimiert werden [19] [17] [20]. Die für die in 2.1 vorgestellte Sensorplattform verwendete Antennen ist in Abb. 3 dargestellt. Abb. 3: Vom evolutionären Algorithmus für Beton optimierte Antenne [20] Die Optimierung kann - nach Eingabe einiger Randbedingungen (z. B. Antennenabmessungen, Umgebungsmaterial) und Ziele (z. B. Richtwirkung, Anpassung)-- vollkommen autonom erfolgen. Sie bestehen aus Einzelelementen wie etwa Rechtecken, Sechsecken oder auch Kreuzen dessen Platzierung durch ein Optimierungsverfahren gesteuert wird. Als Optimierungsverfahren können unterschiedliche Algorithmen verwendet werden. In unserem Fall werden Evolutionäre Algorithmen verwendet. Diese werden heute für eine Vielzahl von Anwendungen verwendet [21] [22] [23] [24]. Sie sind eine Klasse von Optimierungsalgorithmen, die vom Prozess der biologischen Evolution inspiriert sind. Sie sind in verschiedenen Bereichen der Informatik weit verbreitet, einschließlich des maschinellen Lernens, der künstlichen Intelligenz und der Optimierung. Evolutionäre Algorithmen gehen von einer Population potenzieller Lösungen aus, die nach ihrer Fitness bewertet und zur Fortpflanzung durch Selektion ausgewählt werden. Für die Optimierungen werden anfangs N zufällig erzeugte Antennen generiert. Dabei bezeichnet N die Größe der Population. Diese Antennen werden in unserer Studie mit Matlab erzeugt und mithilfe von Sonnet Software simuliert. Mithilfe dieser Simulationen werden die Antennen bewertet. Je besser eine Antenne, desto höher deren Fitness, welche folgendermaßen berechnet wird: Die fittesten Individuen haben dabei dich höchste Wahrscheinlichkeit sich fortzupflanzen, indem durch Mutation und Rekombination neue Lösungen erzeugt werden. Bei der Mutation werden eine oder mehrere Komponenten einer individuellen Lösung zufällig verändert, während bei der Rekombination zwei oder mehrere Lösungen zu einer neuen Lösung kombiniert werden. Diese neuen Lösungen werden dann bewertet und der Zyklus wird fortgesetzt, bis eine zufriedenstellende Lösung gefunden ist. Evolutionäre Algorithmen sind nützlich, um komplexe Optimierungsprobleme zu lösen, die mit herkömmlichen Optimierungsmethoden nur schwer oder gar nicht lösbar sind. Außerdem sind sie flexibel und können an verschiedene Problembereiche angepasst werden, was sie zu einer beliebten Wahl für eine Vielzahl von Anwendungen - wie etwa sozioökonomische Simulationen [22], die Erstellung von risikooptimalen Portfolios im Finanzwesen [21] und viele weitere - macht. Einer der Hauptvorteile evolutionärer Algorithmen ist ihre Fähigkeit, einen großen Suchraum effizient zu durchsuchen und dabei neue und unerwartete Lösungen zu finden. Diese Gründe machen Evolutionäre Algorithmen perfekt für die Optimierung pixelierter Antennen. Das verwendete Optimierungskonzept ist in Abb. 4 dargestellt. Zuerst werden Randbedingungen wie etwa verwendetes Substrat, maximale Baugröße der Antenne und Position des Anschlusses definiert sowie Ziele wie Richtwirkung oder Anpassung vorgegeben. Für die in dieser Studie verwendete Antenne war das Ziel eine gute Anpassung für alle vom Beton in der Literatur beschriebenen Materialeigenschaften. 86 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens Abb. 4: Evolutionäres Optimierungskonzept. In a) wird eine Fläche mit vorgegebenen Abmessungen verpixelt. In b) werden Pixel unterschiedlicher Antennen gesetzt. Durch eine evolutionäre Optimierung werden die Pixel so gesetzt, dass ein gesetztes Ziel hinreichend erfüllt wird [17] Der durch die Baugröße vorgegebene Bauraum wird, wie in Abb. 4 a) gezeigt, mit Einzelelementen verpixelt. In unserem Fall werden Kreuze verwendet. Dies macht es möglich, eine Antenne als 2D Matrix oder auch als Bitstring darzustellen. Dies macht eine Optimierung mittels evolutionärer Algorithmen erst möglich. 2.3 Chloridionen Sensor Zur Messung von freien Chloridionen im Porenwasser von Beton eignen sich sog. Ag/ AgCl-Chloridsensoren. Diese bestehen aus einem mit Silberchlorid (AgCl) überzogenen Silberdraht und stellen eine Elektrode zweiter Art dar. Das Messprinzip beruht auf der Potentialmessung. Über eine kontinuierliche Aufnahme der Potentialdifferenz mehrerer Sensoren in unterschiedlichen Tiefenstufen des Betonbauteils kann die Tiefe der Chlorideindringfront von außen in den Beton erfasst werden. Mittels dieser Elektrode ist es möglich, die Depassivierungsfront des Betons und die korrosionsauslösenden Chloridkonzentration zu bestimmen. Umfangreiche Beschreibungen der Sensoren sowie der elektrochemischen Vorgänge im Zusammenhang mit der Korrosionswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Chloridkonzentration finden sich in [25] [26] [27] [28]. 2.4 Randbalken Der Randbalken stellt ein Bauteil der Brückenausrüstung dar. Dieser bildet den Fahrbahnabschluss und fasst den Tragwerksrand ein. So dient der Randbalken Führung der Oberflächenwässer und dem Schutz des Tragwerksrandes vor mechanischer Beanspruchung. Zudem ist er für die Verkehrssicherheit von großer Relevanz. Das Fahrzeugrückhaltesystem sowie Brückengeländer, Lichtmasten und Verkehrszeichen werden im Randbalken verankert. Des Weiteren dient er als Bordstein und sorgt als mechanische Leiteinrichtung für den Schutz des Gehwegs vor abgeirrten Fahrzeugen. Als Bauteil der Brückenoberfläche sind Randbalken einer besonders starken Chloridexposition ausgesetzt, weswegen der Einsatz von Chloridsensoren in diesem Bauteil besonders sinnvoll ist [29]. Eine schematische Skizze eines Randbalkens als Querschnitt ist in Abb. 5 zu sehen. Abb. 5: Querschnitt Schemaskizze Randbalken Um die Funktion der Antennen und Sensoren testen zu können, wurde daher ein 2 m langes und 125 cm breites Randbalkenelement hergestellt. Der Demonstrator entspricht dabei in Hinblick auf die Abmessungen einem realen Randbalken. Der Beton wurde gemäß der Exposition des Bauteiles gegenüber Chloriden und Frost mit C25/ 30/ XC4/ XW2/ XD3/ XF4/ XA1L(A) festgelegt, in Österreich unter der Kurzbezeichnung C25/ 30 B7 zusammengefasst, was ebenfalls den Anforderungen des realen Bauteils entspricht. Die Bewehrung wurde in Anlehnung an ein reales Vergleichsprojekt gitterförmig mit einem Stabdurchmesser von Ø14 mm/ 15 cm in Längs und Querrichtung verlegt. In diesen Randbalken wurden die Chloridsensoren sowie die Antennen einbetoniert und die Kabel nach außen geführt. In Abb. 6 a) ist die Herstellung des Randbalkens zu sehen, in Abb. 6 b) das fertige Bauteil. 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 87 Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens Abb. 6: Herstellung des Randbalkens a) und das fertige Bauteil b) 2.5 Messaufbau Um die Sensoren im Bauteil positionieren zu können wurden diese vorab auf einem Gittergewebe positioniert. Dies erlaubt ein einfaches Einlegen bei der Herstellung und auf eine zeitaufwändige Kabelführung konnte größtenteils verzichtet werden. Darüber hinaus verleiht das Gewebe den filigranen Anschlüssen und Sensoren zusätzliche Stabilität, was das Handling erleichtert und zugleich vor Beschädigung schützt. Um im Falle eines Defektes von Sensoren oder Antennen, bzw. um bei Beschädigungen bei der Betonage eine Redundanz zu schaffen, wurden insgesamt drei Sensorpunkte mit mehreren unterschiedlichen Sensoren und zwei der vorgestellten Antennen in den Randbalken einbetoniert. Um Antennen und Sensoren für die Messung miteinander zu verbinden, wurden die jeweiligen Kabel aus den Randbalken herausgeführt. Einen Schemaskizze der Positionierung der Sensoren im Randbalken sowie ein Foto der Positionierung vor der Betonage sind in Abb. 7 zu sehen. Abb. 7: Schemaskizze der Positionierung der Sensoren a) und positionierte Sensoren vor der Betonage b) 3. Ergebnisse 3.1 Antenne Die Evolutionäre Optimierung hat zu der in Abb. 3 dargestellten Antenne geführt. Diese wurde bereits in einer vorherigen Publikation unserer Gruppe präsentiert [17]. Für diese Antenne wurden folgende Randbedingungen gewählt: Tab. 1: Randbedingungen und Ziele an Antenne Maximale Länge 97 mm Maximale Breite 42 mm Rel. Permittivitätsbereich [5,8] Leitfähigkeitsbereich [0.01,0.1] S/ m Minimale Einbautiefe 25 mm Simulationen wurden für ein 40 x 40 x 17.5 cm großes Betonbauteil durchgeführt, da später für Messungen dieselbe Größe verwendet wurde. Diese wurde gewählt, damit die Betonproben noch für Messungen in eine elektromagnetisch geschirmte Kammer transportiert werden konnten. Die Simulationsergebnisse des Reflexionskoeffizienten in Abb. 8 zeigen einen maximalen Reflexionskoeffizienten von -12 dB, was für eine hinreichend angepasste Antenne spricht. Somit sollte laut Simulation diese Antenne für alle in der Literatur präsentierten Materialeigenschaften von Beton resonant sein. Da eine gute Anpassung jedoch noch nicht für eine gute Abstrahlung spricht, wurde eine Simulation des Antennengewinns durchgeführt. Dieser ist in Abb. 9 dargestellt. 88 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens Abb. 8: Simulation des Reflexionskoeffizienten S11 für unterschiedliche relative Permittivitäten und Leitfähigkeiten [20] Darin ist ersichtlich, dass der Antennengewinn stark von der Leitfähigkeit, jedoch nur minimal von der Permittivität abhängt. Dies spricht dafür, dass die hauptsächlich auftretenden Verluste nicht aufgrund der Unstetigkeitsstelle Beton-Luft, sondern aufgrund von Verlusten im Material entstehen. Je höher die Leitfähigkeit, desto größer die Verluste und daher, desto kleiner der Antennengewinn. Jedoch reicht der minimale Antennengewinn aus, um passive UHF RFID Transponder mit genügend Energie zu versorgen. Abb. 9: Simulation des Antennengewinnes für unterschiedliche relative Permittivitäten und Leitfähigkeiten [20] Um die Simulationen zu überprüfen, wurden in einem Zeitraum von 157 Tagen Messungen des Reflexionskoeffizienten, des Antennengewinns sowie der Feuchtigkeit der Betonprobe durchgeführt. Die Proben wurden in diesem Zeitraum bei einer Temperatur von 22 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 65% gelagert. An Tag 1 ergab sich ein Antennengewinn von ungefähr -16 dBi sowie ein Reflexionskoeffizient von -8.4 dB. Nach 157 Tagen stellte sich ein maximaler Antennengewinn von -8.4 dBi sowie ein Reflexionskoeffizient von -13 dB ein. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein UHF RFID Transponder von Tag 1 weg Daten liefern kann. Weitere Details zu diesen Ergebnissen sind in einer bereits publizierten Studie verfügbar [17]. 3.2 Sensorsystem Mithilfe des Messauf baus in Kapitel 2.5 wurde der erstellte Sensorknoten aus Kapitel 2.1 ausgelesen. Dazu wurde die Software „WISP Concrete Measurement“ von der Universität Innsbruck verwendet. Diese steuert einen UHF RFID Reader an, und ist in der Lage die von der Sensorplattform gesendeten Werte zu empfangen und diese über die elektromagnetischen Wellen für die Kommunikation gleichzeitig mit Energie zu versorgen. Ein Bild der Software während einer Messung ist dargestellt in Abb. 10. 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 89 Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens Abb. 10: Benutzerinterface der verwendeten Software. Der verwendete UHF RFID Reader von Farsens wird mittels TCP/ IP angesprochen. Die empfangenen Werte werden links unten tabellarisch aufgelistet und rechts unten als Graph angezeigt Die Messdaten des Silberchlorid-Sensors von Sensorpaket 1 sind in Abb. 11 dargestellt. Der errechnete Mittelwert dieser liegt bei 128.4 mV. Abb. 11: Messungen der Sensorspannung am Messpunkt 1 über eine Zeit von ca. 6.1 Sekunden Die Messdaten des Silberchlorid-Sensors von Sensorpaket 2 sind in Abb. 12 dargestellt. Der errechnete Mittelwert dieser liegt bei 82.4 mV. Abb. 12: Messungen der Sensorspannung am Messpunkt 2 über eine Zeit von ca. 4.5 Sekunden 4. Diskussion und Ausblick In dieser Publikation wird ein Sensorsystem vorgestellt, das dank einer speziell für Beton optimierten Antenne in der Lage ist, passiv und kabellos Sensordaten aus Beton zu übertragen. Zur Bestätigung der Simulationsergebnisse der entwickelten Antenne wurde diese in Probekörpern mit den Maßen 40 x 40 x 17,5 cm und einer Tiefe von 2 cm eingebaut und vermessen. An Tag 1 nach der Einbetonierung zeigte die Antenne einen Reflexionskoeffizienten 90 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Passive kabellose Sensorplattform am Beispiel eines Randbalkens von -8.4 dB. Die Antenne wies nach 157 Tagen in einer Klimakammer mit einer Temperatur von 22 °C und einer relativen Luftfeuchte von 65% einen Reflexionskoeffizienten von -13 dB sowie einen Antennengewinn von -8.4 dBi auf. Das gesamte Sensorsystem wurde dann in einen Randbalken eingebettet, um es einem realen Test zu unterziehen. Hierbei wurden auch die im Text erwähnten Chloridionensensoren eingesetzt. Die gezeigten Messungen der Chloridionensensoren im Randbalken zeigten Werte, welche auf eine sehr kleine Chloridionenkonzentration hindeuten, was bei dem verwendeten Randbalken ohne Korrosion zu erwarten war. Die Funktion des batterielosen und kabellosen Sensorsystems konnte damit bestätigt werden. Weitere Untersuchungen und Langzeittests sind erforderlich, um die Einsatztauglichkeit dieses innovativen Systems in der Praxis zu bestätigen. Das Sensorsystem hat enormes Potenzial für die Baubranche, indem es beispielsweise die Kontrolle der Betonzusammensetzung und des Feuchtigkeitsgehalts ermöglicht und somit zur Verbesserung der Bauqualität insgesamt beitragen kann. Literatur [1] G. Koch, Cost of corrosion, Elsevier Ltd, 2017, p.-3-30. [2] G. M. Calvi, M. Moratti, G. J. O’Reilly, N. Scattarreggia, R. Monteiro, D. Malomo, P. M. Calvi und R. Pinho, „Once upon a Time in Italy: The Tale of the Morandi Bridge,“ Structural Engineering International, Bd. 29, p. 198-217, 2019. [3] C. Nuti, B. Briseghella, A. Chen, D. Lavorato, T.- Iori und I. Vanzi, „Relevant outcomes from the history of Polcevera Viaduct in Genova, from design to nowadays failure,“ Journal of Civil Structural Health Monitoring, Bd. 10, p. 87-107, 2020. [4] A. Schießl-Pecka, U. Willberg, A. Rausch und W. B. BERICHT, „100 Jahre Dauerhaftigkeit für Brücken- und Tunnelbauwerke,“ 1002. [5] M. Torres-Luque, E. Bastidas-Arteaga, F. Schoefs, M. Sánchez-Silva und J. F. Osma, „Non-destructive methods for measuring chloride ingress into concrete: State-of-the-art and future challenges,“ Construction and Building Materials, Bd. 68, p. 68-81, 2014. [6] J. Cabezas, T. Sánchez-Rodríguez, J. A. Gómez-Galán, H. Cifuentes und R. G. Carvajal, „Compact embedded wireless sensor-based monitoring of concrete curing,“ Sensors (Switzerland), Bd. 18, 2018. [7] W. D. Leon-Salas und C. Halmen, „A RFID Sensor for Corrosion Monitoring in Concrete,“ IEEE Sensors Journal, Bd. 16, p. 32-42, 2016. [8] S. Jiang und S. V. Georgakopoulos, „Optimum power transmission of wireless sensors embedded in concrete,“ RFID 2010: International IEEE Conference on RFID, p. 237-244, 2010. [9] M. N. Soutsos, J. H. Bungey, S. G. Millard, M. R. Shaw und A. Patterson, „Dielectric properties of concrete and their influence on radar testing,“ NDT and E International, Bd. 34, p. 419-425, 2001. [10] M. R. Shaw, „The permittivity and conductivity of concretes at ground-penetrating radar frequencies,“ Advances in Cement Research, Bd. 10, p. 187-194, 1998. [11] B. Filali, F. Boone, J. Rhazi und G. Ballivy, „Design and calibration of a large open-ended coaxial probe for the measurement of the dielectric properties of concrete,“ IEEE Transactions on Microwave Theory and Techniques, Bd. 56, p. 2322-2328, 2008. [12] K. M. Z. Shams und M. Ali, „Wireless power transmission to a buried sensor in concrete,“ IEEE Sensors Journal, Bd. 7, p. 1573-1577, 2007. [13] M. Fallah Rad und L. Shafai, „Embedded Microstrip Patch Antenna for Structural Health MonitoringApplications,“ in 2008 IEEE Antennas and Propagation Society International Symposium, 2008. [14] X. Jin und M. Ali, „Reflection and transmission properties of embedded dipoles and PIFAs inside concrete at 915 MHz,“ in IEEE Antennas and Propagation Society, AP-S International Symposium (Digest), 2009. [15] J.-M. Laheurte, A. Kabalan, H. Retima, E. Piedallu, F. Michelis und B. Lebental, „Embedded UHF RFID Tag for Durability Monitoring in Concrete,“ Wireless Sensor Network, Bd. 08, p. 137-144, 2016. [16] D. Mair, M. Renzler, A. Pfeifhofer und T. Ußmüller, „Evolutionary Optimization of Asymmetrical Pixelated Antennas Employing Shifted Cross Shaped Elements for UHF RFID,“ 2020. [17] D. Gunjic, J. Walk, M. Fischerf und T. Ussmueller, „Realization of a Passive UHF RFID Sensor Platform for the Detection of Damages on a Concrete Reinforcement,“ in Proceedings of the 52 nd European Microwave Conference, 2023. [18] Zimmermann, Lorenz, „Korrosionsinitiierender Chloridgehalt von Stahl in Beton,“ ETH Zurich, 2000. [19] Schiegg, Yves, „Online-Monitoring zur Erfassung der Korrosion der Bewehrung von Stahlbetonbauten,“ ETH Zurich, 2002. [20] Molina, Moreno, „Zerstörungsfreie Erfassung der gelösten Chloride im Beton,“ ETH Zurich, 1993. [21] J. Stark und B. Wicht, Dauerhaftigkeit von Beton,-2., aktual Hrsg., Berlin and Heidelberg: Springer Vieweg, 2013. [22] C. Sodeikat, C. Dauberschmidt, P. Schießl, C. Gehlen und G. Kapteina, „Korrosionsmonitoring von Stahlbetonbauwerken für Public Private Partnership Projekte: Dauerhaftigkeit sichtbar gemacht,“ Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 101, p. 932-942, December 2006.