Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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Algorithmische Erkennung von Stützmauern aus 3D-Punktwolken der Straßenbefahrung
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Frank Schiffmann
Rade Hajdin
Lazar Rakić
Rico Richter
Der Kanton Uri gehört als Bergkanton zu einem der Schweizer Kantone, deren Straßeninfrastruktur sehr viele Stützmauern aufweist. Stützmauern gehören zu den kritischen Objekten, welche im Fall ihres Versagens vor allem in Bergregionen erhebliche Auswirkungen auf die Straßennutzenden in Bezug auf Sicherheit und Verfügbarkeit sowie auf den Umfang der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Straßeninfrastruktur haben können. Eine wesentliche Grundlage zur Erhaltungsplanung ist die Geometrie von Stützmauern, d. h. die Länge und die sich über den Verlauf ändernde Höhe dieser Objekte. Im Rahmen eines Pilotprojekts konnte ein Algorithmus entwickelt werden, welcher aus vorhandenen 3D-Punktwolken die Geometrie bergseitiger Stützmauern erkennt. So kann der personelle und zeitliche Aufwand zur Erfassung von Inventardaten minimiert und durch die Digitalisierung dieses Prozesses eine Effizienzsteigerung erreicht werden. In diesem Beitrag wird die entwickelte Methodik für die (halb-)automatisierte Erkennung von bergseitigen Stützmauern aufgezeigt und der weitere Nutzen im Rahmen der Digitalisierung der Straßeninfrastruktur dargestellt.
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2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 93 Algorithmische Erkennung von Stützmauern aus 3D-Punktwolken der Straßenbefahrung Dr. sc. ETH Dipl.-Ing. Frank Schiffmann Infrastructure Management Consultants GmbH, Mannheim Univ.-Prof. Dr. sc. techn. ETH Rade Hajdin Infrastructure Management Consultants GmbH, Zürich Lazar Rakić, M. Sc. ETH Infrastructure Management Consultants GmbH, Zürich Dr. rer. nat. Rico Richter, M. Sc. Point Cloud Technology GmbH, Potsdam Zusammenfassung Der Kanton Uri gehört als Bergkanton zu einem der Schweizer Kantone, deren Straßeninfrastruktur sehr viele Stützmauern aufweist. Stützmauern gehören zu den kritischen Objekten, welche im Fall ihres Versagens vor allem in Bergregionen erhebliche Auswirkungen auf die Straßennutzenden in Bezug auf Sicherheit und Verfügbarkeit sowie auf den Umfang der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Straßeninfrastruktur haben können. Eine wesentliche Grundlage zur Erhaltungsplanung ist die Geometrie von Stützmauern, d. h. die Länge und die sich über den Verlauf ändernde Höhe dieser Objekte. Im Rahmen eines Pilotprojekts konnte ein Algorithmus entwickelt werden, welcher aus vorhandenen 3D-Punktwolken die Geometrie bergseitiger Stützmauern erkennt. So kann der personelle und zeitliche Aufwand zur Erfassung von Inventardaten minimiert und durch die Digitalisierung dieses Prozesses eine Effizienzsteigerung erreicht werden. In diesem Beitrag wird die entwickelte Methodik für die (halb-)automatisiert Erkennung von bergseitigen Stützmauern aufgezeigt und der weitere Nutzen im Rahmen der Digitalisierung der Straßeninfrastruktur dargestellt. 1. Einführung Der Kanton Uri betreibt und unterhält ein kantonales Straßennetz von knapp 155 km mit etwa 2865 Kunstbauten. Dieses reicht im Innerschweizer Kanton von einer Höhe von 435 bis zu 2436 Meter über Meer. Es erschließt die Urner Gemeinden im Talboden sowie die Bergregionen und verbindet sie sowohl untereinander als auch mit den unmittelbar benachbarten Kantonen. Die besonderen topografischen Gegebenheiten führen zu unterschiedlichen Anforderungen für den Betrieb und Unterhalt. Dabei gehören saisonale Passschließungen und der Umgang mit Naturgefahren zum operativen Tagesgeschäft. Zusätzlich gehören die Urner Passstraßen zum Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, woraus sich zusätzliche Anforderungen für die Erhaltung dieser Infrastruktur ergeben. 1.1 Gefährdungen der Straßeninfrastruktur Im Laufe der Nutzungsdauer ist die Straßeninfrastruktur unterschiedlichen Gefährdungen ausgesetzt, welche dazu führen können, dass sie die ihr zugewiesene Funktion nur teilweise oder gar nicht erfüllen kann. Gefährdungen werden grundsätzlich eingeteilt in solche, die sich langsam entfalten und solche die sich schnell ereignen. Beide können zu einem plötzlichen Versagen (oder anderweitiger Funktionsbeeinträchtigung) führen, aber sie unterscheiden sich dadurch, dass bei den ersteren das Versagen am Ende eines über mehrere Jahre oder Jahrzehnte laufenden Schädigungsprozesses eintritt, wogegen bei den letzteren das Versagen und dessen unmittelbare Ursache mehrere Stunden oder höchstens Tage auseinanderliegen. Dies ist zum Beispiel bei Naturgefahren der Fall [1]. Aussagen über die resultierenden Langzeitkosten von Maßnahmenoptionen sind für den Kanton Uri als Bergkanton von großer Bedeutung damit Gegenmaßnahmen zur Vorbeugung zu minimalen Kosten geplant und eingeleitet werden können. Die Grundlage für diesen Prozess der Entscheidungsfindung liefert die strategische Erhaltungsplanung im Rahmen des Erhaltungsmanagements. 1.2 Erhaltungsmanagement Das Erhaltungsmanagement gemäß [2] umfasst die systematische Planung und Lenkung der Erhaltung auf strategische sowie auf operative Ebene. Dabei zählen im schweizerischen Kontext zur Erhaltung die Aufgaben Überwachung, kleiner baulicher Unterhalt und baulicher Unterhalt. Dies ist in Deutschland gleichzusetzen mit dem Begriff der baulichen Erhaltung [3] bzw. der Bauwerkserhaltung (hierbei zählt zusätzlich die betriebliche Unterhaltung) [4]. Das Erhaltungsmanagement der Straßeninfrastruktur ist ein informationsgestützter Prozess, welcher auf den Daten der Überwachung zum Auf bau der einzelnen Infrastrukturobjekte und deren Zustand aus den Zustands- 94 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Algorithmische Erkennung von Stützmauern aus 3D-Punktwolken der Straßenbefahrung erfassungen der Inspektionen im jeweiligen Rhythmus auf baut. Das Straßennetz im Kanton Uri wird im 5-Jahresrhythmus überwacht und dafür in ca. 5 gleich große und für die jährliche Organisation der Überwachung sinnvolle Netzregionen unterteilt. Durch die Unterteilung in diese 5 Überwachungsregionen kann eine jährliche Durchführung mit annähernd gleichem Tätigkeitsaufwand und -umfang sichergestellt werden. Die jeweils jährlich zu inspizierende Region umfasst dabei alle relevanten Objektarten. Hierzu zählen Straßen, Entwässerungen, Kunstbauten (Brücken, Tunnel, Stützmauern), Betriebs- und Sicherheitsausrüstung sowie die an den Infrastrukturobjekten vorherrschende Geländegeologie. 1.3 Problemstellung und Ziele Die Daten der Kunstbauten wurden im Rahmen eines immer noch andauernden Digitalisierungsprozesses im Kanton Uri in der Kunstbauten-Datenbank strukturiert abgelegt, aktualisiert und dienen als Grundlage für die fortlaufende Planung der Überwachung und der Erhaltungsplanung. Von den im Kanton Uri vorhandenen ca. 2865 Kunstbauten sind etwa 1685 Stützmauern-Objekte. Diese Stützmauern-Objekte sind grundsätzlich jeweils als Objekt erfasst, es fehlen jedoch zum überwiegenden Teil aktuell der Höhenverlauf (Höhenprofil) entlang der Straßen. Gerade im Kanton Uri als Bergkanton spielen Gefährdungen für die Stützmauern eine bedeutende Rolle. Ein Versagen der Objekte hat gerade in Bergregionen erhebliche Konsequenzen, bei der Regionen völlig abgeschnitten werden können. Aus diesem Grund dürfen Stützmauern im Rahmen der Überwachung und Erhaltungsplanung der Straßeninfrastruktur nicht vernachlässigt werden, um während der Entscheidungsfindung rechtzeitig und möglichst wirtschaftlich optimal eingreifen zu können. Dies setzt somit voraus, dass die relevanten Daten des vorhandenen Stützmauern-Inventars erfasst und fortlaufend aktualisiert und gepflegt werden. Eine wesentliche Grundlage ist die vorhandene Geometrie von Stützmauern, welche Aufschluss über die Länge und die im Verlauf ändernde Höhe dieser Objekte gibt. Diese Daten sind aktuell netzweit nur für wenige Objekte vorhanden und müssen für alle Stützmauern grundlegend digitalisiert werden. Grundsätzlich lassen sich diese Daten manuell erfassen. Das Höhenprofil kann manuell vor Ort oder über eine Mobile-Mapping-Applikation am Bildschirm durch manuelles Abtasten in der 360°-Bilddarstellung mit der Computer-Maus der unterschiedlichen Höhen über die Länge ermittelt werden. Dies stellt einen erheblichen zusätzlichen zeitlichen Aufwand dar, da einerseits längs entlang der Straßenachse mehrere Standorte für die manuelle Bildschirmvermessung ausgewählt werden müssen und andererseits für eine Übertragung die Messwerte abgelesen und für die Eingabe zwischen den Applikationen gewechselt werden muss. Aus der Straßenbefahrung für die Mobile-Mapping-Applikation stehen 3D-Punktwolken des Straßenraums zur Verfügung. Im Rahmen einer Pilotstudie sollte geklärt werden, ob die bereits vorhandene 3D-Punktwolke-Daten genutzt werden können, um das Höhenprofil von bergseitigen Stützmauern (halb-) automatisiert erkannt und für den Import in die Kunstbauten-Datenbank gespeichert werden kann. Damit soll der personelle und zeitliche Aufwand minimiert und durch die Digitalisierung dieses Prozesses eine Effizienzsteigerung erreicht werden. 2. Vorgehensweise und Einschränkungen Für die Extraktion des geometrischen Längsprofils von Stützmauern aus den 3D-Punktwolke-Rohdaten des Geländes inkl. vorhandener Stützmauern und Straßenoberfläche wurde ein Prozess entwickelt, welcher mehrere notwendige Module beinhaltet. Die jeweiligen Module beinhalten mehrere Teilprozessschritte, welche in Teilen durch eine Programmierung automatisiert werden können und in Kapitel 3 beschrieben sind. Nach Ablauf der zum Teil automatisierten Prozessschritte stehen die Daten mit den diskretisierten Höhenkoordinaten über die Länge je Stützmauer zur Verfügung. Diese Daten können dann in die Kunstbauten-Datenbank importiert werden. Der in dieser Pilotstudie entwickelte Prozess besteht aus zwei Modulen und kann aus 3D-Punktwolken des Geländes, in dem sich die Stützmauer und die Straßenoberfläche befinden, Höhenprofile einer großen Anzahl von Stützmauern extrahieren. Dies muss noch in einer folgenden weiteren Anwendung zur Skalierung validiert werden. Aus diesem Grund wurde vorerst ein manuell durchzuführender Teilprozessschritt zur Qualitätssicherung und dem Identifizieren sowie Korrigieren von vorhandenen Fehlern eingeführt. Dies zeigt sich gerade bei ungünstigen Lagen von Stützmauern im Bezug zum Gelände, z. B. Fels am bergseitigen Straßenrand wird durch seine ähnliche Neigung im Vergleich zur Stützmauer falsch als Stützmauer identifiziert. Das Verfahren wurde anhand von zwei Punktwolken-Datensätzen mit insgesamt sechs Stützmauern einem Proof-of-Concept unterzogen und somit deckt dies vermutlich nicht alle Stützmauertypen mit ihren spezifischen geometrischen Eigenschaften ab. Es wird davon ausgegangen, dass im Rahmen einer netzweiten Erstellung von Höhenprofile eine Menge von einer weiteren Stichprobe von Stützmauern für die automatische Generierung ausreichen sollte. Dadurch kann später eine beliebige Anzahl von Stützmauern schnell bearbeitet, für die letzte Kontrolle und die Qualitätssicherung kurz visuell untersucht und schließlich umgehend korrigiert werden. 3. Entwickeltes Verfahren zur Segmentierung der Stützmauer aus der 3D-Punktwolke (Modul 1) Im ersten Modul des Verfahrens wird eine 3D-Punktwolke in ein Punktcluster umgewandelt, das nur die Stützmauer enthält. Es wurde eine Verarbeitungskette entwickelt, die verschiedenen geometrisch basierten Algorithmen und deren Parameter kombiniert, um die Stützmauer aus der gesamten 3D-Punktwolke zu segmentieren. 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 95 Algorithmische Erkennung von Stützmauern aus 3D-Punktwolken der Straßenbefahrung Abb. 1: Zusammengeführte 3D-Punktwolkendateien Die Grundlage bildet ein Datenset von 3D-Punktwolken im LAZ-Format aus der Mobile-Mapping-Applikation (Abb. 1). Die Einzeldateien enthalten jeweils Teile des gesamten Stützmauerscans zusammen mit dem umgebenden Gelände und der Straßenoberfläche. Die Einzeldateien werden zusammengeführt und in einem weiteren Schritt neu abgetastet, um doppelt vorhandene Punkte zu entfernen. Ergebnis ist eine einzige 3D-Punktwolke mit vollständiger Stützmauer, umgebendes Gelände und Straßenoberfläche (Abb. 2 [a]). Im weiteren Vorgehen werden die einzelnen Punkte der 3D-Punktwolke nach verschiedenen Verarbeitungsschritten unterschiedlich eingefärbt und mit ihren umliegenden Nachbarpunkten verglichen. Dadurch wird es möglich das Stützmauerobjekt in seinen Konturen zu identifizieren und als Objekt zu isolieren. Für die einzelnen Verarbeitungsschritte kommen verschiedene zur Verfügung stehende Standardalgorithmen zur Anwendung. Die Verarbeitungsschritte mit den dafür angewendeten Algorithmen werden folgend aufgeführt. 3.1 Identifizierung der Unterkante der Stützmauer Für die Identifizierung der Unterkante der Stützmauer dient vor allem die relativ ebene Straßenoberfläche, welche annähernd senkrecht zur Stützmauer ausgerichtet ist. Hierfür wird zuerst der Normalvektor der Punkte (Punktnormale) berechnet. Dafür wird die Oberfläche, die durch jeden Punkt und seine benachbarten Punkte repräsentiert ist, geschätzt. Eine weitere algorithmische Berechnung der konsistenten Ausrichtung der benachbarten Normalenvektoren ermöglicht die Einfärbung je nach Lage der Punkte in vertikaler Ebene in rosa und der Punkte in horizontaler Ebene in blauer Farbe (Abb. 2[b]). Weiter erfolgt eine Schätzung der Krümmung benachbarter Punkte auf der Grundlage der quadratischen Formanpassung und Ermittlung der Gradienten der Hauptkrümmung. Hierbei repräsentieren Punkte mit höheren Krümmungswerten, d. h. höhere Varianz um die angepasste Fläche zweiter Ordnung und damit unebene Regionen, in grüner Farbe und Punkte mit niedrigeren Krümmungswerten, d. h. flachere Regionen, in roter Farbe (Abb. 2[c]). [a] [b] [c] [d] [e] Abb. 2: Schrittweises Vorgehen zur Identifizierung der Straßenoberfläche und resultierenden Unterkante der Stützmauer [a]-[e] 96 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Algorithmische Erkennung von Stützmauern aus 3D-Punktwolken der Straßenbefahrung Zusätzlich zu den Berechnungen der Punktnormalen und Krümmungsmerkmalen erfolgt eine Anwendung von dichtebasiertes Clustering- und Regionswachstumsalgorithmen. Dies ermöglicht die Segmentierung der an die Stützmauer angrenzenden Straßenoberfläche, welche dadurch in brauner Farbe gefärbt werden und sich klar abheben (Abb. 2[d]) und entfernt werden kann (Abb. 2[e]). 3.2 Identifizierung der Oberkante und Isolierung der Stützmauer als separate 3D-Punktwolke Zur Identifizierung der Oberkante erfolgt auch die Berechnung der Punktnormalen und Krümmungsmerkmalen, nun unter Verwendung verschiedener Parameter- und Schwellenwertkombinationen. Hierbei können die verschiedenen Neigungen benachbarter Punkte mit unterschiedlicher Färbung sichtbar gemacht werden. In Abb. 3 [f] werden die Punkte je nach Lage der Punkte in vertikaler Ebene in rosa und der Punkte in horizontaler Ebene in blauer Farbe dargestellt. In einem weiteren Schritt werden benachbarte Punkte mit einer vertikalen Ausrichtung der Punktnormale (Punkte in der Nähe der horizontalen Ebenen) über dem festgelegten Schwellenwert eliminiert (Abb. 3 [g]). Dabei verbleiben die Punkte in der Nähe der vertikalen Ebenen in der Punktwolke. Durch die Verwendung von dichtbasierten Clustering-Algorithmen können kleinere isolierte Punktcluster entfernt werden. Die verbleibenden unerwünschten Punktcluster können durch geometriebasierte Abstandsregeln weiter eliminiert werden, und man erhält schließlich ein Punktcluster, welches der Stützmauer annähernd entspricht (Abb. 3 [h]). Die verbleibende Vegetation an der tatsächlichen Begrenzung der Stützmauer kann anhand der Farbwerte weiter gefiltert werden. Wenn die Farbwerte nicht vorhanden (Laserscans ohne Bilder) oder nicht zuverlässig (verschiedene Jahreszeiten und/ oder Vermessungstechniken) sind, kann auch ein geometrischer Algorithmus angewendet werden, der die obere Grenze mittelt, z. B. basierend auf stückweiser linearer Kurvenanpassung an der Oberkante. Ergebnis ist die segmentierte 3D-Punktwolke der Stützmauer (Abb. 3 [i]). [e] [f] [g] [h] [i] Abb. 3: Schrittweises Vorgehen zur Identifizierung der oberen Stützmauerkante [e]-[i] 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 97 Algorithmische Erkennung von Stützmauern aus 3D-Punktwolken der Straßenbefahrung 4. Proof-of-Concept Nach der Entwicklung des Verfahrens wurde dies eines Proof-of-Concept unterzogen. Hierfür erfolgte eine An wendung an zwei verschiedenen Randbedingungen des umliegenden Geländes. 4.1 Anwendungsfälle Im ersten Anwendungsfall konnten die Stützmauern durch den Algorithmus gut erkannt werden. Hierbei wurden zwei aufeinanderfolgende Stützmauern auf einem geraden Straßenabschnitt gewählt. Dieser Anwendungsfall 1 ist in Abb. 4 [j]-[l] dargestellt. [j] [k] [l] Abb. 4: Schrittweise Ergebnisse im Anwendungsfall 1 [j]-[l] In einem Anwendungsfall 2 (Abb. 4 [m]-[o]) wurden etwas komplexere Randbedingungen für die nächsten vier Stützmauern gewählt. Einerseits wurde ein Straßenabschnitt gewählt, welcher eine Serpentine beinhaltet. Andererseits war das Gelände geprägt von Felswänden, welche in Nachbarschaft zu den Stützmauern lagen. Das Gelände mit anstehendem Felsen neben der Straßenoberfläche hatte fast die gleiche Ausrichtung der Punktnormalen und Krümmungswerte sowie die geometrische Position, um als Stützmauern angesehen zu werden. Hier sollten für die netzweite Stützmauererfassung zusätzliche Nachbearbeitungsschritte durch weitere geometrische Regeln hinzugefügt werden, um diese Artefakte zu entfernen. 4.2 Diskussion und Verbesserungsmöglichkeiten Im Hinblick auf eine Verbesserung zur Vermeidung einer Falsch-Identifikation von Felspartien müssen Erweiterungen der geometrischen Algorithmen zur Segmentierung an weiteren Punktwolkendaten getestet werden. Zusätzlich ist geplant, einen einfachen manuellen Visualisierungs-, Kontroll- und Nachbearbeitungsschritt in die Verarbeitungskette aufzunehmen, um sicherzustellen, dass die Segmentierung erfolgreich durchgeführt wurde. [m] [n] [o] Abb. 5: Schrittweise Ergebnisse im Anwendungsfall 2 [m]-[o] Eine weitere Verfeinerung der in dieser Verarbeitungskette verwendeten Algorithmen und Methoden wird notwendig sein, um die Anwendung auf mehr Stützmauern zu skalieren, ebenso wie mögliche Anpassungen des Segmentierungsalgorithmus in Abhängigkeit vom Stützmauertyp. 98 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 Algorithmische Erkennung von Stützmauern aus 3D-Punktwolken der Straßenbefahrung 5. Nutzung der segmentierten Stützmauern für die Erstellung von Höhenprofilen (Modul 2) In dem zweiten Modul des Verfahrens wird die segmentierte 3D-Punktwolke der Stützmauer entlang ihrer Längsscheiben analysiert. Jede 3D-Punktgruppe einer Stützmauer in der Längsscheibe wird auf die am besten passende 2D-Ebene projiziert und diskretisiert. Dadurch können die relevanten Höhenwerte aus dem gesamten Längsprofil ermittelt und schließlich eine stückweise lineare Funktion gebildet werden, deren Ausgabe ein Höhenprofil darstellt. 5.1 Unterteilung der Stützmauern in Längsscheiben Längere Stützmauern besitzen in der Regel wegen der Bergstraßenführung eine gekrümmte Längsachse und müssen in kleineren Längsscheiben verarbeitet werden, wobei jede Längsscheibe dann ein fast gerades Segment darstellt. Dieser Verarbeitungsschritt wird algorithmisch umgesetzt und minimiert für den nächsten Schritt den Fehler bei der Projektion von Punkten von 3Dauf 2D- Ebene. Bei kürzeren und fast geraden Stützmauern wird dieser Verarbeitungsschritt in der Regel übersprungen, wenn der Algorithmus feststellt, dass die Abweichung die geraden von der gekrümmten Stützmauerachse unter dem angegebenen Schwellenwert ist. Ein Beispiel der Unterteilung von Stützmauer in Längsscheiben und eine Detailansicht der ersten Scheibe ist in Abb. 6 gegeben. Abb. 6: Gekrümmter Pfad einer Stützmauer 5.2 Projizierung der Längsscheiben auf 2D und deren Zusammenführung in Längsprofile Nach der Erstellung annähernd gerader Stützmauerscheiben wird jede Scheibe von 3Dauf die 2D-Ebene projiziert, wobei geometrische Algorithmen zum Einsatz kommen, die den Projektionsfehler minimieren und die ursprünglichen 3D-Höhenabstände für die Höhenprofile beibehalten. Alle 2D-Projektionen werden wieder zusammengeführt (Abb. 7), und die eventuellen Lücken zwischen den Stützmauern, welche dem Objekt in der Kunstbauten-Datenbank entsprechen, werden identifiziert, wie z. B. in dem getesteten Anwendungsfall 1 für das kleinere Objekt (Abb. 7, bei 150-Meter-Marke). Das Ergebnis dieses Verarbeitungsschrittes ist eine abgewickelte 2D- Darstellung des Längsprofils der Stützmauer, die wir ein Höhenprofil nennen. Abb. 7: Projizierte Punkte von 3Dauf 2D-Ebene 5.3 Berechnung von Höhenprofilen aus den Längsprofilen Die Höhendifferenzen werden in den adaptiven Intervallen entlang der Länge vom 2D-Längsprofil der Stützmauer berechnet. Das Längsprofil wird auf ein anderes 2D- Kordinatensystem projiziert, bei dem die Unterkante des Längsprofils gerade ist, und stellt den Höhenpunkt Null für die Berechnung von Höhendifferenz dar. Danach wird eine stückweise lineare Funktion an das Längsprofil angepasst, um die Oberkante des Profils zu berechnen, wobei ein diskretisiertes Höhenprofil mit deutlich weniger Punkten entsteht. Letztlich können die diskretisierten Höhenprofile in einer CSV-Datei extrahiert und in inf- Kuba importiert werden. Abb. 8: Höhenprofil entlang der Stützmauerlänge 6. Ausblick für Möglichkeiten der erweiterten Ergebnisnutzung Mit den Ergebnissen des vorgestellten Verfahrens lassen sich mit Hilfe einer weiteren Entwicklung zusätzliche Aufgaben im Rahmen der Digitalisierung lösen. Aus den segmentierten Punktwolken können automatisch 3D-triangulierte Oberflächennetze (Mesh) rekonstruiert werden. Grundsätzlich können diese triangulierte Oberflächendarstellungen mit jedem 3D-Objektbetrach- 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 99 Algorithmische Erkennung von Stützmauern aus 3D-Punktwolken der Straßenbefahrung ter geladen werden. Diese Oberflächennetze bilden die Grundlage für weitere Einsatzzwecke. Die Entwicklung dieser Methode würde nur eine kleinere Teilmenge von Stützmauerdaten erfordern und kann dann leicht skaliert werden, um automatisch für alle anderen Stützmauern zu funktionieren. Auf bauend auf den Verarbeitungsschritten der 3D-Geometrieerzeugung und der Oberflächenrekonstruktion kann eine IFC-Datei (Industry Foundation Classes) der Stützmauer erzeugt, mit semantischen Informationen angereichert und für einen herstellerunabhängigen BIM- Datenaustausch genutzt werden. Bei Vorhandensein von weiteren geometrischen Informationen, z. B. aus Bohrungen über die Dicke einer Mauer an verschiedenen Stellen oder Daten aus Datenbanken, kann mit definierten Annahmen und einer Reihe von geometrischen Nachbearbeitungsalgorithmen ein 3D-Volumenmodell durch entsprechende Methoden der geschnittenen Extrusionen entlang der Stützmauerlänge erzeugt werden. Dies ermöglicht im Weiteren das Erzeugen von beliebigen Schnitten durch das Bauwerk. Letztlich können im Rahmen einer zu entwickelnden Vorgehensweise Zeitreihen-Analyse zeitlich unterschiedlich erhobener 3D-Punktwolken der gleichen Stützmauer für die Identifikation von Verformungen genutzt werden mit Hilfe von Methoden, die auf der Registrierung von Punktwolken und der Berechnung des geringsten Punktabstands basieren. Literatur [1] Hajdin R. (2016). Machbarkeitsstudie zu risikobasierten, objektbezogenen Ansätzen der Erhaltungsplanung von Brücken und Wasserbauwerken, Im Auftrag der Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe [2] SN 640900 (2022). Erhaltungsmanagement; Grundnorm, Schweizerischer Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS), Zürich [3] FGSV (2001). Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE-Stra 01). Ausgabe 2006, Best.-Nr. 998, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV-Verlag, Köln [4] FGSV (2021). Richtlinien für die strategische Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Ingenieurbauwerken (RPE-ING). Ausgabe 2021, Best.-Nr. 998, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV-Verlag, Köln