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Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau
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Solarmodule als Bauprodukt – Entwicklung eines vereinfachten Prüfverfahrens

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Thorsten Weimar
Laura Vuylsteke
Zur Erreichung nationaler und globaler Klimaschutzziele sowie zur Einhaltung der daraus resultierenden Anforderungen für die Energiewende soll der Einsatz von Photovoltaik nachhaltig gestärkt werden. Dazu ist in Deutschland eine theoretische Fläche von 31 m2 pro Einwohner erforderlich, dem eine Fassaden- und Dachfläche von ungefähr 18.000 km2 im Gebäudebestand gegenübersteht. Dieses Potential wird allerdings noch nicht ausreichend ausgeschöpft, da sich der Markt für bauwerksintegrierte Photovoltaik nur bedingt entwickelt. Ein Grund sind komplizierte und aufwendige bautechnische Zulassungsverfahren für die Nutzung der Solarmodule in Fassaden- und Dachflächen. Ein durch den Vergleich von bautechnischen Anforderungen mit den elektrotechnischen Prüfungen im Rahmen einer CE-Kennzeichnung der Solarmodule entwickeltes Prüfverfahren könnte den Ablauf der bautechnischen Zulassungsverfahren zukünftig vereinfachen.
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2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 29 Solarmodule als Bauprodukt - Entwicklung eines vereinfachten Prüfverfahrens Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thorsten Weimar Universität Siegen Laura Vuylsteke, M. Sc. Universität Siegen Zusammenfassung Zur Erreichung nationaler und globaler Klimaschutzziele sowie zur Einhaltung der daraus resultierenden Anforderungen für die Energiewende soll der Einsatz von Photovoltaik nachhaltig gestärkt werden. Dazu ist in Deutschland eine theoretische Fläche von 31 m 2 pro Einwohner erforderlich, dem eine Fassaden- und Dachfläche von ungefähr 18.000 km 2 im Gebäudebestand gegenübersteht. Dieses Potential wird allerdings noch nicht ausreichend ausgeschöpft, da sich der Markt für bauwerksintegrierte Photovoltaik nur bedingt entwickelt. Ein Grund sind komplizierte und aufwendige bautechnische Zulassungsverfahren für die Nutzung der Solarmodule in Fassaden- und Dachflächen. Ein durch den Vergleich von bautechnischen Anforderungen mit den elektrotechnischen Prüfungen im Rahmen einer CE-Kennzeichnung der Solarmodule entwickeltes Prüfverfahren könnte den Ablauf der bautechnischen Zulassungsverfahren zukünftig vereinfachen. 1. Einführung Solarmodule als Bauprodukt sind in der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) der technischen Gebäudeausrüstung zugeordnet und in Abhängigkeit des Aufbaus, der Einzelmodulfläche und des Einbaubereichs unterteilt. [1] Die CE-Kennzeichnung von Solarmodulen basiert auf der Richtlinie 2014/ 35/ EU für die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel (EU-Niederspannungsrichtlinie) und nicht auf der Verordnung Nr. 305/ 2011 zur Vermarktung von Bauprodukten (EU-Bauproduktenverordnung). [2], [3], [4] Damit bietet die CE- Kennzeichnung für die Montage der Solarmodule keine Gewährleistung für die Erfüllung der Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Musterbauordnung (MBO). [5] Standardmäßige Solarmodule für den Einsatz in vorgehängten, hinterlüfteten Fassaden und In-Dachkonstruktionen weisen auf der Vorder- und auf der Rückseite eine Glastafel auf, deren Modulfläche eine Größe von 2,0 m 2 nicht übersteigt. Die Solarmodule sind in der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) für die In- Dach-Konstruktionen der Nummer B 3.2.1.25 und für die vorgehängte, hinterlüftete Fassade der Nummer B 3.2.1.27 zuzuordnen. Solarmodule für diese Anwendungen müssen hinsichtlich der Grundanforderung der mechanischen Festigkeit und der Standsicherheit zusätzlich in Abhängigkeit von der Einbausituation die Bestimmungen von A 1.2.7 zu Glaskonstruktionen erfüllen. Diese Anforderungen beziehen sich für Glas im Bauwesen auf die Bemessungs- und Konstruktionsregeln in DIN 18008. Bei den Anwendungen als In-Dach-Konstruktion und in vorgehängten, hinterlüfteten Fassaden sind den Glaskonstruktionen keine Zusatzanforderungen hinsichtlich Absturzsicherung, Begehbarkeit oder Betretbarkeit zuzuweisen. Es gilt allerdings, weitere Maßgaben gemäß § 85a (2) MBO zu beachten, die DIN 18008-1, -2 und -3 zu entnehmen sind. [6], [7], [8] Der Auf bau von Glas-Glas-Modulen entspricht zunächst einem Verbundglas mit eingeschlossenem Material zwischen zwei Glastafeln. Daher müssen die Module nicht nur den Anforderungen und den Vorgaben von DIN 18008 entsprechen, sondern in Abhängigkeit der Einbausituation auch gemäß Produktnorm DIN EN 14449 die Anforderungen an Verbundglas nach DIN EN ISO 12543-3 beziehungsweise an Verbundsicherheitsglas nach DIN EN ISO 12543-2 erfüllen. [9], [10], [11] Hinsichtlich der zusätzlichen mechanischen Beständigkeit von Verbundsicherheitsglas sind die Prüfungen der Normen DIN 52338, DIN EN 12600 und DIN EN 356 von Bedeutung. [12], [13], [14] Der Einsatz von bauwerksintegrierter Photovoltaik erfordert zusätzlich entsprechende elektrotechnische Nachweise aus den technischen Baubestimmungen. Die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen ordnet Solarmodule als technische Gebäudeausrüstung ein, die nach der EU-Niederspannungsrichtlinie (2014/ 35/ EU) als elektrische Betriebsmittel eine CE-Kennzeichnung tragen und daher als elektrisches Betriebsmittel nach DIN EN 61215 und DIN EN IEC 61730 zu zertifizieren sind. [2] DIN EN 61215 legt die Anforderungen für einen Langzeitbetrieb in Freiluftklima fest. In der Norm werden die Bestimmung der elektrischen und der temperaturbezogenen Kenngrößen geregelt sowie der Nachweis der Lebensdauer von Solarmodulen unter definierten Witterungseinflüssen. Die Bauarteignung und die Bauartzulassung sind durch Prüfanforderungen und -verfahren nach DIN EN 61215 gewährleistet. In DIN EN IEC 61730 werden grundlegende Anforderungen an den Auf bau von Solarmodulen definiert, um deren sicheren elektrischen und mechanischen Betrieb nachzuweisen. [15], [16] 30 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 Solarmodule als Bauprodukt - Entwicklung eines vereinfachten Prüfverfahrens 2. Anforderungen an Solarmodule Neben den Anforderungen an die mechanische und die klimatische Beständigkeit der Solarmodule aus den elektrotechnischen Normen sind bei einer Bauwerksintegration auch die Bestimmungen aus den bautechnischen Normen zu beachten. Die in diesen bautechnischen Normen definierten Prüfungen unterscheiden sich allerdings von den bereits für die CE-Kennzeichnung durchgeführten Prüfungen basierend auf den elektrotechnischen Normen. Problematisch erweisen sich beispielsweise die abweichenden Abmessungen der Prüfkörper für die einzelnen Prüfungen im Vergleich zu den vorhandenen Abmessungen der zu untersuchenden Solarmodule. Die Normen für die bautechnischen Versuche sehen unterschiedliche Abmessungen für die Prüfkörper vor, die teilweise deutlich von den Modulabmessungen der Hersteller von Solarmodulen abweichen. Um eine mögliche Übertragbarkeit der Prüfungen auf die Modulabmessungen der Hersteller zu untersuchen, erfolgt die Durchführung zunächst an Prüfkörpern mit den erforderlichen Normabmessungen und anschließend an Prüfkörpern mit durchschnittlichen Modulabmessungen von 950-mm auf 1.600-mm, die sich an den auf dem Markt verfügbaren Solarmodulen für die Gebäudeintegration orientieren. [17] Der Aufbau der Prüfkörper setzt sich mit zwei äußeren Glastafeln aus teilvorgespanntem Glas (TVG) der Nenndicke von 4,0-mm sowie mit zwei Lagen aus Ethylenvinylacetat (EVA) der Nenndicke von 0,2-mm ohne sowie mit Photovoltaikzellen zusammen. [18], [19] Es soll damit eine mögliche Übertragung der bautechnischen Nachweise auf gängige Modulabmessungen von Solarmodulen erzielt werden. Die Normabmessungen sind von Herstellern mit serieller Produktion nur mit einem erheblichen Aufwand produzierbar. Durch den Nachweis einer Übertragbarkeit auf andere Abmessungen ergibt sich zukünftig für die zu einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung/ allgemeinen Bauartgenehmigung erforderlichen Prüfungen eine erhebliche Vereinfachung. 3. Prüfung der klimatischen Beständigkeit Die Untersuchungen zur klimatischen Beständigkeit eines Verbundglases in Anlehnung an DIN EN ISO 12543 umfassen im Bereich der Bautechnik die Prüfung bei hoher Temperatur, die Prüfung in der Feuchte und die Bestrahlungsprüfung. In der Elektrotechnik werden im Rahmen der CE-Kennzeichnung die Solarmodule mit der Temperaturwechselprüfung, Prüfung mit feuchter Wärme und UV-Prüfung auf eine ausreichende klimatische Beständigkeit nachgewiesen. Bei dem Vergleich der experimentellen Untersuchungen für die beiden Bereiche Bautechnik und Elektrotechnik zeigen sich sowohl Analogien als auch Differenzen. In der Bautechnik ist die klimatische Beständigkeit bei hoher Temperatur nach DIN EN ISO 12543-4 im Klimaschrank bei konstanter Temperatur von +-100-°C und Prüfkörpern mit Mindestabmessungen von 300-mm auf 200-mm nachzuweisen. Im Gegensatz dazu wechselt die Temperatur in definierten Intervallen für die Prüfkörper mit Modulabmessungen beim Nachweis der Beständigkeit in der Elektrotechnik. Die Randbedingungen und die Anforderungen sind in Tabelle 1 gegenübergestellt. Tab. 1: Parameter für den Nachweis der klimatischen Beständigkeit bei hoher Temperatur. Bautechnik Elektrotechnik Prüfung bei hoher Temperatur Temperaturwechselprüfung DIN EN ISO 12543 DIN EN IEC 61215, DIN EN IEC 61730 3 Prüfkörper mit Mindestabmessungen 3 Prüfkörper mit Modulabmessungen Anforderung sind keine Blasen, Delamination, Schleier oder Trübung Anforderung sind keine Blasen, Delamination, Schleier oder Trübung Temperatur T-=-+-100-°C Dauer d-=-16-h Temperatur T-=-(−-40-±-2)-°C; (+-85-±-2)-°C Dauer d-=-50 beziehungsweise 200-Zyklen mit Haltezeiten von 10-min (17-h bis 68-h) Die Randbedingungen und die Anforderungen zum Nachweis der klimatischen Beständigkeit in der Feuchte weichen in den Bereichen Bautechnik und Elektrotechnik bezüglich Temperatur, Feuchte sowie Dauer voneinander ab. Grundsätzlich ist bei der Prüfung in der Elektrotechnik von einer höheren Beanspruchung auszugehen. In der Bautechnik weisen die Prüfkörper die Mindestabmessungen von 300-mm auf 200-mm und in der Elektrotechnik die Modulabmessungen auf. Eine Gegenüberstellung der Parameter nach der jeweiligen Norm ist in Tabelle 2 dargestellt. Tab. 2: Parameter für den Nachweis der klimatischen Beständigkeit in der Feuchte. Bautechnik Elektrotechnik Prüfung in der Feuchte Prüfung mit feuchter Wärme DIN EN ISO 12543 DIN EN IEC 61215, DIN EN IEC 61730 3 Prüfkörper mit Mindestabmessungen 3 Prüfkörper mit Modulabmessungen Anforderung sind keine Blasen, Delamination, Schleier oder Trübung Anforderung sind keine Blasen, Delamination, Schleier oder Trübung Temperatur T-=-(+-50-±-5)-°C Feuchte rF-=-100-% Dauer d-=-336-h Temperatur T-=-(+-85-±-2)-°C Feuchte rF-=-(85-±-5)-% Dauer d-=-1.000-h 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 31 Solarmodule als Bauprodukt - Entwicklung eines vereinfachten Prüfverfahrens Die Prüfung unter Bestrahlung nach DIN EN ISO 12543- 4 aus dem Bereich Bautechnik zeigt im Vergleich mit der Prüfung MST 54 nach DIN EN IEC 61730-2 aus dem Bereich der Elektrotechnik höhere Anforderungen. Die Randbedingungen und die Anforderungen sind in Tabelle-3 angegeben. Die Prüfung unter Bestrahlungen definieren für die Prüfkörper in der Bautechnik die Mindestabmessungen von 300-mm auf 150-mm sowie in der Elektrotechnik die Modulabmessungen. Tab. 3: Parameter für den Nachweis der klimatischen Beständigkeit unter Bestrahlung. Bautechnik Elektrotechnik Bestrahlungsprüfung UV-Prüfung DIN EN ISO 12543 DIN EN IEC 61730 3 Prüfkörper mit Mindestabmessungen 1 Prüfkörper mit Modulabmessungen Anforderung sind keine Blasen, Delamination, Schleier oder Trübung Anforderdung sind keine Blasen, Delamination, Schleier oder Trübung Strahlungsenergie E VSG,gesamt = 64,8-∙-10 8 -J/ m 2 , E VSG,UV -=-7,13-∙-10 8 J/ m 2 Strahlungsenergie Prüffolge B E Solar,gesamt = E Solar,UV = 4,32 ∙ 10 8 J/ m 2 Prüffolge C E Solar,gesamt = E Solar,UV = 0,54 ∙ 10 8 J/ m 2 Die Prüfungen werden an Prüfkörpern mit Mindestsowie mit Modulabmessungen durchgeführt. Es treten bei keinem Prüfkörper entsprechende Fehlstellen in Form von Trübungen, Delaminationen oder Blasen auf und der Nachweis der klimatischen Beständigkeit gilt für die Solarmodule als erbracht. 4. Prüfung der mechanischen Beständigkeit Nach DIN EN 14449 stehen für den Nachweis der Anforderungen an Verbundsicherheitsglas mehrere mechanische Prüfungen zur Verfügung. Neben dem Kugelfallversuch und dem Pummeltest ist der Pendelschlagversuch ein Nachweis für eine ausreichende mechanische Beständigkeit und in Anlehnung an DIN EN 12600 durchzuführen. Die Abmessungen der Prüfkörper betragen (876-±-2) mm in der Breite und (1.938-±-2) mm in der Länge. Der Stoßkörper besteht aus einem (50-±-1) kg schweren Doppelreifenpendel, dessen Reifen einen Luftdruck von (0,35-±-0,2) MPa aufweisen. Die Durchführung der Prüfung erfolgt bei (+- 20- ±- 5)- °C an vier Prüfkörpern je Fallhöhe, beginnend bei der niedrigsten Fallhöhe mit anschließender Steigerung. Die Fallhöhen betragen 190- mm, 450- mm sowie 1.200-mm und werden von der Auftreffstelle des Pendels in der Prüfkörpermitte gemessen. Der Pendelschlagversuch gilt als bestanden, wenn der Prüfkörper infolge des Aufpralls nicht bricht oder entsprechend der Beschreibungen in DIN EN 12600 ungefährlich bricht. Bei einem Prüfkörper aus einem Glasverbund bedeutet dies, dass weder ein Versatz noch eine Öffnung auftreten darf, den eine Kugel mit einem Durchmesser von 76-mm unter einer Kraft von maximal 25-N durchdringt. Die abgefallenen Glasstücke sind 3-min nach dem Aufprall zu wiegen. Das Gewicht darf nicht mehr als die äquivalente Masse von 10.000-mm 2 des Prüfkörpers betragen sowie das größte Bruchstück weniger als die äquivalente Masse von 4.400-mm 2 des Prüfkörpers wiegen. Während der hier durchgeführten Prüfungen werden die Dehnungen mit Dehnungsmesstreifen auf der Glasoberfläche und die Verformung in Plattenmitte mit einem Laserdistanzsensor gemessen. Durch die Aufnahme der Spannungen und der Verformungen ist ein anschließender Vergleich der Beanspruchungen mit dem Nachweis der Festigkeit aus der Elektrotechnik möglich. In Abbildung 1 wird der Versuchsauf bau mit einem Prüfkörper gezeigt. Abb. 1: Nachweis der mechanischen Beständigkeit von Solarmodulen mit dem Doppelreifenpendel nach DIN 12600. Im Rahmen der CE-Kennzeichnung ist im Bereich der Elektrotechnik eine ähnliche Prüfung zur mechanischen Festigkeit durchzuführen. Die Modulbruchprüfung dient dem Nachweis, das Verletzungsrisiko infolge des Bruches eines Solarmoduls auf ein Minimum zu verringern. Das Solarmodul wird bei den hier durchgeführten Prüfungen mit senkrechter Ausrichtung und umlaufender Klemmung 32 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 Solarmodule als Bauprodukt - Entwicklung eines vereinfachten Prüfverfahrens zwischen zwei Stahlrahmen analog zum Pendelschlagversuch gelagert. Der Stoßkörper wiegt (45,5-±-0,5) kg und besteht aus einem mit Schrotkugeln gefüllten Leinensack. Um eine glatte Oberfläche zu erzeugen, ist der Leinensack mit Klebeband umwickelt. Die Auftreffstelle des Stoßkörpers befindet sich in der Mitte des Prüfkörpers. Die Fallhöhe beträgt 300-mm. Zum Bestehen der Prüfung darf sich der Prüfkörper nicht aus der Rahmenkonstruktion lösen sowie nicht brechen oder so brechen, dass keine Schnittstelle oder Öffnung entsteht, durch die eine Kugel mit einem Durchmesser von 76-mm passt. Es dürfen sich keine Bruchstücke mit einer Größe von mehr als 65-cm 2 vom Prüfkörper lösen. Ein Brechen der abgelösten Bruchstücke auf dem Boden ist zu verhindern. Die Aufnahme der Verformungen und der Spannungen erfolgt äquivalent zum Pendelschlagversuch aus dem Bereich der Bautechnik. Der Versuchsaufbau ist in Abbildung 2 gezeigt. Abb. 2: Nachweis der mechanischen Beständigkeit von Solarmodulen mit dem Leinensack nach DIN EN IEC 61730. Um die Ergebnisse aus dem Bereich der Bautechnik mit denen aus dem Bereich der Elektrotechnik vergleichen zu können, sind die Randbedingungen der beiden Versuchsauf bauten bezüglich der mechanischen Beständigkeit zu prüfen. Die Anforderungen an den Versuchsauf bau sowie an die Durchführung sind den entsprechenden Normen zu entnehmen und in Tabelle 4 gegenübergestellt. Tab. 4: Vergleich der Randbedingungen von dem Pendelschlagversuch aus der Bautechnik und dem Modulbruchtest aus der Elektrotechnik. Pendelschlagversuch Modulbruchtest Stoßkörper als Doppelreifenpendel Stoßkörper als Leinensack Gewicht (50,0-±-0,1) kg Gewicht (45,5-±-0,5) kg Fallhöhen 190-mm, 450-mm und 1.200-mm Fallhöhe 300-mm Länge Auf hängseil ohne Angabe Länge Auf hängseil >-1.525-mm Stahllitzenseil d-=-5 mm Stahllitzenseil d-=-3-mm Auftreffstelle Plattenmitte R-=-50 mm Auftreffstelle Plattenmitte R-=-50-mm Abstand Stoßkörper 5-mm <-a-<-15-mm Abstand Stoßkörper a->-13-mm Bei direktem Vergleich der wesentlichen Parameter zeigen sich deutliche Unterschiede im Aufprallkörper sowie der Fallhöhen. Auch die Lagerung der Prüfkörper ist in den beiden Versuchsauf bauten unterschiedlich geregelt. In der Bautechnik wird im Hinblick auf eine mögliche Vergleichbarkeit mit anderen Produkten die Lagerung fest vorgegeben. Die Prüfkörper sind in einem Klemmrahmen allseitig linienförmig gelagert. Zwischen dem Prüfkörper und dem Klemmrahmen werden genau definierte Elastomere angeordnet, die eventuelle Spannungsspitzen aufnehmen sollen. Zusätzlich ist ein konstanter Anpressdruck, definiert durch die Kalibrierung eines Monoglases, auf den Klemmrahmen aufzubringen. Bei dem Modulbruchtest in der Elektrotechnik entspricht die Lagerung der Konstruktion dem späteren Einbau. Zum Vergleich der Beanspruchungen der unterschiedlichen Anprallkörper aus den Bereichen der Elektrotechnik und der Bautechnik sollten die Prüfungen mit gleicher Lagerung durchgeführt werden. Zur Aufnahme der Verformungen und der Spannungen an den Prüfkörpern in Abhängigkeit der Auswahl der Fallkörper und der Fallhöhe wird eine Glastafel mit einer Nenndicke von 8,0-mm in dem Klemmrahmen nach DIN EN 12600 eingebaut. Bei dem gewählten Prüfkörper ist eine Bruchsicherheit bis zu einer Fallhöhe von 1.200-mm gewährleistet. Die gemessenen Ergebnisse der Spannungen in Plattenmitte sind in Abbildung 3 dargestellt. Abb. 3: Vergleich der Hauptzugspannungen durch Doppelreifenpendel und Leinensack in Abhängigkeit der Fallhöhe. Die Spannungen in Abhängigkeit der Fallhöhe zeigen, dass der Stoßkörper aus der Elektrotechnik eine höhere Beanspruchung in Plattenmitte verursacht. Es ist beispielsweise bei einer Fallhöhe von 300-mm mit dem Leinensack eine etwas höhere Belastung zu erwarten als bei dem Doppelreifenpendel mit einer Fallhöhe von 450-mm. In Abhängigkeit von den Anforderungen an das Solarmo- 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 33 Solarmodule als Bauprodukt - Entwicklung eines vereinfachten Prüfverfahrens dul wird der Nachweis der mechanischen Beständigkeit aus der Bautechnik gegebenenfalls mit dem Modulbruchtest aus der Elektrotechnik bereits erbracht. 5. Vereinfachtes Prüfverfahren Aus den umfangreichen Prüfungen zeigen sich mögliche Vereinfachungen für die Nachweise der klimatischen Beständigkeit von bauwerksintegrierter Photovoltaik. Alle Nachweise sind zukünftig auch grundsätzlich mit den Abmessungen von gängigen Modulabmessungen durchführbar. Die Prüfung unter Bestrahlung weist im Bereich der Bautechnik eine deutlich höhere Strahlungsenergie auf. Dieser Versuch ist daher auch weiterhin ergänzend nachzuweisen. Eine Vereinfachung könnte hier in der Anpassung der Prüfung für die CE-Kennzeichnung im Bereich der Elektrotechnik liegen. Dazu sollten die Leuchtmittel im vorhandenen Versuchsaufbau ausgetauscht und die Versuchsdauer auf 1.000-h erhöht werden. Zusätzlich ist eine Erhöhung auf drei Prüfkörper erforderlich. Die in der Bautechnik geforderten Nachweise zur klimatischen Beständigkeit bei hoher Temperatur und in der Feuchte könnten grundsätzlich wegen der etwas höheren Beanspruchung durch die Versuche im Rahmen der CE-Kennzeichnung ersetzt werden. Der Nachweis aus dem Bereich der Bautechnik für die klimatische Beständigkeit bei hoher Temperatur sowie in der Feuchte sind dann analog erfüllt. Der entwickelte Versuchsablauf zum Erlagen einer CE-Kennzeichnung und gleichzeitig dem Nachweis zur Verwendung des Solarmoduls als Verbundglas ist in Tabelle 5 aufgeführt. Die Prüfung gilt als bestanden, wenn in der Zwischenschicht keine Trübungen, Blasen oder Delaminationen auftreten. Tab. 5: Prüfungen für die CE-Kennzeichnung von Solarmodulen als bauwerksintegrierte Photovoltaik mit zusätzlichen bautechnischen Anforderungen an Verbundglas. Nachweis Prüfung Prüfung bei hoher Temperatur 200-Zyklen mit Dauer von 10 min unter Temperatur von (--40-±-2)-°C sowie (+-85-±-2)-°C Prüfung in der Feuchte 1-Zyklus mit Dauer von 664-h unter Temperatur von (+-85-±-2)-°C und relativer Feuchte von (85-±-5)-% Prüfung unter Bestrahlung Bestrahlung mit einer Dauer von 2.000-h und Leuchtmittel mit 300-W Zusätzlich zum Nachweis der Beständigkeit ist für Solarmodule beim Einsatz als Verbundsicherheitsglas in der Gebäudehülle die mechanische Beständigkeit zu gewährleisten. In der Bautechnik wird dies durch den Pendelschlagversuch, dem Kugelfallversuch oder dem Pummeltest experimentell nachgewiesen. Reproduzierbare Ergebnisse werden insbesondere mit dem Pendelschlagversuch erzielt, der daher für den Nachweis der mechanischen Beständigkeit zu empfehlen ist. Die mechanische Beständigkeit eines Solarmoduls gilt als nachgewiesen, wenn der Prüfkörper beim Pendelschlagversuch nach DIN EN ISO 12543-2 mindestens die Klassifizierung 3(B)3 erreicht. Die Prüfkörper dürfen bei einer Fallhöhe von 190-mm des Stoßkörpers nicht oder sicher brechen. Im Rahmen der CE-Kennzeichnung wird die mechanische Beständigkeit auch geprüft. Es zeigt sich im Vergleich, dass durch die Belastung des hier verwendeten Stoßkörpers als Leinensack mit einer Fallhöhe von 300- mm eine ähnliche Beanspruchung erzeugt wird wie bei dem Doppelreifenpendel mit einer Fallhöhe von 450-mm. Die Prüfung der mechanischen Beständigkeit könnte daher im Rahmen der CE-Kennzeichnung mit dem Modulbruchtest nach DIN IEC 61715 nachgewiesen werden. Dafür ist allerdings das Solarmodul in einem linienförmigen Klemmrahmen mit einem Anpressdruck von 7 bar analog zum Pendelschlagversuch einzuspannen und die Prüfung an drei weiteren Prüfkörpern zu wiederholen. Neben den experimentellen Nachweisen zur klimatischen und mechanischen Beständigkeit ist zusätzlich die Resttragfähigkeit des Solarmoduls nachzuweisen. Die Resttragfähigkeit stellt einen wesentlichen Teil des Sicherheitskonzeptes für Glas im Bauwesen dar und wird entweder durch die Einhaltung konstruktiver Vorgaben, durch rechnerische Nachweise oder experimentell nachgewiesen. Die Lagerung von Solarmodulen entspricht meistens nicht den normativen Konstruktionsvorgaben. Dies betrifft insbesondere den Glaseinstand von 10-mm sowie die Vorgaben für die Zwischenschicht im Verbund. Der Nachweis der Resttragfähigkeit erfolgt daher experimentell an der Bauart der geplanten Ausführung. Die Abmessungen der Solarmodule müssen allerdings dazu nicht verändert werden. Abb. 4: Bruchbild von Verbundglas ohne Photovoltaikzellen nach planmäßiger Zerstörung und anschließender Belastung beim Nachweis der Resttragfähigkeit. 34 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 Solarmodule als Bauprodukt - Entwicklung eines vereinfachten Prüfverfahrens Abb. 5: Bruchbild von Verbundglas mit Photovoltaikzellen nach planmäßiger Zerstörung und anschließender Belastung beim Nachweis der Resttragfähigkeit. Die Untersuchungen zur Resttragfähigkeit werden an Prüfkörpern mit und ohne Photovoltaikzellen durchgeführt. Die flächige Belastung nach planmäßiger Zerstörung beträgt 0,5-kN/ m 2 . Die Verformungen in Plattenmitte werden während der Prüfungen aufgezeichnet. In Abbildung 4 und 5 sind exemplarische Bruchbilder der Prüfkörper dargestellt. Die Untersuchungen zeigen, dass die Prüfkörper mit Photovoltaikzellen und einer durchschnittlichen Verformung von 17,7-mm mindestens eine analoge Resttragfähigkeit aufweisen wie die Prüfkörper ohne Photovoltaikzellen und einer durchschnittlichen Verformung von 23,5-mm. Dies bestätigen auch Ergebnisse aus bisherigen Analysen. [20] Nach entsprechender Bemessung der Glastafeln für die zu berücksichtigenden Einwirkungen sollte daher für die Solarmodule eine ausreichende Resttragfähigkeit analog zu Verglasungen als Verbundsicherheitsglas gegeben sein. 6. Ausblick Zukünftig könnten die erforderlichen Prüfungen für den zusätzlichen Nachweis aus der Bautechnik für bauwerksintegrierte Solarmodule mit den Modulabmessungen durchgeführt werden und damit den Ablauf im Rahmen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung/ allgemeinen Bauartgenehmigung deutlich vereinfachen. Mit der Anpassung der Prüfungen beim Nachweis der klimatischen Beständigkeit könnten für das Solarmodul im Rahmen der CE-Kennzeichnung auch analog die Anforderungen an ein Verbundglas erfüllt werden. Zu empfehlen ist die Anpassung der Auflagerung bei der Modultestprüfung mit dem Leinensack zum Nachweis der mechanischen Beständigkeit aus der Elektrotechnik an den Pendelschlagversuch aus der Bautechnik. Zusätzliche Prüfungen zum Nachweis der Resttragfähigkeit sind allerdings weiterhin erforderlich. Literatur [1] Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB). Berlin: Deutsches Institut für Bautechnik, 2021. [2] Richtlinie 2014/ 35/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.04.2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zu Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt. Luxemburg: Amtsblatt der Europäischen Union, 2014. [3] Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/ 106/ EWG des Rates. Luxemburg: Amtsblatt der Europäischen Union, 2011. [4] Berichtigung der Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/ 106/ EWG des Rates. Luxemburg: Amtsblatt der Europäischen Union, 2013. [5] Musterbauordnung (MBO). Fassung 11.2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 27.09.2019. [6] DIN 18008-1: Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln - Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2020. [7] DIN 18008-2: Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln - Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2020. [8] DIN 18008-3: Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln - Teil 3: Punkt-förmig gelagerte Verglasungen. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2013. [9] DIN EN 14449: Glas im Bauwesen - Verbundglas und Verbund-Sicherheitsglas - Konformitätsbewertung/ Produktnorm. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2005. [10] DIN EN ISO 12543-3: Glas im Bauwesen - Verbundglas und Verbund-Sicherheitsglas - Teil 3: Verbundglas. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2022. [11] DIN EN ISO 12543-2: Glas im Bauwesen - Verbundglas und Verbund-Sicherheitsglas - Teil 2: Verbund-Sicherheitsglas. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2022. [12] DIN 52338: Prüfverfahren für Flachglas im Bauwesen - Kugelfallversuch für Verbundglas. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2016. [13] DIN EN 12600: Glas im Bauwesen - Pendelschlagversuch - Verfahren für die Stoßprüfung und Klassifizierung von Flachglas. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2003. [14] DIN EN 356: Glas im Bauwesen - Sicherheitssonderverglasung, Prüfverfahren und Klasseneinteilung des Widerstandes gegen manuellen Angriff. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2000. [15] DIN EN 61215 (VDE 0126-31): Terrestrische Photovoltaik-(PV-)Module - Bauartgenehmigung und Bauartzulassung. Deutsche Norm. Berlin: Beuth. 2019. 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 35 Solarmodule als Bauprodukt - Entwicklung eines vereinfachten Prüfverfahrens [16] DIN EN IEC 61730 (VDE 0126-30): Photovoltaik (PV)-Module - Sicherheitsqualifikation. Deutsche Norm. Berlin: Beuth. 2018. [17] Ensslen, F.; Kuhn, T.: Bauordnungsrechtliche und konstruktive Anforderungen für bauwerksintegrierte Photovoltaik (BIPV). In: Glasbau 2021. Berlin: Ernst & Sohn, 2021. [18] DIN EN 1863-1: Glas im Bauwesen - Teilvorgespanntes Kalknatronglas - Teil 1: Definition und Beschreibung. Deutsche Norm. Berlin: Beuth, 2012. [19] Vitasolar Grade 521. Datenblatt, 2018. [20] Hemmerle, C.: Photovoltaik in der Gebäudehülle. Wertung bautechnischer Anforderungen. Dissertation. Technische Universität Dresden. 2015.