Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau
fki
expert verlag Tübingen
051
2022
11
Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen
051
2022
Petra Riegler-Floors
Der enorme Verbrauch unserer Rohstoffreserven, die immense Abfallproduktion – in Deutschland jeweils zu über 50 % durch den Bausektor verursacht – sowie die hohen CO2 -Emissionen – zu fast 40 % durch die Baubranche induziert – generieren für uns Planer*innen eine besondere Verantwortung, aber auch einen wirksamen Hebel, mit einer nachhaltigen Bauweise der Rohstoff- und Klimakrise zu begegnen. Dazu können drei Strategien des Nachhaltigen Bauens in hierarchischer Reihenfolge definiert werden: die „Nicht-Bau-Lösung“ zur Vermeidung von Rohstoff- und Energieverbrauch, das „Urban Mining“ zur Nutzung unserer anthropogenen Lagerstätten im Gebäudebestand und zuletzt für nicht vermeidbare Neubauplanungen das recyclinggerechte Konstruieren. Hier geht es um die Bewertung von Pre-Use (z.B. Verfügbarkeiten) und Post-Use (z.B. Nachnutzungspotenziale und Verwertungswege) der unterschiedlichen Baustoffe sowie die Lösbarkeit von Verbindungen und Konstruktionen als Voraussetzung für eine sortenreine Trennung, die für ein hochwertiges Recycling notwendig ist.
fki110015
1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 15 Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen Prof. Dipl.-Ing. Architektin Petra Riegler-Floors Hochschule für Angewandte Wissenschaften Trier, Deutschland Zusammenfassung Der enorme Verbrauch unserer Rohstoffreserven, die immense Abfallproduktion - in Deutschland jeweils zu über 50 % durch den Bausektor verursacht - sowie die hohen CO 2 -Emissionen - zu fast 40 % durch die Baubranche induziert - generieren für uns Planer*innen eine besondere Verantwortung, aber auch einen wirksamen Hebel, mit einer nachhaltigen Bauweise der Rohstoff- und Klimakrise zu begegnen. Dazu können drei Strategien des Nachhaltigen Bauens in hierarchischer Reihenfolge definiert werden: die „Nicht-Bau-Lösung“ zur Vermeidung von Rohstoff- und Energieverbrauch, das „Urban Mining“ zur Nutzung unserer anthropogenen Lagerstätten im Gebäudebestand und zuletzt für nicht vermeidbare Neubauplanungen das recyclinggerechte Konstruieren. Hier geht es um die Bewertung von Pre-Use (z.B. Verfügbarkeiten) und Post-Use (z.B. Nachnutzungspotenziale und Verwertungswege) der unterschiedlichen Baustoffe sowie die Lösbarkeit von Verbindungen und Konstruktionen als Voraussetzung für eine sortenreine Trennung, die für ein hochwertiges Recycling notwendig ist. 1. Einleitung Der Bausektor in Deutschland zeichnet zum einen für einen enormen Verbrauch unserer Rohstoffreserven verantwortlich - ca. 50 % aller unserer geförderten Werkstoffe und unseres Energieverbrauchs, sowie etwa ein Drittel unseres Wasserverbrauchs entfallen auf den Bau und die Nutzung von Gebäuden [1] - gleichzeitig aber auch für die immense Abfallproduktion: 53,4 % des Abfallaufkommens in Deutschland sind Bau- und Abbruchabfälle [2]. Zugleich sind 38 % der CO 2 -Emissionen durch die Baubranche induziert [3]. Diese Fakten generieren für uns Planer*innen eine besondere Verantwortung: Es ist offensichtlich, dass in der Planung und Umsetzung von Gebäuden ein Paradigmenwechsel vollzogen werden muss und unsere Rohstoffe nicht mehr „verbraucht“ und weggeworfen werden dürfen, sondern im Kreislauf geführt werden müssen. Dafür muss ein Umdenken stattfinden: Bereits in der Planung gilt es, den Rückbau mitzudenken. Eine konsequent nachhaltige Planung im Sinne der Begriffsprägung von Carl von Carlowitz aus dem Jahr 1713 ist notwendig: „Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, welche die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation deckt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken.“ [4] Im Sinne des Nachhaltigen Bauens können dazu - jeweils auf der Entwurfs- und auf der Konstruktionsebene - drei Strategien verfolgt werden: 2. Nicht Bauen Was zunächst banal klingt, ist für uns Planer*innen eine Herausforderung, die sowohl auf der Entwurfsals auch auf der Konstruktionsebene höchste Sorgfalt und intelligente Planungsstrategien erfordert. Im Entwurf gilt es, Flächenverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren, um Rebound-Effekte zu vermeiden. Die Wohnfläche pro Person hat sich in den vergangen 60 Jahren mehr als verdoppelt - energetische und stoffliche Einsparungsergebnisse werden dadurch zunichte gemacht. Hier sind Entwurfskonzepte gefragt, die gleichwertige Raumqualitäten und Nutzungsszenarien bei reduziertem Raumverbrauch generieren. 16 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen Abb.1: Durchschnittliche Wohnfläche pro Person in Deutschland, Entwicklung seit 1960. Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt [5] In der Konstruktion gilt das gleiche Prinzip: Dem Suffizienz-Gedanken folgend sind die besten Baustoffe diejenigen, die nicht benötigt werden - zum Beispiel eine Massivholz-Wandkonstruktion, die innenseitig mit einer Sichtoberflächenqualität ausgeführt keine weitere Verkleidung erfordert. 3. Urban Mining Für unseren immensen, bereits vorhandenen Baubestand muss ein Umdenken stattfinden: statt in immer kürzeren Nutzungszyklen - in innerstädtischen Lagen mit hohem Bodendruck inzwischen häufig weit geringer als die üblicherweise kalkulierten 50 Jahre [6] - Gebäudesubstanz aus Primärrohstoffen zu bauen, rückzubauen, wegzuwerfen und aus weiteren Primärrohstoffen wieder neu zu bauen, gilt es, den Gebäudebestand soweit als möglich zu nutzen. Vor jeder Rück- und Neubauplanung muss gewissenhaft geprüft werden, ob die Projektaufgabe nicht im Gebäudebestand realisiert werden kann. Die Weiternutzung vorhandener Gebäudestrukturen und damit der darin gebundenen Rohstoffe und Grauen Energie muss absoluten Vorrang vor dem Neubau haben. Wir müssen unseren Gebäudebestand als Rohstofflager verstehen. Das inhaltliche begrüßenswerte Vorhaben der Bundesregierung, jährlich 400.000 Wohnungen zu schaffen, ist als reine Neubauplanung ohne Bestandstransformationen schwer vorstellbar. Eine gewisse Demut erfordert es von uns Planer*innen, in der Neubauplanung bereits die nachfolgende Umnutzung oder Transformation des von uns entworfenen Gebäudes mitzudenken. Nutzungsflexible und Typologie-neutrale Tragwerk-Raster und Geschosshöhen, Erweiterungsmöglichkeiten durch Kalkulation von Lastreserven in der Tragwerksplanung sowie eingeplante Varianz in den Erschließungssystemen oder in der Bildung von Nutzungseinheiten vereinfachen zukünftige Nutzungstransformationen unserer Entwürfe. Auch in der Konstruktion gilt es, die Gebäudesubstanz als anthropogene Rohstofflager zu verstehen und zu nutzen. Eine besondere Herausforderung stellt hierbei die größte Abfallfraktion - die mineralischen Baustoffe - dar, deren Nachnutzungspotenziale sich derzeit (noch) im Wesentlichen auf Downcycling und Deponierung beschränken. Doch auch hier zeigen Beispiele, dass es verfahrenstechnisch bereits möglich ist, z.B. Backsteine mit einem Sekundärrohstoffanteil von immerhin mind. 60 % herzustellen [7] oder sogar Fliesen, die durch Ausnutzung von Altglas als Bindemittel für mineralisches Rückbaumaterial sogar zu 100 % aus Altmaterial bestehen können [8]. 4. Recyclinggerecht Konstruieren Ist eine Neubauplanung unvermeidbar, ist die Konstruktion konsequent kreislauffähig zu denken. Die Konstruktion wird bestimmt durch das verwendete Material und die gewählte Fügung. Auf der Materialebene werden nur noch Baustoffe zur Anwendung kommen dürfen, die auf einer hohen Qualitätsstufe recyclingfähig sind, sprich wiederverwendet (re-use), wiederverwertet (recycling) oder weiterverwendet (further use) können - sog. „Closed-loop-Materialien“ [9]. 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 17 Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen Abb. 2: Recyclingpotenziale verschiedener Materialgruppen [10] Weiterverwertung (downcling) darf nur noch die Ausnahme bilden, Beseitigung (Deponierung und energetische Verwertung) sollte ausgeschlossen werden. Hierzu ist eine präzise Kenntnis von Materialeigenschaften, aber auch des Pre-Use, wie der Verfügbarkeiten (Reserven), und des Post-Use, also der Nachnutzungspotenziale und Verwertungswege der Baustoffe, notwendig. Zur Bewertung des Recyclingpotenzials eines Baustoffes kann sein Material Cycle Status herangezogen werden. Abb. 3: Material Cycle Status [11] Die vier Materialgruppen unterscheiden sich deutlich in ihren Verfügbarkeiten und ihren Nachnutzungspotenzialen: Die metallischen Materialien sind nur begrenzt verfügbar. Ihre Gewinnung geht mit einer erheblichen Landschaftszerstörung durch die Förderung der Metall-Erze und einem hohen Primärenergie-Aufwand bei der Verhüttung der Erze einher. In der Nachnutzung sind die meisten Metalle zu nahezu 100 % wiederverwertbar. Recyclingstahl benötigt lediglich ein Viertel der ursprünglich erforderlichen Primärenergie [12]. In Deutschland sind die Recyclingwege für alle gängigen Metalle eingespielt. Auch die fossilen Materialien stehen ebenfalls nur begrenzt zur Verfügung, auch hier überschreiten die Reproduktionszyklen die auf die menschliche Nutzung bezogenen und im Bauwesen relevanten Zeithorizonte bei Weitem (z.B. Kunststoff auf Erdölbasis). Die Gruppe der Thermoplasten kann einige Male im Kreislauf geführt werden, jedoch nur in einer begrenzten Anzahl von Wiederholungen. Am Lebensende steht dann wie bei den meisten fossilen Materialien die energetische Verwertung. Die mit Abstand im größten Umfang im Bauwesen genutzte Materialgruppe sind die mineralischen Baustoffe. Neben der Schwierigkeiten der begrenzten Verfügbarkeiten im Pre-Use - die sich stetig verschärfende Knapp- 18 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen heit von Sand [13] und Kies [14] ist inzwischen vielfach publiziert - und der hohen Treibhausgasemissionen, z.B. von Zement - 8 % der weltweiten CO 2 -Emissionen wird durch die Zementindustrie verursacht, das ist mehr als bei Flugverkehr und Serverleistungen zusammen - sehen wir uns im Post-Use mit den Herausforderungen in der Nachnutzung konfrontiert. Der Einsatz als Sekundärrohstoff ist in der Regel verfahrenstechnisch z.Zt. auf einen Anteil von 40-60 % beschränkt. Übliche Verwertungswege sind das Downcycling, z.B. als Straßenunterbau oder die Deponierung. Die Deponiekapazitäten sind begrenzt und werden voraussichtlich zumindest in den bevölkerungsreichen Bundesländern wie NRW, Bayern und Rheinland-Pfalz noch in diesem Jahrzehnt erschöpft sein [15]. Abb. 4: Materiallager des Gebäudebestands in Deutschland 2010 in Mio. t nach Materialgruppen [16] Die biotischen Materialien stehen - da nachwachsend - zumindest in der Theorie unbegrenzt zur Verfügung. Durch den in Deutschland herrschenden Flächendruck und die Konkurrenz in der Flächennutzung durch Siedlungen, Infrastruktur, Landwirtschaft und Schutzgebiete steht Kultivierungsraum nicht uneingeschränkt zur Verfügung. Nichtsdestotrotz gehören die nachwachsenden Rohstoffe auf Grund ihrer Fähigkeit der CO 2 -Bindung zu den wichtigsten Werkzeugen bei der Einhaltung des 1,5°-Zieles in der Klimakrise. Die Holzproduktion und der Holzhandel sind derzeit starken Schwankungen unterworfen, teils auf Grund von wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen, insbesondere aber durch die Folgen der Klimakrise. Derzeit liegt der Anteil der gegenüber Dürre und Borkenkäferbefall wenig resistenten Fichtenplantagen bei 25,4 % der deutschen Waldfläche [17]. Die zur Zeit erfolgende Umstrukturierung der Wirtschaftswälder in Richtung Mischwälder mit höherem Anteil an dem Klimawandel gegenüber resilienteren - da tiefer wurzelnden - Laubbaumarten erfordert auf Grund der divergierenden Materialeigenschaften des Laubholzes im Vergleich zum Nadelholz auch Anpassungen in der holzverarbeitenden Industrie und in der Planung. [18] Die Umtriebszeit der meisten wirtschaftlich genutzten Baumarten liegt - vergleichbar mit den menschlichen Lebensalter - bei durchschnittlich etwa 80 Jahren. In der nachhaltigen Forstwirtschaft, sprich der geerntete Baum wird nachgepflanzt, wurde nach diesem Zeitraum wieder die entsprechende Menge CO 2 gebunden. Im Sinne der Klimaneutralität kann dann der erste Baum energetisch verwertet werden, also die Menge an CO 2 , die im neuen Baum gebunden ist, freigesetzt werden - jedoch erst dann! Da dieser Zeitraum den üblichen Nutzungszyklus unseres Gebäudebestandes von 50 Jahren übersteigt, ist es i.d.R. notwendig, das Holz in mehreren Stufen seiner Nutzungskaskade zu führen. Die in Deutschland praktizierte Rohholzverwendung, bei der knapp ein Drittel der Ernte direkt als Brennholz genutzt wird, steht dem entgegen. Abb. 5: Konzept der Kaskadennutzung von Holz [19] Abb. 6: Inlandsverwendung Rohholz in Deutschland 2017 [20] Voraussetzung für eine höherwertige stoffliche Verwertung innerhalb der Kaskade ist die Einordnung Altholzkategorie I oder II, also unbehandeltes oder ohne Holzschutzmittel behandeltes Holz. Um eine Behandlung des Holzes zu vermeiden ist es zielführend, die eine Holzart der passenden Dauerhaftigkeitsklasse für die der Einbausituation entsprechende Gebrauchsklasse zu wählen. Damit ist beispielhaft gezeigt, wie wichtig es ist, in der Planungsphase die Nachnutzung mitzudenken. 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 19 Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen Abb. 7: Altholzkategorien nach Altholzverordnung [21] Abb. 8: Gebrauchs- und Dauerhaftigkeitsklassen von Holz [22] Neben dem Holz bieten weitere nachwachsende Rohstoffe Potenziale für eine breitere Anwendung. Insbesondere Stroh und Hanf sind dabei interessant auf Grund ihrer kurzen Umtriebszeiten als einjährige Pflanzen sowie auf ihrer annähernd globalen Verfügbarkeit. Neben der bekannten Verwendung als Dämmungen wird die Nutzung als Bauplatte künftig beachtenswert werden. Mit dem Kohleausstieg, der zur Eindämmung der Klimakrise früher als zum derzeit festgelegten Datum 2038 kommen muss, wird auch der Gips aus den Rauchgasentschwefelungsanlagen - derzeit wenig kostenintensives Abfallprodukt, das momentan rd. 60 % der Gipsreserven bereitstellt - nicht mehr zur Verfügung stehen [23]. Das Recycling von Baustoffen auf Gipsbasis ist zum jetzigen Zeitpunkt noch weit davon entfernt, den Bedarf decken zu können [24]. Bauplatten aus Stroh [25] und Hanf [26], gebunden über das Stroh-eigene Lignin oder pflanzliche Proteine können hier eine Alternative zu den derzeit üblicherweise verwendeten Gipskartonplatten darstellen. Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, die in Feuchtgebieten kultiviert werden, wie Schilfrohr oder Typha (Rohrkolben) stellen derzeit eher Nischenprodukte dar. Jedoch ist hier ein Ausbau der Nachfrage und damit der Kapazitäten wünschenswert - Feuchtgebiete speichern die größte Menge Kohlenstoff in Tonnen pro m³ Boden (vgl. Abb.9). In Feuchtgebieten fallen Pflanzenreste ins flache, leicht saure Wasser. Statt von Bakterien zersetzt zu werden - wobei CO 2 entsteht - bildet sich dank Luftabschluss Torf. In diesem Fall sorgt eine Erhöhung des Verbrauchs von Baustoffen, die in Mooren und Sümpfen kultiviert werden - sofern sie zu einer Ausweitung dieser Feuchtgebiete führt - für eine Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Abb. 9: Durchschnittlich gespeicherter Kohlenstoff in Tonnen pro Hektar und einer Bodentiefe von einem Meter [27] 5. Lösbare Verbindungen und Konstruktionen Um die Baustoffe einer hochwertigen Nachnutzung zuführen zu können, müssen sie in der Regel - sofern es sich nicht um Monomaterialsysteme handelt - sortenrein getrennt werden. Voraussetzung dafür sind lösbare Verbindungen und Konstruktionen, sofern es sich nicht um Monomaterialsysteme handelt. Auf Grund der Einstofflichkeit ist hier eine Trennung nicht notwendig. Die Bauindustrie bringt seit geraumer Zeit eine Vielzahl von Verbundstoffen auf den Markt, die schwierig in der Nachnutzung sind, aber auch die Entsorger vor große Herausforderungen stellen. Den bauphysikalischen Herausforderungen, insbesondere im Feuchteschutz kann aber die Anwendung erprobter baukonstruktiver Prinzipien wie Überschuppung, Fugenüberdeckung, Dachüberstände etc. begegnet werden; eine Anwendung dieser Verbundstoffe wird dadurch obsolet. Grundsätzlich ist im Sinne der Recyclinggerechtigkeit eine Funktionstrennung der einzelnen Bauteilschichten zu bevorzugen. Die Normung kennt eine Vielzahl von lösbaren Fügetechniken (vgl. Abb.10). 20 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen Abb. 10: Übersicht von Fügetechniken nach DIN 8580 und DIN 8593 [28] In der praktischen Anwendung existieren diverse recyclinggerechte und rückbaubare Alternativen zu den konventionellen Konstruktionen, wie z.B. Schraubfundamente und Spinnanker (statt Betongründungen), lösbare Kellerabdichtungen (statt Beschichtungen), Perimeterdämmungen aus Schaumglasschotter in Gewebesäcken (statt geklebter extrudierter Dämmplatten) oder diverse Fußbodenheizungssysteme, die trocken - nicht in Nassestrich - verlegt werden können. [29] 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 21 Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen Schraubfundamente: Erdschrauben aus feuerverzinktem Stahl für bis zu dreigeschossige Gebäude Spinnanker: Ankerplatte mit 6 oder 12 Gewindestäben (2-6 m Länge), belastbar mit bis zu 200 kN lose Kellerabdichtung: 3-lagige Abdichtungssystem aus dem Tankstellen- und Deponiebau, Dichtheitsprüfung vor Verfüllung der Baugrube vertikale Perimeterdämmung: Schaumglasschotter in Gewebesäcken Abb. 11: Beispiele lösbarer Verbindungen und Konstruktion aus dem Bereich Gründung und Keller [30] Die meisten dieser Konstruktion wurden nicht aus ökologischen Beweggründen erdacht, sondern um unabhängiger von Witterung oder Trocknungszeiten - also schneller und damit günstiger - montieren zu können. Die Strategien zum recyclinggerechten Konstruieren sind sowohl auf der Materialals auch auf der Fügungsebene da - sie müssen nur noch in der Breite angewandt werden! 22 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 Nachhaltig Bauen - recyclinggerechte und kreislauffähige Konstruktionen Literatur [1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, (zum effizienten Ressourceneinsatz im Gebäudesektor), Brüssel 2014 [2] Abfallbilanz des Statistischen Bundesamtes 2019: https: / / www.destatis.de/ DE/ Themen/ Gesellschaft- Umwelt/ Umwelt/ Abfallwirtschaft/ Tabellen/ listeabfallbilanz-kurzuebersicht.html [3] Global Status Report for Buildings and Construction, UNEP (Vereinte Nationen) https: / / globalabc.org/ sites/ default/ files/ 2021-10/ GABC_Buildings-GSR-2021_BOOK.pdf [4] Definition aus dem Bericht der Brundtland-Kommission; Ulrich Grober: Hans Carl von Carlowitz. 2010, S. 261 [5] Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch.; https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 36495/ umfrage/ wohnflaeche-je-einwohner-in-deutschland-von-1989-bis-2020/ (Stand 05.03.2022) [6] z.B. DGNB und BNB https: / / static.dgnb.de/ fileadmin/ dgnb-system/ de/ gebaeude/ neubau/ kriterien/ 03_ECO1.1_Gebaeudebezogene-Kosten-im-Lebenszyklus.pdf [7] https: / / www.stonecycling.com/ [8] http: / / www.shardstiles.com/ [9] Annette Hillebrandt, Petra Riegler-Floors, Anja Rosen, Johanna-Katharina Seggewies: Atlas Recycling, München, Edition DETAIL, 2018, S. 64 [10] Annette Hillebrandt, Johanna-Katharina Seggewies, wie Anm. 9, S. 63 [11] Annette Hillebrandt, Johanna-Katharina Seggewies, wie Anm. 9, S. 64 [12] https: / / www.wecobis.de/ bauproduktgruppen/ grundstoffe-gs/ metalle-gs/ stahl-gs.html [13] 40 - 50.000.000.000 t Sand und Kies: weltweiter Verbrauch / Jahr, Steigerung etwa ca. 5.5% p.a. UN Environmental Programm 2020, https: / / unepgrid. ch/ en/ activity/ sand [14] Baurohstoffstudie meldet Versorgungsengpässe in Hamburg, Ruhrgebiet, Großräume Mannheim- Karlsruhe und Berlin/ Potsdam, Teilen Niedersachsens und Bayerns, Baurohstoffstudie des BGR, 2020,https: / / www.bgr.bund.de/ DE/ Gemeinsames/ Oeffentlichkeitsarbeit/ Pressemitteilungen/ BGR/ bgr-2020-04-20_kies-versorgungsengpaesse-nehmen-zu.html? nn=1544712 [15] 2030 werden auch im optimistischen Szenario die Restvolumina der vorhandenen inklusive der geplanten und genehmigten - Deponien der Deponieklasse I in Nordrhein- Westfalen, Bayern und Rheinland-Pfalz erschöpft sein. Prognos AG/ Thörner, Hams: Bedarfsanalyse für DK I-Deponien in NRW. Zusammenfassung der Ergebnisse.Studie im Auftrag des Ministeriums für Klimaschutz,Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW,2013; AU Consult GmbH: Bedarfsprognose: Deponien der Klassen 0, I und II in Bayern. Kurzfassung der Studie im Auftrag des Bayrischen Landesamts für Umwelt Augsburg,2015; ifeu Heidelberg; Dehne, Iswing u. a.: Abschätzung des zukünftigen Bedarfs an Deponiekapazitäten in RLP. Kurzfassung der Studie im Auftrag des Landesamtes für Umwelt RLP Berlin/ Heidelberg Juni 2016 [16] Anja Rosen, wie Anm 9, S. 23 [17] Bundeswaldinventur / Kohlenstoffinventur 2017; https: / / bwi.info/ inhalt1.3.aspx? Text=1.04%20 Baumartengruppe%20(rechnerischer%20Reinbestand)&prRolle=public&prInv=BWI2012&prKapitel=1.04 [18] Anne Niemann, Stefan Torno, Konrad Merz: Bauen mit Laubholz, DETAIL Praxis, München 2020, S.18 ff [19] eigene Darstellung nach Högelmeier et al., TUM, 2015 [20] eigene Darstellung nach Thünen-Institut für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie, Thünen-Einschlagsrückrechnung [21] wie Anm. 9, S. 65 [22] wie Anm. 9, S. 66-67 [23] https: / / www.bund.net/ fileadmin/ user_upload_ bund/ publikationen/ naturschutz/ naturschutz_gipsgutachten.pdf [24] https: / / gypsumrecyclinggermany.com/ [25] http: / / www.istraw.de/ strohbauplatte, [26] https: / / www.vonhanf.de/ hanfverkleidungsplattehanfputztraegerplatte/ , https: / / planterial.de/ [27] Eigene Darstellung nach IPCC (Weltklimarat), 2000 [28] wie Anm. 9, S. 44 [29] wie Anm. 9, S. 42-57 [30] wie Anm. 9, S. 46-47