Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau
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all in! - Alles unter einem Dach
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Jan Mittelstädt
Boris Peter
all-in! beschreibt die architektonische Intention einer vielseitigen „Nutzungslandschaft“ unter einem Dach für das neue Gebäude HalfTime von Adidas in Herzogenaurach (s. Bild 1). Ein multifunktionales Gebäude für die gesamte Adidas Familie – Mitarbeiter, Markenbotschafter und Kunden. Rhombus-förmig im Grundriss fügt sich der 170m mal 104m große Gebäudesolitär in die Landschaft ein. Die exponierte, lineare Tragstruktur des Daches ist gestaltprägendes und funktionsverbindendes Element - es ‚schwebt‘ trotz der monolithischen Ausführung über den inneren und äußeren Gebäudebereichen. Mit Stahlbetonfertigbauteilen gebaut, wird die Dachstruktur im Zusammenspiel aus Form und Fügung zum gestaltprägenden Element des Gebäudeentwurfs. Durch einen unvoreingenommenen Umgang mit Lösungen für den Betonfertigteilbau, konnten die Konstruktionsgrenzen für die Architektur neu gesetzt werden.
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1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 185 all in! - Alles unter einem Dach Architektur mit Betonfertigteilen Dr. Jan Mittelstädt knippershelbig GmbH, Berlin, Deutschland Boris Peter knippershelbig GmbH, Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung all-in! beschreibt die architektonische Intention einer vielseitigen „Nutzungslandschaft“ unter einem Dach für das neue Gebäude HalfTime von Adidas in Herzogenaurach (s. Bild 1). Ein multifunktionales Gebäude für die gesamte Adidas Familie - Mitarbeiter, Markenbotschafter und Kunden. Rhombus-förmig im Grundriss fügt sich der 170m mal 104m große Gebäudesolitär in die Landschaft ein. Die exponierte, lineare Tragstruktur des Daches ist gestaltprägendes und funktionsverbindendes Element es ‚schwebt‘ trotz der monolithischen Ausführung über den inneren und äußeren Gebäudebereichen. Mit Stahlbetonfertigbauteilen gebaut, wird die Dachstruktur im Zusammenspiel aus Form und Fügung zum gestaltprägenden Element des Gebäudeentwurfs. Durch einen unvoreingenommenen Umgang mit Lösungen für den Betonfertigteilbau, konnten die Konstruktionsgrenzen für die Architektur neu gesetzt werden. 1. Entwurf Als Ergebnis eines internationalen Planungswettbewerbes entwickelte knippershelbig zusammen mit den Architekten von Cobe aus Kopenhagen, CL Map und Transsolar die Idee des multifunktionalen Gebäudes HalfTime. Das multifunktionale Gebäude, mit einer Gesamtfläche von 15.500m², fügt sich als rhombusförmiger Gebäudesolitär in die umgebende Landschaft ein. Als zentrales, einzig öffentlich zugängliches Gebäude verbindet es den nördlichen und südlichen Teil der World of Sports, dem Campus der Adidas Unternehmenszentrale in Herzogenaurach. Unter dem Motto all-in! überdeckt sein ikonographisches Dach den Gebäudegrundriss und vereint die unterschiedlichen Nutzungsbereiche des Neubaus an Tagungs- und Veranstaltungsbereichen, einer Mehrzweckhalle, einem Mitarbeiterrestaurant, Groß- und Show-Küchen sowie Werbebereichen (Bild 1). Bild 1 Grundrissaufteilung (©Cobe Architects) Am Anfang des Entwurfsprozesses stand die Idee der Schaffung eines industriellen Pavillons im Park. Eine große Dachkonstruktion schwebt über der Landschaft und schafft einen nahtlosen Übergang zwischen Innen und Außen. Die über den Gebäudegrundriss auskragende, monolithisch und zugleich transparent anmutende Dachkonstruktion sowie die gefalteten transparenten Fassadenflächen wurden zum konstruktiven Leitthema des Entwurfes. Die Form der Dachkonstruktion (vgl. Bild 2) wurde dabei nicht durch eine rein logische statische Struktur bestimmt. Wie schon bei Vaccinis Arbeiten ordnet sich all in! - Alles unter einem Dach 186 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 die entwickelte Dachkonstruktion dabei zunächst dem formalen Ausdruck unter (vgl. Bild 3) und wird um die vielschichtige Integration zeitgemäßer Planungs- und Ausführungsansprüche des Bauens erweitert. Bereits im Wettbewerbsentwurf wurde die Ausführung in Betonbauweise als für den angestrebten industriellen Charakter des Hauses sinnvolles und gestalterisch einprägendes Material herausgestellt. Eine sich hieraus ergebende zentrale Frage für die Umsetzung und damit verbunden auch für den Tragwerksentwurf, war die Wahl der Bauweise, verknüpft mit den vorgenannten Anforderungen an die Struktur, Form und Funktion der gestaltprägenden Elemente. Eine kurze Bauzeit wurde mit beginnender Planung durch den Bauherren Adidas als Planungsziel formuliert, ebenso ein hoher Anspruch an die Ausführungsqualität und Formgebung. Als Bausystem aus Fertigbauteilen bildete das Zusammenspiel aus der Dachform und einer durchdachten Fügung die wesentliche Herausforderung für die Planung der Dachstruktur. Bild 2 Gebäudeansicht (oben); Gebäudeaufsicht (mitte); Innenraumansicht des Mitarbeiterrestaurants (unten) (©Rasmus Hjortshoj) Durch einen bewussten Umgang mit den materiellen Eigenschaften von Beton, der Technologie des Fertigteilbaus und dem Verständnis zwischen Kraft und Form zeigte bereits Mangiarotti (vgl. Bild 3), dass der Betonbau eine große Formenvielfalt bei materialgerechter Fügung ermöglicht. In der Planung wurde dies durch einen unvoreingenommenen Umgang mit den bekannten, industriell geprägten Lösungsansätzen Bild 3 Kirche von Baranzate, Maniarotti (oben); Sportausbildunsgzentrum Mürlimatt, Vaccinis (unten) (©Historical Archive of Milan Politecnico) all in! - Alles unter einem Dach 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 187 der Detailpunkte angegangen. Besondere Planungsanforderungen bestanden dabei an die Leistungsfähigkeit der zu fügenden Bauteile, die baupraktischen Randbedingungen der Produktion und Montage der Fertigbauteile sowie an die architektonisch und funktional zu integrierenden technischen Maßgaben weiterer Fachplanungen. Über die frühzeitige Einbindung des Generalunternehmers Max Bögl in den Entwurfsprozess konnten die Aspekte der Ausführung bereits in die Planung vertieft berücksichtigt werden und die damit verbundenen ökonomischen Aspekte der Planungsannahmen im Vergleich von alternativen Lösungsansätzen bewertet werden. 2. Tragwerkskonzept Das Tragwerk dient der Funktion des Lastabtrages und ist zugleich raumbildendes Element, damit steht es in unmittelbarem Zusammenhang mit dem architektonischen Ausdruck des Gebäudes. Sowohl die Formensprache der inneren und äußeren Tragelemente als auch die Komposition an Bauteilfügungen greift hierzu den architektonischen Anspruch an eine robuste, monolithische Anmutung der Konstruktion auf. Das Tragwerkskonzept sieht eine Trennung der inneren und äußeren Gebäudebereiche vor (Bild 4). Den äußeren Gebäudebereich, bezeichnet als Ringtragwerk, überspannt ein Gitterost aus geneigten Längs- und Bild 4 Tragwerksebenen (©knippershelbig) senkrecht hierzu verlaufenden Querträgern. Die Längsträger wurden als Betonfertigbauteile ausgeführt, die Querträger in Ortbetonbauweise hergestellt. Die Auflagerung der Träger erfolgt auf den Ringwänden in der Gebäudehülle sowie vereinzelten Wandscheiben im Außenbereich. Die Ringwände wurden als vorgefertigten Beton-Sandwichelemente ausgeführt. Die Tragschale (25cm) ist nach außen gerichtet, nach innen eine Vorsatzschale (12cm) in Sichtbetonqualität. Die Fassaden wurde als Pfosten-Riegel Fassade ausgeführt und an den Ringwänden bzw. inneren Dachträgern befestigt. Der innere Gebäudebereich wird von V-förmigen Beton-Fertigbauteilen überspannt. Die als V-Träger bezeichneten Dachträger werden im Regelfall als Einfeldträger ausgeführt, an einspringenden Gebäudeecken und Sonderbereichen als Kragträger mit einer gelenkigen Kopplung durch Querschotte an den Trägerenden. Die V-Träger lagern auf den geometrisch untergeordneten Hauptträgern des Gebäudes auf. Die Hauptträger verlaufen senkrecht zur Gebäudelängsachse und lagern wiederum auf Kragstützen des inneren Gebäudebereiches bzw. vereinzelten Wandscheiben auf. Die Hauptträger und Stützen wurden als Betonfertigbauteile ausgeführt, wodurch die Bauzeit entscheidend verkürzt werden konnte. Eine statische Kopplung des inneren und äußeren Gebäudebereiches erfolgt an einigen wenigen Druckpunkten entlang der Gebäudelängsachse. Hierdurch konnte, zum einen eine umlaufende thermische Hülle ohne Wärmebrücken oder kostentreibende thermische Trennungen gewährleistet werden, zum anderen konnten Differenzverformungen aus Wind- und Temperaturbeanspruchungen an den Gebäudeübergängen minimiert werden. Die Aussteifung der Gebäudebereiche erfolgt über die eingespannten Hauptstützen im Gebäudeinneren, die Kern- und Kragwände, sowie die Ringwände des Ringtragwerkes. Das Untergeschoss konnte verformungsarm mittels einer Sohlplatte gegründet werden, die Gründung der Ringwände erfolgte auf Höhe des Erdgeschosses mittels Streifenfundamenten. Als Sondervorschlag der ausführenden Firma Max Bögl wurde die Bodenplatte als vorgespannte Konstruktion ausgeführt. Die zentrische Vorspannung wurde über gleichmäßig verteilte Monolitzen in die Bodenplatte eingeleitet und diente der Reduktion von Zwangsbewehrung. 2.1 Dachtragwerk Das Tragwerk des Daches wurde unter der Zielvorgabe einer möglichst großen Transparenz für die Gebäudenutzung entwickelt. Anhand von Variantenstudien wurden die Möglichkeiten der Formentwicklung der einzelnen Dachträger untersucht. Neben den statischen und baupraktischen Anforderungen an die Umsetzung des Dachtragwerkes galt es weitere planerische Aspekte zu beachten. Beispielhaft waren dies Abstimmungen zum Fensterflächenanteil hinsichtlich der erforderlichen und zulässigen Belichtung und dem damit verbundenen Wärall in! - Alles unter einem Dach 188 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 meeintrag, die Integration der Leitungsführungen durch einen Installationsträger, die architektonische Wirkung der Dachträger im Inneren und im Zusammenwirken mit dem Ringtragwerk. Als Ergebnis resultierte ein V-förmiger, 2m hoher Betonquerschnitt. Die Schenkelbreiten sind zwischen 12cm bis 20cm breit, der Trägerabstand beträgt 2m. Das resultierende Öffnungsmaß zwischen den angrenzenden Trägerschenkeln von ca. 60cm wurde mit einer seitlich entwässernden Glaseindeckung versehen. Etwa 1/ 3 der Dachfläche sind damit lichtdurchlässig. Die Neigung der Trägerschenkel wurde so gewählt, dass zum einen der Fensterflächenanteil ohne zusätzliche Verschattungen ausführbar, zum anderen der indirekte Lichteinfall in das Gebäude maximiert wird. Durch die V-förmige Trägergeometrie und das sich ergebende Streiflicht entsteht eine gleichmäßig helle Deckenuntersicht. Unterstützt wird dieser Aspekt durch die helle Farbgebung der Dachträger. Die Trägerhöhe resultiert aus den gestalterischen Dachproportionen, sowie den statischen Erfordernissen. Im Inneren der V-Träger wurde ein versteifender Steg integriert, über den auf Höhe der kreuzenden Hauptträger die Dachentwässerung erfolgt. Die V-Träger werden als Nebenträger, zwischen den Hauptträgern des Dachtragwerkes angeordnet. Die Regelspannweiten der Nebenträger betragen 16m, auskragende Bereiche an einspringen Gebäudeecken werden als Kragträger ausgeführt und durch Bild 5 Biegesteifer Trägerstoß eines V-Trägers (©knippershelbig) Querschotte mit angrenzenden Nebenträgern gekoppelt. Die Auflagerung der Nebenträger auf den Hauptträgern erfolgt über eine Ausklinkung an den Trägerenden (Bilder 5, 6). Quer zur Ausklinkung werden weitere Öffnungen in dem Nebenträger vorgesehen, die einen Querverzug der Techniktrassen ermöglichen. Die Längsverteilung der Technik erfolgt in einem Installationsträger, der Teil des architektonischen Bildes wird. Auskragende Bereiche der Nebenträger werden biegesteif um die Auflagerung auf dem Hauptträger geführt. Über ein Kräftepaar aus Druck- und Zugstreben wird das Stützmoment über und unter dem Hauptträger entlanggeführt. Die Koppelung der Träger Zugbereich erfolgt über einen Schraubstoß, im Druckbereich über die konstruktiv tragende Ausbildung des unteren Trägerschlusses (Bild 5). Bei den Einfeldträgern wird dieser Trägerschluss rein gestalterisch der Konstruktion und ist nichttragend. Als Material wurde ein C50/ 60 bei allen V-Trägern angewandt. all in! - Alles unter einem Dach 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 189 Bild 6 Bauphase des Dachtragwerkes - Übersicht (oben); Fügung V-Träger (mitte, unten) (©CLMap) Die Geometrie der Hauptträger ordnet sich ungleich der eigentlichen Tragwerkshierarchie geometrisch den Nebenträgern unter. Die Längsausrichtung des einprägsamen Dachausdruckes wird hiermit für den Nutzer ablesbar. Der Trägerschluss ist ein wesentliches gestalterisches Element, dessen statische Wirksamkeit dem Nutzer von außen zunächst verborgen bleibt. Die Hauptträger haben Regelabmessungen von 60/ 100cm und verlaufen als Ein- und Durchlaufträger quer zur Gebäudeausrichtung. Die Auflagerung der im Regelfall schlaff bewehrten Stahlbetonbalken aus Fertigbauteilen erfolgt auf den schlanken Hauptstützen oder den Kern-/ Innenwänden des Gebäudes (Bild 6). Die Abmessungen der am Fußpunkt biegesteif in die Decke über dem UG, bzw. die Gründung eingespannten Hauptstützen variieren je nach Beanspruchung, ihrer geometrischen Verortung im Grundriss und der geometrischen Anforderungen durch einen Trägerstoß zwischen 25/ 60cm, 45/ 60cm und 76/ 60cm. Am Übergang des Dachtragwerkes zum Ringtragwerk werden die Randstützen des Dachtragwerkes durch geometrische Aussparungen in die Ringwände integriert. Die Länge der Stützen beträgt bis zu 7m. Neben dem großflächigen Firmenrestaurantbereich ist eine Multifunktionshalle mit Abmessungen von 24m 48m als stützenfreier Raum angeordnet. Über drei Regelfelder angeordnete, ebenfalls v-förmigen Nebenträger lagern auf zwei Hauptträgern mit einer Spannweite von 24m auf. Die Abmessungen der Hauptträger betragen hier 150/ 60cm. Die Unterkante der Hauptträger verläuft bündig mit der der Nebenträger. Entlang der Hauptträger wird eine mobile Trennwand angehängt, die eine Dreiteilung der Hallennutzung ermöglicht. Die statischen und funktionalen Anforderungen an die Hauptträger erfordern in der Multihalle erhöhte Querschnittsabmessung und eine Vorspannung der Fertigbauteile im nachträglichen Verbund. Um eine maximale Vorspannung auf die Träger aufbringen zu können wurde eine zentrische Vorspannung im unteren Träger vorgesehen, kombiniert mit zwei parabolisch verlaufenden, exzentrisch endverankerten Spanngliedern. Um die Funktionalität der mobilen Hallentrennwand dauerhaft zu gewährleisten, mussten die zulässigen Verformungen der Träger für den Zustand nach der Montage minimiert werden. Ergänzend zur Vorspannung wurden die Träger in Feldmitte um 90mm überhöht hergestellt. all in! - Alles unter einem Dach 190 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 2.2 Ringtragwerk Das Dach des äußeren Gebäudebereichs ist ein Gitterost, bestehend aus halben V-Trägern in Gebäudelängsrichtung und vertikalen Querträgern in Querrichtung des Gebäudes. Der Gitterrost liegt auf den Außenwänden des Gebäudes und vereinzelten Außenwänden in der Anlieferung auf, spannt bis zu 20m über das Gebäudeinnere hinaus und kragt bis zu 9m freitragend aus. Die Außenwände sind an den Fußpunkten biegesteif über Verschraubungen an die Gründungsbauteile angeschlossen. Die geneigten Längsträger werden als Betonfertigteile mit Querschnittsabmessungen von 200/ 20cm in einer Betongüte C50/ 60 ausgeführt. Die Auflagerung erfolgt entlang der Längsachse, stets in Gebäudelängsrichtung orientiert. Durch die mindestens 3.2m langen Außenwände erfolgt eine Einspannung der Längsträger in die Außenwände. Die Kopplung der Betonfertigbauteile und Einleitung der Zugbeanspruchungen von den Längsträgern in die Außenwände wird über eine zum Gebäudeinneren orientierte Verschraubung an den Wandoberseiten sichergestellt (Bild 7). Druckbeanspruchungen aus dem biegewirksamen Kräftepaar werden über Kontaktpressung, z.T. über eingelassene Lastplatten an den Wandenden, konzentriert in die Wände übertragen. Die Querträger werden im Sinne der architektonischen Hierarchie mit einer geringeren Höhe ausgeführt und haben Abmessungen von 160/ 20cm. Die Querträger und tragenden Ringwände sind jeweils so angeordnet, dass parallel zueinander versetzte Ringwände durch eine Querträgerachse verbunden werden. Hierdurch lässt sich die Querbiegung des Gitterostes über ein Kräftepaar jeweils an den Kreuzungspunkten in die Ringwände einleiten. Die konstruktive Einleitung der Druckkräfte erfolgt über in die Wände eingelassene Lastplatten bzw. die reine Flächenpressung in der Mörtelfuge. Die resultierenden Zugkräfte werden über die Wandverschraubung in Gebäudelängsrichtung aufgenommen. Bild 7 Detailanschluss zwischen Längsträger und Ringwand (©knippershelbig) all in! - Alles unter einem Dach 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 191 Bild 8 Bauphase des Ringtragwerkes - Längsträger (oben); Einbau der Längsträger (mitte); Betonnage der Querträger (unten) (©CLMap) Im Entwurfsprozess erfolgte eine enge Abstimmung mit den Architekten um einen Einklang zwischen den Wandpositionen, den statischen Auswirkungen auf die Geometrie des Ringtragwerkes, der architektonischen Verträglichkeit mit der inneren Gebäudenutzung und der konstruktiven Fassadenausbildung zu erlangen. Für die Umsetzung des monolithischen Dachausdruckes wurden die Querträger, jeweils feldweise zwischen den Längsträgern in Ortbetonbauweise herstellt. Für die Herstellung der sich geometrisch gleichenden Trägerquerschnitte wurde ein flexibles Schalungssystem entwickelt, dass einen schnellen Baufortschritt in Kombination mit den Fertigbauteilen ermöglichte. Die Außenwände wurden als Beton-Sandwichelemente, beidseitig in Sichtbetonqualität hergestellt (Bild 8). Die Tragschale des Ringtragwerkes ist 25m dick, die Stärke der Kerndämmung beträgt 14cm und die Dicke der inneren Tragschale 12cm. Das Tragverhalten des Ringtragwerkes zeichnet sich durch eine mehraxiale Biege- und Torsionsbeanspruchung der schlanken Trägerquerschnitte aus. Anhand eines 3D FE- Flächenmodells erfolgte die Ermittlung der Kraftverläufe sowie die Bemessung der Trägerquerschnitte. Modellstudien zu Modellierungsvarianten mittels Stabquerschnitten zeigten eine nicht ausreichende Erfassung der Beanspruchungszustände und -verläufe in den Knoten und Detailbereichen, insbesondere für die konstruktive Ausbildung der Fügedetails. Anhand von Sensitivitätsanalysen zur Einflussnahme materiell nichtlinearer Effekte wurden sowohl die Steifigkeiten bereichsweise variiert als auch materiell nichtlineare Berechnung durchgeführt. Hiermit wurden sowohl die systembedingten Lastumlagerungen zwischen den Bauteilen und Anschlussbereichen untersucht als auch die Verformungen im Gebrauchszustand ermittelt. Die auskragenden Trägerquerschnitte wurden bereichsweise bis zu 60mm überhöht ausgeführt. Die Verformungen des Ringtragwerks waren sowohl optisch als auch für den Bauablauf kritisch. Der Einbau der Fassaden musste planmäßig vor dem Lösen der baulichen Stützungen des Ringtragwerkes erfolgen. Das Ringtragwerk war erst nach vollständiger Herstellung tragfähig, bauliche Zwischenzustände wurden nicht vorgesehen. Die rechnerisch auftretenden Verformungen des Ringtragwerkes waren insbesondere in horizontaler Richtung, damit senkrecht zu den Ringwänden, mit >10mm unter Eigenlast im Grenzbereich für die anschließenden Fassadenkonstruktionen. Ein Monitoring der Verformungen durch die ausführende Firma konnte in den Grenzbereichen eine sehr gute Übereinstimmung der rechnerisch ermittelten und sich in der Realität eingestellten vertikalen und horizontalen Verformungen bestätigen 3. Fazit Das Projekt geht auf einen gemeinsamen Wettbewerbsgewinn von Cobe, CL MAP, knippershelbig und Transsolar zurück. Als erfolgreiches Ergebnis einer frühzeitigen und durchgängigen interdisziplinären Zusammenarbeit der Fachdisziplinen von der Konzeption bis hin zur Ausführung ist das Gebäude beispielhaft für die Umsetzung eines architektonisch und technisch komplexen sowie innovativen Bauvorhabens. Als wesentlichen Anteil der erfolgreichen Planung kann die ganzheitliche Denkweise der Planer ausgemacht werden. Der Entwurf von Tragwerken aus Fertigbauteilen, mit einer hohen Qualität in der Detailausbildung, erfordert bereits in den frühen Planungsphasen ein Verständnis von Fertigungs- und Montageeinflüssen. Das Gebäude zeigt eindrucksvoll, dass, mit einem tiefen Verständnis für Kraftfluss, Material und Fertigungstechnologie sowie einem unvoreingenommenen Umgang mit Lösungen des Betonfertigteilbaus, vorbildhafte Bauten und ikonografische Architekturformen entstehen können.