eJournals Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau 2/1

Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau
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expert verlag Tübingen
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2024
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Berechnung und Bemessung von Verstärkungen mit Carbonbeton anhand praxisnaher Beispiele und gültiger Bauartgenehmigung

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2024
Maximilian May
Alexander Schumann
Miriam Melzer
In den letzten Jahren hat sich das Verstärken und Instandsetzen von Stahlbetonbauwerken mit Carbonbeton (CARBOrefit®) als wirksame Methode etabliert. Dabei werden zur Wiederherstellung oder zur Steigerung der Tragfähigkeit dünne Carbonbetonschichten (üblicherweise 10–15 mm im Hochbau) auf bestehende Stahlbetonstrukturen aufgetragen, um diese vor dem Abriss zu bewahren. Zahlreiche erfolgreich realisierte Projekte im Hoch- und Infrastrukturbau unterstreichen eindrucksvoll die Vorteile dieser Methode. In Deutschland ist das CARBOrefit®-Verfahren zur Verstärkung mit Carbonbeton offiziell bauaufsichtlich zugelassen und anerkannt [1]. Mit einer steigenden Anzahl erfolgreich umgesetzter Projekte wird das Potenzial von Carbonbeton für die nachhaltige Bauwerkserhaltung immer deutlicher. So wurden in den letzten Jahren u. a. die Hyparschale in Magdeburg, der Beyer-Bau und der ehemalige Amtsschlachthof in Dresden, eine Autobahnbrücke bei Frankfurt über die Nidda und Fußgängerbrücken in Naumburg (Saale) und Aschaffenburg mit Carbonbeton instandgesetzt bzw. verstärkt [2]–[7]. Mit der neuen und allumfassenden Planungsmappe [8] steht den Planenden eine umfangreiche Zusammenstellung an unterschiedlichen Anwendungshilfen bereit, anhand derer in den nächsten Jahren eine Vielzahl an weiteren Bauwerken erhalten und saniert werden kann.
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2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 187 CUBE - Das Carbonbetongebäude den CUBE war daher eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) und eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung zu erwirken, um eine genehmigungsfähige Planung zu erstellen. Aufgrund der Komplexität des Gesamtprojektes wurde dieser Prozess in drei Teile gegliedert. Für die BOX wurde Teil I der ZiE erstellt. Inhalt sind Festlegungen zu den verwendeten Materialien, zur Vorgabe von Berechnungsansätzen sowie zu den Bau- und Montageprozessen. Dabei wurden die Materialeigenschaften und Kennwerte experimentell ermittelt und Großbauteilversuche durchgeführt. Der Teil II der ZiE betraf die TWIST-Schalen. Darin sind die Ergebnisse der kleinteiligen Versuche zum Materialverhalten enthalten sowie Untersuchungen zum Schwindverhalten der Betone und das Zusammenwirken der Wetterschale mit der Dämmschicht. Der Teil III regelte die Herstellung der inneren Trennwände aus Carbonbeton. Das Konzept für die Zustimmung im Einzelfall wurde in enger Abstimmung von den für die Tragwerksplanung zuständigen Partnern und der Landesstelle für Bautechnik in mehreren Runden überarbeitet und ergänzt [10]. 5. Fazit Das Besondere am Projekt CUBE war das enge Zusammenwirken zwischen wissenschaftlichen Leistungen und einem gewerblichen Bauprojekt. Es konnte gezeigt werden, dass der innovative Baustoff Carbonbeton bereits heute erfolgreich in der Baupraxis eingesetzt werden kann. Im Gebäudeteil BOX wurden bekannte Bauweisen aus dem Stahlbetonbau adaptiert und an den neuen Baustoff angepasst. Durch die wirtschaftliche Herstellung im Fertigteilwerk in Kombination mit dem Hohlkörperquerschnitt konnten zudem erhebliche Potenziale zur Ressourceneinsparung aufgezeigt werden. Auch komplizierte Strukturen wie mehrfach gekrümmte Schalen und mehrschichtige Querschnittsauf bauten sind mit der Carbonbetonbauweise möglich. Dies eröffnet architektonisch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. In den nächsten Jahren werden umfangreiche Untersuchungen insbesondere zur Dauerhaftigkeit durchgeführt. Auch bauphysikalische und statische Aspekte werden laufend evaluiert. Danksagung Die Autoren danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung für die Förderung des Vorhabens Ergebnishaus des C 3 -Projekts - CUBE (FKZ: 03ZZ0309A). Besonderer Dank gilt des Weiteren den Projektpartnern, der AIB GmbH (Bautzen), der Assmann Beraten + Planen GmbH (Dresden), dem Betonwerk Oschatz GmbH, der Bendl Hoch- und Tief bau GmbH (Sebnitz), dem Institut für Betonbau der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig, dem texton e. V. (Dresden), den Lieferanten für das zur Verfügung gestellte Material und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Otto-Mohr- Laboratoriums der TU Dresden für die Durchführung der Versuche. Eine vollständige Übersicht über die Projektbeteiligten enthält [11]. Literatur [1] Aßbrock, O.: Rohstoffversorgung für die Betonherstellung - Entwicklungen, Ressourcen und Umweltschutz: Bundesanstalt für Wasserbau (Hg.): Kolloquium Neubau von Wasserbauwerken 2019, S. 42-48. [2] Haist, M., Bergmeister, K., Curbach, M., Forman, P., Gaganelis, G., Gerlach, J., Mark, P., Moffatt, J., Müller, C., Müller, H. S., Reiners, J., Scope, C., Tietze, M., Voit, K.: Nachhaltig konstruieren und bauen mit Beton. In: Bergmeister, K., Fingerloos, F., Wörner, J.-D. (Hg.): BetonKalender 2022: Wiley, S. 421-531. 10.1002/ 9783433610879. [3] Dachler, M.: Bevölkerungsentwicklung. In: Dachler, M. (Hg.): Welternährung. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, S. 1-16. 10.1007/ 978- 3-662-66904-4. [4] Novák, B., Boros, V., Reinhard, J.: Herausforderungen der Zukunft: Strategien zur Verstärkung von Betonbrücken im Bestand. Beton- und Stahlbetonbau 116 (2021), S. 765-774. 10.1002/ best.202100027. [5] Curbach, M., Frenzel, M.: TP C3-V3.1-I: Weiterentwicklung, Untersuchung und Nachweisführung von Bauteilen und Tragwerken aus Carbonbeton sowie wissenschaftliche Begleitung von Entwurfs-, Konstruktions- und Bauüberwachungsprozessen im Carbonbetonbau im Vorhaben C3-V3.1: Ergebnishaus des C³-Projektes - CUBE. Abschlussbericht 2023. [6] Weidner, S., Mrzigod, A., Bechmann, R., Sobek, W.: Graue Emissionen im Bauwesen - Bestandsaufnahme und Optimierungsstrategien. Beton- und Stahlbetonbau 116 (2021), S. 969-977. 10.1002/ best.202100065. [7] Lieboldt, M.: Einführung zum Carbonbeton. Beton- und Stahlbetonbau 118 (2023), S. 7-10. 10.1002/ best.202100100. [8] Kupke, M.: CUBE Projektvorstellung. Beton- und Stahlbetonbau 118 (2023), S. 13-21. 10.1002/ best.202200021. [9] Vakaliuk, I.: Modellierung der TWIST-Schale des CUBE. Beton- und Stahlbetonbau 118 (2023), S. 66-70. 10.1002/ best.202200104. [10] Ritter, H., Frenzel, M., Scheerer, S.: Statisch-konstruktive Durchbildung des Gebäudeteils BOX - Herausforderung aus planerischer Sicht. Beton- und Stahlbetonbau 118 (2023), S. 42-48. 10.1002/ best.202200126. [11] Frenzel, M.: Carbonbetongebäude CUBE: Daten, Fakten, Meilensteine und Beteiligte. Beton- und Stahlbetonbau 118 (2023), S. 140-143. 10.1002/ best.202390005. 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 189 Berechnung und Bemessung von Verstärkungen mit Carbonbeton anhand praxisnaher Beispiele und gültiger Bauartgenehmigung Dipl.-Ing. Maximilian May CARBOCON GMBH, Dresden Prof. Dr.-Ing. Alexander Schumann CARBOCON GMBH, Dresden Dipl.-Wirt.-Ing. Miriam Melzer CARBOCON GMBH, Dresden Zusammenfassung In den letzten Jahren hat sich das Verstärken und Instandsetzen von Stahlbetonbauwerken mit Carbonbeton (CARBOrefit ® ) als wirksame Methode etabliert. Dabei werden zur Wiederherstellung oder zur Steigerung der Tragfähigkeit dünne Carbonbetonschichten (üblicherweise 10-15 mm im Hochbau) auf bestehende Stahlbetonstrukturen aufgetragen, um diese vor dem Abriss zu bewahren. Zahlreiche erfolgreich realisierte Projekte im Hoch- und Infrastrukturbau unterstreichen eindrucksvoll die Vorteile dieser Methode. In Deutschland ist das CARBOrefit ® -Verfahren zur Verstärkung mit Carbonbeton offiziell bauaufsichtlich zugelassen und anerkannt [1]. Mit einer steigenden Anzahl erfolgreich umgesetzter Projekte wird das Potenzial von Carbonbeton für die nachhaltige Bauwerkserhaltung immer deutlicher. So wurden in den letzten Jahren u. a. die Hyparschale in Magdeburg, der Beyer-Bau und der ehemalige Amtsschlachthof in Dresden, eine Autobahnbrücke bei Frankfurt über die Nidda und Fußgängerbrücken in Naumburg (Saale) und Aschaffenburg mit Carbonbeton instandgesetzt bzw. verstärkt [2]-[7]. Mit der neuen und allumfassenden Planungsmappe [8] steht den Planenden eine umfangreiche Zusammenstellung an unterschiedlichen Anwendungshilfen bereit, anhand derer in den nächsten Jahren eine Vielzahl an weiteren Bauwerken erhalten und saniert werden kann. 1. Einleitung Die Baubranche steht vor der großen Herausforderung, nachhaltiger zu werden: Während der Bedarf an neuen Gebäuden und Infrastrukturen steigt, müssen gleichzeitig der Materialverbrauch und die Emissionen gesenkt werden. Ein Schlüsselfaktor dabei ist der Erhalt und die Weiterverwendung bestehender Bauwerke. Fortschrittliche Erhaltungslösungen und innovative Baustoffe spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Das Verstärken von Bestandsbauwerken mit Carbonbeton, bekannt als das CARBOrefit ® -Verfahren, revolutioniert die Bauindustrie durch innovative Ansätze für die Erhaltung und Verstärkung bestehender Betonstrukturen. Das Verfahren nutzt die Vorteile von Carbonbeton und bietet eine effiziente Lösung, um die Lebensdauer von Stahlbetonbauwerken signifikant zu verlängern, statt sie abreißen zu müssen [2]. Ingenieur: innen, Planer: innen und Bauunternehmen übernehmen in ihrem Berufsalltag Verantwortung, nicht nur in Bezug auf Sicherheit und Qualität ihrer Bauprojekte, sondern auch hinsichtlich der Klimaschutzherausforderungen. Der Einsatz von CARBOrefit ® für den Bauwerkserhalt steht in direkter Übereinstimmung mit diesen verantwortungsvollen Aufgaben. Zum einen bietet das Verfahren bedeutende Vorteile in den drei Säulen der Nachhaltigkeit - Ökologie, Ökonomie und Soziales - und trägt dadurch zur nachhaltigen Entwicklung in der Bauindustrie bei. Zum anderen ermöglicht die Etablierung einer soliden baurechtlichen Basis durch die CARBOrefit ® -Zulassung und das Sammeln umfassender Erfahrungswerte eine sichere und verantwortungsbewusste Anwendung. Um die Herausforderungen der Baubrache zu lösen und den Planenden die Anwendung von Carbonbeton in der Bauwerkserhaltung zu erleichtern, steht nun eine umfangreiche Planungsmappe für das CARBOrefit ® -Verfahren als Hilfestellung bereit. In den folgenden Kapiteln werden das CARBOrefit ® -Verfahren, die dazugehörige Zulassung und die Planungsmappe [8] mit ihren Anwendungshilfen vorgestellt. 2. Das CARBOrefit ® -Verfahren Mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung/ allgemeinen Bauartgenehmigung (abZ/ aBG) Z-31.10-182 [1] ist das CARBOrefit ® -Verfahren zur Biegeverstärkung von Stahlbeton mit Carbonbeton durch die oberste Baubehörde, das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), regelungstechnisch beschrieben und für die Anwendung freigegeben [1]. Mit der Neuerteilung der abZ/ aBG im Dezember 2021 wurde ein neues Konzept, mit Materialkombinationen aus unterschiedlichen Gittertypen und dem Feinbeton, umgesetzt. Die neue Zulassung ist kennwertbasiert und ermöglicht es, die geeignetste Materialkombination für die Verstärkungsmaßnahme auszuwählen. 190 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 Berechnung und Bemessung von Verstärkungen mit Carbonbeton anhand praxisnaher Beispiele und gültiger Bauartgenehmigung Abb. 1: Ein Carbongitter, dass als Bewehrung zum Einsatz kommen kann (© CARBOCON GMBH) Als Regelungsgegenstand wurde durch das DIBt ein Bausatz bestehend aus getränkten Carbongittern und einem Feinbeton für die Anwendung freigegeben. Der Verwendungsbereich der abZ/ aBG deckt die Anwendung des CARBOrefit ® -Verfahrens für Verstärkungsmaßnahmen im Innenbereich bis 40 °C und 65 % Luftfeuchte ab. Der Altbeton muss einem Normalbeton entsprechen, die Festigkeitsklasse ist auf max. C50/ 60 begrenzt. Der Erwartungswert des Mittelwertes der Oberflächenzugfestigkeit des Altbetons muss mindestens 1,0 N/ mm 2 betragen. Im Gegensatz zum Spritzbeton wird die Verbundfuge nicht zusätzlich verdübelt. Der Verbund zwischen Verstärkung und Bestand wird mittels einer aufgerauten Oberfläche sichergestellt, wobei eine mittlere Rautiefe von mindestens 1,0-mm benötigt wird [1]. Statische Defizite des Bestandes, beispielsweise hervorgerufen durch Korrosion der Stahlbewehrung oder mangelhafte Ausführung, oder auch verursacht durch eine Erhöhung der Lasten infolge einer Umnutzung, können mit einer millimeterdünnen Schicht aus Carbonbeton behoben werden [9]-[10]. Abb. 2: Auf bau einer Verstärkungsschicht mit Carbonbeton (© CARBOCON GMBH) In den lagenweise im Nassspritz- oder Laminierverfahren aufgebrachten Feinbeton - die Stärke der einzelnen Schichten beträgt nur 3 bis 5 mm - wird die erforderliche Lagenanzahl der leistungsfähigen Carbongitter eingearbeitet und abschließend eine letzte Feinbetonschicht aufgetragen. Diese Kombination ermöglicht eine erhebliche Traglaststeigerung, trotz der minimalen Schichtdicke, die durch die Korrosionsbeständigkeit der Bewehrung möglich wird. In Abbildung 2 ist der Auf bau der Verstärkung mit Carbonbeton schematisch dargestellt. Die Carbonbewehrung nimmt die Zugkräfte infolge der Bauteilbeanspruchung auf, der Feinbeton gewährleistet den Verbund zum Bestand und kann auch Druckkräfte aufnehmen. Infolge der feinmaschigen Gitterstruktur, der großflächigen Anordnung und des geringen Eigengewichts muss die Carbonbetonschicht nicht mit dem Bestand verdübelt werden. Die hohe Zugfestigkeit der Gitter ermöglicht eine deutliche Erhöhung der Tragfähigkeit bei gleichzeitig minimalem Zusatzgewicht. Das System lässt sich daher für eine breite Anwendungspalette einsetzen. Mit diesen Vorteilen hebt sich das CARBOrefit ® -Verfahren von konventionellen Verfahren, wie dem Spritzbeton, ab und konnte sich, auch unter ökonomischen Gesichtspunkten sowie Anforderungen des Denkmalschutzes, bei einer Vielzahl an Praxisprojekten durchsetzen [11]. Abb. 3: Einlegen der Carbongitter in den Feinbeton während der Verstärkung eines Bestandsbauwerkes mit Carbonbeton (© Leonhard Weiss) Mit der Auszeichnung zum Deutschen Rohstoffeffizienz- Preis im Jahr 2022, welchen das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verleiht, wurde der ganzheitliche Ansatz zur materialeffizienten und ressourcensparenden Bauwerksertüchtigung mit Carbonbeton honoriert. Die Potentiale und Relevanz des CARBOrefit ® -Verfahrens für die nachhaltige Transformation im Bauwesen wurden mit dem Publikumspreis der Sustainability Challenge der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im Jahr 2023 erneut bestätigt. Die Weiternutzung des Bestandes und die Vermeidung des Abrisses stellt die höchste Form der Nachhaltigkeit im Bauwesen dar. Abb. 4: CARBOrefit ® erhält den Publikumspreis der DGNB Sustainability Challenge (© DGNB) 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 191 Berechnung und Bemessung von Verstärkungen mit Carbonbeton anhand praxisnaher Beispiele und gültiger Bauartgenehmigung 3. Grundlagen für das Verstärken mit Carbonbeton 3.1 Grundlagen der Planung Durch die Einbindung des CARBOrefit ® -Verfahrens schon in die frühen Planungsphasen von Bauwerksinstandsetzungen kann eine effiziente, schnelle und nachhaltige Verstärkung gewährleistet werden. Die zur Verfügung stehende Planungsmappe [8] dient den Planenden dabei als wertvolle Arbeitshilfe, die bereits in den frühen Leistungsphasen des Projekts Anwendung findet. Sie unterstützt bei der Grundlagenermittlung und ermöglicht es, erste Rahmenbedingungen zu definieren und Entwurfslösungen zu entwickeln. Bei der Anwendung des CARBOrefit ® -Verfahrens haben die Planenden zum einen die Regelungen der abZ/ aBG [1] zu berücksichtigen, zum anderen sind bei der Instandsetzungsplanung die baubehördlichen Vorgaben der Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ (TR Instandhaltung) [12] des DIBt und flankierende Normen zu berücksichtigen. Obwohl das CARBOrefit ® -Verfahren nicht direkt in die regulären Verfahren zum Schutz oder zur Instandsetzung von Betonbauteilen eingegliedert ist, definiert die Technische Regel wesentliche Anforderungen an die Betonkonstruktion, die für eine Verstärkung vorgesehen ist. Sie legt fest, wie der Betonuntergrund vorbereitet werden muss und beschreibt die Anforderungen an die Bauprodukte sowie die Qualifikation der ausführenden Firmen und deren Mitarbeiter: innen, um den technischen und sicherheitsrelevanten Vorschriften zu entsprechen. Neben der TR Instandhaltung sind weitere anwendungsspezifische Regelwerke und Vorschriften im Rahmen der Instandsetzungsplanung gegebenfalls zu beachten. 3.2 Grundlagen der Bemessung Die Berechnung der erforderlichen Lagenanzahl der Verstärkungsschicht erfolgt analog zu einer Dimensionierung mit Spritzbeton. Für die Nachweisführung müssen u. a. folgende Nachweise erbracht werden: • Nachweis der Biegetragfähigkeit, • Nachweis der Querkrafttragfähigkeit (ohne Ansatz der Carbonbetonschicht), • Nachweis der Verbundfuge, • Nachweis des Versatzbruches und der Endverankerung am Ende der Verstärkungsschicht, • Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit, • Konstruktive Durchbildung, • Nachweis der Feuerwiderstandsdauer (ohne Ansatz der Carbonfaser, aber ggfs. mit zusätzlicher Betondeckung durch den nachträglich aufgebrachten Feinbeton). Für die Ermittlung der Gesamtverstärkungsdicke und der erforderlichen Lagenzahl der Carbonbetonverstärkung stellt der Biegenachweis i. d. R. den maßgebenden Nachweis dar. Hierbei beruhen das Ingenieurmodell und die Nachweisführung auf den bekannten und etablierten Verfahren aus dem Stahlbetonbau. Die Bemessung erfolgt analog zum Stahlbeton unter folgenden Annahmen: • Der Querschnitt bleibt eben bzw. besitzt eine lineare Dehnungsverteilung (Hypothese von Bernoulli). • Vollständiger Verbund zwischen den Materialien; die jeweiligen Bewehrungsdehnungen folgen der Bernoulli-Hypothese. • Die Betonzugfestigkeit wird nicht berücksichtigt, sodass nur die Bewehrungskomponenten Zugkräfte aufnehmen. • Die normativ festgelegten Spannungs-Dehnungs-Linien (Beton und Stahl) und die Spannungs-Dehnungs- Linie für die Carbongitter nach abZ/ aBG [1], siehe Abbildung 4, sind anzuwenden. Abb. 5: Idealisierte Spannungs-Dehnungs-Linie für die Bemessung mit Carbonbeton (© CARBOCON GMBH) Die Bemessung von mit Carbonbeton verstärkten Stahlbetonbauteilen orientiert sich an den etablierten Verfahren des Stahlbetonbaus. Dabei wird das Gleichgewicht zwischen den inneren (Widerständen) und äußeren Schnittgrößen (Beanspruchungen) durch iterative Anpassung der Dehnungszustände von Beton, Stahlbewehrung und Carbongittern erreicht. Mithilfe von Materialkennlinien und den spezifischen Eigenschaften der verwendeten Materialien lässt sich der benötigte Widerstand bestimmen, wie in Abbildung 6 dargestellt. Für detaillierte Erläuterungen sei auf die Literaturstellen [9] und [13] verwiesen. Alternativ ermöglichen Bemessungstafeln eine vereinfachte Ermittlung der Bewehrungsmenge ohne iterative Berechnung. Die Bemessungstafeln für die Carbongitter der CARBOrefit ® -Typen sind Bestandteil der Planungsmappe [8] und mit dieser veröffentlicht. Als weitere Hilfestellung für die Bemessung steht seit Ende 2022 mit dem Tool „Stahlbetonbemessung B2“ von FRILO eine Software zur Verfügung, die sich in die tägliche Arbeitsumgebung der Tragwerksplanung integriert. In den beiden folgenden Kapiteln wird die CARBOrefit ® - Planungsmappe sowie die softwaregestützte Bemessung mit FRILO kurz erläutert. 192 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 Abb. 6: Idealisierter Dehnungsverlauf und innere Kräfte eines verstärkten Stahlbetonbauteils (© FRILO) 4. Die CARBOrefit ® -Planungsmappe Die CARBOrefit ® -Planungsmappe stellt das Ergebnis umfassender Forschung sowie praktischer Erfahrungen dar und zielt darauf ab, Planenden und ausführenden Unternehmen eine zuverlässige und praxisgerechte Ressource für die Planung und Umsetzung des CARBOrefit ® -Verfahrens zur Verfügung zu stellen. Sie dient als nützliche Arbeitshilfe, die weitreichende Unterstützung bietet und eine Vielzahl an Hilfestellungen zusammenfasst. Die folgenden 5 Kapitel sind Bestandteil der Planungsmappe und gliedert diese in: 1. CARBOrefit ® -Verfahren 2. Der Kombibescheid aus abZ und aBG 3. Planung und Bemessung 4. Ausführung 5. Weiterführende Informationen Die Planungsmappe stellt kein geschlossenes Werk dar. Sie besteht aus über 20 verschiedenen Merkblättern, die relevante Informationen zu den jeweiligen Kapiteln beinhalten und auch als separate Dokumente verwendet werden können. Neben allgemeinen Merkblättern mit projektspezifischen Angaben zu aktuellen Referenzproj ekten und den technischen Anwendungsmöglichkeiten des CARBOrefit ® -Verfahrens werden Bemessungs- und Konstruktionsregeln dargestellt und diese an verschiedenen Beispielen erläutert. Die Merkblätter bieten vertiefende Einblicke in die spezifische Bemessung und praktische Anwendung des Verfahrens. Sie enthalten detaillierte Anleitungen zur korrekten Anwendung des CARBOrefit ® -Verfahrens in verschiedenen Bausituationen und bei unterschiedlichen Anforderungen. Diese praktischen Anleitungen sind speziell darauf ausgelegt, die Planung und Ausführung von Bauprojekten zu optimieren, indem sie Schritt für Schritt die Prozesse und entscheidende Faktoren für den Erfolg herausstellen. Abb. 7: Die neue CARBOrefit ® -Planungsmappe steht als Anwendungshilfe für das Verstärken mit Carbonbeton bereit (© CARBOCON GMBH) Weitere Merkblätter enthalten z. B. Informationen zu Versuchen, welche im Rahmen der Qualitätskontrolle durchzuführen sind, Mustertextbausteine für die Ausschreibung, Anwendungsbeschreibungen für ausführende Firmen und zu den Materialien, welche Bestandteil des CARBOrefit ® -Bausatzes sind. Insgesamt bietet die CAR- BOrefit ® -Planungsmappe eine unverzichtbare Sammlung an Informationen, die die Anwendung von Carbonbeton in der Bauindustrie sicherer und effizienter gestalten sollen, was sie zu einem wertvollen Werkzeug für Fachleute in diesem Bereich macht. Sie wird stetig aktualisiert und erweitert. Über die Homepage www.carborefit.de steht die Planungsmappe zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung und es werden weitere Informationen zur Handhabung sowie Schulungen für die Anwendung des CAR- BOrefit ® -Verfahrens dargestellt. Berechnung und Bemessung von Verstärkungen mit Carbonbeton anhand praxisnaher Beispiele und gültiger Bauartgenehmigung 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 193 Abb. 8: Auszug aus einem Bemessungsbeispiel der CARBOrefit ® -Planungsmappe (© CARBOCON GMBH) 5. Einfache Bemessung mit FRILO Das Modul „Stahlbetonbemessung B2“ von FRILO ist in der Lage, Stahlbetonquerschnitte zu berechnen, die mit Carbonbeton verstärkt sind, und stützt sich dabei auf die aktuelle abZ/ aBG für das CARBOrefit ® -Verfahren. Das Modul ermittelt für definierte Querschnitte aus den einwirkenden Momenten und Normalkräften die erforderliche Anzahl an Carbongitterlagen und führt bei Vorliegen einer Querkraftbeanspruchung auch Schubnachweise für den bestehenden Querschnitt sowie für die Fuge zwischen Alt- und Carbonbeton. Es unterstützt die Bemessung einachsig beanspruchter Rechteckquerschnitte, mit oder ohne zusätzliche Betonergänzung auf der Oberseite. Ein weiteres Merkmal ist die integrierte Datenbank für historische Baumaterialien, welche die Einstellung von EC-konformen Parametern für Betone und Stähle seit 1916 ermöglicht. Benutzer können zudem spezifische Eigenschaften von Beton und Stahl für vorhandene Querschnitte individuell festlegen. Abb. 9: Dialogfenster bei der FRILO-Bemessung von Verstärkungen mit CARBOrefit ® (©FRILO/ CARBO- CON GMBH) Berechnung und Bemessung von Verstärkungen mit Carbonbeton anhand praxisnaher Beispiele und gültiger Bauartgenehmigung