Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau
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expert verlag Tübingen
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Holzbaugerecht planen – Wirtschaftliche Holzbauten erfordern ein Umdenken in der traditionellen Planungskultur
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Philipp Bacher
Tobias Götz
Der moderne Holzbau wächst unaufhaltsam. Die Projekte erreichen eine Größe, von der wir vor 10 Jahren noch alle geträumt haben. Das erfordert ein Umdenken in der Planungskultur. Die traditionelle Herangehensweise, wie Massivbauten geplant werden, funktioniert im Holzbau nicht. Essenziell ist eine hohe Detaillierung in frühen Phasen, sowie eine Integrale Planung aller Beteiligten. Wie passt das zur HOAI? Das Planungsteam muss umdenken, es braucht Spezialisten, welche sich im Holzbau auskennen. Nur so sind wirtschaftliche Lösungen möglich.
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2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 133 Holzbaugerecht planen - Wirtschaftliche Holzbauten erfordern ein Umdenken in der traditionellen Planungskultur Philipp Bacher, M. Eng. PIRMIN JUNG Deutschland GmbH, Metzingen Prof. Tobias Götz PIRMIN JUNG Deutschland GmbH, Remagen Zusammenfassung Der moderne Holzbau wächst unauf haltsam. Die Projekte erreichen eine Größe, von der wir vor 10 Jahren noch alle geträumt haben. Das erfordert ein Umdenken in der Planungskultur. Die traditionelle Herangehensweise, wie Massivbauten geplant werden, funktioniert im Holzbau nicht. Essenziell ist eine hohe Detaillierung in frühen Phasen, sowie eine Integrale Planung aller Beteiligten. Wie passt das zur HOAI? Das Planungsteam muss umdenken, es braucht Spezialisten, welche sich im Holzbau auskennen. Nur so sind wirtschaftliche Lösungen möglich. 1. Einführung Der moderne mehrgeschossige Holzbau befindet sich seit gut einem Jahrzehnt in Deutschland im Aufwind. Zunehmend werden Architekten, Bauingenieure, TGA- und Elektroplaner sowie gleichermaßen Projektsteuerer mit der Planung moderner Holzgebäude beauftragt. Aufgrund der sehr jungen Bauweise fehlt vielen Beteiligten allerdings die nötige Erfahrung, um „holzbaugerecht“ die Planung im Sinne einer reibungslosen Ausführung erstellen zu können. Die heutige HOAI stimmt die Planungsleistungen auf die konstruktive Planung eines Massivgebäudes ab. Dies bedeutet, dass vor allem in der Tragwerksplanung ein Großteil der Planung - 70 % - in den Leistungsphasen 4 und 5 zu bewerkstelligen sind. Die Leistungsphasen 1 bis 3 von der Grundlagenermittlung bis zur Entwurfsplanung spielen im HOAI-Gedanken eher eine untergeordnete Rolle und nehmen nur 28 % der geforderten Leistung in Anspruch. Diese Denkweise hat sich über Jahrzehnte nicht nur bei Tragwerksplanern, sondern auch bei TGA- und Elektroplanern manifestiert. In den späten Planungsphasen steckt das meiste Honorar, genau an diesen Stellen wird dann auch erst „richtig“ in die Planung eingestiegen. Als dezenter Hinweis und Spiegelung dieser Einstellung, die sicher jeder Bau-/ Planungsbeteiligte schon mal irgendwo gehört hat, sei der nachfolgende Satz in irgendeiner Art und Weise genannt: „Das klären wir dann in der Ausführungsplanung oder auf der Baustelle“. Die Klärung wichtiger konstruktiver Details des Holzbaus muss vor der Ausführungsplanung erfolgen, eine Klärung sämtlicher Details auf irgendeine Art und Weise auf der Baustelle bedeutet bei einem maximal vorgefertigten Holzbau meistens große Eingriffe in die Bauteile und damit einhergehende immense Qualitätsverluste. Der Baustoff Holz „lebt“ wie kein anderer Baustoff von frühzeitiger Planung und steht damit diametral zu den Anforderungen der HOAI und den Planungskulturen der am Bau beteiligten Fachplaner. Die besondere Herausforderung des versierten Holzbau-Tragwerksplaners - in Fachkreisen auch als Holzbauingenieur bezeichnet - liegt in der Darstellung, der Erklärung und dem Moderieren dieser neuartigen Bauweise und der sich damit verändernden Planungsgewohnheiten. Als Vergleich sei an dieser Stelle die Planung eines Elektroautos im Vergleich zu einem herkömmlichen Verbrennungsmotor genannt. Bei der neuartigen Elektrotechnologie werden sicher andere Planungsansätze und andere fachliche Qualitäten verlangt als beim konventionellen Benzin- oder Dieselmotor. Das Erscheinungsbild des Elektroautos allerdings unterscheidet sich nahezu gar nicht von dem des konventionell betriebenen Fahrzeugs. Abbildung 1/ 2: Volkwagen GmbH mit ID.3 und Golf VIII (Quelle: Volkswagen AG) 2. Lösungsansätze 2.1 Tabellarischer Projektablauf Der Ingenieur denkt gerne in Spalten und Zeilen, um v.a. Zahlen besser und übersichtlicher darstellen zu können. Gleiches hat sich im Hinblick auf die Darstellung des holzbaugerechten Projektablaufs bewährt. In der nachfolgenden Grafik wird auszugweise dargestellt, welche Aufgaben von welchen Planungsbeteiligten in welchen Leistungsphasen mit welchen Ergebnissen und welchen Verantwortlichkeiten zu liefern sind. 134 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 Holzbaugerecht planen - Wirtschaftliche Holzbauten erfordern ein Umdenken in der traditionellen Planungskultur Abbildung 3: Planungsablauf mehrgeschossiger Holzbau Es mag insbesondere auffallen, dass in der Leistungsphase 2 sehr viele und doch schon konkrete Aussagen zur Tragwerksplanung, zum Wärmeschutz, zur Bauakustik und zum Brandschutz erfolgen müssen. Gleichermaßen ist es vielen TGA- und Elektroplanern völlig ungewohnt, dass in dieser frühen Phase bereits so dezidiert nach Leitungsquerschnitten, Leitungsführung uvm. gefragt wird. Erledigt sich in der Massivbauplanung sehr vieles dieser Themen durch eine entsprechende Beton- oder Mauerwerksdicke relativ einfach, so zeichnet sich der Holzbau durch sehr unterschiedliche Bausysteme mit sehr weit gestreuten Qualitäten aus. 2.2 Schulung Fachplaner Aus der Vergangenheit muss festgestellt werden, dass nahezu alle Fachplaner v. a. im Hinblick auf Holzbaukonstruktionen und Tragwerksausbildung massive Defizite haben. Den beteiligten Fachplanern sollte zunächst ein Grundverständnis für statische Holzbausysteme im Sinne von Primärtragwerk (z. B. Unterzug) und Sekundärtragwerk (z. B. Decke) gegeben werden. Im Vergleich zum Massivbau setzt der Holzbau äußerst selten zweiachsig gespannte Flachdecken ein. Diese Tatsache muss den Fachplanern dargestellt und erläutert werden, da dies natürlich einen erheblichen Einfluss auf Architektur, Leitungsführung, Bauakustik usw. haben kann. Abbildung 4: Gewerbeschule Paul Müller - Baar/ CH; Darstellung des Primärtragwerks (Stützen/ Unterzüge) in blauer Farbe, Darstellung des Sekundärtragwerks (Decke) in roter Farbe Darüber hinaus ist schon mehrfach erwähnt worden, dass die Leitungsführung im Holzbau von erheblicher Bedeutung ist. Es bietet sich an, in dieser frühen Phase die beteiligten Fachplaner auf die Notwendigkeit einer intensiven Planungsabstimmung hinzuweisen. Im Gegensatz zum Massivbau verzeiht der Holzbau im Hinblick auf Durchbruchsöffnungen und Leitungsquerungen nur sehr wenig. Kleinste Leckagen in der Außenwand können zu Kondensat führen, Querschnittschwächungen zur Leitungsdurchführung von Kabeln oder Rohrleitungen können schnell zu einem Versagen des Tragwerks führen. Aufgrund der häufig schlanken und sensiblen Holz-Bauteile muss gleichermaßen eine Sensibilisierung der Fachplaner vorgenommen werden. Abbildung 5: „Leitungsführung“ auf Decke 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 135 Holzbaugerecht planen - Wirtschaftliche Holzbauten erfordern ein Umdenken in der traditionellen Planungskultur Abbildung 6: Nachträglicher Stützendurchbruch 2.3 Kommunikation & Dokumentation der Ergebnisse Aufgrund der neuartigen Bauweise und der damit verbundenen, ausführlichen Kommunikation empfiehlt es sich, dass in allen Leistungsphasen entsprechende Leistungsstände gegenseitig ausgetauscht und abgefragt werden. Die Umsetzung und Einhaltung eines verbindlichen Terminplans als Grundlage der Planung sollte grundsätzlich sehr stringent eingefordert werden. Insbesondere im Hinblick auf das Ende der Leistungsphasen empfiehlt sich einerseits eine sehr ausführliche Dokumentation und Darstellung der jeweiligen Fachplanerleistungen in der gesamten Planungsrunde. Parallel dazu muss von allen Beteiligten eine Offenheit und Ehrlichkeit an den Tag gelegt werden, die klar und deutlich anzeigt, wenn es nicht erbrachte Planungsleistungen gibt. Eine Verschiebung solch fehlender Leistungen in eine spätere Planungsphase („Abdriften in die Massivbau- Planungsschiene“) werden unweigerlich zu ungewollten Mehraufwendungen, möglichen Planungsfehlern oder sogar Ausführungsfehlern wie in den Abb. 4/ 6 führen. 2.4 Aufwand Holzbauplanung vs. Massivbauplanung Es stellt sich abschließend die Frage, wie groß der Aufwand seitens eines versierten Holzbauingenieurs in solch einem Prozess ist. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass der Holzbau im Hinblick auf die HOAI im Normalfall niemals unter der Honorarzone III ins Rennen gehen sollte. Vom Planungsaufwand her benötigt der Tragwerksplaner im Normalfall auch nicht unbedingt mehr als die 100 %, die in der HOAI veranschlagt werden. Allerdings sieht die Verteilung der Prozentpunkte deutlich anders aus als in der HOAI beschrieben. Wie eingangs schon erwähnt, werden in der Honorarordnung dem Massivbau in den Leistungsphasen 4 und-5 jeweils 30 % bzw. 40 % der Leistung zugesprochen. Die statische Detailbemessung im Holzbau ist sicher auch aufwändig, sie ist allerdings bei entsprechend frühzeitiger Detailplanung in den Leistungsphasen 2 und 3 beherrschbar. Ausgehend von den Erfahrungen der letzten Jahre zeigt sich, dass der Aufwand in der Tragwerksplanung in der Leistungsphase 2 mit ca. 12-16 % anzusiedeln ist und in der Leistungsphase 3 mit ca. 18-22 %. Damit liegt die Holzbauplanung in diesen beiden Phasen anstatt bei nur 25 % bei ca. 30-38 %. Die Verschiebung um diese 5-13-% gleicht sich allerdings in der Genehmigungs- und Ausführungsplanung wieder aus. Abbildung 7: Effektive Leistungsaufwände im Vergleich zur HOAI Auch termintechnisch bleibt die gesamte Planungsdauer im Vergleich zum Massivbau in etwa gleich. Es dauert allerdings etwas länger, bis alle Unterlagen für die Genehmigungsphase erstellt werden können. Dies bereitet v. a. manchen Architekten immer mal wieder Bauchschmerzen, da in vielen Köpfen immer noch die Denkweise der „schnellen“ Bauantragseinreichung vorhanden ist. Einerseits ist ein frühzeitiges Einreichen der Genehmigungsunterlagen im Hinblick auf die Bearbeitungsfristen an deutschen Bauämtern nachvollziehbar - andererseits schiebt auch gerne der ein oder andere Architekt die intensive, detaillierte Planung gerne von sich weg. 3. Fazit Holzbau ist ein Stück Zukunft Die Gesellschaft wird um den Baustoff Holz in Zukunft nicht herumkommen. Die zunehmende Anzahl an Projekten und die vor allem zunehmenden Projektgrößen lassen erahnen, welches Potenzial im Holzbau steckt. War es vor zehn Jahren schon ein Erfolg, wenn mit einem Architekturbüro oder einem Holzbaubetrieb ein mehrgeschossiges Gebäude in Holzbauweise geplant werden durfte, so sprechen wir heute bereits teilweise von ganzen Quartieren oder Siedlungen, die in mehrgeschossiger Holzbauweise ausgeführt werden. Die Planungsbeteiligten werden sich an veränderte Planungsabläufe gewöhnen (müssen). Die Hochschulen müssen gleichermaßen in der Ausbildung der jungen Architekten und Ingenieure einen viel größeren Fokus auf diese veränderte Planung im Sinne integraler Planungsgedanken legen und hierfür entsprechende Unterrichtsstunden auflegen. Architektonische und ingenieurstechnische Lösungen für den Holzbau gibt es massenhaft, es liegt ausschließlich an uns Menschen und am Umgang miteinander, was wir aus unseren Möglichkeiten machen!
