Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau
fki
expert verlag Tübingen
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2022
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3-D-Druck mit Beton im Wohnungsbau
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2022
Matthias Werzinger
Martin H. Spitzner
Das Potenzial zementöser Baustoffe ist noch nicht ausgeschöpft. Durch das Zeitalter der Digitalisierung ist es heute möglich, Maschinen und Fertigungsabläufe in der Industrie intelligent zu vernetzen. Zu den Manifestationen der Vierten Industriellen Revolution gehören u.a. selbstfahrende Fahrzeuge, fortgeschrittene Robotik und der 3D-Druck. Letzterer ist allerdings nicht nur für den medizinischen Bereich oder den Maschinenbau interessant, sondern auch für die Baubranche und hat das Potenzial, diese zu revolutionieren. Der 3D-Betondruck geht dabei auf mehrere aktuelle Herausforderungen der Bauindustrie ein. Durch vermehrte Automatisierung kann dem Fachkräftemangel begegnet werden. Die Möglichkeiten, Freiformen zu erstellen – frei nach dem gängigen 3D-Druck Motto „Complexity for Free“ – erlaubt es, sowohl dem Megatrend der Individualisierung Rechnung zu tragen, als auch nachhaltiger zu bauen, indem nur dort Material positioniert wird, wo es tatsächlich von Nöten ist. Schließlich verspricht die Automatisierung schnellere Fertigungszeiten und höhere Effizienz auf der Baustelle – aufgrund des globalen Phänomens der Wohnungsnot ein besonders wichtiger Faktor, der für den 3D-Druck spricht.
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1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 281 3-D-Druck mit Beton im Wohnungsbau Matthias Werzinger cand.ing., PERI 3D Construction Printing, PERI SE Weissenhorn Prof. Dr. Martin H. Spitzner, Hochschule Biberach Einleitung Das Potenzial zementöser Baustoffe ist noch nicht ausgeschöpft. Durch das Zeitalter der Digitalisierung ist es heute möglich, Maschinen und Fertigungsabläufe in der Industrie intelligent zu vernetzen. Zu den Manifestationen der Vierten Industriellen Revolution gehören u.a. selbstfahrende Fahrzeuge, fortgeschrittene Robotik und der 3D-Druck. Letzterer ist allerdings nicht nur für den medizinischen Bereich oder den Maschinenbau interessant, sondern auch für die Baubranche und hat das Potenzial, diese zu revolutionieren. Der 3D-Betondruck geht dabei auf mehrere aktuelle Herausforderungen der Bauindustrie ein. Durch vermehrte Automatisierung kann dem Fachkräftemangel begegnet werden. Die Möglichkeiten, Freiformen zu erstellen - frei nach dem gängigen 3D-Druck Motto „Complexity for Free“ - erlaubt es, sowohl dem Megatrend der Individualisierung Rechnung zu tragen, als auch nachhaltiger zu bauen, indem nur dort Material positioniert wird, wo es tatsächlich von Nöten ist. Schließlich verspricht die Automatisierung schnellere Fertigungszeiten und höhere Effizienz auf der Baustelle - aufgrund des globalen Phänomens der Wohnungsnot ein besonders wichtiger Faktor, der für den 3D-Druck spricht. 1. Entwicklung des 3D-Betondrucks In den vergangenen zehn Jahren haben sowohl Universitäten als auch Unternehmen bemerkenswerte Fortschritte auf dem Feld des 3D-Betondrucks gemacht und bereits verschiedene Bauteile und Objekte gedruckt. Der 3D- Druck scheint für die Anwendung in der Baubranche in greifbarer Nähe, schließlich gibt es mittlerweile mehrere 3D-gedruckte Gebäude auf der Welt. COBOD hat bspw. schon 2017 das erste Haus Europas aus dem 3D-Betondrucker hergestellt und damit bewiesen, dass der 3D- Druck auch in der traditionellen Bauindustrie anwendbar ist [COBOD (2020): The Bod. Europe’s first 3D printed building]. PERI erbaute 2020 zwei vollständig genehmigte Gebäude in Deutschland. Die beiden Projekte in Nordrheinwestfahlen und Bayern sind die ersten 3D-gedruckten Häuser in Deutschland. In diesen realen Bauprojekte verdeutlichen, dass die Technologie des 3D-Betondrucks in der Realität angekommen ist. So konnte der 3D-Druck erfolgreich sowohl im Deutschen Winter als auch in der Wüste Arizonas erfolgreich angewandt werden. Trotzdem ist die Technologie noch sehr jung und es gibt verschiedenste Bereiche, die es weiterzuentwickeln gilt. Allen voran ist es notwendig, weiteres Wissen über das Material im Kontext verschiedenster Maschinenparameter zu erarbeiten. Beton unterscheidet sich hinsichtlich seiner Festigkeit und Oberflächenqualität wesentlich von den üblichen 3D-Druckmaterialien wie Kunststoff, Keramik oder Metall. Auch ergeben sich wegen der Dimensionen des zu druckenden Objekts und der Kräfte, die auf die Wände wirken, andere Anforderungen an das Material. Neben der Maschinentechnologie der verschiedenen Anbieter von 3D-Betondruckern haben sich auch die druckbaren zementösen Materialien stark weiterentwickelt in den letzten Jahren. Alle namenhaften Hersteller von Beton und Zement haben sich des Themas angenommen und ihre eigenen Produkte auf den Markt gebracht. Im Vergleich zu herkömmlichen Bauweisen mit Schalungen, bei welcher der genaue Aufbau der Schalung kaum Einfluss auf die späteren Eigenschaften des Betons hat, sind die Festigkeiten 3D-gedruckter Betonstrukturen extrem abhängig von der verwendeten Maschinerie - von Materialzufuhr über Mischer und Pumpe bis zur Extrusion. Entsprechend kann nicht einfach auf ein Datenblatt der Hersteller zurückgegriffen werden, sondern neue Materialien müssen immer bezogen auf den zu verwendenden 3D-Drucker getestet werden. Insbesondere der verwendete Wasseranteil ist dabei von entscheidender Bedeutung und von Anwendung zu Anwendung verschieden. 2. Vergleich von 3D-Betondrucktechnologien Um Elemente und Strukturen für den Bau eines Gebäudes anzufertigen, werden roboterunterstützte Technologien für den Einsatz mit Beton weiterentwickelt. Je nachdem, welche Dimensionen die zu druckenden Elemente erreichen sollen, werden verschiedene Verfahren zur Bewegung des Druckkopfes genutzt. 282 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 3-D-Druck mit Beton im Wohnungsbau Die am häufigsten verwendete Technologie basiert auf einem Sechs-Achs-Roboterarm, der äußerst flexibel ist und es ermöglicht, innerhalb eines nahezu kugelförmigen Volumens von ein bis mehrere Kubikmeter zu arbeiten. Dabei fährt der Roboterarm eine vorprogrammierte Strecke ab. Solche Roboterarmdrucker haben den Vorteil, dass sie kleinformatig und dadurch mobil sind. Somit können sie relativ einfach via Lkw von Einsatzort zu Einsatzort transportiert und mit einem herkömmlichen Hebekran auf- und abgeladen werden. Ein entscheidender Nachteil ist jedoch, dass der druckbare Bereich relativ begrenzt ist. Dadurch können nur einzelne Elemente, nicht aber vollständige Gebäude gedruckt werden. Auch muss der Raum im Inneren des Gebäudes für den Bewegungsfreiraum des Roboterarms ausreichend bemessen sein, da andernfalls das Gebäude von außen gedruckt werden muss. Dabei bedarf es aufgrund der mehrfachen Repositionierung der Unterstützung erfahrener Programmierer, die die Maschine wiederholt kalibrieren. Diese Komplexität macht sich folglich im Preis bemerkbar. Andere Roboterarmsysteme arbeiten hingegen mit fixierten Achsen, die eine größere Stabilität aufweisen und den Druck von komplexen und präzisen Strukturen möglich machen. Hier müssen allerdings Abstriche bezüglich Größe und Nutzbarkeit des Bauraums gemacht werden. Der Bewegungsradius des Roboters liegt häufig unter fünf Metern und beinhaltet tote Winkel. Demzufolge eignen sich Roboterarmdrucker in erster Linie für kreisförmige, eingeschossige Gebäudetypen mit eingeschränkter Grundrissgröße. Verschiedene Unternehmen haben die Verwendung von Roboterarmdruckern mit fixierten Achsen vorgeschlagen, um gewölbte Wände und vertikale Stützelemente in Einfamilienhäusern zu drucken [Perrot, A., Amziane, S. (2019): 3D Printing in Concrete, S. 16]. Im Vergleich zu Roboterarmdruckern bieten Portaldrucker die Möglichkeit, sehr große Strukturen in einem Arbeitsgang zu realisieren. Ein Portaldrucker besteht aus großen Linearachsverschiebeeinheiten, welche den gesamten Druckraum überbauen, und den Druckkopf in alle Raumrichtungen bewegen. Somit muss man Gebäude nicht aus vorgefertigten Einzelteilen zusammensetzen, sondern kann sie in einem Stück drucken. Die Bedienung eines Portaldruckers ist automatisierter, im Aufwand reduzierter und schneller erlernbar, wodurch man keine On-site Programmierer benötigt. Hinzu kommt, dass man sogar mit Unterbrechung drucken kann, was beim 3D-Betondruck von Häusern von entscheidender Bedeutung ist. Durch einen sogenannten „Hopper“ lässt sich der Betonzufluss in die Düse stoppen, wenn z.B. eine Tür- oder Fensteröffnung geplant ist. Die Nutzung eines „Hopper“ ist bei Roboterarmdruckern schwerer zu realisieren, da der Druckkopf zu groß wird und leichter bereits gedruckte Elemente durch Kollisionen beschädigen kann. Zudem wird dadurch auch die Bewegungsfreiheit des Arms zusätzlich eingeschränkt. Aufgrund der Größe eines Portaldruckers muss man mit einem aufwändigeren Transport und einer längeren Montagezeit vor Ort rechnen. Im Vergleich mit den kleineren Roboterarmdruckern ist auch die Druckgeschwindigkeit etwas geringer [CO- BOD (2020): Gantry versus robotic arm based 3D construction printers]. Roboterarm- und Portaldrucker sind die am häufigsten verwendeten Technologien im 3D-Betondruck. Neben diesen gibt es aber noch weitere Möglichkeiten, wie z.B. den 3D-Betondruck mittels Krans oder teilautomatisierter Autobetonpumpe. Diese Ansätze befinden sich in der Erprobungsphase und es gibt zum aktuellen Zeitpunkt keine Erfahrungswerte für den Bau von ganzen Gebäuden. 3. Rheologie im 3D-Betondruck Die Kontrolle der Rheologie beim 3D-Druck ist herausfordernd, da der eigentliche Druckprozess in verschiedene Phasen unterteilt ist und in jeder dieser Phasen unterschiedliche und manchmal gegensätzliche physikalische, chemische und mechanische Eigenschaften im Vordergrund stehen. Versucht man alle Materialanforderungen in den verschiedenen Druckphasen zu berücksichtigen, ergibt sich ein komplexer Prozess und eine komplexe Betonrezeptur. Phasen des Druckprozesses [basierend auf: COBOD (2020): Meet BOD2; m-tec GmbH (2021): SMP connect ] Wie in der Tabelle dargestellt, lässt sich der 3D-Betondruck generell in sechs Phasen unterteilen: die Herstellung des Betons, den Transport des Betons (Pumpen), einen optionalen zusätzlichen Mischschritt, die Extrusion des Betons, die Ablage einer einzelnen Schicht und schließlich der Aufbau einer tragfähigen Struktur. Diese Struktur muss über den gesamten Druckprozess eine ausreichende Stabilität aufweisen. Anstatt den Frischbeton zu pumpen, besteht auch die Möglichkeit, das Trockenmaterial zum Druckkopf zu fördern, bevor es mit dem für die Kohäsion und Hydratation des Zements notwendigen Wasser versorgt wird. Der Trockentransport ist jedoch, wie beim konventionellen Bauen, dem maschinellen Spritzbetonbau vorbehalten [Ibrahim, S., et al. (2018): 1. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Mai 2022 283 3-D-Druck mit Beton im Wohnungsbau Automated additive manufacturing of concrete structures without Formwork concept for path planning]. Die Unterteilung des Druckprozesses ermöglicht die Identifizierung der vielfältigen rheologischen Eigenschaften, welche das zementbasierte Material in jeder Phase des Druckprozesses aufweisen muss. Beispielsweise muss es fließfähig sein und während des Transports und der Extrusion homogen bleiben. Darüber hinaus muss die Verformung einer Schicht während ihrer Ablage begrenzt sein. Hier spielen die elastoplastischen Eigenschaften des Materials eine entscheidende Rolle. Um die Bildung von strukturellen Schwachstellen (allgemein als Cold Joints bekannt) zu vermeiden, muss die Beschaffenheit der Kontaktbereiche zwischen den Schichten berücksichtigt werden. Zur Vermeidung des zuletzt genannten Phänomens, muss das Zementmaterial entweder einen hohen Widerstand gegen Austrocknung aufweisen oder von einer ausgleichenden Wasserversorgung profitieren, da es nicht wie beim traditionellen Bauen von Schalung umfasst ist. Ein großes Wasserrückhaltevermögen des Materials kann somit von Vorteil sein. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ebenfalls die Layerzeit, welche die Gesamtdauer des Druckpfades in einer Schicht darstellt. Dauert es zu lange, bis die vorhergehende Schicht wieder von einer neuen Schicht bedeckt ist, findet kein ausreichender Verbund zwischen den Schichten statt. Bei der Untersuchung der Stabilität der gedruckten Struktur zu einem bestimmten Zeitpunkt sollte auch der Anstieg der Festigkeit über die Höhe der Struktur berücksichtigt werden. Dieser Gradient wird durch das unterschiedliche Alter, die Ruhezeiten und dem Hydratationsgrad des Materials für jede der Schichten nach der Ablage bestimmt. 4. Zusammenfassung Der 3D-Druck von Beton ist ein aufstrebendes Forschungsgebiet, das die Entwicklung innovativer Baumethoden, Technologien und Baumaterialien ermöglicht. Das Automatisierungspotenzial in der Baubranche, die Möglichkeit der Reduzierung und Eliminierung von Schalung und Abfall, sowie die Realisierung komplexerer Geometrien durch das 3D-Betondruckverfahren rechtfertigen intensivere Forschung. Die Technologie ist in der Realität angekommen, was an der der Zunahme erfolgreich realisierter Projekte in der jüngsten Zeit erkennbar ist. Um den 3D-Betondruck möglichst uneingeschränkt nutzen zu können, ist es wichtig, stets der Anwendung entsprechende Materialien nutzen zu können. Mit jedem zusätzlichen druckbaren Material steigt die Nutzungsfreiheit der Technologie und es reduzieren sich mögliche Grenzen. Das heute noch limitiert in der 3D-Druckpraxis und der Fachliteratur vorhandene Wissen über den 3D- Betondruck ist eine offensichtliche Hürde für die breitere Adoption der Technologie in der Bauindustrie. Auch sind viele Aspekte des 3D-Drucks nicht Teil der momentanen akademischen Ausbildung von Bauingenieuren. Auch dies stellt für die Ausbreitung des 3D-Betondrucks eine Herausforderung dar. Es können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: • Gute Druckergebnisse hängen von zahlreichen Faktoren ab. Zu diesen zählen die Schlauchlänge, die Wahl des spezifischen Mischwerkzeugs und die Umweltbedingungen wie Wind, Regen und Sonne. • Für den erfolgreichen 3D-Druck von Beton ist ein thixotropes Material erforderlich, um das Pumpen und Extrudieren ohne Entmischung und Verstopfung zu ermöglichen. Sobald die Bewegung beim Pumpen und Extrudieren aufhört, muss sich eine hohe statische Scherfließspannung mit einer Geschwindigkeit entwickeln, die höher ist als die Bau- oder Schichtablagerungsrate, um dem Gewicht der oberen Schichten standzuhalten. Ein Kollaps der Struktur wird bei zu niedrigen Wiederaufbauraten aufgrund des plastischen Nachgebens der unteren Schichten auftreten. • Aus Scherfestigkeitsmessungen kann der Strukturaufbau von Materialien gemessen werden. Aus dieser Widerstandskurve und der Komplexität des Druckobjekts können Randbedingungen für den optimaler Druckablauf abgeschätzt werden. • Die mechanischen Eigenschaften von 3D-gedruckten Proben werden durch die Druckrichtung und durch die Druckparameter gesteuert, wie z.B. die Layerzeit, die Layergeometrie und die Komplexität der gedruckten Objekte. • Durch Voruntersuchung von potenziell 3D-druckbaren zementösen Materialien können die Materialien für den Druckprozess standardisiert und eine gründliche Prüfung der Materialeignung ermöglicht werden. • Durch Messung von rheologischen Eigenschaften des Druckmaterials - anstelle eines kompletten Druckversuchs, welcher mit hohem Aufwand und Kosten einhergeht können spezifische Vorhersagen gemacht werden, welches es erlauben, die Druckbarkeit, aber auch die entsprechenden Druckparameter (Wasser- Zement-Gehalt, Extrusion, Lagenzeiten) des Betons vorherzusagen. • Verschiedene Umgebungsbedingungen, diverse Maschinenparameter und vielfältige Materialien können so beherrscht werden, dass 3D-gedruckte Strukturen in hoher Qualität erstellt und im Rahmen von Zustimmungen im Einzelfall auch genehmigt werden können.