Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau
fki
expert verlag Tübingen
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2022
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Abfallfreie Herstellung leichter Betonbauteile mittels wasserlöslicher Sandschalungen
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2022
Daria Kovaleva
Maximilian Nistler
Alexander Verl
Lucio Blandini
Werner Sobek
Die Verringerung des Materialverbrauchs, der Emissionen und des Abfalls hat eine hohe Priorität bei der Dekarbonisierung der Bauindustrie. Die Anwendung von Leichtbauprinzipien in Verbindung mit kreislauforientierten Produktionsverfahren bietet einen ganzheitlichen Ansatz für diese Herausforderung. Um diesen Ansatz auf die Herstellung von Betonstrukturen anzuwenden, haben die Autoren dieses Artikels eine abfallfreie Schalungsmethode entwickelt, die die Herstellung von Formen beliebiger Komplexität und die Mehrfachverwendung von Schalungsmaterial in Produktionszyklen ermöglicht. Die vorliegende Arbeit zeigt das Potenzial dieser Methode am Beispiel der Herstellung eines topologisch optimierten Einfeldträgers aus Stahlbeton mit räumlicher Gitterstruktur (Abb. 1). Zunächst wird der Kontext der Problemstellung beschrieben, dann wird ein Überblick über die entwickelte Methodik gegeben, gefolgt von einer Beschreibung des Herstellungsprozesses des Betonbauteils im Hinblick auf die Produktionsparameter.
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1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 193 Abfallfreie Herstellung leichter Betonbauteile mittels wasserlöslicher Sandschalungen Dipl.-Arch. Daria Kovaleva Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Universität Stuttgart, Deutschland Maximilian Nistler, M. Sc. Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW), Universität Stuttgart, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult. Alexander Verl Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW), Universität Stuttgart, Deutschland Prof. Dr.-Ing. M. Arch. Lucio Blandini Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Universität Stuttgart, Deutschland Prof. Dr. Dr. E. h. Dr. h. c. Werner Sobek Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Universität Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Die Verringerung des Materialverbrauchs, der Emissionen und des Abfalls hat eine hohe Priorität bei der Dekarbonisierung der Bauindustrie. Die Anwendung von Leichtbauprinzipien in Verbindung mit kreislauforientierten Produktionsverfahren bietet einen ganzheitlichen Ansatz für diese Herausforderung. Um diesen Ansatz auf die Herstellung von Betonstrukturen anzuwenden, haben die Autoren dieses Artikels eine abfallfreie Schalungsmethode entwickelt, die die Herstellung von Formen beliebiger Komplexität und die Mehrfachverwendung von Schalungsmaterial in Produktionszyklen ermöglicht. Die vorliegende Arbeit zeigt das Potenzial dieser Methode am Beispiel der Herstellung eines topologisch optimierten Einfeldträgers aus Stahlbeton mit räumlicher Gitterstruktur (Abb. 1). Zunächst wird der Kontext der Problemstellung beschrieben, dann wird ein Überblick über die entwickelte Methodik gegeben, gefolgt von einer Beschreibung des Herstellungsprozesses des Betonbauteils im Hinblick auf die Produktionsparameter. Abb . 1: Leichter Betonträger, wasserlösliche Sandschalung (links) und ihre Bestandteile: Sand, Dextrin und Wasser (rechts) 194 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 Abfallfreie Herstellung leichter Betonbauteile mittels wasserlöslicher Sandschalungen 1. Einleitung Die Verwirklichung einer nachhaltigen Bauwirtschaft erfordert einen Wandel zu verantwortungsvollem Umgang mit Ressourcen und eine zukunftsfähige Produktion, die durch einen Wechsel von linearen Produktionsketten hin zu geschlossenen Kreisläufen erleichtert wird. Dies gilt insbesondere für die Betonindustrie, die jährlich 30 Milliarden Tonnen Beton verbraucht und damit zu 8 % der weltweiten Emissionen beiträgt [1]. Die Einführung und Anwendung von Leichtbaustrategien ist von großer Bedeutung, um den Materialverbrauch im Stahlbetonbau zu senken [2]. Die Herstellung von leichten Betonbauteilen ist jedoch nach wie vor arbeitsintensiv, teuer und verursacht große Mengen an Abfällen. Dies gilt insbesondere für die Produktion von Schalungen, die mehr als 70 % des Produktionsbudgets bei der Herstellung von filigranen Betonstrukturen ausmachen [3]. Für die Herstellung geometrisch komplexer Betonstrukturen werden zunehmend digitale Schalungsfertigungsverfahren eingesetzt, vorwiegend additive Verfahren wie Materialextrusion (ME) und Bindemittelstrahlverfahren (BJ) [4]. Letzteres bietet die größte geometrische Freiheit bei der Bauteilgestaltung, da der Druck im Pulverbett keine zusätzlichen Stützstrukturen für Überhänge erfordert. Bei diesem Verfahren werden jedoch in der Regel chemische Verbindungen aus Sand und Bindemittel verwendet. Dies führt zu Einschränkungen der herstellbaren Geometrie aufgrund von Problemen beim Ausschalen sowie zu Schwierigkeiten bei der Wiederverwendung des Schalungsmaterials. Die Verbesserung der ökologischen Aspekte dieser Verfahren ist eine Voraussetzung für ihre breitere Anwendung in der künftigen Baupraxis. Ein Ansatz zur Lösung dieses Problems ist die additive Fertigung aus wiederverwendbaren Materialien. Dies würde es ermöglichen, räumliche Strukturen von nahezu beliebiger Komplexität herzustellen und das Schalungsmaterial in Produktionszyklen mehrfach einzusetzen. Abb. 2: Prozessübersicht (a) und perspektivische Ansicht der Produktionseinheit (b) Die neu entwickelte Schalungstechnologie, die in diesem Beitrag vorgestellt wird, bietet eine Lösung durch die additive Fertigung von Schalungen mittels einer wasserlöslichen Mischung aus Sand und organischem Bindemittel. Das Verfahren wurde von den Autoren in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekt im Rahmen des Schwerpunktprogramms SPP 2187 „Adaptive Modulbauweisen mit Fließfertigungsmethoden“ entwickelt [5]. In den folgenden Abschnitten werden das Produktionsverfahren und die automatisierte Fertigungseinheit kurz vorgestellt, gefolgt von der Beschreibung der Konstruktions- und Produktionsprozessschritte des Betonprototyps. 2. Technologie der rezyklierbaren Sandschalung 2.1 Prozessüberblick Das entwickelte Verfahren ist als geschlossener Produktionszyklus konzipiert, der aus zwei aufeinanderfolgenden Teilen besteht: der Herstellung der Betonstruktur und der Wiederverwendung des Schalungsmaterials (Abb. 2a). Der erste Teil umfasst die Vorbereitung einer Mischung aus Sand und organischem Bindemittel, die Herstellung der Schalungsgeometrie im Pulverbett, die Vorbereitung der Schalung für das Gießen und das Ausschalen durch Auswaschen mit Wasser. Im zweiten Teil wird das Schalungsmaterial von der restlichen Flüssigkeit getrennt, getrocknet, in einer Mühle gemahlen und dem Prozess erneut zugeführt. Bei der Entwicklung der Methode lag der Schwerpunkt auf der Automatisierung des Produktionsprozesses der Schalung, von dem der Erfolg des gesamten Produktionszyklus abhängt. 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 195 Abfallfreie Herstellung leichter Betonbauteile mittels wasserlöslicher Sandschalungen 2.2 Materialsystem Als Schalungsmaterial wird eine Mischung aus feinkörnigem Quarzsand (Korngröße 0,06-0,3 mm) und organischem Bindemittel (Dextrin) eingesetzt. Letzteres ist eine wasserlösliche Maisstärke, die in der Gussindustrie häufig als Bindemittel zur Erhöhung der Festigkeit von Grünsandformen verwendet wird [6]. Bei Zugabe von Wasser verwandelt sich das pulverförmige Bindemittel in ein Gel und verklebt bei der anschließenden Wasserverdunstung die Sandkörner miteinander, so dass die Mischung aushärtet. Beim erneuten Einweichen, welches bereits bei Raumtemperatur stattfinden kann, lösen sich die Verbindungen auf und die Mischung verliert ihre Form. Diese Eigenschaft ermöglicht es der Schalung eine ausreichende Festigkeit zu erlangen, um dem hydrostatischen Druck des Betons standzuhalten als auch diese wiederzuverwerten. Der Trocknungsprozess kann unter Umgebungsbedingungen erfolgen oder durch Erhitzen der Mischung auf eine maximale Temperatur von 150 ºC beschleunigt werden, damit die Polymerketten des Bindemittels nicht zerfallen. Der Anteil des Bindemittels in der Sandmischung sollte aus Gründen der Wirtschaftlichkeit so niedrig wie möglich gewählt werden, sofern die geforderte Mindestfestigkeit erreicht wird. Das Verhältnis, bei dem die Mischung eine ausreichende Festigkeit aufweist, wurde empirisch auf 8 % zu 92 % ermittelt. 2.3 Kinematisches System Um die Eigenschaften der Schalungsmischung mit der pulverbettbasierten additiven Fertigung zu kombinieren, wurden die Prozessschritte Befeuchtung und Trocknung in ein schichtweises Wasserstrahlverfahren mit anschließender thermischer Behandlung umgewandelt. Abb. 3: Überblick über den Ablauf vom Entwurf bis zur Produktion in der digitalen Umgebung von Rhino/ Grasshopper Für die automatische Wasserdosierung und damit einhergehende Bindemittelaktivierung wurde ein industrieller DoD (Drop-on-Demand) Druckkopf mit 32 Düsen und jeweils 130 µm Öffnungsdurchmesser eingesetzt. Durch Rotation des Druckkopfes in Bezug auf die Druckrichtung kann eine anpassbare Druckauflösung erreicht werden, die von 4,5 mm bei 0º bis 0,13 mm bei einem Anstellwinkel von 85º variiert. Um eine kontinuierliche Druckfläche zu erreichen, muss die Tropfengröße dem Abstand zwischen den Düsen bei gegebenem Druckkopfwinkel entsprechen. Mit zunehmender Auflösung nehmen die Tropfengröße und die Schichthöhe proportional ab und umgekehrt. Um die Aushärtung der Schalung zu gewährleisten, erfolgt die Trocknung unmittelbar nach dem Druck jeder Schicht unter Zuhilfenahme von Karbon-Infrarot-Strahlern (IR). Diese Strahler arbeiten im mittleren Infrarot- Frequenzbereich, der sich am besten für die Erwärmung und Verdampfung von Wassermolekülen eignet. Durchschnittlich 40-60 Sekunden reichen aus, um eine feuchte Sandschicht von 1,2 mm Dicke zu trocknen. Die Fertigungseinheit, einschließlich der oben beschriebenen Komponenten sowie des Sandzufuhrsystems, wurde als 3-Achs-Portalkinematik mit einem 70 cm × 100 cm × 40 cm großen Pulverbett konzipiert (Abb. 2b). Die Anlage ist modular aufgebaut und kann entlang der X-Achse erweitert werden, um die Druckfläche zu vergrößern und weitere Module in die Produktionslinie aufzunehmen. 3. Entwurf und Herstellung eines Betonprototyps Das oben beschriebene Verfahren und die automatisierte Produktionsanlage wurden bei der Herstellung von Schalungen für ein filigranes Betonbauteil mit komplexer Raumstruktur getestet. 196 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 Abfallfreie Herstellung leichter Betonbauteile mittels wasserlöslicher Sandschalungen 3.1 Entwurf eines Einfeldträgers mit Gitterstruktur Der Entwurfsansatz baut auf einem breiteren Forschungsgebiet zu funktional gradierten Betonstrukturen auf, mit dem sich die Autoren in den letzten Jahren befasst haben [7, 8]. Er basiert auf Strukturoptimierungsmethoden, bei denen das Material innerhalb eines definierten Entwurfsraums verteilt wird. Dies geschieht entsprechend dem Spannungszustand unter den gegebenen Belastungen. Der Herstellungsprozess spielt dabei eine entscheidende Rolle, da hierdurch bestimmt wird, wie das Spannungsfeld in eine herstellbare Geometrie mit variablen Eigenschaften umgesetzt werden kann. In diesem Beispiel wurde als Grundtopologie eine periodische Gitterstruktur gewählt. Dies ermöglicht, sowohl die Größe als auch die Richtung der Hauptspannungen zu materialisieren. Die Gestaltung eines Betonbauteils beginnt mit der Strukturanalyse des mit dem homogenen isotropen Material gefüllten Entwurfsraums (Abb. 3a). Auf der Basis der ermittelten Hauptspannungsgrößen und -richtungen wird danach eine konforme Gitterstruktur eines bestimmten Maßstabs erstellt. Es folgt eine Strukturanalyse und die Bestimmung der Querschnitte einzelner Gitterstreben (Abb. 3b). Schließlich wird die Netzfläche der Betonstruktur durch voxelbasierte Modellierung und boolesche Operationen erstellt (Abb. 3c). 3.2 Auslegung und Herstellung der Schalung Im nächsten Schritt wird die Schalungsgeometrie erstellt, indem die erzeugte Netzfläche um einen definierten Abstand (im vorliegenden Fall 13 mm) nach außen versetzt wird (Abb. 3d). Die erforderliche Wandstärke der Schalung hängt von der Größe des Bauteils ab und muss so ausgelegt werden, dass der Schalungskörper den hydrostatischen Druck des Betons erträgt. Danach wird der erhaltene Schalungskörper in Teile zerlegt und zur Optimierung der Produktionszeit im virtuellen Pulverbettvolumen ausgerichtet. Die Druckauflösung wird vom Benutzer festgelegt (im vorliegenden Fall 1,2 mm), was zu einer automatischen Bestimmung des Druckkopfwinkels, der Schichthöhe und der Drucktrajektorien führt. Schließlich wird die komplette Struktur als G-Code- Datei, bestehend aus Druckkopfbewegungen und Düsenkonfigurationen, IR-Trocknungszeiten und zusätzlichen Achsbewegungen für alle Schichten, kompiliert und an die Produktionseinheit gesendet. Die Gesamtproduktionszeit ist definiert als die Summe von vier Grundparametern: Druckauflösung, Druckgeschwindigkeit, Trocknungszeit und Positionierbewegungen. Im vorliegenden Fall wurde die dreiteilige Schalung mit einem Gesamtdruckvolumen von 45 cm × 27 cm × 12 cm in 5,5 Stunden gedruckt, einschließlich 60 Minuten für den Wasserauftrag, 190 Minuten für die Trocknung und 80 Minuten für die weiteren Positionierbewegungen (Abb. 4a, b). Abb. 4: Anordnung der Schalungsteile im virtuellen Pulverbett (a), Trajektorienplanung zur Fertigung (b). Reinigung der hergestellten Form von ungebundenem Sand (c) 3.3 Schalungsvorbereitung und Betonguss Nach dem Druck wird die Schalung aus dem Pulverbett entnommen, von ungebundenem Sand gereinigt (Abb. 4c) und für das Gießen zusammengesetzt. Die Eigenschaften des Betonbauteils, wie z.B. der kleinstmögliche Durchmesser der einzelnen Gitterstreben, werden in der Entwurfsphase in Abhängigkeit von der Fließfähigkeit und der maximalen Gesteinskörnung der verwendeten Betonmischung festgelegt. Im vorliegenden Fall wurde eine selbstverdichtende Betonmischung Sika Grout 551 mit einer Korngröße von 1 mm verwendet. Sie erfordert kein zusätzliches Rütteln, welches die Schalung beschädigen 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 197 Abfallfreie Herstellung leichter Betonbauteile mittels wasserlöslicher Sandschalungen könnte, und bietet eine Frühfestigkeit von 40 MPa, so dass die Schalung nach 24 Stunden wieder entfernt werden konnte, was die Gesamtbearbeitungszeit reduzierte. Zur Bewehrung wurden zwei Stahlstäbe mit einem Durchmesser von 6 mm an der Ober- und Unterseite des Trägers angebracht. In weiteren Untersuchungen ist geplant, Stäbe und Maschen aus Kohlenstofffasern zu verwenden, die entlang der zugbeanspruchten Gitterstreben verlegt werden. 3.4 Rückgewinnung und Wiederverwendung des Schalungsmaterials Nach dem Erhärten des Betons wird die Schalung auf einen Gitterrost gelegt und unter fließendem Wasser abgespült (Abb. 5a). Zur Wiederverwendung des Schalungsmaterials wird der Sand mit dem Bindemittel von überschüssigem Wasser getrennt, in einem Behälter gesammelt und für 6 Stunden bei 110°C in einen Ofen gestellt, damit die Restfeuchtigkeit verdampfen kann. Das getrocknete Material wird zerkleinert, mit einer Mühle gemahlen und steht dem Prozess anschließend erneut zur Verfügung. Im Rahmen von Produktionstests wurden sowohl frische als auch rezyklierte Materialmischungen verwendet. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Festigkeit des rezyklierten Materials im Vergleich zum neuen Material um etwa 20-30% (4-3,5 MPa gegenüber 5 MPa) abnimmt. Dies ist auf die partielle Löslichkeit von Dextrin in Wasser und die damit einhergehende Verringerung des Bindemittelgehalts der verarbeiteten Mischung zurückzuführen. In aktuell laufenden Untersuchungen wird dies jedoch noch detaillierter untersucht werden. Abb. 5: Auswaschen der Schalung (a) und Nahaufnahme von Schalung und Betonstruktur (b) 4. Diskussion Hauptziel der Forschung ist die Entwicklung eines automatisierten und zuverlässigen Verfahrens zur abfallfreien Herstellung von Betonbauteilen mit komplexen Geometrien unter Verwendung wasserlöslicher Sandschalungen. Die erste Phase des Projekts konzentrierte sich auf die Automatisierung des wichtigsten Produktionsschritts - der additiven Fertigung von Schalungskörpern. Die Produktionsversuche zeigten, dass Betonbauteile mit komplexer räumlicher Struktur, wie der vorgestellte Einfeldträger, innerhalb der vorgegebenen Produktionsparameter hergestellt werden können und den Qualitätsanforderungen entsprechen (Abb. 5b). Einige Aspekte der Produktion bedürfen jedoch weiterer Verbesserungen. Ein Aspekt umfasst Verbesserungen in Bezug auf die Qualität des Materials und die Form der Schalung. Die Genauigkeit der hergestellten Schalungsgeometrie hängt in hohem Maße von den eingestellten Prozessparametern ab. Beispielsweise bei einer zu kurzen Trocknungszeit kann die Schalung nicht vollständig aushärten, wird wiederum zu lange getrocknet, überhitzt sie und verzieht sich aufgrund des hohen Temperaturgradienten. Die unteren Schichten der Form sind hierfür am anfälligsten, was durch eine Verbindungsschicht zwischen dem Schalungsköper und dem Boden des Pulverbetts korrigiert werden kann. Die Trocknungszeit steigt jedoch proportional mit dem Flüssigkeitsvolumen der gedruckten Schicht, welches wiederum von der Fläche und der Tiefe der Schicht abhängt. Daher muss in Zukunft die Aushärtungszeit für jede Schicht parametrisch eingestellt werden und je nach gedruckter Geometrie variieren. 198 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 Abfallfreie Herstellung leichter Betonbauteile mittels wasserlöslicher Sandschalungen Ein weiterer Themenkomplex betrifft die Festlegung der Materialparameter für die Schalungsmischungen. Mit den aktuellen Parametern ist ein Gleichgewicht zwischen Festigkeit und Wasserlöslichkeit erreicht. Aufgrund des hygroskopischen Charakters der Schalung bildet sich jedoch an der Betonoberfläche eine Grenzschicht von ca. 1 mm Dicke, welche eine geringere Festigkeit aufweist. Dies ist auf das Eindringen von Wasser in den Schalungskörper und die Unterbrechung der Hydratation des Betons zurückzuführen. Eine Reduzierung dieser Schicht kann durch eine Erhöhung des Bindemittelgehalts und die Zugabe anderer Zusatzstoffe, die die Hygroskopizität verringern, erreicht werden. Es ist außerdem notwendig, eine Optimierung der Produktionsgeschwindigkeit und der übrigen Phasen für die Herstellung von Betonstrukturen in Originalgröße in Betracht zu ziehen. Eine Erhöhung der Druckgeschwindigkeit der Schalungsproduktion kann durch eine größere Dynamik der Linearachsen oder durch den parallelen Einsatz mehrerer Druckköpfe erreicht werden. Gleichzeitig können die Trocknungszeiten durch Vorheizen von Pulverbett, Materialspeicher und Druckkopf verkürzt werden. Zum Drucken größerer Schalungen kann das Pulverbettvolumen durch Erweiterung einer der Anlagenachsen vergrößert werden. Generell ist auch die Automatisierung anderer Produktionsschritte, wie die Vorbereitung der Schalung für das Gießen und die Aufbereitung des Schalungsmaterials, die derzeit noch manuell erfolgen, erforderlich. 5. Fazit In diesem Beitrag wurde eine Methode zur abfallfreien Produktion komplexer Betonstrukturen unter Verwendung von wasserlöslichen Sandschalungen vorgestellt. Die Methode wurde bei der Herstellung eines bewehrten leichten Einfeldträgers mit räumlicher Gitterstruktur getestet und die Ergebnisse haben gezeigt, dass deren Anwendung zu einer nachhaltigen Produktion beitragen kann. Außerdem werden neue Arten von herstellbaren Geometrien ermöglicht, wie beispielsweise Bauteile mit integrierten Hohlräumen, Hinterschneidungen und Engpässen. Die Skalierbarkeit der Methode und ihr Transfer zur Herstellung anderer Bauteiltypen werden in zukünftigen Studien weiter untersucht. 6. Dank Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung des Projektes: „Entwicklung eines adaptierbaren Fertigungsverfahrens für modulare leichte Betonbauteile mittels voll-rezyklierbaren Schalungssystemen“ (Projektnummer 423987937) im Rahmen des SPP 2187 - Adaptive Modulbauweisen mit Fließfertigungsmethoden. Besonderer Dank gilt der Sika Deutschland GmbH für die Bereitstellung der Betonmischung. Literatur [1] „Concrete needs to lose its colossal carbon footprint“, Nature, Bd. 597, Nr. 7878, S. 593-594, 2021, doi: 10.1038/ d41586-021-02612-5. [2] D. Schmeer und W. Sobek, „Gradientenbeton“, in Beton Kalender 2019, K. Bergmeister, F. Fingerloos, und J. Wörner, Hrsg. Wiley, 2018, S. 455- 476. doi: 10.1002/ 9783433609330.ch6. [3] F. Antony, R. Grießhammer, T. Speck, und O. Speck, „Sustainability assessment of a lightweight biomimetic ceiling structure“, Bioinspiration & biomimetics, Bd. 9, Nr. 1, S. 016013, 2014, doi: 10.1088/ 1748-3182/ 9/ 1/ 016013. [4] A. Jipa und B. Dillenburger, „3D Printed Formwork for Concrete: State-of-the-Art, Opportunities, Challenges, and Applications“, 3D Printing and Additive Manufacturing, 2021, doi: 10.1089/ 3dp.2021.0024. [5] P. Mark u. a., „Vom Handwerk zur individualisierten Serienfertigung“, Bautechnik, Bd. 98, Nr. 3, S. 243-256, 2021, doi: 10.1002/ bate.202000110. [6] M. Holtzer, Mold and Core Sands in Metalcasting: Sustainable Development. Cham: Springer International Publishing AG, 2020. [Online]. Verfügbar unter: https: / / ebookcentral.proquest.com/ lib/ kxp/ detail.action? docID=6353490 [7] M. Herrmann und W. Sobek, „Gradientenbeton - Numerische Entwurfsmethoden und experimentelle Untersuchung gewichtsoptimierter Bauteile“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 110, Nr. 10, S. 672- 686, Okt. 2015, doi: 10.1002/ best.201500035. [8] D. Kovaleva, O. Gericke, J. Kappes, und W. Haase, „Rosenstein-Pavillon: Auf dem Weg zur Ressourceneffizienz durch Design“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 113, Nr. 6, S. 433-442, Juni 2018, doi: 10.1002/ best.201800012.