eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 2/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
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B90 Brückenensemble Lübeck 3D-Bestandserfassung

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Andreas Petter
Das Brückenensemble Lübeck wurde 06/2016 zur Erstellung von einem 3D-Bestandsmodell für eine Machbarkeitsstudie mit dem TLS von der Innen- und Außenseite erfasst. 2017 erfolgte die Auswertung der Punktwolke bis zum 3D-Modell. Hierbei wurden Erfahrungswerte bei der Umsetzung (Genauigkeit, Automatisierung der Punktwolkenerkennung, Schulung sämtlicher Bauzeichner in der 3D-Bearbeitung, Qualitätsmanagement, Probleme bei der Verschneidung der Elemente, Ermittlung von Volumenkörper etc.) gesammelt.
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2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 101 B90 Brückenensemble Lübeck 3D-Bestandserfassung Vermessungsingenieur Andreas Petter Wasserstraßen-Neubauamt Magdeburg Zusammenfassung Das Brückenensemble Lübeck wurde 06/ 2016 zur Erstellung von einem 3D-Bestandsmodell für eine Machbarkeitsstudie mit dem TLS von der Innen- und Außenseite erfasst. 2017 erfolgte die Auswertung der Punktwolke bis zum 3D-Modell. Hierbei wurden Erfahrungswerte bei der Umsetzung (Genauigkeit, Automatisierung der Punktwolkenerkennung, Schulung sämtlicher Bauzeichner in der 3D-Bearbeitung, Qualitätsmanagement, Probleme bei der Verschneidung der Elemente, Ermittlung von Volumenkörper etc.) gesammelt. 1. Brückenensemble Lübeck Das Brückenensemble Lübeck wurde in der Zeit von 1896 bis 1900 errichtet. Es befindet sich am nördlichen Ende der Lübecker Innenstadt an der Grenze zwischen dem Hansehafen und der Trave. Die letzte planmäßige (Teil- ) Instandsetzung der baulichen, technischen und elektrischen Anlagen einschl. der Gründungskörper erfolgte 1984. Abb. 1: Brückenensemble Lübeck Insgesamt besteht die Brückenanlage aus: • Eisenbahnhubbrücke • mit einer Stützweite von 45,00 m, • Straßenhubbrücke mit einer Stützweite von 42,24 m, • feste Fußgängerbrücke • mit einer Stützweite von 42,24 m, • Türme auf der Stadt- und auf der Vorstadtseite, • Antriebs- und Steuerungstechnik in den Türmen, • Gründung des Gesamtbauwerks, • Lichtsignale • Schrankenanlagen zur Steuerung des Straßenverkehrs etc. Die Tragwerke der Brücken bestehen aus zusammengenieteten L-Elementen. Die Türme, die Brückenanlage und die technischen Betriebseinrichtungen stehen unter Denkmalschutz. 2. Zielvorgabe Bau Für die Berechnung der Statik der 3 Brücken und zur Entscheidung hinsichtlich einer Sanierung oder eines Neubaus der Brücken werden aktuelle Bestandspläne benötigt. Dabei sind die Bauwerkselemente wie Tragwerke (Fußgänger-, Straßen und Eisenbahn-brücke), Widerlager, Lager, die Außenseite der Türme, Innenräume der Türme und die unterirdischen Gänge im Bereich des Bauwerkes zu erfassen. Die digitalen Bestandsunterlagen sollen als 3D-Vektordaten mit einer Gesamt-genauigkeit von 3-4 mm erfasst werden. Zusätzlich sind ein Lageplan und ein digitales Geländemodell zu messen. 3. Vorhandene Bestandsunterlagen Messpfeiler/ Höhenfestpunkte Im Bereich des Brückenensembles waren 5 Messpfeiler vom WSA Lübeck sowie Höhenfestpunkte der WSV und des Landesvermessungsamtes vorhanden. Die vorhandenen Bestandsunterlagen zum Brücken-ensemble stammen aus der Zeit der Erbauung desselben. 4. Aufstellung Messprogramm Für die Bestandserfassung wurde ein Messprogram aufgestellt. Die wichtigsten Punkte waren: • Genauigkeitsanforderung des 3D-Modells (Messgenauigkeit 3-4 mm) • Umfang Messung: Tragwerke, Widerlager, Lager, Turm, Gänge • Planung vom Grundlagennetz • benötigte Gerätschaften wie Laserscanner incl. Laptop mit Auswertesoftware • Einweisung Laserscanner incl. Kontrolle vor Ort • Gerätestandpunkte • Erfassung von Innenräumen und Gängen • Sperrung des Brückenensembles für die Erfassung der Daten (Außenbereich) • Beplankung der Eisenbahnbrücke, da diese nicht zu begehen war • Auswertung der Messung • Beschaffung Software incl. Schulung • Beschaffung 3D-Rechner 102 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 B90 Brückenensemble Lübeck 3D-Bestandserfassung 5. Durchführung der Messung und Auswertung der 3D-Elemente aus der Punktwolke Die Bestandserfassung und die Ermittlung der 3D-Elemente erfolgte durch den Vermessungsbereich des WNA Magdeburg. 5.1 Messung Grundlagennetz Das Grundlagennetz wurde mit der Totalstation Trimble SX10 gemessen. Die Punktgenauigkeit liegt bei 0,5 mm. Für die Höhenbestimmung wurden Höhenfestpunkte der WSV und des Landesvermessungsamtes verwendet. Abb. 2: Netzplanung Grundlagennetz 5.2 Anbringung von 124 Passpunkten Für die Georeferenzierung der Punktwolke und der Kontrolle während der Erfassung der Punktwolken wurden insgesamt 124 Passpunkte mit Magnetfüssen vermarkt. Auf diese Magnetfüße werden die Scankogel bzw. die Prismen zur 3D-Bestimmung gesetzt. Diese identischen Passpunkte waren notwendig, um die Messung der Außenseite direkt kontrollieren zu können. Die Brücke war für die Messung der Außenseite 5 Tage gesperrt. Innerhalb dieses Zeitraumes musste eine fehlerfreie Messung realisiert werden. Abb. 3: Passpunkte Nordseite 5.3 Eingesetzte Gerätschaften Für die Bestandserfassung wurden ein Trimble Laserscanner TX8 (1 Mio. Punkte pro Sekunde) und eine Totalstation Trimble SX10 (25.000 Punkte pro Sekunde) eingesetzt. Der Trimble Laserscanner incl. Laptop mit Auswertungssoftware wurde für 2 Wochen ausgeliehen. Eine Einweisung zur Messung mit dem Laserscanner incl. Qualitätskontrolle nach der Messung erfolgte am 1. Messtag. Abb. 4 (links): Laserscanner Trimble TX8 auf der Eisenbahnbrücke mit Beplankung Abb. 5 (rechts): Trimble SX10 auf Teleskopstativ zur Erfassung der Oberkante Widerlager Fußgängerbrücke 5.4 Durchführung der Messung Bei der Messung wurden 18 Scankugeln eingesetzt. Durch die Passpunkte erfolgte nach jedem Messtag im Nachgang eine Qualitätskontrolle. Es mussten 5 Standpunkte wiederholt werden. Mindestens 7-12 Kugeln waren immer auf einem Scan vorhanden. Der eigentliche Scan dauert 2 Minuten. Danach wurde die Kamera mit Halterung aufgebaut und das Panoramabild erfasst. 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 103 B90 Brückenensemble Lübeck 3D-Bestandserfassung Abb. 6: 360 Grad Panoramabild Mit diesem Panoramabild wird die Punktwolke farblich eingefärbt. 5.5 Qualitätskontrolle der Messung Am Ende der Messung erfolgte jeden Abend die Qualitätskontrolle vom gesamten Scanning. Beim ersten Scan wurden ca. 10 Kugeln erfasst. Beim nächsten Scan wurden ca. 8 Kugeln der 1. Messung erfasst. Dadurch konnten alle 55 Standpunkte der Messung im Außenbereich verknüpft werden. Es müssen 5 Standpunkte wiederholt werden. Insgesamt wurden 115 Standpunkte gemessen. 5.6 Beschaffung der Software/ 3D-Rechner Für die Auswertung der Bestandserfassung wurde ein leistungsstarker Rechner incl. Software zur Auswertung der Punktwolken incl. Schulung beschafft. Zur Erstellung von 3D-Elementen wurde die Auswertungssoftware Trimble Real Works und zur Auswertung der Punktwolken incl. Modellierung sowie für die Auswertung des Tragwerks der Brücken das Programm Trimble Edgewise beschafft. Für die Bauzeichner erfolgte anhand des konkreten Projektes eine weitere Schulung zur 3D-Modellierung. 5.7 Auswertung der Messung Zu Beginn der Auswertung erfolgte eine automatische Zielmarkenerkennung der Scankugeln. Im Anschluss wird jeder Scan dahingehend überprüft, ob alle Kugeln vollzählig bzw. richtig erkannt worden sind. Abb. 7: Tabelle mit Messgenauigkeit der Kugeln (Antriebszylinder) Abb. 8: Zielmarken Großer Turm Innen (Messung wurde ohne Bilderfassung durchgeführt) 104 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 B90 Brückenensemble Lübeck 3D-Bestandserfassung Über diese Scankugel erfolgt mit einem 4 -stelligen örtlichen Koordinatensystem mit dem Maßstabsfaktor 1.000 (annährend das GK-System) die Georeferenzierung der 115 Standpunkte in das Koordinatensystem. Die 7stelligen Koordinaten wurden, hinsichtlich der späteren Übergabe der 3D-Elemente von der Software Trimble Real Works an Micro Station, um die vorderen Stellen gekürzt. Die Größe der späteren 3D-Datei des Brückenensembles wird dadurch zusätzlich minimiert. Es liegt eine unaufgeräumte Punktwolke im örtlichen Koordinatensystem vor. 5.8 Aufräumen der Punktwolke Aus der Punktwolke wurden sämtliche Störpunkte entfernt. Dabei wurde die Punktwolke gleichzeitig in die Teilbereiche Eisenbahnbrücke, Fußgängerbrücke, Straßenbrücke, Uferwände, Türme, Gänge, Innenräume und Aussparungen aufgeteilt. Die Punktwolke der Straßenbrücke (Hubbrücke) wurde im Lastfall oben durch Auswahl der entsprechenden Standpunkte erstellt. Abb. 9: entfernte Störpunkte der Fußgängerbrücke Abb. 10: Detail Fußgängerbrücke 5.9 Herkunft der Daten für das 3D-Modell Das 3D-Modell des Brückenensembles setzt sich aus folgenden Daten zusammen: • Objekte aus dem Scan (Modellierung von Elementen) • Vermaschung aus Scanpunkten (z. B. Verformung Wand) • Objekte aus klassischer Vermessung (Gang Sohle) • Konstruktion aus Bestandsplänen (Fundamente Außenseite) • Konstruktion mit CAD aus Punktwolken (Knotenbleche, Spindel, Leiter etc.) 5.10 Allgemeine 3D-Elemente Abb. 11: Punktwolke Tragwerk Straßenbrücke (es fehlt noch das Element Kugel) Aus der Scanwolke werden einzelne Punktwolkenbereiche herausgeschnitten. Mit diesem Teilbereich wird z. B. eine Ebene erstellt. Zylinder wie zum Beispiel Entwässerungsrohre werden automatisch erkannt. Eine automatische Zylinder- und Ebenenerkennung wäre mit der Software Trimble Edgewise möglich gewesen, jedoch war eine Selektierung der Elemente wegen der Oberflächenstruktur der Türme nicht möglich. Zur Kontrolle wurde das 3D-Modell mit der Punktwolke überprüft. Abb. 12: Punktwolke und 3D-Elemente 6. 3D-Modell Tragwerk Brücken Bei den Tragwerken der Brücken handelt es sich nicht um T-Träger, sondern um zusammengenietete L-Elemente. Im Programm Trimble Edgewise wird für jede Trägerart ein „T-Träger“ anhand von alten Querschnitten bzw. örtlichen Aufmaßen definiert. Diese „T-Träger“ werden in der Punktwolke rausgeschnitten. Das Programm legt den definierten Querschnitt optimiert in diese Punktwolke. Es entsteht ein räumlicher Verlauf des „T-Trägers“. 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 105 B90 Brückenensemble Lübeck 3D-Bestandserfassung Abb. 13: Programm Trimble Real Works Verlauf „T- Träger“ und die Punktwolke Abb. 14: Tragwerk Fußgängerbrücke 6.1 Verschneidung der 3D-Elemente Es wurden 3D-Elemente im DGN-Format und eine bereinigte Punktwolke im E57 Format übergeben. Die 3D- Elemente wurden von den Bauzeichnern des WNA Magdeburg mit dem Programm Micro Station verschnitten. Aus diesen 3D-Elementen wurden Volumenkörper und Flächenelemente für Bereiche, die nur dargestellt (z. B. oberer Bereich des großen Turms) werden sollen, erstellt. Hierbei mussten die Volumenkörper vollständig geschlossen sein. Die Qualitätskontrolle am 3D-Modell erfolgte über die Punktwolke. 6.2 Konstruktion der 3D-Elemente Die Konstruktion einzelner Elemente von Knotenblechen, Spindeln, Antriebstechnik, Lampen etc. erfolgte durch die Bauzeichner mit dem Programm Micro Station anhand von ausgelesenen Punkten der Punktwolke bzw. von Grundelementen (Zylinder, Kreis, Ebenen etc.). Die Fundamente aller Bauwerke wurden aus Längs- und Querprofilen konstruiert. Die Gänge sind bei Messung erfasst und als 3D-Volumenkörper ausgewertet worden. Diese Gänge wurden aus dem Volumenkörper Fundament herausgeschnitten. 6.3 Auswertung mit Micro Station Die Ebenen, Flächen, Zylinder und Kegelflächen wurden an Hand von Punktwolken durch den Vermesser erstellt. Im Anschluss wurden die 3D Elemente dann in Micro Station durch die Bauzeichner miteinander verschnitten. Es entstanden so annährend geschlossene 3D-Körper. Bei einigen verwinkelten Bereichen des Bauwerkes wie z. B. den Aussparungen waren jedoch kleinere Bereiche nicht komplett verschnitten. Dort gab es kleinere Lücken im 1 mm Bereich. Diese Bereiche stellten sich erst bei der Erstellung der Volumenköper heraus. Im Herbst 2021 wurden auf Anforderung vom AN aus den Flächenelemente jeweils Volumenkörper erstellt. Nicht für die Planung benötigte 3D Elemente wurden als Flächenkörper belassen. Wünschenswert wäre eine Funktion, wie die „Schließung von Volumenkörper“ gewesen, wo kleinere offene Bereich angezeigt und durch die Software automatisch korrigiert werden. 7. 3D Modell Brückenensemble Lübeck Das 3D-Modell besteht aus 17 Einzeldateien im DGN- Format. Die Übergabe an den AN erfolgte im ifc, dgn und dxf-Format. Zusätzlich steht eine Punktwolke vom gesamten Brückenensemble im Innen- und Außen-bereich Lübeck zur Verfügung. Abb.15: 3D-Modell Brückenensemble Lübeck Durch die 3D-Bestandserfassung gibt es eine besser zu verstehende räumliche Darstellung des Bauwerkes. Die Vergabe der Leistung wie z. B. die Sanierung der Tragwerke wird vereinfacht. Es können z. B. die Längen und die Lage der auszutauschenden Stahlbauteile abgegriffen und dargestellt werden. Zusätzlich können dynamische Längs - bzw. Querschnitte ermittelt werden. Für die Erstellung des BIM-Modells werden Teilbereiche des 3D- Modells je nach Erforderlichkeit mit Attributen ergänzt. Eine 3D-Bestandserfassung ist für die Sanierung von Wasserbauprojekten sinnvoll. Bei der Volumenberechnung für den Abriss eines Wehrs (z. B. DSW Quitzöbel) bzw. komplexer Bauwerksteile (z. B. Oberhaupt einer Schleuse) sowie Widerlager etc. ist ein erstelltes 3D-Modell eine Vereinfachung für die Bauabrechnung. 106 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2023 B90 Brückenensemble Lübeck 3D-Bestandserfassung Verbesserung 3D-Bestandserfassung: • benötigte Genauigkeit der 3D-Elemente (Trennung Messgenauigkeit und Genauigkeit Element z. B. Element Abweichung 0,002 m bei 156.000 Punkten) • Festlegung Reihenfolge Auswertung • Festlegung Datenstruktur Micro Station (ca. 17 Einzeldateien) • Auswertung 3D-Modell 2021 Volumenkörper bzw. Flächen für die Darstellung • Qualitätskontrolle Ergebnis Vergleich Punktwolke und 3D-Modell • Kontrolle Gesamtmodell (Überschneidung und Vollständigkeit) durch einen • Bauzeichner Das Messprogramm ist entsprechend zu ändern. 8. Erfahrungswerte Messung Bei der Planung ist die Sonnenrichtung zu beachten, damit (sofern möglich) keine Bilderfassung im Gegenlicht erfolgen muss. Verfahren „Sonne im Rücken“. Wünschenswert ist eine weitere Automatisierung der Auswertung der Elemente (Kreis, Kegelstumpf, Zylinder, Ebenen) incl. Verschneidung. Sinnvoll wäre eine Ausgleichung der Punktwolke untereinander zur Steigerung der Gesamtgenauigkeit. Anmerkung: Besten Dank an alle beteiligten Bauzeichner und an mein Messteam.